DAS ANDERE DEUTSCHLAND VI. ANO No. 7 4 OCTUBRE 1. DE 1943 B UENO 5 AI R ES T M CUM A N S QS U. T. 31 - fÜETfftO ~ 72W j Aus dem Inhalt: August Siemsen: Sowjet- union und deutsche Ge- neräle. « Ernst Lakenbacher: Stim- men zur Auflösung der Komintern. Hans Lehmann: Bekämp- fung des Misstrauens. Nazideutschland organisiert den inneren Feind. Ein Programm deutscher Gewerkschafter. Englische Revolution. Der österreichische Sozialist Heute und Morgen. m (Organo de los alemanes libres de "America des Sur) Von 9 Uhr früh bis 24 Uhr 30 können Sie bei uns Ihre Leihbücher tauschen. BUCHHANDLUNG A. BARNA e Hijo MAIPU 441 U. T.: 31 - 4513, 31 - 7427, 32 1311 Freie Deutsche Buehne teatro alemän independiente. Casa del Teatro, Sta. Fe 1243. U. T. 41-2932. Leitung: P. Walter Jacob. Sonnabend, 2. Okt. (16.30 u. 30.30) Sonntag, 10. Oktober 17 Uhr: Sonntag, a. Oktober (18 llhr) KINDERMAERCHEN Das tapfere Schneiderlein 16. OKTOBER BUEHNENBALL IN DER RURAL VEREIN VORWÄRTS I Rincon 1141 (U. T. 23-3483) Buenos Aires | I WERDET UND WERBET MITGLIEDER! | ----- |A. A. B. A. | 1 IMPRENTA "ELIDOR" I i ENRIQUE II. CORONA MARTINEZ i I DIE DRUCKEREI DER j I . „ „ . „ ~ I I DEUTSCHSPRECHENDEN - I A B O G A D O j ! RIO SAMBA M7 1 ! LAVALLE 1268 U. T. 35 - 3853 $ I U. T. 41, Plaza 7512 i 1---------------------- LA OTPA i»#% %J 1 K\T1 DAS ANDERE DEUTSCHLAND ORGANO DE LOS ALEMANES LIBRES DE LA AMERICA DEL SUR Editor y directon Dr. AUGUSTO HEMSEN, »x-diputado tsarr*- sieht die Landesgruppe die gegebenen Instrumente der Zusammenarbeit. 8) Schon der Wiederaufbau der deut- schen Wirtschaft setzt das sofortige Vorhandensein wirtschaftlicher Orga- nisationen der Arbeitnehmer voraus. Spätestens mit dem Augenblick der Vernichtung des Nazismus muss da- mit begonnen werden, den gewerk- schaftlichen Unterbau neu zu legen, um die aktive Mitwirkung der Arbeit- nehmer zu gewährleisten. Auf Grund der gemachten Erfahrungen kann der Träger der Interessen der Arbeit- nehmerschaft nur eine von staatli- chen, weltanschaulichen und priva- ten Einflüssen unabhängige Organisa- tion sein, die auf den anerkannten gewerkschaftlichen Prinzipien aufbaut und die Sicherheit dafür bietet, dass die notwendige internationale Zusam- menarbeit gewährleistet ist. 9) Die Landesgruppe hält danach als erete Massnahmen für den Wieder- aufbau die Durchführung der folgen- den Grundsätze innerhalb Deutsch- lands für notwendig: a) Der Boden und die "Bodenschätze sind als Gemeingut des Volkes zu er- klären. b) Die Schlüsselindustrien (Kohle, Er- ze, Mineralien etc.) sind ihres privat- wirtschaftlichen Charakters zu ent- kleiden. c) Alle nachfolgenden Stufen der Er- zeugung und Verteilung sollen, soweit ihre privatwirtschaftlichen Tenden- zen den gemeinwirtschaftlichen Inte- ressen entgegenstehen, mit Hilfe ei- ner gemeinwirtschaftlich orientierten Wirtschafts-, Verkehrs-, Zoll- und Fi- nanzpolitik beeinflusst werden. d) Die Reste der Privatwirtschaft im Versorgungsgewerbe (Gas, Wasser, Elektrizität) und im Verkehrswesen sind zu beseitigen. e) Das gesamte Kreditwesen und das Versicherungsgewerbe sind unter eine staatliche Kontrolle zu bringen, die ihren Dienst an der Gemeinwirtschaft sicherstellt. f) Monopole, Kartelle und sonstig? — 12 — produktions- oder marktregelnde Zu- sammenfassungen sind unter eine • Kontrolle zu bringen, die ihre Anpas- sung an den Charakter der neuen Wirtschaft sicherstellt. g) In der Landwirtschaf: sind die kleinbäuerliche Betriebsform ucd das Genossenschaftswesen zu fördern. Der Grcssgrundbesitz ist restlos aufzutei- len. h) Träger der Wohnungsbauwirtschaft sollen ausschliesslich gemeinnützige Baugenossenschaften sein. i) Bas Gesundheits- und Medizinal- wesen ist zum sozialen Dienst am. Vol- ke umzugestalten. Nur öffentliche Körperschaften sollen Krankenhäu- ser, Kliniken, Sanatorien, Erholungs- heime etc. betreiben dürfen. Aerzte, Apotheker sowie alle im Gesundheits- und Medizinalwesen tätigen Personen sind in den öffentlichen Dienst zu, überführen. Die Herstellung und der Vertrieb von Heil- und Arzneimitteln sind ihres privat wirtschaftlichen Cha- rakters zu entkleiden. k) Die- Steuergesetzgebung ist progres- siv zu gestalten unter Schonung der wirtschaftlich Schwachen. Kopfsteu- ern sind zu vermeiden, indirekte Steu- ern auf ein Mindestmass zu beschrän- ken. Arbeitsloses Einkommen bezw. arbeitsloser Vermögenszuwachs sowie Luxusverbrauch sind besonders, scharf zu, erfassen. 1) Das Arbeitsrecht hat die Betriebs- und Wirtschaftsdemokratie herzustel- len, die Arbeitskraft zu schützen und das Recht auf Arbeit zu gewährlei- sten. Soweit das Recht auf Arbeit we- gen Erwerbsunfähigkeit oder aus von der Person unabhängigen Gründen nicht befriedigt werden kann, ist durch die vereinheitlichte Sozialversiche- rung eine ausreichende, von Bedürf- tigkeit unabhängige Versorgung si- cherzustellen. Die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung ist sofort wie- der herzustellen, ihre Selbstverwal- tung zu gewährleisten. Die Aufbrin- gung der erforderlichen Mittel hat zu einem wesentlichen Teile aus Staats- einnahmen zu erfolgen, die insbeson- dere eine Ueberhöhung der für die Sozialversicherung zu leistende Bei- träge verhindern, sollen. Das deutsche Arbeits- und Sozialrecht hat internationale Abkommen zu be- rücksichtigen, und sich für weitgehen- de Gegenseitigkeit der Arbeits- und Sozialgesetzgebung einzusetzen. m) Erziehung und Bildung dürfen nur und sollen jedem nach Massga- be .seiner Befähigung gewährt w-eraen Gemeinschaft und t'amilie haben bei der Durchführung dieses Grundsat- zes zusammenzuwirken. Die wirt- scnaftlichui Voraussetzungen hierfür sind üurch Ausgleichs- und Unter- haltsbeihilfen zu schaffen. Das Erziehungs- und BUdungswesen haben eoenso- wie Theater, Film, Rünaiunk, Presse und sonstiges .-■cm Uttum von der Anerkennung der Menschenwürde auszugehen una auf der betonten Ueberlegenheit der De- mokratie über totalitäre und autori- täre Systeme aufzubauen. 10) Für die Erfüllung dieser Forde- rungen ist eine vom Gedanken der VciKerversöhnung durchdrungene De- mokratie und die Wiederherstellung des Rechtsstaates die Voraussetzung. Dies bedingt nicht nur die demokra- tische Regierungsform sowie die Be seitigung der Ideenwelt des Nazismus und die dauernde Entfernung seiner Anhänger in Rechtssprechung, Ver- waltung und überhaupt jedem öffent- lichen Dienst. Es müssen vielmehr darüber hinaus diese Funktionen vor der Wiederauslieferung an die Macht einzelner Klassen oder vor dem Miss- brauch durch diese bewahrt bleiben. Die deutschen Gewerkschafter werden mit allen Mitteln an der Erreichung dieses, Zustandes mitwirken. Sie wün- schen das ihre zu tun, um ein für alle Mal den Frieden der Menschheit zu sichern und dem sozialen Fort-« schritt zu dienen. Dem grundsätzlichen Referat, das der Versitzende der Gruppe. am 20. Juni auf einer Konferenz in London als Ergänzung des obenstehenden Pro- gramms gehalten hat, entnehmen wir folgendes: Während — dem 1 internationalen Charakter der Gewerkschaf tsbewe - gung entsprechend — die Mitwirkung ausländischer Gewerkschaften beim Neuaufbau der deutschen Gewerk- schaftsbewegung als notwendig erach- tet wird, werden von einer Besatzungs- behörde geschaffene Gewerkschaften Abgelehnt, da sie im Wesen nichts anderes seien als die Arbeitsfront. In Bezug auf die Organisation wird gefordert Einheitlichkeit; Koalitions- freiheit statt Organisationszwang; — 13 — verantwortliche Mitwirkung in Staat und Verwaltung, jedoch nicht als Trager von Staatsfunktionen; Imdu- strieverbände; Zusammenschluss von Arbeitern, Angestellten und Beamten; möglichst weitgehende Verwendung von ehrenamtlichen Funktionären. ENGLISCHE REVOLUTION In England ist zurzeit ein politisches Ereignis im Gange, das ausserordent- lich charakteristisch ist für die Art, wie sich in England nie politische Entwicklung zu vollziehen pflegt. 1927, nach dem niedergerungenen General- streik, wurde ein Gesetz vom Londo- ner Parlament beschlossen, das den Gewerkschaften für ihre revolutionä- re Aktion Sanktionen auferlegte, un- ter anderem ein Verbot für Angestell- te der öffentlichen Verwaltung und der öffentlichen Dienste, solchen Ge- werkschaften anzugehören, die dem Trades Union Congress, der briti- schen Gewerkschaftszentrale, ange- schlossen sind. Die Folge war, dass die Berufsverbälnde der öffentlichen Beamten und Arbeiter aus dem Tra- des Union Congress austraten. Bei- des, die Niederringung des Streiks und der ihm folgende Anti-Trades Union-Akt, vollzogen sich damals un- ter der Verantwortung des Innenmi- nisters Winston Churchill. Als Pri- meminister und Chef der konservati- ven Partei trägt Winston Churchill seinen Teil an Verantwortung dafür, dass die Forderung der Gewerk- schaften, an dem Akt gewisse Modi- fikationen vorzunehmen, kürzlich an dem Veto der konservativen Fraktion des Unterhauses scheiterte. Nun hat Walter Citrine, der Generalsekretär des Trades Union Congress, dem aus Anlass des Silberjubiläums König Gecrg VI. den Sir-Titel verliehen hat, angekündigt, dass die Gewerkschaf- ten entschlossen sind, das Antige- werkschaftsgesetz durch einen revolu- tionären Akt ausser Kraft zu setzen. Die Union es Post Office Workers, die Gewerkschaft der Postbeamten, wird das Gesetesesverbot missachten und dem Trades Union Congress beitre- ten und Sir Walter hat angekündigt, Der zu schaffenden einheitlichen Ge- werkschafts - Internationale müssen die russischen Gewerkschaften, sowie die der Kolonialvölker angehören. Ein internationales Arbeitsamt ist mit weitgehenden Machtmitteln auszu- statten. dass die Gewerkschaftszentrale ent- schlossen sei, den Postbeamten ihre volle Unterstützung zu leihen, falls die Regierung irgendwelche Sanktio- nen über die verhänge. Die Postge- werkschaft macht sich durch den An- schluss keiner Gesetzesverletzung schuldig, vielmehr tun das die Post- beamten, die aus ihrer Gewerkschaft nicht austreten, nachdem sie sich dem Trades Union Congress angeschlos- sen haben wird. Die Regierung müss- te diese Beamten aus dem Dienste entfernen. Die Öffentlichkeit setzt voraus, dass sich die Regierung nicht durch eine solche Aktion lächerlich machen und ausserdem mitten in ei- nem Krieg, in dem sie auf die Willig- keit der Arbeiter und ihrer Gewerk- schaften angewiesen ist, einen Kon- flikt mit der gesamten Gewerkschafts- bewegung provozieren wird, der die Position der aus den Gewerkschaf- ten hervorgegangenen Minister un- haltbar machen würde. Was also wird geschehen? Nun, was in solchen Fäl- len des Konflikts zwischen dem ge- sunden Menschenverstand und einem unhaltbaren Gesetz in England zu geschehen pflegt: nichts. Nach einiger Zeit wird e:'ne zweite, dann eine drit- te Gewerkschaft öffentlicher Ange- stellter dem Trades Union Congress beitreten, ohne dass ein Hahn da- nach kräht, und in ein paar Mona- ten oder Jahren, bis Gras über die ganze Affäre gewachsen ist, wird ganz nebenbei und unbemerkt mit einem Wust von anderen obsolet ge- wordenen Gesetzen auch der Ant! Union Act von 1927 aufgehoben wer- den. Nur wer weiss, dass dieser Vor- gang typisch ist für das Funktionie- ren der englischen Demokratie, wird ihn verstehen. Berücksichtigt unsere Inserenten — 14 — „ZUERST DEN KRIEG GEWINNEN" Der Internationale Gewerkschaftsbund, die einzige repräsentative Kör- perschaft der Weltarbeiterbewegur.g seit der Auflösung der Sozialisti- schen Internationale und der Komintern, gibt in London, ihrem der- zeitigen Sitz, eine Zeitschrift in englischer und spanischer Sprache her- aus. Ihr Redakteur ist Scheveneis, Generalsekretär der IGB, ein jun- ger, aufgeschlossener Belgier, der mit grossem Geschick den IGB durch die Fährlichkeiten der Kriegsatmosphäre steuert. An den Körperschaf- ten und an tien Veranstaltungen des IGB nehmen die Repräsentanten der proletarischen Emigration aus den Achsenländern, Deutsche, Italie- ner, Oesterreicher, gleichberechtigt teil, . was sonst in London durch- aus nicht immer die Regel ist. Der IGB ist keine revolutionäre Körper- schaft; ihr Vorsitzender ist Walter Citrine, Generalsekretär des Briti- schen Trade Union-Oongress, den König Georg VI. aus Anlass seines silbernen Regierungsjubiläums zum Ritter geschlagen hat, und Sir Wal- ter liess sich schlagen, vom König. Umso grösseres Gewicht kommt den nachstehenden Ausführungen zu, die wir einem Artikel von Scheveneis entnehmen, der an leitender Stelle in der April-Nummer der "Movi- miento Obrero Mundial", der spanischen Ausgabe der Zeitschrift des IGB, erschienen ist: George Clemenceau, der grosse französische Staatsmann des ersten Weltkrie- ges, pflegte allen jenen, die ihm Probleme entwickelten, welche keine direkte Be- ziehung zum Krieg hatten, zu antworten: Ich führe den Krieg. Und. Clemen- ceau gewann den Krieg, aber er verlor den Frieden... An dem Tage an dem sie (Clemenceau, seine Mitarbeiter und Nachfolger) zur Einsicht kamen, dass der Frieden, den sie sich vorgespiegelt hatten, gescheitert war, sahen sie sich ausserstande, die Ausgangssituaticn wiederherzustellen und die Fehler gutzu- machen, in die Clemenceau durch seinen Mangel an Voraussicht verfallen war, als er es unterlassen hatte, den Weg zum Frieden vorzubereiten. Die Stellungnahme der gegenwärtigen Regierer Grossbritanniens und der Ver- einigten Staaten von Amerika enthält etwas, das Besorgnis erregt, weil es an die von Clemenceau verfolgte Politik erinnert. Wenn die dem Fortschritt zustrebenden Kräftegruppen oder die Arbeiterorganisationen sie nach den Massnahmen fragen, die vorbereitet werden, um die Ausweitung der sozialre- formatorischen Gesetzgebung nach dem Kriege zu sichern, pflegen sie auch zu antworten: "Zuerst den Krieg gewinnen!" Eimes um das andere Mal sagen Roosevelt und Churchill, dass es. im gegen- wärtigen Zeitpunkt und in der aktuellen Phase des Krieges nicht möglich ist, sich an etwas anderes zw binden, als an das, was bereits in allgemeinen Aus- drücken in den bisher abgegebenen offiziellen Erklärungen gesagt worden ist... Aber nur dem Volke, das die Reform der herrschenden Weltordnung anstrebt und für sie kämpft, sagt man dies. Den grossen Industriellen hingegen, den- jenigen zum Beispiel, die sich jetzt der Herstellung von Flugzeugen und Kriegs- schiffen widmen, wie auch der Finanzwelt wird keinerlei Schwierigkeit in den Weg gelegt bei der Vorbereitung von Massnahmen zur Errichtung eines ökono- mischen und sozialen Systems in der Nachkriegs weit, das mit ihren Wünschen und Bestrebungen übereinstimmt. Die Grossunternehmer und andere Sekto- ren der herrschenden Klasse der ganzen Welt sind entschlossen, ihre sözialen und ökonomischen Privilegien um jeden Preis zu verteidigen, sowohl im na- tionalen als auch im internationalen Bereich. Für sie stellen sich die sozialen Reformen als ein Versprechen dar, nur solche finanziellen Dispositionen zu tref- fen, die ihnen keine schwerwiegenden Opfer auferlegen; sie fügen sich ihnen als Garantie dafür, dass in der Welt von morgen der Handel und die interna- tionale Konkurrenz frei von Fesseln und Kontrollen wieder hergestellt wer- den. Nach ihnen werden die Prinzipien, des Privateigentums, der Privatinitia- tive und der Privatunternehmung wieder die Grundlage der Wirtschaftstätig- keit darstellen, so wie wieder die Erlangung grosser Profite das Hauptziel ihrer Tätigkeit und der Produktion im allgemeinen sein soll. — 15 — DAS GESICHT DER ZEIT Den künftigen elektrischen Krieg1 schildert Kurt Doberer, der interes- sante Bücher über diesen Krieg ge- schrieben hat, bevor er ausbrach, in seinem Buch "On the way to elec- tro-war". In ihm wird die Elektrizi- tät unser Blut zum Kochen bringen, das Gehirn zersetzen und uns bei le- bendigem Leibe rösten. Ausserdem werden elektrisch gesteu- erte Schlachtschiffe, Unterseeboote, Torpedos und Bomben auf uns los- gelassen, Helden werden durch fern- gesandte Strahlen in Feiglinge ver- wandelt. Kanonen geräuschlos elek- trisch abgeschossen und ganze Trup- penatoteilungen durch künstliche Blit- ze getötet. Wenn Regierungen und Völker nicht radikal neue Wege beschreiten, um die Wurzeln von Faschismus und Krieg auszurotten, könnte ein solcher Krieg in nicht ferner Zeit Wirklichkeit wer- den. Vielleicht wird ihm dann ge- lingen, was menschlicher' Einsicht nich: gelungen ist: Frieden auf Er- den zu schaffen — einen Kirchhofs- frieden. Herr Rauschning, den wir bereits zu seiner Zeit, als sein Ruhm in der Höhe des Zeniths stand, als antidemokratischen Herrenmen- schen charakterisiert haben, nennt in seinem Buch "Makers of destruetion" Papen einen "Konservativen im be- sten Sinne des Wortes" (ä la Clive- den-Set und ä la Rauschning?). Er sei ein, Opfer seiner unbegrenz.en Va- terlandsliebe geworden (d. h. der Grundsatz "Right er wrong my coun- try" liegt allen seinen Schurkereien und Gemeinheiten zu Grunde). Auch Rudolf Hess ist sin Mann nach dem Herzen Rauschnings. Von diesem an allen Verbrechen des Naziregimes in hervorragendem Masse mitschuldigen Hetzer und Mörder wird gesagt, dass er allgemeine Achtung einflössen müsse. Bleibt die Frage, wem Herr Rauschning die Equipe Papen-Hess - Rauschning empfehlen will! Erlefcnis im Pre-se Klub, Washington, U. S. A. I. F. Stone, der regelmässig für The Nation aus Washington politische Re- portage sendet, berichtet in Nr. 15, 10. April d. J. folgendes Erlebnis. Er wollte Richter William H. Hastie, der zwei Jahre im Kriegsministerium Dienst geleistet hatte, zum Lunch einladen. Hastie ist Neger und es er- gab sich, daes das» einzige Lokal, das Neger a-ls Gäste zuliess, das Bahn- hofsrestaurant war. Daraufhin bat Stone Richter Hastie, in seinen Club, den National Press Club, zu kommen. Kaum sassen sie an einem Tisch, als ein iFage Mr. Stone hinauslief. Drau- ssen sagte ihm der Manager, d ss er und .sein farbiger. Gast nicht bedient würden. Sie sassen bis zwei Uhr, oh- ne bedient zu werden. Stone wollte ei- ne Beschwerde über das Verhalten der Klubleitung vorbringen. Es genü- gen 25 Unterschriften, um eine Ver- sammlung des Klubs einzuberufen. Stone brachte es auf neun Unter- schriften; die meisten Leute, die er ansprach, drückten sich. Stone trat aus dem Klub aus. Richter Hastie er warb seinen akademischen Titel auf der Harvard Rechtsf akultät, ist De - - kan der Howard Rechtsfakultät, ein Mann von hoher geistiger Kultur, "mindestens so kultiviert wie einige der drittklassigen Inseratenleute und viertklassigen Politiker, die dem Klub angehören", sagte Stone. Uebrigens ist den Korrespondenten der Neger- Zeitung de/ Zutritt zur Presse-Gale- rie in den beiden Häusern der Ge- setzgebung und zu den Pressekonfe- renzen im Weissen Haus veroocen. Scz:;alisti>che Renegaten Eine kleine Gruppe früherer deutscher Sozialdemokraten bemüht sich, den Vansittartisten Material zu geben, in- dem sie die deutsche Arbeiterbewe- gung und. ihre Parteien in so masslo- ser Weise kritisiert, dass der Ausdruck Verleumdung nicht übertrieben ist. Sie spricht dem deutschen Volk die Fähigkeit ab, sich aus eigener Kraft von Nazismus, Gewaltanbetung und Militarismus zu befreien und tritt für die angelsächsische Vormundschaft ein. Die prominentesten Leute dieser Gruppe sind der frühere thüringische Staatsbankpräsident Löb; Kurt Gey- er, der vom radikales Flügel der USP zu den Kommunisten ging, um später die offizielle Politik des PV der SPD durch dick und dünn zu verteidigen und der in der Emigration eine seich- te antimarxistische Broschüre schrieb, — 16 — um dieses Ende zu nehmen; Bernhard. Menne, bekannt geworden durch ein gutes Buch über die Firma Krupp, in der Maienblüte seiner jugendlichen Sünden Kiomimi4nist radikalster Ob- servanz. Als Grund für die herostra- tisehen Bemühungen dieser "Soziali- sten" lässt sich nur der finden: Her- an die angelsächsische Futterkrippe! Volle Freiheit für Indien wird in zwei neu erschienen engli- AÜS INDIEN sehen Büchern gefordert. Lionel Fiel den, ein früherer Beamter, und J. S. Hoylaaiü, ein Quäker, der lange Zeit unter dem indischen Volk gelebt und gewirkt hat, kommen beide zu dem Schluss, dass die Engländer In- dien räumen müssen. "Die Beiden sprechen für viele, die kaum in der Lage sied, frei sich äussern zu kön- nen", sagte "New Statesman" (3. Ju- li). MASSENELEND „Auf Einladung' des Vizekönigs trat diese Woche eine Konferenz von Indern in New Delhi zusammen, um Notstandsmassnahmen für die Unterernährten zu pla- nen. Millionen Menschen litten Hunger, überall im Lande war die Lebensmittel- knappheit akut . . . Tausende standen, als die Monsune Calcutta erreichten, von den Regengüssen durchnässt, Schlange vor Lebensmittelläden. Wegen des Le- bensmittelmangels in den Vorstädten zogen ganze Familien ins Stadtinnere und kampierten auf den Gehsteigen gegenüber von Getreidehandlungen. In Bijapur nahe Bombay war der Mangel so gross, dass das Vieh verendete. Wie berichtet wird, wurden in Bombay fünf Personen in einem Streit um ein Stück Brot ver- letzt . . . Die Steigerung der Lebensmittelpreise wurde durch die Preiserhöhung der Kleider erreicht — sie beträgt 400 bis 500 Prozent. Die Preise heimischer Heilmittel sind raketenartig in die Höhe geschnellt, die Preise ausländischer Drogen stiegen um 1600 Prozent. Eine schmale Schicht von Fabrikanten und Kriegggewinnern bereichert sich, aber die Löhne der einheimischen Arbeiter und der geistigen Arbeiter verzeichnen keine Steigerung, die der Steigerung der Lebenshaltungskosten vergleichbar wäre. Ein Winkel Indiens hingegen bot ein anderes Bild. In den Bergen ist es ganz so wie im Indien von einst. Der Krieg bleibt weit zurück. Von allen Plätzen in Indien sind die Bergstationen am mei- sten britisch. Die Zeit scheint hier stillgestanden zu haben . . . Nur die wohlha- bendsten unter den Indern können sie geniessen. Die Berge sind für Maharajahs, ihr Höflinge und Kurtisanen, für Mitglieder des vizeköniglichen Beirates und für Könige in Baumwolle und Jute" (Time, Chicago, 12. Juli). GESl ADHEITSFUERSOKGE De John B. Grant von der Internationalen Gesundheitsdienst-Abteilung der Rok- lcefeller-Stiftungen, der zurzeit bei der Indischen Regierung Dienst leistet, be- richtet: Für Indiens 400.000.000 Einwohner stehen 42.000 Aerzte und 5.000 Pfle- gerinnen zur Verfügung. In ganz Indien gibt es nur 10 an Universitäten ange- schlossene medizinische Studienanstalten, von denen keine di© Mindestforder- nisse einer vernünftigen medizinischen Ausbildung- erfüllt. — 1939 starben 1.500.000 Inder an Malaria, fast 100.OOo an Cholera (Todesrate 29,3 per 100.000 ge'gen 0,0 bis 0,1 auf den Philippinen), an die 50.000 an Blattern (Todesrates 16,2 per 100.000 gegen 0,0 der Philippinen). Die Tuberkulose ist in Ausbreitung be- griffen. — Die Provinz Bengalen, eine der reichsten und fruchtbarsten im Mün- dungsgebiet des Ganges, hat für 50.000.000 Einwothner 6000 Spitalbetten zur Verfügung. — Fast die Hälfte der Bezirksverwaltungen und drei Viertel der Stadtverwaltungen haben keinen Beamten für Gesundheitsverwaltung. Die Stimmung unter den deutschen Kriegsgefangenen Eine unter deutschen Kriegsgefange- nen in Sizilien vers «staltete Rund- frage über die Siegesaussiohten des Dritten Reichs ergab folgendes Er- gebnis : etwa 25 o|o wussten, Deutschland hat den Krieg verloren etwa 50 olo hatten überhaupt keine Ansicht über Deutschlands Aussich- ten der Rest glaubte noch, Deutschland könne einen günstigen Frieden ab- schliessen. Gestapomord.« in Oesterreich Im April — in Wien: August Luka (59 Jahre alt) und Leopold Segall (38), Alfred Eschner (35), Josef Ham- merschmidt (41), Karl Kompers (33), Franz Kuchar (31), Johann Mörth (31), Mathias Pista (49), Emst Spa,tz (36), Johann Senninger (47), Fran- ziska Appel (51), Anna Herbrich (39), Leopold Herbrich (54), Walter Ko- siek (39), Franz Langer (45);, in Salz- burg: Josef Scherleitner (32). Im Mai — in Wien: Wladimir Coul (28), Franz Tesarik (31), Hedwig Urach (32), Engelbert Magrutsch (38). DER OESTERREICHISCHE SOZIALIST Diese Seiten erscheinen unter V erant- wwrtung der Österreichischen Sozialisten Bericht aus Qesterreich Die "London Inc-frmation" vom 15. Juli bringt Mitteilungen, die ein Wie- ner Geschäftsmann einem Berichter- statter des Blattes in einem neutra- len Lande gegeben hat. Wir entneh- men daraus das folgende: Die Ver- sprechungen der Nazis über Besse- rung der Wirtschaftsverhältnisse er- wiesen sich als Humbug. Alle Kreise der Bevölkerung sind enttäuscht. Der Geschäftsmann gab zu, dass er selber Nazi gewesen sei und an diese Ver- sprechungen geglaubt habe. Er sei nun gründlich kuriert. Nur die Oester- reicher, die direkt von der Partei le- ben, seien noch Nazis; er schätzt sie auf 2 o|o der Bevölkerung. Der Hit- lergruss wird nur noch in Parteiäm- tern geleistet, Parteiabzeichen sind kaum zu sehen. Niemand, nicht ein- mal die Nazis glauben mehr an Hit- lers Sieg. Die österreichischen Arbei- ter sind in einer ausgesprochenen ra- dikalen Stimmung. Sabotageakte sind häufig in Wien und in den Ländern, Berichte darüber gehen von Mund zu Mund. Es sind die Arbeiter, die die aktiven Kämpfer gegen Hitler stellen. Das geht mit aller Klarheit aus den Todesurteilen hervor, die die Nazis auf Plakaten anschlagen lassen. Ge- rüchte besagen, dass die Zahl der wirklichen Hinrichtungen die veröf- fentlichten beträchtlich überschreitet. Die Ernährungslage ist schlecht. Verdauungskrankheiten sind ende- misch, der Gesundheitszustand der Bevölkerung verschlechtert sich. Der Schleichhandel ist trotz der schweren Strafandrohung in Blüte, die Leute bezahlen exzessive Preise, um das Geld loszuwerden, sie sind überzeugt, dass nach dem Kriege das Geld wert- los sein wird. Die Mobilisierung der Frauen zur Fabrikarbeit hat besonders im Mittelstand viel Erbitterung er- zeugt. Eine spezielle Note bringen in das Le- ben die vielen ausländischen Arbeiter. Die Nazis suchen sie von der heimi- schen Bevölkerung fernzuhalterl, aber diese sucht die Gelegenheit zur Ver- bindung und findet sie. Ein anderer auffallender Zug im Antlitz Wiens ist die grosse Zahl der Verwundeten in den Strassen. Viele Gebäude sind in Militärspitäler umgewandelt, Schu- len, Hotels, das Schlosshotel Koben zl z. B. Viele Landorte sind für die Oe- sterreicher gesperrt und für Kriegs- verletzte und deutsche Evakuirte reser- vier r. Die Verwundeten in Oesterreich sind ausnahmslos Reichsdeutsche. Verwundete Oesterreicher werden nur in reichsdeutschen Gebieten unterge- bracht. Sehr oft findet man des Morgens An- ti-Kriegs und Anti-Hitler Schlaigwor- te an die Wände geschrieben. Die Tä- ter werden äusserst selten erwischt. Die Verfolgung der Juden, die an- fangs von der Bevölkerung gleichgül- tig hingenommen worden war, hat aufgehört, ein Gegenstand der Teil- nahmlosigkeit zu sein, und steigert die Unpopularität des Regimes. So weit es möglich ist, hilft die Bevöl- kerung den verbliebenen Juden. Die Nazis fühlenzdie eingetretene Wand- lung, und daher finden die Deporta- tionen, die früher als öffentliche Schau veranstaltet wurden, im gehei- men nachts statt. Der Einfluss der Kirche ist nicht so gross, wie man glauben würde. Die Wiener Bevölkerung setzt ihre Hoff- nung nicht in die Kirche. Weder die Haltung Innitzers zu den Nazis, noch die der Kirche zum Dollfuss-Schusch- nigg Regime sind vergessen. Die alte sozialistische Ueberzeugung und' Tra- dition der Arbeiterklasse hat sich nicht geändert. Die Arbeiter kommen zusammen und diskutieren die gegen- wärtige Situation und die Zukunft Oesterreichs. Sie hoffen auf die Auf- erstehung Oesterreichs innerhalb ei- ner grösseren Wirtschaftseinheit. Alle sind überzeugt, dasss das Nazi-Regime dem Zusammenbruch entgegengeht. Viele glauben, dies werde im Herbst dieses Jahres geschehen. Der Ge- schäftsmann machte die bezeichnende Bemerkung, dass jeder Wiener bereits — 18 — den Nazi ausgewählt hat, mit dem. er abrechnen wird. Kommunisten gegen österreichische demokratische Konzentration. Eine Delegiertenkonferenz der öster- reichischen Sozialisten, die am 29. und 30. Mai in London tagte, beauf- tragte das London-Büro der öster- reichischen Sozialisten neuerlich den Versuch zu einer Einigung der demo- kratischen Kräfte innerhalb der österreichischen Emigration zu unter- nehmen, obgleich schon mehrere vor- angegangene Versuche an der Haltung der Kommunisten gescheitert waren. Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Diese letzten Verhandlungen sind abermals an der Haltung der Kom- munisten gescheitert. Darüber berich- tet die London Information der öster- reichischen Sozialisten vom 1. Juli folgendes: "Nach zwei Besprechungen erklärten die Vertreter der österreichischen So- zialisten, Gewerkschafter, Demokraten und Katholiken, dass sie die vorge- schlagene gemeinsame .politische Er- klärung annehmen, die als Zielsetzung des Zusammenwirkens für die Befrei- ung des österreichischen Volkes auf- stellt: die Beihilfe zur militärischen Niederlage der Achsenmächte und die Vernichtung der Hitlerdiktatur, die Loslösung Oesterreichs aus der Ein- verleibung in das Deutsche Reich, die Herstellung der souveränen Rechte und der Selbstregierung des österrei- chischen Volkes im Sinne der Atlan- tic Charter, die Errichtung einer neu- en wahrhaft demokratischen Repu- blik, in der alle Wurzeln des Faschis- mus ausgerottet sind, und das volle Selbstbestimmungsrecht des österrei- chischen Volkes. Die österreichischen Kommunisten erklärten, dass sie diesem Programm nicht zustimmen könnten, und stellten neue Forderungen auf, aus denen die Absicht der Verschleppung und der Mangel des Willens zur Verständi- gung deutlich hervorgingen". Die Kommunisten geben die Schuld an dem Scheitern der Verhandlung den österreichischen Sozialisten. Sie holen wieder die alte Verleumdung hervor, "dass das London Büro in Konsequenz seiner grundsätzlich grossdeutschen Einstellung nicht be- reit war, sich auf den Boden der Wie- derherstellung der Unabhängigkeit Oesterreichs und der österreichischen nationalen Einheit zu stellen" (Zeit- spiegel, 31. Juli). Man braucht nur die oben wiedergegebene politische Erklärung nachzulesen, die von den österreichischen Sozialisten vorgelegt worden war, um die völlige Haltlosig- keit dieser Behauptung zu erkennen. Sie ist überdue Despoten, dass die eine Hälfte der Menschen nicht defnkfc und diet andere nicht fühlt. Unser Zeitalter ist eine Kette von öffentlichem Infamien, di