A OTRA ALEMANIA ORGANO DE LOS ALEMANES DEMOCRATICOS DE LA AMERICA DEL SUR Redacciön y administraciön: CALLE TÜCUMAN 309 Buenos Aires (Argentina) U. T. Retiro 7264 Buenos Aires, Junio de 1944 Ano VII No. 8 3 AUS DEM INHALT August Siemsen, Die Inva- sion und die Freiheit Europas. Domencio Saudino: Aus der Internationale der Welt- beherrscher. Ulrich Becher: George Grosz Die Wirtschaft im neuen Europa Hans Jahn: Es gibt keinen Mittelweg. Karl O. Paetel: Die Schwar- ze Garde Adolf Hitlers (Schluss) Stimmen zu Deutschlands Zukunft. Aus Hitlerdeutschland August Siemsen: DIE INVASION UND DIE FREIKEIT EUROPAS "" Ein Aufatmen ging durch die Welt, als endlich, endlich die Kunde kam vom Beginn der alliier- ten Invasion ge- gen den von den Nazis unterjochten europäischen Kon- tinent. Grosse Ent- scheidungen sind zur Stunde, wo dies geschrieben wird, noch nicht gefal- len. Es ist durchaus möglich, dass dieser erste, gigantische Versuch in die "Fe- stung Europa" einzudringen nicht oder doch nicht voll gelingt. Zwar erscheint es kaum denkbar, dass Hitler noch über genügende Kräfte verfügt, um die Angreifer übers Meer zurückzu- werfen, wohl aber mag es gelingen, sie nach dem Muster von Anzio abzu- riegeln. Auch dann jedoch werden grosse Streitkräfte der Nazis gebunden und Invasionen an anderen stellen er- leichtert sein. Man darf also wohl fest- stellen, dass nun die Endphase des Krieges begonnen hat, die Endphase,, welche die Vernichtung der Nazimacht bringen muss. So gross die Erleichterung über den Anfang vom Ende der Naziherrschaft ist, sie wird nicht nur begleitet von dem Albdruck, wieviel des unvorstell- bar Grauenhaften bis dahin noch in dem unglücklichen Europa geschehen wird, sie ist auch begleitet von ban- gen Sorgen um die weitere Zukunft. Würden die Menschen, die jetzt in dem höllischen Ringen um die Festung Europa zugrunde gehen, sterben, da- mit ein Europa friedlicher Zusammen- arbeit entstehen könnte; würde all das, was Jetzt und in den nächsten Mo- naten in Europa vernichtet wird, des- halb vernichtet, damit aus den Trüm- mern ein Europa erwacnse, dessen Menschen, im Besitz der vier Freihei- ten der Atlantikcharter, die Früchte Ihrer Arbeit in Ruhe genies-sen könn- ten. der Weg durch Blut und Tränen hätte seinen Sinn erhalten. Aber die Rde Churchills vom 24. Mai, in der er Franco feieite und den An- griff englischer Streitkräfte auf re- publikanische griechische Truppen und Schiffe rechtfertigte, sollte die letzten Hoffnungen Gutgläubiger zer- stören. dass es sich bei dem Krieg Englands, soweit seine herrschenden Kreise in Betracht kommen, um einen Krieg gegen den Faschismus handle, erst recht nicht um einen Kampf für eine bessere Ordnung Europas und der Welt, um Ideen und Weltanschau- ung — 'Nach meiner Meinung ist der Krieg, je weiter er fortschritt, um so weniger ideologisch geworden", sagte Churchill —. sondern wie je und je um Macht und um Geschäft. Während der Kampf gegen den gemein- samen Gegner die grossen Konbur- renz-Mächte noch zusammenzwingt, ist der diplomatische Krieg zwischen ihnen schon in vollem Gange. In ihm erscheinen Europa und Deutschland als Obiekte. Die unterdrückten und gequälten Völ- ker Europas erwarten von den Alliier- ten ihre Befreiung. In Rom wurden die alliierten Truppen mit Jubel und mit roten Fahnen, in Bayeux mit Ju- bel und mit Blumen empfangen. Vor 150 Jahren kämpften auch Freiheits- heere in Europa, wurden auch sie als Befreier begrüsst, die Heere der fran- zösischen Revolution. Aber ihr Frei- heitskampf galt keinem fremden Un- terdrücker, sondern den privilegierten internen Unterdrückern der europäi- schen Völker: Krieg den Palästen, Friede den Hütten! — Der jetzige, Freiheitskampf um Europa hat ein anderes, er hat ein doppeltes Gesicht. Er soll die Naziherrschaft beseitigen, der man einst wegen ihrer erwünsch- ten reaktionären Tendenz durch Stil- lehalten oder durch wohlwollende Un- terstützung in den Sattel geholfen hat, bis sie zur Gefahr für die Alliierten selbst geworden war. Deshalb und nicht aus Begeisterung für die Frei- heit — es gibt keine Marseillaise in den Heeren der Alliierten und nichts, was ihr ähnlich wäre! — muss sie heute niedergerungen werden. Aber d^e Freiheit für Europa zur Beseiti- gung des überlebten Alten, zur Austil- guhg der Wurzeln von Faschismus und Krieg, zum Aufbau eines einigen Euro- pa der Fieiheit. Gleichheit und Brü- derlichkeit, — diese Freiheit will man ganz und garnicht bringen. Nichts hört man von der Absicht, Eu- ropa zu neifen bei der Schaffung sei- ner Vereinigten Staaten, deren Vor- aussetzung die Revolution gegen den Faschismus und seine Helfershelfer, gegen aen Grossgi undbesitz und das grosse Kapital, gegen die Militärs und die Bürokratie sein müsste. Vielmehr möchte man in London und Washing- ton die Revolution, die die Truppen der französischen Republik mit ihren Bajonetten ins reaktionäre Europa trugen, verhindern, indem man wan- kende Throne stützt und verstaubte Hermeline aus der Mottenkiste der Geschichte hervorsucht. Vor allem aber geht der Streit um Grenzziehungen, um die Bestrafung der Besiegten, um Interessengebiete. Europa soll uneinig und schwach, soll (Objekt, soll Spielplatz der wirtschaft- lichen und politischen Machtkämpfe der Grossen bleiben. Und so sehr rech- net man bereits mit der Möglichkeit offener Konflikte zwischen den Sie- gern, dass einerseits Stalin reaktionä- re deutsche Generäle agieren lässt, dass andererseits die "Times" für die Aufrechterhaltung eines starken Deutschland eintritt-, in der — natür- lich niont deutlich ausgesprochenen — Absicht, Deutschland aufs neue als iSchwert gegen den von Churchill in seiner Rede totgesagten Bolschewis- mus zu benutzen. Aus dem gleichen Grunde wünscht auch die polnische Reaktion ein starkes Deutschland trota aller grauenhaften Erfahrungen, die Polen unter der Naziherrsohaft ge- macht hat. Ihr Klassenegoismus ist um ebensoviel stärker als ihr phrasen- geschwollener "Patriotismus", wie das beim französischen Kapitalismus in entscheidender Stunde der Fall war. Aus dem machtpolitischen .und wirt- schaftlichen Gegensatz zwischen den angelsächsischen Mächten, vor allem Englands, und der Sowjetunion, ergibt sich die Chance der deutschen Reak- tion, der erneuten Auferstehung des preussisch-deutschen Militarismus und Imperialismus. Dahin geht auch be- reits heute die Spekulation der Jtfazis. Es ist zu befürchten, dass die angel- sächsischen Mächte in Deutschland die gründliche Abrechnung des Volkes ver- hindern werden, um statt descen nach italienischem Muster mit Generälen und Bürokraten des Nazisystems zu- sammenzuarbeiten, wie das ja bereits offen ausgesprochen worden i£t. Das würde um so leichter der Ausgangs- punkt für die Wiedererstehunp- des deutschen Militarismus und Imperia- lismus sein, als die Straf- und Zwangs- massnahmen, die gegen das deutsche Volk mehr als gegen seine nazistischen Verderber und Vergewaltiger vorge- sehen sind, den besten Stoff für eine erneute nationalistische und chauvini- stische Hasspropaganda liefern wür- den Nach Ablauf der Besetzung — vorausgesetzt, dass es nicht schon vorher zu offenem Konflikt zwischen den Besatzung;'mächten kommt — könnte dann Deutschland, zwischen der Sowjetunion und den angelsäch- sische Mächten lavierend, sich die Möglichkeit zur Wiederaufrüstung schaffen und das alte Spiel, in dem die deutsche Reaktion wiederum die un- heilvollste Rolle übernähme, könnte aufs neue beginnen. Gewiss, es gibt Faktoren, die das er- schweren, vor allem die gewaltig ge- stiegene Sowjetmacht, deren Schwer- gewicht aber wahrscheinlich nach Asien gravitieren wird, und die Er- fahrungen, die Europa und die Welt soeben mit dem deutschen Militaris- mus gerracht haben. Aber soweit die angelsächsische, vor allem die engli- sche Politik in Betracht k:mmt, er- scheint sie bisher als Fortsetzung der reaktionären englischen Politik in Eu- ropa nach dem ersten Weltkrieg. Um das aufs neue drohende Unheil zu ver- hindern. müssen die europäischen Völker die bevorstehende Befreiung vom Nazij'och benutzen, um unter Ueberwindung von Nationalismus und Hass- und Rachegedanken die freie und positive Entscheidung über ihr und Europas Schicksal zu erreichen. Die Erklärungen der Regierung Bono- mi sind ein gutes Zeichen. Hans Jahn: ES GIBT KEINEN MITTELWEG Gegen die F:rderung nach einem ge- einten sozialistischen Europa als ein- zig möglichem Ziel dieses Krieges und einzigem Mittel zur Vermeidung neu- er Konflikte, die mit uns die fort- schrittlicher: Kreise aller Länder erhe- ben, wird häufig eingewandt, dass ei- ne solche Zielsetzung zu «utopisch sei, dlass sie nicht als Sofortprogramm durchführbar sei, und dass man sich vorerst mit realistischen Teillösungen begnügen müsse. Zunächst einmal gel- te es, aus der heterogenen Elementen ein geeintes Europa zu schaffen und dann erst körne allmählich auf den Sozialismus hingearbeitet werden. Bei solcher "realistischen" Betrachtungs- weise übersieht man iedech, dass praktisch für das Svstem. unter dem sich die er gestrebte Einigung des Kontinents vollziehen so1!, gar keine Auswahl mehr zur Verfü°nng steht ausser der Alternative Sozialismus oder Monokapitalism^s. Die Befrei- imp- Europas vom Naziioch bedeutet durchaus nicht Befreiung vom viel- fach verflochtenen deutschen Mono- polkapitalismus, sie kernte besten- falls zu dessen Ersatz durch seinen angelsächsischen Bruder führen. Die- ser aufgezwungene fremde Kapitalis- mus müsste zu Erschütterungen stärk- sten Ausmasses führen, da er mit heftiger Opposition anstatt jener Dul- dung rechnen müsste, die ihm die englischen und nordamerikanischen Massen noch in weitem Masse entge- genbringen. Würde die politische Verwaltung der alliierten Mächte über Eurom die- sen Ausbeutungsobiekten nicht Schach bieten können? Leider würden alle Planungskommissicren in hohem Grade von dem guten Willen dieser Trusts ab^h'n^en, die je räch Bedarf die Feschlüsse der Autoritäten un- terstützen oder sabotieren können. Es würde sich hier im Grossen wie- derho^en, was bereits bei der engli- schen Kriegspia nun er offen zutage t**iH. TT»b"r ^eren Charakter schreibt Hilda Monte in der Märznummer von "Lest News": "In der Regel sVd diejenigen, die (kontrolliert werfen sollten, zu Kon- trolleuren bestellt. In Europa jedoch würde sich die Lage von der britischen während des Krieges insofern unter- scheiden, als die Monopolkapitalisten in England im Grossen und Ganzen daran interessiert sind, die Kriegsma- schine in Gang zu halten, da sie nicht riskieren wollen, den Krieg zu verlie- ren. Eine ähnliche relative Sicherheit würde gegen die Sabotage der euro- päischen Kontrollorgane nicht existie- ren." Gewirnt das private Grosskapital massgebenden Einfluss auf den Wie- deraufbau Europas, so ist dieser schon in wesentlichen Punkten unmöglich gemacht. Das Gesetz des Privatkapi- ta's ist der Profit, aber die Neukon- struktion der Welt wird auf vielen Gebieten zurächst unprofitabel im privatkapitalistischen Sinne sein. Das heisst, dass weite Sektoren des Auf- bauprogramms, und zwar gerade die- jenigen, die auf eine Verbesserung der Lebenshaltung der arbeitenden Mas- sen abzielen, vernachlässigt und sa- botiert werden. Das sei wieder am englischer) Beispiel erläutert. Die Kon- servative (Partei warb kürzlich in ei- ner F'ugsc'srift für ihr wirtschaftli- ches Nachkriegsprogramm. Das We- sentliche dieser Ausführungen war die Forderung nach einer Sicherung eines starken Exnorts, d. h. nach mög- lichst billiger Herstellung der Ex- portgüter. Soziale Leistungen, die die- se Güter verteuern könnten, sollen vermieden oder, wenn nicht zu um- gehen, v:n der Regierung, d. h. der Masse der Steuerzahler, getragen wer. den. Die Gewinne sollen a^so der Privatinitiative, d. h. dem Grosskapi- tal. vorbehalten bleiben, während Ver- luste und Risiken, nationalisiert wer- dev sollen. Auf Europa angewandt, würde das ei- ne willkürliche Drosselung der Pro- duktionskapazität und Sicherung ho- her Profite d'vrch niedere Löhne und verminderte S'ziaHeistungen bedeu- ten. Allerdings werden rückständige Gebote "entwickelt" werden, d. h. die Bevölkerung dieser glücklichen Län- der wird so arm bleiben wie zuvor. Aber selbst wenn das Grosskapital sei- ne Ausbeutn-*?- in weniger krasser Form dvrehführpn würde, könnte es niemale iene Fülle menschlicher und materieller Hilfsoueil"n erschlossen, die der? Massen zur Verfügung" stehen, die für ihre eigene Zukunft arbeiten.' Wird also die "ßrachliessung" Euro- pas nach dem Schema jener der ara- bischen Petroleumquellen vorgenom- men, so wird der Konsum niedrig bleiben, weite Teile von Industrie und Landwirtschaft werden keine Absatz- märkte für ihre Güter finden, und die Massen werden den neuen Herren ebenso, feindlich gegenüberstehen wie bisher den Nazis. Ob eine solche Sach- lage sie 711 begeisterten Kämpfern für die Einheit Europas machen und sie zu demokratischer Selbstverwaltung erziehen könnte? Diese falsche wirtschaftliche Konzep- tion hat natürlich schwerwiegende politische Folgen. Länder, die wirt- schaftlich von ausländischen Investi- eren regiert werden, müssen sich po- litisch dieser Gegebenheit anpassen. Ihre Regierungen müssten sich den Wvrscnen der Industriebarone fügen, v-n denen sie wirtschaftlich abhän- gen. Da eine solche Regierung aber kaum mit der Unterstützung der Mas- sen rechnen kann, liegt die Flucht in Diktatur und neuen Faschismus mit anderem Firmenschild nahe, und selbst ein Nazi oder Quis]ing mag unter solchen Umständen ein willkom- mener Strohmann sein. Da die Mas- sFr auf einem niedrigen Lebensstan- dard gelhalten werden und also nur geringe- Kaufkraft aufbringen kön- nen, werden sich bald wieder Ueber- Produktion, Verelendung, Krise und all die Erscheinungen einstellen, die letzten Endes m neuem Krieg füh- ren. niese Entwicklung wird noch be- günstigt dadurch, 'dass bei mangeln- dem Absatz der Konsumgüter die Waffenindustrie verlockende Profit- m"eli?hkeiten bietet. "Wirtschaftsplanung" ist kein Zau- berwort und Allheilmittel. Dazu sagt Hilda Monte sehr richtig: "Planwirtschaft ist nicht unvereinbar mit kapitalistischen Interessen. Pla- nung kann sowohl die Ausbeutung si- chern a]s auch Sicherheit ge^m, die Ausbeutung geben — das hänet nur davon ab, wer d'e Planenden sind, und welche Macht sie besitzen. Wenn sie im Interesse des Mrnopolkapitals tä- tig sind, so ist es zwar s^ear möglich, dass sie die Arbeitslosigkeit beseitigen, allerdings für den Preis, für dpn auch die Nazis das taten... jeder Versuch in den befreiten Ländern, Gewerk- schatten von oben her wieder zu bil- den, mag leicht zur Neuschaffung von "Arbeitsfronten" führen. Wenn die Arbeiter nicht damit einverstanden sind, wird ein solcnes System dem Faschismus sehr ähnlich sehen." Der Kapitalismus als Treuhänder des europäischen Wiederaufbaus kann kei_ nerlei Garantien für Frieden und Fortschritt bieten. Die andere, die einzige Möglichkeit, ist der sozialisti- sche Weg. In dem zitierten Artikel aus "Lest News" räumt Hilda Monte mit einigen falschen Vorstellungen über die Sozialisieruing Büropas auf. Je nach der verschiedenen wirtschaft- lichen, politischen omd (kulturellen Reife der Völker werden sie ein an- deres sozialistisches System entwik- keln. Nichts würde zerstörender wir- ken als der Versuch, dem ganzen Kontinent ein einziges, zentralisiertes sozialistisches Diktatursystem aufzu- zwingen. Es wird in manchen Ländern vorerst genügen, die Schlüsselindu- strien zu vergesellschaften. Bei der Herrschaft der Grossindustrie in Deutschland und Frankreich, der Gr:ssgrunc.b2sitzer in Spanien una Ungarn allerdings wäre es lächerlich einen sozialen Fortschritt in Europa zu erwarter1. Wenn aber die dänische Landwirt-chaft noch nach dem Koope- rativstem arbeitet, während in an- deren Ländern die Landwirtschaft be- reits räch russischem Muster kollek- tivisiert ist, so werden durch diesen Unterschied der Fortschritt Europas und der Frieden der Welt nicht be- droht. Wenn das vorhandene Bauka- pital nadh kapitalistischen Gesichts- punkten nur dort investiert wird, wo es die höchste Profitrate verspricht, ist die Verbesserung der Lebensbedin- gungen der Aermsten unmöglich. Nicht gefährdet würde sie jedoch, wenn ir- gendwo ein (Privater die Erlaubais zum Bau eines Hauses bekommt. Vorbedingung zum Sozialismus wäre eine europäische Volksfront, die alle fortschrittlichen Kräfte des Kontinents umfassen müsste. In jedem Lande müsste der dieser Front an gehörige Sektor die Kontrolle über die Schlüs- selindustrien ausüben. Aus dieser Be- aufsichtigung würde sich dann allmäh- lich die internationale Kontrolle und Planung ergeben. Die europäischen Löhne müssten derart aneinander an- gepasst werden, dass kein Gebiet mit billiger Arbeitskraft zu profitkapitali- stischen Investierungen ermutigt. Als im Jahre 1940 England allein ei- nem übermächtigen Feinde gegenüber- stand, ermutigte man die Revolution der unterdrückten europäischen Völ- ker auf jede Weise und war zu den kühnsten sozialen Zugeständnissen bereit. Das mächtige und siegessiche- re England von 1944 dagegen hat sich seine Verbündeten in den Kreisen der Badoglio und Victor Emannel ge- sucht. Die in Punkt 2 der Atlantik- Charter verkündete Grenzberichtigung nach dem freien Willen der beteilig- ten Völker ist längst dem Grenzscha- cher nach altem und gefährlichem Muster eewichen. Man ist auf dem besten Wege, in die früheren Fehler zu verfallen. Von den beiden mögli- chen Friedenskonzepten haben sich die Staatsmänner für den kapitalisti- schen Weg entschieden. Wenn es den Völkern Europas nicht gelingt, ihre Gesichtspunkte zur Geltung zu brin- gen, so ist unendlich viel kostbares Blut wieder einmal umsonst vergossen worden. SOZIALISMUS DER AUSWEG lfNur die vollständige Verwirklichung des Sozialismus wird die Lösung der so- zialen Frage ermöglichen". (Das belgische Untergrundblatt "Monde du Tra- vail", Ende 43). „Keine Unternehmerorganisation hat an der Widerstandsbewegung teilgenom- men. Die Mehrzahl der Grossunternehmer hat die Nation verraten." (Arbeits- minister Tixier In Radio France, Algier, 31. 3). VATERLANDSVERBAT DER GROSSI1VDUSTRIE „Einige italienische Grossindustrielle distanzieren sich jetzt von Mussolini. Die Kurzsichtigkeit dieser Plutokraten ist unbegreiflich. Sie scheinen vollkommen vergessen zu haben, dass es 1028 der Faschsimus gewesen ist, der den Gross- industriellen überhaupt wieder zu ihrem Eigentum verhalf, als die Arbeiter ihre Fabriken besetzt und sie fiir sozialisiert erklärt hatten". (Völkischer Beobach- ter. 16. III.). DIE WIRTSCHAFT IM NE Kann die Frage der Gestaltung dei Wirtschaft für .Sozialisten etwas an- deres als eine politische Frage sein? jNacn der Macntergre.iJ.ung- ist dem sozialistischen Pcilitiner seine Autga- be klar vcrg-ezeichnet: die icoziaiisie- rung. Das Ziel steht also fest. Hangt nicht die Erreichung eines so sonnen- klaren und unverrückbaren Zieles dann nur noch von der Energie ab, mit der die öczia iisierungsrnassnah- men durchgeführt werden? Vor der russischen Revolution, ja in den letzten Jahren vor dem letzigen Krieg, konnte man vielleicht noch sol- chen Illusionen nachgehen. Inzwischen aber haüen wir die Schwierigkeiten des "Sozialismus in einem Lande" kennen gelernt, ist mindestens Europa zu einem Scherbenhaufen zerschla- gen werden, zu dessen Aufräumung die Hilfe anderer Kontinente ge- braucht wird. Inzwischen hat auch — als Reaktion auf die nazi-faschi- stische Unterdrückung — neben der Gleichheit das Ideai der Freiheit ei- anen neuen stärkeren Widerhall in den Herzen aller Kämpfer für eine besse- re Welt geweckt. Wollten wir. Gewehr bei Fuss warten, bis die Weltrevolution herangereift ist, dann müssten wir manche Chan- cen auf begrenzteren Gebieten -unge- nutzt verstreichen lassen. Denn dass Angloamerika, der Teil auf dessen Aufbauhilfe Europa in erster Linie angewiesen ist, revolutionsreif sei, kann selbst der grösste Optimist schlecht behaupten. Wollten wir ande- rerseits völlig die gleichen Wege gehen, die Russland als. bisher einziges sozia- listisches Experiment beschritt, so blie- be damit die junge Sehnsucht nach Freiheit unbefriedigt. Ein sozialistisches WirtschafUiprO- gramm, das für die unmittelbare Nachkriegszeit des zerstörten Europas aufgestellt werden soll, muss darum in dreifacher Beziehung den Stempel seiner Zeit tragen:: Es muss die wirt- schaftn ch-tpo]ü tische Machtverteilung berücksichtigen. Es hat neben dem Ideal der Gleichheit auch das der Freiheit zu befriedigen. Und nicht zu- letzt muss esi die Grundlage für einen dauerhaften Frieden enthalten, ohne den die Verwirklichung jenes Pro- EN EUROPA gramms schwerlich zu einem glückli- chen Ende geführt werden kann. Ein solches konkretes Wirtschaitsprc- gramm legt Walter K'liess kr.. -Auitra- ge des ISA. in seiner B-osonüre "JL>ie Wir tschal t im neuen Eurcp ü/"*) als Gemeinschaftsarbeit eines kleinen Ko- mitees deutscher Sozialisten vor. Sie stellt, wie der Verfaser sagt, einen Versuch dar, ''für die wirtschaftliche Neugestaltung des europäischen Kon- tinents einen Plan zu entwerfen, der die allgemeine Sehnsucht nach Frie- den, Freiheit und Gerechtigkeit be- friedigt." Zweifellos wind die vorge- schlagene Lösung nicht widerspruchs- los hingenommen werden. Erreichte die fcchrift aber nichts anderes, als eine Diskussion der autgeworfenen Probleme einzuleiten, so würde sie schon damit eine wichtige Aufgabe er- füllen. Dass Sozialisten nur im Sozialismus eine Sicherung des Friedens und die Verwirklichung von Gleischheit und Freiheit erblicken, ist selbstverständ- lich. Wenn es um ein sozialistisches Europa geht, also nicht die Neuord- nung eines Einzelstaates, dann stellt sich einmal die Frage, ob und wie weit die wirtschafApolitische Souve- ränität der einzelnen Staaten nach dem Kriege einer europäischen Be- hörde untergeordnet sein sali. Es stellt sich aber weiter die Frage, wie weit die Sicherung der Gleichheit inner- halb der Einzelstaaten gehen soll und darf, ohne die Freiheit unbilligerwei- se einzuschränken; oder mit anderen Worten: wie weit die einzelnen. Regie- rungen in Planung, Lenkung und Ent- ,Privatisierung der Wirtschaft zu ge- hen haben. Schon allein eine solche Fragestel- lung musste bei denjenigen die in der Vergesellschaftung der Produktions- mittel die einzig mögliche Form der Sozialisierung sehen, auf Widerspruch stessen. solange das Ideal der Freiheit gegenüber dem der Gleichheit eine untergeordnete Rolle spielte. Die höhe- re Einschätzung der Freiheit jedoeih berechtigt nicht nur, sondern ver- pflichtet sogar zur Nachprüfung, ob der uneingeschränkte Kollektivismus nicht die Freiheit weiter einschränkt.. als es zur Verwirklichung der Gleich- heit erforderlich und zulässig ist. Da- zu sagt Fliess: "Es besteht ein direk- > ter Zusammenhang zwischen der Wirtschaftsform eines Landes uncl dem Grad der Freiheit. Je mehr die Wirtschaft kollektivisiert wird, desto mehr wird auch die Freiheit seiner Bürger eingeschränkt, je totaler staat- liche Lenkung und Gesamtplanung der Wirtschaft sind desto mehr müs- sen Störungsquellen wie z. B. die Frei, zügigkeit der Arbeiter' ausgeschaltet werden . . . Wir fordern also ein Wirt- schaftssystem, in dem die Sicherung des Friedens und "wirtschaftliche Ge- rechtigkeit gewährleistet sind, und das die Gefahren des Kollektivismus für die Freiheit der Menschen ver- meidet." Es ist zweifellos richtig, dass den Arbeiter die Freiheit wenig interes- siert, solange sie die Freiheit des Stär- keren ist. den Schwächeren auszubeu- ten, solange sie also gerade angeru- fen wird, um die Gleichheit zu ver- hindern, um die Moncfpclstellung des Unternehmers zu sichern. "Aber", so sagt Fliess, "zu glauben, man hätte die Gefahr der Monopole gebannt, wenn man sie aus privater Hand in die Verfügung des Staates gibt, scheint uns naiv und gefährlich." Und er begründet es: "Der einzelne Arbeiter kann in einem Staatsbetrieb genau so hilflos sein wie in einem hochkapitalistischen Betriebe". Es kommt darauf an, eine Situation zu schaffen, in der es keine industrielle Reservearmee mehr gibt, sodass den Produktionsmitteln ihr Monopol Cha- rakter genommen ist, der darauf be- ruht, dass die Arbeiter den Produk- tionsmittel-Inhabern nachlaufen müs- sen. Ist auch die Ueberführung der Pro- duktionsmittel in Gemeineigentum kei- ne Sicherung gegen die Ausbeutung, so wäre es trotzdem "falsch zu sa- gen, dass es auf Eigentumsverhältnis- se gar nicht ankemimt . . . Von der Beurteilung der einzelnen Fälle hängt es ab, ofo Planung und staatliche Wirt.sfihaftsler.:kung hinreichen. oder o>b die Ueberführung in Staatseigentum notwendig ist." Aufbauend _ auf diesen Ueiberlegungen schlägt Fliess drei Sektoren für die künftige sozialistische Wirtschaft vor, in der Gleichheit und Freiheit ver- eint sein sollen: "1. einen staatlichen oder vergesell- schafteten Sektor, in dem Unter- nehmungen und Betriebe dem Staat oder öffentlichen Körperschaften ge- hören und auch von Beamten gelei- tet werden; 2. einen staatlich geplanten Sektor, in dem Betriebe und Unternehmun- gen zwar in Privathand (oder ge- nossenschaftlichem Eigentum) sind, sich aber eine mehr cder weniger weitgehende Staatskontrolle und be- hördliche Wirtschaftslenkung ge- fallen lassen müssen; 3. einen freien Sektor." Ist damit zunächst die Frage beant- wortet, wie Gleichheit und Freiheit in der Wirtschaft der Einzelstaaten ver- eint werden sollen, so gibt Fliess für die Beschränkung der einzelstaatli- chen Souveränität folgende Richtli- nie: "Ueberall, wo solche Rechte unid Pflichten Einzelner und der einzelnen Völker in Frage stehen, die die inter- nationale Organisation der Gesell- schaft unmittelbar berühren, da soll eine internationale Organisation mit eigener Regierungvollmacht eingrei- fen können. Wo das nicht notwendig ist, da soll den Einzelstaaten die Freiheit gelassen werden, zu tun, was ihnen gut und richtig erscheint. In nend und überwachend in die europä- ischen Föderation hätten also die ein- zelnen Staaten reichlich Gelegenheit zu verhindern, dass aus Europa die oft gefürchtete grosse Kaserne wird . . . Die hier erörterten Grund- sätze weisen klar auf die Notwendig, keit einer Zentralstelle hin, die pla- der vcai uns vorgeschlagenen europä- ische Wirtschaft eingreifen kann. Ei- ne solche Körperschaft muss Teil ei- ner europäischen Zentralgewalt sein, die im Rahmen klar festgelegter Richtlinien die Macht hat, Entschei- dungen zu treffen und durchzufüh- ren." Das führt zu folgenden praktischen Vorschlägen: Sozusagen als Wirtschaftsministe- rium der europäischen Zentralgewalt wird eine Europäische Wirtschafts- kommission gebildet. Dabei sollen je- doch grundsätzliche wirtschaftliche Entscheidung von der europäischen Zentralgewalt selbst und nicht von der Wirtschaftskommission getroffen wer- den. damit die Wirtschaft kein Ueber- eewicht erlangt. Der Wirtschaftskommission . unter- steht ein "Europäisches Montanamt" als Eigentümer und Verwalter aller europäischer Kehlen- und Erzgruben sowie der Produktionsstätten für Ei- sen, Rotistahl und Walziabriken. Bas Montanaimt hat neben der gerech- ten Verteilung und der zweckmässi- gen Ausnutzung der Produktionska- pazitäten auch die Aufgabe, einen et, waigen Missbrauch der Schwerindu- strie iür Wiederaufrüstung zu verhin- dern. Weiter wäre ein "Amt für öffentli- che Dienste" zu schaffen. Es hätte ei- ne Zusammenfassung- der bereits be- stehenden. staatlichen oder öffentli- chen Einrichtungen für Verkehr, Elek- trizität etc. zu sein. Ein "Europäisches Monopolamt" hat dafür zu sorgen, dass private mono- polistische Bestrebungen im freien Sektor im Keime erstickt werden. Da- zu hat es diesen Sektor laufend zu kontrollieren, lnspektionen der Betrie- be, Ueberprüfungen der Bilanzen etc. vorzunehmen. Ins besonders soll die private Monopolisierung auch durch eine Aenderung- des Patentwesens verhindert werden, auf Grund deren die Patentbenutzung jedem gestattet werden muss, der bereit ist, eine ent- sprechende Gebühr dafür zu entrich- ten. Diese Patent-Neuregelung würde an sich schon die Machtpositionen der Chymie-Grossindustrie iselhr schwä- chen. Dazu hätten noch wenigstens für eine Uebergangszeit die Ueber- führung aller europäischen Betriebe der IG-Farben als Zentrum der ge- säumten chemischen Grossindustrie des europäischen Festlandes an eine euroipäiscihe Kommission zu erfolgen. Eine "Eurqpäiche Landwirtschafts- kominission" soll bei der Aufteilung des Grossgrundbeitzes mitwirken und das Genossenschaftswesen fördern. Besonders sollen staatliche Kollektiv- farmen und Forstwirtschaften sowie Genossenschaftsbetriebe da organi- siert werden, wo aus betriebswirt- schaftlichen Gründen landwirtschaft- liche Grossbetriebe zweckmässig sind. Die selbständige Bauern-Wirtschaf- ten sollen jedoch nicht beseitigt wer- den. Die Landwirtschaftskommission hätte die Anbau- und Preispolitik zu lenken, für eine gerechte Kreditver- teilung zu sorgen und anfangs auch gesunde Existenzbedingungen durch vernünftige Entschuldungs- und Flur- bereinigungsaktionen zu schaffen. Für die gerechte internationale Kre- ditverteilung und eine Investitionskon- trolle hat ein "Europäisches Zentral- Kreditinstitut" zu sorgen. Es wird da- mit fördernd bezrw. hindern in den in- dustriellen Aufbau eingreifen und in dieser Beziehung Hand in Hand mit dem Moncpolamt arbeiten müssen. Wenn daneben noch die Grossban- ken verstaatlicht werden, so wird das Fortbestehen kleiner Privatbanken nicht mehr bedenklich sein, ihr ge- samtes Geschäftsgebahren wird ab- hängig sein von dem zu gründenden ''Europäischen Zentraibank-Institut", das vor allem den europäischen Geld- und Kreditumfang, sowie das Verhält- nis der Länderwährungen untereinan- der oder zu einer europäischen Hilfs- währung bestimmen soll. Schliesslich hat eine "Europäische Waren-Clearing- und Außenhandels- stelle" den innereuropäischen Handel zentral zu organisieren und für die zweckmässige Ausnutzung der euro- päischen Produkti'onskräfte zu sorgen sowie den aussereuropäischen Handel zu lenken. Eine besondere Bedeutung wird der Heranziehung der Oeffentlichkeit zur Kritik und! Kontrolle der Wirtschafts- massnahmen 'beigemessen. Aus diesem Grunde soll der Europäischen Wirt- schaftskommission ein ständiger bera- tender Auschuss zur Seite stellen, zu- sammengesetzt nicht nur aus Vei tre- tern der verschiedenen vorerwähnten Aemter und nationaler sowie interna- tionaler wirtschaftlicher und sozialer Interessenvertreter, sondern auch un- abhängiger Sachverständiger. Die Wirtschaftskommission wäre dem Be- ratenden Ausschuss zu regelmässiger Rechenschaftsablegung verpflichtet. Seine Beratungen haben öffentlich stattziufinden. Es hiesse den Rahmen dieser Wieder- gabe des Wirschaftsprogrammes zu weit ziehen, würden hier auch die ein- zelnen Uebergangsmassnahmen ange- führt. Besondere Wichtigkeit kommt hierbei den Vorschlägen zur Beseiti- gung der Nachkriegsarbeitslosigkeit und der steuerlichen Massnahmen zur Umschichtung der Vermögen, den Vermögensabgaben etc. zu, die die Bildung kapitalfctiS'dher Machtposi- tionen auch da verhüten sollen, wo keine Enteignung in Frage kommt. Das entscheidende an der Broschüre "Die Wirtschaft im Neuen Europa" ist die Tatsache, dass es ein soziali- stisches Programm für einen Konti- nent aufzustellen versucht, das unter Ausschluss des' Kapitalismus auch die Gefahren eines totalen Kollektivismus für die Freiheit vermeiden und dabei doch die Verwirklichung: der wirt- schaftlichen Gerechtigkeit sichern will. Nur so weit als dieses Ziel es erfor- derlich mscht, soll die Verstaatlichung: und die staatliche Planung: gehen. Was man in Russland durch "sozia- listischer Wettbewerbe" und durch Einführung- grösster Lohnunterschie. de nachträglich wieder in die Wirt- schaft einzuführen trachtete, das soll ihr gar nicht erst entzogen weden: die persönliche Initiative und Entschei- dung-, wobei die staatliche Wirtschafts, macht und Kontrolle den etwa erfor- derlichen Ausgleich sowie die Bildung neuer Ausbeutungaaositionen unter- binden soll. *) Renaissance Publishing Co., 24, Mandeville Rise, Welwyn Garden City, Herts. (England). AUS DER ARBEITERBEWEGUNG Ueber das Problem des Wiederauf- baus schreibt "LE POPULAIRE", das illegale Organ der französischen So- zialisten u. a.: " . . . Die ersten Massnahmen werden einen entschei- denden Einfluss auf die Wirtschaft von morgen haben. Wenn wir ganze Arbeit leisten, wird der Weg zum; So- zialismus offenliegen. Versagen wir, so wird sich der Kapitalismus rä- chen — zwar nur vorübergehend — aber die Rebellion der verzweifelten und getäuschten Massen, die dann folgen wird, kann in ausweglosem Chaos und kulturellem Zusammen- bruch enden. Nicht nur einen politischen Kampf wird der Sozialismus zu führen ha- ben, sondern auch einen grossen technischen und wirtschaftlichen. Sind wir in der Arbeiterbewegung auf un- sere Aufgabe vorbereitet? Das Exeku- tivkomitee der Sozialistischen Partei hat deshalb das "Sozialistische Er- ziehungskomitee" zum Studium der politischen, wirtschaftlichen und so- zialen Ziukunfstprobleme errichtet..." Solidarität. Italienische Arbeiter be- richten der IFT über ihre Erfahrun- gen als Zwangsarbeiter in grossen deutschen Rüstungsbetrieben: von be- stimmten deutschen Arbeitern wurden wir sehr scharf beobachtet. Wir wa- ren für sie entweder Faschisten, vor denen man sich in Acht zu nehmen hatte, oder Antifaschisten und damit Kameraden. Wir arbeiteten in ge- mischten Kolonnen mit deutschen Arbeitern. Nach einigen Tagen hatten diese herausbekommen, wer von uns freiwillig nach Deutschland gegangen und wer nur dem Druck gehorchend gekommen war. Wir Antifaschisten erhielten nur leichtere und besserbe-1 zahlte Arbeit. Den Faschisten wurde gesagt: der Duce will den Krieg ge- winnen und er fordert für den Sieg deine letzte Kraft. Man gab ihnen die schwerste, schmutzigste und am schlechtesten bezahlte Arbeit. Die "richtigen'' deutschen Arbeiter sorg- ten dafür, dass wir Antifaschisten Seife, Putzwolle, besseres Handwerks- zeug und gute Schutzkleidung erhiel- ten. Unsere faschistischen Landsleute konnten sehen, wo sie blieben. — Mit Franzosen machte man es genau so. Das Gespräch kam oft auf unsere Streiks gegen Mussolini und wir fragten, wann es in Deutschland los- ginge. Die deutschen Antinazis mein- ten, dass es bei ihnen noch nicht so weit sei, noch viel zu viele hätten nicht erkannt, dass Hitler das Un- glück Deutschlands sei. Wenn sie zu früh losschlugen, würden die Nazis leicht mit ihnen fertig. Diese Antinazis sagten, dass sie die alliierte, Forderung einer "bedingungs- losen Uebergabe" nicht verstünden. Sie fürchten nämlich, dass die Alliier- ten niur einen Personenwechsel wol- len und dass die Arbeiter unter der deutschen Regierung, mit der die Al- liierten Frieden schliessen, weiter aus- gebeutet werden. (Die Berichtenden arbeiteten bis September 1943 in Grossbetrieben dreier häufig und schwer bombardierten deutschen Grosstädte.) Seid bereit. Unter diesem. Titel wen- det sich Walter Citrine, Generalsekre- tär des Britischen Gewerkschaftsbun- des und Präsident des Internationalen Gewerkschaftsbundes in "Labour", dem offiziellen Organ des Britischen Gewerkschaftsbundes, gegen die be- dingungslose Fortsetzung einer Burg- friedenspolitik nach dem Kriege. Der Aufsatz schliesst mit folgen- der Erklärung: "Es muss fest- gestellt werden, dass die Gewerk- schaftsbewegung niemals auf ihre, Macht verzichten oder es auf sich nehmen wird, diese für irgendeinen an- deren Zweck zu benutzen. Die Ge- werkschaftsbewegung wird sich nicht im. voraus festlegen oder Verpflich- tungen in Bezug auf ihre zukünftigen Tätigkeiten eingehen, sofern die Re- gierung nicht ihre Politik und die Verpflichtungen genau festlegt, die von allen Anderen eingegangen werden sollen. Unser Ziel ist der Schutz der Interessen der Arbeiterschaft: Jede Art "Rekonstruktion", die nicht in weitestem Mass die Ansprüche der Arbeiterklasse berücksichtigt, wird nicht unsere Unterstützung erfahren, sondern den starrsten Widerstand, den wir überhaupt aufbringen kön- nen." Scheveneis wird, deutlich. In der vom internationalen Gewerkschaftsbund herausgegebenen Zeitschrift nimmt S-cheveneLs, der Generalrekretäs der Gewerkschaftsinternationale, mit er- staunlicher Schärfe zu den Aufgaben des Internationalen Arbeitsamts Stel- lung. Wenn der Aufsatz auch vor der letzten Tagung des Arbeitsamts ge- schrieben wurde, so hat er doch nichts an Aktualität verloren. Scheveneis erinnert daran, schon im Jahre 1942 habe einer der führenden Funktionäre des IGB den Unterneh- mern entgegengehalten, dass die Ar- beiterschaft keineswegs mit ihnen übereinstimme, so weit es die Form und die Mittel beträfe, ium zu einer vernünftigen Wirtschaftsregelung nach dem Kriege zu gelangen. Das, was seither geschehen sei, erscheine kei- nesfalls hoffnungsvoll, denn die Un- ternehmerschaft habe nicht den ge- ringsten Willen gezeigt, an der Ver- wirklichung dessen mitzuarbeiten, wo- für ihre eigenen Vertreter auf frühe- ren Arbeitsamts-Konferenzen in Ue- bereinstimmung mit den Arbeiterver- tretern gestimmt hätten. Die Arbei- terschaft sei aber nicht gewillt, et- was auf Worte zu geben, wenn ihnen nicht die Taten entsprächen. Die Re- gierungen der alliierten Mächte seien an Artikel 5 der Atlantik-Charter ge- bunden, der soziale Sicherheit und He- bung des Lebensniveaus verspricht. Das Internatonale Arbeitsamt könne einen friedlichen Weg zur Erfüllung jenes Versprechens führen. "Irren wir uns aber nicht", so schliesst Sche- veneis. "Es ist nötig, ene grundlegen- de soziale Umgestaltung durchzufüh- ren. Wenn sie nicht auf friedlichem Wege mittels des Internationalen Ar- beitsamts erreicht wird, so wird dies auf andere Weise geschehen; aber es wird geschehen." Noch eine Probeabstimmung — Bei ei- ner Abstimmung in einer schwedi- schen Kolonie deutsch - jüdischer Flüchtlinge erklärte sich die Mehr- heit gegen eine Aufteilung Deutsch- lands und gegen die Zerstörung der deutschen Schwerindustrie. Die mei- sten von ihnen traten für Reparatio- nen ein und alle für die Hinrichtung der Naziführer. 'Die Befragten hoff- ten, Nachkriegsdeutschland werde de- mokratisch sein. — An der Besonnen- heit dieser Naziopfer könnten sich ge- wiss manche Emigranten in anderen Ländern ein Beispiel nehmen. SOS-RUFE ABCHIBALB MAC LEISH, Leiter der Kongressfoücherei, sagte ini einer An- sprache im Institut für Kunst und Wissenschaft, New York: "Der Friede, auf dem wir allem Anschein nach hinsteuern, wird ein Oelvertrag, ein Goldver- trag1, ein Schiffahttsvcrtrag sein — ein Vertrag, ohne Rücksicht auf Moral und ohne Rücksicht auf den Menschen, ein Vertrag des Feischens um Han- dels-, Finanz, und Transportfragen, der urs wieder dahin führen wird, wo- hin alle Verträge, die aiuf Feilschen und Geschäft aufgebaut waren, immer geführt haben." Eii.ige Tage vorher warnte SUMNER WELLES in einer Rede in New York: "Wenn richt unverzüglich ein Rat ALLER Alliierten errich- tet, wenn _ ehrliche internationale Zusammenarbeit immer wieder hinausge-\ schoben wild, gzhen wir einer neuen Periode unaufhörlicher Rüstungen, ter- ritorialer Streitigkeiten, nacktem Imperiaismus und einem dri'dien Weltkrieg* entgegen." I — 10 — AUS DER INTERNATIONALE DER WELTBE- HERRSCHER Einem Aufsatz von Domenico Saudino, der im "Italia Libera" vom 27. Mai 1944 erschienen ist, entnehmen wir Folgendes: Alle Welt weiss, dass der grösste Teil des Eisens und Stahls, die Ja- pan zur Fabrikation seiner Waffen verwendet, ihm von den Vereinigten Staaten und England geliefert wor- den ist; diese Länder halben an Ja- pan auch andere Materialien ver- kauft, die jetzt zu dem Versuch ver_ wendet werden, die Vereinigten Staa- ten niederzuringen. Die nordamerika- nischen Finanzleute haben Musso- lini einen grossen Teil der Kapita- lien verschafft, die er zu seinen wahnsinnigen Spekulationen und Kriegsabenteuern verwendete . . . Auch der Nationalsozialismus, der womöglich eine noch brutalere Re- aktion ist, als der [Faschismus, fand in der Hochfinanz und bei den Kapitalisten; der Länder die sich rüh- men, demokratisch zu sein, Zustim- mung und heimliche und offene Un- terstützung, die es ihm ermöglichten, seine Pläne durchzusetzen, d. h. die anderen Länder zu überfallen in der wahnwitzigen Hoffnung der Alldeut- schen, die Weltherrschaft zu erobern. In .dem Bericht, den in einer Senats- kommission Frühjahr 1942 der Assis- tent des Generalstaatsanwalits Ar- nold Thuriman gab, stellte er fest, dass Standard Oil, die grosse von Rocke- feller und I. G.-Farben kontrollierte Petroleumgesellschafit, ein Abkom- men traf, in der Absicht, Standard Oil das Monopol für synthetisches Benzin zu sichern, während I. G. Farben das Monopol für chemische Produkte haben sollte. Infolge dieses Abkommens überliess die amerikani- sche Gesellschaft der deutschen ihre Patente für die Herstellung eines neuen künstlichen Gummis, Patente, die Standard Oil für Jahre später, d. h. nach Pearl Harbor, sich weiger- te, der Regierung von USA abzutre- ten- "Standard Oil verzögerte die Ver- wendung von Buna-Gummi, weil Hit- ler nicht wollte, dass dieses Gummi hier zu militärischen Zwecken ver- wendet werden, könnte", sagte Thür- man. 1939 wirkte Standard Oil mit bei der Einrichtung einer Brennstoff abrik für die Hitlersohe Luftwaffe in Deutsch- land; und 2 Jahre später trajt sie in Verhandlungen! mit der französischen Regierung, die schon Vasall des österreichischen Anstreichers war, um auch dieser Regierung ihr System der Herstellung von synthetischem Ben- zin zu liefern. "Wir haben alles ge- tan, was in unserer Macht steht, um die Pläne eines modius vivendi herzu- stellen, der aiuch im Falle eines Krie- ges andauern kann, einerlei, ob USA in den Krieg eintritt, oder nicht", so liest, mäti in einem Brief der Stan- dard Oil vom 12. Oktober 1939, ge- richteit an I. G. Farben, Niederlas- tiung für Asien. Die ALCOA, kontrolliert von Mellon, besitzt zusammen mit I. G. Farben Patente, deren Verwendung man an- deren Industriellen in USA verweiger- te, für die Herstellung von Magnesium, einem Kriegsmaterial erster Ordnung. Wegen dieses Monopols, das für die nationalen Kriegszieie * verhängnis- voll war, wurden die Direktoren be- straft und die ALCOA zu schweren Strafen verurteilt. Die Abmachungen zwischen dieser Firma und der deut- schen beschränkten einerseits die amerikanische Produktion von Alu- minium und liessen andererseits Hit- ler volle Freiheit in Allem, was nötig war, zur Konstruktion seiner furcht- baren Luftwaffe. Die Remington Arms, kontrolliert durch Dupont, besitzt das Patent ei- nes neuen und sehr wirksames Spreng- stoffs. In einem Kontrakt mit I G. Farben verpflichtet sich Remington Arms, Grossbritannien den! Gebrauch dieses Patente zu verweigern und sie den Arsenalen von USA nur unter deutscher Zustimmung zu gestatten. Darüber hinaus garantierte sie den I. G. Farben einen Gewinnanteil die- ses Sprengstoffs, der eventuell auch von der Regierung von USA im Kriegsfall entrichtet werden müsste. Es ist weitgehend bekannt, dass Hen- ry Fond, der Bewunderer Mussolinis und Hitlers, von denen er Orden er- halten hat in Köln eine Fabrik be- sitzt, die i. G. Partien angegliedert ist. General Electric, kontrolliert von Morgan, hat ebenfalls eine Abma- chung mit I. G Farben über ein Pa- tent, das wesentlich ist für die Her- stellung von Kriegsmaterialien, die erforderlich sind, uim, die Achse zu be- Biegen. Wie jedermann sehen kann, hat das Kapital kein Vaterland. Es ist völlig international und das Wäff eng esch äst ist ein 'abscheuliches, und blutiges Gestihäft, da die Waffenspekiulanten auf die niedrigsten verbrecherischen Instinkte des Menschen spekulieren, Hass und Dummheit schüren, die Liebe zum Vaterland missbrauchen und mit Allem und Allen spielen, um ihr Kapital und Profit zu steigern. Es handelt sich um ein ungeheuerliches Geschäft, das uns zeigt, zu welchem Extrem das "laissez faire" der kapita- listischen Welt führen kann. Selbstverständlich fällt die Schuld für diese Dinge mehr auf das System als auf die Personen, d. h. auf das kapitalistische Produktionssystem, das der Spekulation und dem persönli- chen Vorteil dient, um die falschen und schädlichen Ziele zu befriedigen, die durch das Privateigentum an den- jenigen Dingen hervorgerufen wer- den, die unentbehrlich sind für die Existenz Aller. Wenn auf dieses Sy- stem eines folgt, das die Produktion der individuellen Spekulation ent- zieht, d. h. das sozialistische System der gemeinsamen- Ausnutzung aller Produktionsquellen, werden diese Verbrechen an der Menschheit ver- schwinden. Dann wird der Mensch die freie Zeit, welche ihm die Verwen- dung der Maschinen und des moder- nen Produktionssystems geben, dazu verwenden können, sein sittliches lund geistiges Niveau zu heben, sich als vernünftiges Wesen zu vervollkomm- nen, ein immer freierer und zivilisier- /ter Mensch zu werden, mit einem Wort, um immer menschlicher zu werden. AUS HITLER-DEUTSCHLAND Die Soldaten Hitlers lassen sich auch im Juni 1944 willig zur Schlachtbank führen, wie die erbitterten Schlachten in der Normandie zeigen. Die Alliier- ten haben in Frankreich bisher 10.000, in der Rom-Offensive 15.000 Gefange- ne gemacht. Hunderttausende sind weiterhin willige Instrumente in der Hand der preußischen Militaristen. Sie haben nicht einmal in der Zeit der grossen Anfangserfolge mit Be- geisterung gekämpft. Dass sie im fünf- ten Kriegsjahr noch nicht in grösse- rer Zähl übergelaufen oder die Ge- wehre umgedreht haben, dürfte u. a. auch das Verdienst Mr. Vansittarts Lein, dessen "Ideen" Goebbels in sei- nem Bereich weit verbreitet hat. Gunnar Skogr, ein norwegischer Jung- arbeiter, der nach Schweden endkam, berichtet von den Besatzungstruppen in seiner Heimat: Sie bestehen nur aus älteren Leuten zwischen 40 und 50 oder jüngeren nter 20 Jahren. Die älteren lassen einen in Ruh. Die jün- geren, besonders die von der Ostfront kommen, sind zähe und rohe Bur- schen. Sie treten provozierend auf und legen es darauf an, einen ins KZ zu (bringen. -- - Die Heimatfroiit ist stark erschüttert. Ein Schweizer, der Anfang Juni aus Deutschland zurückkam, berichtet: ''Die Leute sind so müde, dass sie fle- hentlich das Ende herbeisehnen, ko- ste es, was es wolle." Die "Berner Tag- wacht" resümierte auf Grund von di- rekten Berichten zur gleichen Zeit die Lage in dem Satz: "Goebbels bekann- ter Satz wird von vielen so abgeän- dert": Wenn sie (die Alliierten) doch nur endlich kommen würden!" Anfang Juni meldete der Time-Korrespondent in Schweden, dass sich in Dresden, Hamburg, Berlin und Osnabrück blu- tige Zusammenstösse zwischen Was- fen-S!S und Rüstungsarbeitern abge- spielt haben. Die Lebensm.ittellage scheint sich im letzten Monat weiter verschlechtert zu haben. In Berlin wurde eine 27 Jah- re alte Frau hingerichtet, weil sie ei- ner anderen die Brieftasche gestohlen — 12 — hatte. Die ausserordentlich harte Be- strafung bekommt ihren Sinn, wenn man sich vergegenwärtigt, dass der Diebstahl von Lebensmittelkarten an der Tagesordnung- ist. Nicht genug Denunzianten in Ham- burg. In einer Versammlung Hambur- ger Honoratioren wusste der Gestapo- Leiter SS-Obersturmbannführer Dr. Kreutzer "mit einiger Bitterkeit von Volksgenossen zu erzählen, die nur selten bereit sind, der Staatspolizei im Kampf gegen das politische Berufs- verbrechertum, gegen Defaitisten zu unterstützen." Der Gauleiter dankte anschliessend der Gestapo für ihre Arbeit in der durch Bomfoen schwer mitgenommenen Stadt, (H. Fremden- blatt, 13. II. 44). Das Aachener Volksgericht verurteil- te eine Frau zu drei Monaten Gesang- nis^ weil sie die Aeusserung getan hat- te: "Ich lief schneller als Rommel in Afrika". Kommissare der Wehrmacht. Aus ei- nem im letzten Monat von der Esse- ner "National Zeitung" veröffentlich- ten Bericht geht hervor, dass den Di- visionen der Wehrmacht politische Kommissare zugeteilt worden sind. Die Sowjets sind die Erfinder dieser Ein- reh tung, deren Zweck darin bestand, die vom zaristischen Regime übernom- menen Offiziere, die als unsichere Kandidaten galten, zu Überwachen und die Soldaten, die dem neuen Re- gime teilnahmslos gegenüberstanden, zu schulen. Im Verlauf dieses Krieges wurden in Russland die politischen Kommissare abgeschafft. Sollte das Nazi-Regime befürchten, dass sowohl ein Teil der Offiziere als auch der Soldaten zu den unsicheren Kandida- ten gehören? Ein älterer Rertimer Arbeiter, ehema- liger Funktionär einer Arbeiterpartei, schrieb Mitte März an seinen in Schweden wohnenden Sohn: "Du wirst wissen, dass die gegenwärtige Si- tuation nicht zu vergleichen ist mit der von 1918. Heute stehen wir im Kampf gegen Feinde, die sich wirk- lich unsere völlige Vernichtung als Ziel gesetzt halben. Daher haben alle unsere inneren Streitigkeiten aufge- hört." Da die Briefe dieses Arbeiters frühe/ deutlich zum 'Ausdruck brach- ten, dass er mit Hitler nichts zu tun haben wollte, ist zu befürchten, dass dieser Mann, der der Gestapo und dem Konzentrationslager zum Trotz das geblieben ist, was er war, nun im. März 1944 ein Opfer der Goebbels- iPrqpaganda geworden ist. Oder der Vansittart-Propaganda, was dasselbe ist. Von deutschen Antifaschisten in Schweden wird dieser Brief als ty- pisch bezeichnet. Frücht« der Züchtungslehre. Die Na- zis ernten jetzt die Früchte der Züch- tungs-Irrlehre. mit der sie das Volk seit 1933 vergiftet haben. Eine west- deutsche Zeitung meldete vor einigen Tagen, dass ein Mann vor Gericht stand, der auf besonders grausame Weise einen Arzt ermordet hatte. Der Angeklagte war von den Nazis als "geistesgestört" in einer Irrenanstalt untergebracht worden, wo er alle möglichen Behandlungen über sich er- gehen lassen musste. Nach seiner Ent- lassung verspürte er Schmerzen und •bildete sich ein, dass er ohne sein Wissen in der Anstalt sterilisiert wor- den sei. Diese Vorstellung wurde, so erklärt die Nazi-Zeitung, zu einer "fixen Idee", die in dsm Angeklagten den Ent-chluss auslöste, sich an dem behandelnden Arzt zu rächen. Die Ge- richtsverhandlung ergab selbstver- ständlich keinen Aufschluss darüber, ob der Verdacht des Angeklagten be- gründet war. Er wurde nicht zum To- de verurteilt, sondern als "rückfällig'* einer neuen Anstalt überwiesen, wo er zweifellos den Tod in einer jener Gaskammern finden wird, die der Ver- edelung der deutschen Rasse unter dem Auswahlprinzip dienen. Eine andere Zeitung berichtet von ei- nem Mädchen, das vor Gericht stand, weil es einen Säugling gestohlen und als ihr eigenes Kind ausgegeben hat- te. Dies geschah, um ihren "Verlob- ten" an sich zu fesseln, der erklärt hatte, er werde sie nicht heiraten weil das Verhältnis bisher ohne Folgen geblieben sei und sie dadurch bewie- sen habe, dass sie die Pflichten eines deutschen Mädchens nicht erkannt habe. . . — 13 — STIMMEN ZU DEUTSCHLANDS ZUKUNFT HASS MACHT BLIND. Die Zeitung "La France Nouvelle", die so tap- fer für ein neuJs Frankreich ein- tritt, das getragen sein soll von den Idealen der grossen französi- schen Revolution, die aber auch er- kennen müsste, dass nur in einem geeinten Europa Frankreich aufs neue und mehr noch gegen die Träger dieses Geistes in ihren eige- ner. Reihen zu wehren — nicht nur aus humanitären Gründen. Aber der Einfluss der SS ist in ständigem — 18 — Wachsen. Das hat vor allem einen Grund: Die SS ist eine lOOprozentige Einheit, ausgerichtet einzig und allein auf die Erhaltung des Nazi-Regimes und ihrer privilegierten Sonderposi- •ticn. Die Wehrmacht iit zwar zahlen- mässig bei weitem stärker, aber in ihr, als einem Volksheer, spiegeln sich heu- te alle die Differenzierungen wider, die im deutschen Volk selbst vorhan- den sind. £o setzt sich die SS der Armee gegen- über Schritt für Schritt durch. Aus Norwegen wurde vor einiger Zeit ge- meldet, da?s der Sicherheitsdienst — "SD" — die Spezialtruppe der SS — cline den zuständigen General zu be- nachrichtigen — 20 Soldaten an die Wand gestellt hat. In Lokaren, in Westflandern, werden, wie der ge- heimnisvolle Sender "Der Chef Gustav Siegfried" (auf den noch zurückzu- kommen sein wird) gemeldet hat, von der Ostfront heimkehrende Soldaten durch "SS-Verfügungstrup'pen" hinter Stacheldraht gedrillt. — — Für die Situation in der CSR. gibt es — wieder dem "Chef" zufolge — ein besonderes typisches Beispiel der Kon- flikte, die sich in den besetzten Ge- bieten zwischen der Militärverwaltung ■vnd der Waffen-SS ergeben haben. Im Protektorat Böhmen und Mähren hat, noch vor dem Tode Heydriehs, der Militäroberbefehlshalber Toussaint in einem Memorandum an das OKW (Oberkommando der Wehrmacht) im Interesse der Rüstungsproduktivität gegen die Praktiken der Gestapo und der £8 protestiert. Die Gesamtleistung der Rü-tungsproduktivität im Protek- torat war, wie die Rüstungsinspektion Prag feststellen musste, in den letzten Monaten um Ii Prozent, gemessen an der Zeit vorher, gesunken. Der Gene- ralmajor nennt den Grund für den auffallenden Leistungsrückgang der Tschechen, seitdem Heydrich die Pro- tektoratsverwaltiung übernommen hat- te: er liege in der Vernichtung jedes gesunden Erwerbswillens der Bevölke- rung durch die Willkür der SS-Ver- waltung. Der Tscheche, meint Herr Toussaint, sei von Natur aus strebsam und in seiner Leistung sehr zu .stei- gern, wenn man ihn von der richtigen Stelle anfasse. Das System Heydrich aber, das nicht nur (was der Militär- befehlshaber für durchaus berechtigt hält) gegen organisierte Sabotage mit- scharfen Mitteln vorgehe,' sondern darüber hinaus durch Willkürmass- nahmen aller Art, denen überhaupt keine Grenzen gesetzt seien, ein Ge- fühl der völligen Rechtsunsicherheit schaffe, erreiche nur das Gegenteil. Durch das Auftreten der SS raube man dem Volk jeden Anspruch auf in- dividuelle Persönlichkeit. Die Folge sei, dass jeder persönliche Einsatz und .'©de persönliche Arbeitsfreude verloren gehe. Bei einer so behandel- ten Bevölkerung könne man zwar vielleicht eine durchschnittliche Pro- duktion erringen, alber nie die so bit- ter notwendige Leistungssteigerung, der tschechischen Produktion. Der General gibt in seinem Bericht ein Beispiel für die lähmenden Fol- ger. der durch die Terrorpolitik._ der Ge:tapo geschaffenen RecMsunsicher- heit. Ein vorbestrafter Verbrecher konnte wochenlang Leute auf der Strasse und in ihren Wohnungen über- fallen, sich als Gestapebeamter ausge- ben und sich die Wertsachen aushän- digen lassen. Niemand machte eine Anzeige, da jeder Geschädigte dieses. Verfahren für das normale Verhalten der Gestapo hielt. Der Bericht des Generalmajors traf im "Führerhauptquartiei" durchaus nicht auf die erwartete vernunftge- roässe Resonanz. Im Gegenteil, die dort im Stalle des Generals der Waf- fen-SS Karl Wolff stationierten K3- Beauftragten Schaub und Schmundt forderten einen Gegenrapport vom Büro Heydrich an. Der Erfolg war, dass der Chef der Ge- stapo ubd Polizei im Protektorat,SS- Obergruppenführer Karl Hermann Franck demonstrativ für seine Arbeit aas Kriegsverdienstkreuz erster Klas^ s? mit Schwertern erhielt, — und dass die Leitung der Waffen-SS alle Hebel in Bewegung setzte, den Generalma- jor seines Amtes als Militärbefehls.. hab er im Protektorat ent-etze.n und alr-, Militärattache nach Kopenhagen abschieben zu lassen. Ein kleines aber bezeichnendes Schlaglicht für den un- terirdischen Kampf zwischen deut- scher Armeeleitung und Waffen-SS. Eins aber wird auch daraus deutlich. Nicht die Interessen der militärischen oder nationalen Zweckmässigkeit sind die Hauptgesichtspunkte, nach denen — 19 — oie "Höheren Polizei- und SS-Führer" im Namen Himmlers ihre Funktion ausüben, sondern einzig und allein: die Zügel der Macht fest in der Hand zu behalten. Die besetzten Gebiete sind dabei die Aussenposten für die reichsdeutsohe Zentrale, das Haupt- quartier des Kriegsschauplatzes Hin- terland. ■ i: Die Alliierten sind dabei, ihre zweite Front in Europa zu bilden. Adolf Hitler, aber hat bereits hinter seinen kämpfenden Linien eine zweite Front gegen sich. Eine Front der Her- zen und Hirne, die heute noch sich als "Untergrund" und indirekt auswirkt, aber einmal sehr real sein wird. Nie- mand soll die rebellischen Strömun- gen in Deutschland als aktive Kraft überschätzen. Aber sie sind vorhanden. Und eines Tages werden sie eine poli- tische Form annehmen und zum An- griff auf das Bollwerk der Diktatur übergehen. Das ist Hitlers zweite Front: das deut- sche Hinterland und die Bevölkerung der unterdrückten europäischen Völ- ker. Für diese Front ist vor allem die zwei- te deutsche Mobilmachung, die der Partei, bestimmt. Wenn auch in Polen, Frankreich und Norwegen, auf dem Balkan und in Bussland die Divisio- nen der Waffen-SS in die Feuerlinie geschickt wurden, ihre währe Funk- tion wird sein: morgen oder übermor- gen, dann, wenn das ganze Gebäude der faschistischen Herrschaft ins Wanken kommen wird, die Waffen ge- gen das eigene Volk zu richten und den deutschen Willen zum Frieden, Yur Freiheit niederzuschlagen. Auf diese Aufgabe wird die Waffen-SS ausgerichtet. Nicht die Generäle werden in diesen entscheidenden Stunden die Ge- walt über die Einheiten der Nazi- partei haben: der "Führer" allein wird sie auf die Barrikaden schicken. Es wird im Dritten Reich im Grunde ü'ber diese Perspektive gar kein Zwei- fel gelassen. Man stellt ruhig und ein- deutig fest: "Die Verbände der Waf- fen-«© sind als staatlich anerkannte und bewaffnete Einheiten der SS ge- schaffen worden und sind, weder ein Teil der Wehrmacht noch ein Teil der Polizei. Der Führer hat sich ihren Einsatz persönlich vorbehalten." Was das heisst, ist klar. •—. Heute verhaftet man bereits in Deutschland wieder ehemalige sozia- listische Führer, muss man bereite Todesurteile über Todesurteile voll- strecken, weil die "Volksgenossen" re- bellieren gegen einen Krieg-, der nicht von ihnen gewollt, gegen eine Füh- rung, die nicht die ihre ist. Morgen oder Uebermorgen wird das deutsche Volk auf die Strasse gehen. — Für diesen Augenblick baut man vor: dann werden die schwarzen Hundertschaf- ten die Panzerwagen auffahren und das deutsche Volk so behandeln, wie sie heute Europas unterdrückte Völker behandeln. Politische Fliiciitlinge Die nordamerikanischen Quäker be- richten aus Frankreich: Fag't al- le arbeitsfähigen Männer wur- den in "ausländischen Arbeits- kompagnien" zusammengefasst, die hauptsächlich mit Bauarbeiten be- schäftigt werden. — Die Quäker ha- ben Vertreter in fast allen Flücht- lingslagern, die jedoch mit dem Zen- tralbüro in Philadelphia keine Ver- bindung unterhalten können. Lebens- mittel und Kleider aus Nordamerika kommen jedoch an und werden von den Vertretern der* Quäker unter den Fl-ücht lin-g'fen verteilt. In Gurs, z. B„ wurde dem Quäker-Vertreter eine be- sondere Baracke zur Verfügung- ge- stellt, in der die ankommenden Sa- chen sortiert und verteilt, auch Zu- satzmahlzeiten gekocht werden. Schweiz: Hierher richtete sich in den letzten Monaten ein neuer Flücht- lingsstrom aus- Italien, in der Mehr- zahl Soldaten, die von den Militärbe- hörden interniert wurden. Ausserdem aber kamen über 40.000 Zivilflüchtlin- ge verschiedener Nationalität. Die (Schweizer Arbeiterhilfe, die jüdischen Hilfsorganisationen und der Quäker- Vertreter in Genf halben auch diesmal wieder versucht, zu helfen. Geldsendungen: Kleine Beträge kön- nen von Verwandten politischer Flüchtlinge aus den Vereinigten Staa- ten nach den folgenden Ländern ge- schickt werden: Algier, Marokko, Por- tugal, Spanien, Schweiz, Schweden. Die nordamerikanischen Quäker ha- lben g'ich bereit erklärt, den Transfer zu vermitteln. Adresse: American Friends Service Committee, 20 South Tvvelfth Street, Philadelphia, Pennsyl- vania, — 20 — Üirtch Becher! DER GROSSE GROSZ UND EINE GROSSE ZEIT "Der Mensch fängt beim Leutnant an." (Wilhelminisches Sprichwort) I. Novembers 1943 erschien in "The New Yorker" ein Artikel des Titels "Dämon der Vorstadt". Richard O. Boyer beschäftigt sich da des ausführlichsten mit George Grcsz, der kürzlich in der neuyorker Vorstadt Long Island seinen 50. Geburtstag vermerkte, und beginnt mit dem Satz ; "Grosz ist einer der gröss- ten Künstler dieser Welt." Elf Jahre einer grossen Zeit sind dahin, seit ich Grosz zum letzten Mal geflehn. Berlin; ein düsterer Dezembertag des Jahres 1932. Wir' gingen zu zw^it durch die graue Potsdamer Strasse. Eisiger Wind trieb uns Träfen in O'te Augen. Wir schwiegen. Vor einem neueröffneten Laden blieben wir stehn. Hier hatte sich eine "Feldzeuigmeisterei" der SA eingerichtet. Aus dem Schau- lenster starrte uns, überlebe ir," gross, das wutverkniffne Gesicht des national- sozialistischen Parteichef® entgegen. Grosz betrachtete es lange, nachdenk- Lrh prüfend, so wie er stets nach getaner Arbeit, in der nachmittäglichen Dämmerung des kleinen Ateliers, seine eignen schonungslosen Bilder betrach- tet hatte. Plötzlich lachte er auf, knapp und trocken, es war wie ein kurzes Husten: "Sieh die Friseurslocke, Ulli, diese sturen Augen, den blöden Schnurr- bart über dem zänkischen Mund! Wie ein Portier, der sich mit Spiritismus befasst md: wegen Sittlichkeitsdelikten vorbestraft ist. Und dieser seil Deutschland regieren? Kann mir nicht helfen: muss lachen, wenn ich die Visage sehe." "Es wäre fein, wenn man lachen könnte", sagte ich. "Das einzig Sei" kr echte wär's. Aber die andern werden nicht mitlachen. Sie werden ihn ernstnehm"r\ den vorbestraften Portier. Wir werden alleinbleiben mit unserm Gelächter, und daß ist fatal. Man wird ums anglotzen wie Irre, die sich in einem Trauer- spiel amüsieren." •'Ob's 'ne Riesenkomödie abgibt oder'n Riesen trauerspiel, hängt von Europa fcb", sagte Grosz; "hängt von der Welt ab... Hm, wird ein Trauerspiel wer- den. Wittre Blut." Wir gingen weiter. Damals, im letzten Winter der Ersten deutschen Republik, wär Grosz immer noch der berühmteste, von der Reaktion gefürchtetste sati- rische Zeichner Deutschlands (ich ein Student anfangs zwanzig, der an der berliner Universität Jus studierte urd Noveletten schrieb; der soeben sein Ei stlingsbuch veröffentlicht hatte, ein geeicht "kulturbolschewistisches Mach- werk", und der eine Passion fürs Karikaturenzeichnen hegte. Grosz hatte einen einzigen Schüler: mich.) Wir kamen zur Potsdamer Brücke. Unvermittelt weedte er mir seine rot- gefrorene Nase zu: "Willst du General werden?" "Nein." : "Dann kämm mit rüber nach Amerika. Mensch, Ulli, in Europa hat'n junger Mann, der nicht General werden will, nichts mehr verloren, glaub mir's." "Ich — ich will in Europa bleiben", murmelte ioh. "Man muss es mitansehn; muss versuchen, was dagegen zu tun." "Ich sage dir, Mann, was du sehn wirst. Einen himmelhohen Gummiknüppel, der alles zu Brei schlägt, was nicht kuscht. Blut wirst du sehn, Mahlströme von Blut und T änen. Und wenn du was dagegen tun willst, musst du General werden", beharrte Grosz. Wir waren vor einem Spezialgeschäft für englische + 21 — Tabakspfeifen stehngeblieben. "£o, hier kauf ich mir 'hie schöne Dunhili für cie Reise. Merten geht's nach New York. Und du?" "Ich geh 'n die Schweiz. Ins Land meiner Mutter." "Mutter", brummte Grosz. "Fahr jetzt noch schnell zu meiner raus, Auf Wie- dersehn sagen. Mitte sechzig ist sie... werde sie wohl nie wiedersehn..." Au- genblicke schauten wir beide unserm Atem nach, der vor Kälte dampfte. Plötzlich lächelten mich seine blaublitzenden Augen an: "Mach's gut, mein Junge! Und vergiss nicht, was ich dir gesagt habe." "We d's nicht vergessen. Auf Wiedersehe, George." .. .George Grosz wuchs in Stolp, einer kleinen Garnisonsstadt Pommerns, auf. Sein Vater war Verwalter des dortigen Offizierskasinos, seine Mutter führte den preussischen Offizieren Keller und Küche. Eins der ergreifendsten Oel- ti'der, die G osz je gemalt hat, das Bild seiner Mutter: eine einfach gekleidete fast zierliche Frau, die verarbeiteten Hände im Schoss gefaltet, das Gesicht von Mühsal gefurcht, draus leuchtend blaue, misstrauisch prüfende, zugleich heimlich pfiff igläch finde Augen blicken. Grosz hat die Augen seiner Mutter, .sn jener preussischen Kleinstadt empfing der Knabe die unlöschlichen JEin- arveke, die das Werk des Marnes bestimmen seilten. Er vernahm das un- natürliche Schnarren entmenschten Hochmuts, dessen sich die wilhelmini- schen Offiz'ere nach der Devise "Der Mensch fer gt beim Leutnant an" be- fle:ssi2ten Er sah die in Korsetts eingezwängten Träger des "Blauen Bocks", das maschirenhaft zackige Gebaren dieser zu Marionetten de.s Kriegerischen Gedrillten, ihre M:i;okel: Symbole eines uniformiert drohblitzenden Ueber- augs, ihre ä la Kaiser Wilhelm II. steilhochgezwirbelten Schnurrbarte. Er lerrte, was preussische Höflichkeit ist: Nach oben dienern, nach unten tre- ten! Er tummelte sich vor den Kasernenhöfen und sah die etatsmässigen Un- teroffiziere (deren Ueberbi'd sich ein Viertel Jahrhundert später im Gründer des Dritten Reiches verkörpern sollte) ihre Mannschaften schinden. Und oem Knaben, dem geweckten, sehr offenäugigen, dem muntern und eigen- wüchsig kräftigen, zugleich tiefirnerlich zarten, mit dem verbissnen heiligen Zorn des Gerechten begabten, schwoll beim Anblick solcher "Erziehung zum Menschen" etwas in die Gurgel, das ihm unbeschwertes. Sisiel mit den Ge- fährten vergällte, ein Würgendes, das mehr zum Ausdruck als zum Ausbruch diängte: Hass. Neben dem Anschauungsunterricht, den ihm die K-iegerkaste der Garnisons- stadt nebst den ihr Untertanen "gehorsamen Kadavern" erteilte, war's ein zweites, welches der sich noeh kaum de wussten, indes bereits wie ein Seis- mograph registrierenden b'utjungfe Kürntlerseele Prägung gab: die zivile oder besser pseudczivile Kleinstadtsphäre, der deutsche Kleinbürger, der sich in der Provinz viel schamloser entlarvte als in der Gresstadt, der durch Ge- nerationen von Königen, Feudalherren, Junkern, Generälen, Grcissgrundbesit- zern zur geistigen Unmündigkeit dressierte Untertan. Mit solchem E"be beladen, wuchs Grosz in die Welt. In der an, .der Nbrdspdtze des Reiches wrhnenden, von Kartoffelfeldern umlagerten Kleinstadt sah und roch der Knabe Georg den abstrakten Untertan in seiner ganzen düster- muffig-öden Umengtheit, seiner gefährlich selbstzufriednen Knechtseligkeit. Die Autokratenkokarde am Hut eines Forstadjunkten, der gesträubte, schn?pstriefmde Vollbart eines Franzosensrassers, der Bierbauch eines Fest- redners der Sedanfeier — keine nichtige Blosse, keine triste Lächerlichkeit, die sein junges Aug nicht erspähte; und sein nördlich-eisiger Spott, seine leichte Hand schufen klarlinige, unendlich einfache Skizzen daraus, Zerrbilder, die 22 ^ bereits das Mal trugen, das ihn später so gefürchtet machen sollte, das der Wahrheit. Und dies ein Letztes, das ihn prägte: das Zwielicht, der kalte Spuk, um des- sentwLlen "The New Yorker" Gioez ein-n "Dämonen der Vonsta-t" no.nt. In den Stolp benachbarten Fischerdörfern hauste der Stamm der "Kaschuben", Nachfahren vcn £>eeräubern, mit ihren Kob.lden, gefährLcheti Mythen, blut- rünstigen Märchen. Wotan, der auf dem Sturm reilende, Wotan mit seiner wilden Jagdkumpanei war dort in jeder Hütte zuigast (nicht von ui:. gefähr, dass schon zur Zit der Republik der Nazismus in jenen Oßtseestrichen die wü- stesten Orgien feierte). Auen die scheinbar verkommenen ELeitiengötter weck- ten ihm tollen Spott. Andrerseits konnte er nicht umhin, dieser ungebärdi- gen Geister manchem, wenn auch grinsend, Hochachtung zu bezeugen. Dies ein Schlüssel zur "Dämonologie" seiner Kunst. Kriegerkaste, Kadavergenorsam, psaudoziviles Kleinbürgertum, blutrünstiger Mystizismus — Elementarkräfte, die dem Nazismus ein Vierteljahrhui.. dert später zum Ausbruch helfen s. Ilten — drangen schon damals auf den Knaben ein, prägten ihn negativ, rührten ihn auf. Großz entwaoderte seiner Kindheit als Rebell. (Wird fortgesetzt) EINGEGANGENEBUECHER Adolf Berstendörfer: Graf Ciano, Ro- man (Ed. Cosmopolita, Bs. As. $ 3.50) Patrick J. Dollan: Socialists and Po- land (Liberty Publications, London) League of Coloured Peoples: News- letter (London, 4. März 1944) Julius Braunthal: The Future of Austria (Gollancz, London) Winfrid Hadsel: The Struggle for Yu- goslavia (Foreign Policy Reports N. Y.) Herz an der Rampe: ausgewählte Ohansons etc. Herausgegeben von Hans Jahn und Karl Kost. In Villarica (Paraguay) veranstalte- en die Freunde des DAD am 24. Ju- ni einen Unterhaltungsabend, dessen leinertrag den jüdischen Opfern des litlerterrors zugeführt wird. Bei der torigen Veranstaltung wurden 45 Gua- tis (ca. 60 arg. Pesos) erzielt und iber das Schweizer Konsulat dem Zchw. Arbeiter Hilfswerk zugeführt. {Irrtümlich berichteten wir in No. 82 ron 645 par. pesos). j A. A. B. A. j | ENRIQUE U. CORONA MARTINEZ j 1 A B O G A D O j S LAVALLE 1208 U. T. 35 - 3853 ! DAD - Montevideo. Dem geschäftsfüh- renden Aussenuss traten bei: Frau I. Sturm, die die Vertretung der Zeit- schrift übernommen hat, Otto Ger- hart und Max Patzig (Penarol). — Sprechstunden finden Montags, Mitt- wochs und Freitags zwischen 6 und 7 Uhr in der Geschäftsstelle Rio Bran- co 1372 statt. (Ute. 8-81-59), — Im Verlauf .des letzten Monats sprach in einer öffentlichen Veranstaltung Otto Gerhart über die Invasion der Fe- stung Europa und es fand eine Mit- gliederversammlung statt, in der über interne Fragen beraten und nützliche Anregungen für die weitere Arbeit ge- geben wurden. DAD - Sanliago de Chile. — Die Zahl der Abonnenten und Leser der Zeit- schrift ist in ständigem Ansteigen be- griffen. — Am 27. Mai spra h in einer gut besuchten Veranstaltung vor Mit- gliedern und geladenen Gästen unser Gesinnungsfreund Dr. Lintz über Pan- europa. Die Vertretung der Zeitschrift liegt in Händen von S. Eisenberg, Se» rrano 532, casa A. Santiago. 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