DAS ANDERE DEUTSCHLAND VI. ANO No. 75 OCTUBRE 15 DE 1943 b u e n o s aires t u c um a n 3 0 9 U. T. 31 - RETIRO - 7264 Aus dem Inhalt: Artur Gross; Das Beispiel der Tschechoslowakei. Americanus: Wohin - Ame- rika? Mohamed ben Omar: Die Unterdrückung des ma- rokkanischen Volkes. Italien als Prüfstein Hitler gleich Deutsches Volk? Aus unserer Bewegung Nachruf für Kurt Rosenfeld Heute und Morgen. (Organo de los olemanes libres de America des Sur) Von 9 Uhr früh bis 24 Uhr 30 können Sie bei uns Ihre Leihbücher tauschen. BUCHHANDLUNG A. BARNA e Hijo MAIPU 441 U. T.: 31 - 4513, 31 - 7427, 32 -1311 Freie Deutsche Buehne teatro alemän independiente. Casa del Teatro, Sta. Fe 1243. U. T. 41-2932. Leitung: P. Walter Jacx>b. 16. OKTOBER Sonnabend, 33 Oktober, 20 Uhr Sonntag, 24. Oktober, 19 Uhr BUEHNENBALL >>Mach Schluss kür mich" IN DER RURAL Lustspiel von JOHANN BOKAY (Zugunsten des Ferienfonds des Personals) EDAMEN-FRISIER-SALON 'S und ELISABETH VIAMONTE 879 — U. T. 31 - 2018 URB — DAUERWELLEN — FAERBEN — MASSAGE ANZEIGENPREISE 1/4 Seite............. 12.— VI ............5 40 — 1/8 Seite............. 7.50 1/2 Seite..............20.— 1/16 Seite............. 4 — LA OTRA ALEMANIA ^ PAS ANDERE DEUTSCH LAN D ORGANO DE LOS ALEMANES LIBRES DE LA AMERICA DEL SUR Editor y directori Dr. AUGUSTO SIEMSEN, »x-dipiU»do iet fccickiUa. TUCUMAN 309 - BUENOS AIRES - U. T* 31 - 7264 Jahrgang VI. r- Nr. 75 — 15. Octeber 1943 NACHRUF FUER KURT ROSENFELD Die Presse die über den Tod des 67jährigen berichtete, erwähnte als Wichtigstes etwab sehr Gleichgültiges: dass er preussische* Minister gewesen sei. Die Novemberrevolution hat ihn für einige, Wochen zum Minister gemacht, aber Kurt Rosenfeld war eben- sowenig ein würdevoller Minister wie er jemals etwas vom würde- vollen Bürger an sich hatte. Kurt Rosenfeld war Rechtsanwalt im eig£nlichen\ und\ besten Sin- ne des Wortes. Die Liebe zur Gerechtigkeit, der Hass gegen dis Ungerechtigkeit führten ihn früh zum klassenbewussten Proleta- riat, das ihm mit seinem Vertrauen dankte. hm\ Vorkriegs-Reichs- tag, in der Nationalversammlung und dann im Reichstag der Wei- marer Republik vertrat Rosenfeld die thüringische Arbeiterschaft. Feind der Kompromisse, Revolutionär aus T&mperamient und Ue- berzeugung, stand er immer auf dem linken Flügel der deutschen Arbeiterbewegung. Nicht dem Parteibuch sondern der Sachs hielt er die Treue, wenn er Mitglied der SPD, der USP und der SAP war, unbekümmert um Anfeindungen und Verleumdungen. Stets war er ein Freund der Sowjetunion, ein Bewunderer Lenins, aber unter scharfer Ablehnung der kommunistischen Methoden, in den innerproletarischen Auseinandersetzungen. Gern erzählte er davon, wie er und Vandervelde, als sie zur Verteidigung der an- geklagten Sozialrevolutionäre nach Moskau gefahren waren ant Bahnhof von einer gut dirigierten "spontanen" Demonstration ftindlich begrüsst wurden, und wie er seinen, alten Freund Bucha- rin unter der Menge erblickt habe. Kurt Rose?ifeld war ein glänzender und kühner Anwalt, der vield Proletarier kostenlos verteidigt hat, er war ein schlagfertiger po- litischer Redner, ein leidenschaftliches Kämpfer von nie erlahmen- der Aktivität, ein stets hilfsbereiter Freund. Er wollte jung sein und blieb jung. In den Sielen ist er g~estofbent zu früh für unsere Sache. Sein Leben war so, wie es einem So- zialisten geziemt. Denen die ihm näher standen, wird er unver■* gesslich bleiben. Arthur Gross, La Paz DAS BEISPIEL DER TSCHECHOSLOWAKEI (Zum Nationalfeiertag der Republik am 28. Oktober) Des tschechoslowakischen National- feiertages gedenken, nicht nur die Staatsbürger jener freiheitlich- demo k ratisch gewesenen, seit dem März 1939 von Hitler okkupierten Repu- blik, sondern alle fortschrittlich den- kenden Menschen der Welt; und nicht zuletzt gedenken dieses Tages die Deutschen, welche, vom Dritten Reich politisch verfolgt, jahrelang in dem Lande Th. G. Masaryks lebten. Diese Deutschen, verliessen, vor die Wahl gestellt, sich für die Freiheit öder für die von Despoten beherrsch- te Heimat zu entscheiden, das Land ihrer Geburt, eingedenk des Wortes von Uhland: "Das ist der Fluch des unglückseli- gen Landes, wo Freiheit und Gesetz darniederliegt, dass sich die Besten - und die Edelsten verzehren müssen in fruchtlosem Harm, dass, die fürs Vaterland am reinsten glühn, ge- brandmarkt werden als des Lands Verräter und, die noch jüngst des Landes Retter hiessen, sich flüchten müssen an der Fremden Herd." Viele von diesen Deutschen kamen als Fremde in die Tschechoslowakei und wurden aufrichtige Bewunderer dieses Landes, dessen Bevölkerung und Staatsführung ihnen bewies, wie durch eine konsequente politische Hal- tung eine wahre, fortschrittliche De- mokratie zum Bekenntnis und Le- bensinhalt der Mehrheit eines Volkes werden kann. In dieser Republik, wo Vernunft, freie Wahl und individuel- les Gewissen geachtet waren, wo das Geistige über den Instinkt herrschte, fühlten sich diese Deutschen heimi- scher als im Nazideutschland, wo torbaren aus dem Staat einen Fe- tisch machten, dem alles geopfert werden muss. Diese Deutschen, in ab- soluter Gegnerschaft zum Potsdamer Geist stehend, der im nationalsoziali- . stisehen Gewalt- und Terrorregime Seine furchtbarste Wiederauferstehung erlebte, lernten, ohne dass sie Jas Deutschland der Freiheit und der Wissenschaft, das Deutschland der sozialistischen Arbeiterbewegung ver- tscheehoslowakisehen leugneten, die tschechoslowakische Volksrepublik als ihre zweite Heimat schätzen und lieben. Der tschechoslo- wakische Nationalfeiertag ist darum auch für freie deutsche Menschen ein Tag dankbarer, freudigster Erinner- ungen und ein Tag der politischen Würdigung eines freiheitlich gesinn- ten Staatsvolkes. Die Tschechoslowakei, unter der Füh- rung ven Th. G. Masaryk und E. Be- nesch sowie anderer tschechoslowa- kischer Patrioten im jahrelangen po- litischen Kampf gefordert, entstand aus den Trümmern des militärischen und politischen Zusammenbruches von Oesterreich-Ungarn. Der junge Staat wurde unter der klugen, vom humanistisch - philosophischen Geist getragenen Politik Th. G. Masaryks zum demokratischsten Staat Europas. An der Grenze dreier grosser nationa- ler Kulturen liegend: der slawischen, der germanischen und der westeuro- päischen, versuchte die Republik, wie einst E. Benesch formulierte, in natio- naler Toleranz,. im Verstehen und Respekt vor den nationalen Kulturen der Anderen zdie Brücke zwischen diesen Kulturen und Völkern zu bil- den, damit die Tschechoslowakei das Verbindungsglied zwischen dem We- sten und dem Osten Europas werde. Benesch sagte 1935, dass alle Staats- bürger der Republik "westeuropäisch demokratisch, national vaterlandlie- bend, aber hiebei menschlich europä- isch im Sinne der wahren Synthese der nationalen Idee und der Idee des Europäertums und der Menschlichkeit zu sein und zu bleiben" hätten. Grundgedanke der tschechoslowaki- schen Führer war: wenn auch keine revolutionär-sozialistische, sc aber ei- ne realistisch-demokratische Politik der evolutionären gesellschaftlichen Entwicklung, welche kämpfend ihre Ideale vertritt und verteidigt. Benesch umschrieb diese politische Grundhal- tung einmal, indem er sagte, dass der Weltkrieg von 1914 bis 1918 dem mo- dernen Menschen einige wesentliche Problems gestellt habe: .t. Des Problem der Demokratie oder das Problem der politischen Freiheit und der bürgerlichen Gleichheit. 2. Des Problem der Freiheit und der Gleichheit auf nationalem Gebiete. 3. Das Froblem der Gleichheit und Gerechtigkeit auf sozialem und wirt- schaftlichem. Gebiete in der Form des Kampfes um den Sozialismus und die neue Wirtschaftsfvnktion des Staa- tes. Di» Elite führender Politiker der* Tschechoslowakei, die das Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung des Landes hatte, war trotz aller beste- henden Gegensätze unter sich zur Zu- sammenarbeit bereit. Tschechische, slowakische und deutsche (sudeten- deutsche) politische Menschen schlös- sen veter Beachtung des Masaryk- Wortes "Gleiche unter Gleichen" ein Bündnis, das, je grösser die Gefahr wurde, die dem Lande hauptsächlich von Dritten Reich her drohte, um so inniger und fester sich gestaltete. Dieses Bündnis war von der gemein- samen Erkenntnis getragen, dass fort- schrittlich denkende Menschen, wel- che Sprache sie auch sprechen, von ebendenselben Feinden bedroht sind. So stark der Wille zur Zusammenar- beit unter den vorstehend geschilder- ten politisch führenden Menschen des Landes war, so kompromisslos stan- den sie den Ideen und Ländern ge- genüber, die den nationalistisch im- perialistischen Standpunkt, den Ras- senwahn und den Nationalitätenhass vertraten. Und als die tschechoslowa- kische Volksrepublik 1938 von ihren demokratischen Verbündeten preisge- geben wurde, lehnte diese Elitz tsche- choslowakischer und deutscher Politi- ker die Unterwerfung unter das Dis- tat von München ab. Benesch bewies in kritischster Stund?, dass er der würdigste und beste Nachfolger seines grossen Lehrers und Meisters Mssa- ryk ist. Als es unwiderruflich fest- stand, dass die Tschechoslowakei, so wie Jahre vorher Abbessinien, das re- publikanich - demokratiche Spanien vnd Oesterreich schmählich im Stich gelassen werden würde, wählte er zum zweiten Male in seinem Leben die Emigration und wies es weit von sich, mitschuldig zu werden am Verbre- chen gegen sein Land. Er stand zu seine«.?, Jahre vor Abschluss des Münchener Vertrages gesprochenen Worten: "Jede Revolution legt ihrer öreneration die unendlich ' Aufgabe auf, sich die Ergebnisse ih- rer Revolution zu erhalten, zu festi- gen vnd zu entfalten. Es ist dies ' e- gelmässig ein übermenschlicher Kampf. Auch unsere Generation ist zu diesem schweren, geradezu verzwei- felten Kampfe um die Erhaltung der Ergebnisse der Revolution direkt ver- urteilt; sie hat den Krieg und die Nachkriegsrevolution mitmachen müs- sen und ist dazu verurteilt, diesen rückläufigen Reakiionsprozess — ge- meint ist der um sich greifende Fa- schismus in der Welt — durchzuma- chen. Sie muss sich diese ihre spe- zielle Sendung vor Augen halten. Ein ruhiges Leben wird sie nicht haben. Dieser Kampf ist ihr Schicksal, sie muss es durchkämpfen und muss die- sen Kampf gewinnen, wenn sie dieser ihrer eignen Aufgabe nicht untreu werden und historisch eine geschlage- ne Generation se.'n will." So charaktervoll wie E. Benesch han- delten viele der verantwortlichen Po- litiker der Tschechoslowakei. Mit die- ser Haltung einer kämpferischen de- mokratischen Politik haben sie unter Beweis gestellt, dass wahre Demokra- tie nicht schwächliches Ausweichen vor augenblicklich stärkeren Mächten, nicht die Politik des kleineren Uebels bis zur iSelbstaufgabe ist; mit dieser mutigen und konsequenten Haltung, die Protest und Kampf sowohl gegen- über dem Sieger Hitler, wie auch ge- genüber den für den Münchener Ver- trag mit verantwortlichen englischen und französischen Staatsmännern war, hat Benesch und haben seine Getreu- en in der freiheitlich gesinnten Be- völkerung ihres Landes jene Wider- standskräfte geweckt, von denen die Welt heute mit Hochachtung und Be- geisterung spricht. • Wenn ietz, als Sozialist so schreib 2, so nicht deshalb, um die Tschechoslowa- kei zu glorifizieren und ihre innenpo- litischen Schwächen und Miss.ände zu leugnen. Alle die, welche als poli- tisch Verfolgte faschistischer Länder auf der dem: kratischen Insel Mittel- europas das Asylrecht weitgehendst geniessen konnten, und von denen Hunderte die kritischen und für die erste tschechoslowakische Republik en scheidenden Monate vom Mai 1938 bis März 1939 miterlebten, wissen sehr wohl, dass trotz allem Vorbildlichem und Rühmenswerten nicht alles so — 3 — Wär, wie es sein sollte. Aber das Posi- tive überwog bei weitem das Negati- ve. Die reaktionären Strömungen kennten in dieser Bepublik nie die Mehrheit der Bevölkerung gewinnen, und sie konnten auf die Mehrheit nie so einschüchternd, lähmend und die [Politik der Linken indirekt beeinflus- send wirken, wie es z. B. den deut- schen Nazis in der Zeit der Weimarer Republik möglich war. Natürlich hat sich durch die Ereignis- se der letzten Jahre das Verhältnis zwischen Tschechen und Deutschen im allgemeinen, und zwischen den Tschechen und den Deutschen als Minderheit in der Tschechoslowakei im besonderen getrübt und verschärft; und deutsche Hitlergegner, die selbst schwer gelitten haben unter dem Wahnsinnsregime deutscher Reaktio- näre verstehen sehr gut, wenn Tsche- chen in ihrem heute leider noch ohnmächtigen Zorn über die Nazi- verbrechen Rache und Vergeltung fordern. Rache und Vergeltung ja- wohl, aber an den wirklich Schuldi- gen und nicht an Menschen, die in Konsequenz ihrer politischen Ueber- zeugung leidenschaftlich und unter Einsatz alles dessen, was Menschen für ihre Gesinnung opfern können, den Kampf gegen die Reaktion in ihrem Land als Vorposten und Pio- niere der Weltfreiheit führten! Das gilt für die reichsdeutsche Freiheits- bewegung ebenso wie für die Sudeten - deutsche sozialistische Arbeiterbewe- gung im Staatsgebiet der Tschechos- lowakei. Keinem Tschechen dürfte -es unbekannt sein, dass sudetendeutsche sozialistische Männer und Frauen in Massen nicht nur loyal, sondern kämpfend sich für die Erhaltung der Republik eingesetzt haben. Keinem Tschechen dürfte es unbekannt sein, dass viele dieser Menschen, welche in den September-Oktobertagen 1938 in engster politischer Waffenbrüder- schaft mit den Tschechen standen und mit diesen gemeinsam mit der Waffe in der Hand die Republik ver- teidigen wollten, nach dem Münche- ner Vertrag von tschechischen Poliii- kern in Massen in die an Hitler aus- gelieferten Bezirke des tschechoslowa- kischen Staatsgebietes zurückgejagt und damit der unmittelbaren Rache der Henleiner und der deutschen Na- zis preisgegeben wurden. Im Namen der Vernunft und der Gerechtigkeit ist darum heute an dlejenig&h fSiche- chen zu appellieren, die jetzt hyper- nationalistische Gedanken bejahen, nicht nur Th. G. Masaryk zu feiern, sondern auch nach seinen Lehren zu leben. Diese Tschechen sollten auch nie vergessen, dass die Tschechoslo- wakei, welche geografischen Grenzen sie auch nach dem sicheren Siege der Alliierten haben möge, Staatsbürger haben wird, die keinesfalls dem Be- griff eines Volkes im landläufigen, höchst unzutreffenden und unwirkli- chem Sinne der Rasse, der gemein- samen Sprache und kulturellen wie soziologischen Tradition entsprechen- werden. Für Staaten, wie die Tsche- choslowakei einer war und sehr wahr- scheinlich wieder sein wird, trifft in erster Linie das zu, was Benesch 1935 aussprach: "Ich bin für ein richtiges Gleichge- wicht zwischen Gesellschaft, Nation und Staat auf der einen und Indivi- duum, Bürger und Mensch auf der anderen Seite, und ich bin Gegner der Totaliiätstheorien in Bezug auf Staat und Volk, auf tschechischer wie auf deutscher Seite. In dieser Hinsicht ge- langen wir zu dem schmerzlichsten Problem für den modernen, sittlich denkenden und fühlenden Menschen. Diese nationale Ideologie geht in der Praxis oft so weit, dass sie im Namen des Volkes und des nationalen Staa- tes im öffentlichen und politischen Leben alles gestattet: Lüge, Betrug, Täuschung, Gewalt, Mord und Krieg. Blicken wir rings um uns auf Euro- pa in der Nachkriegszeit: Was alles die nationale Revolution in einzelnen Staaten Mittel- und Ost-Europas im Namen des Nationalismus, des Volkes und Staates «gegen die individuelle Freiheit, gegen die nolitische, kultu- relle, künstlerische und religiö-e Frei- heit, manchmal auch gegen die menschliche Kultur erlaubt hat. dies alles lässt sich mit wahrhafter Menschlichkeit nicht in Einklang bringen. Diejenigen aber, die die En>- Wicklung der mittelalterlichen religiö- sen Ideologie erforschen und kennen, die wissen, wie im Verlauf der Zeit die Gesellschaft selbst sich die end- liche Harmonie und Synthese dieser Kämpfe im Prinzip der religiösen To- leranz erzwungen hat, fragen sich, welches die künftige Synthese aus diesen Kämpfen gegen die Idee des übertriebenen Nationalismus und für •eine# harmonischen richtigen Natio- nalismus sein wird. Sie kämpfen da- für, .eine Synthese des richtigen natio- nalen Fühlens und des Internationa- lismus zu schaffen, und ihre Vereini- gung im Ideal der Humanität, im Ideal der menschlichen Brüderlich- ,keit herzustellen. Diese Synthese wird heute, in schweren Kämpfen ge- gen die Gegner von links und von rechts verteidigt, sie wird praktisch gesucht. Und ich glaub;, dass diese Synthese in diesem schweren Kampf endlich siegen wird. Alle europäischen Nationen brauchen sie, aber insbeson- dere braucht man sie bei uns, bei Tschechoslowaken. und Deutschen, und es braucht sie ein Staat wie der unserige, der auf die politische, wirt- schaftliche und kulturelle Zusam- menarbeit einer Reihe von Nationen angewiesen ist, ein Staat, der eine Reihe nationaler Minderheiten be- sitzt." Reichsdeutsche Emigranten, Soziali- sten, die durch ihren jahrelangen ' Aufenthalt in der tschechoslowaki- schen Republik zu ihren Freunden geworden sind, hoffen, dass auch in Zukunft die Mehrheit dieses Staats- volkes die Probleme der Zeit in der Schärfe sieht und seine praktische politische Tagesarbeit so sozial fort- schrittlich ausrichtet, wie es in der ersten tschechoslowakischen Republik war. Pflicht und Aufgabe aller mo- dernen Menschen aller Länder ist, sich dafür stärkstens einzusetzen, dass kein Volk wieder dem ™ bfirideh," slureft.' und längst überlebten Nationalismus verfällt. Die Schrecken der letzten Jahre müssten alle veranlassen, künf- tig mit allen Mitteln zu verhindern,' dass aufs Neue Hass und Zwietracht zwischen den Völkern ihre enge Zu- sammenarbeit, die gute Nachbarschaft unter ihnen und die Freundschaft zu einander unmöglich machen. In diesem Sinne entbieten reichsdeuti- sche emigrierte Sozialisten, im Na- men aller ihrer Freunde und Kampf- genossen, ihrem ersten Asylland auf diesem Wege ihren Gruss zu seinem Nationalfeiertag. Sie haben den auf- richtigen Wunsch, dass das freiheit- lich gesinnte tschechoslowakische Volk baldigst seine Freiheit wiederer- langt, und dass die zweite tschechoslo- wakische Volks -Republik in Kürze entsteht. Sie haben den Wunsch, dass in Zukunft zwischen der Tschechos- lowakei und dem von den Nazi Verbre- chern gründlich gereinigten neuen Deutschland, dem Deutschland der Freiheit und des Sozialismus ein gu- tes ,"nachbarliches Einvernehmen! herrscht. Und sie haben den Wunsch und die Hoffnung, dass das tschechos- lowakische Staatsvolk, getreu dem po- litischen Erbe, welches sein grösster Sohn, Th. G. Masaryk, ihm hinter- liess, sein Land durch eine sozialf orc- schrittliche Folitik zu einem leuch- tenden Symbol des harmonischen Zu- sammenlebens seiner Staatsbürger werden lässt. • Americanus: WOHIN - AMERIKA? Die nordamerikanische Verfassung beruht auf strikter Dreiteilung der Regie- rungsgewalt: in gesetzgeberische, ausführende, richterliche. Damit keiner die- ser drei Zweige allmächtig wird, sorgt die Verfassung für gegenseitige Kon- trolle: Gesetze werden vom Kongress gegeben, aber der Präsident kann ein Veto einlegen, das wiederum durch Zweidrittelmehrheit im Kongress beseitigt werden kann. Der Oberste Gerichtshof kann das Gesetz annullieren, indem er es für verfassungswidrig erklärt. Aber der Beschluss des Obersten Gerichts- hofes kann wieder umgestossen; werden, wenn die, Volksvertretungen einen ent- sprechenden Zusatz zur Verfassung beschliessen. Die Minister (Leiter der "Departments") werden vom Präsidenten ernannt; der Senat hat das Bestätigungsrecht. Der Präsident kann sie jederzeit allein absetzen; sie sind nur ihm, nicht dem Kongress für ihre Tätigkeit Rechen- schaft schuldig. Ebensowenig kann der Präsident vom Parlament zur Verant- wortung gezogen oder gar gestürzt werden. Die Verfassung hat so dem Präsi- denten und seinen Ministern, also der ausführenden Gewalt, eine für europä- ische Verhältnisse ungewöhnliche Macht gesichert. — 5 — Seit Roosevelt Präsident ist, also seit 10 „Jahren, wurde die Macht der Exe- kutive ständig weiter ausgebaut. Roosevelt hat eine Unzahl neuer Aemter ein- gerichtet, die den Ministerien nicht untergeordnet, sondern neben- und sogar übergeordnet sind. Schon vor Amerikas Eintritt in den Krieg gab es neben den 10 Ministerien 120 Aemter; seit Beginn des Krieges ist ihre Zahl ständig vermehrt worden. Auch im ersten Weltkrieg wurden Kriegsämter geschaffen, die die neu entstandenen Aufgaben bewältigen» sollten. Aber sie wurden einzeln vom Kongress eingesetzt, und ihr Machtbereich war fest umrissen. Als im Jah- re 1941 der Kongress das Bevollmächtigungsgesetz für den Präsidenten be- willigte, wurde ausdrücklich die Klausel eingefügt: es dürfen keine neuen Be- hörden geschaffen werden. Aber sofort wurden 11 neue auf dem Verordciungs- wege durch den Präsidenten eingerichtet. Ein Vergleich der heutigen Lage mit der Zeit des ersten Weltkrieges ergibt, dass die Zahl der Industriearbeiter um 10 Prozent höher ist, die Zahl der Soldaten um 25 bis 35 Prozent, die Zahl der Beamten in der Bundesregierung um 280 Prozent. So wird heute die Innenpolitik in immer stärkerem Masse von den Amtsstel- len bestimmt, die direkt dem Präsidenten unterstehen; nicht mehr allein durch Gesetze, sondern auch durch Verordnungen dieser Verwaltungsstellen. Die Zahl der Verordnungen, die in den letzten 10 Jahren erlassen wurde, beträgt etwa 4000, fast ebensoviel wie die in dieser Zeit beschlossenen Gsetze. Verordnungen werden nicht, wie Gesetzesvorschläge, in der Öffentlichkeit diskutiert und in namentlicher Abstimmung entweder abgelehnt oder beschlossen; sie werden hinter verschlossenen Türen vorbereitet und von den Amtsstellen verkündet. Die Ministerien selbst sind dadurch zu einer Art Schattendasein verurteilt; für die Landwirtschaft ist heute nicht mehr das Landwirtschaftsministerium massgebend, sondern der vom Präsidenten ernannte "Lebensmittelzar", für Arbeitskonflikte nicht das Arbeitsministerium, sondern der Kriegsarbeitsrat, usw. Selbst der Einfluss der Justiz ist stark beschnitten. Eine neuerliche Ver- ordnung besagt, dass die Entscheidungen des Kriegsarbeitsamtes endgültig sind; sie können nicht auf dem Gerichtswege überprüft werden. Wer sind die Männer, die diesen vielen neuen Aemtern vorstehen? Früher stützte sich Roosevelt hauptsächlich auf liberale Politiker und Theoretiker, Professoren und Nationalökonomie, Statistiker, Finanzsachverständige. Jetzt vertritt er die Ansicht: die besten Exekutivbeamten sind Wirtschaftsführer. Dieselbe Ansicht vertritt auch Harry Hopkins, sein intimster Berater. Bald nach Amerikas Kriegseintritt, ernannte der amerikanische Indüstriellenver- band, der 8.000 Mitglieder; zählt und 80 Prozent der Regierungsaufträge liefert, ein 200i Mann starkes Komitee, das mit der Regierung zusammenarbeitet. Hier holte sich die Regierung in den letzten zwei Jahren ih£g Mitarbeiter: Browning, früher Direktor der Vereinigten Tapetenfabriken; Folsom, vom zweitgrössten Warenhaus, M°ntgomery Ward, in Chicago; Crowley, Aufsichtsratsvorsitzender oder -mitglied von einem Dutzend grosser Gesellschaften; Armstrong von der Standard- Oil, Wilson und Reed von der General Electric, Mooney von General Motors, und hunderte anderer "Dollar-a-year-men", die von ihren Gesell- schaften beurlaubt werden, um für ein nominelles Gehalt von l Dollar pro Jahr für die Regierung tätig zu sein. Der Senatsausschuss, der die Ursachen von Fehlleistungen in der Kriegsproduktion feststellen sollte, kam zu einem ver- nichtenden Urteil: die Mehrzahl dieser Industrievertreter, die vorübergehend für den Staat arbeiten, stellen sich schützend vor ihre eigenen Industrieen, von denen sie ihre Einkünfte beziehen, und verdrängen die kleineren Unter- nehmer aus der Kriegswirtschaft. Der Leiter des Obersten Kriegswirtschafts- amtes, der zur Verteidigung seiner Beamten erschienen war, protestierte, und seine Argumente sind bezeichnend: wenn wir sie zwingen würden, ihre hoch- bezahlten Posten in der Privatindustrie aufzugeben und sich ganz der Regie- rung zur Verfügung zu stellen, würden sie so wenig verdienen, dass si<5 ihre Verpflichtungen Od. h. ihren Lebensstandard) nicht einhalten könnten. Die Regierung würde dann nur Leute bekommen, die sich schon aus dem Geschäfts- leben zurückgezogen haben und finanziell unabhängig sind. Das mussten die Herren des Senatsausschusses einsehen, und die Verhandlung endete mit ei- nem versöhnlichen handshake. — 6 — Auch auf dem Gebiete der Aussenpolitik hat der Kongress viel von seiner Macht eingebüsst. Neben dem. Aussenministerium gibt es das Amt für Wirtschaftskrieg unter Vizepräsident Wallace. Dies Amt ging so selbständig vor, dass der Prä- sident es feierlich ermahnen müsse, die übergeordnete Stellung des Aussenmi- nisteriums anzuerkennen. Das Aussenmkiisterium selbst verfolgt keine einheit- liche Politik. Der Aussenministe'- Cbrdell Hull, seit vielen Jahren Freund und Vertrauter Roosevelts, ist ein aul rechter Mann und unantastbarer Beamter. Er ist der Sohn eines Holzfällers und Flössers aus Tennessee und arbeitete als junger Mann, ebenso wie seine vier Brüder, mit dem Vater zusammen. Dann erkämpfte er sich selbst ein Rechtsstudium, war Rechtsanwalt und 24 Jahre lang Kongressmitglied. Er' ist seit 10 Jahren Rbosevelts Aussenminister. Er ist heute 73 Jahre alt. Roosevelt lässt ihn nicht fallem; man sagt, er will ihn in den Obersten Gerichtshof befördern, sobald ein Sitz frei wird. Aber er hat ihn und sein Ministerium in wichtigen Fragen immer wieder umgangen, indem er Sonderbeamter und Sonderbotschafte für eine ganze Zahl diplomatischer Auf- gaben ernannte. Der Unterstaatssekretär, Sumner Welles, ehemaliger Schüler der Harvard Universität und Berufsdiplomat, ist der Urheber der Politik der Guten Nachbarschaft, die Roosevelt von ihm übernahm. Er arbeitete so selb- s Ländig und setzte sich so in Gegensatz zu Cordeil Hull, dass er zurücktreten musste. Ein wichtiges Instrument der Aussenpolitik sind die Lend-Lease-Verträge. Zum Abschluss dieser Verträge wird der Kongress gebraucht, denn er muss das Geld bewilligen. Im ganzen hat er an die 20 Milliarden Dollar bewilligt. Aber das war der Regierung nicht genug, und sie nahm 50 Milliarden aus Fcmdis, die vom Kongress für andere Zwecke bewilligt worden waren. Jeder Lend-Lea- se IVertrag enthält eine wichtige Klausel: die Rückzahlung muss in einer Weise geregelt werden, die den in der Atlantikcharter niedergelegten wirtschaftlichen Kriegszielen entspricht. Verträge mit fremden Mächten müssten, nach der Ver- fassung, vom Senat ratifiziert werden. Der Senat hat sich einstimmig gegen diese Klausel ausgesprochen, aber bis jetzt ist noch kein Lend-Lease-Vertrag vcn. der Regierung zur Ratifizierung vorgelegt worden. Aehnlich ist es mit den Handelsverträgen, die das Ministerium des Auswärtigen mit etwa 30 Ländern abgeschlossen hat. 26 dieser Länder haben demokratische Verfassungen die Ra- tifizierung durch die Volksvertreter vorsehen. In den U.S.A. aber werden sie nicht zur Ratifizierung vorgelegt. Im Gegenteil, das Ministerium verweigerte einem Abgeordnetenausschuss jegliche Auskunft über einen solchen Vertrag: "Es ist nicht einzusehen, wie durch Erteilung von Auskünften irgendetwas ge- wonnen werden könnte". Die Regierung behandelt solche Verträge eben nicht als Verträge, sondern als blosse Abmachungen. Senator O'Mahoney hat öffent- lich die Befürchtung ausgesprochen: es wird wohl auch keine Friedenskonfe- renz geben und keinen Friedensvertrag, über den das Volk der Vereinigten Staaten befragt wird. Schon heute, sagt er, gibt es eine grössere Zahl von "Ab- machungen" mit andern Ländern als wirkliche, vom Volk gebilligte Verträge. Das führt zum totalitären System. Und er stellt die bange Frage: "Was nützt es uns, wenn wir die Welt befreien, um unsere eigenen Freiheiten zu verlieren?" Mohamed Ben Omar: DIE UNTERDRÜCKUNG DES MAROKKANISCHEN VOLKES In dieser Zeit der Entscheidung, die zur Freiheit der Unterdrückten in der gan- zen Welt führen muss, halte ich, der Sohn eines marokkanischen Bauern, es für meine Pflicht, die Aufmerksamkeit auf die Unterdrückung des marokkani- schen Volkes zu lenken, das nicht ausgeschlossen werden darf von der kom- menden Freiheit. Ich schreibe im folgenden nicht gegen das franzosische Volle, das ich während der Jahre 1915 - 1925, die ich fast ganz in Frankreich ver- bracht habe —, in seinem Freiheitsdrang und seiner Menschlichkeit kennen ge- lernt habe. Alles, was ich weiss und kann, habe ich diesem edlen Volk zu ver- danken. Aber ich habe auch unsere gemeinsamen Ausbeuter und Rassenhetzer in Frankreich kennen gelernt, und ich weiss, dass jede Einigung der Völker unmöglich ist ohne deren Vernichtung. . Der Bauer in Marokko liebt sein fruchtbares Land, das ich mit keinem andern vergleichen möchte. Er bearbeitet es auch heute noch mit selbst herge- stellten primitiven Geräten, und die Erde dankt ihm seine Mühe reichlich. Aber trotz der Fruchtbarkeit des Landes, des Fleisses seiner Bewohner und ihres harmonischen Zusammenlebens herrscht furchtbares Elend. Denn das Volk wird ausgeraubt vom Sultan, den Prinzen, Scherifs, Kaids und Kadis, von die- ser ganzen Schmarotzerba.nde privilegierter Beutejäger. Diese hatten Scharen gut ausgerüsteter sadistischer Elemente um sich gesammelt, durch die sie grau- same Strafen vollziehen liessen. Sie frassen das Land arm wie ein Heuschrecken- schwärm. Unter diesem System gediehen Analphabetismus, Hunger und Krankheiten. Oft gaben die Bauern, die Bearbeitung ihres Landes als sinnlos auf. Statt dessen sah man überall Scharen von Sträflingen mit Ketten an den Füssen bei der Zwangs- arbeit. Wurde jemand von ihnen freigelassen, so fand er seine Familie in völli- ger Armut. Als sich das Volk schliesslich gegen seine Bedrücker erhob, flüchteten die bei- den Thranprätendenten Muley Hafid und Abd-el-Aziz. Der eine rief Spanien, der andere Frankreich zu Hilfe. Beide folgten dem Ruf. Das Volk erhoffte von ihnen Besserung seiner Lage, aber es bekam nur einen Herren mehr. Denn die Protektoren halfen den bisherigen Machthabern, ihre Ausplünderung des Volkes fortzusetzen, indem sie ihre Rechte und Privilegien anerkannten und schützten. Darüber hinaus legten die Franzosen neue Steu- ern auf, um mit ihnen Schulen, Wasserleitungen, Strassen und Eisenbahnen zu ihrem eigenen Besten und zu dem der einheimischen Oberschicht zu schaffen. Die analpha.betisch bleibende Masse der Bauern musste ihre Produkte weiterhin auf den alten Wegen mit Kamelen und Eseln zum Markt bringen, um sie dort, gedrängt von den Schulden und bedroht von der Bastonade, unter Preis zu ver- kaufen. Mit Knüppeln bewaffnete Polizisten hindern in den Hafenstädten die einheimi- sche Bevölkerung am Betreten der Strandbäder und Parks. Nur mit Güterzü- gen und in Viehwagen ohne Sitze dürfen die Eingeborenen reisen. Diese Züge halten ausserhalb der Stationen, fahren unregelmässig, die Wartenden müs- sen draussen kampieren. Die Masse der Bevölkerung erhält bestenfalls auf Kosten der Dörfer religiösen Unterricht, der in der Hauptsache im Auswendiglernen des Korans besteht. Die Bevorzugten, die das Schulgeld für di3 von den Fmrzosen geschaffenen Schulen, bezahlen können, lernen dort nur so viel, wie im Interesse der französischen Herren liegt. Die Werbung für das Militär ist sehr erfolgreich, weil die Soldaten während der vierjährigen Dienstzeit vor den Schelks, Kadis etc. gesichert sind. Recht ist für den Unterdrückten kaum zu finden. Es gibt zwar der Militärbe- hörde unterstehende „bureaux arabes", vor denen Klagen gegen die einheimi- schen Behörden vorgebracht werden können. Aber sie befinden sich oft hunder- te von Kilometern entfernt; der Kläger muss sich für teueres Geld von einem Uebersetzer eine französische Anklageschrift aufsetzen lassen und oft tagelang im Freien ausserhalb der Stadt warten, da er kein Geld für Quartier hat. Der mündliche Dolmetscher, den er dann braucht, ist meist von der Gegenseite be- stochen, und der ,.Commandant du bureau" ist gegen ihn. Bei der Rückkehr er- wartet ihn dann die rächende Bestrafung des v-c-n ihm verklagten Kaid oder Kadi. Die verzweifelte Bevölkerung antwortet mit Zerstörung von Bahn- unl Telefon- anlagen, mit Ueberfällen auf Truppenabteilungen und mit regelrechten Auf- ständen. Während des ersten Weltkrieges gab es merkbare Verbesserungen und noch viel mehr Zukunftsversprechungen. Wenn die Bevölkerung durch ihre Produkte und durch ihre Arbeit Frankreich unterstützte, werde sie durch ihre Befreiung be- lohnt werden. Zuchthäuser und Straflaser leerten sich. Das Land blüht auf. Viele Araber gingen als Arbeiter oder Soldaten nach Frankreich, wo sie in Ver- bindung kamen mit ihren französischen Klassengenossen mit und ohne Uniform. Aber für die reichlich abgelieferten Landesprodukte bekamen die Bauern nur eine Abschlagszahlung. Das XJebrige sollte mit Zinseszins am Ende des Krieges bezahlt werden. Das ist dann nie geschehen. Auch die anderen Versprechungen wurden nicht gehalten. Dafür verschärfte sich der Klassenkampf. Viele Araber hatten französisch gelernt, ihren Horizont erweitert und sich zu klarem Be- wusstsein ihrer Lage entwickelt. Sie wurden die Führer der sozialen Wider- standsbewegung, gegen welche die einheimischen Machthaber, die nach dem Krieg nicht mehr in alter Weise über ausreichende Leibgarden verfügten, macht- los waren. Sie mussten die Hilfe der französischen Soldaten, Maschinengeweh- re und Kanonen in Anspruch nehmen. Zur Unterdrückung des marokkanischen Volkes wurden Fremdenlegionäre, Senegalneger und Indochinesen verwendet. Andererseits wurden die französischen Genossen, die der unterdrückten einhei- mischen Bevölkerung in ihren sozialen Kämpfen zu Hilfe kamen, als Aufwieg- ler ausgewiesen oder bestraft. Das marokkanische Volk erwartet von einem neuen Frankreich, dass es seine berechtigten Freiheitsansprüche anerkennt und an die Stelle der Unterdrük- kung die Freundschaft setzt. AUS HITLER - DEUTSCHLAND Es ist schwer, als Parteigenosse aufzutreten. Der "Völkische Beobachter" vom 13.|14, Juni sah sich zu folgendem Stosseufzer veranlasst: "Auf mehr oder we- niger überflüssigen Formularen die Frage nach der Parteizugehörigkeit zu oe- jahen, ist leicht und mag vorteilhaft erscheinen; im Allta.g aber, zu jeder Stunde als Parteigenosse aufzutreten und zu handeln, ist ungleich schwerer und durchaus nicht immer angenehm." —■ ßo ändern sich die Zeiten. Die Gestapo muss ein Auge zudrücken. "Europe Speaks" meldet, dass die Ur- lauber, die von der Ostfront kommen, in Deutschland öffentlich ihrem Hass gegen die SS und die Nazi-Führer Ausdruck geben. Diese Erscheinung ist so verbreitet, dass die Gestapo angewiesen wurde, solche Fälle unbeachtet zu las- sen. Auf der anderen Seite wurde aber den Prozssen gegen! die oppositionellen Studenten, die Verbindung mit den Rüstungsarbeitern aufgenommen hatten, eine besondere Publizität verliehen, um auf die Bevölkerung abschreckend zu wirken. Wie Goebbels lügt. Folgendes Flugblatt wurde im Dritten Reich verbreitet: "Churchills teuflicher Plan. Die offizielle englische Nachrichten-Agentur Eeu- .JIIII!lE3illl!IIIHIIC]llllllllllll[3IIIIIIIIIIIIHIIIIIIIIIIIIt3llllllllll!IC3lllllimillC3llllllllllll[]IIIIIIIIIUIt3llllllllllli:3IIIIIIIMIII[3lllllimil|[Jlimilimi[^ 1 Das Fest der freien Sportler! | | SONNABEND, DEN 30. OKTOBER | 1 in den Garibaldi-Sälen, Sarmiento 2419, grosser g | BALL 1 5 veranstaltet von der Sportabteilung des Vereins „Vorwärts" = | TANZKAPELLE | S EFIM SCHACHMEISTER 1 | RIESEN TOMBOLA! 1 1 1. Preis: 10 Tage Gratis-Aufenthalt im Ocean Hotel Piriapölis ff I inklus. Fahrt ab Buenos Aires und weitere 250 Preise. | I Eintrittspreise: Herren $ %—; Frauen $ 0,50, Mitglieder A 0.50 | fjuinimmnimii.....iniiiiimiiiiciimiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiHiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiHiiiiiiiiiiioiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiw..................... ter sandte nach Südamerika ein Kabel, das folgende ungeheuerlichen Vorschlä- ge enthält: „Nach dem Sieg der Alliierten, sollen alle deutschen Kinder in- ternationalisiert werden. Alle deutschen Kinder zwischen 2 und 6 Jahren sollen ihren Müttern weggenommen und für 25 Jahre nach anderen Ländern ver- schickt werden. Wenn nach Durchführung dieses Planes noch deutsche Kinder am Leben bleiben, werden sie gezwungen werden, als internationale Sklaven aufzuwachsen und Zwangsarbeit für die plutokra tisch-bolschewistische, Aus- beuterbande zu leisten. Nun weisst Du, deutsche Mütter, wofür Du kämpfst: Für Deine Kinder, für die Zukunft unserer Rasse". Dass solche Propaganda nicht ganz wirkungslos ist, erhellt aus einer anderen Meldung, nach der das deutsche Volk eine panische Angst vor den Friedenszielen der1, Alliierten fühlt. Goebbels weiss dies auszunutzen, und die alliierte Propaganda tut nichts da- gegen." Nazideutsche Kunst. Hitler hat die "entartete" deutsche Kunst vernichtet. Wie heute die nazigeartete Kunst aussieht, geht aus einem Bericht der inzwischen verschiedenen "Frankfurter Zeitung" über die diesjährige "Grosse Deutsche Kunstausstellung" in München hervor. Da schreibt ein Carl Lanfert unter an- derm: "Wo der erzählerische oder anekdotische Gehalt seine Macht ausübt, ist er in eine Innerlichkeit getaucht, die zugleich die weitverbreiteten Empfindungen der Oeffentlichkeit anruft. Für solche Bilder ist weniger der darstellerische Realismus als das in ihm erweckte Gefühl kennzeichnend. Deshalb können auch die verschiedensten Bildgattungen solcher Wirkung dienstbar werden. Alle sind, von welcher Ferne sie auch einsetzen mögen, auf ein Anliegen der Gegenwart gerichtet. Mahnung ist nicht das letzte, was sie bezwecken. So fin- den sich etwa zwei Waffenstilleben, von denen das eine zwischen blutigem Rüstzeug, durchstossen von einem Bajonett, ein zerknülltes Blatt mit der go- tischen Aufschrift, ,Versailler Vertrag' zeigt, das andere eine derbe Pritsche und auf die getünstihte Wand geschrieben: Und wenn ihr die schwarzen Ge- sellen fragt'..." Und: "Man gelangt inj sanftere Breiten des Traums beim Anblick der Grasten, die mit heraldischer Exaktheit zu einander gestellt .sind..., des Orpheus, der mit hellhäutig herben Frauen im Vereine schwärmt, des sportlich nackt: n Geigenspielers, der von singenden Mädchen umgeben ist... Bisweilen wird eine ausgesuchte Geste gefunden — bei Karl Truppe ist es das" ständige Mo- tiv der Ueberdachung des gewundenen und langsam aufgedeckten Körpers... Anderswo verspricht der Widerspruch zu. der profanen, raumlosen Welt ein? auffällige Wirkung: Sepp Hilz, neuerdings in einer dunkelgoldenen Tönung, erstrebt sie mit der trunken lächelnden nackten Frau, welche über einen gol- den an den Boden getriebenen Vers von Hans Carossa in die Unterwelt ein- geht. .. Auch der Zugriff im Schlaf darf wohl als Wunsch träum figurieren: der hier durch den Titel 'Raub der Proserp ina' monumentalisiert wird. Die ... kühle Gegenwärtigkeit solches Experiments findet man allein wohl in Josef Piepers 'Entführung der Europa', die in dem pünktelnden Leuchten, in dem zerflogenen Prunk einer widerspruchsvollen Welt gemalt ist." Einziger Trost, dass die kühle Gegenwärtigkeit bald diesen grausigen Ausge- burten kleinbürgerlicher Kitschphantasien, die heute Deutschland schänden, ein Ende setzen wird. Todt im Ruhrgebiet. TO meldete voller Stolz: "Es ist das erste Mal seit Kriegs- ausbruch, dass die Organisation Todt in grossem Masstab im Reichs gebiet ar- beitet." Sie baut mit den durch die Bombardierungen arbeitslos gewordenen Proleten die gebombten Städte des Ruhrgebiets wieder auf. Die "Nationalzei- tiing" berichtete allerdings, dass die geplanten Luftschutzkeller in Essen nicht gebaut werden können, weil die Zechenbarcne keine Arbeiter zur Verfügung stellen. Kohle ist wichtiger als Arbeiterleben. Berücksichtigt unsere Inserenten — 10 — ITALIEN ALS PRUEFSTEIN (STIMMEN ZUM ITALIENISCHEN Alvarez del Vayo: "Einmal mehr und zwar schärfer und deutlicher als je zuvor ist 'die Trennungslinie gezogen zwischen denen, die in diesem. Krieg einen Krieg gegen den Faschismus sehen und denen, die sein Ziel in der Vernichtung der Staatengruppe er- blicken, die verantwortlich ist für den Angriff. .. .Dauernd sind die Völker von alliierten Führern aufgefordert worden, sich gegen ihre nazistischen und faschistischen Bedrücker zu er- heben. Aber wenn die Stunde der Er- hebung gekommen ist, müssen sie se- hen, dass die gleichen Führer sich um Abmachungen mit denselben Männern bemühen, die sie zu hassen gelernt haben, während die Völker gezwungen werden, unbedingt zu ge- horchen". Wie wir schon früher so wendet sich del Vayo gegen das Argument, dass militärische Notwendigkeiten zum Zu- sammenarbeiten mit den Darlans nö- tigten, in dem er meint, dass umge- kehrt das Zusamengeh.cn mit den Volksmassen nicht nur politisch, son- dern auch militärisch richtig sei. (The Nation, 7. 8. 1943). Churchill ist mit den folgenden Wor- ten für seine Majestät, den König von Italien und Kaiser von Aethyo- pien, und für Badcglio, den Rezwin- gEr Abessiniens, eingetreten: "Es ist notwendig, im allgemeinem In- teresse wie im Interesse Italiens, dass alle überlebenden Kräfte des nationa- len Lebens Italiens sich einigen un- ! er Führung ihrer Regierung, und dass der König und der Märschall Bado- glio unterstützt werden von allen li- beralen und linksstehenden Kräften ohne Unterschied, die fähig sind, sich den Weg zu bahnen gegen die Nazi- Quisling Camarilla, um so vom Bo- den Italiens diese niederträchtige Kombination zu verjagen oder, noch besser, sie an Ort und Stelle zu ver- nichten". Johan) j. Smertenk, Leiter einer Free- World-Diskussion, meinte: "Was wir in Italien tun, wird Rück- wirkungen in jedem besetzten Land Europas haben. Wenn die Untergrund- bewegungen in Frankreich und Nor- PROBLEM) wegen und der Tschechoslowakei se- hen müssen, dass die Faschisten, die jetzt ihre Todfeinde sind, von den besetzenden Streitkräften als Mitar- beiter anerkannt und in Machtposi- tionen belassen werden, müssen sie entmutigt und demoralisiert werden. Können wir erwarten, dass sie hervor- treten und uns zu Hilfe kommen, wenn die selben Leute, die sie einker- kern wollten, weiterhin an der Regie- rung bleib;«! und weiterhin die Ge- richte besetzen? Wenn wir Beamten die Verwaltung lassen, die beim Volk verhasst sind, so kommen wir nicht mehr als Befreier; wir selbst werden vom Volk gehasst werden". Italiener der verschiedensten Richtli- nien erklärten: Graf Sforza: "Die Italiener müssen heute Republikaner sein, weil die Mo- narchie sich selbst vernichtet hat; niemand kann Monarchist sein ange- sichts einer Monarchie, die sich selbst durch Verrätereien und verbrecheri- sche Kriege zerstört hat". Pacciardi, Führer des Bataillons Ga- ribaldi und später einer internationa- len Brigade im spanischen Bürger- krieg: "Italien wird republikanisch sein. Die Monarchie hat keine Wur- zeln in Italien". Don Luigi Sturz«, Führer der katho- lischen Volkspartei: "Nach meinem Gefühl kann in lateinischen Ländern echte Demokratie wirksam vollendet werden durch die republikanische Re- gierungsform". Angelica Balabanoff, die vorbildliche italienische und internationale Sozia- listin, hat in einem im "Aufbau" vom 30. 7. veröffentlichten Interview un- ter anderm folgendes gesagt: "...Mit der Monarchie an der Spitze wurden die Faschisten von Grossindu- strie und Finanzmoguls ausgehalten, ausgerüstet und durch Straflosigkeit für alle ihre Verbrechen und Atten- tate unterstützt. Die Situation, die so geschaffen wurde, hätte vermieden werden können, wenn die Monarchie, die heute ausserhalb Italiens als an- tifaschistisch behandelt wird, den Faschismus nicht so tatkräftig unter- — 11 — stützt und ihn nicht gegen das Volk verteidigt hätte... Der König hatte sich Oktober 1922 verpflichtet, das Land für den Fall einer Aktien der Faschisten unter Krieg,srecht zu stel- len. Er hat dieses Versprechen nicht nur nicht gehalten, sondern im Ge- genteil Mussolini direkt aufgefordert, den Marsch auf Rom anzutreten und die Regierung zu übernehmen. Aus- ländische Regierungen haben Musso- lini und sein {System finanziell, poli- tisch und moralisch auf jede Weise un. erstützt und dadurch das italieni- sche Volk, das in seiner überwiegen- den Mehrheit bqwusst antifaschi- stisch ist, an der Aeusserung seiner wahren Gefühls verhindert... Der grosse Teil der italienischen1 Ar- beiter und Bauern hat bewiesen, dass für sie Gleichheit, Freiheit und menschliche Würde kein leerer Schall war. Wenn ihnen nichts in den Weg gelegt wird, werden sie die nazisti- schen ued faschistischen Einbrecher .los werden und das Land auf demo- kratischer Grundlage wieder aufbau- en. Nur in einem solchen Falle wird- der Sturz der Diktatur wirklich den Anfang des Endes bedeuten. Andern- falls, wem man d;m Volk Kompli- zen der Faschisten als Führer auf- ARBEITERBEWEGUNG UND DIE GROSSE STUNDE Unter die-em Titel schreibt Alvarez dei Yayo in der New Yorker "Nation", (2S. Mai), deren Beilage "Political War" er redigiert, folgendes: "Der Entschhiss Moskaus, die Dritte Internationale aufzulösen, beschenkt die Arbeiterbewegung mit einer ein- maligen Gelegenheit, ihre Reihen zu stärker, sich zu einigen und sich vor- zubereiten auf die Führerschaft in der Welt von morgen. Seit der Ein- richtung der nordafrikanischen Ver- waltung nach dem "Nützlichkeitsprin- zip" wissen wir, was für eine Art de- mokratische Ordnung von der Diplo- matie der Vereinigten Nationen zu erwarten ist, wenn man sie ihrer ei- genen Devise überlässt. Nur die Mo- bilisierung der Volkskräfte — zur Stei- gerung der KrGegsanstrengung, sehr wohl, aber auch für die Durchsetzung eines Volksfriedens -— kann die Menschheit vor der Gewissheit eines Weltkrieges Nr. 3 retten. Die Libera- len vermögen es nicht zu vollbringen, zwingt, wird es sich nur um eine klei- ne Pause zwischen Revolution und Gegenrevolution handeln. Die Reak- tion würde dabei gewinnen. Es gäbe irgendeine Abart des Faschismus oder Bolschewismus, und es gäbe wieder Kriege und Kriege. Eine freiheitliche Volksbewegung in Italien dagegen würde in Deutschland und anderen faschistischen Ländern als leuchten- des Beispiel wirken". Luigi Antonini schreibt in der "Neu- en Volkszeitung" (14. 8. 43.): ". . .Das Ende des Faschismus würde nur sine Illusion sein und Italien würde nur aus den Händen einer Diktatorenbande in die Hände einer anderen übergehen, wenn nicht mit Mussolini auch die Kräfte, die ihn geschaffen und geschützt haben, rück- sichtslos aus dem italienischen Boden ausgetilgt werden... Die Leute, die Mussolini zur Macht und in der Mach, geholfen haben, der König, die Prin- zen, die faschistischen Generäle. die arbeiterfeindlichen Grossgrundbesitzer und Grossindustrieller sind ebenso Gezeichnete wie ihr Schützling selbst. Die Alliierten können ihnen nient helfen, selbst wenn sie es wollten." SOZIALISMUS auch nicht ein isolierter Staatsmann wie Benesch. '"t>ie Arbeiterbewegung allein kann die Sache in die eigene Hand nehmen, der Sammelpunkt der fortschrittlichen Kräfte werden und die Verschwörung von Grosskapital, Diplomaten ä la München und vati- kanischer Intrigue sprengen, die den Verrat des Volkes und die Einrichtung der Reaktion allüberalll zum Zieie hat. Es ist zu machen. Aber nur un- ter einer Bedingung — dass in dieser Stunde der Entscheidung die Führer der sozialistischen und Arbeiterbewe- gung, Amerikaner, Engländer, Euro- päer, sich fähig zeigen, zu dem Ni- veau eines Debs, eines Keir Hardie, eines Jaures emporzuwachsen; dass sie sich als kühn und weitsichtig er- weisen ; dass sie es nicht zulassen, dass ihr persönliches Ressentiment, ihr Mangel an kiinhnem Gedankenflug, ihre fast krankhafe Furcht vor der Tat die grosse Gelegenheit, die sich ihnen jetzt bietet, verpasst. 12 — Zum Verständnis der Vorgänge auf. dem Kongress der Englischen Arbei- terpartei. Erst jetzt erlauben uns die allmählich eintreffenden genaueren Nachrichten, über den letzten Kon- gress der englischen Arbeiterpartei ein klareres Bild zu gewinnen. Eine interessante Einzelheit hierbei ist, dass nach übereinstimmendem Urteil der "Nation" und der "Free World" der Sieg Greenwoods über Morrison bei der Wahl des Partei-Kassierers alles Andere als ein Sieg der Linken oder der Partei-Opposition über die Rechte darstellt. Greenwood war viel- mehr der Kandidat der ausschlaggs- benden Gewerkschafts-Verterter. Mor- rison dagegen war von den Delegier- ten der örtlichen Parteikomitees auf- gestellt. Gre;Er*wood hatte übernom- men, den Kongress zu überreden, er solle in der Frage des Beveridge-Pla- nes keine Forderungen aufstellen, die die Zusammenarbeit in der Regierung erschwerten. Morriscn dagegen hatte als einziger der wichtigeren Kandida- ten sich dafür eingesetzt, dass die kriegswirtschaftlichen Kontrollmass- nahmen für die Vorbereitung der So- zialisierung ausgenutzt werden soll- ten. Er war praktisch der Einzige, der sich für eine weitsichtige soziali- stische Politik und gegen ein zu weit- gehendes Paktieren d-er Gewerkschaf- ten mit «den Industriellen-Organisa- tionen 1 wandte. Einen solchen Mann wollten die Gewerkschaften unschid- lich machen. Auch hier zeigt? sich al- so ebenso wie bei der unsozialistischen Resolution, die sich in gewissem Gra- de mit Vansittart solidarisierte, der verhängnisvolle Einfluss der reformi- stischen Gewerkschaften im Gegen- satz zu den mehr sozialistischen lo- kalen Partei-Organisationen. Das Programm der Französischen So- zialistischen Partei enthält unter an- der m folgende Forderungen: Kon- trolle des jD'Urnalistenberufs und und staatliche Regelung der Finanz- quellen der Presse. Einsetzung eines nationalen Wirt- schaftsra-tes, der den sozialen statt des privaten Charakters der Wirt- schaf: verwirklichen soll. Beseitigung der Trusts; schrittweise Abschaltung von Konkurrenz und Profit. Nationalisierung des Kredits, der Banken, des Versicherungswesens, der Schlüssenindustrien und des Aussen- handels. Verzicht auf einen Teil des Souverä- nität zugunsten einer starken über- staatlichen Organisation. Dieser sol- len unterstehen: Verteilung der Roh- stoffe, Auswanderung, Tratnsportwe- sen, Arbeitsbedingungen, Hygiene, Öf- fentliche Arbeiten, Währung und Geldwesen. Sie muss über eigene Steuern und Budget verfügen. Solidarität. Die "Sozialistischen Mit- teilungen" London berichten in ihrer Auigustnummer aus Deutschland: "In den Betrieben, in denen hollän- dische und belgische (flämische) Ar- beiter beschäftigt sind, hat man fest- gestellt, dass zwischen den deutschen und ausländischen Arbeitern ein Geist herzlichster Solidarität zu herr- schen pflegt, was dem Vertrauen zu und dem Glauben an die Herrlich- keit und Unfehlbarkeit der Nszige- sellschaft sehr abträglich isr. Die Schwierigkeiten der Verständigung zwischen plattdeutsch sprechenden Arbeitern und den genannten Aus- ländern sind sehr gering. Die deut- schen Arbeiter, die früher durchweg sozialistisch und gewerkschaftlich or- ganisiert waren, sind sehr begierig, von den gewöhnlich gut unterrichte- ten ausländischen Arbeitern Informa- tionen über die Aktivität der Sozia- listen in den demokratischen Ländsrn zu erhalten. Nunmehr ist den deut- schen Arbeitern das Zusammentreffen mit den ausländischen Arbeiiskamera- den ausserhalb der Betriebe verboten, während in den Betrieben eine ver- schärfte Beobachtung angeordnet wurde". Der Unterschied. In einem Gespräch mit Camille Huysmans, Präsidenten der Sozialistischen Arbeiter Internationa- le, äusserte Litvinov, Ex-Aussei.: mini- ster und Ex-Botschafter der Sowjet- union in Washington: ''Der Unter- schied zwischen Sozialdemokraten una Kommunisten ist dieser: Sozialdemo- kraten werden niemals den Mut ha- ben, Kommunisten zu erschienen; aber Kommunisten werden zu jeder Zeit bereit sein, (Sozialdemokraten zu erschiessen". — Camille Huysmans zi- tierte diesen Ausspruch bei der Ge- dächtnisversammlung für Alter und Ehrlich in London, 28. März 1943 (So- cialis: Commentary, London, April 1943). — 13 — HITLER ----- DEUTSCHES VOLK? Immer wieder treten Menschen auf, die aus Unkenntnis, bösem Willen oder in Vertretung spezieller Klassen- und persönlicher Interessen behaup- ten, das gesamte deutsche Volk habe Hitler bei seinem Machtantritt zuge- jubelt und sei infolgedessen für die Naziverbrechen verantwortlich. Selbst die sei ist so besonnene Redaktion von "Espana Republicana" liess es zu. dass* in ihrer'Nummer vom 18. September Carlos P. Carranza die Behauptung aufstellen konnte, das gesamte deutsche Volk sei für Hitler verantwortlich, da es enthusiastische Beihilfe bei seinen Verbrechen gelei- stet habe und Hitler die Verkörperung des deutschen Wesens sei. Angesichts dessen verdienen die beiden in Eng- land herausgegebenen Broschüren "Bas Andere Deutschland, Tatsachen und Zahlen", veröffentlicht im Auf- trag der Deutschen Gewerkschafts- zentrale in Grossbritannien, und "Sklaven und Leibeigene" von Jürgen Kuczynski eine besondere Beachtung Während Kuczynski die Unterdrük- kung der Arbeiterschaft durch die Nazis und die Gegenwehr dagegen in allen Ländern, insbesondere aber auch :'n Deutschland selbst, schildert, beschränkt sich die Schrift der Ge- werkschaftszentrale auf die Schilde- rung der Verhältnisse innerhalb des Dritten Reichs. Beide ergänzen sich wirksam in ihrer Zusammenstellung eindrucksvollen Materials über die Lage und den illegalen Kampf der Hitlergegner. "Wtnn ich von Sklavenarbeit und Leibeigenschaft spreche", so sagt Kuczynski, "so meine ich das nicht bildlich, sondern buchstäblich... Die wahren Herrscher in Deutschland sind heu:e eine Gruppe Schwerindustriel- ler und Riistungs-Monopolisten zu- sammen mit einer Gruppe Nazi-Füh- rer ... Gerade so wie der Leibeigene dem Grundbesitzer gehörte, so gehört der Arbeiter der Fabrik oder dem Bergwerk... Sein Körper gehört ihm nicht mehr. Ebenso gehört er nicht mehr seiner Familie und seine Fami- lie nicht mehr ihm. Seine Söhne und Töchter werden ihm weggenomen... Er selbst muss gehen, wohin man ihn befiehlt... Eine neue Form des Leib- eigenen-Sklaven-Handels ist in Na- zi-Deutschland erfunden worden. Eine Fabrik schränkt (vielleicht absicht- lich) ihre Produktion ein und leiht ihre Arbeiter gegen entsprechenden 'Profit einer anderen Fabrik... Der Unternehmer lebt von den Einkünf- ten aus dem Ausleihen seiner Arbei- ter. Im Bauwesen besteht sogar eine offizielle Leihrate, die etwa 30 o|o Kr Lohnsumme ausmacht... Der Bauer ist nicht frei, sein Land zu bebauen, wie er es will... Er muss vielleicht sogar sein Land aufgeben von einem Tag zum andern, um seine Sachen zu packen und nach irgendeiner Ge- gend Europas - verschickt zu werden. Das gleiche Schicksal haben die so- genannten "unabhängigen" Handwer- ker und viele der kleinen Ladenbesit- zer. Tausende Handwerker und kleiner Ladeninhaber sind z. B. von Deutsch- land in die eroberten Ostgebiete ver- schickt worden... Wie eine riesige Zwangsjacke erfasst sie alle Sklaverei und Leieigen.schaft: die Lohn- und Gehalts-Empfänger, Bauern, Hand- werker und kleinen Ladenbesitzer. .. Aber trotz Sklaverei und Leibeigen- schaft. .. sind die Völker Europas gei- stig nicht erobert." Kuczynski belegt diese Behauptungen mit reichem Material über, den ille- galen Kampf in Deutschland. Er zeigt, wie sieh der deutsche Rundfunk genötigt sah, die Arbeiterschaft zum ersten Mal am 5. März 1942 vor Sa- botage zu warnen, wie Goebbels sich gegen die "nutzlose Diskussionen" und Ley sich gegen "den verfluchten Wunsch nach marxistischer Solidari- tät" mit den ausländischen Arbeitern wenden mussten. In einer Zuschrift an das "Nouveau Journal" schildert z. B. ein deportierter belgischer Ar- beiter, wie seine deutschen Arbeits- kollegen Mühe hatten, ihn an das von ihnen gewünschte langsame Arbeits- tempo zu gewöhnen. Dieses Lang- samarbeiten in deutschen Betrieben geht so weit, dass der Arbeitsminister Seldte sich darüber beklagte, die deut- schen Unternehmer förderten diese Obstruktionsmethoden dadurch, dass sie denjenigen Arbeitern Sondervergü- tungen zahlten, die sich "normal", verhielten, d. h. nicht langsamer ar- beiten. Dazu bringt die Schrift der Gewerk- — 14 — schaftszentrale aufschlussreiche- Zah- len aus dem illegalen Kampf der deutschen Arbeiter. Sie beruhen auf den wenigen Angaben, die aus dem Zuchthausstaat herausgeschmuggelt werden konnten und geben deshalb naturgemäss ein sehr unvollständiges Bild: In den ersten 3 Jahren der Hit- lerdiktatur wurden 600.000 Jahre Ge- fängnis und Zuchthaus gegen Staats- feinde verhängt. Allein im April 1939 gab ss 302.562 politische Gefangene in Deutschland. Kurz vor Kriegsaus- bruch wurde in USA eine Schrift ver- öffentlich, nach der die Zahl der in Nazi-Deutschland zum Tode Verur- teilten bis Ende 1938 auf 12.000 ge- schätzt wurde. Das Hauptregister der Gestapo wies die Namen von etwa 2.€00.000 politisch Verdächtigen auf. Vom November 1939 bis März 1940 gab die deutsche Presse 92 Hinrich- tungen und 17 Fälle von "Erschiessen auf der Flucht" oder "wegen Wider- stands gegen die Staatsgewalt" be- kannt. An einem Tag wurden bei Bel- gorod allein 90 Soldaten wegen Meu- terei erschossen. Das gleiche geschah mit 63 Soldaten in Nancy. Von Todes- urteilen gegen illegale Kämpfer im Jahre 1942 seien nur folgende er- DAS GESICHT DER ZEIT Minderjähriges Europa? Unter dieser Ueberschrift wendet sich Indalecio PriEto im "Correo de Asturias" vom S. 9. gegen die Absicht, Europa unter politische Vormundschaft zu stellen. Die A.M.G.Q.T. (Alliierte Militärver- waltung der besetzten Gebiete) mache den Eindruck einer Vormundschaf's- behörde. Ueber ihre Rechtmässigkeit könne man diskutieren, wenn es sich dabei um eine unbedingt nur provi- sorische Massnahmen gegenüber be- siegten Nationen handle, sie sei aber unmöglich gegenüber den unterjoch- ten und neutralen Völkern. Weder die Angelsachsen, ncch Russland hätten Anspruch auf die Bevormundung Eu- ropas. Frieto .schliesst seinen Artikel: "Die letzte Karte, die Hitler aus Ver- zweiflung ausspielen könnte, wäre, sich Stalin auszuliefern. Der offene Hass den Hitler gegen die Demokra- tien bekundet, und die schlecht ver- hehlte Verachtung, die Stalin für sie fühlt, könnten in einer überwältig- wähnt: am 10. Februar 3 Eisenbahn arbeiter in Berlin, am gleichen Tag 5 weitere Todesurteile, am 19. Februar 11 neue Todesurteile wegen politischer Verbrechen, am 19. März: 2, am 30: 6, Anfang Mai 32, Der Berliner Korres- pondent von "Aston Tidningen" schätzt zur gleichen eZit die Zahl der täglichen Hinrichtungen in Deutsch- land niedrig auf 10. Ende September veröffentlichte die deutsche Presse innerhalb 10 Tagen 47 Hinrichtungen. Allein in Karlsruhe, Mannheim und Frankfurt wurden am 17., 18. und 20. September 35 Perscnen hingerichtet. Die Schrift der Gewerkschaften erin- nert weiter daran, dass noch bei den Betriebsratswahlen des Jahres 1931 die nationalsozialistischen Listen ganze 0.7 o|o der Stimmen erhielten. Und selbst bei den Betriebsvertre- tungswahlen der Jahre 1934, und 1935 waren die Ergebnisse für die Nazis sc niederschmetternd, dass sie nicht ver öffentlicht werden konnten und die Einrichtung dieser Wahlen ganz ab- geschafft werden musste. Wer wagt nach der Lektüre solchen Tatsachenmaterials noch von der Ge- samtschuld des deutschen Volkes zu sprechen? enden Aktion gegen den Rest Europas ihren Ausdruck find-n. Roosevelt und Churchill mögen sich davor hüten, das zu erleichtern, in- dem sie Misstrauen hervorrufen, denn es gibt Europäer, die, als leiden- schaftliche Anhänger der Unabhän- gigkeit ihres Vaterlandes, fürchten, zwischen zwei Imperialismen erdrückt zu werden. Die Vereinigten Nationen müssen dadurch, dass sie ihre Taten mit ihren Worten in Einklang brin- gen, beweisen, dass diese Besorgnisse nicht begründet sind. Sie müssen of- fen erklären, dass Europa nicht min- derjährig ist und keinen Vormund braucht. Die langen Jahrhunderte seiner fruchtbaren Zivilisation erwei- sen seine volle Fähigkeit. Sein Un- glück erfordert Solidarität, nicht Be- vormundung". Mihailowitsch und Tito Mihailowitsch war ven den angelsächsischen Tete grachenbürcs zum legendenumwobe- nen jugoslawischen Freiheitshelden — 15 — erhoben worden. Nun sind Nachrich- ten gekommen, dass er Gewehr bei Fuss die Balkanoffensive der Alliier- ten abwartet, während die jugoslawi- schen Partisanen unter Tito, die in Wahrheit die Massen des jugoslawi- schen Volkes vertreten, in Montene- gro, Dalmatien Istrien und Venetien offensiv gegen did Nazitruppen kämp- fen. Ihnen und nicht dem monarchi- stisch-reaktionären Offizier Mihailo- witsch haben nach einer Nachricht 10 italienische Divisionen ihre Waffen überliefert. Dieselben Presse-Korres- pondenzen berichtet, dass Tito erneut gegen Mihailowitsch den Vorwurf der Zusammenarbeit mit den Nazis er- hebt. — Wie schnell heute Zweck-Le- genden durch Tatsachen widerlegt werden! Lügen haben kurze Beine, wenigstens manchmal. Wie die Mihailowisch-Ls- gende zerstört wurde, so auch die Giraud-Lsgende, deren eifrigster Ver- breiter Mr. Murphy. Roosevelts Be- vollmächtigter für Nordafrika, war. Seine Meldungen, dass Giraud der wichtige Mann sei, und dass der ehr- geizige de Gaulle nur wenig Anhang besitze und als quantite negligeable betrachtet werden könne, haben sich in solchem Masse als falsch erwiesen, dass Murphy, wie der Berichterstatter v:n "New York Times" meldet, zu i- r.er Besprechung nach Washington kommen soll, und dass er aus "Ge- sundheitsgründen" wohl nicht -nach Algier zurückkehren werde. Merkwürdiges Echo aus Nordamerika. Eii.: unter dem Namen "Victory Com- mittee of German-American Trade Unicnists of New York" auftretender Ausschuss telegrafierte an das "Frei- deutschland-Komitee" in Moskau: "Es hat für uns etwas Inspirierendes, zu erfahren, dass in. Ihrem Ausschuss bewährte antifaschistische Führer, hervorragende deutsche Gewerkschaft- ler und, tapfere deutsche Offiziere und Soldaten zusammenarbeiten...". Be- sondere Erwähnung der Tapferkeit der deutschen Offiziers und Soldaten in einem Telegramm einer kommu- nistischen Hilfsorganisation — für- wahr eine eigenartige Inspiration! Gestern Pogrom-Schlächter und heu- te Freiheitskämpfer? "Diaric Israeli- ta" schreibt -am 22. 9: "Die 100 Deut- schem Offiziere, welche sich jetzt in. der russischen Gefangenschaft verei- nigt haben, um "eine freie, unabhän- gige Deutsche Republik zu gründen", wo sind sie gewesen, als die deutsche Armee alle Juden der ukrainischen, und weissrussischen Städte ermorde- te? Haben sie sich der ' Ermordung zehntausender Sowjetbürger entge- gengestellt? Jetzt, in der Geiangenschaft in Buss- land, sind sie zu der Ueberzeugung ge- kommen, dass Deutschland heute noch isolierter ist als 1918, und dass die Fortsetzung des Krieges "zu einer nationalen Katastrophe" für Deutsch- land werden kann. Und um Deutsch- land vor dieser nationalen Katastro- phe zu retten, haben sie sich zu dem Komitee in Moskau zusammenge- schlossen. Aber sind diese Deutsch- land-Retter nicht verantwortlich für die Bestialitäten, die die Deutschen in den okkupierten Gebieten Sowjet- russlands begangen haben? Will die Sowjet-Regierung die- ganze Frage ih- rer Schuld unter den Tisch fallen las- sen? Ist er unschuldig, der Artillerie-Ge- neral Walter v. Seydlitz und der Ge- neral-Leutnant Alexander v. Daniels, und der Chef der To^enkopf-Division der S. S- Walter Meier?, unschuldig an Pogrcmeh und Massenmorden? Die Offiziere und Generäle, die sich, jetzt als militärischer Teil des Komi- tees der freien Deutschen organisiert haben, erklären in ihrem Manifest, dass es jetzt Zeit sei, Deutschland zu retten, denn es leide stark. Gestern Pogrom-Schlächter und mor- gen Welt-'Befreier. Sollen sie ihrer Strafe entgehen?" Ncrdamerikatvische Selbstanklage. In der Zeitschrift "Free World" schreibt der nordamerikanische Senator Pep- per, Mitglied des Auswärtigen Aus- schusses des Senats: "Es ga*b niemals ein beredteres Beispiel für die Sträf- lichkeit der Selbstsucht, die die West- mächte und uns selbst dazu verleitete, abzulehnen, unseres Bruders Hüter zu sein, als das, was wir anrichteten, als wir die Weimarer Republik in Deutschland preisgaben. Wir standen daneben und sahen zu, wie das kämp- fende Kind der Demokratie zu Boden gerungen wurde von den Wirtschafts-- — 16 — kräften, gegen die es nicht alleine ankam. Wir sahen, wie es allmählich zerschmettert wurde von der erbitter- ten Opposition der autokratischen Mächte, die der unnachgiebige, Feind der Demokratie waren und sind... Wie wenig hätte es uns gekostet, Deutschland zu retten. Und wie viel hat es uns gekostet, dass wir es da- hin kommen liessen... Es ist weder Mitleid, noch Anstandsgefühl, sonderi vernünftiges Selbstinteresse, das uns zwingen sollte, die Welt so zu ordnen, dass sowohl schwache als auch kämp- fende junge Demokratien in der La- ge sind, zu leben, sich zu bewegen und ihr Auskommen haben. Diejenigen, die sich über ein kleines Handelszu- geständnis, eine Anleihe cder eine an- dere Konzession, die eine Nation am Leben und frei erhalten sollen, bekla- gen, mögen, sich der unermesslichen Kosten erinnern, die uns dadurch ent- standen sind, dass wir Deutschland zusammenbrechen liessen." Die Forderung bedingungsloser Kapi- tulation verlängert den Krieg. Eine vcn zahlreichen bekannten Persön- NEUE BUECHER THOMAS J. HAMILTON: Appeasement's Child. Während, die deutschen und italieni sehen Flieger spanische Städte in Trümmer legten und fliehende Frau- en und Kinder mit Maschinengeweh- ren niedermähten, sassen die Vertre- ter der Demokratien zusammen mit den Vertretern der Mörder des spa- nischen Volkes in London am grünen Tisch und spielten Nichtintervention. Als die Faschisten in Spanien die Ge- neralprobe für ihren Krieg abhiel- ten, taten ihre Gegner von morgen alles, um dieser Generalprobe einen vollen Erfolg zu sichern. Nachdem sich die Demokratien durch die Bei- hilfe zur Erdrosselung der spanischen Republik eines Bundesgenossen im nahenden Krieg gegen die Nazis be- raubt hatten, um ihn gegen einen of- fenen Feind einzutauschen, konnten sich die Angehörigen der "goldenen Internationale" schmunzelnd die Hän- de reiben: Die "Roten" waren wieder mal von einem Stück Erde vertrie- ben und die "Aufbauarbeit" eines zer- lichkeiten unterschriebene Denk- schrift des "National Peace Council" erklärt: "Wir empfehlen dringend, dass... weitestgehend Gebrauch ge- macht werden sollte vom moralischen und politischen Einfluss der ange- messenen: Darlegung der konstrukti- ven Ziele der Vereinten Nationen... aus denen klar die Entschlossenheit hervorgeht, eine internationale Ord- nung zu schaffen, die allen Völkern wirtschaftliches und soziales Wohler- gehen, Gerechtigkeit und Frieden si- chert, einerlei ob es sich um' Alliier- te, Neutrale oder Feinde Englands in diesem Kampfe handelt. Russischer Vansittartismus? In der Moskauer Zeitschrift "Internationale Literatur" versucht K. Ossipow nach- zuweisen, dass der Vandalismus der deutschen Tradition entspreche, indem er — ähnlich wie Vansittart — einen "Black Record" deutschen Barbaris- mus im Laufe der Jahrhunderte auf- stellt. Was sagen die Herren Weinert und von Seydlitz, Vorsitzende des 'Moskauer Deutschen Freiheitskomi- tees, dazu? störten Landes konnte mit ihren Kre- diten beginnen. Thomas J. Hamilton hatte als Spai- nien-Korrespondent der "New York Times" von August 193,9 beginnend 2 dahre lang Gelegenheit, diese Auf- bauarbeit aus der Nähe zu betrach- ten. Zerstörte Städte waren noch nach 3 Jahren Fr anco-B esetzung un- verändert gelassen worden, damit das faschistische Tonaristen-Bürio neugie- rigen Ausländern etwas zu zeigen hatte. Auf den Landstrassen vaga- bundierten hungernde, kaum beklei- dete Kinder mit ausgemergelten Kör- pern, fieberhaft den Boden nach et- was Esstoarem absuchend. Schärfste Rationierungsmassnahmen brachten, einen schwarzen Markt hervor, der es einer etwas bemittelteren Ober- schicht ermöglicht, zu phantastischen Preisen ilnreit Leb e nsmittel Berlars halbwegs zu decken. Bezeichnend ist, dass bei einem Empfang in der ame- rikanischen Botschaft das Hauptinte- resse der spanischen Besucher, die gewiss nicht zu den Aermsten gehör- ten, auf das Essen konzentriert war. — 17 — Dazu kommt ein dreifacher, oft ge- geneinander arbeitender Bürdkra^e- Apparat (Fhalanx, Heer, Staadt), der dafür sorgt, dass die Bevölkerung sich nicht mehr von den Qualen des Krie- ges erholen kann. Die totale Unfä- higkeit des Franco-Regimes auf allen Gebieten hat das Land trotz auslän- discher Hilfe auf einen auch während des Bürgerkrieges unerreichten Tief- stand gebracht; Die Behandlung Franco - Spaniens von seilen der Demokratien wird von Hamilton durch das in Kriegszeiten besonders unangebrachte Jesus-Wort treffend charakterisiert: Wir lieben unsere Feinde. Franco hat ihnen diese Liebe nach faschistischem Brauch mit einem Fusstritt gedankt. Die Auslie- ferung der republikanischen Flotte und von 40.000.000 Dollars spanischen Goldes sollten Spaniens Neutralität im Kriege erkaufen. Der Krieg wur- de nicht erklärt, aber er wurde ohne Erklärung geführt. Abgesehen von der militärisch unwichtigen "freiwil- ligen" Blauen Division in Russland versorgten spanische Schiffe deutsche Unterseeboote, und die Arbeit des in vielen Ländern Amerikas lahmgeleg- ten deutschen Spionage - Apparats wurde von der Phalanx ungestört weitergeführt. Amerika und England schienen diese feindseligen Akte nicht zu bemerken: Franco-Spanien wurde vci.1 ihnen weiter beliefert. Hamilton zieht die richtigen Konse- quenzen aus diesen Tatsachen: Wenn wir Krieg gegen den Faschismus füh- ren wollen, dann können wir ihn nicht halb führen. Das spanische Volk ge- hört zu den vom Faschismus unter- drückten Völkern und seine Befrei- ung rt^uss zu den alliierten Kriegszie- len gehören. Die offizielle Anerken- nung dieser Forderung vonseiten der Alliierten würde eine ungeheure mo- ralische Wirkung in der ganzen Welt haben und könnte das bereits im ho- hem Masse geschwundene Vertrauen zu der politischen Ehrlichkeit der De- mokratien wiederherstellen: H. A. Guillermio Diaz Doin, Diccionario Po- Iftico de Nuestrw Tiempo Editorial Mundo Atlantico, Bs. Aires. Auf 550 Seiten unterrichtet dieses Buch über hervorragende Persönlich- keiten unserer Zeit und über moder- ne politische, wirtschaftliche, soziale Worte und Begriffe. In den knappen und gut orientierenden Formulierun- gen kommt bei aller gebotenem Zu- rückhaltung der antireaktionäre Standpunkt des Verfassers zum Aus- druck. Ueber die Auswahl des Behan- delten wird es bei einem solchen Buch immer Meinungsverschiedenheiten ge- ben kennen. Jedenfalls ist das vor- züglich ausgestattete Buch ein gutes Hilfsmittel für jeden, der nach schnel- ler Orientierung in der ungeheueren Fülle der Ereignisse und Probleme un- serer Zeit sucht. Wie sehr es einem Bedürfnis entspricht, ergibt sich dar- aus, dass kurz nach seinem Erschei- nen, schon""die zweite Auflage vorbe- reitet wird. AUS UNSERER BEWEGUNG Brasilien Friedrich Kniestedt, der "Leiter der antifaschistischen Deutschen Brasi- liens, schreibt uns nach seiner erfolg- reichen Rundreise: "...Unsere Stellung zur Frage Buenos Aires oder Mexiko ist f^st umrissen. Für uns in Brasilien sind die Be- schlüsse von Montevideo bindend. . . oachdem ich die Nachklänge von Bal- der Olden im "Freien Deutschland" gelesen hatte, musste ich als Kon- gressteilnehmer natürlich überall Stellung dazu nehmen. Dass B. O. da- bei sehr schlecht abgeschnitten hat, ist nicht meine Schuld, denn wahr bleibt wahr. Von den Mexiko-Leuten ist in Rio, Sao Paulo u. Curitiba mit den schlimmsten Intriguen gegen Sie gearbeitet worden. Wir haben Schluss gemacht: In unsere Bewegung werden diese Herren nicht aufgenommen. . . DAD findet hier guten Anklang. In Barana habe ich 20 Leser gewonnen... Bolivien Aus Bolivien erahlten wir ebenfalls Berichte über systematische Sabotage der Beschlüsse von Montevideo von Leuten, die sich scheinbar zu ihnen bekennen. Das hat zu Entschliessun- gen des Klubs "Freundschaft", der seit langem bestehenden Vereinigung der deutschen Sozialisten in La Paz geführt, denen wir folgendes entneh- men : ". . .Unter dem Einfluss des latein- amerikanischen Komitees der F.D., Sitzt Mexiko, stehende Mitglieder der Vereinigung haben, obwohl für die stimmend, fortgesetzt versucht, die südamerikanische Einheitsfront deut- — 18 — scher Antifaschisten zu torpedieren und sie auf eine breitere Basis zu stel- len. Gegen diese Versuche wehrte sich die Mehrzahl der in der Vgg. befind- lichen Klubgenossen. Sie vertreten die Auffassung-, dass die deutschen Anti- faschisten nur dann eine vertrauen- erweckende Kraft werden können, wenn bei der Organisierung deutscher Hitlergegner unbedingt Wert gelegt wird, auf politische Zuverlässigkeit und charakterliche Sauberkeit der Menschen, die im Ausland sich zusam- menschliessen. So wichtig im politi- schen Kampf an sich die Zahl ist, so ist doch gegenwärtig, kurz vor dem Zusammenbruch des Hitlerregimes, wichtiger als die Zahl die Gesinnung der Menschen, die am Sturz des Na- ziregimes arbeiten. Durch eine verwerfliche Flüsterpropa- ganda wurde das Vertrauen gegen Klubgenossen, die Sprecher und Mit- arbeiter in der Vgg. waren, von Mit- gliedern der Vgg. gröblichst unter- graben ... Die Mitgliederversammlung des Klubs nimmt mit Entrüstung von den Vor- gängen in der Vgg. Freier Deutscher Kenntnis... Sie fordert alle Klubge- nossen, die Mitglieder der Vgg. Freier Deutscher sind, auf, den Austritt zu erklären, und erklärt, dass dieser Be- schluss für alle Klubgenossen bin- dend ist". Ferner: "Der Klub "Freundschaft" vertritt nach wie vor die Beschlüsse des Kon- gresses von Montevideo, lehnt jedoch die... Aufnahme freundschaftlicher Beziehungen zum lateinamerikani- schen Komitee in Zukunft ab. Im In- teresse der Einheit der .antifaschisti- schen deutschen Bewegung in Boli- vien, hält der Klub als einzige Form der Zusammenarbeit die mit Buenos Aires für gegeben..." Chile Unsere Freunde in Chile sahen sich genötigt, den von dem früheren, seit längerer Zeit ausgeschiedenen Leiter des A.D. in Chile bevollmächtigten Vertrauensmann für Valdemar v.Mey- enburg wegen antisemitischer Aeusse- rungen seiner Funktion zu entheben. Paul Hesslein, der das Zentrum im Deutschen Reichstag vertrat, hielt vor den Freunden des A.D. in Santia- go einen Vortrag über das Buch von Aug. Siemsen "Preussen — die Gefahr Europas", der eine interessante Dis- kussion hervorrief. BRIEFE UND ZUSCHRIFTEN An die Landwirte richtet sich folgende Zuschrift: Nach dem Zusammenbruch der Hitlerdiktatur haben wir darauf bedacht zu sein, die deutsche Landwirtschaft in jene Bahnen zu leiten, die eine Sicherstellung der Volks&rnährung gewährleisten. So wie sich die Industrie geschichtlich aus der Landwirtschaft entwik- kelt hat, muss auch heute wieder letztere als Grundlage zum Wieder- aufbau betrachtet werden. Es handelt sich deshalb für alle unsere antifaschistischen Berufsgenos- sen in der Bmigration darum, ihr Wissen mit allen Mitteln aufzufri- schen, zu erweitem und auf die Höhe der heutigen landwirtschaftlichen Wissenschaft zu kommen. Bs dient uns hierzu sehr gut die diesbezüg- liche Literatur unserer Gastländer. Wir müssen danach streben, uns selbst zu Lehrmeistern aller jener her- auszubilden, die mit uns im freien Deutschland die Scholle brechen wol- len, ohne vorher Landwirte gewesen zu sein. SO', wie wir diese Menschen brauchen werden, da wir mit den1 heutigen Kräften nicht rechnen können, denn die deutsche Landwirtschaft ist von jeher die Quelle der Reaktion gewesen, müssen wir andererseits auch anstreben, Landwirtschaft und Industrie zu einem harmonischen Gan- zen zusammenzuschmieden und uns mit unseren! Kameraden in den Fa- briken zu verständigen suchen, ein sehr wichtiger Punkt, dem man frü- her viel zii wenig Beachtung geschenkt hat. Es heisst jetzt also für uns, jene Wege zu etanei}, die aus der hitlerischen Misswirtschaft zur gesunden Grundlegung einer freien deutschen In- dustrie und Wirtschaft überhaupt führen. Darum also: AN DIE ARBEIT! H. W. Kaiser, Zapala. — 19 — Der grösste Fehler, den man bei der Erziehung zu begehen 'pflegt ist die- ser, dass man die Jugend nicht zum eigenen Nachdenken gewöhnt, HEUTE 15. October 1943 EINHEIT UND lflf IEDERHOLT ist in Artikeln un- ■■ serer Zeitschrift nachgewiesen worden, dass der Faschismus und der gegenwärtige Krieg die Folge des Versagens jener Kräfte sind, deren historische Aufgabe es nach der fürch- terlichen Lehre von 1914|18 war, in international-europäischer Zusammen- arbeit die reaktionären Kräfte zu be- siegen und Europas Wirtschaft mit- tels der sozialen Revolution in eine sozialistische Planwirtschaft zum Wohle aller zu überführen. Es ist im- mer wieder und mit Recht der Füh- rung der Arbeiterbewegung die Ver- antwortung für dieses Versagen in entscheidender Stunde zugeschrieben worden. Aber schliesslich war diese Führung von ihrer Gefolgschaft selbst gewählt und dann unterstützt oder wenigstens geduldet worden, und es kann uns heute wenig oder garnichts helfen, den Grad der Schuld Einzel- ner oder einzelner Gruppen föstzustel- len. Wichtig ist einzig und alleine, aus vergangenen Fehlern zu lernen und sie nicht von neuem zu begehen. Wichtig ist vor allem, dass sich je- der, der sich zu den Kräften des Fort- schritts rechnet, selbst verantwortlich fühlt, selber denkt und aktiv arbeitet, und dass er die Frage, ob die Zukunft Recht, Frieden und Wohlstand oder mehr Unrecht, mehr Elend und noch schrecklichere Kriege bringen" wird, nicht der Zufälligkeit einer guten oder schlechten Führung überlässt. Es gibt in der Welt auch heute viele Regierungs- und Parteileitungs-An- wärter, die sich den Faschismus als zufälliges historisches Zwischenspiel betrachtend, anschicken, von neuem die Idee des Fortschritts und ihre an sich gewaltigen Kräfte dem Nationa- lismus reaktionärer Staatengebilde KLARHEIT ODER E INE N O TWE_N_DIGE auszuliefern. Und es gibt auch heute viele von jenen Elementen, die in Ver- blendung bereit sind, die opportunisti- sche Politik fortzusetzen, die zum Beispiel im vorhitleristischen Deutsch- land einmal dazu führte, dass kommu- nistische Arbeiter gemeinsame Sa- che mit den Hitleristen machten. Vor dieser schweren Gefahr gilt es die fortschrittliche d. h. sozialistische Be- wegung zu bewahren, von deren Neu- erstehen und von deren Wirken und Wirksamkeit nach diesem Kriege nun endgültig die Zukunft Europas abhän- gen wird. Denn wenn Europas Völ- ker überhaupt noch einmal die Chan- ce haben werden, ihr Schicksal po- sitiv zu gestalten, dann wird diese die letzte sein. Die Gefahr -Äber, dass die Front derer aufs neue von innen her- aus verwässert und fault, deren ge- schichtliche Aufgabe die Erkämpfung der sozialistischen Gesellschaft ist, wird in dem Masse bedeutend sein, als Unwissenheit und Passivität der Masse eine unkontrollierte, nicht zur Verantwortung gezogene bürokrati- sche und eigenmächtige Führung zu- lässt, — und sie wird in dem Masse schwinden, in dem die auf Wissen ge- gründete Aktivität und das Verant- wortungsgefühl jedes einzelnen Mit- gliedes zunimmt. Verglichen mit dem unsagbar schwe- ren und scz entsetzliche Opfer fordern- den Kampf, den die besten der fort- schrittlichen Kräfte aller Völker Eu- ropas gegen die reaktionäre Tyrannei mit einem Mut kämpfen, der sogar über der Gewissheit des Foltertodes nicht zusammenbricht — verglichen mit diesem Kampf, dessen wahres Heldentum nicht zu beschreiben und — 20 — l)ie Wahrheit zu gesbeh'ein: ich bin kein Freund allgemeiner Urteile über ganze Völker. Sie werden meine Frei- heit nicht übelnehmen. Ich sollte giau- UND MO JAHRGANG l|| >n, dass es unter a.iLen Nationen gu- und böse Seelen .geben könnte. G. E. LKSS1NG. R G E N Nr. 3 O ZERRISSENHEIT UND VERWIRRUNG? STELLU NGNAHME nicht mit Massen zu messen ist — sind die Aufgaben, die der politischen Emigration zufallen, geringer Natur; es steht ihr keinesfalls zu, unter sich Führerämter schon heute zu vertei- len, und es ist ein beschämendes Schauspiel» zu sehen, wie sich oft aus- gerechnet ihre fragwürdigsten Ele- mente bei mächtigen aussereuropäi- schen Regierungen in würde- und ge- sinnungsloser Weise als die zukünf- tigen Führer eines befreiten Europas im allgemeinen und als "Erzieher" des deutschen Volkes im besonderen an- zupreisen suchen. Jemand, der ande- re erziehen will, muss erst einmal Zei- chen seiner eigenen Disziplin und Charakterstärke geben. Und das hat niemand mehr getan als die in der europäischen und deutschen Unter- grundbewegung kämpfenden Antifa- schisten. Die Emigartion hat die Auf- gabe, diesen ihre ganze Kraft zur Verfügung zu stellen, darf sich aber keinesfalls anmassen, Führungs- und Belohnungsansprüche aus der Tatsa- che abzuleiten, dass sie Emigration ist. "Emigrant" sein sagt zunächst durchaus nichts positives aus, eben- sowenig wie "Antifaschist" sein, was nachgerade zu einer Modeangelegen- heit des "guten Tons" geworden ist, die zu nichts verpflichtet. Beide Be- griffe erhalten ihren Inhalt erst durch Denk- und Handlungsweise. |QlE politische Emigration hatte ei- ne grosse Aufgabe zu erfüllen. Diese Aufgabe bestand in zwei Ak- tionsgebieten: 1. Aufklärung über die Gründe die- res Krieges und über die Scheidung der Kräfte, die in ihm wirksam sind, durch konsequente, nichtopportunisti- sche Haltung; Verbreitung von Tat- sachen und Bekämpfung ideologischer Unklarheit; Schulung der Emigra- tionsjugend zu selbständig denkenden und urteilenden Funktionären. Mit anderen Worten: Heranbildung von Menschen und Gruppen, die den un- geheueren Aufgaben, die unsere Zeit ihnen stellt und stellen wird, in mög- lichst hohem Masse gewachsen sind. 2. Fühlungnahme der fortschrittlichen Emigrationsgruppen der verschiedenen europäischen Länder untereinander und Vereinheitlichung ihrer Bestre- bungen, um der grossen Gefahr rück- schrittlicher nationalistischer Zeris- senheit in Nachkriegseuropa, die es lebensunfähig machen und in neue Kriege verwickeln würde, nach Kräf- ten vorbeugen zu helfen. In diesem Sinne, der als einziger der politischen Emigration Daseinsberech- tigung und geschichtliche Wichtigkeit geben konnte, haben leider nur Tei- le von ihr gewirkt. Die ernsthafte Ar- beit dieser positiven Sektoren, zu de- nen wir, was die deutschsprachige Emigration angeht, unter anderem Neubeginnen, I.S.K, und die "Sozia- listische Union" in London (der auch die dortigen Mitglieder der beiden erstgenannten Organisationen angehö- ren), die deutschen Freigewerkschaf- ter in England, die österreichischen Sozialisten» und hier in Südamerika "Das Andere Deutschland" zu rech- nen haben — die konsequente und unbeirrt© Aufklärungsarbeit dieser po- sitiven Sektoren der deutschsprachi- gen Emigration, ist in der Erfüllung ihrer Aufgabe leider immer wieder durch Elemente gestört worden, dio ihre Meinung und Ansichten von Tag zu Tag umstellen, heute zum Feinde erklären, Wa6 gestern hoch Freund war und umgekehrt, die je nach "Be- darf" ein und dieselbe Sache einmal als gut und ein andermal als schlecht ausgeben und so unter dem dehnba- ren Mantel der "Realpolitik" reichlich viel Verwirrung und Misstrauen in den Reihen der politischen Emigration gesät haben. Eine Saat, aus der ein ideologisches Unkraut wuchert, das tiie Wirksamkeit aufklärender und dem Fortschritt dienender Propagan- da und Schulung nur allzuoft aufs schlimmste gefährdet und viele Ener- gien der Emigration sinnlos verpuf- fen lässt, während in Europa die be- sten Köpfe den reaktionären Henkern zum Opfer fallen und in Russland ei- ne Gemeinschaft einiger Völker in klarer Front ihre schwer erworbenen Rechte mit so beispielhaftem Erfolg verteidigt. Den Lesern dieser Zeitschrift wird die "Heilige Allianz" bekannt sein. Wo nicht, sei hier ganz kurz ei- ne Erklärung über diesen Begriff ge- geben, der heute so viel angewandt wird: Er hat seinen Ursprung in je- ner feudal-reaktionären Mächtever- sammlung, die nach der Niederwer- fung Napoleons in den Jahren 1314 IS ait. Im Interesse der Erfüllung dieser gro- ssen Aufgabe ist es zu erhoffen, dass jene Gruppen, deren Irrmeinungen im Verlaufe dieses Artikels angegrif- fen werden mussten, sich im entschei- denden Moment in die Front einreihen werden, in die sie ihrer Herkunft nach gehören. Pieter Siemsen. DIE DEUTSCHE JUGEND IM KAMPF GEGEN HITLER P IST Genosse, der in Deutschland in ™ der Untergrundi-Besweigung stand, *<•6 reibt an "Heute und Miirgen": ...Als ich zufällig die Si'ptcmbc r iiuin- mcr von "Heute und Morgen" las, habe ivh fentstellen können, dass ihr endlivh und als einzige etwas wirk- liches ither die I/»ge und' I ätigkeit der antifaschistischem Jugend in Deutsch- lunit brngt. Xavhilem ieh ja Ii erlang l-ÜKeii und falsche Berichte über die detits« he Jugend Striesen und «ehiii l habe, freut es uiivii, einen Iii'rieht ver. öffertliclit zu seelheii, der exakt ist. — Tvh habe selbst jahrelang in der il- legalen Arbeiterjugend gearbeitet und bin sivher, dass dier mit Pcul Hasen zeivhnende Genosse von ähnlichen Gruppen spricht wie der meinen. Auch bei uns setzte sieh das lvader aus K.J.V.D. und SAJ (das sind die bpiden ehemaligen Arbeiterjugend. verbände. 11. R.) zusammen, der .Rest ufid die Sympatisierenden kamen aus den Ar- heitersportvvtreiiien* der biindi'svln'ii Jugend wie D.J., Krelschar et« . und auvli aus dem OV.JM. Selbst ehemalige Scharnhorst- und Hitüer.iiigend-Mit- K'lieder ktMlrn lJK{7l:?K enttäuscht von ileiii V errat Ihrer Kiihrer zu uns. Aueh wir hatten verbotene Iii», her, ans «Inten wir uns schulten. Keiner von uns war beim Machtantritt Hit- lers Alter als I i .Jahre — und trotz- «lein waren St-htilung und allgemeine Propaganda von einer Aniiassiuigsifä- higkeit an die Verhältnisse des Mo- ments uind von einer marxistischen Basis, wie sie betf vielen älteren "Nicht-nazis" fehlte. So gelang es uns, na« Ildem die alte Organisation, die eine direkte I Ort- Setzung von K.i und SAJ war, im Jah- re 1JK15 vollkommen zerschlagen und ihre >11 tglicder last restlos zu Ge- fängnis verurteilt worden waren, von kleinen Gruppen von 5 Mann ausge- hend, im .Jahre 36[il7 eine (>ppo'ftitions- beweguhg von Hunderten von .Junge"! und Mftilei zu organisieren. Logischer- weise waren nicht alle geschulte Men- schen mit einer festen Idee; ab«r ich bin sicher, dass aus dieser Bewegung viele Kämpfer hervorKesansen sind, die morsen in Deutschland die Revo- lution durchführen werden. Aueh gUiu- liti i« h, dass unsere Junggenos.xeu, die beut« in Russland als Soldaten ste- hen, eine entscheidend e Rolle i'i Deutschlands Zukunft spielen werden. Der "Geschichtsunterrichts' - Artikel bringt. mir eine Stunde in meiner Be- rufsschule in Kriiimer'uug. ••Russische G?s« h ichte'. Der "Herr Professor" do- ziert: "In Russinn«! war einmal ein Mann, der hiess Bolschewik. Kiii Kerl, «ler raubte, brannte, mordete etc. Nach ihm nennen sich die1 Roten in Russ- iaiitl B«>'lschewiken, weil .sie auch rau- ben und morden," Riiie neutrale I'V.vi- ste Illing der Tatsachen meinerseits brachte mir am Sem^stersehluss fol- senilf! Bemerkung im Zeugnis ein: Bei anscheinender Interesse nlosigkeit am l literricht, neigt er stark zur Kritik und zum Widerspruch. Zi> «Ir d -und. ihrer diesbezüglichen Propa- ganda schrieb, möchte ich noch fest- stellen. dnsy. Deutschlands Volk und Bntfltiu j.'itch und insbesondere von tl»\*i : iii ilascliislisf'hen Arbeitern gegen ei- ne imperialistisch kapitalistische Ver- sklavung verteidigt we rirTcii würden. Zu einem solchen "Ziel" würden sich vielleicht auch die polnischen "Paul'' («I, h. Junker, Grossgruiidbeisitzer. d. R.). Badoglio, Gtraud, Mikhailovitsfh H ml ihresgleichen gewinnen lassen; aber i« h glaube fest daran, dass sich «Ii?zu Russland!. General Tito's Partisa. neu (die wirklichen antifaschi- stischen Partisanen Jugoslawiens umI • Gegner des pseudo-faschistischen Mik- hailii»i itsch d. R ). «las» "Kämnfendv I rankreivh" und die unterdrückten Völker Kuropas ni, ht hergeben wer. Mit kameradschaftlichen Griissen Rudolf Dietrich FREIHEIT! GLEICHHEIT! BRÜDERLICHKEIT! — 24 — AUSTRIAN LABOR INFORMATION New York Zentral-Organ der österreichi- schen Sozialisten in deutscher Sprache. Es berichtet über Aufgaben und Auffassungen der Arbeiter in Oesterreich und in anderen eu- ropäischen Ländern. Es informiert über die Unter- grundbewegung in Europa in Originalberichten „Aus dem Ge- fesselten Europa". Es stellt Verbindung her zwi- schen den früheren Mitgliedern der österreichischen Arbeiterbe- wegung, die aus den Hitler-Län- dern entkommen sind! Haltet die Verbindung mit Ver- gangenheit und Zukunft auf recht! Helft mit, damit die Stimme der österreichischen Arbeiter gehört werden könne! Einzelexemplare und Abonne- ments durch Wilhelm Fleischer e so DAI), Tucumä-n 309, Bs. As. (U. T. 31 - 7264) und in den Buchhandlungen: Barna Maipü 441 und Juramento 2368, Vig;- malien Corrientes 515 und Herz- feld Reconquista 424 Bs. Aires Binzelexemiplare.....I 0.75 V2. Jahresabonnement . . ,, 4.50 Jahresabonnement . . . „ 9.— iKiniiiiiiniiiiiiiiii PENSION SCHIFFER Amenabar 2040 II. T. 76 - 1793, 1 Qua- d/er Gabildo vermietet gut möbl. Stra- ssenzimmer mit Pension, gute bürgl. Küche, Warmbäder u. sonst. Bequem- lichkeiten. Tischgäste willkommen. Massige Abonnementspreise. S C0BIS BROT Telef. Anruf II. T. öl - 6034 t$ib!i©tltek corrientes Casa Filatelica — DE — _ ROBERTO POMMER compra y venta de estampilla» para colecciön RECONQUISTA 206 — Bs. Aires U. T. 33 (Av.) 5758 r EL CAPRICHO Damen u. Herren-Friseur-Salon AVILBS 2976 — II. T. 73-1918 zwischen Conesa und Zapiola j Beste Dauerwellen von $ 2.50 ab. Leser 20 Prozent Ermässigung. -I F I AMBRERIA VIENESA Wo kauft man am besten und bil- ligsten Wiener Wurstwaren, Käse, Mayonnaise, Konserven, Weine, Heringe, etc.? NUR IN DER Fiambrerict "VIENESA" Bme. MTITRE 4112 — U. T. «2 1S87 Prompte Lieferung ins Haus! Provinzversand! Bin Versuch, u. Sie bleiben Kunde! ^(lllllllllllilllilllllilllllillllllfllllllllllllllllllllllllllllNIilll^ VA = In Montevideo ü ist DAD zu beziehen durch W D Federico Dörries, Feliciano D W Rodriguez 2708 und in den §j W freien Buchhandlungen. W WiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiiiiiiiKiiiiiniiHiiiimiFHiimi - —— <,—<—<>—---- A. A. B. A. ENRIQUE U. CORONA MARTINEZ | A B O G A D O LAVALLE 1268 "1 I 1 i U. T. 35 - 3853 j I I IMPRENTA "ELIDOR DIE DRUCKEREI DER DEUTSCHSPRECHENDEN RIO BAMBA 687 U. T. 41, Plaza 7512 An unsere Leser Pastor Jacob Riffel, Entre Rios: Sie schreiben in Ihrem. Naziblatt "De? Russlanddeutsche": ''Mancher unserer Leser mag in den letzten Ta- gen ... über die schweren Kämpfe an der Ostfront besorgt den Kopf geschüttelt und gedacht haben: Wo soll d-a,s hinführen? Sollte das irht •der Anfang vom Ende sein?" Wir können Sie und Ihre Leser beruhi- gen; es ist so wie Sie gedacht haben. * W. H. Allen: Wir unterschreiben Ihre Ausführungen voll und ganz, wenn Sie sagen: "Der Krieg scheint seinem Ende entgegenzugehen, aber es ist zj befürchten, dass die Völker wieder um eine bessere Zu- kunft betrogen werden sollen. Die Reaktion ist schon fest am Werke. Darum heisst es, nicht locker lassen mit der Aufklärung, damit es nicht so geht nach dem. ersten Weltkrieg, wo das Volk und die Sol- daten froih waren, dass alles vorbei war und sie Arbeit hatten, sich abu um die Politik nicht kümmerten und so der Reaktion wieder das Heft in die Hand spielten." In dieser Aufklärungsarbeit sehen wiv in der Tat unsere vordringlichste Aufgabe. Volksbuiidler, Misienes. Wir geben Ihnen gern zu, dass Ihre Mitglie- derschaft bei der NSDAP, dem Volksbund u- a. Naziorganisationen Sie nicht gehindert hat, den Tung, den Sie — wie übrigens alle Nazisiedler in Misiones — in den letzten Jahren in steigendem Masse anbauten, nach Nordamerika weiterzuverkaufen. Tung ist ein eminent kriegswich- tiges Produkt und Sie haben fraglos mit diesen Verkäufen an die USA den Alliierten einen grossen Dienst erwiesen. Nach unserer Ansicht reicht diese kommerzielle Betätigung jedoch nicht aus, dass Ihnen nun von uns Ihre antifaschistische Gesinnung bescheinigt wird. Wir ver- stehen Ihre Betrübnis über das drohende Kriegsende, das bewirkt hat, dass die1! Tungpreise von 550 $ im Vorjahre auf 250 $ gefallen sind. Aber trösten Sie sich mit Ihren Kriegsgewiir.n-sn in den Vorjahren. Da Sie nach einer Kapitalsanlage fragen, raten wir Ihnen, es den übrigen Peges gleichzutun, die alles nur erreichbare Siedlungsland aufkaufen und darauf spekulieren, dass nach diesem verlorenen Kriege sich die Creme der Nazipartei aus dem Dritten Reich nach Südamerika vzird retten können, sodass Sie den unerfahrenen aber nicht unbemittelten Parteijgrössen .mit annehmbarem Verdienst SiedlUngsland verkaufen können. Sieg Heil! F. M. Mendoza. Sie finden, dass DAD eine der interessantesten Zeit- schriften ist, die Sie kennen, weil sie Nachrichten bringt, die sonst nir- gendwo zu finden sind. Sie meinen, wir sollten das unsrige tun, damit "nsere Artikel über den deutschen Leserkreis des DAD hinaus öffent- lich bekannt würden. Es wird Sie interessieren, zu erfahren, dass in der letzten Zeit u. a. folgende Artikel reproduziert wurden: Alfas Be- merkungen zur "Italienischen Tragödie" mit einer zustimmenden Be- merkung von "Diario Israelita", Buenos Aires und Ulrich Bechers Ar- tikel "Gefallene Kameraden der Freiheit" (DAD 66) in "Vida Feme- nina", der sozialistischen Frauenzeitschrift, Buenos Aires. Otto Cziersky, Buenos Aires: Sie sind fürwahr ein wackerer teutscher Mann- Von den Nazis am deutschen Gymnasium in Rio de Janeiro entlassen, kamen Sie nach Buenos Aires, spielten sich hier als Anti- nazi auf, kamen an der Germania-Schule als Lehrer unter, waren ei- ner der Hauptführer im Kesseltreiben gegen deren Direktor Kunz, tra- ten am 1. Juni 1938 der Arbeitsfront bei, sind seither Hausdichter der Nazis im "Trommler" und im "Deutschen in Argentinien" und nun be- teuern Sie, dass Sie nur dem Zwang geihorohend usw. Ihr Herz aber immer bei den Hitlergegnern gewesen sei. Wir raten Ihnen, machen Sie sich keine unnötige Illusionen!