Beilage: DER OESTERREICHISCHE SOZIALIST LA OTRA ALEMANIA DAS ANDERS DEUTSCHLAND VI. ANO N o. 78 P1CIEMBRE 1. DE 1943 'BUENOS AIRES T 0 C U M A N 3 O 9 lu. T. 3t - RETIRO - 7264 £ Aus dem Inhalt: A. Siemsen: Worte und Ta- ten. O. Lehmann-Russbüldt: Nie wieder 1918. M. S. Benario: Um die Zu- kunft Europas. Hans Lehmann; Franz Op- penheimer zum Ge- dächtnis. Oberleutnant Drews: Der deutsche Offizier. Kurt Heinig-London: Deut- sche Staatsschulden Nazis in Argentinien Erich Berger - Chile: Die wirklichen Freunde der deutschen Revolution. (Orgclno de los alemanes libres de Americofdei Sur) ,MWWU »UWUWWW«»«»WW«W Buchhandlung a Die Erfüllung aller Wünsche ist jedem gesicheri, der seine literarischen, wissensehaft- : JK'lien oder allgemein [rraktisehen IU!rH IM'El{HS>K\ in der Kartothek unseres S1 < 'I1I.1IKX STK* ncjiereii liir s t. 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Die Alliierten aber, sagte er, fürchten sq wenig für ihre Gesundheit, dass sie mit dem König und Badoglio auch die Mehrheit der faschistischen Beamten in ihren Stellungen belassen und jede Unterstützung der entschiedenen An- tifaschisten geradezu geflissentlich vermeiden. Der König könnte nicht auf seinem Throne kleben, wenn die Alliierten ihm höflich, aber energisch bedeuten würden, er täte besser daran, sich in Zukunft nur noch mit seiner Münzsammlung zu beschäftigen. Au- genscheinlich hat man ihm aber im Gegenteil den Rücken gesteift. Wohl nicht nur wir allein hatten uns die Bestrafung der Faschisten und ihrer schlimmsten Helfershelfer — man denke r:uch an die Freilassung Sir Os- wald Mosleys! — nach allen vorher gegangenen Tiraden ein wenig anders vorgestellt. Man spricht zwar von der Befreiung der Völker. Aber man will ihnen eine Freiheit von oben her zuerteilen, die so dosiert ist, dass die Gefahr revolu- tionäi*er Umgestaltung Europas ver- mieden wird. Man will die Kräfts nicht entfesseln, die den Kampf mit dem Faschismus auf Tod und Leben zu führen gewillt sind, weil man sie nachher nicht bändigen zu können glaubt. Wie anders stände es heute in Italien, wenn man nach dem Sturz Mussolinis nicht mit Badoglio und der Monarchie paktiert, sondern die ar- beitenden Massen Italiens zur Revo- lution aufgerufen hätte! Aber die Ab- kürzung des Krieges . die Rettung noch so vieler Menschenleben und Güter hat zurückzutreten hinter den Methoden einer Diplomatie, die den Kräften des Volkes misstraut, und hinter den konservativen Zielen der den Krieg führenden kapitalistischen Regierungen. Geradezu grotesk tritt der Wider- spruch zwischen den zwar nicht revo- lutionären, aber doch fortschrittlich klingenden Wortkaskaden und den re- aktionären Methoden zu Tage, wenn die jugoslawische Exilregierung und ihre angelsächischen Beschützer noch immer Mihailowitsch als Exponenten des jugoslawischen Freiheitskampfes behandeln, während die jugoslawische Freiheitsarmee in ihren Kriegsberich- ten denselben Mihailowitsch als Ver- bündeten der Nazis bezeichnet und fast täglich von Kämpfen der Frei- heitsarmee mit den Truppen des Mi- hailowitsch berichtet. Dieser klaffende Widerspruch zwi- schen Worten und Taten, zwischen schönen Zukunftsversprechungen und hässlichen Gegen wartsibehandl unqen. vergiftet die Atmosphäre. Die aktive systematische Lügerei und Wortver- drehung des aaressiven Faschismus und Nationalsozialismus und die feige Schwindelei und Wort jongliererei der Charrvberlainisten haben die Worte um ihren Sinn gebracht, die Sprache prostituiert, jedes Vertrauen unter- höhlt, Zynismus, Skepsis und Unglau- ben verbreitet. Wer ernsthaft eine neue Zeit will, rttuss an die Stelle der Halbheiten und Vieldeutigkeiten, der halben Warheit und halben Lüge, der kleinen Mittel und der pfiffigen Schlauheit Klarheit und Deutlichkeit in Zielsetzungen, Handlungen und Worten setzen, muss Worte und Taten zur Einheit werden lassen. Enttäuscht von den Methoden der an- cielsäehischen Mächte wenden sich dis Blicke vieler nach der Sowjetunion, rhne die der Faschismus in der Welt triumphiert hätte. Aber auch hie.'- rteht die Taktik höher als der Grund- satz. auch hier herrscht die gleiche Weitherzigkeit in der Wahl der Mit- tel, auch hier hält man es für möglich, mit. Leuten zusammenzuarbeiten, dis eben noch verantwortliche Stellen in der nazistischen Invasionsarmee be- kleidet haben. „Buropa ist im Jahre 191S jäm- merlich gescheitert. Damals wie Otto Lehmann-Russbüldt: NIE WIEDER 1918 ! Die Behauptungen Joachim Joestens über das National-Komitee Freies Deutschland (Vgl. DAD 77) haben eine schnelle Bestätigung- gefun- den. „Freie Tribüne", das londoner Organ des NKFD, bekräftigt nicht nur, dass die konstituierende Sitzung im Zeichen der schwarz-weiss- roten Fahne stattgefunden hat, sondern es enthüllt auch interessan- te Einzelheiten über die Tagung des in der US SR gegründeten „Deut- schen Offiziersbundes", dem die Offiziers-Partner des Komitees an- gehören. Danach sagte Oberst v. Horn in seiner Ansprache, man müs- se jetzt zum Sturz des Hitlerregimes schreiten, um „Frieden schlie- ssen zu können zu einem Zeitpunkt, da Wehrmacht und Wirtschaft noch einen Machtfaktor darstellen". (Diese Machtfaktoren haben den Nazismus herbeigeführt und gestützt! Red.) „Freie Tribüne" hält es auch für notwendig, darauf hinzuweisen, dass der katholische Oberst Steidle gesprochen und dass der General v. Seydlitz dem Gefreiten Zippel die Hand gedrückt habe. — In diesem Zusammenhang dürften die folgenden Ausführungen für unsere Leser von Interesse sein, die uns Otto Lehmann-Russbüldt, der bekannte Vorkämpfer gegen Mili- tarismus und Junkertum aus London zuschickt. heute haben die verantwortli- chen Staatsmänner1 feierlich er- klärt, dass man für Demokra- tie, für den Frieden u.nd für den Fortschritt kämpfe gegen die Autokratie, den Militaris- mus und die Reaktion. Aber die demokratischen Worte wurden durch die antidemokratischen Taten zunichte gemacht", ' schreibt unser Freund Benario in sei- nem Buch über den Untergang und die Auferstehung der Demokratie in Europa. Wenn die Zeit aus den Fugen ist, kön- nen halbe Mittel, taktische Schlauhei- ten und faule Kompromisse sie nicht wieder einrenken. Aber ein Aufatmen würde durch die Welt gehen, wenn statt dessen > eine willensstarke und weltklare Stimme ertönen würde wie im Jahre 1917 Lenins „Aufruf an al- le!" Ich taxiere, dass es den militäri- schen Unterzeichnern des Mani- fests graust, wenn sie nur an das Wort „Meuterei" denken• Es käme nicht auf das Wort, sondern auf die Sache an. In der Sache, d. h- wer auf wen schiesst, ändert auch das Manifest nichts daran, dass in und von Preussen immer gegen links geschossen wird, gerade dort- hin, wo die Zivilisten des Mani- fests stehen. Wenn die gefangenen deutschen Ofiziere weiter die Fe- derführung für solche Manifeste behalten, so "besteht die Gefahr, dass die Dinge in Deutschland wie- der eine Wendung nehmen wie nach 1918. Die Millionen Exempla- re des Manifests. die über der deutschen Front abgeworfen sind, haben offenbar nicht einmal die Wirkung gehabt, die Zahl der bis- herigen Ueberläufer respektabel zu machen, geschweige denn zu einer Massenmeuterei zu enthusiasmie- ren. Die ..Führung" von preussischen Militärs führte für die Deutschen bisher immer nur in die Vernich- tung alles dessen, was ein Volk im Frieden sucht. Warum soll es dies- mal anders werden? Gewiss, es ist im Himmel mehr Freude über ei- nen bussfertigen Sünder als über zehn Gerechte und auf Erden wä- re die Freude sicher noch grösser, wenn die deutsche Offizierskaste aus Einsicht und Einkehr von selbst ihr schändliches Soldaten- spiel lassen würde. Aber in dem erlassenen Manifest ist davon nichts zu merken. Von selten der deutschen Ofizier ist es nichts weiter als ein verzweifelter Ver- such, die Umstände auszunützen, um vom Geist und Körper der al- ten preussischen Armee zu retten, was noch zu retten ist. Ich habe in den „Gesammelten Werken" die- ses Nutionalkomitese in Radio und Schrift nichts von dem Geist einer grundsätzlichen Abkehr vom „Geist der preussischen Armee' bemerkt. Der Major Hertz gab eine schulge- rechte Vorlesung über Hitlers fal- sche Strategie. Aber keiner der ge- fangenen Feldgeistlichen, die das Manifest auch unterschrieben ba- ten, belehrte den Major Hertz. da- hin, dass in diesem strategischen Defekt Hitlers das grösste Glück und die Gnade Gottes für die lei- dende Menschheit lag. Man stelle sich vor, Major Hertz hätte Hitler als Strategen preisen können! In keiner der Reden und Artikel, die ich las, ist der Krieg als solcher aus christlichen oder ethischen Gründen verurteilt. Ein anderer Unterzeichner, der Hauptmann Professor Dr. Habermann, erzählt, wie von Herder bis Stefan George M. S. Benario: UM DIE ZUKUNFT EUROPAS Deutschlands „kulturelle Mission'* auf ein starkes Reich ausging, in dessen gesicherten Grenzen die deutsche Nation fähig wäre, ihre besonderen deutschen Qualitäten frei zu entwickeln. Wer hat je die Deutschen daran gehindert, das zu tun? Niemand anders als der „Geist der preussischen Armee", wie ihn Rudolf Olden in seinem Buch über Hindenburg darstellt, von dem die russische Propaganda einige Dut- zend Exemplare bestellen und zum Studium in ihren Offiziersgefange- nenlagern verbreiten sollte . . . Aber es bleibt dabei, dass die Ab- sicht des Manifestes, nämlich die deutsche Armee zu demoralisieren, eine gute und notwendige ist. Nur müsste das anders durchgeführt werden. Die Wahrheit ist zuweilen die wirksamste Kriegslist . . . Ich halte den Versuch nicht für aussichtslos — wenigstens bei ei- nigen dieser Männer4 unter denen kluge und ehrenwerte Köpfe sind. Ein solcher Versuch kann aber nur gelingen, wsnn man solchen Wort- führern wie dem Grafen Einsiedel sachte, aber fest die geschwungene schwarz-weiss-rote Fahne aus der Hand windet und ihnerju, sehr deut- lich erklärt, dass sie sich erst ein- mal eine ganze Wette gehörig we- gen der Duldung der Exzesse zu schämen hätten, ehe sie den An- spruch erheben können, sich unter „Menschen", unter ganz gewöhnli- chen Menschen, bewegen zu dür- fen. Wir bringen im folgenden einen Abschnitt aus dem Vorwort zu dem soeben erschienenen Buche en Europa" (S. DAD, No. 77) guel S. Benario ist. Das Problem, vor das die Völker Eu- ropas sich nach diesem Kriege ge- stellt sehen werden, besteht nicht nur in der Vernichtung des Faschismus, sondern auch in der Beseitigung des Systems, das den Faschismus hat zur Macht kommen lassen, und das vor der Geschichte die Verantwortung Muerte y resurrecciön de la Democraeia dessen Verfasser unser Mitarbeiter l\Ti- für dieses neue Leiden trägt, das die Menschheit erduldet. Wenn unsere Kinder wie menschliche Wesen und nicht wie Bestien leben sollen, ist es notwendig, dass diesem kranken Europa eine neue demokrati- sche Struktur gegeben wird. Es ge nügt nicht mehr, dem alten Gebäude lediglich einen demokratischen An- strich zu geben. Die europäische Zivilisation ist völlig veraltet. Die Ideale dieser Zivilisation, die in früheren Zeiten als fortschritt- lich angesehen werden konnten, sind auf der gegenwärtigen Stufe der Ent- wicklung unbrauchbar geworden. Sie kranken an Widersprüchen, aus de- nen es keinen Ausweg gibt. Gerade das hartnäckige Festhalten an den al- ten Idealen hat das Absinken zu Be- stialität und Chaos verursacht. Die europäische Zivilisation beruhte in der Zeit ihres Niedergangs auf Betrug. Statt der Demokratie herrschte die Fseudodemokratie, statt der Völker- versöhnung ein übersteigerter Natio- nalismus, statt der allgemeinen Ab- rüstung ein allgemeines Rüstungsfie- ber, der Völkerbund kam nicht über eine Karikatur hinaus, statt der kol- lektiven Sicherheit herrschte der kol- loketive Egoismus, statt des interna- toinalen Rechts der Bruch der Ver- träge. statt der Ordnung: die Illusion der Ordnung. Diese Fseudodemokra- tie ist es, welche die Menschheit ins Chaos gestürzt hat. An die Stelle der Humanität trat der Rassen Wahnsinn, anstelle der Wirtschaftsharmonie herrschte der Schutzzoll- und Autar- kiewahn, anstelle der Pressefreiheit die schrankenloseste Fressekorruo- tion. Die Grundlagen der europäi- schen Zivilisation waren amoralisch geworden. Aber auf die Dauer k genommen. Nicht ohne Grund setzte von der volkszersetzenden Seite her noch im Ersten Weltkrieg der Kampf gegen das Offizierskorps als die erhaltende und ordnende Kraftquelle ein. Durch Schmutz und Schimpf wollte man dem Volke die erzieherische und normende Kraft neh- men und aus dem Volke die Masse Mensch machen. Dieser Offiziersberuf tötet nicht nach bolschewistischer Art das Individuum und erzieht nicht den nach einer Schablone genormten Typ. Individuelle Veranlagung und Be- gabung finden reichstes Betätigungs- feld. Und die Besten, Klügsten und Heistvollsten unter ihnen werden den Weg in den Generalstab finden. Der Berufsoffizier trägt sein Leben lang die Uniform und steht so stets in der Öffentlichkeit. Das erfordert wieder eine bestimmte Haltung und ein vorbildliches Verhalten. Wozu er mehr auch für die Verstaatlichung der sogenannten "Ueber-Monopole", "dsnen der Natur der Dinge nach keine Konkurrenz erwachsen kann", ein. Dass er deren Kreis zu eng zieht, mag einer seiner grössten Mängel sein. Es ist zweifellos richtig, dass Oppen heimers "liberaler Sozialismus" in wichtigen Dingen vom marxistischen Sozialismus abweicht. Aber selbst die Marxisten können nicht bestrei- ten, dass es sich hier um eine sozia- listische Theorie handelt, d. h. eine Theorie, die auf die Abschaffung der kapitalistischen Klassengesellschaft durch Beseitigung des Ausbeutungs- verhältnisses gerichtet ist*). Und wer Oppenheimer persönlich kannte, der musste ihm höchste Achtung für die Unerscroekenheit zollen, mit der sei- nen Lehrstuhl der sozialistischen Auf- klärung widmete. im Frieden erzieht, muss er im Einsatz vorleben. Hier zeigt sich, was hohl und schal ist — nur wahres Führertum setzt sich durch. Der junge Offizier führt einen Zug. Später erweitert sich sein Aufgabenfeld zur Kompagnie. Mit seinem Zug, seiner Kompagnie erlebt er Freud und Leid. Mitten unter sei- nen Männern steht der Offizier. Er macht mit, singt mit, erzählt und er- läutert aufkommende Zweifelsfragen. Und wenn es gilt, einen gefallenen Kameraden der Erde anzuvertrauen, dann spricht er an diesem heiligen Stück Erde und erzählt aus dem Le- ben des Gefallenen, denn er kennt es aus all den Tagen des Zusammen- Neben dem kämpferischen Einsatz wird der Offizier seine schönste und vornehmste Aufgabe darin sehen, die denkbar beste Fürsorge für seine Männer zu treffen. Weit draussen im Osten erhält der Landser einen Brief, der eine Fülle von Sorgen birgt, die die Frau daheim bedrücken. Hier gilt es, die finanzielle Unterstützung zu regeln, dort wiederum taucht ei- ne schwierige Wohnungsfrage auf, Krankheiten stören den ruhigen all- täglichen Ablauf des Familienlebens. An wen soll sich der Mann wenden, wenn nicht an seinen Offizier? *) Als solche, ''insbesondere in der Be- handlung der Frage des Großgrund- besitzes, kann sie einen wertvollen Beitrag zum Aufbau des komm enden Deutschland bieten. Kurt Heinig (London): DIE DEUTSCHEN STAATSSCHULDEN Beinah merkwürdig ist es, wie wenig von den Kriegskosten und ihren Kon- sequenzen, den Kriegsschulden ge- sprochen wird. Das gilt im besonderen für Deutschland. Dabei sollte man nie vergessen, dass das Hauptproblem, mit dem sich jede Nachkriegsregie- rung zu beschäftigen haben wird, die Kriegsfolgelasten sein werden. Das gilt natürlich vor allem für die Verlie- rerstaaten und hier vor allem für Deutschland. Bei der deutschen Kriegsfinanzierung meinten die einen, es sei Zauberei, die anderen, es sei Betrug. Es ist keines von beiden, Realität ist aber, dass man nicht die Schulden, die Deutschland bei Kriegsende haben wird, einfach "ir- gendwie" wegwischen kann. Warum nicht? Die deutsche Reichsschuld' hatte Ende April 1943 die zweihundert Milliarden- Grenze überschritten. Die Schuld wächst monatlich weiter mit minde- stens zehn sichtbaren Milliarden. Wie hat Deutschland diese Schulden gemacht ,ohne Kriegsanleihen auszuge- ben. Das ist das grosse Geheimnis der sogenannten geräuschlosen Kriegsfi- nanzierung — wie man in nationalso- zialistischen Kreisen immer geprotzt hat. Geld hat es im Kriege schwer; es hat nur drei Möglichkeiten, seinen Eigen- tümern Freude zu machen; man kann ja mit ihm nicht mehr' kaufen, als die Rationierung zulässt. Es kann: ]. im Strumpf verschwinden (das ist aber riskant, ausserdem wird* <;s bekämpft und ist offiziell verboten); auf die Sparkasse gebracht werden (dies tut insbesondere der Mittelstand und der Arbei- ter); zur Bank gebracht werden (dies tut im ■besonderen die Ge- schäftswelt). In normalen Zeiten verwenden die Sparkassen die zufliessenden Mittel vor allem für den langfristigen Real- kredit, also für Hausbaufinanznerung usw. Die Banken geben die ihnen zu- strömenden Mittel an die Geschäfts- welt weiter, entweder als kurzfristi- gen Betriebs- oder als mittelfristigen Anlageqredit (kurzfristige Wechsel, mittelfristige und langfristige Beteili- gungen usw.) Alles dies ist aber im Kriege unmöglich. Der Staat hat den Kreditmarkt "geregelt", d. h. er bean- sprucht ihn für sich. Wohnungen werden nicht gebaut, und die Kriegs- industrie wird von ihm selbst finan- ziert. So holt sich der Staat die stän- dig den Sparkassen und den Banken zuströmenden Mittel. Er holt sie aber auch von den Versicherungsgesell- schaften, von der Sozialversicherung, von der Arbeitsfront, von den Pen- sionskassen, ja sogar von den Ueber- schüssen der Unternehmungen. Der Staat hat dabei zwei Kreditfor- men entwickelt: den fundierten Kre- dit, also langfristige Reichsanleihen, und den "schwebenden" Kredit, also kurzfristige Reichswechsel. Finanz- wirtschaftlich und für das jährliche Budget ist das ein wesentlicher Un- terschied. Auf 20, 30 und mehr Jahre geliehenes Geld macht in der Gegen- wart alljährlich nur Zinssorgen. So verlangen z. B. 200 Milliarden Kriegs- anleihe bei 4% Verzinsung nur acht Milliarden Ausgaben. Kurzfristige Schulden, vielleicht auf sechs Monate, auf 1, auf 2 oder 5 Jah- re geliehen, verlangen neben der Ver- zinsung die Beschaffung und Bereit- stellung der Rückzahlungssumme, (Kapitalsumme). Das sind bei 200 Milliarden, sagen wir bei fünfjähriger Laufzeit, jährlich 40 Milliarden — ne- ben den Zinsen! — oder 200 Milliar- den im fünften Jahre auf einmal! Deswegen ist eine alte Weisheit der Kriegjfinanzierung, dass die langfri- stige die beste ist. Möglichst auf 100 Jahre verteilt, erdrückt sie "die le- bende Generationen nicht unter ihrer Last. Aber das kann keine Regierung allein bestimmen, das hängt von der wirtschaftlichen Struktur des Landes, von seinen politischen Verhältnissen und nicht zuletzt von dem Vertrauen ab, das die Regierung im Volke ge- niesst. Allerdings sind kurzfristige Kredite zumeist etwas billiger als langfristige. Wie sieht nun das Ver- hältnis zwischen langfristigen und kurzfristigen Schulden in Deutsch- land und England aus?? Deutschland England August 1939 Ende 1940 Ende 1941 Ende 1942 kurzfristig 26.6 o/o 52.2 o/o 56.8 o/o 59.1 o/o langfristig 73.4 o/o 47.8 o/o 43.2 o/o 40'. 9 o/o kurzfristig' 49.6 o/o 34.2 o/o 15.2 o/o langfristig 50.4 o/o 65.4 o/o 8 4i.8 o/o Zum Vergleich kann man noch Italien anführen. Dessen Staatsschuld betrug Ende Juni 1943 ca. 440 Milliarden Li- re ; davon waren 275 Milliarden, also ca. 60 Prozent, konsolidiert (langfri- stig). In Deutschland waren Ende 1942 nur knapp 41 % konsolidiert, und diese Zahl ist weiter im Sinken. Die "ge- räuschlose Finanzierung" geht also in Deutschland so vor sich, dass man in die Banken möglichst viele kurzfristi- ge Reichswechsel hineinpresst und in die Sparkassen, so weit als möglich, langfristige Anleihen. Ausserdem ver- sucht man durch '"eisernes Sparen" dem Lohnempfänger beizubringen, dass er von seinem gesparten Geld nicht so bald wieder etwas abheben kann, un'd die Unternehmer lockt man mit Betriebsanlage und Warenbe- schaffungsguthaben (mit Steuerbe- günstigung), zugleich mit langfristi- ger Bindung ihrer Bankmittel. Der Ef- fekt ist also, dass, genau wie im vo- rigen Krieg, die gesamten Ersparnis- se und Reserven d:s deutschen Volkes aufgebraucht werden. Sie wandeln sich in Kriegsschulden, nur mit dem Unterschied, dass dieses Mal schon jetzt sechs Zehntel kurzfristig, also "schwebend" und deswegen höchst In- flation sgefährli^h sind. (Zur Erinne- rung: 1918 hatte das kaiserliche Deutschland etwa 150 Milliarden inne- re Kriegsschulden, von ihnen waren aber zwei Drittel langfristig, also in Kriegsanleihe umgewandelt). ..Schulden und Budget muss man sich nun für die Zeit nach dem Krie- ge vorstellen! Für 1942 sollen durch Steuern etwa 35 Milliarden eingenom- men sein,.dazu etwa 14 Milliarden aus Okkupationstributen. Bis Ende 1943 werden die Kriegsschulden nicht weit von 260 bis 275 Milliarden Reichsmark liegen. Das bedeutet bei nur 4% Ver- zinsung jährlich 10 bis 11 Milliarden Zinsenlast, also rnud ein Drittel aller Reichseinnahmen da man ja nicht an- nehmen kann, dass es gelingt, 35 Mil- liarden Steuern hereinzuholen). Aber an Ausgaben kommen auch die Kriegsopfer lasten (Witwen, Waisen, Invaliden) und der Wiederaufbau hinzu. Wir sprechen nicht von den Forderungen der jetzt okkupierten Länder und nicht von denen der Sie- ger, denn die kennen wir noch nicht. Aber nur rund 40 Prozent der inne- ren deutschen Kriegsschulden sind konsolidiert! D. h., dass bei gleichem Prozentverhältnis die gleichen An- sprüche in Höhe^von jährlich minde- stens 50 Milliarden schweben. Die nationalsozialistischen Finanz- praktiker haben das Rezept für die Nachkriegszeit schon fertig; es darf zwei Jahre lang von den Spargutha- ben nichts abgehoben werden! Kann man die Schulden "abschüt- teln"? Sie sitzen als Forderungen überall im Volke, bei allen Sparern, sie sind die Reserven bei jedem Ge- schäftsmann und bei allen Versiche- rungsgesellschaften, bei jeder Organi- sation und i/i allen Bankbüchern. Kommen schlechte Zeiten, so will je- der abheben, von seinen Reserven zeh- ren, Kann er das nicht, so geht er bankrott oder muss hungern. Wir se- hen, die "geräuschlose Finanzierung" der Nationalsozialisten ist nichts an - der~s s's gewissenlose Geld wirtschaft nach dem Prinzip: "Nach uns die S'ntflut!" Wer an das zukünftige Deutschland denkt, darf also, wenn er Pläne aus- arbe'tet und sich Gedanken macht, die Steuern und die Schulden nicht vergessen. (Entnommen aus "Sozialistische Mitteilungen" London, Oktober 1943) Die Binnenschiff er wehren sich. Der Umlauf der Fluss-Schiffe wurde durch die Weigerung der Schiffer, an den Reparaturarbeiten mitzuhelfen, so stark behindert, dass der Reichsärbeitsminister Massnahmen dagegen ergreifet: muss- te. In einer von ihm erlassenen Verordnung h isst es: "Um verschiedentlich aufgetretenen Schwierigkeiten zu begegnen und sicherzustellen, dass die Bin- nenschiffer die von den Werftbetrieben erteilten Weisungen auch ausfüh- ren. ..". Diese Einleitung der Verordnung spricht Bände. — 10 — NAZIS IN ARGENTINIEN Einer unserer Freunde, der kürzlich geschäftlich, das Innere bereiste, be- richtet, dass z. B. in der Stadt Santa Fe der Zersetzungsprozess in vollem Gange ist. Im „Deutschen Verein" machen die Nazis noch 50 Prozent aus; die ande- re Hälfte besteht aus enragierten Geg- nern, die behaupten, es schon immer gewesen zu sein. Die eigentliche Par- tei bestlit noch aus 12 jungen Leuten, wenn man von den Spee-Matrosen ab- sieht. In Cördoba wurde einer unserer Freunde von einem Spee-Matrosen aufgesucht, der sich als solcher vor- stellte und mitteilte, dass er sich ge- gen den Willen der Führung mit einer Argentinerin verheiratet habe und da- her Verstössen worden sei. Elr macht aus seinem Herzen keine Mördergrube und packte aus über die Führer und ihre Ideen. Was er zu sagen hat, ist nichts als allgemeines Geschimpfe. Un- ser Freund entgegnet ihm: „Na, da müssen Sie ja Ihrem Schicksal dan- ken, dass es sie hier an Strand gesetzt haf". „Fa, Schwein muss der Mensch haben", entgegnete der Speemann und für ihn sind alle Probleme gelöst. * Aus dem Süden berichtet einer unse- rer Freunde über eine Unterhaltung mit einem Austro-Nazi, der bei der Arbeitsfront organisiert ist. Zeit der Handlung: Kurz vor Bekanntgabe des Moskauer Beschlusses über die öster- reichische Unabhängigkeit. „No, dös mit den Juden, dös ham mir eh nit gewult". „Ja, aber das Judenprogramm ist doch einer der Hauptpunkte der Partei". ..Aber Jössens Ehnen doch dös, dös ham doch nur die ganz Narrischen ge- glaubt". „Aber unter dieser Devise haben Mil- lionen die Heimat, ihr Hab und Gut und andere Millionen das Leben ver- loren". .Sie müssen halt nit alles glauben, was in der Zeitung steht." „Dazu brauche ich keine Zeitung, ich musste selbst bei Nacht und _ Nebel über die Gr-nze und meine Familie ist, soweit sie noch am Leben ist, über die ganze Erde verstreut". „No, ja. es hat viele Härten gegeben, aber wie solls denn nu werden, wenn Deutschland ganz aufgeteilt wird?" „Dann werden alle Schuldigen zur Verantwortung gezogen werden, dieje- nigen, die gestohlen haben, werden es wieder, zurückgeben müssen". Das verschlug ihm den Atem, er wuss- te nichts mehr zu antworten und ging davon. * Ein Fabrikbetrieb in Rosario mit vie- len Angestellten. Der Chef ist über- zeugter Demokrat. Früher war er ganz allein. Heute suchen die Nazis seine alten Zeitungen aus dem Papierkorb — berichtet uns ein Arbeiter aus dem- selben Betrieb. * Herr von Jagow, Redakteur der „Deut- schen La Plata Zeitung" in Buenos Aires, der den politischen Teil des Blattes herstellte, wurde wegen Anfer- tigung von defaitistischen U der Schriften entlassen. In zuständigen Kreisen verlautet, dass schon in den nächsten Tagen der Nachweis wird er- bracht werden können, dass Herr von Jagow nicht-arischen Ursprungs ist. * Wir haben einen guten Bekannten, der seit ca. 20 Jahren hier ist; Fabrikant — drüben Mitglied des kathol. Gesel- lenvereins, der — ohne Hitleranhän- ger zu sein — lieber den Sieg Deutsch- lands als den der Alliierten sähe. Er las bis jetzt die Nazi Zeitung. Jetzt hat er sie abbestellt und bezieht die „Pren- sa", da das Naziblatt unwahre Nach- richten brächte. Sicher ist hierfür mit- bestimmend, dass er unter den jetzi- gen Umständen nicht mehr als Abon- nent der Nazi-Zeitung erscheinen will. * Vor ca. 4 Wochen arbeitete ich in der Wohnung eines Kunden: Deutscher, seit ca. 30 Jahren hier, Abonnent der Nazi-Zeitung. Er „guter Deutscher", die Gattin betont antihitleristisch. Der Postbote bringt einen Brief aus Deutschland. Vor dem Weggehen fra- ge ich: Gute Nachrichten von drüben? „Nein", sagte die Frau des Hauses mit nassen Augen. Meinem Neffen, einem 20jährig:n Jungen sind an der russi- schen Front die Beine erfroren und wurden amputiert. Sie schreiben, „dass hoffentlich der Nervenkrieg bald zu Ende sei" und sich für ein überwiese- nes Lebensmittelpaket bedankend, „so etwas gibt es hier schon lange nicht mehr". Dies alles war von der deut- schen Zensur unbeanstandet geblie- ben. — 11 — AUS DER ARBEITERBEWEGUNG DAS EXEKUTIVKOMITEE DER SOZIALISTISCHKN PARTEI DER USA isandte an die englische Labour Party einen B'rief, zu deren Be- schluss über die Frage Deutschland wie folg-t Stellung- nimmt. „Werte Genossen, Ein Beschluss wie Ihr ihn gefasst habt, bereitet nicht nur den Boden für einen Rachekrisg, der zu einem dritten Weltkrieg füh- ren muss, sondern er ist auch ein di- rekter Schlag ins Gesicht für jene he- roischen antifaschistischen deutschen Kämpfer, die Tag für Tag im Kampf gegen den Naziapparät ihr Leben ris- kieren. Ihr habt einen Beschluss ge- fasst, den Goebbels voll ausnutzen wird, um zu beweisen, dass die mili- tärische Niederlage (Unterdrückung und Bestrafung des ganzen deutschen Volkes nach sich ziehen wird, da ja, wenn selbst die englische Arbeiter- Partei das ganze deutsche Volk mit den Nazis identifiziert, es müssig ist, von den alliierten Regierungen am En- de des Krieges etwas anderes zu er- warten. Ausserdem trägt Eure Entschliessung dazu bei, überall den antifaschisti- schen Kampf zu verwriren und zu de- moralisieren, da sie sich stützt auf die falschen Voraussetzungen der Nazis, die erklären, dass die Trennungslinien zwischen Faschisten und Antifaschi- sten in rassischen oder nationalen Grenzen liegen. Kurz, der Entschluss der Arbeiter-Partei wendet die Nazi- doktrin im Entgegengesetzten an und trägt dazu bei, den wahren Charakter des Faschismus und seines Ursprungs zu verwischen. Es ist besonders schwer, die Kraft und Stärke einer politischen Opposi- tionsbewegung in einem Lande abzu- schätzen, das unter polizeilichem und militärischem Terror steht, wo jede Möglichkeit, öffentlich Nicht-Einver- ständnis oder Opposition zum Aus- druck zu bringen, verboten ist, aber die täglich eintreffenden Berichte über die Ausdehnung des Widerstands und der Sabotage unter den deutschen Ar- beitern, über die Hinrichtungen deut- scher Männer und Frauen wegen Hochverrats, über die Hinrichtung deutscher Soldaten wegen Meutereien oder wegen Desertionsversuchen, über Hunderte von Verurteilungen wegen Abhorens ausländischer Radiostatio- nen, all das beweist, dass — wenn es auch vielleicht keine mächtige, orga- nisierte Widerstandbewegung in Deutschland gibt, — so doch schon ein unorganisierter Widerstand existiert, der weitgehend ist und vom Naziregi- me gefürchtet wird. Aufgabe der Ar- beiterparteien der anderen Länder ist es, diese Tatsachen zu veröffentlichen und alle Propaganda zu bekämpfen, die die deutsche Opposition entmuti- gen könnte. Die Sozialistische Partei der USA so- lidarisiert sich voll und ganz mit der Minderheit des Kongresses, die ihre Verbundenheit mit den sozialistischen Kräften in Deutschland zum Ausdruck gebracht hat. Wir versichern sie eben- so wie die Unabhängige Arbeiterpar- tei unserer Mitarbeit in jedem Fall, wo es sich darum handelt, den Geist des internationalen Sozialismus wach- zuhalten in einer Zeit, die beherrscht wird von der Propaganda des Hasses und des intensiven Nationalismus. Wir erwarten, dass die britische Arbeiter- partei ihren Beschluss in dieser An- gelegenheit bald rückgängig machen wird." « „EINHEITSKOMITEE" IN LONDON. Nach dem Muster des Moskauer Ko- mitees ist 7n London unter Vorsitz von Dr. Jürgen Kuscinski von Kom- munisten und Bürgerlichen ein Ein- heitskomitee gebildet worden, dem die sozialistischen Gruppen nicht beige- treten sind. In ihrer Begründung der Ablehnung sagen die Sozialdemokraten, dass der Kampf wie bisher so auch in Zukunft in erster Linie von der Arbeiterschaft geführt werden müsse, dass es des- halb vor allem darauf ankomme, dass die Arbeiterorganisationen sich ver- ständigen. Dazu seien aber gewisse Voraussetzungen zu erfüllen, die vom Moskauer Komitee, auf das sich die Initiatioren des Londoner Komitees beriefen, nicht erfüllt seien. Weiter heisst es: „Die deutsche Sozialdemokratie wird sich an keiner Gemein- samkeit beteiligen, zu der auch die Generäle jener Nazi-Armee gehören, die den deutschen Na- men mit Schimpf und Schande bedeckt hat. Ferner wenden wir — 12 — uns gegen die Formel vom rechtmässig erworbenen Eigen- tum. Wir sind uns der Möglich- keit wohl bewusst, dass unser Kampf um ein sozialistisches Deutschland nicht so bald zum Erfolge führen mag. Wir halten es aber nicht für die Aufgabe der deutschen politischen Emi- gration, den Forderungen der kapitalistischen Gesellschafts- ordnung Ausdruck zu verlei- hen". Nach dem vorigen Weltkrieg rettete die deutsche Sozialdemokratie den Mi- litarismus und Kapitalismus in Deutschland als „Arzt am Kranken- bett des Kapitalismus". Die Londoner deutschen Sozialdemokraten haben aus Erfahrungen gelernt, wie die oben zitierte Stelle beweist. Wollen die Kommunisten heute die gleiche Rolle spielen, um derentwillen sie früher die Sozialdemokraten gebrandmarkt ha- ben ? S DER ENGLISCHE GEWERK- SCHAFTSKONGRESS, der am 6.-10. 9. stattfand, hat den Beschluss der DAS GESICHT DER ZEIT Demokratische Vor-Urteile über Mus- solini. — Aus Anlass von Mussolinis Sturz stellte Time, sehr zeitgemäss, einige Urteile von Persönlichkeiten aus der 'nordamerikanischen Demokratie über den grossen Erfinder des Fa- schismus zusammen, die sie in den 20er Jahren äusserten. Nicholas Mur- ray Butler, Pädagoge, Universitätsrek- tor, bemerkte den erstaunlichen Fort- sehritt, den der Faschismus brachte; der Finanzier Otto Kahn, New York, sagte: „Mussolini ist viel zu klug und vernünftig, um sein Werk in gewagte Abenteuer der Aussenpolitik zu füh- ren". Cardinal O'Conells Urteil lauts- te: „Mussolini ist ein Genie". Der frü- here Botschafter der USA beim Quiri- nal in Rom, Richard Washburn Child hat Mussolinis Buch „Meine Autobio- graphie" in englischer Sprache heraus- gegeben; Mvron Taylor, Grossindu- strieller und Botschafter beim Vati- kan, bewunderte „den Erfolg Mussoli- nis in der Erziehung der Nation zur Disziplin". Der belgische König als Vorbild. — Badoglio und der italienische König waren nie faschistenfreundlich, eben- Labour Party, der an die Vansittarti- stische Auffassung anklang, erfreuli- cherweise revidiert. Statt eines An- trags, der nach Feststellung der Ge- samtschuld des deutschen Volkes für lange Zeit selbständige Gewerkschaf- ten in Deutschland ablehnen wollte, mit überwältigender Mehrheit einen Antrag angenommen, der nach der Forderung der bedingungslosen Kapi- tulation Deutschlands und Japans und der Bestrafung der Kriegsverbrecher folgendes sagt: „Der Kongress gelobt, dass es die erste Pflicht der internatio- nalen Gewerkschaftsbewegung- sein wird, dafür zu sorgen, dass den Gewerkschaften in den be- setzten Ländern ihre volle Frei- heit und Unabhängigkeit wie- dergegeben wird, ebenso wie den Gewerkschaften in den feindlichen Ländern, so dass die letzten Spuren von National- sozialismus und Faschismus schnellstens ausgetilgt und un- verfälschte demokratische Re- gierungsformen aufgerichtet werden können". sowenig wie Francc, erst recht natür- lich nicht Leopold III., König von Bel- gien. Das alles waren falsche Lesarten. „Interaliado" (18. Nov. 1943) geht heu- te schon so weit, Leopold HI. als ein grosses und leuchtendes Beispiel hin- zustellen, dem die Sympathien der freien Menschen der ganzen Welt ebenso wie die unerschütterliche Lie- be seines Volkes gehörten. Illusionen? — Die Endphase des Krie ges als ein Bewegungskrieg der Mas- sen oder als ein mit Hilfe von Mas- senbewegungen zu beendigender Krieg müsste von einer politischen Strategie geleitet sein, die solche revolutionäre Massenbewegungen in Europa als Bun- desgenossen der United Nations be- trachtet. Sind wir Illusionisten, wenn wir noch immer diese Meinung auf- recht erhalten? Oder werden die bit- 'teren Notwendigkeiten dieses blutig- sten aller Krieger schliesslich doch die Erkenntnis durchsetzen, dass der Krieg gegen den Nazismus notwendi- gerweise in eine Revolution münÜen muss?" (Austrian Labor Information, Sept. 43). 13 — DISKUSSIONS TRIBUENE In der „Disktiseions-Tribttne" erscheinen Aufsätze, die der Klärung wichtiger Probleme dienen wollen. Die Tribüne steht auch der Darle- gung solcher Auffassungen offen, die von der uiisrigen abweichen, so- fern sie in sachlicher Form vorgebrcaht werden. Dfle unter dieser Ru- brik: veröffentlichten Beiträge spiegeln infolgedessen nicht notwen- digerweise die Ansicht der Redaktion wider. DIE WIRKLICHEN FREUNDE DER DEUTSCHEN REVOLUTION Bei der Beurteilulng der Kriegfüh- rung und Aussenpolitik der angel säcnsiscnen Mächte kommen wir in letzter Analyse aui die Ao->iciiten und Tendenzen ihrer herrschendem Klas- sen zuruck. Die gleiche Methode müs- sen wir auch auf Russland anwenden. Erst wenn wir sein iiJneres System studiert haben, können wir konkret auf idie Absichten seiner 'Regierung schliessen. Es versteht sich, von selbst, dass wir auf dem Boden der Oktoberrevolu- tion 1 stehen. Die Verteidigung der Errungenschaften dieser R.voluticn darf uns jedoch in keiner Weise an der Kritik gegenüber der russischen Bürokratie hindern. Diese Kritik hat aber auch nicnts mit d.r bisher von der Zweiten Internationale geübten zu tun. Sie richtet sich nicht gegen das "radikale" Vorgehen der russi- schen KP., sondern im Gsgentäl ge- gen das Verlassen der demokratischen und sozialistischen Sowjetpolitik der ersten Zeit. Sowjets sind die direkten und jeder- zeit abberufbaren Vertreter der ar- beitenden Missen. Die russischen Sowjets bestanden aus d:n Vertretern der verschiedenen russischen Arbei t^rparteien und aus Parteilosen. Die Liquidierung sämtlicher Arbeiterpar- tei, n durch die russische KP. führte zur Liquidation der freien Sowjets und dkmit zur Liquidation der inner- russischen Demokratie. Später von der russischen KP. und der Komin- tern gemachte "Fehler", sind direk- te Folgen dieser Sachlage. Die Btiro- kratisierung innerhalb der russischen KP. selber ist denn eine weitere Konsequenz der fehlenden Demokra-' tie im Arbeiterlager. Nehmen wir das augenblickliche rus- sische System kritiklos hin, so unter- graben wir damit unsere eigene Exi- stenzberechtigung. Sind wir überzeugt davon, dass wir für Sozialismus und iT-iheit eintreten müssen (und zwi- schen der Diktatur einer Bürokratie una der Diktatur der arbeitenden Massen zu unterscheiden wissen;, so muAsen wir die Dlfierenzen Klar auf- zeigen. Der Sch&den, der durch ein offenes Bekenntnis unseres Stand- punktes heute angerichtet werden könnte, ist wesentncn Klemer, als ■der, der durch opportunistisch.s Ver- schweigen der Differenzen im Augen- iijiicK aer deutschen Revolution ent- stehen muss. DAS N. K. F. D. Nichts ist [bezeichnender, als die Zu- sammensetzung und das Programm , des N.KJFJ>. Junker1 lind Gewerbe und Handelsfreiheit, das ist die Quintessenz dieser Neuschöpfung. Hans Jahw schlägt in Nr. 70|71 "D«- mckratlsieru'ng" des Komitees vor! Meint er das im Ernst2z Glaubt er, dass das möglich wäre in einem Lan- de, in dem nur eine einzige Partei existiert? In dem das Btkenntnis zu einer anderen, als der offiziellen Li- nie, mit Lebensgefahr verbunden ist. Warum sollen wir uns auch Illusio- nen machen? Das N.K.F.D. ist ein künstliches Erzeugnis, das den Zwek- ken der augenblicklichen russischen Aussenpolitik dient. Wer weiss, welches Schicksal ihm eines Tages beschieden sein wird? — — as N.KF.D. bedeutet nichts weiter, Eis den Wunsch der russischen Re- gierung bei der Neuorganisierung Eu- ropas eine bedeutende, wenn nicht ausschlaggebende, Rolle zu spielen. Die Alliierten organisierten die Am- g:t ohne die Russen zu konsultieren, die Russen ernannten das Komitee, um ein gutes Handelsobjekt in den Händen zu haben. Setzen wir voraus, dass der Krieg in der heutigen Kom- — 14 — bination zu Ende geht, d. h. die Rus- sen an der Seite der Angelsachsen li- quidieren die Hitlerarmeen und die Teilung Deutschlands kommt einer deutschen Revolution zuvor, es Wür- de sich dann folgendes, wenig ergötz- liches Bild ergeben: von einer Demo- kratie könnte auf keiner Saite die Rede sein und unsere eigenen Genos- sen wären vor die Wahl gestellt, ent- weder nach Sibirien verschickt zu wer- den (im besten Falle) oder sich in die kapitalistische Welt zu flüchten. PERSPEKTIVEN FUER DIE DEUT- SCHE SOZIALISTISCHE REVOLUTION Es wäre ein unverzeihlicher Fehler, wem die deutschen Revolutionäre mit der Hilfe einer 'der kriegführenden Mächte rechnen würden. Die Angel- sachsen kämpf ein nicht für die "De- mokratie" und Russland nicht für die "Weltrevclution". Die deutschen, arbeitenden Massen haben nur einen iriöglichtin Freund, und das sind die arbeitenden [Massen aller anderein Länder. Und auch dieser Freund muss erst ei werben werden. Die Bestialitäten des Hitlsrregimes, der Gestapo, S. Ä. und S. S. haben es mit sich gebracht, dass man heu- te leichtes Spiel hat, von einer Kol- lektivschuld des deutschen Volkes zu sprechen. Dazu kommt, dass d.r Be- freiungskampf, in dem sich heute die besetzten Länder befinden, naturge- mäss auch stark nationalen Charak- ter träat und chauvinistische Gedan- kengänge ihr Echo auch in d-r Ar- beiterbewegung finden. Alles hängt davon ab, schon heute die Verbin- dung mit dem revolutionären Flügel der Arbeiterklasse d-r ganzen Welt herzustellen. Voraussetzung ' jedech für ein solches Vorhaben ist die so- zialistische und revolutionäre Ziel- setzung der deutschin Genossen sel- ber. Bei "halbem" Programm muss es so aussehen, als wenn d-,s alte Deutschland durch eine Hintertür wieder hineingelassen werden soll. ••So wie es 1918119. wenigstens in der Praxis, die deutschen Sozialdemek'a- ten (Noske, Ebert, Scheidemann usw.) g"macht haben, wie es aber auch aus dem Programm des N.K.F.D.-Mosk?u hervorgeht, das von der "Wiederher- stellung der Wirtschafts- und Han- delsfreiheit" spricht. Unfruchtbar ist auch das Verhandeln mit dem rechten Flügel der Arbü-» terparteien. Dieser Fl'ugel, (z. B. in- nerhalb der Leuoor Party), verteidigt in der Praxis die Linie der eig.nen Landesboui geoisie, will mit einer re- volutionären Politik weder im eignen nech im fremden Lands etwas zu tun haben und kann darum nur an den R:cKschössen der eigenen Bourgeosie hängen. Ein leuchtendes Beispiel für eine klare internationalistische Hal- tung hat uns' die I. L. P. (England) gegi.ben. Sie hat sich seinerzeit zum Wertführer der in der Illegalität kämpfenden deutschen Arbeiter ge- macht. Ihr Programm fordert die Be- freiung Indiens. Sie tritt für die Be- schleunigung des Kriegsendes du ich die Unterstützung der revolutionären Propaganda in Europa ein. Zur Durch,i'iihrung dieses Programmes agitiert sie für eine sozialistische eng lisch e Regierung. Der Kontakt, der sicher heute schon zwischen deutschen und ausländi- schen Arbeitern (im Reich) herge- stellt worden ist, muss auch in der ETiigration bewusst gefördert wer- den. Es genügt .1 •doch r-icht, bei ei- nem einfachen Bekenntnis zur inter- nationalen Solidarität stehen zu blei- ],:en. Die sozialistische Linke der gan- zen Welt muss sich mit der Frag? •beschäftigen, welche Bahnen die re- volutionären Massen am Ende dieses Krieges einschlagen müssen, um €ine dauerhafte sozialistische Entwicklung zu sichern. Die Bewegung "Freiheit und Sozialismus", die sich aus links- sozialistischen Genossen alier Länder zusammensetzt, und die in Mexiko entstand, ist ein Beispiel für die notwendige internationale Zusammen- arbeit. Freie, unabhängige Diskussion innerhalb der Arbeiterbewegung ist die notwendige Grundlage für die Ausarbeitung des heutigen Program- mes der sozialistischen Arbeiter- schaft. In der Emigration und im Verein mit den internationalen Ge- nossen müssen die deutschen Sozia- listen ihren Beitrag zur internatio- nalen Diskussien leisten und so die deutsche Revolution vorbereiten hel- fen. Erich Berget- — Chile — 15 — DER OESTERREICHISCHE SOZIALIST Diese Seiten erscheinen unter Verant- wortuMg der Ssterreichischeu Sozialfalten OESTERREICH UND DIE MOSKAUER KONFERENZ Die traurigen Zeitumstände, unter de- nen aie Kepublik Oesterreich das Sil- berjubiläum ihrer Proklamation be- gent, sind durch ein generöses Ge- burtstagsgeschenk erhellt worden, das ihr die Moskauer Konferenz beschert hat: das Versprechen der Wiederher- stellung- ihrer Freiheit. Der Moskauer Beschluss hat eine Wel- le der Begeisterung- unter, den exi- lierten Oesterreichern hervorgerufen. In allen Zentren der Bmigration ha- lben ihre Wortführer aller politischen Bichtunyen der Freude und dem Gefühl der Dankbarkeit gegenüber den Alli- ierten beredten Ausdruck gegelosn. .Es unterliegt auch gar keinem Zweifel, dass der-Beschluss, der in Oesterreich rasch bekannt werden wird, die Wi- derstandsbewegung neu entfachen wird. Unsere Aufgabe an dieser Stelle ist es aber weniger, den Gefühlen Ausdruck zu verleinen, aie das Gelöbnis der Alliierten, unser Vaterland zu befrei- en, auslöst, als vielmehr die etwas un- dankbarere Pflicht, die Moskauer Er- klärung als politisches Ereignis zu werten und zu analysieren. Dabei muss, notwendigerweise, das Gefühl zurücktreten. Der Tenor des Beschlusses der Mos- kauer Konferenz besagt: Oesterreich soll befreit werden; Grossbritannien und Russland, die sei- nerzeit die Annektion formell aner- kannt hahen, ziehen diese Anerken- nung zurück; die Rechtsakte des Deutschen Reiches sind nicht bindend. Das befreite Oesterreich soll ein "freies und unabhängiges" Oester- reich sein, auf dass es selbst und t-ei-ne Nachbarn politische und ökono- mische Sicherheit finden. Von Oe- sterreich erwarten die Alliierten, dass es zu seiner Befreiung aktiv beitra- ge; je nach der Erfüllung dieser Er- wartung wird es in der Endabrech- nung behandelt werden. Die Reichweite eines Schachzuges auf dem Brett, das wirklich die Welt be- deutet, die Intentionen der Konkur- renten um die Weltmeisterschaft zu beurteilen, ist für den Kiebitz, der dem hohen Spiel so ferne steht wie die po- politische Emigration — gar erst die auf der südlichen Hemisphäre des Globus gestrandete — verteufelt schwer. Dennoch muss die Au£gaibe unternommen werden. Allgemein wurde es als die Ueberra- tichung der Moskauer Konferenz emp- lunden. dass aus den vielen zeitlich noch fernliegenden Problemen der po- litischen Strategie gerade das öster- reichische Probiern herausgegriffen wurue. Denn weder ist Oesterreich uati .uana, dessen tiefreiuns unmittel- Dar bevorsteht, noch bestand irgend- wo, am allerwenigsten bei den Oe- bteri eichern selust em zweite! dar- uuer, dass im 'Auge eines Krieges, der die , Deaingungslose Kapitulation ti-itlerdeutschiands zum Ziele hat, die x>eiieituig Uesterreicnsf eine automa- tische Folge der deutschen Niederla- ge sein werde. Kden — stumm, Hull — nichtssagend aii^rtischen haben awei der Staats- manner. die an der Konferenz teil- nahmen, tiaen und Hull, versucht, der üerieniiichkeit ihres Landes die Be- deutung der Moskauer Beschlüsse klarzumachen. Eden m einer Erklä- rung vor dem Unterhaus am 11. XI., Mull in einer Pressekonferenz am 15. und einer Parlamentsrede am 18. XI. Das Merkwürdigste und ßetremdemit- war, dass Elcten Oesterreich und den österreichischen Beschluss der Mos- kauer Konferenz mit keinem Ster- benswort erwähnt hat. Dabei war Eden in seinem Kommentar sehr aus- führlich. Hull hatte am 12. November aie Form gewählt, auf die Fragen der Journalisten zu antworten und keiner von den sehr wissbegierigen ameri- kanischen Journalisten hat ihn um Oesterreich, gefragt! Dabei wurden an ;:in Fragen gestellt, die in dem Kon- lerenzbericht überhaupt keine Grund- lage haben, was ihm z. B. Gelegen- heit gab, über den Balkan und das Baltikum zu sprechen, —die Gebiete, die nach ihrer geographischen und nach der strategischen Lage des Krieges lange vor Oesterreich das Glück haben werden, von den Nazi- horden befreit zu werden, ohne dass über ihre künftige Behandlung in Moskau ein Beschluss publiziert wur- de. Erst in der Rede, die Hull am 18. November vor dem Kongress der Ver- einigten Staaten hielt, erwähnte er Oesterreich; aber während er die an- deren Beschlüsse der Moskauer Kon- ferenz einer eingehenden Analyse lin- terwarf, ihre Tragweite klarlegte, be- stand die Erwähnung Oesterreichs aus zwei nichtssagenden Sätzen, die iiur in einer Paraphrase des Moskau- er Beschlusses bestanden. Neues hat er unserem Wissen nicht hinzugefügt. Aus diesem Verhalten Edens und Hulls müsste man, logischerweise den Schluss ziehen, dass. England und USA. dem Beschluss über^Oesterreich keine Bedeutung beimessen. Zumin- dest aber lässt es den Schluss zu, dass von den drei an den Verhand- lungen beteiligten Staatsmännern nicht sie es waren, die die österrei- chische Frage zur Diskussion stellten. Jeder Staatsmann rühmt sich eines Verhandlungserfolges, den er in ei- ner Frage erzielt, die er zur Diskus- sion gestellt hat. Woraus sich der zwingende Schluss ergibt, dass es die USSR war die den Beschluss über Oesterreich herbeiführte. üas will nicht sagen, dass Grossbri- tannien und USA. nicht die Befrei- ung Oesterreichs als Kriegsziel verfol- gen. Sondern nur, dass die besondere Moskauer Formulierung nicht der a, ngl o säe h si s c h e n Mentalität ent- spricht. Die Anglosachsen wollen dem befrei- ten Oesterreich die Entscheidung über sein weiteres Schicksal, ein- schliesslich seiner Beziehungen zu anderen Staaten, das Deutsche Reich keineswegs ausgeschlossen. selbst überlassen, ganz so wie es dem Geiste der A11 antic-KIauel entspricht. Die Moskauer Formel hingegen enthält bereits, in Befehlsform die Entschei- durjie: über Oesterreichs internationale Position. Die Mächte "erklären, dass sie ein freies und unabhängiges Oe- sterreich wiederhergestellt zu sehen wünschen". Diese Formel war fm Moskau bereits fertig, bevor Hull und Eden dort eintraten Zu diesem Schluss1 kommt man auch auf indirektem: Wege. Die öster- reichische Sektion der, wie bekannt, nicht mehr bestehenden Dritten Inter- nationale, hat bei den Verhandlungen zwischen den österreichischen Emi- grantengrUppen in London, die bis knapp vor der Moskauer Konferenz reichten, immer wörtlich dieselbe For- mel vertreten, die in den Moskauer Beschluss Eingang gefunden hat: "a free and independent Austria". Viel- leicht ein Zufall, aber immerhin ein merkwürdiger. Man wäre versucht, an politische Telepathie zu glauben. In den Londoner Verhandlungen ha- ben die Oesterreichischen Sozialisten und, die Freien Gewerkschaften der nationalkommunistisch - russischen gegenüber eine s'O'zialistisch-öster rei- chliche Formel proklamiert: Ein sozialistisches Oesterreich in ei- ner sozialistischen europäischen Fö- deration Die USSR macht eine national-russi- sche Aussenpolitik. Das ist ihr gutes Recht. Im Augenblick ist sie, begreif- licherweise, beherrscht von der Be- fürchtung, es könnte sich nach idem Kriege eine europäische Koalition bilden, um die Sowjetrepublik um die Früchte ihres Sieges zu bringen. Da» führt dazu, dass die russische Aussen- politik für die Nachkriegskeit ein aufgesplittertes, atoimisiertes Europa herbeiftühren will. Lenin-Trotzky ha-, ben in einer gleichen Situation das Konzetpt der Weltrevolution entwor- fen, ihm würde heute die Vision des socialistischen Russland als führende Macht des sozialistischen Europa ent- sprechen. Es ist nicht möglich, in die- sem Zusammenhang zu untersuchen, warum die USSR diesen Weg nicht geht, nicht gehen kann. Die Aussenpolitik der USSR. verfolgt das Ziel, in Europa die Kleinstaaterei wiederherzustellen. Kleine Nationen, ausgestattet mit den Attributen einer zweifelhaften Unabhängigkeit und ei- ner fragwürdigen Souveränität — ein Balkan von der Aegäis bis zur Ost- see—: kleine Staaten, die untereinan- der rivalisieren, die man durch Bünd- nisse an sich fesseln, in "Einfluss- Sphären" einbeziehen kann, deren ökonomische Struktur nicht tragfähig ist für das Kriegspotential, das die moderne Bewaffnung erfordert, sol- che kleine Staaten sind keine Ge- fahr. Gegenülber dem antibolschewisti- schen Sanitätskordon, von dem die polnischen Oberstem träumen, strebt die Aussenpolitik der Sowjetunion seine Antithese, seine Negation an. In diesem Plan ist das freie und un- abhängige Oesterreich ein wichtiger Bestandteil. Oesterreich ist der Sch 1 üsse 1purikt je- der möglichen europäischen Födera- tion • der machtpolitisch leere Raum im Herzen Europas, den Oesterreich darstellte, machte schon von 1918 bis 1938 die Kleine Entente für den Ernstfall wirkungslos. Oesterreichische Freiheit und Unat»-, h Äugigkeit 1918—-1038 Die Oesterreicher aber wissen, sie halben i.n 25 Jahren schweres Lehr- geld gezahlt, um sich dieses Wissen zu erwerben, wie solche Freiheit und Selbständigkeit aussieht, was solche Unabhängigkeit bedeutet. Das kleine Oesterreich war nie wirklich unab- hängig'. In den Zwanzigerjahren nannten' die Kommunisten, mit Recht, Oesterreich eine V ölk e rbund k o 1 on i e. Es gab Zeiten, nach 1918, in denen die Ententemächte, die Innen- und Aussenpolitik Oesterreichs bestimm- — 17 — ten. Als er sich darüber Klarheit ver- schafft hatte, trat Otto Bauer als Auss-enmlnister der jungen Republik zurück. Bs gab Zeiten, unter Seipel, wo der deutsche Gesandte bei jeder Regierungsumbildung um sein Plazet befragt wurde. Dollfuss machte Oe- sterreich zu einer Kolonie des ita- lienischen Faschismus. Aber weder Italien, noch Hie westlichen Demokra- tien, die Oesterreich im Friedensver- trag die unveräusserliche Unabhän- gigkeit auferlegt und sie im Stresa- vertrag garantiert hatten, rührten den Fin.ger, um die Annexion Oe- sterreichs durch das Dritte Reich zu hindern. Das war die außenpolitische Situa- tion des freien und unabhängigen Oesterreich. Unti erst seine wirtschaft- liche! Oesterreich konnte überhaupt nur vegetieren, weil die österreichi- schen Regierungen mit der Drohun-g des Anschlusses von Zeit zu Zeit ei- ne Anleihe von den W'estmächten er- pressten. Nach zwanzigjähriger Frei- heit und Unabhängigkeit war der Bankapparat Oesterreichs- auf eine einzige Bamk zusammen,geschrumpft, die auch nur aufrechtstand, weil si» aus Steuerfeldern saniert worden war; das Kapital der Industrie befand sich in der Form fauler Wechsel im Tresor der Nationalbank, die halbjährig ei- nen bestimmten Prozentsatz als un- einbringlich abschrieb; ihre Betrie.be waren großenteils stillgelegt. AIs Handelszentrum hatten die Nachfol- gestaaten, die Tschechoslowakei vor- an, Wien abgewürgt. Bs gab ganze Industrietäler, in denen die Vertreter d«r Staatsmacht, Genidarm, Polizist, Richter, die einzigen Arbeitnehmer waren, die nicht von der Arbeitslo- senunterstützung leibten. Eine Genera- tion von 20 bis 22jährigen wuchs* heran, die keine Gelegenheit und noch ■weniger Aussicht hatte, ihre arbeits- gieriigen Hände zu betätigen. Die 30 bis 50jährigen, die einmal arbeitslos wurden, blieben es fiür Immer, die 50- jähri'Aen und Aelteren "lebten" von der Alters-"Fürsorge"-rente, 50 Schil- ling im Monat; die Kinder blieben un- geboren, wenn sie Glück hatten, sonst wuchsen sie freudlog, rachitisch, tu- berkulös dem Schicksal ihrer Väter entgegen. Nach 1931 war einer von je drei Arbeitern arbeitslos und selbst in den Zeiten der Konjunktur blieben immer noch 20,25 prazent der Arbej ter ohne Posten. Nicht nur die Arbeiter litten. Das Bürigertum verarmte, zehrte die Re- ste einstigen Wohlstands auf, die Kaufleute und Industriellen friste- ten ihre Betriebe von einem nicht erfüllten Ausgleich zum anlderen durch. Die Kammern der geistigen Arbeiter mussten den Masstab beruf- licher Ethik aufs tiefste reduzieren, und taten, als sähen sie nicht, was vorging; ihr Sozialprogramm war die Sperrung des Berufes vor dem Zuzug der Jugend. Die Hochschulen waren überfüllt, weil die Kinder des Mit- telstands Jahre erzwungener Berufs- losigkeit in Studienjahre umsetzten. Der Gewerbestand hatte einen einzi- gen Prograimmpunkt, die Gewerbe- sperre, die zer dann unter der Dikta- tur der Hiofräte 1936 glücklich durch- setzte. Die Bauern rotteten sich be- waffnet Zusammen, wenn Steuerbe- Rjnte, immer von Gendarmen beglei- tet, sich dem Dorcfeinganig näherten. Auf den Zwangsversteigerungen schlu- gen sie die Bieter nieder unti den Auktionar halb tot, um ihre Habe zu behaupten. Oesterreichische Butter, österreichischer Käse wurden in Don- don unter dem Weltmarktpreis los- geschlagen, damit s'ie überhaupt ver- kauft werden konnten, aber die österreichischen Hausfrauen bezahl- ten für jeden Liter Milch ein Auf- geld, aus dem die Preisdifferenz ge- tragen wurde, und die Arbeitslosen- kinder kannten von der Milch nur die Farbe. Das war die Freiheit und Unabhän- gigkeit Oesterreichs wirtschaftlich. Wer da glaubt, dag' BiM sei in zu düi- steren Farben gemalt, irrt. Im Ge- genteil, die erschreckendsten Züge des Elends entschwinden rasch dem Ge- dächtnis. Der arbeitslose Genosse z. B„ den ich zu einer Blitzdemionstra- tion im Jahre 1933 abholte und der erst warten musste, bis sein Bru- der aus der Arbeit kam, um ihm Hemd und Schuhe zu' bongen; die Frau, die morgens am Haustor die anderen, glücklicheren Frauen erwartete, um in ihren Einkaufskorb zu gucken, sie hatte schon lamge keinen mehr; die müden, wissenden Augen der Kinder in» städtischen Uebernahmsheiim, sie alle Märtyrer der Freiheit unld Unab- hängigkeit ihres geliebten Vaterlan- des. Und das soll alles wiederkom- men, nach 10 Jahren Faschismus1 und Krieg! "The Standard", das Blatt der an.glo- amierikanischen Kolonie in Argenti- nien, schreibt am 2. November, in ei- nem Leitartikel über "Die Entschei- dung vo-n Moskau": "Was Oesterreich anlangt, gestehen wir, dass wir über die Bestimmun- gen der Erklärung verblüfft sind. Wenn es bedeutet, dass der nach 1'918 errichtete S'Saat rekonstruiert werden soll, 'dann glauben Wir, dass ein schwerer Missigrifif begangen wird. Nach dem Friedensvertrag tauchte Oesterreich als ein "Staat" auf, Her in der Hauptsache aus einer Eisen- bahnkopfstation bestand mit allen Endstationen im Ausland. Man konn- — 18 — te in Wien einen Tramwaywagen be- steigen und in der Slowakei aus- steigen. Offensichtlich war nicht zu erwarten, dass ein solcher Staat ei- nen längeren Zeitraum überleben wür- de, und zu versuchen, ihn wiederauf- zurichten, ist Torheit. Gleiche Ursa- chen erzeugen immer- gleiche Wirkun- gen, und wir setzen voraus, dass niemanji im Vollbesitz seiner Sinne wünscht, den Samen künftiger Kriege und Revolten zu säen. Vielleicht wird es irgendeine Erklärung und Klar- stellung der österreichischen Ent- scheidung geben. Das1 scheint uns höchst notwendig." Oesterreich Im Plane der anderen Es hat keine geigeiben. Eden unld Hui) haben keine. Die "Isiwjestia" aber in einem Artikel vom 18. Nov., in dem sie gich gegen die in einer Londoner Zeitung zum Ausdruck gebrachte Meinung wendet, dass die Erklärung der Moskauer Konferenz bedeute, Russiland wer.de in Zukunft keinen Einwand gegen die Gruppierungen der Staaten Ost- u,nd Mitteleuropas erheben, schreibt: "Weder die Erklä- rung über Oesterreich noch irgend ei- ne andere in der moskauer Konferenz igetrio£fene Entscheidung bietet einer solchen Sc.hlussfolgerung irgendeine Grundlage. Der russische Gesichts- punkt anerkennt weitgehend, dass die Befreiung und Wiederherstellung der Unabhängigkeit und Souveräni- tät der kleinen Staaten eine der wich- tigsten Aufgaben für die Organisa- tion Europas nach dem Kriege und zur Erreichung eines dauernden Frie- dens darstellt ..." Ein Satz des Moskauer Communi- QU6s ist nämlich in London roissver- «tanden worden. Es hiess dort, dass die Mächte "ein freies und unalbhän- tiisres Oesterreich wiederhergestellt zu sehen wünschen und solcherart den Weg offen sowohl für das österreichi- sche Volk selbst als auch für jene Nachbarstaaten, welche ähnlichen. Problemen gegenüberstehen werden, .jene politische und ökonomische Si- cherheit zu finden, welche die einzige Grundlage eines dauerhaften Frie- dens ^ist". Die britische Presse hatte gemeint, dass damit der Weg offen cei für eine Verbindung zwischen den Nachbarstaaten und Oesterreich, um politische und ökonomische Sicherheit zu finden. Das ist ein Irrtum. Die österreichische Freiheit und Unabhän- gigkeit ist das Muster für alle an- deren Staaten, an das sie sich zu hal- ten haben, das soll dieser allerdings sehr vertrackt redigierte Satz zum Ausdruck bringen. Nun, wer das will, wer in Europa die souveränen und unabhängigen Klein- staaten erhallten will, (soweit sie nicht wie Estland, Lettland, Litauen, in ei&en Grosstaat auf genommen werden), der will zugleich damit da« Ende des Sozialismus in Europa, Denn die Formel des ''Sozialismus in einem Lande'', konnte nur in der USSR, in ihrem Riesenraum, von 160 Millionen Menschen bevölkert, geprägt werden. Aber sie ist unanwendbar auf die Kleinstaaten Zentraleuropas. W»nn Quantität nach der dialektischen For- mel in Qualität umschlägt, so schlägt die Abwesenheit von Quantität die Qualität tot. Die Bestimmung, die den wieder im ■vollen Glänze ihrer Souveränität auf- gerichteten Kleinstaaten Europas vor- behalten ist, erhellt vielleicht aus ei- ner Washingtoner Depesche der As- sociated presse vom 5. November: "In verantwortlicher- diplomatischer Quelle wurde erklärt, diass1 zwischen Russland und der Tschechoslowakei die Verhandlungen für ein defensive» Militärbündnis gegen Deutschland abgeschlossen wurden . . . Die Al- lianz, ülber deren Klauseln mehr ails ein Jahr verhandelt wurde, enthält eine, die gestattet, dass andere Grenz- staaten sich dem Abkommen anschlie- ssen können. Diese Klausel würde den Weg zu einem Dreierabkommen mit Polen führen, "wie auch am Ende Oesterreich, Unigarn und Rumänien dazu kommen könnten." Wonach man jetzt weiss1, warum die tschechoslo- wakische Exilsregierung in London ihre Minister einen nach dem anderen in die Vers-ammlunigen der österrei- chischen Emigranten schickt, um ih- nen, preisend in viel schönen Reden, den Mund nach der österreichischen Freiheit und Unabhängigkeit, Muster 19H8, wässrig zu machen. Bündn,is- politik im Tross der Grossmäehte das haben wir Oesterreicher schon gehabt. Das ist das1 letzte, wozu wir unsere neue Freiheit und .Unabhängigkeit benützen möchten. Erlaubte und unerlaubte Föderation Sorwjetrussland ist eine Föderation von autonomen sozialistischen Sow- jetrepubliken; das britische Imperi- um ist ein Commonwealth freier Na- tionen in vier, und wenn Grossrbritan- nien diesmal sein Indien verpfände- tes Wort hält, bald in fünf Kontinen- ten; die Vereinigten Staaten Ameri- kas umspannen einen Kontinent von Ozean zu Ozean. Die Sowjetunion als Hüterin der Freiheit und Unabhän- gigkeit der kleinen Nationen ist nicht immer so orthodox wie im Falle Oe- sterreich; Estland, Lettland und Li- tauen zum Beispiel, die drei kleinen baltischen Nationen, dürfen in die Föderation der Sowjetrep-iibliken ein- — 19 — treten. Am Kriegsende wird es sich zeigen, dass die befreiten Nationen nicht nur Objekt der Aussenpolitik der grossen Drei sein wollen, sondern ihren eigenen Willen, ihre eigene Vor- stellung darüber haben werden, was ihnen frommt. Soweit Prankreich in Frage kommt, haben die Angelsach- sen schon einen Vorgeschmack davon bekommen, noch ehe die Befreiung des französischen Mutterlandes in An- griff genommen werden konnte. Alle Oesterreicher, die nicht Naizifa- srchisten sind, ersehnen die Befreiung ihrer Heimat von den Nazilbanden. Am tiefsten wird diese Sehnsucht in der Heimat selbst sein. Aber um die glühende Freiheitslie'be der Oester- reicher in Aktion umzusetzen, um den revolutionären Aufstand der Ös- terreicher gegen den hitleristischen Invasor zu entfachen, dazu genügt es nicht, ihnein die Wiederholung von 1018 bis 1938 in Aussicht zu stellen. Die Regierunigen der Alliierten Natio- nen. Angelsachsen und Sow.ietruasen in gleicher Weise, haben nicht den Mut, und die Weitsicht, den unter- drückten Völkern Europas- ein Ziel 7.u weisen, das das Risiko1 der Revo- lution, den Einsatz des Lebens lohnt. Aber wenn der Zusamimen'bruch der neuen Ordnung kommt, dann werden diese Völker selbst sich dies'e Ziele «etzen. Dann wird der Tag kommen, an dem die _ Parole^ der Österreichischen So- zialisten die Parble der europäischen Revolution sein wird: ein sozialis-ti- >~nhes Vaterland in einer socialisti- schen Föderation Europas. DR. WILHELM ELLENBOGEN 80 JAMBE ALT. Am Abend des 9. Juli versammelten sich die österreichischen Sozialisten in New York zu einer Feier für Wil- helm Ellenbogen, der an dies°m Ta- ge sein 80. Lebensjahr vollendete. Redner aus verschiedenen Nationen brachten ihm ihre Wünsch3 zum Aus- druck, Weinberg vom Jewish Labour Committee in New York, der Soanier Del Vayo. Scherer vom "Bund" (Po- len), Paul Hertz (Deutschland) und Theodor Dan (Russland): von den Oe- sterreichern sorachen Friedrich Adler, •Tulivs Deutsch und Otto Leichter. Dr. Wilhelm Ellenbogen ist die letzte errosse Gestalt ans der alten österrei- chischen Sozialdemokratie und der Zweiten Internationale. In seiner per- sönlichen Lebenseeschichte verkörpert er die Geschichte des Werdens, des Aufstiegs und des Untergangs des de- mokratischen Vorkriegssozialismus •Sein Leben umspannt nahezu sechs Jahrzehnte aktiver Arbeit im Dienste der Arbeiterklasse. Als junger Student geriet er in den Bannkreis der soziali- stischen Idee, als er aus Oberungarn auf die Wiener Universität kam, um Medizin zu studieren. Es war eine ei- genartige und glückliche Fügung, dass die österreichische Arbeiterschaft in zwei jungen, sozial empfindenden Aerzten, Dr. Viktor Adler und Dr. Wil- helm Ellenbogen, ihre intellektuellen Fackelträger fand. Die Juristen ka- man und gingen damals, die Aerzte blieben. Ihr Sinn war vor allem der unmittelbaren Hebung des tiefen Elendstandards der Arbeiterschaft zu- gewendet, den sie aus erster Hand, aus ihrer Praxis, kannten. Die Juri- sten, die blieben, kamen erst eine Ge- neration später, mit Otto Bauer und Karl Renner, als die Bewegung schon so weit war, dass sie die Staatsmänner und Theoretiker brauchte. Dr. Ellenbogen wurde von den Arbei- tern der Brigittenau in den altöster- reichischen Reichstag entsendet, als zum ersten Mal, 1897, die Arbeiter in der "allgemeinen Kurie" des Privile- gienparlaments zur Urne zugelassen wurden, und er blieb ihr parlamentari- scher Vertreter, solange Oesterreich eine demokratische Volksvertretung besass, bis 1934, bis zum Staatsstreich des Dollfuss. Am 12 Februar 1934 wur- de er eingekerkert. Er nahm den Ker- ker hin mit der tief in seinem Wesen verwurzelten Würde seiner unbeugsa- men Kämpfernatur, als den selbstver- ständlichen Zoll der Achtung, die ihm vom Austrofaschismus gebührte. Der Partei hat er als Verwalter, als Schriftsteller, als Redner unschätzba- re Dienste geleistet. Mit der Feder wusste er die Sache der Arbeiter- schaft meisterhaft zu verteidigen, die theoretischen Probleme des Sozialis- mus in kristalleher Klarheit darzule- gen, aber auch die Schönheit und Kul- tur dieser Welt den Arbeitern nahe- zubringen. Wenn er seinen geliebten Richard Wagner in der Inszenierung Gustav Mahlers gegen "die neueste Wagnerverhunzung" d°r Epigonen ver- teidigte, dann sprühte seine Feder Funken. Denn in dieser grossen See- le lebt neben dem Politiker und Ge- lehrten eine leidenschaftlich hingeben- de Künstlernatur, die seinen anderen Wesenszügen, wie sie in seinem öffent- lichen Wirken hervortraten, den Schwung, die Weihe und die restlos — 20 — trcua Hingabe verlieh, um die ihn die Wiener Arbeiter so liebten. Seine tief in die Sache dringende, von echtem innerem Schwung getra- gene Rednergabe hat nicht nur Zehn- tausende der Partei und dem Sozialis- mus gewonnen; sie hat auch auf die politische Geschichte Oesterreichs nachhaltig gewirkt. Eine Rede Dr. El- lenbogens im Kurienparlament, in ei- nem Haus, in dem die Sozialdemokra- ten sieben von 400 Mandaten innehat- ten, hat einen General vom Pauteuil des Eisenbahnministers weggefegt. Als Hitler über Wien kam, war es nicht leicht, Ellenbogen zur Auswanderung zu bringen Es muss ein tief schmerz- licher Abschied von der Stadt gewe- sen sein, mit der er so innig verwach- sen war. Ueber Frankreich kam er nach New York. Dort lebt er jetzt ungebrochenen Geistes und unerschüt- terlich in seinem Optimismus für die Zukunft der Arbeiterbewegung und des Sozialismus. Seine Lebenserinnerun- gen, die einmal ein Quellenwerk der Geschichte Oesterreichs und der öster- reichischen Arbeiterbewegung sein werden, und ein Manuskript über den konstruktiven Aufbau des Sozialismus, von dem er und wir zuversichtlich hof- fen, dass es sich alsbald an der Pra- xis der europäischen Revolution er- proben wird, sind die Frucht seiner unfreiwilligen Müsse. Wenn man sonst eines Achtzigjähri- gen gedenkt, wendet sich der Blick nur noch der Erinnerung, der Vergangen- heit zu. Dieser Achtzigjährige ist so unverbraucht jugendlich, dass die Er- füllung seines innigsten Wunsches, den neuen Taar heraufkommen zu se- hen, Gewissheit ist. JULIUS FISCHER GESTORBEN. Aus New York erreicht uns die Nach- richt, dass nach Monaten schwerer Krankheit, 61 Jahre alt, Dr. Julius Fi- scher gestorben ist. Aus der sozialisti- schen Studentenbewegung ist Fischer in die Partei gekommen. Nach dem Ab- schluss seiner Studien etablierte er sich als Rechtsanwalt in St Pölten. Als nach dem Umsturz die Gemeinde- verwaltung von der Sozialdemokratie erobert wurde, setzte, sie Dr. Fischer als Finanzreferenten ein; das Beispiel seiner mustergültigen Verwaltungsar- beit, seine Erfahrungen, die er in Wort und Schrift verbreitete, wurden massgebend für die Verwaltung der hunderte von Industriestädten durch sozialdemokratische Funktionäre. Diese Leistung der österreichischen Sozialdemokratie, die oft von Proleta- riern mit bescheidener Schulbildung neben der Erwerbsarbeit in der Fabrik geleistet wurde, ist in der öffentlichen Wertung und in unserem eigenen Be- wusstsein hinter dem Glanz und der Grösse der Wiener Stadtverwaltung zurückgetreten. Aber mit den kärgli- chen Mitteln, über die sie verfügen konnte, und trotz der Beengung ihrer Entfaltungsmöglichkeit durch die re- aktionären Landesverwaltungen hat sie Grosses geleistet. Als das interna- tionale Finanzkapital den Völker- bundkommissar über Oesterreich setz- te, da denunzierte der Hauptverband der Industrie in einer, fürwahr, denk- würdigen Denkschrift die kommunal- sozialistische Kulturarbeit, die Errich- tung von Warmbädern, Sportplätzen, Kindergärten, Strandbädern, Fürsor- gestellen als "Luxus" und forderte Massnahmen zur Verhinderung dieser Verschwendung. Als der Austrofa- schismus seine hinterwäldlerischen Dorfpaschas in die Gemeindeverwal- tungen setzte, da durchwühlte man die Akten der sozialdemokratischen Verwaltungen nach Material, um zu "enthüllen"; zuerst fahndete man nach Akten persönlicher Bereiche- rung durch unsere Amtswalter, dann nach Beweisen für die Zuwendung von öffentlichen Geldern für Parteizwek- ke. Was sie enthüllten, war nichts als ihre eigene Schande. Dr. Fischer hat an der Entwicklung der mustergülti- gen sozialdemokratischen Verwal- tungsarbeit in den Städten Oester- reichs den grössten Anteil gehabt. Er, dessen Begabung auf die Vertiefung der sozialökonomischen Theorie des Sozialismus hingewiesen hätte, be- schränkte sich bewusst darauf, dem Proletariat in der praktischen Sozial- arbeit zu dienen. Seine angeborene Zu- rückhaltung und Bescheidenheit mach- ten ihm jedes Hervortreten in der Oeffentlichkeit zur Pein Nicht viele wussten von der inneren Grösse und von der Fruchtbarkeit der Leistung dieses hingebenden Dieners am Werk. >lvr<'i, f'iiiiitiriiiles! Es K'ibt. Augenblicke, wo man den Stolz, österreichischer Sozialist zu sein, und der internationalen Brüder- schaft des Sozialismus anzugehören, so lebendig' fühlt, dass es einen hoch — 21 - hinaushebt über die Niederungen der Gegenwart, die wir durchwandern müssen. "London Information", das Blatt unserer Genossen in England, berichtet: "Ein Exemplar von "Lc Populalre", dem tapferen Illegalen Blatt der Fran- zösischen Sozialistischen Partei, hat uns gerade erreicht; es widmet eine Spalte den Märtyrern der Bewegung. Es sagt: 'Tief bekümmert erfahren wir von dem Tode der folgenden unserer iisterreiehlschen Genossen, ermordet von den Nazis: Robert Danneberg, KU- the Leichter, Heinrich Stelnitz, Ed- mund Iteisinann." Es folgen dann kur- ze Lebensbeschreibungen und die ab- schliessenden Worte: "Wir werden sie rächen, auch sie." — "Dieser Beweis der Solidarität unserer französischen Genossen, die in Ihrem schweren Un- tergrundkampf derer nicht vergessen, die In unserem Lande auf der gleichen Seite kümpfeii. hat uns zutiefst be- wegt", sagt "London Information". Hof- und Personalnachricht Eine Pressemitteilung vom 29. August berichtet aus Washington: Colonel Ar- thur V. Me Dermott, Chef des Selective Service in New York, sagte Freitag, dass Erzherzog Otto, österreichischer Thronprätendent, von der amerikani- schen Armee als "ungeeignet" und "unannehmbar" für den Militärdienst abgewiesen wurde. Kein Grund wurde angegeben. Es verlautet, dass Otto auf einem Fragebogen angegeben habe, er wünsche nicht, in die Armee einzu- treten. Eine weitere Pressemitteilung besagt, dass Otto Habsburg als ungarischer Staatsbürger angesehen wird. — Wir Oesterreicher nehmen mit Befriedi- gung zur Kenntnis, dass wir damit die Familie Habsburg endgültig als Korn- Patrioten losgeworden sind. ERRICHTUNG EINES OESTERRiEI CHISCHEN REPRAE SENTATTV - KOMITESS IN LONDON Die Moskauer Beschlüsse haben die Entwicklung innerhalb der politischen Emigration aus Oesterreich in rasche- ren Fluss gebracht. Die Oesterreichi- schen Sozialisten und Freien Gewerk- schafter in London haben am 2. 11. folgende Erklärung ausgegeben: "Das Abkommen der Konferenz von Moskau rechtfertigt die Hoffnung, dass die echte österreichische demo- kratische Reiuvblik wiederhergestellt wird. Dieser Schritt entspricht den Wün- schen der österreichischen Arbeiter- schaft. Die Vertreter der österreichischen Arbeiterbewegung sind erfreut über dieses Versprechen für die Wieder- gewinnung der Souveränitätsrechte und der Selbstregierung des österrei- chischen Volkes, entsprechend den Prinzipien der Atlantie-Charter, und sie sind fest davon überzeugt, dass die Anerkennung der Unabhängig- keit aller kleinen Völker nur im Rahmen der organisierten Wechsel- wirkung und internationalen Zu- sammenarbeit durchgeführt werden Hie sind auch überzeugt, dass die österreichische Bevölkerung und be- sonders die österreichischen Arbei- ter, die ihre Entschlossenheit im Kampf gegen den Faschismus in je- der Form bewiesen haben, sich mit grenzenlosem Vertrauen der Sache der Vereinten Nationen im Kampf gegen Hitler anschliessen werden. Sie fordern die österreichischen Ar- beiter und das österreichische Volk auf, alle Kräfte anzustrengen, um die Freiheit zu erringen und ,sp zum Sieg über Hitlerdeutschland mitzu- helfen. Das Versprechen der demokrati- schen Befreiung und der internatio- nalen Zusammenarbeit zugunsten al- ler Völker, die unter dem Nazijoch stehen, das von der Konferenz in Moskau garantiert ist, wird mit grösster Begeisterung vom Volk Oe- sterreichs beg-rüsst werden, das das erste Opfer Hitlers in Europa war." Am 3. 11. folgte ein Aufruf der öster- reichischen Sozialisten zur Bildung ei- nes österreichischen Repräsentativko- mitees, und am 8. wurde das Komitee gebildet. Es besteht aus je zwei Ver- tretern der Gewerkschaften, der So- zialisten, der Demokraten und der Christlichsozialen. Die Kommunisten haben sich nicht beteiligt, zwei Sitze sind für den Fall freigehalten, dass sie nachträglich ihren Anschluss voll- ziehen. Präsident des Komitees ist der ehema- lige Wiener Gemeinderat Genosse Franz Nowy, Sekretär des Bauarbei- terverbandes, einer der führenden Funktionäre der illegalen freien Ge- werkschaften unter der vaterländi- schen Diktatur; Vizepräsidenten sind Dr Franz Schneider (christlichsozial) und Dr. Friedrich Herz (Demokrat). Dr. Herz, ein Soziologe von Ruf, war in den letzten 10 Jahren bis zur Machtergreifung Hitlers Professor an der Universität Tübingen in Württem- berg. Vorher war er als Vertragsbeam- ter im Range eines Ministerialrats im Bundeskanzleramt tätig, wohin ihn Kanzler Dr. Renner aus Deutschland — 22 — berufen hatte. Dr. Herz ist Wiener von Geburt. Er hat bis ungefähr 1908 eine tapfere politische Kampfzeitschrift in Wien herausgegeben, den "Weg", -hat dann im Industriellenverband gearbei- tet und für den Konzern der Mün- chener RückVersicherungsanstalt die Versicherung der Industrie gegen Was- serschäden organisiert. Sein bekann- testes Werk ist ein Buch über die Rassenfrage, eine Streitschrift gegen den Rassenantisemitismus, den der junge Gelehrte schon frühzeitig in Oe- sterreich kennenlernte, lange bevor unser grosser Landsmann Hitler die Reichsdeutschen auf den Geschmack brachte OESTERREICH VON LONDON AUS GESEHEN. Die Presseagenturen haben natürlich das Bedürfnis gehabt, dem Beschluss der Moskauer Konferenz über Oester- reich einen etwas malerischen Hinter- grund zu geben und sie entledigen sich dieser Aufgabe mit einem benei- denswerten Ueberschuss an Phantasie. Vom 3. bis 5. November brach in Oesterreich täglich zweimal, morgens und abends, eine Revolution aus, die Gestapo griff zu ausserordentlichen Notmassnahmen, um die gewaltige Rückwirkung der Moskauer Beschlüs- se wenigstens teilweise in die norma- len Bahnen der Massenstreiks und Massensabotage zu lenken, Divisionen wurden von Oesterreich abgezogen und 'wieder hin verlegt, Generäle flo- gen und flogen hin und her, Soldaten, auf das bescheidenere Fortbewegungs- mittel von Schusters Rappen ange- wiesen, liefen nur über, wie die Milch, wenn ihr ordentlich eingeheizt wird. Kiurz, es ging bunt zu. Den Vogel hat die A. P. abgeschossen. Sie hat in London eine Unterredung mit den Leitern (Plural, bitte!) des unterirdischen Widerstandes in Oester- reich gehabt, die dort im Schatten der finsteren Gemäuer des Tower die Fä- den zien; ein „Sprecher der Geheim- bewegung" gab Aeusserungen von sich, die man schrankenlos zustimmend als emmes bezeichnen kann. Er erklärte, „Oesterreich sei näher an der offenen Rebellion als jemals seit dem Anschluss". eine Grundwahrheit, so einfach als 2x2—4. Denn einmal werden die Oesterreicher bestimmt offen gegen Hitler rebellieren, trotz der Londoner Geheimbewegung, und dieses einmal war am 2. November 1943 genau um fünf Jahre, sieben Monate und 17 Ta- ge näher als am 15. März 1938. „Man schätzt", isagt uns AP., „dass weniger als fünfzehn Pro- zent der Oesiterreicher mit den Nazis zusammengearbeitet ha- Oh, ahnungsloser Engel Du! Erzherz- zog Robert, Bruder des österreichi- schen Thronprätendenten, der in London lebt, der Bruder, erklärte, dass nach jüngsten Berichten nur drei Prozent seiner Landsleute Anhänger der Nazis seien". ES verlautet, dass seine k. u. k. Hoheit diese Erklärung von der Absicht getragen abgegeben habe, den Gerüchten entgegenzutre- ten, dass sie nicht bis drei zählen kann. MAX REINHARDTS POSTHUMER REGIETRICK In den Nekrologen ist Max Reinhardt als Oesterreicher bezeichnet worden. In Buenos Aires wurde sogar allen Oester- reichem zur Pflicht gemacht, von ei- ner keineswegs hierzu berufenen Stel- le, dem Toten bei der Gedächtnisfeier der F.D.B. die letzte Ehre ziu erweisen Aber unl der Ehre die Wahrheit zu geben: Reinhardt war weder Oester- reicher, noch in Wien oder bei Wien geboren. Vielmehr erblickte er das Licht der Welt in Stomfa bei Bratis- lava, das damals noch Pozsony-Press- burg hiess ,in der Slovakei, die damals noch einen integrierenden Bestandteil der Länder der St. Stefanskrone bil- dete. Wiener kann man von Geburt oder aus Wahlverwandtschaft sein. Rein- hardt war keines von beiden. Zwar verlebte er einige Jahre seiner Jugend in Wien, als sein Vater seinen Textil- kommerz in die Reichshaupt- und Re- sidenzstadt verlegte. Aber kaum flüg- ge geworden — „mein Sohn, Mazedo- nien ist zu klein für Dich" — schüt- telte Max den Staub der im Reichs- rate vertretenen Königreiche und Länder von sich und verlegte die Schaubühne seiner Tätigkeit mitten ins Herz jenes Preussen, das mitzu- hassen jeder nationalistische Oester- reicher da ist. Er wurde — oh, welch unvorstellbare Greueltat für den ge- lernten Oesterreicher — aus Wahlver- wandtschaft Berliner, Berliner Regis- —23 — seur, und multipler Theaterdirektor. Uns Oesterreicher hat er nur im Ne- benberuf in seinen Sommerferien be- glückt. BRiENNUS — EIN KAPITEL NEO OESTERREICHISCHER GE SCHICHTSFORSCHUNG „Zeitspiegel", das londoner national- kommunistische Oesterreicherblatt, immer begierig, ein Scherflein zu Herrn Vansittarts Klitterung der deutschen Geschichte beizusteuern, berichtet: „Eine alte Legende rankt sich um den Namen des Brennerpas- ses, die heute merkwürdige Ak- tualität besitzt. Vor fast 2000 Jahren >— so lautet die S'age — zog der Schwabenkönig Bren- nus mit seinen Horden über die Alpen, überfiel und zerstörte Rom und rottete die römische Jugend aus usw. usw. Aber auf dem Rückweg in seine Heimat stürzten die Lawinen nieder und begruben ihn und seine Ar- mee. Das geschah am Brenner- pass — und daher trägt der Pass seinen Namen". Was tut aber Gott? — ist die ganze Geschichte nicht wahr; Nicht wahr ist nämlich die Ethnolographie des Brennus und seiner Horden. Der Pe- tit Larousse Illustre, 58. Auflage, Pa- ris 1910, Seite 1189, sei unser Zeuge: ,,Brennus ou mieux Brenn. Ce nom, qui veut dire "chef", a 6te dönne sp6cialement par les Ro- mains aiu ohef gaulois qui (prit et pilla Rome en 3 90 avant Je- sus-Ohrist, usw. usw." Brennus war also der Ahnherr Cle- menceaus, nicht des Schwaben Rom- mel. Seine Weltberühmtheit stammt übri- gens hauptsächlich daher, dass er zum Zitatenschatz des halbgebildeten Mit- telstandes ein geflügeltes Wort beige- steuert hat. Er prägte es, als er nach alter Gallierweise von der besiegten Stadt die Reparationen eintrieb. Die Römer führten Beschwerde, dass die Gallier falsches Gewicht verwendeten; da warf Brennus noch sein gewichti- ges Schlachtschwert auf die Wagscha- le und rief: „Vae victisü" (Wehe den Besiegten). KOKOSCHA VOM „FEINDE" BESETZT. Zu unserem Erstaunen fanden wir den Maler Oskar Kokoscha unter den Mit- gliedern des Londoner Komitees „Frfc* es Deutschland" genannt. Oskar Kokoscha ist in der Wachen geboren. Er hat Wien, wo er gelebt, gewirkt und sich zu einem Künstler von Weltruf hinaufgearbeitet hat, auf der Höhe seines Schaffens verlassen, als es sich erwies, dass ihm das wie- nerische Spiessertum Aufstieg und Entwicklung versperrte, um einem Ruf an die Dresdener Akademie Folge zu leisten. Charaktervoll und unbeugsam in seiner Gesinnung verliess er Deutschland nach Hitlers Machtergrei- fung. Denn nun war auch in Deutsch- land sein Werk als das erklärt wor- den, als was es die Wiener Spiesser schon zwei Jahrzehnte vorher behan- delt hatten: als entartete Kunst. Kokoschkas Aufnahme in das deut- sche Nationalkomitee ist unter einem bestimmten politischen Gesichtspunkt nicht uninteressant. In Moskau wer- den bekanntlich Deutsche und Oester- reicher national streng auseinanderge- halten und die österreichischen Kom- munisten sind jetzt die Hüter der Reinheit der österreichischen Nation. Wie konnten sie es dann unwiderspro- chen dulden, dass ein so edler Spross unseres Stammes, der die grössere Hälfte seines Erdenwällens im Cafe Museum, beschattet von einem ehr- würdigen Wahrzeichen Wiens, dem überdimensionalen Bart des Malers Hollitscher, verbracht hat, vom ..Fein- de" annektiert wurde? ■ AUSTRIÄN LABOR ■ g INFORMATION ■ Jj New York ■ W Zeiitral-Orfsan der Österreichs- j H sehen Sozialisten in deutscher 5 ■ Sprache. 5 : No. 16-17 E ■ soeben eingetroffen! 5 M Einzelexemplare und Abonne- ® W ments durch Wilhelm Fleischer JJ W c/o DAD, Tucumän 309, Bs. As. 5' ■ (U. T. 31 - 7264) und in den S ■ Buchhandlungen: Barna Maipü ■ ■ 441 und Juramento 2368, Pig- ■ ■ mallen Corrientes 515 und Herz- ■ ■ seid Reconquista 424 Bs. Aires H ■ Einzelexemplare.....$ 0.75 W 5 % Jahresabonnement . . ,, 4.50 M 5 Jahresabonnement . . . „ 9.— ■ iHllllllllllllllllllllll^ A. A. B. A. ENRIQUE U. CORONA MARTINEZ j A B O G A D O i LAVALLE 1208 V. 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CHILE:................... $ 45.— $ 3 — DOMINICANA: .. .............. $ 1.50 10 cts. ECUADOR: .................. Sucres 22.50 s/. 1.50 EL SALVADOR:............. 9 3.75 25 cts. GUATEMALA:................ Quetzal 1.50 10 cts. HONDURAS:................. Lemplras 3.— 20 cts. $ 7.50 50 cts NICARAGUA:................ Dollars 1.50 75 centavos de cordot PANAMA Y ZONA DEL CANAL: .. . B. 1.50 10 cts. PARAGUAY: ................ $ 525 35 pesos PERU:.................... Soles 9 60 cts. PUERTO RICO:.............. Dollars 1.50 10 cts. Dollars 2.— 15 cts. URUGUAY:................ • $ oro 3.— 20 cts. VENEZUELA:................ Bs. 7.50 Bs 0 50 4 sh. 4 d. ARGENTINA .. .. • ........... 6 pesos 30 ctvs. Cheques, giros y bonos postales exclusivamente a nombre de JUAN CARL, TUCUMAN 309, BUENOS AIRES JUAN CARL, TUCUMAN 309, BUENOS AIRES CARTA A BERLIN por CIRO ALEGRIA, escritor peruano Giro Alegria, novelista peruano y autor de "El Mundo es Ancho y Ajeno", novela premiada por la editorial estadounidense Rinehardt and Farrar, recibio xma pro- puesta alemana para traducir y editar su obra en Ale- mania. Reproducimos aqui la carta con que respondiö a Herr Korner, autor de la proposiciön en nomJbre de la Editorial de Berlin: "No puedo aosptar su propuesta para traducir mi libro "El Mun- do es Ancho y Ajeno" al alemän y publicarlo en Alemania. En pocas palabras: me parece un asunto de propaganda y me oponga a ello. He escuchado transmisiones alemanas de radios destinadas a nuestro pais, a Chile, a toda la America Latina. Cuando se rasieren a la literatura latino americana, pretenden hacer creer que se interesan por nuestros pubelos, cuya fuerza nutre esos libros. Nada mäs falsa. La Alemania nazi no puede abrigar simpatia alguna por pueblos a los que desprecia ra- cialmente. "Usted que ha leido mi novela, Herr Korner, sabe que trata de la vida de los indios en el Peru, de los pobres campesinos del Peru. Usted sabe que clase de propaganda se haria en torno a ello.'Y los hombres del pueblo de mi patria que tienen el cora- ciön a cualquier esperanza podrian creer tal vaz que, alld lejos, ciön a cualquier -esperanza podrian creer tal vez que, alld lejos, hay un pueblo que se interesa por ellos. "La Alemania desdena al Peru y a todos los pueblos de Lati- no America y su Fuhrer, en repetidas ocasiones, los ha Insul- tado. "Yo no soy enemigo de Alemania. Soy enemigo del nazismo. No soy enemigo de la Alemania de los grandes artistas, pensa- dores y conductores del pueblo, momentäneamente enganado, menos por sus dirigentes actuales que por su hambre y humi- llacion. "Pero todos los que asistimos a la contienda sin otra pasi6n que la de la justicia y sin otro interes que el triunfo del hom- bre Iibre, esperamos resurgir despues de este psnoso tiempo. Lo saluda atte. — Giro Alegria".