A OTRA ALEMANI/ Organo de los Alemans Democräticos de la America del Sur Redacciön y administraciön: Calle Tucumän 309 Buenos Aires (Argentina) U. T. Retiro 7264 Buenos Aires, 25 de Abril de 1944 Afto VII No. 80-81 m OEM INHALT Julius Braunthal: Klassen- 1 bedingtheit der Friedensziele Marcel Cassepierre: DAD im revolutionaerexi Kampf Heinz John: Die Ueberwindung der Nation Werner Zoss: UNRRa — boeses Omen Ulrich Becher: Abendltaendi. sches. Geluebde Americanus: Kriegsprofite in U.S.A. A. S.: Imperialismus und Petroleum in Palaestina Thomas Muenzer: Bergarbeiterstreik [Willi Keliler: In eigener Sache Oesterreichische Nachrichten Woluer? Wofuer sterben in diesem Weltkrieg Millionen und Abermillionen von Men- S-hen? Wofuer werden tausende an Werten ver- suchtet? Wofuer opfert i nd leidet die Menschheit schier Unertraegliches? Um die Freiheit der Voel- ker und der Individuen zu retten vor der 'barbari- schen Unterdrueckung durch den Faschismus, so wurde uns gesagt. In den vier Freiheiten der Atlantik-Charter war etwas von dem begeisternden Klang der Er- klaerung der Menschenrechte. Bei aller Un- bestimmtheit schienen sie einer neuen Epo- che der Menschheit die Tore oeffnen zu wollen.. Lang, lang ists her. Je naeher der Sieg rueckt, um so weniger ist von den ursprüng- lichen Zielen die Rede, und um so n-i^hr wachsen deshalb Ratlosigkeit und Zweifel, Unglaube und Skeptizismus im unterdrück- ten Europa wie in der ganzen Welt, obwohl sich das in der mehr oder weniger dirigier- ten Weltpresse nur unzulaenglich widerspie- gelt. Und sie enthalten immer neue Nahrung durch die Politik derer, die angeblich zur Kreuzfahrt gegen den faschistischen Menschheitsfeind auszogen. Wenn diese Politik nur allzu deutlich auf die Wiederherstellung und Rettung eines Wirtschafts- und Gesellschaftszustands hin- zielt, der mit der Dauerkrise den Faschis- mus und den Weltkrieg gebar, so traegt auch die Politik der Sowjetunion, so weit sie sichtbar und beurteilbar wird, keinerlei re- volutionaeren und sozialistischen, vielmehr einen ausgesprochen nationalen Charakter. • Wir registrieren: In Italien, erfreuen sich Badoglio und der Koenig nicht nur weiterhin der Unterstuetzung der angelsaechsischen Maechte, ihnen haben sich Stalin durch die Entsendung eines diplomatischen Vertreters und die italienishen Kom- munisten durch Forderung der Einheitsfront mit den Monarchisten zugesellt. Die franlzoesische Freiheitsregierung wird weiterhin von Roosevelt moeglichst ignoriert, der empoert war ausgerechnet ueber die Verurteilung und Erschies- sung des Verraeters Pucheu, der am Tode so vieler Antifaschisten und Juden mitschuldig ist. De Gaulle hat man ueber ein halbes Jahr ohne Antwort ge- lassen auf den Plan, den er fuer die Verwaltung Frankreichs im Zuge der Invasion vorgelegt hat. Statt zugleich mit der Invasion das franzoesische Volk zur Erhebung unter dem Banner des Freien Frankreich' aufzurufen, moechte Roosevelt die Verwaltung der befreiten franzoesischen Gebiete in das Belieben Eisenhowers, des alten Gegners von de Gaulle, Stelen. Demgegenueber hat de Gaulle oeffentlich erklaert, Frankreich brauche von niemandem Belehrungen; das franzoesische Volk wisse allein, was es zu tun habe. Das "christliche" Franco-Spanien wird trotz aller zahlreichen Proteste weiter- hin mit christlicher Naechstenliebe behandelt, obwohl es, wie auch Veroeffent- lichungen der russischen Botschaft in Washington betont haben, nach wie vor Hitlerdeutschland im Rahmen des iM'oegiichen unterstuetzt und die fa- schistischen Tendenzen in Suedamerika foerdert. 'Die Vereinigten Staaten be- muehen sich auch dadurch uim seine Foerderung, dass sie die Weltausstellung in Barcelona beschicken werden. Polen soll fuer die von der Sowjetunion beanspruchten Gebiete durch Ost- preussen entschaedigt werden. Darueber herrscht bereits Einverständnis. Noch nicht gesagt worden ist, ob die reindeutsche Bevoelkerung auswandern und wo sie Platz finden soll. Wohl aber sind sich die reaktionaeren polnischen Kreise in London und das polnische Freiheitskomitee in London darin einig, dass sie ausserdem ganz Westpreussen mit Danzig, Sch'esien und Pommern bis zur Oder beanspruchen. Im ganzen handelt _e,s sich dabei um etwa 9 Mil- lionen Deutsche, die ausgesiedelt werden sollen. "Was das Deutsche Freiheits- kömitee in Moskau mit seinen schwarz-weiss-roten Offizieren dazu sagt, ist noch nicht bekannt geworden. Armes Europa, wenn statt deiner Organisierung1 al/ Staatengemeinschaft, die allein Faschismus, Aggression und Krieg unmoeglich machen koennte, die alten Methoden des Grenzschachers angewendet werden sollen, verbessert durch Austreibung ganzer Bevoelkerungen nsch dem Muster orientalischer Despoten und der Nazigangster! In England hat Churchill erklaert, es muessten "neue Beratungen stattfinden bezueglich der Anwendung der Atlantik-Charter angesichts der Veraenderun- gen, die sich im Kr'iegsverlauf ergeben haben (!)" Er hat das dahin substan- tiiert, dass die Gegner, vor allem Deutschland, nicht unter die Versprechungen der Atlantik-Charter fielen, sondern voellig von der Gnade der Sieger ab- haengig seien. Nichts kann mehr als diese Erklaerung Hitler und Goebbels dabei helfen, das verzweifelte Volk zum Ausharren anzufeuern und den Kampf der Illegalen zu erschweren. Seine inneren Kritiker hat Churchill im Unterhaus in aeusserst demagogi- seiner Weise als Nichtstuer und verantwortungslose Schwaetzer hingestellt, beinahe nach der Melodie: "Ich dulde keinen Widerspruch." Und noch deut- licher hat er diese Auffassung seiner Stellung dadurch gezeigt, dass er die ganz unpolitische und nebensaechliche Frage der Lehrerinnengehaelter zum Anlass genommen hat, dem Parlament seinen Willen aufzuzwingen und unbedingte Gefolgschaft zu verlangen. Was dhurchill endlich vor dem Unterhaus ueber die im Innern beabsichtigten Reformen! gesagt hat, ging an allem Grundsaetzlichen einer wirtschaftlichen und sozialen Neuordnung vorbei und beschraenkte sich auf Fragen der Hy- giene, des Wohnungsbaus und der Schulen. In USA hat Cordeil Hull in 17 Punkten ein Programm formuliert, das sich in besonders hohem Grade durch vage Allgemeinheiten ohne jede brauchbare Konkretisierung auszeichnet. Sehr konkret dagegen ist die Ausschaltung der Arbeiterorganisationen aus der Leitung der Dinge und die Besetzung wichtig- ■ ster Positionen mit Maennern des big business. Sehr konkret sind auch die von hoechsten Beamten ausgesprochenen und in Kommissionen beratenen Plaene der Nachkriegsrue.stung, die USA eine weltbeherrschende Stellung ge- ben sollen. So wenig wir frueher die Pax ^Britannica bejaht haben, so wenig Giutes er- warten wir heute von einer Pax Ameriaana. Sollte die Herrschaft der kapita- listischsten Macht der Welt Wirklichkeit werden, so muesste man unsere Frage "Wofuer?" mit tiefem Pessimismus beantworten, so muesste iman mit dem Fortbestehen und Wachsen der Gesamtkrise von Wirtschaft, Politik und Kul- tur und mit der daraus entstehenden Katastrophe des neuen Weltkriegs als etwas Gegebenem rechnen. M'an hoert diese Meinung kaum in der Presse, jedoch haeufig in Gespraechen. Aber wir sind nicht pessimistisch. Ebensowenig wie wir jemals an den Sieg der Hitlerdiktatur geglaubt haben, glauben wir an die Moeglichkeit der Sta- bilisierung der totkranken kapitalistischen Wirtschafts- und Klassenordnung. Ihre Ueberwindung ist das Gebot der Zeit. Die Kraefte dafuer sammeln sich in den Konzeitrationslagern und in den illegalen Bewegungen Europa,s in der franzoesischen Freiheitsbewegung und trotz der kompromissfreudigen Fueh- rung in der englischen Arbeiterschaft. Diese Kraefte des Neuen werden sich stuetzen koennen auf die durch Erfahrungen und Enttaeuschungen zu Er- kenntnissen und zum Wollen heranreifenden Massen des arbeitenden Volkes. Unvernunft der Regierenden mag dazu fu ehren, dass sich die Vernunft der Geschichte in muehsameren und opferreicheren Kaempfen durchsetzt, aber sie wird auf die Dauer ihren Sieg nicht verhindern koennen. Thomas Muenzer JULIUS BRAUNTHAL: Die Klassenbedingtheit der Friedensziele Julius Braunthal wendet sich in "Lest News", London, gegen die beabsichtigte Verschwommenheit in der Proklamierung der Frieddhsziele, die ebenso wie 19*18 viele Arbeiter zu dem Irrtum verfuehrte-, dass die kapitalistische Klasse und ihre-fuehrenden Vertreter fuer Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der gleichen Weise wie die Arbeiterschaft eintraeten. Demgegenüber betont Braun- thal, dass sich aus der Verschiedenheit der Klassenlage eine verschiedene Denkweise ergeben muss: "Menschen koennen sich nicht losiloe- sen vom snzialen und oekonomischen Milieu, den Traditionen und den Auf- fassungen menschlicher Angelegen- heiten. Die Geisteshaltung der Angehörigen der besitzenden Klassen — Einzelne ausgenommen — ist gekennzeichnet durch das Ziel der Aufrechterhaßtung und womoeglich der Vermehrung ih- res Besitzes in einer entsprechenden Gesellschaft. Fuer sie ist die glänze Welt nur ein einziges weites Schlacht- feld, aas dem ein dauernder Existenz- kampf aller gegen alle tobt, jeder muss in seiner eigenen Lebenssphaere diesen Kampf fuehren, iden Kampf gegen Konkurrenten, um innere und aeussere Maerkte, gegen wachsende Forderungen seiner Arbeiter. Infolge seiner eigenen Erfahrungen und einer sehr langen Tradition ist er davon ueberzeugt, dass jeder gegen jeden um trein Leben zu kaempfen hat. Diese Er- fahrung und diese Tradition spiegeln sich wieder in seinem internationalen Standpunkt. Er sieht die Nationen ebenfalls im einem unaufhoeriichen Kampf gegeneinander tum Macht, Reichtum, fremde Maerkte, Einfluss- sphaeren, Rohstoffgebiete. Und wie es Ihm unmoeglich ist, sich eine Gesell- schaft vorzustellen, die auf einer soli- darischen Wirtschaft basiert, die das individuelle Profitstreben durch das Prinzip des Gemeinwohls ersetzt und die entsprechende Wirtschaftsform diurch die Planwirtschaft, so kann er sich eine solidarische internationale Ordnung nicht vorstellen, die ueber den nationalen Staaten steht. Inter- nationale Solida ritaet ist fuer ihn eine Phrase, ein Wort ohne jeden Sinn, und internationales Gesetz ist in sei- ner gegenwaertigen Anwendung Ge- setz, welches den Besitz des Starken gegen die Forderungen des Schwachen schuetzen kt 11. Als Deutschland im Kampf zweier rivalisierender imperia- listischer Gruppen geschlagen war, dachten die kapitalistischen Interes- senten natuerlich nur daran, dem Be- siegten Bedingungen aufzuerlegen, wie die Sieger sie von jeher dem Besiegten auferlegt haben. Das wirtschaftliche und soziale Milieu der Arbeiter ist voellig anders; die Be- dingtungen ihres Wohlergehens und al- so ihrer Moiral sind grundsaetzJich verschieden .Lord Acton hat schon vor langer Zeit erkannt, dass politische Gegensaetze im Unterschied zu refti- gloesen eine verschiedene Moral ein- Schliessen. Der Arbeiterschaft wurde immer mehr klar, dass ihr Wohlerge- hen vom Fortschritt der Klass ensoli- idlariiaet und der Ueberwindung der Konkurrenz zwischen den Arbeitern abhing. Deshalb schufen sie nationale Gewerkschaften und Parteien ate Werkzeuge fuer ihre Ziele. Ebenso schufen sie Interesseneinheit zwischen den Arbeitern aller Laender,, indem sie Arbeiter-Internationalen auf politi- schem und industriellem Gebiet gruen. deten. In ihrem langen Kampf zur Ueberwindung ihrer unter,geordneten sozialen und wirtschaftlichen Lage wurden sie angefeuert durch das ur- alte Evangelium der Gleichheit aller Menschen. Die Forderung der inter- nationalen Solidaritaet ist also ein Teil ihrer geistigen Tradition." B. betont dann, dass im vorigen Krieg die westlichen Demokratien der Auf- fassung der Arbeiter angepasste Frie- densziele verkuendeten, dann aber das Gegenteil taten. Aufs neue sei die Fra- ge, ob :die kapitalistische oder die Ar- beiterklasse ihre Ziele durchsetzen wer- de. Die Kapitalisten koe'nnten den an- gehaeuften Hass ausnutzen, um, aus dem entscheidendsten und schwierigs- ten Moment der menschlichen. Ge- schichte den tragischsten z:u machen. Die Aufgabe, vor der die Arbeiterklasse stehe, sei 'ungeheuer. Deshalb muesse sie noch waehrenc; des Krieges in An- griff genommen werden. In interna- tionalerC Zusammenarbeit muessten schon jetzt die Friedensziele aufge- stellt werden. B. schliesst: "Wenn es das Ziel des Grosskapitals ist — wie das verschiedene Friedens- pia ene prominenter Konservativer ver- schiedener Laender zeigen —, die Tei- lung Europas zu verewigen und zu ver. schaerfen, so erfordern die Interessen der Arbeiterklasse der ganzen Welt sicherlich die Einheit Europas. Die er- stere Auffassung erstrebt nur ein neues Gleichgewicht der Kraefte, die zweite eine universale Neuordnung] Die erste Auffassung traegt den Keim kuenfti- ger Kriege in sich, die zweite legt den Grundstein zu dauerndem Frieden. Hier liegt der Gegensatz zwischen Ka- pital und Arbeit, kapitalistischen In- teressen und Gesamtinteresse. Hier wird der Klassencharakter der Frie- densziele deutlich." Kein wahrer Friede» ohne ein einiges Europa ES Ist erfreulich, zu beobachten, wie die Stimmen in Nordamerika sich mehren, die vertuenden. dass ein Friede, wie ihn die drei Verbuendeten —[ England, Sowjetrussland und USA — Europa auferlegen moech.ten, keine dauernde Loesung bieten kann. In juengster Zeit haben dazu William c. Builitt. ehemaliger nordamerikani- scher Botschafter in Moskau und Paris, und die schon mehrfach von uns zi- tierte klarblickende Journalistin Dorothy Thompson Stellung genommen. William Builitt: "Am .Binde .jedes grossen .Krieges kommt ein Augenblick, in dem die Welt schmiedbar wird, eine kurze Pe- riode, in der das menschliche Leben von den Fuehren der Voelker geformt wenden kann. Ist diese Periode vor. ueber, so werden die menschlichen Einrichtungen wieder starr und hart, bis sie spaeter im Schmelztiegel des Krieges abermals umgeschmolzen werden. Wenn die Staatsmaenner in der Periode in der die Welt fluessig ist, gute Arbeit verrichten, dann brin- gen sie das Leben in eine Form, die der Sehnsucht der anstaendigen Men- schen nach Freiheit und Frieden bes-' .ser entspricht. Ist ihre Arbeit schlecht. dann schaffen sie weder Frieden noch Freiheit, sondern einen unsicheren Waffenstillstand, den sie "Frieden" nennen, bis er in einem neuen Kon- flikt zusammenbricht. Wir stehen am Anfang einer solchen Periode der "Flüssigkeit"... Das Europaprcblem ist das Zentral- problem dieses Krieges, wie es das Zentralproblem des letzten Kriegs war. Wenn das europaeische Friedenspro- blem nicht geloest werden kann, wer- den wir nach diesem Krieg ebenso wenig Frieden haben wie nach dem ihm vorausgegangenen. Wenn die dreissig Voelker Europas — mehr als 250 Millionen der tuechtigsten und hoechstentwickelten Individuen der Erde _ abermals ohne eine Art foe- derativer Organisation bleiben, die sie in eine Friedensgemeinschaft einbe- Dorothy Thompson: "Dies ist das erste Mal in der Ge- schichte der westlichen Zivilisation, dass Entscheidungen ueber Europa ge- zieht, so werden wir uns in einer nicht zu fernen Zukunft abermals in einen neuen europaeischen Krieg verwickelt finden... Wie werden die Staatsmaenner von heute die »rosse Probe Europa be- stehen? Bevor Mr. Churchill Premierminister wurde, schrieb er Artikel fuer die Ver- einigten Staaten von Europa. In den letzten Monaten aber haben Wir von gewissen englischen Politikern, niieht von Churchill, den Vorschlag gehoert, Europa solle in zwei Einfluss-Sphae- ren aufgeteilt und so in Ruhe gehal- ten werden. Ost-, iSuedost- und Mittel- europa sollten zu Russland geworfen werden, der Rest zu England. So sollte ganz Europa unter die Schutzherr- schaft dieser beiden nichteuropae- !sehen Maechte gestellt werden. Das ist eine sichere Formiel zur Er- zeugung eines neuen Weltkrieges. Eine solche Aufteilung Europas in zwei Sphaeren, eine kommunistische und eine kapitalistische, wuerde zwangs- laeu-tig zu Revolutionen und Konter- revolutionen fuehren, zu einem euro- paeischen Buergerkrieg und schliess- lich zu einem englisch-russischen Krieg, in den wir unzweifelhaft mit hineingezogen wuerden... Es muessen nicht gerade die Verei- nigten Staaten von Europa sein, so wie Churchill einst ueber sie geschrie- ben hat. Aber irgend eine Art von eu- ropaeischer Foederation ist fuer den Frieden Europas lebenswichtig." faellt werden, ohne dass eine einzige kontinental-europaeische Macht daran beteiligt war. 3 - Das Faktum, das implicite hinter der Moskauer Konferenz steht und das jetzt alle europaeischen Nationen — ohne Ausnahme —■ a's ganz schwerer Schlag treffen muss, ist der Umstand, dass faktisch saemtliche Voelker Eu- ropas unter die Besiegten# gerechnet werden... Eis gibt eine politische Richtung, die eine "Balkanisierung" von ganz Eu- ropa kommen sieht, eine Wiederher- stellung vieler kleinerer Nationalstaa- ten, denen man vielleicht gestatten wird, regionale Vertraege miteinander abzuschl Jessen, insoweit dabei die grossen "Einfluss-Sphaeren nicht be- eintraechtigt werden. Wir haetten dann einen iZustand, bei dem, in diesem neuen "europäischen Gleichgewicht", ueberall der eine ge- gen den anderen, die leine Gruppe ge- gen die andere stehen wird, in der kommenden und lange dauernden Pe- riode dies Durch- und Gegenein anders, die bei einer derartigen Loesung selbstverständlich waere, wuerden dann die drei W el t-Grossmaechtj b, England, Russland und die USA — oder vielleicht sogar nur zwei von ih- nen, naemlich England und Russland: — in den ihnen zugeteilten "Interes- sen-Sphaieren" Schiedsrichter und zu- gleich Polizist sein... Die Idee, man koennte dieses Europa, dieses "Nervenzentrum der Welt", dau- ernd zum "Satelliten" der drei aus- waiertigen Weltmaeehte machen, ist absurd... Gewiss: Europa, wird fuev vora'ussehbare Zeit seine fruehere do- minierende Stellung in der Weitpoli- tik nicht wieder erlangen. Es wird keine "Europaeisierte Welt" geben. Amerika und Russland sind lebende Beweisstücke fuer diese Tatsache. Aber das ist ein Grund mehr dafuer, dass es eben doch in Zukunft ein "Eu- ropaeisiertes Europa" geben wird. Eine solche Entwicklung wird erst die wah- tl£' "Befreiung" Europas darstellen. Alle anderen sogenannten "Befreiun- gen" wuerden sich als von zweifel- haftem Wert und von noch zweifel- hafterer Dauer erweisen. In der Antwort auf die Frage nach der Zukunft Europas liegt gleich- zeitig die in Bezug auf die Zukunft Deutschlands. Es gibt eben ueber- haupt keine vernuenftige Lcesung des "deutschen Problems", wenn man das kuenftige Deutschland nicht so orga- nisieren kann, dass es in den kuenf- tigen europaeischen Aufbau hinein- passt:'-' Stimmen zur deutschen Frage Dr1. Christina Gauss, Dekan dein Prin- ceton University: "Viele Leute fragen, Wo die Fuehrerschaft in Deutschland herkommen soll. Die beste Antwort ist: wahrscheinlich aus den Konzen- trationslagern. Es gibt 71 solche La- ger, in denen sich 1.200.000 Deutsche, nur ein Bruchteil Juden, befanden. Sie haben am schwersten gelitten, und erkennen zutiefst, dass die Staatsform, die Preussen erzwang und die Hitler ausnuetzte, ein hoffnungsloser Ana- chronismus ißt. Wenn diese Lager ge- oeffnet und ihre Gefangenen, freige- lassen werden, dann hoffe ich, sie und Wir werden einig darin sein, dass die schliessliche "Loesung fuer Deutschland und Europa nur in einer weniger na- tionalistischen Union oder Foederation innerhalb einer viel geeinteren unid demokratischeren Welt gefunden wer- den kann." Robert |M. Rayner im "Daily Express": "Kann man vernuenftigerweise auch nur 30 Jahre gemeinsamer Bemue- hungen der jetzigen Sieger bei der Niederhaltung Deutschlands gegen sei- nen Willen erwarten? Blosse Unter- drueckunlg wird alte Wunden offen halten, und sobald ein Mangel an Ei- nigkeit unter den Alliierten ihrer. Griff lockert, wird die alte Geschichte von Gewalt und Terror wieder von vorn beginnen." Louis Fischer in "Atlantic Monthly" meint, die Alliierten muessten schon jetzt erklaeren, dass das deutsche Pro- blem nur zu loesen sei, indem man einer deutschen demokratischen Revo- lution den Weg frei gebe und die fremde Kontrolle Deutschlands moeg- lichst abkuerze. Ebenso treten J. Marshall in "Satur- day Review of Literature" und H. Soffner in "Survey Graphic" gegenj die Verhinderung und fuer die Unter- setzung der deutschen Revolution durch die Siegermaechte ein. Alexei Tolstoi in "Central European Observer" macht dagegen das ganze deutsche Volk verantwortlich und for- dert Rasche. "The Tribune", London: Die "Union deutscher sozialistischer Organisatio- nen in Grossbritannien" hat an alle deutschen Antifaschisten einen Aufruf erlassen. Ein Auszug aus diesem Ap- pell wurde der BBC angeboten. Die BBC lehnte es ab, von dem Aufruf Gebrauch zu machen. Eine Entschei- dung dieser Art ist offensichtlich von dem Beamten der BBC nicht auf ei- gene Verantwortung gefaellt worden, sondern es muss auf Grund von In- struktionen des Foreign Office ge- schehen sein. Was ist gegenwaertig die Politik des Foreign Office gegen- ueber Deutschland, wenn sie nicht •darin besteht, jede echte innere Oppo- ition zu unterstuetzen? Churchill und die "Times": In seiner grossen Rede vor dem Unterhaus hat Churchill erklaert, dass die Atlantik- Charter nicht fuer Deutschland gilt. Er hat kein; Wort gefunden fuer das andere Deutschland der Konzentra- tionslagelr, der illegalen Käempfer und der politischen Emigranten, mit dem er augenscheinlich ebensowenig zusammenarbeiten will Wie mit den .italienischen Arbeitern und Demokra- ten. Deutschland ist nach seiner Nie- derlage lediglich auf den guten Willen und die Grossmut der Sieger ange- wiesen. Fuer Deutschland1 gibt es also auch nicht die eigene Entscheidung Kur Vernichtung von Nazismus und Militarismus und zur Errichtung einer Wirtschaftlich und sozial fundierten Demokratie und ueberhaupt nicht die Freiheiten und Rechte, welche die At- lantik-Charter den Individuen und den Voelkern zubilligt. Sie stehen aus- serhalb der neuen Rechtsordnung, ei- nerlei ob sie Nazis sind, oder ob sie — frueher als die ganze uebrige We'.t — einen verzweifelten Kampf gegen Hitler und den Nazismus gefuehrt ha- ben. Die "Times" fordern in einem merkwuerdigen Gegensatz zu Chur- chill, dass Deutschland eine starke Macht bleiben muesse: "Die kuenftige Gesundheit Europas fordert die Exi- stenz eines politisch und wirtschaft- lieh starken Deutschland, das in ein internationales System eingegliedert ist, das eine Benutzung seiner Kraft zu neuen Angriffen zu verhindern vermag." Emil Ivudwig: Die Telegrafenagentu- ren und die grosse Fresse halten es fuer notwendig, von Zeit zu Zeit ihre Leser davon zu unterrichten, was fuer neue Beschimpfungen des deutschen Volks und was fuer Vorschlaege fuet seine Bestrafung und "Erziehung" dei Feder "des bekannten Biographen und Historikers!-!)" entquollen sind. Und das nordamerikanische Aussenami leiht ihm sein geneigtes Ohr. Emi] Ludwig kann sich also in seiner hi- storischen Bedeutung und Groessc sonnen. Aber es sind doch nicht riui Sozialisten wie Angelika Balabanoff die etwas Wermut 'in seinen Freuden, kelch giessen. Hannah Arendt erin- nert ihn im "Aufbau" an seinen schiei grenzenlosen Opportunismus, der ihr frueher, als das noch Mode war, "die alldeutsche Couleur des damaliger deutschen Imperialismus" und spaetei "die faschistische Couleur des italie- nischen Imperialismus" tragen liess Und "Manchester Guardian" schreibt ueber sein Buch "Die Deutschen": "Als konzis kann man Herrn Ludwig: Analyse des deutschen Charakters vor der Roemerzeit bis fcur Gegenwart nicht bezeichnen, irgendwo verste>ck1 in diesem Sturzbach deutscher Platt heit und deutscher Grasschnauzigkeii Ist anscheinend eine Idee — irgend- was ueber den Konflikt zwischen dm Individuum und der Unterordnung unter den Staat in jedem Deutschen; keine sehr tiefgruendige Idee, wenn der Leser sie ueberhaupt auszugraben Vermag. Dieses Buch ist wohl so wie alle die anderen Buecher, die Herr Ludwig je schrieb, und wem die ge- fallen haben, dem wird zweifellos die- Res ' gleichfalls gefallen; wer seine frueheren Buecher nicht kennt, kann aus diesem lernen, dass er nichts ver- saeumt hat." Dorothy Thompson: "Wenn unsere gegen wa er tigen Plaene 'ausgefuehrt Werden, dann werden wir einen histo- rischen Prozess daran hindern, sich keiner Natur entsprechend zru entwic- keln. Die Naziverbrecher werden dann unsere Opfer sein, aber nicht die Op- fer des Zornes ihrer eigenen Nation. Was immer den Deutschen an Ver- besserungen zuteil werden wird — de- mokratische Freiheit und unpartei- ische Rechtspflege — wird ihnen als HEINZ JOHN: Die Ueberwindung der Die Weltgeschichte zeigt eine deutlich erkennbare Entwicklungslinie von der kleinsten menschlichen Gemeinschaft zur groesseren und immer groesseren Einheit. Von der Sippe fuehrt sie ueber den Stadtstaat und den Feudal- staat schliesslich zur Nation. Fort- schreitende wirtschaftliche und: tech- nische Entwicklung sprengte jedesmal den engen politischen Rahmen des Bestehenden und wies gebieterisch ueber seine ueberlebte Form hinaus. Da die herrschenden Gewalten, die beim Uebergang von der gegebenen zur kommenden staatlichen Wirklich- keit an Macht verlieren mussten, fast niemals freiwillig auf ihre vorteilhaf- ten Positionen verzichteten, ging diese Entwicklung nur selten friedlich und geradlinig vor sich. In Europa fegten Im 19. Jahrhundert die Napoleoni- schen Kriege eine Menge kleiner Staa- ten weg; die nationale Einigung Deutschlands und Italiens holte voll- Geschenk von Auslaendern kommen, nicht a's etwas, das sie durch eigene Leistung erworben haben. Um Deutschland nach der Niederlage alle Angriffswaffen wegzunehmen, dazu bedarf es keiner langwierigen Beset- zung und Verwaltung. Wenn zu er- warten ist, dass in Deutschland der Bürgerkrieg ausbricht, warum sollen wir d:eses Ereignis nicht ruhig abwar- ten Sollen wir uns dazu entschließ- sen, die Loesung der deutschen Wir- ren den Deutschen zu ueber'assen, und nur nach unserem eigenen Schutz zu sehen, so* koennten wir eine solche Politik desto besser zur Beeinflussung der inneren Lage Deutschlands benut- zen, je rascher wir uns dazu ent- schließen wuerden, sie offiziell zu der unseren zu machen... Und von unse- rem eigenen Standpunkt aus koennte eine solche Besetzung zu nichts nuet- zen, nichts — in jedem Sinne des Wortes." Nation tisch nach, was wirtschaftlich schon laengst Tatsache war; das Ende des Ersten Weltkrieges fuegte der noch immer recht bunten Landkarte des alten Kontinents eine Anzahl von Kleinstaaten hinzu, deren Existenz als politische 'Gebilde unter dem Ge- sichtspunkt des Selbstbestimmungs- rechtes der Voelker allenfalls noch zu rechtfertigen war, die als selbstaen- dige Wirts,ehaftsraeume aber schon Anachronismen darstellten. Die?e letzten Endes ruecklaeufige Ent- wicklung suchten die europaeischen Staatsmaenner allerdings durch die Schaffung eines internationalen Par- laments in Gestalt des Voelkerbundes auszugleichen. Da er alles andere, nur kein wirklicher Bund der Voelker war, blieb er eine kostspielige Staette der wohlklingenden Reden zum Fenster hinaus und des diplomatischen Scha- chers hinter den Kulissen. Die Maen- ner, die als Vertreter ihrer Nationen nach Genf entsandt wurden, zuver- laessige Funktionaere ihrer Regierun- gen, kennten weder die Wilson&che Idee richtig erfassen, noch gar dar, ueber hinaus schoepferisch neue Wege weisen. Sie waren der historischen Forderung der Stunde nicht gewach- sen, genau so wenig wie die sozialisti- schen. Parteifunktionaere, die allent- halben in Europa zur Macht gelang- ten, einer wirklichen Umformung des bürgerlichen Staates gewachsen wa- ren. Diese Forderung der Stunde aber hiess fuer Europa auf internatlona- lem Gebiet: Ueberwindung der Nation. Gemessen an der durch die technische Vervollkommnung der Verkehrsmittel erreichten Verkuerzung aller Entfer- nungen, war Europa sehr klein gewor- den. Auf wirtschaftlichem Gebiet war die internationale Verflechtung staen- dig im Wachsen begriffen; manche Staaten waren derart auf gegenseitige Ergaenzung angewiesen, dass sich lo- gisch zusammengeheerige Wirtschafts- gebiete herauskristallisierten, die von den Grenzlinien mehrerer «Staaten WiLkuerlich zerschnitten wurden. Den- noch schlug engstirnigster nationaler Duenkel hohe Wellen. Autarkiebestre- bungen, Aufruestung, die kulturelle Entwicklung hemmende und den all- gemeinen Fortschritt belastende Miii- taerbudgets, starker und meist un- heilvoller Einfluss eines unverhaelt- nisimaessig aufgetolaehten Offiziers- korps schufen jene Atmosphaere, die zusammen mit einem verderblichen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem zu Faschismus und neuem Weltkrieg fuehrte. Bis in ihre tiefsten Tiefen aufgewuehlt, begann die Menschheit nach den Ursachen und den Wegen zur Vermeidung einer derartigen Ka- tastrophe zu forschen, und die Ge- danken derer; die neue Formen der Wirtschaft und des staatlichen Zu- sammenlebens forderten, fanden, be- sonders bei Beginn des Ringens, auch in Kreisen Beachtung, die bisher dem Verlangen nach diesen Reformen gleiebgueltig oder gar ablehnend ge- genueber gestanden hatten. Je mehr der Krieg sich jedoch in die Laenge zieht, desto geringer scheint ihr Wi- derhall zu werden. In den besetzten und brutalisierten Laendern ergeben wir ein an sich durchaus begreifliches Aufflammen nationaler, selbst natio- nalistischer und chauvinistischer Ten- denzen, von denen selbst bisher welt- offene und im besten Sinne demokra- tische Vcelker nicht frei sind. Aber nicht nur die okkupierten Laender Europas machen diese Entwicklung durch, selbst die Sowjetunion unter- nimmt deutlich sichtbare und geflis- sentlich unterstrichene Schritte von der internationalen Ideologie aum Na- tionalstaat. In neutralen und vom Kriegsschauplatz weit entfernten Laendern schlaegt der Nationalismus kuriose FurzeVbaeume, und sogar ein so internationales Vo k wie die Ju- den ferdert staerker und lauter denn je zuvor seinen Nationalstaat. Fast hoffnungslos scheint angesichts dieser Sachlage die Forderung nach Ueberwindung der Nation, nach Aufgabe eines grossen Teils der na- tionalen Souveraenitaet. Aber so sehr sich auch heute die Vision dessen, was werden muesste, verloren zu ha- ben scheint, Ansaetze zu einem ver- nuenftigen Konzept der kommenden Dinge sind dennoch in den verschie- densten Lagern vorhanden. Weiter blickende Staatsmaenner in USA tre- ten iceffentlich gegen eine Wieder- holung der sterilen Isolationspolitik auf; grosse Teile der englischen Ar- beiterpartei bekennen sich' zu efner von Grund auf neu organisierten Welt; in den Kreisen der europaeischen Emigration, besonders bei den Spa- niern, den Franzosen und den Tsche- chen sind sehr erfreuliche Worte ge- sprochen worden; und auch die russi- sche Politik ist bei aller augenblick- lichen Unuebersichtlichkeit noch nicht in reaktionaerem Sinne definiert. Die grosse Unbekannte bei allen diesen Zukunftsspekulatiicnen sind die Mas- sen Europas, ueber deren Auffassun- gen sowohl als auch ueber den Grad Ihres Einflusses bei der Gestaltung der Nachkriegswelt sieh heute noch nichts Sicheres aussagen laesst. Sicher ist, dass die nationale Souve, raenitaet mit ihren Gefahren -fuer eine Wirtschaftlich und technisch laengst ueber sie hinausgeschrittene Menschheit nicht ueberwunden wer- den wird, solange kapitalistisches Profitstreben an ihrer Erhaltung we- sentlich interessiert ist. Moege ein kommender Voelkerbund gestaltet sein, Wie er wolle, bei Beibehaltung des kapitalistischen Gesellschaftssystems kann sein Vorhandensein bestenfalls hinauszoegernde Wirkung haben, nie- mals aber einen dritten Weltkrieg ver- kneten. Selbst ein mehr als bisher vom Staate kontrollierter Kapitalis- mus muesste auf Grund seines inne- ren Gesetzes frueher oder spaeter mit dem sozialistischen Totalitarismus der Sowjetunion zrusammenstossen. Die europaeische Einigung als erster Schritt zur Welteinigung mag ihre besonderen Schwierigkeiten haben. Es gilt, eine Gemeinschaft aus sprach- und wesensfremden Elementen zu schaffen. Aber so wie die Quislinge der Alten Welt diese Schwierigkeiten ueberwanden, so muessten die befrei- ten Voelker sie hundertmal leichter ueberwinden koennen. statt des ewi- gen Beispiels der Schweiz sei nur auf Russland hingewiesen, dessen Staats- gemeinschaft aus den heterogensten Bestandteilen zusammengesetzt ist. Die Nuitzniesser des Nationalismus, die stimmgewaltigen Propagandisten der "ewigen Werte" der Nation, sind selber internationaler, als die kuehn- ste sozialistische Propaganda jemals fordern koennte. Ihre yoelkisch ver- braemte Internationalitaet hat ihnen persoenlich stets zum Vorteil ausge- schlagen. Die internationale Ver- schmelzung der Voelker koennte allen au ungeahnter Bluete verhelfen. Eine so grundlegende iVeraenderung wird sich nicht von heute auf mor- gen bewerkstelligen lassen, sie muss organisch wachsen, sie muss organi- satorisch vorbereitet werden. Es gilt, allmaehlich den Hass abzubauen, neue Bindungen zu schaffen. Aber schon die ersten vorbereitenden Schritte muessen kuehn, ja, von revolutionae. rer Kuehnheit sein. Es darf so gut wie keine eigenen inneren Angelegen- heiten eines Staates mehr geben. Wenn in einem Lande die Presse zen- suriert und an einer wahrheitsgemaes- sen Darstellung der Verhaeltnisse ge- hindert wird, wenn in einem Lande eine Partei geduldet wird, die die Vernichtung der demokratischen leo- logie propagiert, wenn in einem Lande eine Minderheit wegen ihrer Zugehoe- rigkeit zu einer anderen Rasse, einem anderen Volke oder einer anderen Re- ligion verfolgt wird, so geht das alle an. Und es darf keine Ausnahmen von der allgemeinen Planung des Friedens und des Fortschritts geben. Ein, Land kann unmoeglich seine Jugend zum Frieden erziehen, wenn im Nachbar- lande den Kindern der Hass gepre- digt wird, ein Land kann keine Volks- hochschulen bauen, wenn ueber der Grenze Kasernen errichtet werden, ein Land kann nicht Traktoren erzeugen, wenn der Nachbar Tanks am laufen- den Bande herstellt. Diese--"ganz neuen Aufgaben erfordern neue Maenner, Menschen, die selbst die Nation ueberwunden, di'e kapita- listische Wirtschaftsordnung be- kaempft haben. Wenn die Sieger- maechte die Arbeit dieser Leute sabo- tieren und verhindern, wenn sie nicht faehig sind, an ihre eigene Spitze Maenner mit klarer Zukunftsvision zu stellen, dann werden sie selbst sehr bald die Leidtragenden ihrer Kurz- sichtigkeit sein. • Die Nation als Synonym fuer wirt- schaftliche Eigenbroetelei und waffen- klirrende Ueberheblichkeit muss ver- schwinden. Sie kann aber nur ueber- wanden werden zusammen mit dem sinnlosen Wirtschaftssystem, zu des- sen Kulisse sie geworden ist. In Rio de Janeiro ist DAD erhaeltlich in der Livraria Janetti, Rua Bolivar 45 (Cöpaeabana). — 10 — MARCEL CASSEPIERRE: Das Andere Deutschland im revolutionären Kampf Gegenueber politischen oder imiiitae- rischen Tagesereignissen zeigt sich der brave Mann oft verwirrt, indes dem revolutioaaeren Sozialisten ein unfehlbares Kriterium zu deren ver- Btaendriiis zur Verfuegung steht: die Klassenfront. Besonders seit 1936 ist unleugbar, dass die kapitalistische Festung sLch stark erschuettert fuehlt und um die nackte Existenz kaempft. Es eruebrigt sich, darauf hinzuweisen, dass der "Um- bruch" in Deutschland als ein erster Wall gegen die anrollenden Wogen der Revolution anzusehen ist. Heute ist dieser Wall am Zusammenbrechen. Wir sehen, wie hinter ihm ein neuer Sichutizwall errichtet wird. Wir franzoesischen Proletarier haben im Juni 1936, nach den Volksfront- wahlen, den Hauch des Sieges ver- spuert. Die Fabriken waren besetzt. Die Kapitalisten, deren Verteidigungs- linien ueberrumpelc worden waren, la- gen auf den Knien. Die Matignon-Ab- kornmen gestanden den Arbeitern mehr zu, als sie von diesem ersten Kampf zu erwarten gewagt hatten. In diesem Augenblick haben die Lei- ter der Volksfront-Bewegung nicht den Mut gehabt, weiterzugehen. Die Uebernahme der Fabriken und ihre Unterstellung unter die Kontrolle der Arbeiter waere in eine friedliche Re- volution von unberechenbaren Folgen gemuendet. Eine revolutionärere Regierung in Frankreich im Juni 1936: das bedeu- tete sicheren Sieg der spanischen Re- publik, den Sturz Mussolinis, der zu jener 'Zeit keineswegs fest im Sattel sass und — da nichts sich so ausbrei- tet wie eine revolutioniere Bewegung — den Sturz Hitlers. Teilstreiks bei Ofpel und in anderen Werken der Metallindustrie waren kennzeichnende Symptome. Infolge der Unfaebigkeit, des Mangels an Energie und des Verrats gewisser Arbeiterführer hat der Kapitalismus seine Krise ueberstehen koennen. Aber er hat begriffen, in welcher Gefahr er sich befunden hattte. Er hat seine Massnahmen ergriffen, um die Wie- derholung einer solchen Situation zu verhindern. Das erste Hindernis, Blum und seine Regierung. wurden vom franzoesischen Senat ueber Finanz- projekten zu Fall gebracht. Blum hat nicht verstanden, an das Volk zu ap- pellieren, das ihm eigentlich nur un- gern seine Stimme gegeben hatte, aber das in der Volksfront einen Wall gegen den seit Februar 1934 drohen- den Faschismus in Frankreich gese- hen hatte und bereit war, ihm zu fol- gen. Die reaktionaere Regierung, die nun folgte, war sich klar darueber, dass nur das gute Einvernehmen mit Hitler verhindern konnte, dass bei den Wahlen von 1944 das Volk defini- tiv den Sieg erringen wuerde. Die Ka- pitalisten sind Internationalisten. Ihr Klasseninstinkt setzte sich ueber ei- nen anfaenglichen leichten Widerwil- len hinweg und sie halfen Hitler, sei- nen Krieg und seinen Sieg vorzuberei- ten, weil sie auf ihn rechneten, um die drohende Revolution niederzu- schlagen. Heute ist dieser Schutz nicht mehr sicher genug, denn Hitlers Fall ist unvermeidbar, aber der Kapitalis- mus dankt nicht ab und seine Vor- posten stehen ueberall. An allen Ecken und Kanten sehen wir Neo-Faschismen auftauchen, die aus Gruenden der Opportunitaet von den Alliierten gestuetzt werden. Das sind die neuen Schutzwaelle, die sich der Kapitalismus errichtet. Im Wider- schein der Braende dieses zweiten Weltkrieges werden die Volksbewegun- gen immer maechtiger. Vor allem in Frankreich. Dort verhindert nur das deutsche Besatzungsheer die Revolu- tion fuer eine Weile am Ausbrechen. Und da versucht man halt, zu sabo- tieren und abzuwuergen. Warum? Weil der Kapitalismus sich verteidigt. Er muss Terrain geben, wenn der Druck der Volksmassen stark genug ist. Gi- raud hat de Gaulle den Platz ein- raeumen muessen. Badoglio wird auch gehen muessen, so wie 'Otto Habsburg schon ausgespielt hat und Peter II. im Begriffe ist, ausgeschifft zu werden. Die Voelker Europas bereiten sich auf die grosse Reinigung vor. Frankreich steht mit an erster Stelle, von Tag zu Tag, wird seine Widerstandsbewe- gung staerker, ihr augenblickliches Ziel besteht im Verjagen der Nazi- banden, ihr weiteres Ziel ist die gros- se Abrechnung und die endgueltige Vernichtung der alten kapitalistischen Festung. Durch Hitlers Schuld traegt das deut- sche Volk eine schwere Belastung, von der zu befreien ihm nicht leicht sein wird. Um die Schande, die Hitler ueber Deutschland gebracht hat, wie- dergutzumachen, muessen diejenigen ULRICH BECHER: Deutschen, die fest geblieben sind und eich nicht haben von der Pest an- stecken lassen, sich in die erste Linie des Befreiungskampfes stellen, im Kampf der Klassen, der sich durch den ganzen zweiten Weltkrieg beherr- schend hindurchzieht, sichern die Franzosen denjenigen Deutschen, die sich ihnen im Kampf anschliessen. bruederliche Freundschaft zu. Aber es ist unerlaesslich, dass unter keinen Umstaenden — weder bei Deutschen noch bei Franzosen — jene Typen wieder den Kopf erheben, die mit Hit- ler zusammengearbeitet haben. Diese nahen auf weiter nichts Anspruch als darauf. Ihren Kopf zu verlieren. Das Andere Deutsehland hat eine schwere Aufgabe vor sich. Es muss mehr und tapferer kaempfen als alle anderen und so den Voelkern der Welt zeigen, dass das deutsche Proletariat nicht weniger wert ist als das ande- rer Voelker. Nur so kann die Nazi- schande gesuehnt werden, fuer die lei- der allzuviele Deutsche mitverantwort- lich sind. Abendländisches Gelübde Wir wollen tun, nicht ruhn. Und uebern Totenfluss, den Pyrephlegeton (man nennt ihm auch den Rhein# soll eine starke Bruecke sein, auf der die Heerscharen,. die jubelnden, die waffenlosen, aus alter Bibelpost zu Fleisch geworden, laechelnd herfahren von Sued nach Norden, aus West zu Ost. Mein Tal, dein Tal. mein Haus, dein Haus. mein Kind, dein Kind, im fremden Mondigefahl, im Surrn! der Fledermaus. im Abendfluesterwind sollt ihr zu Frieden ruhn, Wir werden tun. WERNER ZOSS: UNRRA - böses Omen Es ist wohl kein Zufall, dass ueber die Arbeit der UNRRA (United Na- tions Relief and Rehabilitation Ad- ministration: Hilfs. und Wiederauf- bau-Verwaltung der Vereinigten Na- tionen) verhaeltn'ismaessig wienig in die Oeffentlichkeit gedrungen ist. So spaerlich waren die Berichte, die ueber ihre Konferenz in Atlantic City herausgegeben wurden, dass der Man- chester Guardian sich veranlasst sah, zu schreiben: "Der Voelkerbund und das Internationale Arbeitsamt haben stets ihre Diskussionen vollstaendig Veroeffentlicht. Die Konferenzen der Vereinigten Nationen sollten das eben- so gut- tun, denn dort wird die Neu- ordnung gestaltet. Dem Parlament und dem Publikum sollte das Recht auf vollste dokumentarische Darle- gung eingeraeumt werden." Wenn, sich im Gegensatz zu dieser Forderung Tendenzen durchsetzen, wie sie in ei- nem russischen Antrag auf voelligen Ausschluss der Presse gelegentlich der Beratung eines Punktes jzum Aus- druck kamen, dann wuerde der Welt- oeffentlichkeit die Moeglichkeit ge- nommen, gegen reaktionaere Machen- schaften den hinreichenden Gegen- druck zu mobilisieren. Wie sehr eine solche Mobilisierung noetig waere, moegen einige Beispiele zeigen: Von britischer Seite war beantragt worden, dass Deutschland fuer die ihm zu leistende Hilfe lediglich "in Weitestmoegllchem Masse" zahlen sollte. Dieser Antrag wurde abgelehnt zugunsten der urspruenglichen Fas- sung, die volle Bezahlung vorsah. Waehrend China und die USA den englischen Antrag unterstuetzten, er- klaerte sich die Mehrheit der euro- paeischen Staaten unter Fuehrung Russlands :fuer die unbedingte Zah- lungsverpflichtung Deutschlands. Das geschah, obwohl erst eine Voelker- bundsveroeffentlichung juengsten Da- tums zeigte, dass Deutschland sich nach dem vergangenen Krieg zur In- flation und damit zur Zerruettung der gesamten Weltwirtschaft genoetigt sah, weil es nur damit die erforder- lichen Exporte als Gegenwert fuer die ihm angebotene Lebensmittel-Hilfe sichern konnte. Ja, Hollaender, Tschechen, Belgier und Polen scheinen sogar noch weiter ge- hen zu wollen. Sie verlangen, dass der Wiederaufbau der deutschen Industrie nur so weit gestattet werden solle, als sie zur Befriedigung der innerdeut- schen~Beduerfnisse notwendig sei. Ex- port industrieller Produkte seitens Deutschlands duerfe nicht in Frage kommen. Die Industrie der genannten Laender koenne den europaeischen Bedarf decken. Womit Deutschland dann die UNRRA-Hilfe bezahlen solle, darueber haben sich die AntragsteVer so wenig Gedanken gemacht, dass der Londoner "Economist" die Warnung fuer noetig hielt: "Die aufgezwungene und dauernde Verarmung Deutsch- lands muss nicht nur Verzweiflung und politische Tollheit beim deutschen Volke hervorrufen. Sie bedeutet auch die Verarmung Europas." Wie wenig die kleinen Staaten gelernt haben, zeigte auch ihr Verhallten zu einem Antrag, in gewissen Punkten die Souveraenitaet der Einzelstaaten zur wirksamen Durchfuehrung der Hilfsmassnahmen einzuschraenken. Darueber berichtet wieder der "Eco- nomist": "Bei jedem Punkt wurde der Nachdruck auf . die nationale souve- raenitaet, auf die souveraene Unab- haengigkeit gelegt, auf die Autoütaet der Regierungen in den ihnen gehoe- rigen Territorien." Was ueber die Beschlusse der UNRRA. bekannt geworden ist, berechtigt dem- nach nicht gerade zu grossem Opti- mismus in Bezug auf den Geist der bei der kommenden Friedenskonferenz herrschen wird. Es ist Aufgabe der Arbeiterparteien und Gewer kschafts- — 13 — zentralen, sich rechtzeitig den ent- sprechenden Einfluss auch auf die Behandlung der Wirtschaftsfragen zu sichern. Erfreulicherweise scheint man in Gewerkschaftskreisen diese Auf- gabe erkannt zu haben. Jedenfal's stehen auf der Tagesordnung des von der englischen Gewerkschaftszentrale zum 5. Juni einberufenen internatio- nalen Gewerkschaftskongresses neben der Foerderung dert Kriegsanstren- gungen als Hauptpunkte: "die Hal- tung der Gewerkschaften zur kom- menden Friedenskonferenz, die Ver- tretung der Gewerkschaften auf der Friedenskonferenz, den vorbereitenden AMERICANUS: Kriegsprofite in USA LANDWIRTSCHAFT Der Farmblock hat, ohne dass die Regierung energisch gebremst haette, . die Preise landwirtschaftlicher Erzeug- nisse um 40 % herausgetrieben. Da- durch hat sich das Einkommen der Landwirte, die ja auch mengenmaessig in Kriegsjahren bedeutend mehr ab- setzen, mehr als verdoppelt; die Stei- gerung betraegt 134 %, nach Berech- nungen der Gewerkschaftsinternatio- nale London, der die amtlichen ame- rikanischen Statistiken zugrunde lie- gein. Natuerlich nehmen nicht alle Landwirte gleichmaessig an dieser Einkommenssteigerung teil. Ein im- mer groesserer Teil des anbaufaehi- gen Bodens geht in die Haende von Grossgrundbesitzern und Aktiengesell- schaften ueber. Unter Grossbetrieben Versteht man Betriebe von 250 Hek- tar oder mehr. Sie 'besassen,1 1910 schon 40 Millionen Hektar, heute ueber 90 MUllionen Hektar. Diese Grossbetriebe sind es auch, die den sogenannten Farmblock im Kongress unterhalten. Sie haben vier Landwirteorganisatio- nen aufgezogen, beherrschen die Wahlstimmen auch der Millionen kleinerer Landwirte, bezahlen staen- dige Vertreter in Washington und kontrollieren die Abgeordneten, die \*>r den Millionenstimmen der Farmer zit- Kommissionen oder Konferenzen fuer Hilfe und Wiederaufbau, sowie die Probleme des Nachkriegs-Wiederauf- baus einschliesslich des Wiederauf- baus der internationalen Gewerk- Bchaftsbewegung." Die Tatsache, dass zu dieser Konferenz auch die in Lon- don vorhandenen Emigranten-Vertre- tungen eingeladen werden sollen, d. h. auch diejenigen aus Aohsenlaendern, berechtigt zu der Hoffnung, dass die Beratungen in dem Geiste internatio- naler Solidaritaet gefuehrt werden, die der Arbeiterbewegung ziemt und die die Voraussetzung fuer eine wahr- hafte Friedenssicherung darstellt. tern. "Moegen die Forderungen des Farmiblocks auch noch so sinnlos sein, wenige Abgeordnete haben den Mut, dagegen zu stimmen, selbst im Kriege nicht" (Time, 22. 6. 42). INDUSTRIE. Lieferungsvertraege der Industrie werden zwischen den Vertre- tern der Firmen und den Beauftrag- ten der Regierung abgeschlossen. Die Lieferfirma berechnet ihre Kosten und verhandelt mit der Regierung ueber einen "gerechten" Gewinn. Selbst wenn der zugebilligte Profit nur 10 % betraegt, so sind die Ge- samtgewinne der Firma gegenueber der Vorkriegszeit sehr viel hoeher, da die grossen, leistungsfaehigen Werke mit Regierungsgeldern ihre Anlagen erweiterten und ihre Produktions- kapazitaet heute voll ausnutzen koen- nen. Im Durchschnitt sind die Profite der Industrie um 68 %, die der 100 groessten Kriegslieferanten um 220 % gestiegen. Eine genaue Untersuchung, die in "Nation" (15. 1. 44) veroeffent- licht wurde, gibt folgende Beispiele, um die Gewinnsteigerung einzelner Industriezweige zu ibeleuchten: 10 forstwirtschaftliche Betriebe Wiesen in den drei Jahren 1936 bis 1939 ei- nen durchschnittlichen Jahresgewinn von 5 Millionen aus; im Jahre 1942 — 14 — aber 25 Millionen. 25 Textilfirmen ha- ben einen durchschnittlichen Jahres- gewinn von 3,2 Millionen; 1942 ver- dienten sie das Zehnfache, 32 Mil- lionen. Da es nahezu unmoeglich ist, Kostest Und Profit schon bei den Vorverhand- lungen, also vor Beginn der Produk- tion festzusetzen, versucht die Regie- rung zu erreichen, dass nach Fertig- stellung der Arbeit Nachverhandlun- gen stattfinden, in denep. der Preis gegebenenfalls reduziert wird. Ein entsprechendes Gesetz wird jetzt im Kongress beraten; die Industriever- treter, die genau wie die Landwirte - Organisationen ihre bezahlten Vertre- ter in Washington haben, haben es erreicht, dass dein Gesetz mehrere Zusaetze angehaengt wurden, die ihm nicht nur seine Schaerfe nehmen, sondern es voellig unwirksam machen. Einer der Zuslaetze besagt, dass "Stan- dardprodukte" den Nachverhandlun- gen nicht unterworfen sein sollen. Standardprodukte sind solche, die in gleichartiger Ausfuehrung stchon vor dem Kriege hergestellt wurden. Der Industrielle sagt: "Ich habe vor dem Kriege schon diesen Artikel fuer 150 Dollar geliefert. [Mehr verlange ich auch jetzt nicht." Er vergisst hinzu- zusetzen, dass er vor dem Kriege viel- leicht 500 Stueck im Jahr verkaufte, heute aber 10.000 oder mehr, und nimmt auch bei Massenlieferungen die gleiche Gewinnspanne A war die Teilnahme fuer das Schicksal der Juden lebhaft, und das englische Weissbuch, das die Einwanderung sperrt, erfuhr scharfe Ablehnung, sogar durch Roosevelt selbst. Aber neuerdings verhindert das Petroleum in der Form arabischer Proteste, dass von Amerikas Seite etwas Praktisches in der Sache getan wird. Und die Vertrauensseligen und Wortglaeubigen werden ein- sehen muessen, dass auch in USA kapitalistisch-imperialistische Interessen Wichtiger sind als Erwaegungen der Gerechtigkeit und Humanitaet. A. S. $ Jahre Freie Deutsche Bühne Seit April 1940, seit nunmehr vier Jahren also, existiert in Buenos Aires die "Freie Deutsche Buehne". Unter der Leitung von P. Walter Jacob arbeitet ein Ensemble unabhaengiger deutscher Schauspieler an der Fortfuehrung je- ner freiheitlichen deutschen Buehnentraditionen, die einst den Stolz und die Groesse des deutschen Theaters ausgemacht haben. DAD hat immer wieder das Bestreben dieses Theaters, in wirklichen Ensemble-A'uffuehrungen Werke aus der Literatur aller Voelker und La ender darzubieten, nach Kraeften unterstuetzt. Die Schwierigkeiten eines nach kuenstlerischen Gesichtspunkten geleiteten Theaters, das auf keine laufenden Unterstuetzungen oeffentlicher oder priva- ter Stellen rechnen kann, sind zu bekannt, als dass auf sie hingewiesen wer- den muesste. Dass ein Theater mit einem beschraenkten Publikumskreis wie die Freie Deutsche Buehne in Buenos Aires, die sich nur auf die Besucher- schLcht des unabhaengigen deutschsprachigen Publikums stuetzen kann, in Ihrem Spielplan mehr als eine Konzession an das Unterhaltungs- und Zer- streuungsbeduerfnis der Theaterbesucher machen muss, dass es sich mit sol- chen Zugestaendnissen seine finanzielle Basis erhalten muss, ist selbstver. staendlich. Trotzdem ist die Zahl der literarisch und gesinnungsmaessig wert- vollen Werke, die die FDB bisher geboten hat, nicht gering: Ibsens "Bau- meister Solness", Schillers "Maria Stuart", Langers "Peripherie", die Abende mit Werken G. B. Shaws und Galsworthys, die Stuecke von Maugham und Oscar Wilde, die Gorki-, Wedekind-, Schnitzler- und Bahr-Premieren, die Auffuehrung von Stefan Zweigs "Lamm des Armen", Katajews "Quadratur des Kreises", Rehfischs und Herzogs "Affaere Dreyfus", die deutschsprachige Ur- aufführungen von Elmer Rices "Flug nach Westen" und vor allem von Lil- lian Hellmans "Die Unbesiegten" (Walch on the Rhine). Im April dieses Jahres feiert die Freie Deutsche Buehne nun das Jubilaeum der 100. Premiere. Nicht unter guenstigen Auspizien, denn das besonders guen- stige Haus, in dem sie bisher gearbeitet hat, steht ihr — aus feuerpolizeilichen Gruenden — in Zukunft nicht mehr zur Verfuegung. In einem neuen Saal, im Hause der "Unione e Benevolenza" (iCangallo 1362) werden in Zukunft zu neuen Spielterminen ( Sonnabend nachmittag und Dienstag abend) die Vor- stellungen der FDB stattfinden. DAD schliesst sich dem Aufruf, den die Bueh- nenleitung bei dieser Gelegenheit an ihr Publikum gelichtet, hat, an: Ein ge- steigerter Besuch der Auffuehrungen muss die Weiterarbeit der unabhaengi- gen deutschsprachigen Buehne in Buenos Aires sichern, muss ihr die Moeg- lichkeit geben, ihr kuenstlerisches Programm weiterhin durchzufahren, Mitt- lerin der internationalen Theaterliteratur in deutscher Sprache zu sein und damit uralte europäische und deutsche voelkerverbindende Theatertradition zu erhalten. — Erhaltet durch gesteigerten Besuch Euer unabhaengiges freies deutsches Theater! — 18 — willi keller: In eigener Sache Der unpolitische Emigrant ist ein Widersinn in dieser Zeit. Man sollte ihn we- gen Beihilfe bestrafen. Der politische Emigrant ist nichts weniger als sein unpolitisches Gegenbild mit allen Krankheiten dieser Zeit behaltet. Die politische Korruption, die so erfolgreich die Menschheit ins Verderben gefuhrt hat, ist vielen ein Vorbild. Taktische Anpassung an die augenblickliche Lage, wenn auch alle Grund- isaetze zum Teufel gehen. Augenblickserfolge gelten viel, viel mehr als eine Welt- anschauung, die sich nicht durch die Tagesereignisse umwerfen iaesst Wir leben im| IZeitalter der Kieinkraemer und Organisatoren. Alles, was sich nicht verramschen oder in eine Schablone awaengen laesst, wird unbarmherzig niedergewalzt. Der Materialismus hat sich in seiner nacktesten Form verwirk- licht. Jede aufrechte, maennliohe Haltung wird mit Verbannung und Tod bestraft. Ein eingezwaengter und rachitischer Freiheitsbegriff umzirkelt genau die Kerkerwaende, innerhalb deren der Mensch frei sein darf. Den geistigen Beduerfnissen der Menschen begegnet man mit Zahlen, Tabellen und einer zynischen Verachtung des Lebens. Die Schoepfer des historischen Materialis- mus haben niemals die Befriedigung der Fressgier zum. Ausgangspunkt ihrer Betrachtungen gemacht. Sie wollten die materielle Not beseitigen., um endlich dem Menschen Gelegenheit zu geben, seine Schoepfungsfcraft voll entfalten zu koennen. Mit welchen Mitteln dient die politische Emigration der moralischen und so- zialen Erneuerung der menschlichen Gesellschaft? ist sie sich ihrer Aufgabe bewusst, und bringt sie die Voraussetzungen mit, die die Umstaende erheischen? Die wahre Tragik dieser Zeit liegt in ihrer Prinzipienlosigkeit. Es gibt keine -Abmachung mehr, die nicht als stillschweigende Klausel den verrat mit ein- schliesst. Es gibt keine Vertraege, die nicht den Betrug zur Voraussetzung haben. Es gibt keine sittlichen und politischen Prinzipien mehr, die man nicht jederzeit preisgeben wuerde, wenn ein billiger Augenblickserfolg winkt. Viele politische Emigranten folgen diesen Braeuchen. Sie verstehen vom politischen Kampf nur die schmutzigen Methoden der von ihnen bekaempften Gegner, laber sie haben kein Ideal und keine Idee, die ihnen ihre Richtlinien diktieren. Trotzdem glauben sie sich alle auserlesen, das kuenftige Schicksal der Mensch- heit mitbestimmen zu duerfen. Wir koennen uns zu diesen Methoden nicht bekennen. In mehr als zehnjaehriger Arbeit ist es unserem Freund Friedrich Kniestedt- in Porto Alegre gelungen, einen Kreis von Menschen um sich zu sammeln, die zusammengehalten werden durch das persoenliche Vertrauen, das jeder ein- zelne berechtigt ist, in den anderen zu setzen. Diese Menschen haben keine uniformierte politische Meinung, trotzdem hindert sie die Verschiedenheit ihrer Anschauungen nicht, in Freundschaft zueinander zu stehen. Sie sind sich einig in ihrem Kampf gegen die Unterdrueckung, gegen das soziale Elend, gegen Krieg und gegen Rassenwahn. Sie sind keine Organisationssklaven oder Parteiraeder, die ihre individuellen Menschenrechte preisgeben, dafuer aber stehen sie zu ihrem gegebenen Wort und zu den Verpflichtungen, die sie uebernommen haben. Sie wissen, dass eine neue Ordnung nur dann imoeglieh ist, wenn der Mensch, der ihr Traeger sein soll, mit dem Einsatz seiner Person und Ueberzeugung diese Ordnung ga- rantiert und sich nicht mit billigen, dialektischen Verstellungskuensten be- gnuegt. Wir duerfen nie vergessen, dass es unsere Pflicht ist, die sozialen Maengel dieser Zeit abzustellen, dass aber Traegheit, Selbstzufriedenheit und sentimentale Traenen nicht die geeigneten Mittel sind, Verbrechen, Not und Unrecht aus der Welt zu schaffen. — 19 — Deutsche Jugend "Lest News", London, berichtete kuerzlich ueber die Haltung der deutschen Jugend gegenueber dem faschistischen Terrorsystem. v Ausgehend von der Tatsache, dass die Antifaschisten in Deutschland in ihrem Kampf viel isolierter dastehen als diejenigen irgendeines anderen Landes und diesen Kampf also unter viel schwierigeren Bedingungen fueh- ren muessen, als sie in anderen Laendern vorhanden sind, untersucht der erwaehnte Artikel den Anteil der deutschen Jugend an der antihitleristi- schen Untergrundbewegung. An Hand polizeilicher Verordnungen wird nach- gewiesen, dass der mit allen Machtmitteln der Propaganda ausgestattete nazistische Staat in seinen Bemuehungen, die deutsche Jugend fuer seine "Ideen" zu gewinnen, gescheitert ist. Und das trotz des Fehlens einer or- ganisierten Gegenpropaganda. Die vielsagendste unter den Reichs Verordnungen am laufenden Band, die sich mit der Ueberwachung der deutschen Jugend beschaeftigen, ist ein Dekret des Gestapo-Chefs und jetzigen Innenministers Himmler vom 1. Ju- li 1943, das Jugendlichen verbietet, sich nach Dunkelwerden auf der Strasse aufzuhalten, es sei denn in Begleitung von Hiitlerjugendfuehrern, oder Leh- rern. Ausdruecklioh wird betont, dass es jungen Leuten nicht gestattet sei, verlassene Baracken oder Lokale und Gelaende des Wehrmachtsbereiches zu betreten. Die Handhabung dieser! mit dem Wort "Jugendschutz'? ueberschriiebenen Verordnung, die dazu bestimmt ist, die "gesunde Entwicklung der Jugend zu sichern", obliegt (unter Oberleitung der Gestapo-Mordkoloniien) der re- gulaeren Polizei, dem Hitlerjugend-Streifendienst, Militaerpatrouillen, und soll, "wenn noetig, auch durch andere mit der Erziehung d!er Jugend be- auftragte Körperschaften durchgefuehrt werden." Im nahmen dieser "Handhabung", die auch eine "Vorbeugungshaft" vorsieht, ist es inzwischen in. vielen Sfcaedten Deutschlands zu Massenverhaftungen Jugendlicher ge- kommen, von denen viele unter 18 Jahren, alt waren, junge Leute also, deren "Erziehung" sich vollstaendig unter Naziherrschaft abwickelte. Der Artikel!, in dem auch von illegalen Propagandaschriften von erstaun- lich hohem Niveau die Rede ist und von Buechern, die in der Untergrund- bewegung der deutschen Jugend zirkulieren und in geheimen Zusammen- kuenften diskutiert und erlaeutert werden, weist im uebrigen darauf hin, dass natuerlich ein gewisser Prozentsatz der deutschen Jugend vom Nazi- Ungeist infiziert ist und dass ein! anderer — der groessere Teil wahrschein- lich —^ von reinem Zynismus beherrscht wird und in einem Zustand voefl- liger Richtungslosigkeit lebt. (Aber gerade hier koennten positive, das heisst revo^utionaer-sozialistische Kraefte einsetzen. Der Zweifel an der Richtig- keit dessen, was gewesen ist und was heute ist. kann ein sehr scho'epferi- scher Zweifel sein. Er schliesst die Passivita et aus, die noch laehmend iauf denjenigen lastet, die trotz allem Geschehenen weiter dem verhaengnis- vollen Irrglauben anhaengen, dass innerhalb des kapitalistischen Systems — gleich welcher Praegung — auch nur annaehernd so etwas wie "Gerech- tigkeit" moeglich ist.) So bringt der hier auszugsweise wiedergegebene Artikel aus unserer Londo- ner Bruderzeitschrift weiteres Material zur Erhaertung der Tatsache, Ha«« die Propaganda, die das ganze deutsche Volk zum Suendenbock machen will, um eine zum Tode verurteilte Weilfordhung" zU retten, eine Luege ist, deren Urheber sich von boesem Willen, von Ignoranz oder vom beiden leiten lassen. *», e — 20 — Schriftsteller und Leeer in Hitlerdeutsehland Schon 1939 klagte "Das Deutsche Wort", dass die deutschen Schriftsteller, statt die grosse Gegenwart zu besingen, sich rueckwaerts in die Geschichte wende- ten oder sich gar in Allegorien und apokalyptischen Visionen gefieien. Das letztere gilt z. B. fuer Ernst Juenger, der vor dem Anbruch des von ihm ersehnten 3. Reichs in seinem Buch "Der Arbeiter" forderte, dass im totalen Staat, dessen Ziel der totale Krieg sei, der Sumpf der freien Meinung trocken- gelegt werde, die uniformierten Arbeiter die neue Befehlssprache so verstehen muessten, dass sie wie Werkzeug auf jeden Hebeidruck reagierten. In dem gleichen Buch erklaerte er, die Perfektion unserer Zeit aeussere sich in der Faehigkeit, mit Sprengstoff umzugehen; sie sei nicht dort, wo man sich auf Kultur, Kunst, Seele oder Wert berufe; der Nazi-Staat habe auszuscheiden aus der sogenannten Kuiturwelt. Nachdem die Diktatur alle Wuensche Juengers erfuellt hat, ist diesem so Angst und Bange geworden, dass er in einer mystisch-allegorischen Novelle "Auf den Marmorkiippen" schildert, wie die diabolischen Machenschaften ei- nes Diktators in der Katastrophe enden. In dieser Novelle ruft der fruehere "heroische" Aristokrat und. ethische Nihilist gegen den totalen Staat das zu Hilfe, was er einst begeifert hat: Wort, Freiheit und Geist. Aber angeekelt und von Zweifeln gepackt muessen heute viele Nazi-Schrift- steiler sein. So dichtet Josef Leitgeb: "Und unser Wort, so lang gewoehnt zu luegen, es taugt nicht mehr zum ,heiligen Gesang." Der als besonderes Talent gefeierte Herbert Kailer klagt: "Das Haus ist leer, das Bett verwaist, verwaist sind Tisch und Bank. Die Blumen, die im Fenster stehn, Bind alle blind und krank. Das Haus ist stumm. Die Nacht geht um und ist von lautem Gang. Es ist ein armer, bittrer Trost, dass mir dies Lied gelang." Das ist wirklich ein armseliger Trost. Der von Goebbels mehrfach ausgezeich- nete Dichter und SS-Leutnant Gert Schumann hat ihn in Russland augen- scheinlich nicht einmal gehabt, obwohl sein Gedicht auch nicht schlechter ist: "In Frankreich sangen wir Lieder, in Russland wurden wir stumm. Vor uns schritt schweigendes Grauen, manchmal sah es sich um." Der Umschwung der Stimmung, der sich in diesen Gedichten zeigt, hat seinen kuerzesten und treffendsten Ausdruck im Tagebuch eines bei Stalingrad ge- fallenen Soldaten gefunden: "Kein Ende schimmert namenloser Qual, und Winter ist, wo Hoffen einmal war." Solcher Stimmung entspricht es, dass Kriegsliteratur ueberhaupt nicht begehrt wird, um so mehr aber klassische und besonders Hoelderl'in, der grosse Idea- list, der am erbarmungslosesten die Fehler der Deutschen kritisierte, die das Dritte Reich ermoeglicht haben, und dessen wundervolle Sprache das dia- metrale Gegenteil der Verhunzung des Deutschen durch die Nazis ist. 21 — Aus Hitler - Deutschland Ein schwedischer Korrespondent schaetzt, dass augenblicklich in Deutschland taegüch mindestens 100 Personen erschossen werden. Als Hauptgruende weiden Gerueehtever- ibreitung, Abhoe'ren a:uslaiendischer Sender und, "Schwaechung des Wider- standswillens" angegeben. Es wurden aber auch haeufig Todesstrafen we- gen Vergehen gegen die Rationierung der Lebensmittel verhaengt. (Zum Bei spiel wurden in Stuttgart zwei Laden- besitzer erscjhossen, weil sie 900.000 Rationspunkte aufgespeichert hat- ten; in Düsseldorf hatte ein Postbe- amter Tafoak gestohlen. Ebenfalls hat man zwei ganze Familien als "Kom- munisten" hingerichtet, die Llegfale pupamimenkuenffce Und Schulungs- kurse abgehalten hatten. Arbeiterfrauen. "In den deutschen Ruestungsbetrietoen ist eine aeusserst strenge Herrschaft eingefuehrt wor- den. Jede Abteilung einer Fabrik wird von einem Nazi den ganzen Tag hin- durch ueberwacht. Wer der Arbeit fernbleibt, wird aufs Strengste be- straft. So riskiert beispielsweise eine Arbeiterin, die wegen leichter Erkran- kung nicht am Arbeitsplatz erscheint, einige Wochen Gefaengnis. Wer in- nerhalb einer kurzen Zeit der Arbeit ein zweites Mal fernbleibt,. jwird zu mehreren Monaten Gefaengnis ver- urteilt. . Die verurteilten Arbeiterin- nen werden waehrend der Verbues- sung ihrer Strafe tagtaeglich unter schaerfster Bewachung in den Be- trieb gefuehrt, in dem sie vorher ar- beiteten. Dort haben sie von morgens frueh bis zum Abend unter Kon- trolle... Ihre Arbeit zu verrichten... Nach der Verbuessung der Strafe wer- den die Frauen gezwungen, in dersel- ben Fabrik und unter denselben Vor- gesetzten die Arbeit anzutreten. Die Verkoestigutig und Entlohnung der verurteilten Frauen ist sehr duerftig. Eine Straeflingsfrau, die von morgens halb sieben mit einer Unterbrechung von einer halben Stunde bis abends fuenf Uhr arbeitet, wird mit 34 Pfen- nigen im Tag entlohnt... von einem Schweizer, der vor einiger Zeit aus Deutschland zurueckkam, wurde uns versichert, dass die deutschen, Ge- faengnsse mit Frauen ueberfuellt sei- en. Es ist daher anzunehmen, dass es sich bei den oben geschilderten Ver- haeltnissen nicht um Einzelfaelle han- delt. .. Wir haben uns dieser Tage mit einer Deutschen, die in einer Fa- brik gearbeitet hat,in der solche De- linquentinnen ihre Zwangsarbeit ver- richteten, unterhalten. Sie versicherte uns, dass man die Verurteilten allge- mein sehr bedaure und bemitleide. Jede deutsche Arbeiterfrau sei sich dessen bewusst, dass -ihr eines Tages das gleiche Schicksal beschieden sein koennte." ("Arbeiterzeitung", Schap- hausen, 18.XII. 43.) Loehne Auf Grund amtlicher Anga- ben des Ditten Reiches kommt die Zeitschrift des Internationalen Ar- beitsamtes zu dem Schluss, dass die heute in Deutschland gezahlten Loeh- ne noch um 20 % hinter dem Niveau von 1929 zurueckbleiben, selbst da, wo unter dem Druck der Kriegsnotwen- digkeiten Aufbesserungen bewilligt worden sind. Raum ohne Volk. Die amtlicnen Sterblichkeitsziffern, die aus Gross- staedten vorliegen, zeigen, dass die Kindersterblichkeit schon 1942 um 17 % gestiegen war. In der Gruppe der 15 - 20jaehrigen stieg die Sterb- lichkeitsziffer um 38 %. Todesfaelle durch Tuberkulose nahmen ebenfalls stark zu. Gleichzeitig fiel die Gebur- tenrate von 17,3 auf 13,9 pro Mil. Die Herrenrasse Die Zuericher "Welt- woche" berichtet: Der Versuch der deutschen Regierung, die deutschen Arbeiter mit Herrenmenschen-Ideo- logie zu erfuellen, damit sie auf die auslaendischen Zwangsarbeiter her, untersehen, hatte nur sehr vorueber- gehend Erfolg und ist Letzt weitge. - A - hend gescheitert. Deutsche Arbeiter geben tagtaeglich zahllose Beweise ih- rer freundschaftlchen Einstellung zu den aualaendisdhen Kollegen, deren Lage schlechter ist als ihre. Es be- ginnt mit dem Anbieten von IZiiga- retten, dann kommen heimliche Ge- schenke, Lebensmittel und sogar fi- nanzielle und technische Hilfe fuer der 'Zwangsarbeit Entflohene und fuer entkommene Kriegsgefangene, denen Von der inneren Front Ein geschulter Beobachter schreibt ue- ber die Staerke und die Vorstel- lungen der Opposition: Oppositions- regungen gegen das " Regime sind stark im ganzen "Volk. Alle Schichten sind davon erfasst. Der Machtappa- rat laesst dem Volke seine ganze Bru- talitaet fuehlen. Die Traeger der Op- positionsgedanken sind in winzige Teile zeilsplittert, die ohne Verbin- dung miteinander leben. Je mehr das Leben der Menshen sich aber vom Normalen entfernt, umsomehr wer- den diese Schwierigkeiten ueberwun- den. Gruppen von Sozialisten gibt es in allen Staedten. Ein deutlicher Be- weis sind die enger werdenden Ver- bindungen der festgebliebenen Arbei- ter mit den auslaendischen Arbeitern in den Betrieben. Die Gruenduiig des Moskauer F, D. K. ist im ganzen Lande bekannt. Unter den frueheren Kommunisten ist die Aufnahme geteilt. Ein Teil bejaht sie, denn der Schritt kommt von Moskau. Ein anderer Teil lehnt sie ab. "Die Generaele haben ja Hitler gross ge- macht. Und nun, nachdem sie sehen, ihr Weg hat Deutschland ins Un- glueek gefuehrt, sollen wir sie als Kampfgenossen betrachten?". Die Sozialisten lehnen die Gruendung als "Manoever" ab. Man bedauert immer wieder, dass England nichts tut, um die Demokraten im Lande ideologisch zu stuetzen. Aus einer Grossstadt wird in getarn- ter Form ueber die Taetigkeit einer Bie auch Lebensmittelkarten, Zivilklei- dung und Quartier in Privatverstek- ken beschaffen. Die groesste Aktivi- taet zeigen in dieser Beziehung protes- tantische und katholische Geistliche. In zahlreichen Faellen haben sich auch Muetter, die ihre Soehne im Kriege verloren haben, offensichtlich aus einer mystischen Auffassung von Naechstenliebe, Kriegsgefangener und Zwangsalrbeiter angenommen. (7.1.44.. sozialistischen Gruppe berichtet: "un- ser Sportverein ist trotz der schweren ®eit sehr fleissig. Viele der alten Sportfreunde haben ihre Passivitaet aufgegeben. Auch die jungen Sport- freunde, soweit sie nicht im Felde stehen, ueben fleissig." Aus einem anderen Gebiet des Rei- ches kommt an den Vertrauensmann im neutralen Ausland die kurze Mit- teilung: "Wir rechnen bestimmt da- mit, Dich in Kuerze bei uns begrues- sen zu koennen. In Hamburg besichtigte der Reichs - Statthalter UKd Gauleiter Kaufmann im November in Begleitung des Fueh- rers der D. A. F., Habedank, die Auf- raeumungsarbeiten im, voellig zer- stoerten Arbeiterbezirk Hammerbrook. Als sich Habedank auf einer Ruine in Position stellte ,um eine seiner Brand- reden zu halten, wandten die Arbeiter ihm den Ruecken zu und gingen zur Kantine. An den Hiaeuserwaenden sieht man jetzt immer haeufiger An- schriften. Die Bootswerft von Harachts, die im Stadtteil Hamburg-Barmbeck waeh- rend der schweren Angriffe zum Teil zerstoert wurde, sollte mit den restli- chen Inventar nach der Suederelbe uebersiedeln. Die Werft baute zuletzt Vorschiffe fuer U-Boote. Als die wertvollen Spezialmaschinen auf ei- ner Schute verstaut waren, kenterte diese und sank. Da die Arbeiter sich vorher lange giewieigert hatten, die Arbeit auf der Werft wieder auf zu- — 23 — nehmen, erklaerte man den Unifjall als Sabotage und verhaftete die Be- teiligten. Besonders deprimiert ist die Stim- mung in Sueddeutschland, vor allem nur die Arbeiterkreise, die heute schon offen sich gegen den National- sozialismus laussprechen. Auch der Mittelstand und besonders die Bau- ern, einst die treusten Stuetzen Hit- in Wuerttemberg. Hier sind es nicht lers, verfluchen das System DIE STIMMUNG IN DER WEHRMACHT Einen interessanten Bericht gibt ein politischer F^uechtling, der vor seinem Abtransport a*n die Ostfront in)s> Auls- land entkommen konnte: "Ich wurde im M'ai 1943 eingezogen,. Im Ausbildungslagcr waren immer zehn bis zwoelf Mann in einer Stube untergebracht. Jedes IZimmer hatte Radio. Schon nach vierzehn. Tagen Wurde es ueblich, die deutschen Sen- dungen an die Wehrmacht aus Lon- don zu hoeren. Die Elsaesser hoerten die franzoesischen Sendungen aus London. Die einzige Vorsichtsmass- nähme war, dass wir einien Posten auf den Korridor stellten, um vor Ueber- raschimgen geschuetzt zu sein. Die Gefreiten oder Stubenaeltesten betei- ligten sich an dem Abhoeren der Sen- dungen und es kam zu keinem Verrat. Die Stimmung unter *den Soldaten war sehr sohlecht. Sie richtete sich gegen die Nazis, auch Hitler war von der Kritik nicht ausgenommen. Solda- ten aus Hamburg, die nach der Zer- Btoerung der Stadt in Hamburg auf Urlaub waren, kamen sehr erbittert gegen die Nazis zurueck. Der Dienst war sehr streng. Mehrere Soldaten wurden schwer herzkrank oder litten| an anderen Folgen der ÜeberaJnstrengung. Es" wurde aber auf sie keine Ruecksicht genommen. Die allgemeine Stimmung ist: Lieber heu- te Schluss als morgen." Ein junger schwedischer Sozialist, der an der noregischen Grenze Militaer- dienst zu leisten hatte, sprach in die- ser Zeit mit vielen deutschen Solda- ten. Von wenigen Ausnahmen abgese- hen, waren alle Gegner des Krieges Und der Nazis. Es waren relativ junge Leute, und sie waren sehr erfreut, mit einem schwedischen Sozialisten spre- chen zu koennen. Niemand von ihnen g-aubte a$i einen Sieg Hitlers. Aus dem Reich wird berichtet, dass Verwundete, die von der Ostfront kommen, die Stimmung unter den Soldaten als isehr schlecht schildern. Man glaubt nicht mehr, den Russen standhalten zu koennen. Das Ge- spraech unter den Soldaten dreht sich nur um die Frage, wie man aus dem Schlamassel herauskommt. Auf der anderen Seite hat man vor der Gefangennahme durch die Russen noch immer die gleiche Angst wie vor der SS, die hinter der Front die Front zu halten versucht. Die ruecksichtslose Anspannung der Soldaten wird durch einen Bericht aus Berlin illustriert. Ein etwa dreis- sig iJlahre alter Soldat, der bereits dreimal verwundet wurde und ausser- dem zmalariakrank ist, wurde wieder an die Front geschickt. Aus Berlin wird weiter berichtet, dass sich in der letzten Zeit die Faelle mehren, dass Soldaten, die auf Urlaub kommen, fruehere Freunde aus der Arbeiterbewegung aufsuchen, um sich mit ihnen politisch ""zu unterhalten, auch wenn sie Jahre hindurch keinen Kontakt miteinander hatten. In den Hamburger Schufen wurde ei- ne Werbekampagne fuer den Eintritt in die' Waffen-SS durchgefuehrt. Da- bei kam es zu einer Demonstration vor der Kommandostelle des Wehr- kreises X, Mittelweg 38, als Eltern der Neugeworbenen ihre Soehne zurueck- halten wollten. Die Menge beschimpfte die SS und Rufe nach Frieden wur- den laut. Die SS-Wache schoss in, die Menge. Einige Passanten wurden ver- wundet. — * — Aus der politischen deutschen Emigration Deutsche Sozialisten in der Schweiz haben programmatische Forderungen fuer Nachkriegsdeutschland erhoben, die sich durchaus mit den unseren decken. Sie besagen u. a.: Eingliede- rung Deutschlands in eine euriopae- ische und internat ionale Rechts- geimeinschaft. Verzicht auf jede Ge- waltpolitik. Ausrottung des preus- sisch-deutschen Militarismus. Streng- ste Suehne der Nazi verbrechen. Wie- derherstellung der persoenlichen und politischen Freiheitsrechte. Sicherung der Demokratie. Koalitionsrecht. Er- setzung des totalen deutschen Ein- heitsstaates durch eine foederative Republik. Demokratische Selbstver- waltung der Laender und Gemeinden. Enteignung des Grossgrundbesitzes. Sbzialisierung der Schwerindustrie und des Banken- und Kreditwesens. Wie- deraufbau der Volkswirtschaft nach einem einheitlichen Plan unter Aus- schaltung kapitalistische» Profitstre- bens. Foerderung' des Genossen,shafts- wesens. Aufbau einer durchgreifenden Sozialpolitik. Neuaufbau des gesamten Erziehungswesens unter Ausschluss vion Rassenwahn und Nationalitaeten- hass. Deutsche Sozialisten in London haben ein Buch "The next Germany" (Das kuenftige Deutschland) veröffent- licht, dessen Tendenz in den Worten zrus ammengefasst wird: "Wir sind fuer eine sozialistische Loesung, um Deutschlands und um seiner Einord- nung in Europa willen, die durch die Vernichtung jener M'aetehte moeglich Wind, die die deutsche Angriffspolitik herbeifuehrten." Das Buch tritt fuer eine dezentralisierte Demokratie ein, die aus der Raete- Selbstregierung auf territorialer (Ortschaften, *Staedte, "Provinzen) und funktioneller Grund- lage (Berufsorganisationen, Gewerk- schaften. landwirtschaftliche Genos- sensch a f ten, Konsumenten verba ende) erwachsen soll. Ferner wird weit- gehende Nationalisierung der Wirt- schaft und eine neue Erziehung zu demokratischen und sozialistischen Idealen gefordert. Die revolutionaere Umgestaltung Deutschlands wird sei- ne Einordnung in ein neues Europa ermoeglichen. Eine "Metternich-Poli- tik" der Restauration der alten souve- raenen Staaten und Regierungsfor- men wird als groesste Gefahr fuer die Zukunft Europas bekaempft. Freier Deutscher Kulturbund in Schweden. Unter fuehrender Beteili- gung bekannter deutscher linker Po- litiker hat sich in Schweden ein Kul- turbund gebildet. Dem Vorstand ge- hoeren an: Max Hodann und Frau Os- s'ietzky, die Sozialdemokraten Fritz Tarnow und Otto Friedlaender, von der frueheren SAP Max Seydewitz und Ernst Behm, von den Kommuni- sten Paul Peschke, von den Demokra- ten Frau Dr. Rippner. Unsere Freunde in Brasilien versen- den seit Dezember 1943 Rundbriefe, um den Kontakt, untereinander zu verstaerken. Aus dem .gleichen Grun- de veranstalten sie im April eine Landeszusammenkunft. Die Union deutscher und oesterreichi, scher Sozialisten in Mexiko, die als ueberparteiliche Zusammenfassung von Sozialisten vor reichlich einem Jahr gegruendet wurde, tritt fuer Planwirtschaft und politische wie so- ziale Demokratie ein als notwendige Voraussetzung fuer Beseitigung der Wirtschaftskrisen und der Kriege. Sie erstrebt Kontakt und Zusammenarbeit mit allen deutschsprachigen sozialisti- schen Gruppen. In Paraguay Wird von einigen* deut- sehen Einwanderern nach dem Verbot der gleichgeschalteten deutschen Zei- tung ein "Organ der deutsch-demo- kratischen Bewegung" herausgegeben, dessen misstrauische Leser nach den ersten, sehr farblos und vag gehalte- nen Nummern mit einem pathetischen Bismarck-Gedaechtnisartikel uefoer- rascht wurden,, der die Vermutung entstehen laesst, dass es sich bei dein neuen "demokratischen" Organ in » — Wahrheit um einen Versuich, reaktio- närerer, grosskapitalistischer und mili- taristischer Kreise handelt, aus dem Hitler-Debakel zu retten, was zu ret- ten ist. In C'hile veroeffentiichte Jacob Kup- ferberg, der fr. Sekretaer des "Freien Deutschland", eine Broschuere, die bezwecken soll, "dass die wenigen ech- ten Antiifritleristen, die der Organisa- tion Freies Deutschland in Chile noch angehoeren, die Verraeter und Spitzel zum Tempel hinausjagen." Kupferberg will wissen, dass die Leiter von FD sich gegenseitig auf den auslaeddi- schen Konsulaten und bei den Landes- behoerden denunziert haben, dass sie "nicht sauber sind und dass die Ham- Aus der Arbeiterbewegung pelmaenner, die das Gefolge bilden, von einem krankhaften Ehrgeiz ge- trieben werden oder Alibis benoeti- gen." Die Leiter von FD anworteten, indem sie Kupferberg als einen Pro- vokateur anprangerten. BAS ANDERE DEUTSCHLAND IN CHILE Wir stellen fest, dass unsere Freun- de in Chile der Vereinigung "Freies Deutschland" in Santiago de Chile nicht mehr angehoeren, und dass diese Organisation den Namen "Das Andere Deutschland" zu Un- recht fuehrt. TSCHECHOSLOWAKEI. Eine Delega- tion der tschechoslowakischen KP aus Moskau wird in London erwartet. Sie fordert von der Benesch-Regierung: 1) Foederalisierung des Landes (Un- abhaengigkeit der Slowakei und Kar- pathorusslands); 2) Eintritt der KP in die Regierung (Oberst Zdenek Fier- linger, Stalins Vertrauensmann, soll Ministerpräsident werden); 3) Auf- gehen aller so autonom gewordenen tschechoslowakischen Gebiete in die USSR. — "Novo Cesko-Slovensko", das Blatt der Stalinisten, kritisiert Benesch Wegen seiner Inaktivitaet im Innern des Landes. JUGOSLAWIEN. Auf dem illegalen Kongress der "Demokratischen Union", der von 275 Delegierten besucht war, Wurde Z. Topalovich, fr. Praesident des Parlaments und leitender Funk- tionacr der Sozialistischen Partei Ju- goslawiens, zum Vorsitzenden ge- waehlt. USA. Bei den Wahlen im 89. Biezirk der Schneider-Gewerkschaft erhielten die Kommunisten 467 Stimmen. Luigi Antonini, der von ihnen angeklagt worden war, ein "Faschist" zu Hein, erhielt 17.805 Stimmen. Die Mitglie- der der Gewerkschaft «bestehen in der Hauptsache aus italienischen Anti- faschisten. ENGLAND. Ein Ausdruck des Links- rucks der englischen Massen sind die Erfolge der Commonwealth Party, de- ren Kandidaten durchw)eg! junge Sol- daten sind. Sie verzeichnet Erfolge in Industrie- und Land bezirken auf der Basis scharfer Angriffe gegen den re_ akticfhaeren Kurs der Innenpolitik. Die Gewerkschaften haben ihren Mit- gliederstand im letzten Jahre um 600.000 auf ueber sechs Millionen er- hoeht. ITALIEN. Ein englischer Soldat, der in Italien steht, berichtet, dass das Interesse an der Politik im Sueden taeglich zunimmt. Bis in die klein- sten Doerfer gibt es uebisrall soziali- stische Organisationen. Die Kommuni- stische Partei ist gespalten. Ausser der von Moskau dirigierten offiziellen Gruppe gibt ies einex andere, die be- sonders aus den alten kommunisti- schen Arbeitern besteht, die unter Mussolini illegal gearbeitet haben. Die offizielle KP hat nite die Demission Badoglios verlangt. Sie hat die hohen faschistischen Beamten "begruesst", die den "Willen der Nation begriffen" und Mussolini abgesetzt habjen. — 26 — SCHWEIZ. Bei den Wahlen zum Na- tionalrat am 31. IC. 43 eroberten die Sozialdemokraten 11 Sitze und wur- den Mm ersten Mal die staerkste Partei IRLAND. Diie stets schwache Arbeiter- partei erhielt bei den Wahlen 17 statt bisher 9 Sitze. KANADA. Die neue fortschrittliche Arbeiter- und Bauernpartei hat bei "Einheitsfronten" Vor etwa einem Jahre sabotierten die Anhaenger dies "Einheitskomitees" in Mexiko die soeben von ihnen mitge- fassten Beschluesse ueber die Zusam- menarbeit der politischen deutschen Emigration in Suedamerika erst durch Wenig saubere Inltriguen, dann durch offene Angriffe. Sie haben hie und da einige unpolitische und kleinbürger- liche Elemente der Emigration, aber keinen unserer Freunde und Lesler irrefuehren koennen un,d stehen im ganzen vor einem Traemmerhauflen. Ueber die gleichen Methoden der oesterreichischen Kommunisten, die dazu gefuehrt haben, dass sie in Eng- land von allen Einheitsparteijsrn aus- ser den Monarchisten verlassen wor- den sind, haben unsere Oesterreich i- schen Freunde laufend tierichtet. Hier seien noch einige neuere Blueten ge- fuehrt, die am kommunistischen Ein- heitsfrontbaum aufgegangen sind. Italienische Einheitsfront mit den Monarchisten Fuer diese ist unmittelbar nach seiner Rueckkehr aus Moskau Ercoli, der Fuehrer der italienischen* Kommuni- Rten, eingetreten. Waehrend bisher die Kommunisten in Italien dien Koenig Und Badoglio heftig bekaempft hat- ten, erklaer.t Ercoli, dass sie keinerlei Voreingenommenheit gegen Badoglio haettlen; sie traeten fuer eine Regie- rung der nationalen Einheit ein und seien zur Zusammenarbeit mit allen Monarchisten bereit. * Damit ist Ercoli den Beschluessen der sechs 'Parteien" in Bari, deren eine die kommunisti- sche war, in den Ruetaken gefallen. lokalen und Provinzwahlen uieber- raschende Erfolge erzielt. AUSTRALIEN. Nach den letzte^ Wahlen ist das Verhaeltnis der Arbei- terpartei zu den buergierlichen Par- teien in der Kammer wie 2:1. Auch im Senat besitzen die Arbeiter eine si- chere Mehrheit. Von den etwas ueber sechs Millionen Einwohnern sind 1.100.000 gewerkschaftlich organisiert. Einheitsfront mit den Kapitalisten "Lest News" (II. 44) bringt den Wort- laut der sensationellen Rede, die Earl Browder, der Vorsitzende der KP in USA, in New York gehalten hat. In ihr fordert er die nationale Einheit, um derentwillen man sozialistische Ziele fuer die Nachkriegszeit aufgeben muesse. Statt dessen tritt er fuer die freie kapitalistische Wirtschaft urti fuer die Beibehaltung des Zweipartei- ensystems in USA ein. Die Kommu- nistische Partei habe deshalb fuer Mai einen Kongress einberufen, um ihre Aufloesung zu beschliessen und statt dessen eine losere Vereinigung zu rtruenden. Selbstversta endlich lehnst Browder in einer Zeit groiesster Kriegsgewinne, wachsender Teuerung und stabil bleibenden Loehne jeden Streik dler Arbeiter aufs schaerfste ab. Das Tollste ist, dass er nach der Selbstmorderk1aerung zugunsten des Kapitalismus sich auf Lenin beruft. Heniker und Opfer am gleichen Tisch Im Moskauer Filei-Deutschland Ko- mitee sitzen nicht nur preussische Junkeroffiziere mit kommunistischen Schriftstellern und frueheren Abge- ordneten zusammen. In "Fyee World" (II. 44) berichtet A. Kantorowicz in einem Artikel, der die dort herge- stellte Einheitsfront verherrlicht, dass in ihm der fruehere Spanienkaempfer und Schriftsteller Willi Bredel neben seinem frueheren Folterer aus dem KZ zusammenarbeitet: "Als Mitglied des National-Komitees wirkt er mit einem frueheren Sturmtrupps uehre r zusammen, der das KZ leitete, in 'd,em Bredel gefoltert wurde." - 2T — Der Realist Bei der ersten Pressekonferenz nach seiner Rueckkehr aus Teheran wurde Praesident Roosevelt von den Jour- nalisten gefragt, was fuer ein Mensch Stalin sei. Die Antwort: Mir aehn- lieh — ein Realist." In der poli- tischen Terminologie bezeichnet man als Realisten einen Staatsmann, der sich nicht an bestimmte politische Ueberzeugungen bindet, sondern seine Handlungen den Erfordernissen des Augenblicks anpasst. auch unter Preisgabe von Prinzipien, die er selbst verkuendet hat. Es ist nicht bekannt, dass die amerikanische Linke dem Praesidenten solchen Opportunismus vorwirft. Sich selbst als Oportunis-ten zu bezeichnen, kann, man von einem Staatsmann nicht verlangen. So ent- stand der Terminus Realist. Sein Sdhoepfer war, wenn wir nicht irren, Chamberlaln, der seine Appeasement- Politik gegenueber den Faschismen als realistisch bezeichnete, als Anto- nym zu der Forderung seiner verstie- gen idealistischen Gegner, die eine aktive, wehrhafte Verteidigung: der Demokratie und des Weltfriedens als die gegebene Politik der Westmaechte forderten. Es ist Roosevelts welthisto- rische Leistung, dass er damals als einziger Staatsmann an fuehrender Stelle der Weltpolitik im Lager der Idealisten stand und mit echtem Tat- sachensinn! fuer die Realitaet der de- mokratischen Ideale sein Land und Volk aus dem "realistischen" Isola- tionismus zum aktiven, opfeirvollen Eintreten fuer die vier Freiheiten fuehrte. Was Roosevelt mit der Kennzeichnung des Marschalls der Sowjetunion als Realisten beabsichtigt, ist nicht ganz klar. Vielleicht ist es ein Versuch, je- nen. Amerikanern, die der Meinung sind, dass Stalin durch alle der rus- sischen Politik aufgezwungenen tak- tischen Anpassungszueee hindurch unbeirrt das Ziel der Weltrevolution verfolgt, diese Furcht zu nehmen. Vielleicht ist es eine Retourkutsche an die amerikanischen Radikalen: Ihr werft mir Opportunismus vor? Seht, euer Stalin ist auch nur ein "Realist". In der beruehmten Komoedie "Fami- lie Schimek" fragt Frau Schimek den Johann Nepomuk Zavadil (als er ihr eine Eingabe an die Behoerde dik- tiert, die mit der Aufschrift P. T. beginnt), was "P. T." eigentlich be- deute. Sein end- und inhaltsloser Er- klaerungsvorschlag muendet in der lapidaren Feststellung: Auf jeden Fall ist es eine Beleidigung! Uns scheint, dass der Titel Realist, wie ihn der fuehrende Staatsmann der westlichen Hemisphaere fuer seinen Mit- und Gegenspieler auf der anderen Halb- kugel der Welt e-epraegt hat, jeden- falls kaum als Kompliment gewertet werden kann. Realismus vor der Feuerprobe Ueber die Frage der Beschaeftigung von Negern im Dienste der Eisenbahn- linien in den Suedstaaten der Union schwebt ein Konflikt zwischen dem Fair Employment Practice Committe, das Praesident Roosevelt eingesetzt hat, um darueber zu wachen, dass die Unternehmungen keine Rassendiskri- minierung ze'i der Einstellung von Ar- beitern vornehmen. Das FEGP for- derte von den Suedbahnen. die Ne- ger wenigstens bis zu den Heizerposten zuzulassen. Die Bahnen antworteten: "Es ist aeusserst unrealistisch (!) vorauszusetzen, dass Probleme von sol- cher Verfaenglichkeit aus dem Hand- gelenk auf • Grund der Vorschriften Ihres Komitees geloest werden koen- nen." Die Entscheidung in dem Kon- flikt wurde jetzt dem Praesidenten zugeschoben. Fuer ihn besteht der Realismus des Problems darin, dass die Negerstimmen bei der dies- jaehrigen Präsidentenwahl ausschlag- gebend sein koennen, aber eine Ent- scheidung zu Aren Gunsten einen Konflikt mit den einflussreichen de- mokratischen Mandataren der Sued- staaten ausloesen kann. — 28 — Bücher HEINRICH MANN: LIDICE Heinrich Manns grosse gesellschafts- kritische Romane werden wahrschein- lich — und zu Recht einmal ueber die Werke seines heute vielfach fuer bedeutender gehaltenen Bitoders ge- stellt werden. Gerade weil wir die li- terarische Bedeutung dieses uner- schrocknen Kaempfers so sehr schaet- zen, bedauern wir, dass sein Lidice- Roman in der vorliegenden Fassung das Licht der Oeffentlichkeit er- blickte. Sei es nun, dass die durch die Emigration gegebene raeumliche und geistige Entfernung des Autors von dem geschilderten Milieu und seinen Menschen das ihre beigetragen hat, sei es, dass die neue Umgebung den Schriftsteller unguenstig beein- flusste, Tatsache bleibt leider, tiass bei diesem Werk nicht der zaehe, hasserfuellte und opferreiche Kampf des tschechischen Volkes gegen seinen grausamen Unterdrücker, sondern das Schema platter Hollywood-Filme vom Schlage der "Ofensiva amorosa" oder von "Sein oder Nichtsein" Pate ge- standen hat. Dieser Eindruck wird noch verstaerkt durch den unroman- haften Drehbuchstil des Werkes. Ein neckisches Doppelgaenger-Satyrspiel, reich an frisch-frtoehlichen Hinrich- tungaszenen, stellt Hunderte von bra- ven Schwejks einer vertrottelten, bloe- delnden und bis zur voelligen Un- kenntlichkeit karikierten Gestapo ge- genueber. (Gespraech der Gestapo- beamten untereinander: "Wir stellen : uns nicht dumm — wir sind dumm.") i Im Zuge einer durchsichtigen Rein- Waschungskampagne, die heute von gewisser Seite fuer die Papen, Meiss- ner u. Co. gefuehrt wird, ist Herr von Neurath natuerlich der anstaendige deutsche Diplomat alter Schule1, der das Beste fuer das tschechische Volk will. Heydtidh* ist ein laecherlicher, furchtsamer, unsicherer Harlekin, der halb aus Versehen von seiner eigenen Gestapo erschossen wird. In einer Reihe von krampifigen und kitschi- gen Szenen wird auf allerbilligste Ef- fekte nicht verzichtet. So muss ueber der Felsenhoehle, in der der Parti- sanengeneral sein Quartier1 aufge- schlagen hat, der aus der deutschen Heldensage sattsam bekannte Adler in den Lueften schweben. Ist es ueberhaupt gewagt, die Tragoe- die von Lidice in satirischer Form zu behandeln, der vorliegende Roman streift hart an eine Verhoehnung des Helden kämpf es, den ein terrorisiertes Volk fuer seine Freiheit fuehrit. H. J. Jose Antonio de Aguirre: DE GUERNICA A NUEVA YORK PASANDO POR BERLIN Der basische Expraesident schildert in diesem Buch seine abenteuerreiche Flucht durch das von den Nazis be- setzte Europa. Nach dem Zusammen- bruch der heldenmuetigen Verteidi- gung der baskischen Republik flieht Aguirre nach Frankreich und kommt dann ueber Belgien mit falschen pa- pieren nach Berlin, wo er mehrere Wochen bis zu seiner Abreise nach Amerika verbringt. Trotzdem er nicht deutsch spricht, kann er aufschluss- rek'he Beobachtungen ueber die in- nere Verfassung des Nazisystems ma- chen. zu einer Zeit, da sich die Na- zis auf dem Hoehepunkt ihrer Er- folge befanden. Die Militaers zwei- feln offen an der Moeglichkeiti des Endsieges, es herrscht Gleichgültig- keit gegen Hitlerreden oder andere wichtige Ereignisse, Abscheu gegen die Judenverfolgungen und starke Opposition unter der Arbeiterschaft. Es gelingt Aguirre, ueber Schweden nach Amerika zu gelangen, und er schliesst das Buch mit der "Botschaft Guernicas an Amerika", worin er sei- ne Meinung ueber Krieg, Frieden und die Gesellschaft der Zukunft nie- derlegt Von der Grundlage ausge- hend, dass dieser Krieg ein Krieg der Ideologien ist, kommt er als glaeu- — 29 — biger Katholik zu befremdenden Schlussfolgerungen fuer die Nach- kriegszeit und sieht in den sozialen Bemuehungen der Kirche in Verbin- dung mit moeglichst tiefgehenden Reformen des kapitalistischen Sy- stems die Rettung fuer die Mensch- heit von morgen. In seiner Ausein- andersetzung mit dem Kommunismus und der Sowjetunion verraet der Verfasser nicht selten eine grobe Das Gesicht der Zeit Zusammenhaenge. Der amerikanische Kapitalismus hat 600 Millionen Dol- lars an Mussolini gegeben, um die fa- schistische Diktatur zu sichern. — Fuenfzig Mitglieder der Amgot in Si- zilien und Sueditalien haben enge per- sonelle Beziehungen zu Banken und Versicherungsgesellschaften. ("The Christian Science Monitor") Sowohl als auch. Praesident Smuts tritt sowohl fuer das englische Im- perium als auch fuer eine neue 'bes- sere Welt ein. — In Suedafrika hat- ten 1938 zehn Personen ein Einkom- men von mehr als 20.000 Pfund; 1941 war die Zahl bereits auf 99 angestie- gen. Auf der anderen Seite sahen sieh die farbigen Arbeiter durch die Ver- schlechterung ihrer Lage zu zahlrei- chen Streiks genoetigt, was mit Ein- kerkerungen und sogar mit Erschies- sungen beantwortet wurde. — Den Hindus ist in Suedafrika der Erwerb von Land verboten. Erfahrung in Italien. M'an hoert im- mer die Hinterlandsstrategen fragen, bequem in ein Fauteuil gereckelt, warum die Arbeiter in den vom Fa- schismus unterworfenen Laendern keine Revolution machen- (jetzt, wo wir'is so gerne haben moechten); wae. re es nicht hoch an der Zeit, dass sie endlich hervortreten und etwas tae- ten? Nun, selten im Verlaufe der Ge- schichte sind Menschen nach 20jaeh- riger erstickender Unterdrückung mutiger hervorgetreten als die italie- nischen Antifaschisten. Ohne die Ge- fahr zu scheuen, offenbarten sie sich Freunden und Feinden. Ist ihnen aber Verkennung von Tatsachen, was wohl der Hauptgrund fuer seine teilweise ungerechtfertigten Urteile sein mag. Trotzdem liest man das Buch mit Freude als das Bekenrftnis eines ehr- lichen Kaempfers, der, wenn auch nicht frei von nationalistischen Ge- suchten, versucht, i deif (Mjenschtheit den Weg in eine bessere Zukunft zu weisen. H. A. wirkliche Hilfe geleistet worden? Waere es der Fall gewesen, muesste man heute weniiger um ihr Schuck- sal bangen (London Information der Oestereichischen Sozialisten). ' B. Kingsley Martin, der Herausgeber des Londoner "New Statesman and Nation", erklaerte, das systematische Bombardieren deutscher Grosstaedte habe mur dann einen Sinn, wenn es von politischen Appellen an die Be- voelkenung begleitet sei. "So lange der Krieg dauert, ist bis zur Evidenz er- wiesen worden, dass es in Deutschland ueber den Krieg verschiedene Ansich- ten und eine stark anltihitleristisohe Stimmung gibt. Wenn wir aber den Eindruck erwecken, dass wir ent- schlossen sind, die Deutschen bis zum letzten Mann zu vernichten, was koen-i neu sie dann anders tun, als. bis zum Tode kaempfen?" Morgenwind roch Erich Vermehren, der 2. Militaerattache der deutschen Botschaft in der Tuerkei. Er erschien eines Morgens nicht in seinem Buero und Herr von Papen erfuhr, dass er unter Mitnahme wichtigster militaeri- ßcher Dokumente sich unter den Schutz der Alliierten begehen hatte. Nazi-Gefangene werden Gewerk- schaftsmitglieder in USA. — In Brid- getown, im Staat New York, hat die Gewerkschaft der Schlachthausarbei- ter einen "Closed Shop" Vertrag durchgesetzt, d. h. es kann in! den Schiachthaeusern niemand arbeiten, der nicht Mitglied der der AFL an- geschlossenen Gewerkschaft ist. In den Schlachthaeusern arbeiten (165 — SO — deutsche Kriegsgefangene, die einen Stundenlohn; von 80 Dollarcents pro Stunde verdienen (6,40 Dollar pro Tag). Die Gewerkschaft setzte kuerz- lich gegenueber der Regierung durch, MAX ZIMMERLING: Rechenschaft dass auch die Kriegsgefangenen Ge- werkschaftsbeitraege zahlen und da- mit sich der Gewerkschaft anschlies- sen muessen. Einst wird man Rechenschaft von dir verlangen; ein jeder Tag hat Farbe und Gewicht und laesst zurueck ein Mal dir im Gesicht und kuendet einst den Weg, den du gegangen. O glaube nicht, du seist schon freigesprochen von dem Gericht, das einst dein Leben misst, und das dich fragt, wo du gewesen bist seit jenem Tage, da du aufgebrochen. Und waer dein Tun mit keiner Schuld beladen, und wies, dein Antlitz keine Narbe auf, und waer auch ohne Fehl dein Lebenslauf, und kam durch dich auch nie ein Mensch zu Schaden, und waern in Ordnung alle deine Kassen, und fehlte drin nicht eine einzge Nacht _ Es geht nicht nur darum, was du vollbracht, es geht auch darum, was du unterlassen. Du hast dein Leben ohne Sinn genossen, wenn, was du tatest, nur von heute war, und es kein Fuenkchen Kommendes gebar —, wenn draus kein Tropfen Zukunft je geflossen. Totentafel Kurt Heilblut, Redakteur der "Dresd- ner Volkszeitung", ist im Konzentra- tionslager gestorben. Karl Mierendorff ist, sechsundvierzig- jaehrig, bei einem Luftangriff auf Leipzig ums Leben gekommen. Der vo- rige Weltkrieg fuehrte M. zur sozialis- tischen Arbeiterbewegung, der er seit- her sein Leben gewidmet hat. Unter der Hitlerdiktatur hat er mit vorbild- lichem Mut in der illegalen Arbeit ge- standen. Fuenf Jahre lange Foltern im Konzentrationslager vermochten ihn nicht au brechen. Heinrich Stroebel ist als Siebziger in Zuerich gestorben. Als Vorwaertlsre- dakteur musste er im ersten! Weltkrieg zuruecktreten, weil er die Kriegspolitik der SPD bek'aempfte. Er gehoerte dann der USP an und war einer der Panzerkreuzerverweigerer und Be- gruender der SAP. Er war einer der fuehrenden Koepfe der deutschen Frie- densbewegung und geschaetzter Leit- artikler ihres Organs "Das Andere Deutschland". M. Beer, der Verfasser der bekannten "Geschichte des SoziaJismu|s", sowie eines Werkes ueber den englischen] Sozialismus, ist im Alter von ueber 80 Jahren in London gestorben. Er hat als sozialdemokratischer Redak- teur noch die Zeiten des Sozialisten- gesetzes erlebt. Robert Schmidt, ehemaliger Reichs- wirtschaf,tsminister, ist in Berlin ge- storben. Sein Begraebnis wurde eine eindrucksvolle Manifestation. — 81 — Aus der Oesterreichischen politischen Emigration PROGRAMMATISCHES ZUR MOSKAUER ENTSCHLIESSUNG UEBER OESTERREICH Das Austrian Labor Ccmmittee, die politische Vertretung der oesterreichischen Sozialisten in den U. S. A., nimmt in der Austrian Labor Information (XII, 43) in programmatischer Form zu den Beschlüssen der Moskauer Aussen- minister kons er enz Stellung. Ausdruecklich 'wird der Leitartikel dieser Nummer des ALI als ein Ergebnis der Beratungen der Exekutive des ALC bezeichnet, nachdem sich diese "eingehend mit den neu aufgeworfenen wichtigen Proble- men, insbesondere mit den inzwischen bekanntgewordenen Kundgebungen des London Buero der oesterreichischen Sozialisten in England, beschäftigt" hat. Es erscheint uns daher unerlaesslich, die wichtigsten Formulierungen hier im Auszug wiederzugeben. OESTERREICH, DIE URSS UND DIE WESTLICHEN DEMOKRATIEN "Wir (die oesterreidhischen Soziali- sten) haben nicht erst seit gestern den Standpunkt vertreten, dass die Welt nur durch ein Zusammenwirken der demokratischen und sozialisti- schen Kraefte von der Barbarei des Faschismus gerettet werden kann... Wir haben eine Volksfront im inter- nationalen Masstab, das Zusammen- wirken der westlichen Demokratien mit der Sowjetunion immer fuer die Loesung des grossen strategischen Problems des Kampfes gegen den Na- zismus angesehen. Es ist die ganze Tradition des cesterreichischen Sozia- lismus, des sogenannten Austromar- xismus, seit der bolschewistischen Re- volution die- europaeische Arbeiter- bewegung Sowjetrussland verstehen zu lehren und sie zu ueberzeugen, dass die englische Arbeiterbewegung mit der russischen, die demokratischen Regierungen mit dem roten Kreml zu- sammenwirken muessen. Wie oft ha- ben wegen dieser politischen Perspek- tiven die oesterreichischen Spiesser den grossen Otto Bauer einen "Bol- schewiken" gescholten, und wie oft haben die Propagandisten der Kom- intern ihn als einen Zentristen, als einen Sozialverraeter verschrien!... Noch weiss niemand, wie Europa, ge- staltet werden wird, wenn die euro- paeisohen Massen, die in einzelnen Laendern wie in Frankreich oder in Jugoslawien erst zum Teil in Bewe- gung geraten sind, in anderen Teilen Europas, wie in Oesterreich oder in der Tschechoslowakei, erst allmaehlich in Bewegung kommen und in Deutsch- land noch nicht als aktive Kraft in Erscheinung treten, handelnd auf dem Schauplatz eines von Hitler be- freiten Europas auftreten werden. Noch koennen wir nicht ermessen, wie tief die durch diesen Krieg ausge- loesten sozialen Veraenderungen in Grossbritannien sein werden, noch Weiss .niemand, wie sich die Sowjet- union, wie sich die Vereinigten Staa- ten in diesem Kriege und den ihm folgenden Phasen veraendern werden. Trotzdem duerfen wir an einem ge- schichtlichen Wendepunkt wie dem jetzigen aussprechen, dass das, was jetzt geschieht, das Wirken und die Wirksamkeit gesellschaftlicher Kraef- te beweist, die die Entwicklung noch weit ueber den heutigen Zustand hin- austreiben werden und muessen. Und dass, was jetzt geschieht, zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt Moeglichkeiten eroeffnet, fuer die wir gekaempft, die wir als unerlaessliche Notwendigkeiten betrachtet haben. Niemals seit dem Machtantritt Hitlers war die Aussicht, dass das bisher aerg- ßte Hindernis fuer die Verwirklichung unserer sozialistischen Ziele beseitigt werden wird, so greifbar nahe. — 32 — DAS KUENFTIGE FREIE UND UNABHAENGIGE OESTERREICH '1Zu den ersten konkreten, Ergebnis- Ben des Zusammenwirkens der west- lichen Demokratien und der Sowjet- union gehoert die Erklaerung ueber die Wiederherstellung der staatlichen Unabhängigkeit Oesterreichs... spre- chen wir es vorweg mit aller Deut- lichkeit aus: das republikanisch-de- mokratische Oesterreich, das Oester- teich mit seiner modernen Verlfassung, seiner .fortgeschrittenen Sozialpolitik, das Oesterreich mit dem Roten Wien als Kroenung — das war das irnab- haengige Oesterreich. Weder ein Ver- such, die Habsburger diesem Oester- reich aufdraengen zu wollen, noch ein Experiment mit einer Wiederbelebung der unseligen Traditionen der Doli- fuss-Schuschnigg-Zeit waere im, Sinne des Moskauer Beschlusses. Oesterreich War eine demokratische Republik, so- lange es frei und unabhaengig war — nur dieses Oesterreich kann wieder errichtet werden... Niemand wird an- nehmen, dass wir dieses Land, die Republik Oesterreich, nicht mit allen Fasern unseres Herzens geliebt haben — das Land, das nicht nur unsere Heimat war und geblieben ist, son- dern das fuer uns die Staette des Wirkens der grosen oesterreichischen WIDERSTAND IN OESTERREICH "In den letzten Wochen hat sich der Widerstand in Oesterreich zweifellos verschaierft. Die politische Richtung all dieser Aktionen ist deutlich: sie ist antinazistisch, sie ist eindeutig re- publikanisch und, wo es sich um Ar- beiterfragen handelt, sozialistisch — ohne dass wir damit eine besondere Richtung oder Fraktion innerhalb der Arbeiterschaft im Auge haetten. Die Wiener Arbeiter haben z>u Allerseelen die Graeber der Opfer des Februar 1934 geschmueckt. Die Wiener haben die franzoesischen Arbeiter, die die Nazis am Waffenstillstandstag zwan- gen, zum Heldendenkma] zu marschie- ren, mit dem Rufe begruesst: "Hoch die franzoesisehe Republik". Die Wie- ner Arbeiter waren immer gute In- ternationalisten und sind es auch u'n- Arbeiterbewegung und aller ihrer Er- folge und Siege war. Wir haben es darum wahrlich nicht notwendig, wie manche sehr neugebackene und noch recht unreife oesterreichische Patrio- ten, unsere Liebe und Treue zur Re- publik Oesterreich besonders zu be- teuern. ( Aber wir sind mit der Geschichte der Republik Oesterreich und mit den Leiden der Arbeiter, vor allem der Arbeitslosen, zu eng verbunden, als dass wir nicht wuessten, welche wirt- schaftlichen Probleme sich aus der staatlichen Selbstaen&igkeit Oester- reichs ergeben muessen ... Nach den eindeutigen Erklaerungen, die von of- fizioeser Moskauer Regierungsstelle (in der "Izwestia") nach Abschluss der Konferenz der drei Aussenmini- ster gegen alle vorzeitigen 'und ueber- eilten staaten-Foederation und andere Kombinationen abgegeben worden sind, besteht kein Zweifel, dass Oesterreich zunaechst auf sich selbst gestellt sein wird. Wir haben mit die- ser Tatsache zu rechnen, sie gehoert mit zu den Faktoren, die durch den Beschluss der Moskauer Konferenz gesetzt sind." ter dem Nazismus geblieben. Die Wie- ner haben am 12. November das ge- meinsame Grab Viktor Adlers und Engelbert Pernerstorfers geschmueckt und auf einem der Kraenze stand zu lesen "Unseren Fu ehrern — ganz Wien!" Die Wiener Arbeiter verleug- nen ihre Vergangenheit nicht. Wir machen uns keine Illusion, dass die oesterreichische Geschichte unmittel- bar dort anknuepfen koennte, wo sie im Februar 1934 unterbrochen wurde. Wir selbst wuenschen nicht einfach die Rueckkehr zum Vergangenen. Die- jenigen von uns, die nach Hause kom- men werden, werden nur dann der Bewegung nuetzen koennen, wenn sie sich darauf vorbereiten, dem Neuen vorbehaltlos zu dienen... Wir wissen, dass es nach Hitler in — 33 — Oesterreich zwei grosse Volksklasseti geben wird, die Arbeiter und die Bau- ern, und dass im Zusammenwirken von Arbeitern und Bauern die politi- sche Zukunft Oesterreichs liegt. Aber keine Zufalls- und Ersatz-Kombina- tion von Emigranten, unter denen es keine Vertreter der Bauern gibt, wer- den ersetzen kcennen, was in Oester- reich selbst gebildet werden muss: ei- ne Volksfront der Arbeiter und Bau- ern, wobei eine zu politischen Aktio- nen geeinigte Arbeiter-Front die Vor- BOMBEN AUF WIEN aussetzung fuer die politische Hand- lungsfaehigkeit der breiten Massen der staedtischen Bevoelkerung sein Wirid. Wir sind der Meinung, dass ein Hoechstmass von Einheit und Zusam- menarbeit unter den oesterreichischen Arbeitern ermoeglicht werden muss Und dass nichts geschehen soll, was diese Möglichkeiten beeintraechtigen koennte. Wir sind ueberzeugt: in der Aktion gegen die Nazis wird die wirk- liche Aktionseinheit der Oesterreich!- sehen Arbeiter verwirklicht werden." Nach Wiener Neustadt hat nun das Schicksal auch Wien erreicht. Nach einem Luftangriff auf Wiener Neustadt kamen glaubwuerdige Berichte ins neutrale Ausland, die von mehr als tausend getoeteten Arbeitern sprachen. Nazi waren die nicht. Wieviele Proleten, wieviele brave Genossen werden dem Bombar- dement Wiens zum Opfer gefallen sein? Gefallen fuei; eine fremde Sache, fuer eine Sache, die sie hassen! Denn auf das Cottage, auf den Kranz der Villen- viertel von Hietzing bis Heiligenstadt verschwenden die Piloten der RAF ihre kostbare Ladung nicht; Simmering, Favoriten, Floridsdorf, die Fabriken in den proletarischen Wohnbezirken sind ihr Ziel gewesen. Die Zeitungen berich- teten, dass die Bahnanlagen Wiens mit Bomben belegt worden sind. Dem Olst- und Suedbahnhof gegenueber steht das Belvedere, Wiens schoenster Profan- bau, — steht es noch? Unfern dem, Franz Josefs-Bahnhof liegt das Liechten- stein-Palais. Im Bereich der Bahnanlagen liegen die stolzesten Wohnbauten des Roten Wien, der Karl Marx-Hof in Heiligenstax.lt, der Matteottihof am Wiedner Guertel haben den Kanonaden der Dollfussdragoner standgehalten; wie ist es ihnen und ihren Bewohnern unter den Bomben der RAF ergangen? Wer mit den Arbeitern Wiens gelebt hat, bangt um jeden einzelnen der Ge- nossen; wer Wien geliebt hat, zittert um jedes Haius, um jeden Stein der ge- liebten Stadt. DAS RAETSEL DER OESTERREICHISCHEN FREIHEITSFRONT Auf einem Parteitag der Deutschen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Oesterreich sagte einmal Viktor Adler: "Es ist der Partei Oesters gelungen, ihre Gegner zu taeuschen, und es gebeert zu den legitimen Waffen des Pirole- tariats, den Klassengegner irrezufuehren — aber niemals wuerde ich mich dazu bereit finden, die eigenen Genossen zu taeuschen und das Proletariat irrezufuehren." Zu Ende des Jahres 1942 berichteten die Auslandsblaetter der Oesterreichi- schen Kommunistischen Partei' ueber die Konstituierung einer oesterreichi- schen nationalen Freiheitsbewegung aus den in Oesterreich selbst kaempfen- den unterirdischen Widerstandsgruppen, die auf eine geheime Konferenz im Herbst 1942 "irgendwo in den oesterreichischen Bergen" zu diesem Zwecke De- legierte entsandt hatten. Als Quelle ihrer Information bezeichneten die kom- munistischen Blaetter eine geheime oesterreichische Rundfunkstation, den Oesterreichischen Freiheitss end er. Seither gebaerden sich die Kommunisten als die Auslandsvertretung dieser Oesterreichischen Freiheitsfront, berufen sich auf sie, als ob sie ihnen namens — 3* — der oesterreichischen Bevoelkerung ein besonderes Mandat uebertragen haette. Mit dieser Freiheitsfront beschaeftigte sich Genosse Franz Novy auf der am 12. XII. in London abgehaltenen; Delegierten-Konlerenz der Oesterreichischen Gewerkschafter in Grossbritannien. Franz Novy war in der oesterreichischen illegalen Gewerkschaftsorganisation der Dollfuss Schuschnigg-Periode fueh- rend taetig. Wir geben seine Ausfuehrungen mit unwesentlichen Kuerzungen nachstehend wieder: "Im November 1942 informierte uns der Rundfunk einer russischen Sta- tion, die sich auf die Propaganda f'uer Oesterreich spezialisiert hat, ueber ei- ne sogenannte Freiheitskonferenz, die einige Zeit zuvor in den oesterreichi- schen Bergen abgehalten worden war. (Welch herbe Enttaeuschung, zu er- fahren, dass clas einzige 'Geheime am geheimen Oesterreichischen Freiheits- sender sein Standort in Russland ist, was die kommunistische presse ihren Lesern nicht verraten hat). Seit die- ser Zeit jedoch, im Verlaufe zweier Jahre, haben wir oesterrelichis Flugtechnik — Fotografie — Franzvesische Literatur1 — Gaertnerei — Gedichte — Geographie und Reisebeschrei- bungen — Geschichte — Handölswissenschaften — Humor — Judaica — Kinderbuecher — Klassiker — Kochbue- eher — Kunst —. Landwirtschaft — Medizin — Literatur- geschichte — Mathematik — Musik — Naturwissenschaft — Nationaloekonomie — Philosophie — Psychologie —> Rechtswissenschaft — Sexualwissenschaft — Technik — Theologie — Okkultismus — Sprachlehre — Romane Verlangen Sie von. diesen Katalogen diejenigen, die Sie interessieren — Kostenlose Zusendung U. T. 31-4613 y 7427 Buenos Aires Verkaufs- u. Ausstellungsraeume bis 24.30 Uhr geoeffnet SUC. 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