Beilege: DER OESTERREICHISCHE SOZIALIST LA OTRA ALEMANIA DAS ANDERE DE UTSCH LAN D VI. AN O No. 79 PIC1EMBRE 15 DE 1943 BUENOS AIRES TUCUMAN 3 0 9 U. T. 31 - RETIRO - 7264 Aus dem Inholt: Reinh. Hardt: Die europäi- sche Schicksalsfrage. Oscar Paul - London: Die deutsche Revolution. Solidaritätsbekenntnis ar- gentinischer Arbeiter Ignacio Silone: Marschall Pietro Badoglio. Ein Brief aus Afrika. Neue Bücher (E. Löhnberg, H. J.) Aus Hitlerdeutschland Nazis in Südamerika £ LA OTRA ALEMANIA . WllHY-it-1 -mm«ihi Bia J^J8>DW.V^-?L ORGANO DE LOS ALEMANES LIBRES DE LA AMERICA DEL SUR Iditor y direclon Dr. AUOUSTO SIEMS EN, «x-diputado d«l K«icli>l*a. TUCUMAN 309 - BUENOS AIRES - U. T. 31 - 7264 Jahrgang VI. — Nr. 79 — 13. Dezember 1943 Reinh. Hardt: - DIE EUROPÄISCHE SCHICKSALSFRAGE Ueber die Resultate, zu denen Roosevelt, Churchill und Stalin in Te- heran gelangt sind, ist bisher kaum etwas Positives bekannt gewor- den. Sieher scheint zu sein, dass nebe« den militärischen Fragen des Angriffs auf die Festung Europa auch solche der Neuordnung in der Nachkriegszeit erörtert worden sind. Die Friedensverträge, die 1919 in den Pariser Vororten geschlossen wurden, versuchten eine Neuordnung Europas nach dem Nationalitätenprinzip. Von seiner bestmöglichen Durchführung, die lediglich durch militärische Ueber- legungen eingeschränkt wurde, („na- türliche, strategische Grenzen") ver- sprach man sich eine dauernde Befrie- dung des unruhigen europäischen Kontinents. Niemals in der Geschichte ist ein ideologisches Fundament, das eine neue Epoche einleiten sollte, durch die Realität ärger ad absurdum geführt worden als dieses. Die Zeit von 1919 bis zum zweiten Weltkrieg zeigt einen Rattenkönig von Konflik- ten, die aus dieser Nationalitätenrege- lung erwuchsen und mindestens der äussere Anlass des jetzigen Welt- brandes ist ja derselben Art. Einige Stichworte genügen: Polnischer Kor- ridor, Danzig, Oesterreich, Südtirol, Bessarabien, Ungarischer Revisionis- mus, Bulgarische Imro, Griechisch- türkischer Krieg, Königsmord in Mar- seille, Wilna, Slovakische Autonom!- rten, Sudetendeutsche, Kroatien. Diese Reihe liesse sich beliebig verlängern. Die neugeschaffenen oder korrigierten ..Nationalstaaten" waren eben doch keine solchen, weil das — vor allem im Südosten Europas — unmöglich ist. Ihre Grenzen zerschnitten oft wirt- schaftliche und historische Einheiten oder wollten Unvereinbares in sich vereinen. Neuer Zündstoff, neue Lei- denschaften sammelten sich, Demago- gen hatten leichte Arbeit, und die Rechnung bezahlen heute wieder ein- mal die so oft ausgebluteten europäi- schen Völker. Dieses Nationalitätenprinzip ist ein typisches Kind vor allem der bürger- lisch - liberalistisch - kapitalistischen Geschichtsepoche. Vor ihm bestanden andere, glücklichere Konzeptionen eu- ropäischer Geschichtsgestaltung, und von seiner Ueberwindung und der sei- ner wirtschaftlich-sozialen Vorausset- zungen wird es abhängen, ob die euro- päische Menschheit weiter von einem Blutbad in das andere taumelt oder endlich „aus dem Reich der Notwen- digkeit in das der Freiheit" gelangt. Herkunft und Zukunft Europas liegen auf einer geraden Linie, und wie man dieses sein Grundproblem anfasst und löst, wird der Prüfstein sein, wieweit die Friedens- und Wohlfahrtswünsche der alliierten Staatsmänner ernst ge- meint sind, und welche Reife die euro- päischen Völker selbst erlangt, was sie auf ihrem Leidensweg gelernt haben. Denn besiegt und verarmt sind sie al- le. Vom Aermelkanal bis zur russi- sehen Grenze gibt es heute faktisch keine „Grossmacht" mehr. Das sich noch blähende „Dritte Reich" wird bald das geschlagenste und ärmste von allen sein. Ob aber aus diesen bit- teren Erfahrungen eine gesamteuro- päische Selbstbesinnung wächst, ent- scheidet über Sein oder Nichtsein des „Erdteils" Europa. Europa aber ist kein Erdteil, sondern nur eine Halbinsel des grössten Fest- landes der Erde. Bis zur Linie Memel- Istambul (das ist die durch die ge- schichtliche Entwicklung gegebene politische Grenze) beträgt seine Grö- sse im Vergleich zu der des Britischen Imperiums 1:8, zu der des russischen Reiches 1:4. England, das geografisch zu Europa gehört, entwickelte sich po- litisch zum Kopf eines aussereuropäi- schen Weltimperiums, und der „euro- päische" Teil Russlands bildet nur ein Viertel des Gesamtreiches. Die Gesich- ter dieser beiden Mächte sind darum von Europa abgewandt, sie stehen au- sserhalb des Kreises, auf den sich die- se Betrachtungen beziehen. Schon ein flüchtiger Blick in die Ge- schichte zeigt nun, dass seit dem Aus- einanderfalten des römischen Impe- riums die neuen Kräfte, die den euro- päischen Raum formen, in ihrem We- senskern immer von seiner Einheit ausgehen und ihr Gestalt zu geben versuchen. Die Reihe geht über Theo- derich, Karl den Grossen, Otto den Grossen, das Stauferreich. Meist in Anlehnung an die überstaatliche Idee des Christentums und mit Hilfe seines irdischen Vertreters in Rom wird die europäische Einheit erstrebt und bis zu einem gewissen Grad erreicht. Es war die zeitgebundene, übernationale Ordnung eines geographisch und wirt- schaftlich zusammengehörenden Rau- mes, primitiv zwar und unvollkommen, aber doch eine Ordnung, im Vergleich zu der die spätere Aufsplitterung der kapitalistischen Epoche nur einen Zer- fall darstellt. Dieses Reich hatte nichts zu tun mit Unterdrückung eines Vol- kes durch das andere, der Begriff der Nation war ihm fremd, es war, wie der Sozialist G. Landlauer sagt, „eine Ge- sellschaft von Gesellschaften". So schwer trennte man sich von seiner Grundidee, dass es als tote Formel weiterbestand bis 1806, als seine Form und sein Inhalt längst durch ökonomi- sche, soziale und politische Verände- rungen zerstört waren, als der Kapi- talismus und die ihn tragende Schicht der Bourgeoisie schon mit Gewalt zu neuen staatlichen Formen drängten: zum Nationalstaat. In der unruhigen Zeitenwende aber, in der diese Klasse, die schon seit Jahrhunderten siegreich vordrang, endgültig die Gesc+iicke Europas in ih- re Hand nimmt, erleben wir noch ein- mal das Wiedererwachen des alten zentripetalen europäischen Gedankens in Na;poleon. Er muss scheitern, da er das Gesetz verleugnet, nach dem er angetreten ist. Nationale Freiheits- kriege vernichten ihn und seine Pläne, und seine Niederlage ist nur der erste Beweis, dass eine machtpolitische, von einer Nation ausgehende Einigung und Beherrschung Europas eine Unmög- lichkeit ist. Die Zeit von 1820 bis 1919 ist dann die Neugliederung Europas auf bürgerlicher, nationaler Basis. Re- volutionen und mehr als zehn Kriege sind die Marksteine auf diesem We- ge. Die kriegerische „Bereinigung" von Konflikten gehört organisch zu dem neuen System, ist nur Aeusserung seines Lebensgesetzes. In derselben Zeit aber wird mit neuen gesellschaft- lichen Kräften, deren historische Auf- gabe die Ueberwindung dieses Sy- stems und der Aufbau eines neuen ist, wieder der alte Einheitsgedanke le- bendig. Die Arbeiterbewegung ist in- ternational. Vorerst eine Kampfparole, wird diese Grundidee realpolitisch be- grenzte, konkrete Form annehmen, wenn die Volksmassen nach dem wah- ren Selbstbestimiyiungsrecht der Völ- ker ihre Zukunft selbst ordnen kön- nen. Diese wahre „Neue Ordnung" kann nicht anders als die europäische Einheit wiederherstellen, nicht aus macht politischen Gründen, sondern aus denen wirtschaftlicher Notwendig- keit und europäischer Friedenssicihe- rung. Bewusst oder unbewusst knüpft sie an die Vergangenheit an, welche die organischen Notwendigkeiten des Raums Europa klarer erkannte als die ka pital istisch-nationalistische Epoche. Mit seherischem Blick verkündete einst Victor Hugo, dass in der Ge- schichte die Schweiz das letzte Wort haben werde. Was hier im Kleinen gelungen ist, eine pazifistische Ein- heit zu schaffen, in der verschiedene Nationen in föderaler, kulturell auto- nomer Form zusammen leben, ist das grosse Ziel für ganz Europa: Wirt- schaftseinheit, nationale Auflockerung, Befriedung. Die „Europäische Föd'e- ration®' braucht keine „Umsiedlun- gen" und kennt keine Minderheitspro- Lieme. Sie braucht auch keine Kriege. Geben wir uns aber keinen Illusionen hin! Solange die Kräfte, die bisher das europäische Schicksal bestimmt haben, die herrschenden bleiben, so- lange kapitalistische Gruppeninteres- sen Grenzen ziehen und Völker leiten, bleibt Paneuropa ein schöner Traum. Ihr ökonomischer Lebensboden ist die bisherige Nationalstaaterei mit Ein- flussgebieten und Interessensphären der „Grossen". Die Europäische Föde- ration, in der kleine und grosse Natio- nen als Gleiche unter Gleichen leben, wird sozialistisch sein oder wird nicht sein. Es ist aber an der Zeit, dass die gequälten Völker Europas ihre Stun- de erkennen und seine grossen Nach- barn, die es heute erretten aus dem B!utsum,pf der faschistischen Barba- rei, ihm helfen, seinen eigenen, vor- gezeichneten Weg zu finden. Oscar Paul: DIE DEUTSCHE REVOLUTION Der Autor der folgenden Ausführungen ist der frühere Chefredakteur der Wiener „Arbeiterzeitung", der z. Zt. in London lebt. Der Anteil, der Deutschland in der eu- ropäischen Revolution zukommt, ist aus drei Gründen sehr gross: erstens weil Deutschland das grösste Indu- strieland des Kontinents und das Land des siegreichen Faschismus ist, zwei- tens weil ihm der wahrscheinliche Charakter seiner Revolution diese Be- deutung verleiht und drittens wegen der Notwendigkeit, den nationalen Ge- gensatz zwischen Deutschland und den übrigen Ländern abzuschwächen. Keine europäische Gemeinschaft ist denkbar ohne das grösste Land im Herzen des Kontinents; kein europäi- sches System kann auf seine Produk- tionskraft und seine Verkehrswege verzichten. Die deutschen Sozialisten haben im rtier wieder erklärt, dass es nicht ge- nügt, die Nazis zu bekämpfen. Um den deutschen Imperialismus und die deut- sche Aggressivität zu beseitigen, ha- ben sie immer wieder erklärt, ist es nötig, zu den Ursachen zu gehen, d. h. die wirtschaftlichen, sozialen und po- litischen Kräfte zu eliminieren, die den Nazismus geboren haben. Um den Faschismus zu töten, muss man die Wurzel abschneiden: man muss die Grossgrundbesitzer Preussens ent- machten, die Grossikapitalisten der Ruhr, die Generäle und Bürokraten. Man muss das System beseitigen, das 8 Millionen Arbeitslose hervorgerufen hat, das in wertlosen Inflationsmark die Ersparnisse der Mittelschichten verschwendete. Das alles muss man tun, wenn man den Nazismus entwur- zeln und verhindern will, dass er wie- der gedeiht. Das kann nicht von aussen gescihe- hen. Es muss von innen getan wer- den. Das will nicht heissen, dass Deutschland nicht voll und ganz be- siegt werden muss. Seine Niederlage ist eine absolute Notwendigkeit. Die beste Möglichkeit, den Faschismus zu besiegen und zu zerstören, ergibt sich jedoch bei einem kombinierten An- griff. Man muss die Heere besiegen, und die Opfer des Faschismus zur Re- volution auffordern, auch die deut- schen Opfer des Faschismus. Der Fa- schismus muss auf dem Schlachtfeld und im Innern besiegt werden. Das ist die einzige Art, wie man den Krieg gewinnen und einen wirklichen Frie- den aufbauen kann. Wieder das eine noch das andere ge- nügt für sich allein. Es ist fast unvor- stellbar, dass Deutschland sich erhebt, bevor Hitler militärisch geschlagen ist. Nicht weil die Deutschen Nazis oder Sklavenseelen sind, sondern weil ein nicht besiegtes faschistisches Re- gime zu stark ist, als dass es von sei- nen Untertanen angegriffen werden könnte. Stellen wir uns andererseits vor, dass dieses Regime unter den Bomben und Tanks zusammenbricht, ohne dass sich das deutsche Volk erhoben hat. Wie lange auch immer die Ausdehnung und Dauer der militärischen Besetzung, der Sanktionen, der Abrüstung in den kom- menden Jahren sein mag, es gibt we- nig Hoffnung, die „deutsche Gefahr" — d. h. die faschistische Gefahr — zu beseitigen, weil die Alliierten die Äxt nicht an die Wurzel legen werden. Sie werden bestehen auf der Vernich- tung der Kriegsindustrie, aber werden sie auch die Fabriken der privaten Kontrolle entziehen und sie unter die öffentliche Kontrolle stellen wollen? Und zwar nicht nur in Form einer ge- wissen oberflächlichen internationalen Kontrolle? Nun ist aber die öffentli- che Kontrolle die einzig mögliche Form, um zu verhindern, dass die zer- störte Kriegsindustrie nicht eines Ta- ges wieder mit neuen und noch fürch- terlicheren Kriegswaffen auf den Plan tritt. Werden wir nicht erleben, dass die rnglischen Lords, die die Herren der Presse ihres Landes und die Freunde der deutschen Bankiers sind, wenn sie unter Druck gesetzt werden von den revolutionären Arbeitern ihres eigenen Landes, die auch für die öffentliche Kontrolle der Produktion sind, dass sie dann diese „Bolschewisten" als die ^jährlichsten Deutschen erklären wer- den ? Wenn die Befreiung Deutschlands vom Nazismus ausschliesslich ein Werk des Auslandes sein würde, wäre das Re- sultat ein neues nationales Ressenti- ment, das sich in die Ursache neuer Unruhen verwandeln würde. Eine ..Wiedererziehung'" der Deutschen durch eine ausländische Besatzungs- armee muss unvermeidlich, scheitern, wenn sie schwach ist. Wenn sie aber mit starker Hand arbeitet, muss sie unvermeidlich scheitern, weil sie eine sehr weitgehende Opposition hervor- rufen würde. Dieses Scheitern wird nur dann ver- mieden, wenn die Kontrolle Deutsch- lands unterstützt und geteilt wird vom Volk. Eine Revolution in Deutschland ist die einzige Möglichkeit, die not- wendigen Veränderungen so vollstän- dig und energisch durchzuführen, wie das notwendig ist. Sie allein kann den Weg für eine wahrhafte Revolu- tion freimachen. Diese Revolution wird ein notwendiges Glied in der Kette der Ereignisse sein, die die europäische Revolution bilden werden. Auch ohne sie wird es natür- lich in den unterdrückten Ländern Erhebungen geben, aber sie werden wahrscheinlich nur Erhebungen natio- nalen Charakters sein, die schnell auf- gehalten und von ihrem Wege abgelei- tet werden können. Nun kann es aber keinen europäischen Aufbau geben, wenn Deutschland noch krank, infi- ziert oder ruiniert ist, wie das Mr. Eden zugibt. Es ist unmöglich, dass es eine neue europäische Ordnung gibt, wenn nicht die deutsche Revolu- tion die Fähigkeiten und Hilfsmittel einer stanken und arbeitsamen Na- tion in den Dienst der anderen Völ- ker stellt, wenn nicht die Fabriken Deutschlands der Allgemeinheit in ei- nem kollektiven Werk des Wiederauf- baus zur Verfügung gestellt und, kurz gesagt, nicht die deutschen Arbeiter zu freiwilligen Mitarbeitern der ande- ren freien Völker werden, um einen allgemeinen Wohlstand zu schaffen. Die Revolution in Deutschland wird einen ausgesprocheneren sozialisti- schen Charakter haben als die in den übrigen Ländern des Kontinents. Aus zwei Gründen. Deutschland wird das einzige Land sein, in dem der na- tionale Faktor fehlt. Seine antifaschi- stische Revolution muss notwendiger- weise antikapitalistisch sein. Diese Tendenz wird deutlicher hervortreten als in irgendeinem anderen Land. Deutschland braucht keine nationale Befreiung zu erkämpfen. Es hat einen arroganten, übertriebenen, schädlichen Nationalismus zu bekämpfen. Die Ver- brechen dieses Nationalismus werden der Nation katastrophale Schäden verursachen. Die einzige Freiheit, die die Nation zu erobern haben wird, wird die Befreiung vom faschistischen Joch sein. Von Anfang an wird die\ deutsche Re- volution eine gegen die innere Dikta- tur gerichtete Befreiungsbewegung sein. Sie wird sich nicht zu beschäf- tigen haben mit ausländischer Inva- sion, bevor sie ihre Rechnung mit den Verrätern und Diktatoren im Innern beglichen hat. Mit denen wird sie sich sofort und gründlich beschäftigen. Sie wird die Nazis aus ihren Schlupf- winkeln herausholen und sie erschie- esen. Sie wird nicht nur die SS-Ka- 6ernen bereinigen, sondern auch die Krupp-Werke, die Leuna-Werke, die Flugzeugfabriken, die Elektrizitäts- werke und alle übrigen Schlüsselposi- tionen der Waffenfabrikanten und übrigen Beschützer der Kapitalisten und Imperialisten. Ausserdem die Banken, die grossen Versicherungsge- sellschaften mit Monopolcharakter, die mächtigen Zeitungskonzerne — denn Sie alle sind Festungen der Nazis. Es •wird die Notwendigkeit bestehen, sie einzunehmen, zu reinigen und sie nie wieder dem Feinde zu übergeben. Unglückliches deutsches Volk, un- glückliches Europa, wenn die Krupp, Thyssen und Klöckner nicht unter die Nazis gerechnet werden, die unschäd- lich gemacht werden müssen. Oder wenn dem deutschen Volke es unter- sagt werden sollte, sie zu liquidieren, auf Grund des Einflusses gewisser Ausländer, die die Industriellen und Bankiers, die Hitler in den Sattel hal- fen, als vollendete Kavaliere ansehen werden, deren Eigentumsrechte zu re- spektieren sind. Oder, was noch schlimmer wäre, wenn die ausländi- schen Interessen sich unter den Ak- tionären des deutschen Stahltrusts und der chemischen Industrie offenbaren würden, um sie gegen die Nationali- sierung zu schützen. Wenn man sie nicht daran hindert, wird die deutsche Revolution ihr so- zialistisches Ziel erreichen. Die prak- tische Notwendigkeit wird ebenso dringend sein wie die Logik unabän- derlich ist. Die Revolution wird sich der wichtigen Positionen der Energie und der Industrie bemächtigen. Nur eins wird in den von Nazis gereinigten Fabriken zu tun überig bleiben: sie zu nationalisieren. Da! sie sozialistisch ist, wird die deut- sche Revolution die sozialen Bewe- gungen der anderen Länder fördern. Der nationalistische Hass gegen Deutschland wird besonders in den Nachbarländern, die am meisten un- ter dem Nazismus gelitten haben, stark sein. Deutschland wird von ei- nem Ring des Hasses umgeben sein. Nur wenn die deutsche Revolution un- nachsichtig hart, streng und ehrlich sozialistisch ist, wird sie hoffen -kön- nen, diesen Ring des Hasses zu zer- stören. Im gegenteiligen Fall wird die- ser Ring die deutsche Revolution er- drosseln und damit die europäische Revolution. Wir haben Anlass zum Vertrauen. Im ersten Weltkrieg verfluchten die Po- len das Russland der Zaren, das sie unterdrückte. Sie änderten ihre Ein- stellung angesichts der Revolution. Die illegale Bewegung der sozialistischen Arbeiter spricht heule von einem in- ternationalen Kampf und von künfti- ger Brüderlichkeit der Völker, aller Völker. Wenn die Völker Europas sehen, dass die Deutschen erbarmungslos den Na- zismus ausrotten und tatsächlich eine völlige Wandlung durchführen, wer- den sie sich ihnen anschliessen. Aber nur dann. (Aus „Die Stimme des unterirdischen Europa"). BEKENNTNIS ZUR INTERNATIONALEN SOLIDARITÄT Nachdem schon der eng-lisahe Gewerkschaftsbund auf seinem letzten Kongress den Propagandisten einer eng-stirnigen und nationalistischen Hasspolitik in der Nachkriegszeit eine deutliche Abfuhr erteilt hat, reg-istrieren wir im folgenden mi.t besonderer Freude eine Stimme aus arg-entinische.n Gewerkschaftskreisen. Der Artikel ist „Uniön S'indi- cal" vom November entnommen. Die Organisationen der internationa- len Gewerkschaftsbewegung beruhen auf der Ueberzeugung, dass in letzter Instanz die moralischen und materiel- len Interessen aller Arbeiter identisch sind und dass ihre Verteidigung die Einheit und gemeinsame Aktion der Gewerkschaften in allen Teilen der Welt erfordert. Wenn der Krieg dazu führen sollte, das Solidaritätsgefühl und den Willen zur Einheit zu zerstö- ren, dann würde er auch den Haupt- grund für die Existenz der interna- tionalen Gewerkschaftsorganisationen zerstören. Der Wille zur Welteinheit der Arbeiterkräfte gibt diesen erst ih- re Bedeutung, wenn sie auch noch weit davon entfernt sind, einheitliche Ak- tionen im Weltmasstabe durchzufüh- ren. Andererseits spielte eine „internatio- nale" Organisation, die ein Instrument nationaler oder rassistischer Gruppen ist, die nicht jenen Willen besitzen, notwendigerweise eine wenig glänzen- de und im wesentlichen reaktionäre Rolle. Der Zerfall der Arbeiterkräfte in Gruppen jener Art hätte die gleichen Ergebnisse wie jede Spaltung: die Ar- beiter unterhöhlen sich gegenseitig den Boden unter den Füssen, verbün- den sich mit ihren Klassenfeinden ge- gen andere Arbeiter, schwächen sich gegenseitig, indem sie gegeneinander kämpfen, und ohne es zu wollen, hel- fen sie ihren gemeinsamen Ausbeu- tern, die Ausbeutung aufrechtzuerhal- ten und zu festigen. Wenn die Zer- störung des Willens zur Welteinheit eines der Ergebnisse des Krieges wä- re, dann wären die Ausbeuter der Ar- beiter in der ganzen Welt die Sieger und die Arbeiter aller kapitalistischen Länder, auch der Siegerländer, wären die Besiegten . . . Die Wut ist ein schlechter Rat- geber. Sie führt dazu, dass die Menschen die Verbrecher mit ih- ren Werkzeugen verwechseln. Auf Grund der Tatsache, dass die Soldaten und Bemannungen der Flugzeuge und Unterseeboo- te, die die barbarischen Taten verüben, notwendigerweise in grosser Zahl aus der Arbeiter- klasse und der Bauernschaft der Achse kommen, und da die Kriegsindustrie, die in der Etap- pe der Achsenheere arbeitet, mit Hilfe der Arbeiter und Bauern aus diesen Ländern betrieben wird, so ist man geneigt, die Völker aller Achsenländer als aktive und bewusste Komplizen ihrer verbrecherischen Herren zu behandeln. Von hier aus bis zur Ablehnung jeden Solidari- tätsgefühls und jeder späteren Zusammenarbeit mit irgendwel- chen Gruppen aus den Achsen- ländern ist nur ein Schritt. Der gewerkschaftlich organisierte Arbeiter kann diesen Schritt je- doch nicht machen, ohne sein in- ternationales Ideal zu verraten, und ohne der Sache, die er ver- tritt, schweren Schaden anzutun. In allen Ländern der Welt ist dem Soldaten des Landheeres, der Marine und der Fliegerei die Selbstbestimmung genommen bis zu dem Grade, dass sein Wunsch zu leben, die elementarste Willenskundgebung, überhaupt nicht mehr zählt. Wenn er den Befehl dazu erhält, so marschiert er in der Blüte seiner Jugend in den sicheren Tod. Er kann die Durchführung keines Be- fehles ablehnen, ohne Gefahr zu lau- fen, erschossen zu werden, und das vielfach auf der Stelle . . • Die Industrie- und Landarbeiter in den Achsenländern befinden sich in einer sehr ähnlichen Lage wie die Sol- daten. Es ist in den demokratischen Ländern sehr schwer, diese Situation zu verstehen, aber um das zu können, braucht man nur an das Schicksal der Arbeiter in den besetzten Gebieten zu denken. Diese kann man bestimmt nicht im Verdacht haben, aktive und bewusste Komplizen der nazifaschisti- schen Unterdrücker zu sein . . . Wer die genügenden Machtmittel dazu hat, kann die heroischen antifaschistischen Arbeiter zu Sklaven des nazifaschisti- schen Kriegsapparates machen. Und die faschistischen Diktatoren haben nicht gezögert, jedes Mittel anzuwen- den, das ihren Zwecken dienlich sein könnte. Die ersten Länder, die ihrem Ansturm erlagen, waren Italien, Deutschland und Japan, und die ersten Kriegsopfer der Achse, die lange vor der offiziellen Eröffnung der Feindse- ligkeiten fielen, waren die Arbeiterge- werkschaften der Achsenländer und der von der Achse vor dem ersten Septem- ber 1939 eroberten Länder. Die inter- nationalen Transaktionen mit dem Fa- schismus haben — wenn auch nicht in allen Fällen so offensichtlich wie in München — zu all diesen Niederlagen der Gewerkschaftsbewegung beigetra- gen. Die ersten nazifaschistischen Greuel wurden gegen die Personen und Familien der Arbeiterführer in den Achsenländern verübt. Matteotti und Husemann sind nur zwei ausgewählte Namen von Tausenden. Die Erinne- rung an diese Wahrheiten sollte uns verstehen helfen, dass die Lage, in der sich die Arbeiter der Achsenlän- der befinden, völlig verschieden ist von derjenigen der Arbeiter anderer Län- der . . . In der Zeit, in der sich die Ar- beiter der Achsenländer frei or- ganisieren konnten, begingen sie taktische und strategische Feh- ler. die für sie und die Welt ver- hängnisvoll geworden sind. Un- ter jenen Arbeitern gibt es zweifellos einige, die durch ihre Niederlage davon überzeugt wurden, dass die internationale Solidarität der Arbeiter ein fal- scher Gott sei. Im Lichte der Niederlage ihres neuen Gottes werden sie von neuem ihre An- sicht ändern. Es gibt andere, die durch die Niederlage in ihren alten Ueberzeugungen nur ge- festigt wurden. Diese erwarten die Stunde der Abrechnung, sie warten darauf, dass der Krieg den Unterdrückungsapparat bis zu einem Grade schwäche, der ihnen erlaubte, ihn mit Aussicht auf Erfolg anzugreifen. Sind sie zahlreich genug, damit ihnen ge- lingen kann, was sie erhoffen? Aber einerlei welches ihre Zahl sei, wie klein sie auch sein mag, die interna- tionale Gewerkschaftsbewegung hat ihnen gegenüber, auf Grund ihrer Prinzipien und der Interessen der Ar- beiterschaft der ganzen Welt, Solida- ritätsverpflichtungen . . Sie wird in der, Achsenländern und in anderen EIN BRIEF AUS AFRIKA die Idee der internationalen Arbeiten- Solidarität verbreiten müssen. Sie wird die Arbeiter aller Länder auffordern müssen, moralisch einig zu bleiben in Erwartung des Augenblickes, wo sie sich auch physisch vereinigen können, um gemeinsam die durch die Welter- schütterung angerichtete Zerstörung, die wir zur Zeit gemeinsam erleiden, wiedergutzumachen und die Welt auf sozialistischer Grundlage neu aufzu- bauen und so einen wahren und end- gültigen Frieden zu verwirklichen. Nahezu alle deutschen Antifaschisten, die sich in Konzentrations- oder Arbeitslagern in Nordafrika befanden, sind — nach einer anzu- langen Wartezeit — ,,befreit" worden. Die „Befreiten", von denen ein grosser Teil ehemaliger Kämpfer der Internationalen Brigaden waren, die sich hatten nach Frankreich retten können, wurden vor die Wahl gestellt, sich bei dem neu gegründeten „Corps Francais" zu melden, oder dem englischen Pionierkorps beizutreten. Von einem, der den letzteren Weg gewählt hat, stammt der folgende Brief Einen Menschen wegen des Versu- ches, ein Kilogramm Nudeln ins Lager zu schmuggeln, totzuschla- gen, ist auch keine Heldentat. Dann eines Tages, nach Arbeits- schluss Kurt Ganzow, fertig zur Fahrt nach Algier machen, wieder die Gestapo. Mit Wohlgefallen führte der Herr Kommandant die Befehle der Gestapo aus, derselben, die sein Volk, seine Frau, seint Kinder mit Füssen treten. Kurt hat mit ihm gesprochen und auch die Frage des Flüchtens gestellt. Nein, also Abschied. TJnd wer ist der Näch- ste? Eine Woche später Willi Bür- ger fertigmachen. TJnd wer ist nun der Nächste, der Werner, der Gu- stav . . . oder? Arbeiten im Steinbruch, Getreide- säcke tragen, Ziegel