LA OTRA ALEMANIA WWW» ORGANO DE LOS ALEMANES DEMOCRAT1COS DE LA AMERICA DEL SUR Redacciön y administr.: .CALLE TUCUMAN 309 Buenos Aires (Argentina) IL T. Retiro 7264 Buenos Aires, 25 de Mayo de 1944 Ano VII No. 82 AUS DEM INHALT Gründung des Ausschusses für ein Demokratisches Deutschland. Deutschland nach Hitler. August Siemsen: Weltherr- schaftspläne und Fa- schismus. U. Becher: Der Grosse Crosz. Karl O. Paetel: Die Schwarze Garde Adolf Hitlers. Hans Lehmann: Zur Rassen- frage. Aus der politischen deut- schen Emigration. Das Gesicht der Zeit, Aus der österreichischen po- litischen Emigration. WIE SIEHT ES IN DEUTSCHLAND AUS? Auf Grund von Be- richten aus ver- schiedenen Gebie- ten und von Perso- nen, die verschie- denen sozial en Klas s>e n angehö- ren, hat der ISK (Januar 1944) fol- gende Punkte über die Lage Deutsch- lands zusammen- gestellt. \. Die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes ist nicht undi war nie für den Krieg. 2. Die Gesundheit der deutschen Nation ist uur > dauernde Ueber- arbeit und unzulängliche Ernäh- rung untergraben. 3. Das Bewusstsein der deutschen Volksgemeinschaft, soweit es über- haupt bestanden hat, stirbt völlig aus. Gerüchte über Korruption in den oberen Nazikreisen wachsen an, vor allem in Verbindung mit d'en häufigen Verurteilungen we- gen Sdhwarzhandels. Wi'e jeder- man weiss, werden solche Urteile nie gegen die grössten Nutzniesser des Schwarzhandels gefällt. 4. Grosse Siege rufen nicht den geringsten Enthusiasmus hervor, vor allemy seit die Menschen über- zeugt sind, dass sie nicht zur Be- endigung des Krieges führen. 5. Die Luftangriffe der Alliierten Deutschs t;t'ücV:\Gsk fr«!-Hu-.i cm K.-sirv werden sehr gefürchtet . . . Man sagt sich: "Wir werden nicht nur den Krieg verlieren, sondern am Ende des Kriegen werden wir auch unser bisschen Besitz verloren ha- ben". 6. Die Mehrheit hat innerlich völ - lig mit den Nazis gebrochen. Man ist überzeugt, daäs das Regime kurz oder lang zusammenstürzen lüird. 7. Aber wenige haben eine klare Vorstellung davon, wer und was an die Stelle dieses Regimes treten könnte und sollte. Viele, vor al- lem 'diejenigen, welche nie eine klare Lebensphilosophie besassen, leben in völliger Verzweiflung und, Apathie und nehmen an nichts aus innerer Ueberzeugung und aus freiem Willen teil. 8. Niemand glaubt, dass das Na- ziregime durch eine oppositionelle Bewegung innerhalb Deutschlands gestürzt werden kann. Die organi- sierte Macht der Gestapo und aer Waffen-SS ist erdrückend. Diese Macht muss erst durch äussere Er- eignisse erschüttert werden. Fast alle Berichterstatter meinen, dass ein militärischer Zusammenbruch, der deutlich als solcher sichtbar ist, Voraussetzung ist. 9. Die wenigen Menschen, die wis- sen, wie die Dinge stehen, und die sich selbst "auf den Tag" vorberei- tein, arbeiten äusserst vorsichtig. Die Folge davon ist, dass einige Reporter erklärt haben, es gebe keine Opposition. Aber das bedeu- tet nur, dass diese Reporter keine Verbindung mit der Opposition ge- habt haben, obwohl einige zugege- ben haten, dass es gewisse Anzei- chen für ihre Existenz gebe. 10. Die Tätigkeit der Opposition besteht in einigen Fällen nur da- rin, alte Verbindungen aufrecht- zuerhalten, in anderen werden Flugschriften veröffentlicht, in andern geht sie bis zu offenen Sa- botageakten. Die verbreitetste Sa- botageform ist die des langsamen Arbeitens, die indessen oft sehr ernste Folgen hat. Hier zeigt sich der gute Kontakt der deutschen mit den fremden Arbeitern. Alle Berichte stimmen darin überein, dass diese Zusammenarbeit häufig ausgezeichnet ist. 11. Ideen von der Herrenrasse exi- stieren nicht, was die Arbeiter an- geht, dasselbe gilt für jede ernste Form des Antisemitismus. 12. Wesentlich für die Stärkung der wirklichen Opposition und ih- ren eventuellen Sieg ist, sie durch Radio und durch Berichte über den Fortschritt der Freiheit in den alliierten Ländern zu unterstützen. Es herrscht Uebereinstimmung da- rüber, dass jedes Liebäugeln mit einem Frieden mit Hitler oder mit einigen seiner weniger kompromit- tierten Generäle und Industriel- len ein tödlicher Schlag für eine echte und fortschrittliche Opposi- tion sein müsste, die fähig wäre, das herrschende Regime zu erset- zen. 13. Es ist notwendig, klare Direk- tiven und Pläne zu entwickeln. Das soll nicht bedeuten, dass man das deutsche Volk von der Verant- wortung für Hitlers Aufstieg\ zur Macht freisprechen sollte; aber sie müssten zeigen, wie ein neues Deutschland nach der radikalen Niederlage Hitlers und seiner Gangsterbande Mitglied in der Ge- sellschaft freier und gleicher Na- tionen werden könnte._ VOM EINHEITSKOMITE MEXIKO. Jesus Hernändez, der frühere Volksbildungsminister der Regierung Negrin, der kürzlich von Moskau na:h Mexiko gekommen ist, wurde aus der Kommunisti- schen Partei ausgeschlossen. Wegen kommunistischer Oesinnung?_ WERBT FUER DAS ANDERE DEUTSCHLAND August Siemsen: WELTHERRSCHAFTSPLAENE UND FASCHISMUS General Patton hat als "enfant terrible" kürzlich erklärt, dass die USA und England die Weltherrschaft übernehmen würden. Darob herrschte etliches Entsetzen bei denen, die es angeht, und prompt erfolgte eine Berichtigung, erstens habe Patton natürlich Russland mit gemeint und zweitens sei überhaupt nicht . . . Aber trotzdem verstärkt sich der Eindruck, dass solche Weltherr- schaftspläne bestehen auf Grund mancher in gleicher Richtung Gehen- der, wenn auch vorsichtigerer Aeusserungen von prominenten Stellen, und loeil man bisher die wichtigsten Beratungen und Beschlüsse über den künftigen Frieden im engsten Kreise getroffen hat. Was aber am unwiderleglichsten für solche Absichten spricht„ das ist die geradezu un- vorstellbare und ungehsueriche Aufrüstung der Vereinigten Staaten zur See und zur Luft. Nun kommt natürlich viel darauf an, wie eine solche Weltherrschaft aus- sieht. Diejenigen Menschen, die in den angelsächsischen Staaten und ihren Regierungen Muster echter Demokratie Gerechtigkeit und Huma- nität sehen, oder, die wenigstens so tun, begrüssen solche Absichten, von denen sie keine Beherrschung aus selbstsüchtigen Interessen, son- dern eine wohlwollende Lenkung zum besten der Menschheit erwar- ten. Aber diese Meinung der hundertprozentigen Amerikaner und Eng- länder, der1 Babbits und Blimps, hat leider nichts mit der Wirklichkeit zu tun. Zu deutlich ist für jeden Unvoreingenommenen, dass der Krieg, so- weit] er die herrschenden Kresse betrifft, ja gar nicht für Freiheit und, Menschenrecht gegen Unterdrückung und Unrecht geführt wird, son- dern in erster Linie zur Aufrechterhaltung und Erweiterung der Macht- positionen der kapitalistischen angelsächsischen Staaten, d. h. für imperia- listische Ziele. Dazu muss mia.v aber nicht nur dib Achsenmächte besie- gen; dazu muss man auch die soziale Revolution verhindern; und dazu wiederum bedient man sich des Faschismus. Von einer gewiss nicht be- sonders überzeugenden Position, nämlich der des polnischen Nationa- lismus aus, aber sachlich richtig, hat der Ministerpräsident der polnischen Exilsregierung gegenüber diesen Weltherrschaftsabsichten kürzlich er- klärt• "Die Demokratie muss in allen Nationen den Totalitarismusi erset- zen, aber die Demokratie ist auf internationalem Gßfriet nicht weniger 'notwendig, wenn man den Frieden sichern will". Grundsätzlich und mit ehrlichster Sorge kritisiert die Zeitschrift "Ne- dsrland" vom 4. Mai die reaktionäre Politik und die reaktionären Ab- sichten der Alliierten, indem sie ausgeht von der Unterstützung und För- derung der faschistischen Regierung Francos durch die, angelsächsischen Mächte. In Spanien habe der 2. Weltkrieg begonnen: dort hätten Faschi- sten und Nazis ihren Blitzkrieg, ihre Tanks, ihre Flugzeuge, ihre Gesta- po und — mit Unterstützung> der Weltpresse — ihre Lügenpropaganda er- folgreich erprobt; England und Frankreich aber hätten Beihilfe gelei- stet und die spanische Republik den Faschisten ausgeliefert. Jetzt wieder- hole stich das ale'.che Spiel. Die Münchner Politik werde fortgesetzt, indem man Franco am Ruder lasse unter Preisgabe der spanischen Republika- ner. Wenn noch immer infolge der ungeheueren Lügenpropaganda ~— auch Churchill hat sie mitgemacht, fügen wir hinzu — die spanischen — 3 — Republikaner verleumdet würden, so müsse man feststellen, dass sie nichts anderes getan hätten als heute die Freiheitskämpfer im unter- jochten Europa. — Angesichtes solcher Politik der! Alliierten, so schliesst "Nederland" seinen Artikel, seien also Faschismus und Nazismus mit der Niederlage Hitlerdeutschlands keineswegs tot. Wenn es> so weiter gehe, werde der Krieg umsonst geführt worden sein. Wir zitieren die bürgerliche Zeitschrift "Nederland", da uns die Opportu- nisten und die Masse der Unselbständigen vielleicht Uebertreibung und Radikalismus vorwerfen werden, welch letzteren Vorwurf wir uns übri- gens gern gefallen lassen, sofern "radikal" bedeutet, die Dinge von der Wurzel her, von Grund aus zu betrachten und nicht beim allgemeinen Geschwätz, mal so und mal so, mitzumachen. Uns also scheinen die Sorgen von "Nederlandv vollauf berechtigt Wir haben oft genug auf die faschistenfreundliche und linksfeindliche Poli- tik der Alliierten hingewiesen. Wr fragen heute nur: Wann und wo haben dSe Alliierten irgendwo in der Welt sich energisch gegen Reak- tion oder Faschismus gewendet, soweit sHe sich ausserhalb der Ach- senmächte finden oder ihnen direkt dienen? In Portugal. um nur ein Beispiel zu geben, hat der faschistische Diktator Salazar eben bru- tal einen Generalstreik der Arbeiter niedergeworfen, die völlig ent- rechtet sind, deren Führer zu tausenden Gefängnisse und Konzentra- tionslager füllen, wo hie mit Nazimethoden behandelt werden, und die sich in unerträglicher Notlage befinden. Die angelsächsischen Nach- richtenagenturen notieren das kaum, und England, von dem Portugal seit 1703 abhängig istnimmt ebensowenig Notiz von diesen Zuständen wie seiner Zeit davon, dass die maurischen Truppen und die Flugzeuge Francos von Portugal her gegen die spanische Republik losgelassen wur- den. — Ach so: Einmischung in die Souveränität eines anderen Staates? So wie auch gegenüber den Scheusslichkeiten eines kleinen Hitlers in San Salvador deswegen leider keinerlei Aktion von USA möglich war? Sollen wir uns wirklich mit diesem Argument auseinandersetzen? Nein, Souveränitätsrechte kleiner Staaten werden immer nur dann aeachtet, wenn es sich um nichts als Menschlichkeit, Menschenrechte und solche nebensächlichen Dinge wie die der schon vreisgegebenen Atlantikchar- t~r handelt, sie verlieren aber ihre Geltung, sobald es um Geschäft und Profit geht. Erst in Geldsachen hört ja nach einem bekannten Zitat die Gemütlichkeit auf. Aber in Deutschland will man doch wenigstens den Nazismus mit Stumpf und Stil ausrotten, damit er nicht wieder die Welt in eine Katastrophe stürzen kann? So las man es noch bis vor kurzem,, je näher aber die Niederlage Hitlers rückt, um so mehr klingt es "italienisch". Associated Press berichtete am 11. Mai über den Besuch ihres Korrespondenten bei der Verwaltung sorg anisation, die dem Invasions-Chef Dwight Ei- senhower für die Besetzung Deutschlands zur Verfügung steht. Da er- fährt man, dass Eisenhower im besetzten Deutschland "mit eiserner Hand regieren wird". Das haben Hitler und Himmler auch getan. Es kommt darauf an, gegen wen sich die eiserne Hand wendet. Wenn sie sich) geg)sn die Nazis wenden würde, wären wir die letzten, die protestier- ten, obwohl es uns richtiger erschiene, wenn das deutsche Volk, die deut- schen Arbeiter vor allem, die Abrechnung selbst vornehmen würden.> Aber eben das soll durch Eisenhowefs) eiserne Hand augenscheinlich verhindert werden. Die Ver waltung sorganisatibn, so hören wir nämlich, werde mit den Schwierigkeiten fertig. werden, die sich aus der Behandlung der in — 4 — den Konzentrationslagern internierten Nazigegner (!), der Hitlerjugend und der feindlichen Sabotage ergeben würden. Das weräe um, so leichter stein, als man aus den Zivilbeamten Männer des Vertrauens zu finden hof- fe. Dafür kämen Leute in Betracht, die sich der Nazipartei nur ange- schlossen hätten, um ihre Stellung nicht zu verlieren. Man werde da eben- so wie in Italien verfahren. Wir gestehen, dass wir einmal so naiv waren zu glauben, dass die Al- liierten zulassen -würden, dass die antifaschistischen Insassen der Konzen- tratibnslager den Nazismus vernichteten. Dass man statt dessen frühere Nazibeamte verwenden will, um die Konzentrationslagerinsassen richtig zu "behandeln", hatten selbst wir Skeptiker uns nicht träumen lassen, aber wir erinnern uns daran, wie die Besatzungsbehörden 1918-19 jede Verbindung mit der deutschen Linken, besonders mit den Arbeitervertre• tern, peinlichst vermieden und statt dessen mit den Reaktionären und Scharfmachern zusammengearbeitet haben. Warum sollte das heute anders sein? Sie hdhen damals durch, ihr Verhal- ten die deutsche Reaktion und das Dritte Reich mit vorbereitet. Und wa- rum sollte auch das diesmal anders sein? Es seilte änderst sein, damit die Welt nicht in eine neue, furchtbarere Ka- tastrophe gestürzt wiri\. Aber man darf das allerdings n'foht von Kapita- listen und Militärs, von zünftigen Diplomaten und Bürokraten erwarten. Nur die lebendigen Kräfte der Völker Europas können imperialistische Weltwirtschaftspläne, die sich auf einen Neofaschismus stützen wollen, verhindern. „AUSSGHUSS FUER EIN DEMOKRATISCHES DEUTSCHLAND" NuCh längeren Vorverhandlungen hat sich in New York ein "Ausschuss für ein demokratisches Deutschland" gebildet, der alle demokratisch gesinnten Naz$gsgner zusammenfassen will. Die Erklärung, die der Ausschuss bei seiner ersten Versammlung am 2. Mai erlassen hat, steht den von uns vertretenen politischen Auffassungen und Forderungen sehr nahe- Unter den politisch bekannten Unterzeichnern des Aufrufs überwiegen die Sozialisten verschiedener Schattierung; Konservative wie Brüning und Treviranus sind nicht beteiligt. Zum provisorischen Vorstand gehören: Der frühere Uncfoersitätsprofessor der Theologie, Dr- Paul Tillich als Vorsitzender; S. Aufhäuser, früher Vorsitzender des "AFA"; Bert Brecht; H. Budzislawski, früher Herausgeber der "Weltbühne"; Albert Gräesinski, früher preussischer Innenminister; Paul Hagen, früher Lei- ter von "Neubeginnen", dessen Buch in dieser Nummer besprochen wird; Paul Hertz, früher Sekretär der sozd. Reichstagsfraktion; Jakob Walcher von der SAP; Elisabeth Blencke vom JSK. Neben politisch bekannten Persönlichkeiten haben zahlreiche Schrift= sieller, Künstler und Gelehrte den Aufruf unterzeichnet. Wir nennen Elisabeth Bergner, H- R. Cassirer, Lion Feuchtwanger, Alexander Gra- nach, Hans v. Hentig, Oskar Homolka, Leopold Jessner, Fritz Kortner, Peter Lorre, Hemrich Mann, AlHert Norden, Erwin Piscator, Veit Va- lentin, Berthold Viertel, Martin Wagner. Die Erklärung lautet: — 5 — I. ' Der militärische und politische Ver- lauf des Krieges hat gezeigt, dass der Wiedel auf öau Europas — nach der notwendigen und unvermeidli- chen Niederlage Hitler-Deutschlands — nur durch eine Zusammenarbeit der Westmächte und Russlands durchgeführt werden kapn. Jeder Ver- such einer einseitigen Neuordnung Europas, sei es von Osten, sei es von Westen, würde zu Konflikten führen, die gleich verhängnisvoll für Europa wie für die übrige Welt wären. Einig* in dieser Beurteilung der europäi- schen Lage, haben sich Persönlichkei- ten aus verschiedenen Berufen, Grup- pen und Richtungen — die als Geg- ner des Nationalsozialismus von Deutschland nach Amerika gekom- men sind — zusammengeschlossen, um zu der Frage der Zukunft Deutsch- lands im Rahmen der Lösung der eu- ropäischen Frage Stellung zu nehmen. "Die Unterzeichner der folgenden Er- klärung sind sich bewusst, dass sie keinen formellen Auftrag vom deut- schen Volk erhalten haben. Sie glau- ben aber, in ihrer Zusammensetzung Kräfte und Tendenzen zu verkörpern, die für iden Aufbau eines neuen Deutschlands im Rahmen Europas und der Welt unentbehrlich sein wer- den. Sie fühlen sich darum verpflich- tet — wesentlich auch im Interesse des amerikanischen Volkes und sei- ner Verbündeten — in einer Zeit, in der das deutsch Volk nicht für sich selbst sprechen kann, ein Wort über die Zukunft Deutschlands zu sagen. Sie tun das in voller Unabhängigkeit, wie sie in den Vereinigten Staaten ge- währleistet ist. Alle Unterzeichner haben sich durch ihren Aufenthalt in nichtdeutschen Ländern, ob sie Bürgerrecht in ihnen erworben haben oder nicht, reue und weitere Ausb'ik- ke für ihr politisches Denken eröff- net. "Die Lösung des deutschen Problems ist ein Teil der Lösung des europäi- schen Problems. Die berechtigten An- sprüche aller europäischen Nationen auf Wiederherstellung und Sicherheit müssen erfüllt werden. Massnahmen, die die Wiederholug eines europäi- schen Krieges unmöglich machen, m/üssen getroffen werden, wenn die Neugestaltung Europas und eine Lö- sung- des deutschen Problems in An- tiriff genommen werden. Es ist un- vermeidlich, dass das deutsche Volk die Folgen des von Hitler verschul- deten Krieges tragen muss. Und doch kann niemand bezweifeln, dass es oh- ne eine gerechte Lösung der deut- schen Frage keine dauerhafte Lö- sung der europäischen Frage gibt. "Die Vorbedingung jeder Lösung ist die Besieigung des Nationalsozialis- mus. die Vernichtung seiner Träger und die Ausrottung seines Geistes in Deutschland und in jedem anderen Land. Das muss während der Kämpfe um die Befreiung Europas geschehen, in Erhebungen der Deutschen gegen ciie Nationalsozialisten, durch Verfol- gung der dann noch vorhandenen Kriegsverbrecher. Darüber hinaus aber müssen die Gruppen, die die Trälger des deutschen Imperialismus waren und die für die Auslieferung der Macht an den Nationalsozialismus verantwortlich sind, ihrer politischen, sozialen und wirtschaftlichen Macht- stellung entkleidet werden. Das gilt in besonderem Mass für den Gross _ grundbesitz, die Gr cssin dustrie und die Militärkaste, deren Zusammenwir- ken das deutsche Schicksal wieder und wieder unheilvoll bestimmt hat. Wenn (las deutsche Volk die Auflösung der* Grossgrundbesitzes, die Kontrolle der Grossindustrie, die Beseitigung des Militarismus und die Ausschaltung der von diesen Gruippen abhängigen Beamten, Richter und Erzieher durchzuführen sucht — um endlich eine ständige Bedrohung seiner poli- tischen Existenz zu beseitigen — so darf es nicht von aussen daran ge- hindert werden. "Ein entwaffnetes Deutschland muss zusammen mit den übrigen europäi- schen Völkern in den Rahmen eines europäischen Sicherheitssystems ein. gefügit werden. Es ist eine selbstver- ständliche Forderung, dass Deutsch- land alle eroberten Gebiete zurück- gibt und die angerichteten Schäden durch Sachleistungen bis an die Gren- zen seiner Kräfte wiedergutmacht. Es darf aber nicht vergessen werden, dass die Massen der deutschen Nazi- gegner die ersten waren, die sich der Naticnalsozialimus unterworfen hat, dass sie den Krieg, der auch sie mit immer grösserer Härte trifft, nicht gewollt haben, und dass sie durch ih_ ien wachsenden — obwohl von au- ssen her wenig sichtbaren — Wider- stand die Nazis zu ständiger Vermeh- rung ihres innerdeutschen Terror- Apparates und zur Festlegung starker militärischer Kräfte zwingen. Mass- nfahimen, die zu einer Versklavung Deutschlands und Verelendung der grossen Mehrheit seiner Bewohner führen würden, können daher nicht als gerecht anerkannt werdenL Es sollte ausserdem bedacht werden, dass die Aufgabe der (Prinzipien der At= lantic Charter in einem entscheiden- den Fall ihre allgemeine Aufgabe be- deutet. "Es wäre verhängnisvoll für die Zu- kunft Europas, weiln Deutschland po- litisch und ökonomisch zerrissen wür- de. Das würde einen fruchtbaren Nährboden für pangermanistische Be= wegungen schaffen. Es würde Deutsch- land der Möglichkeit berauben, seine Zukunft verantwortlich zu gestalten, es würde die grösste nationalsozialisti- sche Irredenta aller Zeiten schaffen, und es würde wertvolle Kräfte an- derer Völker In der Niederhaltuaig: die- ser Irredenta erschöpfen. II. "Es ist für die wirtschaftliche Zu- kunft Europas und der Welt notwen@ digi, dass die deutsche Produktivkraft erhalten bleibt. Würde sie zerstört, so würde die Produktion und die Kon- sumption aller europäischen Länder heruntergedrückt und ein Wirt- schaftsausitausüh zwischen anderen Kontinenten und Europa zum grossen Teil verhindert werden. Es würden1 ausserdem Millionen von Deutschen dauernd arbeitslos gemacht und zu einer unfreiwillig parasitären Existenz verdammt werden. Dadurch würde in der Mitte Europas ein ständiger Un- ruheherd entstehen. •'Die deutsche Produktivkraft muss in ein einheitliches europäisches Sy- stem der Produktion unid Konsump- tion eingeordnet werden. Durch ein solches System würde die wirtschaftli- che Zusammenarbeit der europäischen Völker ermöglicht und die Bedeutung der politischen Grenzen herabgemin- dert werden. Deutschlands wirtschaft- lische Vormachtstellung und die Ge- fahr einer deutschen Wiederaufrü- stung würden durch gesamteuropäi- sche Planung und Kontrolle beseitigt werden. Nur dann könnte Deutsch- land die Pflicht der sachlichen Wie- dergutmachung in weitem Masse er- füllen und wäre, zusammen mit dem übrigen Europa, vor den Gefahren der Verelendung geschützt. in. ''Für die Entwicklung Deutschlands ?,u einer vom Volk bejahten Demokra- tie ist es erforderlich. dasS die militä- rischen und zivilen Repräsentanten der Vereinigten Nationen die künfti- gen Träger einer solchen Demokratie von vornherein gewähren lassen. Eis ist weiter erforderlich, dass alle die- jenigen ausgeschlossen werden, die für den Aufstieg des Nationalismus mit verantwortlich sind, auch wenn sie anfängliche Vorteile bieten. Da- für müssen alle diejenigen einbezo- gen werden, die dem Nationalsozia- lismus widerstanden haben, die Unbe- kannten der Untergrundbewegung, der Gestapo-Gefängmisse und Konzen- trationslager, Gewerkschaftler und Arbeiter aus der Arbeiterbewegung1, die Widerstandskreise der Kirchen und Intellektuellen, des Mittelstandes In Stadt und Land und einzelne Per- sönlichkeiten, die zu keiner dieser1 Gruppen gehören. Auf sie muss sich die künftige deutsche Demokratie stützen. Mit ihrer Hilfe muss die Bil- dung einer unabhängigen Regierung vorbereitet, müssen Garantien der Rechtssicherheit und die Grundrechte der Deutschen ohne Verzug in Kraft gesetzt werden. Die Aufhebung der Rassengesetze muss sofort erfolgen, ebenso wie die Wiederherstellung der religiösen und wissenschaftlichen Freiheiten. Die Presse-, Versamm- lunigs- und Vereinigungsfreiheit muss wieder eingeführt werden. Dem Neu- bau der Arbeiterbewegung dürfen kei- ne Hindernisse in den Weg gelegt werden. Die von den Nationalsoziali- sten geschaffenen Einrichtungen müs- sen beseitigt, die von ihnen beseitig- ten sozialen und demokratischen Ein- richtungen müssen neu geschaffen werden. ' Wenn das deutsche Volk es unter- nimmt, durch eine Massenbewegung den Nationalsozialismus in seinen Wurzeln auszurotten und den Boden für eine künftige, innerlich gesicher- te Demokratie zu errichten, so sollte ein solches Ereignis von den Verei- nigten Nationen begrüsst, keinesfalls aber erschwert oder verhindert wer- den. Nur wenn das deutsche Volk durch eine solche Bewegung sich selbst vom Nationalsozialismus be- freit, ist es ganz frei. Der Sieg der Vereinigten Nationen kann und muss die äussere Macht des Nationalsozia- lismus über das deutsche Volk bre- chen; aber nur das deutsche Volk selbst kann sich innerlich von ihm befreien. — Darum sollte dem deut- schen Volk ein Friede gegeben wer- den. den es trotz aller Lasten, die er bringen wird, als gerecht empfinden kann. Es muss die innere und äussere Möglichkeit geschaffen werden, diass Deutschland eine (Regierung' durch das VcOk und für das Volk entwickelt und aufrechterhält. IV. weiss-rot war und bleibt die Fahne der deutshen Reaktion, die Fahne der Blut- und Eisenpolitik Bismarcks, die Fahne des gewalttätigen preus» sisch-deutschen Imperialismus, die Fahne des Sozialistengesetzes und des ersten Weltkriegs. Nicht aus Zufall, sondern in vollstem Bewusstsein der von ihnen fortgesetzten Tradition haben die Nazis diese Farben in ihrem Hakenkreuzbanner beibehalten, idiese Farben die jetzt "Kommu- nisten" als die Fahne des neuen Deutschlands hissen wollen. Das (Mies weiss Herr Merker ebenso gut wie die Redaktion eines in Bue- nos Aires erscheinenden hektographierten Blättchens "Der freie Deut- sche'-, die unter den Merkerschen Text ein Zitat des wehrlos toten Jean Jaures setzt: "Vom Altar der Vergangenheit müssen wir das Feuer„ nicht die Asche nehmen!" — Das schwarz.weiss-rote Feuer statt der roten Asche! Spotten ihrer selbst und wissen nicht wie! 1 Nicolea Cilla: UM DEUTSCHLANDS ZUKUNFT Wir freuen uns, hier einen Beitrag- eines führenden Freien Italieners bringen zu können. Die Heilung der Nazi-Seuche wird vielleicht lange Jahre dauern, über Hit- lers Niederlage hinaus. Vielleicht wird eine ganz neue deutsche Generation ernsthafter und sorgfältiger demokratischer Wiedererziehung bedürfen. Und das, nachdem alle Kriegsschuldigen eliminiert, alle diejenigen, die für die Verbrechen in den unterjochten Ländern, für die politischen, religiösen und rassischen Verfolgungen innerhalb und ausserhalb Deutschlands Verantwort- lichen ihrer Strafe zugeführt worden sind. Und nachdem im Rahmen des Möglichen alle Opfer, Nationen sowohl wie Individuen, in ihre moralischen Rechte wieder eingesetzt worden sind, deren man sie beraubt hatte. Aber im ganzen bin ich mit den Erklärungen Lord Stratoolgis einverstanden, die er im englischen Oberhaus abgab. Ich glaube, dass Korn auf Goebbels' Mühlen schüttet, wer von der Vernichtung Deutschlands oder des deutschen Volkes spricht. Mehr als ein Irrsinn, wäre es ein Verbrechen, sich eine zivilisierte Welt oh- ne den Beitrag der wahren Werte dieses grossen Volkes vorzustellen, das uns die Genien eines Goethe und eines Heine in der Dichtkunst, eines Kant in der Philosophie, eines Karl Marx in der Soziologie und letzthin noch eines Rathenau in der Politik, eines Einstein in den Wissenschaften, eines Ossietz- ky und eines Mann in der Literatur schenkte. Ausserdem ist anzuerkennen der grosse Beitrag jener 'Minderheit von anti- nazistischen Kämpfern, die heute die Konzentrationslager füllen und aus denen die wahren Führer des Deutschlands von morgen hervorgehen werden. Wenn es möglich ist, die Gedanken der freien Menschen der ganzen Welt zu dieser so heftig debattierten Frage in einem Satz zusammenzufassen, so würde ich sagen: Der Nazismus muss zerstört werden, auf dass Deutschland lebe. — 10 — Die Aufgaben der politischen Emigration Die Emigration hat nützliche Arbeit zu leisten in der Vorbereitung für die Zukunft, das heisst im Sammeln, in, der Auswahl und Schulung der Män- ner und Prauien in der Emigration, die sich der Bewegung zur Verfügung stel- len wollen und ihre Rückkehr in die Heimat besser zusammen und organi- siert vorbereiten können, als einzeln. Eine weitere, wichtige Aufgabe liegt in der Fortsetzung der Bemühungen, mit dem Lande in Kontakt zu kom- men, so schwer es auch in Ais betracht der Zersplitterungen und der Schwä- che der Gruppen im Ausland sowie der Beschränkungen, unter denen sie arbeiten müssen, sein mag. Trotzdem nur ganz wenig Erfolgsaussicht be- steht, sollte dennoch der Versuch ge- macht werden, Erlaubnis zur Wer- bung unter den deutschen Kriegsge- fangenen in den westlichen Ländern, unter denen bekanntlich viele glühen- de Antinazis sind, zu bekommen. Der- artige Vorbereitungsaktionen haben mehr Aussicht auf Erfolg, wenn in- nerhalb der Emigration Einigkeit herrscht. Die Emigration sollte jedoch nicht überschätzt werden: sie ist le- diglich ein: Faktor innerhalb der neu- en, demokratischen Freiheitsbewegung — nicht der stärkste, sondern der schwächste. Die Alliierten, die meistens nur die Emigration in ihrer eigenen Mitte kennen, sollten auch erfahren, dass die wirklichen deutschen Partner einer kommenden demokratischen Welt sich innerhalb Deutschlands be- finden. Wenn durch die Besiegung Hitlers revolutionäre Energien freige- setzt werden, werden die Kräfte, die in der Lage sind, nicht nur ein. neues Leben zu beginnen, sondern zu helfen, einen neuen Staat mit modernen de- mokratischen Grundsätzen aufzubau- en, besonders aus den Reihen der jün- geren Leute der befreiten Bewegung in der Heimat kommen. Zurückkehrende Emigranten können der neuen Bewe- gung in Deutschland konstruktive Hil- fe leisten; sie werden Verbindungen mit Gruppen im Ausland herstellen, und sie werden die Kenntnisse mit- bringen, die sie in anderen Ländern erworben haben. (Aus Paul Hagen, "Germany after Hitler", S. 210 f.) DEUTSCHLAN NACH HITLER Unter dem Titel "Germany after Hit- ler" hat Paul Hagen in New York ein Buc.h erscheinen lassen, das in er- ster Linie für amerikanische Leser be- stimmt ist. Frei von Einseitigkeiten unl Illusionen, klar in seinen Darle- gungen und Zielsetzungen, ist die- ses Buch in hohem Masse geeignet, aiufklärung über das deutsche Pro- blem zu verbreiten. Diese Aufklärung ist umso notwendiger, da Hagen mit Recht meint, die angelsächsischen Mächte seien heute ebensowenig für iden Frieden vorbereitet, wie früher für den Krieg, da sie selbst vom faschi- stischen Gift infiziert seien. Hagen betont, dass infolge der histo- rischen Entwicklung in Deutschland — anders wie in Amerika — die Ar. beiterschaft von jeher der eigentliche Träger der Demokratie gewesen sei. Deshalb müsse ein Versuch der Alliier- ten, nach dem Kriege die revolutio- näre Erhebung der deutschen Arbei- terschaft zu unterdrücken und mit den historischen Kräften der deut- schen Reaktion, mit Grossgrundbesitz und Grosskapital, mit Militarismus und Bürokratie zu paktieren, verhäng, nisvolle Folgen haben. Ebenso müsse eine lange Besetzung, Bevormundung und Entrechtung Deutschlands die Kräfte der Demokratie lähmen und dem Nationalismus und dem Revan- chegedanken die besten Chancen ver- schaffen. Mächtekoalitionen seien nie- mals von Dauer. Wie nach dem vori- gen Weltkrieg, so würde auch nach diesem die Stunde der deutschen na- tionalen Reaktion, der man wieder in den Sattel geholfen habe, in dem Mo- ment kommen, wo die Sieger sich ent- zweien und die deutsche Unterstüt- zung suchen würden! Verhängnisvoll wäre auch eine — al- len Entwicklungstendenzen widerspre. — 11 — chende — Zerstücklung Deutschlands. Eingliederung in eine grössere Ein- heit, in die europäische Staatsgemem- schaft, sei 'die einzig mögliche demo- kratische Lösung des deutschen Pro- blems. In diesem Zusamenhang for. idert Hagen die freie Entscheidung der Oesterreicher über den Anschluss an Deutschland und erinnert daran, dass man seiner Zeit Oesterreich den An- schluss an die deutsche Republik, ver- boten habe, dass aber dann die Cham- foerlainisten das wehrlose Oesterreich Hitler zum Geschenk dargebracht hat- ten. Mit beweiskräftigen Argumenten sucht Hagen seine amerikanischen Leser von der Unvermeidlichkeit des so2flalistisc.Vi.en Chaiakte'rs der deut- schen Revolution zu überzeugen. Nur Planwirtschaft könne das Chaos ver- hindern und die Produktion wieder in Gang setzen; nur die Arbeiterschaft sei gewillt und fähig, diese Aufgabe durchzuführen. Die Chancen einer von den Siegern abhängigen deutschen Revolution be- urteilt Hagen ohne jede Illusion. Er ist vielleicht sogar allzu skeptisch, da er die kapitalistischen Regierungen der angelsächsischen Mächte als sta- bile Grössen voraussetzt, was uns — mindenstens für England — nicht so sicher au sein scheint. Ferner muss berücksichtigt werden, das USA durch dien Kampf mit Japan, so stark bean- sprucht sein wird, dass der Durchset- zung der reaktionären Pläne der ge- genwärtigen amerikanischen Regie- rung in Bezug auf Euroipa der erfor- derliche Nachdruck fehlen wird, falls sie auf starken Widerstand stossen. Diesen Widerstand erhoffen wir von den Völkern Europas, worauf Hagen Karl O, Paetel: DIE SCHWARZE GARDE Die schwarze G-?.rde Adolf Hitlers Motto: "Das Gesetz . Wie man sieht, ist des Herrn *) "Herr Lakenbadher und der ver- dächtige Zeitspiegel"; Zeitspiegel, London, 19. Februar 1944, VI. Jahr, No. 7. West Artikel von jenem' unnachahm- lichen Charme des Geistes erfüllt, der zu den schönsten Seiten des von Herrn Schuschsigig entdeckten und von Herrn West und dem Seinen adoptier- ten österreichischen Nationalcharak- ters gehört. Im übrigen befleissigt sich Herr West, und das nicht ohne Er- folg, in Stil und Auadruck die unver' söhnliche Feindschaft des nationalen Oesterreichers gegen die deutsche Sprache, die uns der preussische Na- z'a'gressor mit brutaler Gewalt auf- gezwungen hat, unaufdringlich, aber wirksam zur Geltung zu bringen. Die Wirkung der Philippica des Herrn West, sie ist eigentlich eine Xanthip- pica, auf mein empfindsames Gemüt zu charakterisieren, fehlen mir die Worte von Gewicht und Würde, die ihr gebühren So sei mir gestattet, einen Satz aus dem geistigen Erbe zweier grosser Oesterreicher, Moritz Benedikt und Karl Kraus, mutatis mutandis selbstverständlich, zu zitieren: Zer- schmettert bin, der Schlag hat mich getroffen, nicht gedacht soll ich wer- den — Posthume Entlarvung. Die österreichischen Kommun istein sind der Oesterreich ischen Sozialde- mokratie dahintergekommen, dass sie für den Anschluss Österreichs an Deutschland eingetragen ist. In sei- nem köstlichen "Fern von Europa" er- zählt Sepp Schluiferer von dem frommen Tiroler Knaben Wastl, der eines morgens seinem Mitschüler Sa- muel Rosenbluech, eine Trumm Wat- schen verabfolgte. Zur Rede gestellt, war seine Rechtfertigung, dass die Juden den Heiland gekreuzigt haben. "Aber Wastl", meinte milde der Leh- rer, "das ist ja schon 2.000 Jahre her." "Aiber uns hat's der Herr Katechet erst gestern gesagt", gab der Knabe zu bedenken." Herr West und die Sei- nen spielen den Knaben Wastl in der österreichischen Politik. Dass die österreichischen, Sozialdemokratie noch vor ihrer Auflösung die An- schlussforderung aus dein Linzer Pro- gramm gestrichen hat, nützt ihr gar nichts. Was mich persönlich betrifft, so kann ich geltend machen, dass ich diesen Beschluss der Partei nicht erst abgewartet habe. Gemeinsam mit dem tschechischen sozialdemokratischen Ab geordneten Robert Klein, dem Gene- ralsekretär der grössten Angestellten- gewerkschaft der Tschechoslowakei, (den die Nazis im Konzentrationsla- ger ermordet haben) habe ich im Winter 1932-33 die Mitteleuropäische Arbeitsgemeinschaft der Angestell- tengewerkschaften gegründet; Oester- reich, die Tschechoslowakei, Ungarn und Jugoslawien waren zunächst an- gescthlosen. Ihr Ziel war ein außen- politisches : die Arbeiterbewegung und durch sie die Staatspolitik der angeschlossenen Länder als Verbün- dete im Widerstand geigen die Expan- siomsgelüste des Dritten Reiches zu- sammenzuschließen. Auf ihrer dritten Tagung, anfangs Februar 1943 in Wien, waren wir diesem Ziele nahe. Details hier auszuführen, verbieten Umstände. Schatten der Vergangenheit Die grossdeutsche Vision der deut- schen Frage, ist eine Tradition der Demokratie und des Sozialismus. Nie- mals bestand in ihrem Kor.zept ein Zweifel darüber, dass die österreichi- schen Stämme einen integrierenden Bestandteil der deutschen Nation bil- den und auch in Oesterreich bestand niemals ein Zweifel darüber, dass die Oesterreicher Deutsche sind. Alle Grossen des deutschen Sozialismus. Marx und Engels, Bebel und Lieb- knecht waren gross deutsch. Klein- deutsch, für die preussische Lösung der deutschen Frage war die deut- sche Reaktion. Ihr glänzender Vertre- ter, Bismarck, hat mit Blut und Ei- sen den deutschen 'Nationalstaat mit Anschluss seiner österreichischen Stämme geschaffen. Noch 1863, auf dem Frankfurter Deutschen Fürsten- taig hatte der Kaiser von Oesterreich den Vorsitz inne und auf seinen Vor- schlag wurde ein Direktorium unter österreichischem Vorsitz eingesetzt. Nach dem Fürstentag fuhr Franz Jo- sef, in offener Kalesche, eine Schär- pe in den Farben schwarz-rot-gold auf der Brust, in Wien, der Residenz- stadt der Deutschen Kaiser ein. Im Krieg von 1866 wurde Osterreich mit Waffengewalt gezwungen, aus der Führung des in Bildung begriffenen. Deutschen Reiches auszuscheiden, Der Krieg von 1866 hat nicht darüber entschieden, ob die Oesterreicher Deutsche waren; das in Zweifel zu ziehen, war damals noch kein Mensch geboren; sondern darüber, ob das Deutsche Reich unter österreichischer Führung als grossdeutsches oder un- ter preussischer Führung als klein- deutsches Reich ins Leben treten soll- te. Es war kein Krieg zwischen Oester- reich und Preussen sondern eim Krieg der unter Oesterreichs Füh- rung geeinten deutschen Stämme ge- gen den preussischen Störer des Reich: fricdens. Hannover, Sachsen, Hessen., Bayern, Württemberg, Baden waren die Verbündeten Oesterreichs, Italien der Verbündete Preussens. Aber das Gefühl der nationalen Ein- heit des deutschen Volkes blieb in den Deutschen Österreichs trotz König- grätz so stark; da s im deutsch-fran- zäsisohea Kriege, der schon vier Jah- re später ausbrach, der Schrei nach "Rache für Sadowa", in Frankreich erheben. irt''Öesterreich keinen Wider, hall fand. Kurz vor dem ersten Weltkrieg hat Kaiser Franz Josef dem englischen Köir.ig, Eduard VII., der ihn einlud, sich der engli.ich-französisch-russi- ■üOhen Entente gegen Deutschland an- zi'schliessen, die Antwort erteilt: "Ich bin ein deutscher Fürst!" Noch in dem letzten Buch, das Guido Zernatto, Generalsekretär der Vater- ländischem Front, im Exil geschrieben hat (Die Wahrheit über Oesterreich, New York — Toronto 1938), steht zu lesen: "Die Betonung des deutschen Cha- rakters des Staates (im Programm d griffen uns jetzt ebenso heftig an, weil wir dem Ge_ danken, der Diktatur zuneigten, wie sie uns tags vorher angegrifen hat- ten, weil wir die Demokratie ver- teidigten. Des Räitselis Lösung erwar- tete uns in der Zelle: die Zeitung mit der Wiedergabe der Rede Dimi_ troffs, die die Volksfrontpolitik der Komintern einleitete. Die Kommuni- — 25 — sten hatten sie schon vor dem Spa- ziergang gelesen. Die Aussenpolitik der demokratischen Westmächite, die Chamberlain und Dal&rdier nach Berchtesgaden. Go- desberg und München führte, zwang die Sowjetunion zuim Michtangrilts_ pakt mit Deutschland. Als der Krieg ausbrach, war die Haltung der Kom- munisten in den alliierten Ländern defaitistisch bis zur Sabotage gegen den imperialistischen Krieg der Plu_ tokratien. Der Angrif Hitlers aul Sowjetruissland brachte die Wen. dunig zu der Phase, in der wir gegen, wärtig halten: sie kennen keine Klas- sen mehr, sie kennen nur (noch Patrioten. Ich wende mich auch Es kann ohne weiteres' zugegeben werden, dass demgegenüber die Wen- digkeit der Sozialisten manches zu wünschen übrig lässt. Aber dass die Vergewaltigung Oesterreichs durch die Nazis innerhalb und ausserhalb des Landes, der zweite Weltkrieg und die inihm zutage tretende Um- gruppierung der politischen Macht, Verhältnisse in Europa die Aussen- politik Oesterreichs in neue Bahnen zwingen, dieser Enrkenntnis kann sich nicht einmal ein Halbirrer (der Diagnose zufolge, die mir Herr West mit feinem psychologi- schen Einfühlungsvermögen gestellt hat) entziehen. Ich würde es ohne weiteres eingestehen, wenn dem so wäre, dass mir diese Erkenntnis dank, der väterlichen Belehrung auf- gedämmert ist, die mir Herr West unverdientermassen angedeihen lässt. Dem ist aber nicht so. In dem ersten Artikel, den ich für DAS ANDERE DEUTSCHLAND schrieb (3. Jahr_ gang, No. 23, erschienen am 15. Fe- bruar 1940, "Die Zlukunft Oester- reichs und der österreichische Sozi, alismus", lautet der entscheidende Absatz wie folgt: "Die jüngste Geschichte, allen noch in frischer Erinnerung, hat gezeigt dass die friedliche Ordnung und die' Sicherheit Mitteleuropas mit der Aufsaugung des luftleeren Raumes, den Oesterreich darstellte, vernich- tet war. Die Achse Rom-Berlin, die Münehenisierung der Tschechoslo- wakei, der politische Druck auf dem Balkan als Vorläufer seiner öko_ nomischen Eroberung und zuletzt der Blitzkrieg gegen Polen — sie alle hatten den Anschluss Oesterreichs an Deutschland zur Voraussetzung- Ist das erkannt und wird anerkannt, dass die friedliche Organisation Mit- teleuropa und die Freiheit seiner kleineren Völker, der Tschechen und Slowaken, der Magyaren, Rumänen- Kroaten, Slowenen und Serben an den Bestand Oesterreichs ausserhalb des Deutschen Reiches gebunden ist, dann müssen der deutsche und der österreichische Sozialismus sich be- reit finden, diesen Beitrag zum Frieden Europas zu leisten." Nach diesem kleinen, und, wie ich leise hoffe, nicht unerwünschten Bei_ trag zum Zettelkatalpg des Herrn Wesib muss ich mich nun wohl, wohl oder üibel, den Zitaten zuwenden, die Herr West in seinem ausgezeich- neten Artikel aus meinen gesammel- ten Werken —für die Mit, und Nachwelt konserviert. Es ist mir natürlich klar, dass sein schmeicheL haftes Interesse für meine beschei- dene literarische Produktion höhe- ren politischen Zielen dient. Die höheren politischen Ziele Die Kommunisten haben das Zu- standekommen einer politischen Ein. heitsfront der demokratischen Kräf- te, in der österreichischen —.politi- schen Emigration sabotiert. Patrio- ten, die sie sind, — Herr West ist ein- ehrenwerter Patriot und sie al- le, alle, sie sinld ehrenwerte Patrio- ten — müssen die Kommunisten die Sprengung der österreichischen Front begründen. Die Kommunisten waren immer von dem Trieb beses- sen, in 'allem Champions zu sein; s|ie waren die besserein Sozialisten, die besseren Internationalisten, die besseren Klassenkampf er und vor allem: die radikaleren. Jetzt sind sie die besseren" und radikaleren Pa- trioten. Die Sozialisten aber, ein_ sitens schon in glücklicheren Tagen als Sozialverräter entlarvt, haben es heutigentags noch nicht einmal zu flauen Patrioten gebracht; sie sind ganz einfach Vaterlandsverräter. Und mit Vaterlandsverrätern setzen sich Patrioten von dem schweren — 26 — Kaliber der österreichischen Kom. munisiten nicht an einen Tisch. Heimwehrler, das geht noch, Austro- flaschisten, Monarchisten sind hoch, willkommen, Sozialisten sind un_ tragbar. Ununterbrochen auf der Suche nach Beweisen für den Ver- rat der Sozialisten, ist Herr West auf mich verfallen. Damit er aber seine Zitate gegen meine Londoner Freun- de ausspielen kann, ernennt er mich zum "London_Büro_Vertreter" in Buenos Aires. Ich muss Herrn West leider enttäuschen. Ich bin zwar Vertreter, aber Versicherungs_ Vertreter, nicht Bondon-Büro_Ver_ treter. Ein Kommunist denkt sofort in aer inim vertrauten Kategorie: ider Diskussionsgegner ist gewiss auch ein politischer Agent. Wir sind hier in Buenos Aires, wie der Zeit- spiegel einmal ganz richtig be- merkte, ein kleines Häuflein öster_ reichischer Sozialisten, Versprengte. Was uns mit unseren Londoner Freunden verbindet, ist die Gemein- samkeit der Gesinnungsgrundlage. Im übrigen müssen wir unsere Pro- bleme allein durchdenken. Wenn wir nach Monaten aus der Zeitschrift unserer Londoner Genossen ersehen, daßs wir zu ähnlichen Ergebnissen kommen wie sie, dann freuen wir uns darüber. Aber für unsere Fehllei- stungen und insbesondere für das, was hier steht, trifft sie keine Ver_ antwortung. Wir und DAS ANDERE DEUTSCH- LAND Herr Wesit enthüllt, dass ich "be_ wusst" aus meiner grossdeutschen Einstellung heraus, als "Deutscher österreichischer Staatsbürgerschaft" an einer deutschen Zeitschrift dem "Anderen Deutschland" mitarbeite. Er hat dafür einen unerschütterli- chen Beweis erbracht: Ich habe ein. jral über den vom DAD in Monte- Video Verlans,tasteten iamtjfaschisiti^ sehen Kongress einen Artikel ge_ schrieben und da "sagt er (Laken- bacher) WIR, wenn er die deut- schen Sozialdemokraten meint, und spricht er von UNSEREM Kongress wenn er den deutschen Kongress in Montevideo meint." — Wie sich die Zeiten ändern! Als noch der gute alte Kaiser Franz, Josef mächtig durch des Glaubens Stütze führte uns mit starker Hand, da musste man wenigstens öffentlich und vor mehreren Leuten die Wacht am -Rhein gesungen haben oder "Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu", um als Alldeutscher de- nunziert zu wenden; jetzt genügt es schon, wenn einer wir in Beziehung auf seine deutsche Parteigenossen sagt). Schvlne Aussichten, bis der Köplenik unser Diktator sein wird! Aber Herr West irirt mit seiner An_ klage, er irrt bewusst. In jenem Ar- tikel habe ich gegen die hierortigen Gesinnungsgenossen des Herrn West polemisiert, gegen einen Artikel, der im Volksblatt erschienen war, hier in Buenos Aires (nicht, wie Herr West behauptet, gegen den kommuni- stischen Abg. Merkl, den ich viel, miehr als iSchwurzeugen gegen, die politische Kritik der hiesigen Kam. munisten an dem sozialistischen Pro- gramm des DAD zitierte) und das "wir" und "unser" bezieht sich aui uns Sozialisten im Gegensatz zu den Kommunisten, auf- eine Gesinnungs- gemeinschaft, nicht auf eine natio- nale Gemeinschaft. Selbstverständlich macht ein Sozia, list die Hassonglen der österreichi- schen Kommunisten gegen alles, was deutsch ist, nicht mit. Es gab ein- mal ein Land, wo die Gestapo Ochra_ na hiess, die S. A. ihr Gegenstück in den Schwarzhurdertschaften hat_ te und die Nazis in den Echtrussi- schen Leuten, das Konzentrations- lager in der Katorga. Aber keinem. Marxisten von damals fiel es im Traume ein, für die Politik und die Greuel der herrschenden Klasse die Massen des arbeitenden Volkes ver_ antwortlich zu machen. Obwohl auch damals die Herrschenden nicht per. sönlich zum Pogrom antraten, son- dern die Laster der Unterdrückten im Dienst ihrer politischen Herr- schaft ausbeuteten. Es scheint, dass man sich zu der geistigen Höhe ei- nes österreichischen Marxisten_Stali_ nisten emporschwingen muss, um die deutschen arbeitenden Massen für die Politik der Junker und der Schwer- industrie, der Offizierkaste und. der Lumpenbourgeoisie verantwortlich zu machen. Jenes Land hat sich aus der Tiefe der zaristischen- Verkommen^ heit in sechs Tagen, die die Welt er- — 27 — schlitterten, zur Union der Soziali_ ßtischen Sowjetrepubliken gewandelt. Ich hoffe auf die deutsche Revolu- tion, die das gleiche Wunider im Herzen Europas vollbringen wird, wenn, nicht die Alliierten von heute was wir alle fürchten, die deutsche Revolution wirksamer intervenieren werden, als die verbündeten deut- schen Generäle, französische Ban- kiers und britische Oelinteressenten 1917_18 die russische Revolution in- terveniert haben. Aber wir kehren zurück zu meiner Mitarbeit am AD und zum Kongress von Montevideo, loh war nicht auf diesem Kongress. Zuber Wortführer der deutschen Kommunisten auf diesem Kongress waren zwei recht jugendliche österreichische "Patrio_ ■tiein". Es geht die Sage, dass wir Oesterreicher still und bescheiden sind, während die Preussen eine grosse Pappen haben, bekanntlich. Man hat mir erzählt, dass es auf die- sem Kongress genau umgekehrt zu- gegangen ist. Als ich nach Buenos Aires kam, gab es ein einziges Presseorgan, an dem ein österreichischer Sozialist anständigerweise mitarbeiten konn_ te; ''Das Andere Deutschland" und das ist seither i,so geblieben. Die klei- ne (Gruppe der österreichischen Sozi- alisten kann ein Blatt nicht tragen; sie sind den deutschen Genossen für ihre Gastfreundschaft zu Dank ver- pflichtet. Eine Zeit lang gab es hier eine zweite antifaschistische deutsche Zeitschrift, 'das Volksblatt, Richtung nationale Einheitsfront. Es hatte gleichfalls eine österreichische Bei_ läge. Die besondere persönliche No- te des Blattes war, dass ein und derselbe Volksfreund sowohl die sechs deutschnationalen als. auch die zwei österreichisch-nationalen Seilten dies Volksblattes redigierte und gröss- tenteils schrieb, die österreichischen Seiten anonym, die deutschen hin. gegen unter einem prachtvollen echtpreussischen Pseudonym, einer Romans igur von Allersfeld-Ballesürem entlehnt. Ich bin schliesslich in österreichisch-rationalen Angelegen, heilten ein blutiger Anfänger. Aber mein Kollege vom Volksblatt — Herr West kennt ihn, Name tut nichts zur Sache — hätte doch wis_ sen müssen, dass er durch seine Mit- arbeit an einem Organ der preus- sisch-deutschen Emigration Hoch., Landes- und Nationalverrat beging. Noch ein ominöser Plural Hart aber gerecht trifft mich der wei- tere Vorwurf, dass ich einmal von Oesterreich und dem Deutschen Reiche als den beiden deutschen Re_ publiken geschrieben habe; mit Recht und mit Entrüstung sagte mein Kommentator, Herr West, dazu: "Man beachte die Mehrzahl"! Die- ser anstössige Plural setht in einem Artikel, der die Situation im Jahre 1918 beschreibt, damals als die österre ichische Naticnalversamm - lang der Republik den Namen Deutsch-jOesterreich gab und den Satz Österreich ist ein Bestandteil der deutschen Republik'' der Verfas- sung' einverleibte. Damals wütete Clemenceau, heuite wütet Herr West. He:r West beanstandet in jenem Aufsatz des weiteren, dass, ich den Siegermächten Mangel an Toleranz gegenüber den beiden deutschen Re- publiken vorwarf. Und er meint: "Der inkriminierte Mangel an Tole- ranz war das Anschlussverbot". Das aber steht nicht in meinem Aufsatz. Ich habe vielmehr angedeutet, dass die Bevölkerung von Gebieten, die an die österreichische Republik grenziben, am Gebrauch ihres Selbst- best imungsr echtes gehindert wur_ den, als sie sich an Oesterreich an_ schliessen wollten. Politisch aller- dings — hier kommt wieder etwas für Ihren Zettelkatalog, Herr West, — bin ich der Ueberzeugung, dass der Zusammenschluss der beiden deutschen Republiken der Welt den Absturz in den Nazisaschismus und der Sowjetrepublik die Verwüstun- gen und die Blutopfer des zwei, ten Weltkrieges erspart hätten. Die Weltgeschichte unserer Generation ist die Geschichte der versäumten Gelegenheiten. West und Ost. Fuclhsteufeisböse ist mir Herr West, weil ich aus einem Artikel des: Zeit- spiegel, der vor der Moskauer Konfe- renz erschien, die Schlussfolgerung gezogen habe, die Kommunisten hät_ — 28 — ten gewusst, dass, ,urud wahrschein_ lieh auch in welchem Sinne, in Mos- kau eine Stellungnahme zur öster. reicischen Frage erfolgen werde. Das war damals eine Vermutung von mir; erst jetzt, angesichts des gedruckten Wutanfalls des Herrn West vertieft sie sich zur Gewissheit. Herr West will uns glauben machen, die Progno- se des Zeitspiegel, dass 'auf der Mos_ kauer Konferenz Idie österreichische Fraige zur Behandlung kommen wer_ de, sei "auf Grund einer realen Ein- schätzung der Situation der österrei- chischen Frage" zustande gekommen. Die gesamte Weltpresse hat die Ent_ Schliessung über Oesterreich als idie /grosse, unerwartete Ueberraschimg der Moskauer Konferenz bezeichnet. Belegstellen dafür sind hier zitiert worden, aus Raummangel in be- schränkter Auswahl. Diese Ueberra- schung fand auch in Heiden der Kon- ferenzteilnehmer Hull und Eiden ih_ ren unverkennbaren Ausdruck. So- nach gehört nicht viel Skepsis dazu, um der Behauptung des Herrn West; er habe sich den Moskauer Beschluss auf Grund der Einschätzung der Situation erklärt, Zweifel entgegen- zusetzen, auch wenn man in seine Fähigkeit zu klären keine Zweifel setzt. Aber Herr West imputiert mir die Absieht, "die Moskauer Unabhängig- keitserklärung" als Resultat eines Koimplctts der Londoner Kommuni. sten mit Moskau darzustellen. Diese Absicht liegt njir vollkommen fern. Die Idee, dass sich Moskau mit den Londoner österreichischen Kommu- nisten in ein Komplott einlassen könnte, ist zu grotesk, als das sie auch nur ein Halbirrer in seinen Wahnsinnvorstellungen fassen könn- te. Moskau und was in London den Kommunismus für Oesterreich 're- präsentiert, sind zwei völlig inkom_ mensurable Grössen. Ich hatte le- diglich vermutet, dass Herr Köplenik, der Vertreter der illegalen kommuni- stischen Bewegung in Oesterreich bei der gewesenen Komintern, Herr West einen Wink mit dem Z'aunpfahl ge- geben habe. Es ist doch schon vor_ gekommen, dass im Osten ein Artikel das Licht der Druckerschwärze er_ (blickte, der von West inspiriert wur- de, warum sollte da nicht ein ander- mal Herr West einen Artikel brin_ gen, der vom Ost inspiriert wurde. Wo doch bekanntlich ex Oriente kommt das Lux. Nicht vorenthalten möchte ich 'dem Leser dieser Hemisphäre den Ab- schluss des Artikels unseres Freundes West. Last not least, Wie der Eng. länder sagt, oder Ende gut, alles gut, wie der Saupreuss sagt. "Es ist" sagt er,"wütender 'Hass gegen den österreichischen Unafohängigkeits- kampf, Hass gegen die Sowjetunion, Feindschaft gegen die Allianz und Feindschaft gegen die österreichi_ sehe Freiheitsbewegung im Ausland und in der Heimat, die Lakenbacher -bewegen". Da legst Di nieder und stehst nimmer 'auf! Aber, lieber Herr von West, Sie verlieren ja alle Per_ ispektive. Daraus, dass man mit der Politik der österreichischen "Patrio- ten" nicht einverstanden ist, folgt dcch nicht, dass man .den österrei- chischen Freiheitskampf und die Sowjetunion wütend hasst und ge_ gen die Allianz (meinen sie die Alliierten?) Feindschaft empfin- det. Hier und heute ist nicht der Ort, noch die Gelegenheit, Loyalitätser. klärungen abzugeben, aber die Hal- tung der Oesterreichischen Soziali- sten gegenüber der Sowjetunion, den Alliierten urd dem Osterreichischen Freiheitskampf war immer so genau dem entgegengesetzt, was Sie uns imputieren, dass von dieser Ver- leumdung nicht einmal etwas hängen bleiben wind. Sogar bezüglich der Oesterreichischen Freiheitsbewegung im Ausland darf ich Sie beruhigen. Nierrand von uns empfindet Hass ge- s?en sie; was wir oft empfinden ist Sorge. In meines Nichts durchbohrendem Gefühle. Heute, wo die Kommunisten darüber bestimmen, was ein Patriot ist und wer einer ist, weiss ich wirklich nicht, ob ich diesen Begriff,, den sie zum abigegriffenen Kleingeld der politi- schen 1 Tagesdemagogie inflationiert haben für mich in Anspruch nehmen soll. Den Exhibitionismus der Vaterlandsliebe, in dem die österrei chischen Kommunisten sich gefallen, kann ein Mensch mit halbwegs ge_ — 29 — sundem. Geschmack nicht mitma- chen, es wird auch keiner den Ehr- geiz haben, diese Schmutzkonkur _ renz zu überbieten. Aber ich möchte doch zum Abschluss ein konkretes Beispiel für den Unterschied zwischen dem. Patriotismus aus politischer Opportunität und echtem Gefühl für l&ie Heimat anführen. An dem Tage, an dem ich diese Zei_ len schreibe, erscheint in der "Pren_ sa" von Buenos Aires ein UP Tele- gramm vom 24. April aus London, in dem eine Rede des Marschalls Tito wiedergegeben ist. Das Telegramm besagt klipp und klar, dass Jugo_ slawien nach dem Kriege Kärnten zu annektieren beabsichtigt. Ich weiss nicht, ob Sie Kärnten kennen und ob es ihnen irgendetwas bedeu. -tet, Herr Patriot. loh habe dort in den kleinsten Orten Versammlun. gen abgehalten, das letztemal im Spätherbst 1933, und die höchsten Berge bestiegen, das letztemal Im Sommer 1933. Mir bedeutet das Land einiges. Sie aber greifen mich in Ih- rem Artikel wütend an, weil ich ge_ schrieben habe, dass einer Ihrer pa- triotischen Kollegen Kärnten bereits vor Wochen den Jugoslawen. appor_ tiert hat. sie beschuldigen mich, dasa ich im "Auslande die Funktion des IN azigauleiters Rainer übernehme und die Grenzen des grossdeutsohen Reichs gegen eine Verständigung mit den slowenischen Freiheitskämpfern empört verteidige." Nein, Herr Pa- triot, es sind die österreichischen Grenzen, 'dieselben die 1919 Wiener Vclkswehr mit ihrem Leibe gegen ei- nen Vorläufer des Marschalis Tito, den General Majstr, verteidigt hat. Man kann nämlich schrankenlose Bewunderung für den Freiheits_ kämpf der jugoslawischen Bauern und Arbeiter und ihren Führern he- gen, ohne das schönste Stück sei- nes eigenen Vaterlandes preiszuge_ betn. Eine Haltung, die sich beson- ders dann empfiehlt, wenn man aus- schliesslich priviligierter Inhaber des Patens auf österreichischen Patrio- tismus ist. In meines Nichts durchbohren- dem Gefühle Yours truly Ernst Lakenbacher VORSICHT BEI PROPHEZEIUNGEN "Man erlaube mir etwas zu sagen, was ich nicht beweisen kann, aber was ich auf Grund meiner Analyse des deut- schen Geistes weiss. Ich bin sicher, dass Herr Hitler bald durch seine ei- genen Leute ermordet werden wird. so schrieb Emil Ludwig in einem Spe- zialartikel für "Ahora" vom 21. April. Und da diese Voraussage von einem Schriftsteller stammt, der seit Jahren sein Geld mit Werken verdient, die Beiträge zu eben dieser Analyse dar- stellen. auf die er sich beruft, so soll- te man ihr wohl Vertrauen schenken, wenn ., ja wenn Ludwig nicht kurz vorher eine andere Prophezeiung von sich gegeben hätte, deren Richtigkeit sich inzwischen einwandfrei nachprü- fen lässt. Nach dem "Aufbau" vom 3. Dezember 1943 hat unser bekannter Analytiker der deutschen Seele'in ei- ner Rede vor der New Yorker Histra- duth wörtlich erklärt: "Heute steht der Sieg in Europa dicht bevor. Wer von uns in diesem Saale in fünf Mo- naten noch lebt, wird ihn sehen, viel- leicht früher, diese Voraussage stammt nicht aus den Sternen; ich nehme sie aus der Kenntnis des deutschen Charakters." Diese Vor- aussage kann sinngemäss nicht anders verstanden werden, als dass der Sieg innerhalb von 5 Monaten hätte errun- gen sein müssen. Sonst wäre es ja er- forderlich gewesen, dass alle Versamm- lungsteilnehmer mehr als die genann- te Frist lebten, um ihn mit Sicher- heit zu sehen. Die Frist war aber vor dem 5. Mai abgelaufen, da die Rede schon am 5. Dezember veröffentlicht wurde. Die "Kenntnis des deutschen Charakters" des Herrn Ludwig hat demnach glänzend versagt. Wie wäre es. wenn der bekannte Schriftsteller daraus die Konsequenz zöge, sich künftig mit anderen Themen zu be- schäftigen als solchen, die den "deut- schen Charakter" berühren? Die Be- scheidenheit, künftig ganz zu schwei- gen, wird man ja schwerlich von ihm erwarten können. — 30 — 1 JA. A. B. A. I I ENRIQUE U. CORONA MARTINEZ 2 ' ABOGADO \ I LAVAIiLE 1268 ____________ U. T. 35 3853 l F I AMBRERIA VIENESA Wo kauft man am besten und bil- ligsten Wiener Wurstwaren, Käst, Mayonnaise, Konserven, Weine, Heringe, etc.? NUR IN DER Fiambreria "VIENESA" Bme. MITBE 4112 — U. T. 62 1587 Prompte Lieferung- ins Haus! Provinzversand! Ein Versuch, u. Sie bleiben Kunde! AUSTRIAN LABOR INFORMATION New York Zentral-Organ der österreichi- schen Sozialisten in deutscher Sprache. Einzelexemplare und Abonne- ments durch die Buchhandlun- gen: Barna, Maipü 441 und Ju- ramento 2368, Pigmalion, Oo- rrientes 515 und Herzfeld, Re- ccnquista 424 — Buenos Aires. Einzelexemplare . . . . $ 0.75 Halbjahresabonnement . „ 4.50 Jahresabonnement . . . „ 9.— WAESCHEREI "EL S OL" empfiehlt sich für Herrenwäsche, holt ab und stellt zu. U. T. 51 - 4499 DAS GUTE Cobi Brot Telef. Anruf U. T. 51 - 6034 tmiiiiiiiiiimiuiiiiiimii Iiiiiiiiiiii niiiiiiimimiimmiimi'S Casa Filatelica I — DB — = ROBERTO POMMER | compra y venta de estampillas = para colecciön E RECONQ-UISTA 20« — Bs. Alree = U. T. 33 (Ar.) 5758 = CAS RUBENS Ferien- und Erholungsheim für Kinder und Erwachsene Colonia Valdense Depto. Colonia Uruguay AUS DEN FLAMMEN NEU ERSTANDEN S OMMERFRISCHE "QUINTA HAMBURG" BRANDES — BRAZO CHICO via Canal S. Fernando F. C. C. A. con Lancha Galofre. Eigene Milchwirtschaft - Rudern - Baden - Fischen - Preise $ 3.—. Helle, luftige Zimmer. Reichliche gute Kost. | EL CAPRICHO l | Damen u. Herren-Friseur-Salon | I Leser 20 Prozent Ermässigung. 2 I AVIL.ES 2970 — XJ. T. 73-lölS | I zwischen Conesa und Zapiola i j Beste Dauerwellen von $ 2.50 ab. I I IMPRENTA "ELIDOR S DIE DRUCKEREI DER I DEUTSCH SPRECHENDEN i RIO BAMBA «S7 j U. T. 41, Plaza 7512 — 31 — Buchhandlung b a r n a Antiquariat 40 FACH-KATALOGE empfehlen wir allen E'ücherfreunden als interessante und stets aktuelle bibliographische Auskunftsquelle. Sie ent- halten die bei uns in den verschiedensten Sprachen vor- handenen Bücher, nach folgenden Gebieten geordnet: Architektur — Astrologie — Astronomie — Bibliophilie Bctanik — Briefwechsel und Biographien — Chemie — Chiromantie — Dialektbüdher — Englisch© Literatur — Flugtechnik — FoOografie — Französische Literatur — Gärtnerei — Gedichte — Geographie und Reisebeschrei- bungen — Geschichte— Handelswissenschaften — Humor — Judaica — Kinderbücher — Klassiiker — Kochbücher Kunst — Landwirtschaft -— Medizin — Literaturgeschich- te — Mathematik — Musik — Naturwissenschaft — Na- tionalökonomie — Philosophie — Psychologie — Rechts- wissenschaft — Sexualwissenschaft — Technik — Theo- logis — Okkultismus — Sprachlehre — Rumäne. Verlangen Sie von diesen Katalogen diejenigen, die Sie interessieren — Kostenlose Zusendung. M A I P U 4 4 1 U-T. 31.4513 Y 7427 Buenos Air es Verkaufs- u. Ausstellungsräume bis 24.30 Uhr geöffnet. SUC. BELGRANO: JURAMENTO 2368 — I T. 73 . 4777 r i Quinta „LA PERLITA i i Sport und Landheim des VEREINS "VORWAERTS" Quilmes, 12 de Octubre 1100 U. T. 203 - 211 j________ Der idealste Erholungsplatz für Jeden! TABGLICH GEOEFFNET! Beste Fahrtverbindung! Puente Barracas (Seite Avellaneda) Omnibus "El Halcon" (grün) bis vor den Eingang von "La Perlita" (Fahrpreis 20 cts.) D AMEN-FR IS IER-SALON HANS und ELISABETH VIAMONTE 879 — U. T. 31 - 2018 MANICURE — DAUERWELLEN FAERBEN MASSAGE — 32 —