LA ÖTRA ALEMANIA ORGANO DE LOS ALEMÄNES DEMOCRATICOS DE LA AMERICA DEL SUR Redaction y administraciön: CALLE TUCUMAN 309 Buenos Aires (Argentina) U. T. Retiro 7264 Julio de 1944 Ano VII No. 84 AUS DEM INHALT Katastrophe oder neues Wirt- schaftssystem! Atlä der golden-blutigen In- ternationale Reaktion und Defaitismus Hans Jahn: Eine Hoffnung. Erklärung internationaler So- zialisten Neudeutsches Wörterbuch Ulrich Becher, George Grosz (Fortsetzung) Oesterreichs aussenpolitische Probleme nach Hitlers Sturz Kurt Goldstücker, Bogotti: Nachkriegsdeutschland und Europa. NEUE KATASTROPHE ODER NEUES WIRT- SCHAFTSSYSTEM Schon jetzt ist die Nachkriegszeit mit Gespenstern bevöl- kert. Schon geht — als grösstes — das Gespenst der Ar- beitslosigkeit um. Der Krieg hat die technische Produk- tionsfähigkeit ge- waltig gesteigert. - Das amerikanische Handelsm i n i s t e- rium rechnet für 1946 mit einer Leistungssteigerung pro Arbeitsstunde um gut 20 Prozent. Nun wird bis 1946 aber auch die Zahl der verfügbaren Arbeitskräfte steigen. Man rechnet mit 59.4 Millionen, das heisst rund ,4 Millionen mehr als 1940. Damals aber gab es 9 Millionen Ar- beitslose, trotzdem der Index der indu- striellen Beschäftigung von 87 im Jah- re 1938 auf 124 gestiegen, also eigent- lich schon eine "Konjunktur" erreicht war. 1946 wäre also bei Vollbeschäfti- gung unter Berücksichtigung der na- türlichen Zunahme der Arbeitskräfte und der technischen Leistungssteige- rung mit einem Leistung»- oder Er- zeugungsvolumen zu rechnen, da» um 45 Prozent grösser wäre als das von 1940. Die "Neue Züricher Zeitung" schreibt dazu: "Mit andern Worten: bei konstan- ten Preisen ab 1940 gerechnet, werde zur Sicherung der Vollbe- schäütigunig eine nationale Produk- tion im Wert von mindestens 142 Milliarden Dollar notwendig1 sein, gegen rund 100 Milliarden im Jahre 1942! Nimmt man an, dass die Zahl ) V ^ '/" Deutsche EiL-iic'.Sn.*. Frankfurt »m Main frep Arbeitsstunden . gleich bliebe, '■ wie sie im- Jahre 19*0 war, so gäbe ■es —• Schema tisch gerechnet — nicht hur die 8,9 Millionen Arbeitslosen . . -von; damals, eis kämen dazu 2,6 Mil- ' 1 tonen als natürlicher Zuwachs der ' Arbeitskräfte und weitere 8' Millio- nen, diie infolge des technischen , Fortschrittes nicht mehr benötigt würden. Das Departement warnt und, sagt: Das sind mehr als 19 Millionen Arbeitslose, und selbst bei einer Herabsetzung der Arbeitszeit auf fünf Stunden im Tag' gäbe es mehr Arbeitslose als 1932."' (sc. et- wa 14 Millionen!) Nordamerika wird also 1946 vor dem Problem stehen: Wohin mit dem Se- gen ? In welche Länder können wir unseren .Ueberfluss exportieren? Vor der gleichen Frage steht aber auch Grossbritannien, das nach Meinung seiner Experten seinen .Export um 50 Prozent über das Vorkriegsniveau stei- gern müsste, um nach dem Krieg sei- ne Zahlungsbilanz ausgleichen zu kön- nen. (Folge des Verlust» eines bedeu- tenden Teils seiner Auslandsinvestie- rungen.) Wenn dann noch die erhöhte industrielle und sonstige Leistungsfä- higkeit anderer Länder hinzukommt, so steht die Welt, wenn sie sich nicht rechtzeitig besinnt, binnen kurzem vor dem gleichen "unlösbaren Rätsel" wie in den zwei Dekaden vor dem Krieg: Was sollen wir mit dem Ueberfluss, dem Ueberfluss auch an Menschen und Arbeitskräften, anfangen, um nicht iCu ersticken ? Und wenn die Völ- ker nicht rechtzeitig etwas gegen die drohende Entwicklung tun, dann wer- den sie "unversehens" wieder (und wohl gar bald) vor der "Unausweich- lichkeit" eines neuen Weltkrieges ste- hen! Ein direkt lächerlicher und zu- gleich höchst gefährlicher Aberglaube ist's, anzunehmen, dass man des "ver- heerenden" Stroms der Gütsrerzeugung durch "freien Welthandel, Abbau der Zolltarife und Handelshemmnisse" Herr werden könne. Das würde tod- sicher binnen kurzem zur imperialisti- schen Rauferei um Absatzmärkte mit all den herrlichen Möglichkeiten füh- ren, die wir kennengelernt haben. Es gibt nur eines, was die Menschheit vor den "Verheerungen" des "Ueber- flusses" retten kann: die planmässige Regulierung des Stromes, seine Len- kung nach den Gebieten der "Trocken- heit" mit anderen Worten: ein anderes Wirtschaftssystem im grossen und kleinen, eine geplante Wirtschaft, die auf den Menschen und seinen Bedarf ausgerichtet ist und nicht auf den Pro- fit und Machtrausch einiger "Grosser" in allen Ländern. Es gibt nur die Al- ternative: die Lösung des "Rätsels" durch Planwirtschaft, sozial gerichtete Planwirtschaft, oder Fortsetzung der kapitalistischen Privat- und Monopol- wirtschaft mit all ihrem Elend, der Freiheitsberaubung und dem Mas- senmord am Ende. Es gibt keinen ''dritten Weg", mögen Scharlatane noch so viel davon faseln. Mit einem Minimum von gesundem Menschen- verstand kann der "einfache Mann" sich das an den fünf Fingern abzäh- len. Wird er's tun und danach auch ak- tiv die Konsequenzen aus seiner Er- kenntnis ziehen? Dann, aber nur dann wird ihm das "Jahrhundert gehören", das ihm so grossmütig versprochen ist. Geschenkt wird es ihm nicht; er muss es sich verdienen und erkämp- fen I _ ROMAIN ROLLAND: Es gibt nur ein Heilmittel: die Wahr- heit. Wir müssert das Leben sehen, wie es ist, und es aussprechen, wie es ist. Idealisten, Realisten, alle haben dieselbe Pflicht: sich auf den Boden wirklicher Beobachtung, wirklicher Tatsachen, wirklicher Gefühle zu stel- len.--' ' Nachruf für Ewald Fabian. — Erst jetzt erreichte uns die Nachricht, dass Ewald Fabian im Alter von 59 Jah- ren in New Ycrk gestorben ist. Mit ihm! verliert die Arbeiterbewegung einen unermüdlichen Kämpfer, der stets auf ehrliche politische Arbeit und auf Ausgleich der hemmenden Gegensätze bedacht war. Er war kein Volksredner und kein ehrgeiziger Stre- ber; aber eine Führernatur durch sei- ne vorbildliche äussere und innere Hal- tung. Seit 1931 war Ewald Fabian gleichzei- tig als Funktionär der SAP und als Sekretär der sozialistischen Aerzte tä- tig. Seit Herbst 1933 setzte er seine umfangreiche politische Tätigkeit in Prag, später in New York fort.' .In seiner neuen Heimat Amerika starb er zu früh für unsere Sache. Seine Freunde und Mitarbeiter werden ihn nicht vergessen. — H — f - 1 2 u i V :< REAKTION UND DEFAITl Robert Parker erlebte als Korrespon- dent in Budapest im Jahre 1940 vor dem. Angrif auf die Sowjetunion den Einmarsch der Nazis. Nazioffiziere kontrollierten Telephon, Telegraph und Radio, Natzitruppen die Bahnen und Brücken; Zensoren richteten sich in de-r Zentratoo^t ein. di2 T.nftwafie bemächtigte sich der Flugplätze; Zü- ge auf Züge mit Naizitrup:en rollten gen Osten. Alles das wurde natürlich nach USA berichtet und gelangte zur Kenntnis des Aussenamts. Was Wun- der, dass Parker erstaunt ist darüber, dass sich in USA Regierung und Pres- se erst im April 1944 plötzlich über die Besetzung Ungarns durch die Na- zis aufgeregt haben. In seinem Auf- satz "Maskerade in Budapest" ("The Nation", 22. 4. 1944) gibt er als Grund an, dass Admiral Horthy und sein Gang nunmehr, wo Hitlers Stern im Sinken ist, die Alliierten davon zu überzeugen suchen, dass sie mit ihrem Herzen immer auf ihrer Seite gewesen seien. Wenn das Aussenamt der USA dieses schäbige Manöver unterstützt, so kann der Grund nur sein, dass man nach, dem Krieg die ungarischen Re- aktionäre trotz aller ihrer Greuelta- ten im Innern, trotz aller Verbrechen ihrer Aussenpolitik am Ruder halten möchte, so wie man überall die Reak- tion in Europa unterstützt oder doch unterstützt hat, isolanere es irgendwie möglich war. Als Hauptziel der offi- ziellen angelsächsischen Nachkriegs- politik erscheint immer deutlicher die Verhinderung der sozialen Revolution. Dafür ist jeder Bundesgenosse recht, mag er auch jetzt noch auf der geg- nerischen Seite stehen. Wenn Churchill gesagt hat, der Krieg verliere immer mehr seinen ideologi- schen Charakter, wenn er von der At- lant kciharter abgerückt ist, so drückt sich darin dieser Wunsch aus, der aus der gleichen, politischen Gesinnung stammt, die ihn früher hat sagen las- sen, wenn er Italiener wäre, würde er auch das Schwarzhemd anziehen. Aus der gleichen politischen Gesin- nung heraus ist m/an zur vollen Ver- ständigung mit Franco gelangt, in dessen Gefängnissen noch zweihun- dert tausend Gefangene schmachten, Alvarez de Vayo hat nach einer Rei- se nach Mexiko seiner Bewunderung über die fortschrittliche Entwicklung dieses Landes und den Geist seiner Regierung Ausdiruck ' gegeben, um dann festzustellen, dass die Reaktion aus der Politik der Alliierten Hoffnung schöpfe, während auf der Liniken bit- tere Enttäuschung herrsche. "Die Zahl der Menschen", so' schreibt er in der gleichen Nummer von "The Nation", die den Aufsatz vn-n Parker bringt, "die kein einziges Wort offi- zieller Redner oder offizieller Ver- lautbarungen mehr glauben, wächst in alarmierendr Weise. Sie haben gese- hen, wie der Darlanismus gleich auf die Rede folgte, welche die vier Frei- heiten proklamierte, sie haben gese- hen, wie in Missachtung der Atlantik- Charter das spanische Volk, von dem 90 Prozent proalliiert und gegen Franco sind, beiseite geschoben wur- Franco sind," beiseite geschoben wurde während Franco umschmeichelt wurde; s'e haben gesehen, wie der Krie.? für Demokratie dank der finanziellen "und politischen Hüfe der Alliierten Diktaturen in Südamerika gestärkt hat. Sie haben gesehen, was in Ita- lien geschah, und was überall1 in Bu- rma g-fßchehen, wird wenn gew'sse Beamte in den verschiedenen Aussen. ämtern das letzte Wort haben!" Alvarez de Vayo meint dann, dass das berechtigte Misstrauen gegenüber der Politik der Alliierten nicht den Defaitismus rechtfertigt, dem weite Kreise der Linken zu verfallen droh- ten. Sicher sei die Reaktion infolge des Fehlens einer wahrhaft demokra- tischen Lenkung des Krieges aggres- siv und frech geworden. Aber die Mehrheit der Menschen der Welt ste- he nicht auf der Seite der Reaktion, wolle vielmehr e'ne bessere Weltord- nung und sei bereit, für sie zu kämpJ fen. "Niemand auf der Linken", so schliesst del Vayo. "hat das Recht, sie zu ver- lassen, so niederdrückend die gegen- wärtige politische Szenerie auch sein mag." Kurt Goldstücker — Bogota Im Verlauf dieses Jahres 1944 wird immer klarer, in welchem' Mass die ursprünglichen Ziele dieses Krieges, die 4i! der Atlantic-Charter ausge- drückt wurden, auf rein macht- und ' wirtschafApolitische Wege abgelei- tet worden sind. Zahlreiche Ereig- nisse in der politischen Kriegsfüh- rung, die in diesen Blättern registriert worden sind, zeigen mit erschrecken- der Deutlichkeit, dass alle Gross- mächte sich auf eine Politik der Ein- fluss-Sphären eingestellt haben. Innerhalb der im Nachkriegseuropa zu erwartenden Verwirrung können daher nur diejenigen europäischen Gruppen. am Wiederaufbau und an der Erichtung eines wahren Frieders erfolgreich mitwirken, die realisti- sche Ziele vor Augen haben und sich über die zu ihrer Verwirklichung er- forderlichen Mittel klar sind. Diese Einstellung muss am konse. guentesten von den deutschen antito- talitären Gruppeo eingenommen wer- den, jflenn für ein im totalen Krieg besiegtes Land sind die Probleme! tau- sendfach grösser als für die Sieger, mächte. Eins der schwierigsten Probleme Nachkriegsdeutschlands wird sein Verhältnis zu den anderen Nationen sein. An eine eigene Politik wird in den ersten Jahren nach dem Waf- fenstillstand nicht zu denken sein, da die Alliierten Deutschland besetzen und infolgedessen vielleicht nur ziel- "bewusste deutsche Gruppen einen ge- wissen Einfluss ausüben werden kön- nen. Darüber* hinaus hat der Naziter. ror, der in seiner Grausamkeit keine Parallelen in der Geschichte hat, ei- nen verständlichen Hass in den be- setzten Gebieten erzeugt. Sein Ver- schwinden wird Zeit benötigen. Die Geschichte Europa's hat gezeigt, dass immer dann, wenn eine freund- schaftliche Politik zwischen Russ. land n.:d Deutschland bestand, Euro- pa der Frieden gesichert war. Zwi- schen Russland und Deutschland be- stehen keinerlei Streitpunkte geogra- phischer, geopolitischer oder wirt- schaftlicher Art. Tatsächlich ergän- zen sich beide Nationen in wertvoll- ND UND EUROPA ster Weise. Die beiden letzten Kriege zwischen den beiden Staaten sind jedesmal von kleinen Kliquen hervor- gerufen worden. 1914 glaubte die kleine panslawische Klique am Za- renhofe, in einem Spaziergang die österreichische Monarchie begraben zu können; 1941 glaubte die panger- manische Nazi-Klique um Hitler, in einem ebenso leichten Spaziergang Napoleon überflügeln zu können. Weltanschauliche Gegensätze zählen in der bis heute üblichen Aussenpoli- tik der Staaten nicht. Es ist nient nötig, dass die Deutschen nun ein kommunistisches System innerhalb Deutschlands einführen müssen, um mit Rijssland in Freundschaft leben zu können. Die russiesheo Staats- männer sind, — das haben sie bereits gezeigt, — zu sehr, Realpolitiker. Hof- fen wir, dass es die Deutschen im Nachkriegsdeutschland auch sein mö- gen! Russische Wirtschaft und Politik und deutsche Wirtschaft und Politik können sich glänzend ergänzen. Bei einer wirklichen Zusammenarbeit aber fielen zugleich russischerseits alle Gründe gegen die Föderation der Donau-Staaten weg, — und damit könnte auch dort eine wirtschaftliche und politische Gesundung, die unbe- dingte Vorbedingung für politische Ruhe und internationalen Gutwillen in Europa darstellt, fortschreiten. Das zweite wichtige Problem der künftigen deutschen Aussenpolitik wird unsere Stellung zum "Erbfeind" Frei kreich sein. Deutschen und Fran- zosen muss klar werden, dass sie bei- de in Frieden und Freundschaft le- ben können, ohne als Schachbauern von ausserkontinentalen Mächten be- nutzt zu werden. Deutschland muss sich darüber klar sein, dass es Frankreich Sicherung schuldet. Wä- re es möglich, Frankreich davon zu überzeugen, dass Deutschland in Zu- kunft nicht auf Frankreichs Kosten Geschäfte machen will, so könnte der Grundstein gelegt werden zu einer wirklichen Verständigung dieser bei- den Völker, die durch Jahrhunderte hindurch das Rückgrat der europäi- schen Kultur gebildet haben. Sobald aber diese Verständigung zwi- schen Russland, Deutschland und Frankreich erzielt ist, wird damit der Frieden Europas' sichergestellt sein. Diese Verständigung wird Ftuss- lar.ds berechtigte Gegnerschaft gegen einen "Cordon Sanitaire" beschwich- tigen und so gestatten, die donau- staatlichen Minoritätsprobleme föde- rativ zu lösen und auch das polni- sche Problem aus der Sphäre eines überhitzten Chauvinismus herauszu- heben und realpolitisch zu lösen. Deutschland hat viel wieder gutzuma- cher.. Möge man ihm die Möglich- keit geben, seine positive europäische Aufgabe, Kitt der europäischen Staa- tengemeinschaft zu sein, zu erfüllen. DAS LONDONER KOMITEE "FREIES DEUTSCHLAND" hat in seiner ursprünglichen überparteilichen Zusammensetzung keinen langen Bestand gehabt. Da das Komitee sich für die Abtretung Ostpreussens an Polen ausgesprochen hat und überhaupt die kommunistische Auffassung allen Wider- ständen gegenüber sogar in der Weise vertrat, dass gegenteilige Meinungen in der Zeitschrift des Komitees, nicht zu Worte kamen, sind u. a. der Kaplan lausig, Vertreter des Katholizismus, der frühere Vorsitzende der Staatspartei Weber, Vertreter der Demokraten, und der Sozialdemokrat Victor Schiff aus dem Komitee ausgetreten. NEUDEUTSCHES WOERTERBUCH . Avrweichlager: Primitive Baracken, die in der Nähe gefährdeter Industrie- zentren aufgebaut werden, um die Ausgebombten aufzunehmen, die nir- gendwo sonst Unterkunft finden, nachdem die Evakuierung praktisch aufgegeben wurde. Badciglio: Parteiamtlicher Spitzname tür italienische K r i e g's g- es an ge;n e, die von Haus zu Haus gehen und gegen Lebensmittel karten-Ab schnitte um Ar- beit nachfragen. Behelfsheim: Notwohnung für ausge- bombte Kriegsarbeiter, die ihren Wohnort nicht verlassen dürfen, be- stehend aus 20 qm Fläche, die in zwei Räume aufgeteilt ist. Die Betten sind übereinander in einer Bettnische an- gebracht. Weder Kanalisation noch Installation von Gas, Wasser, Elektri- zität sind vorgesehen. Ueber der Tür ein Hakenkreuz. Die Behörden stellen nur das Baumaterial. Bauen müssen die Wohjiungslosen selbst in ihrer Freizeit. Alle baupolizeiliche Vorschrif- ten sind für Behelfsheime ausser Kraft gesetzt. Fltieter-pohn: Parteiamtlicher Spitz- name für den Londoner Sendier. Gränz GrOKs-Deutseh 1 and ist voll von Plaka- ten, in denen die Volksgenossen ge- warnt werden, auf den Flüster-Cohn zu hören. Die antisemitische Propa- ganda lebte in den letzten Monaten wieder auf. Sie richtet sich jetzt be- sonders gegen Mischlinge. Nach Be- richten schwedischer Blätter findet sie keinei lei Echo in dri)| im Scharf sehie- ssei? ausgebildet werde«, bei der Invasio'n Deutschlands Waffen erhal- ten und als "Franktireurs' iln Erschei- nung tretep sollen. — ß — KRANZNIEDERLEGERi Ausdruck aus der Soldatensprache, kennzeichnet ei- nen Partei beaimten, der nach einer Parteiverordnung: jede» Jahr drei Mo- nate "Frraitdlenst" machen muss, die er in der Etappe ableistet. Nach Ablauf der drei Monate wird er in d*r Heimat als Frontkämpfer herumgereicht und Im politischen Kampf toi der Heimat- fiwnt eln.isresetzt. J,ufthunnen (siehe auch unter Pest- schweine) parteiamtlich nicht zuge- lassener Ausdruck für die alliierten Bomber. Der "Angriff" schrieb am 23. II: Bs ist falsch, diese Bestien Liuft- liunnen zu nennen. Im Vergleich mit den angelsächsischen Pestsch weinen waren die Hunnen anständige und' eh- renwerte Lieute. NACKTKULTUR! Körperkultur, die von Adam und Eva erfunden wurde und daher als jüdisch-marxistisch von der Bewegung bekämpft wurde. Inzwi- schen ist der Arier-Nachweis gelungen und an einem Sonntag des Monat® Mai wurde in Berlin, eine neue Nacktkul- tur-Anstalt durch efinen Parteiredner eingeweiht, der u. a. ausführte: "Wenn auch eine Nacktkultur-Anstalt nicht als kriegswichtig betrachtet werden kann, so ist sie doch der höchste) Aus- druck nationalsozialistischer Volksge- meinschaft, dla nach dem Abstreifen der Kleidung auch die sozialen Unterschie- der Menschen wegfallen." Pestsch weine: Amtlich zugelassener Ausdruck für die alliierten Bomber. Der Ausdruck wurde vom Berliner "Angriff" erfunden, der am 23. II. schrieb: "Die Berliner nennen die Pi- loten der Terrorbomb&rd'ierungen Schweiine. Der Ausdruck ist zu sanft, denn das Schweln ist ein nützliche« Tier. Die Pilotein siiind Pestschwei nie." Tuberkulosei Medizinischer Ausdruck EINGEGANGENE BUECHER Bruno Weil,, Sylvan Grotschal u. a.: Bericht über die 1. Tagung der "Liga der Achsenopfer' (Eingetragener Ver- ein), New York, Der Verein vertritt die Interessen der geschädigten Per- sonien und nimmt Schadenersatzansprü- che entgegen^ W. Mallno>vskIITEES. Von einem Vorstandsmitglied des Newyorker Ausschusses für ein demokrati- sches Deutschland, dessen Aufruf wir in Nr. 82 veröffentlicht haben, erhalten wir die Mitteilung-, dass der Vorstand des neuen Komitees bisher noch keine Verbindung- mit Emigrantengruppen ausserhalb der Vereinigten Staaten auf- genommen hat. Eine Verbindung mit den Erei-Deutschland Komitees in Mexiko und London ist abgelehnt worden aus den gleichen Gründen, aus denen wir die Führungsansprüche des Mexiko-Komitees abgelehnt haber?. Die gegenteiligen Miedungen, die von dieser Seite verbreitet worden sind, stehen also im Wider- spruch zur Wahrheit. Ferner wird uns mitgeteilt, dass im Newyorker Komitee „alle liberalen und sozialistischen Gruppen von Katholiken bis zu früheren Mitgliedern und Sym- pathisierenden der Kommunisten vertreten sind." Virich Becher: DER GROSSE GROSZ UND EINE GROSSE ZEIT "Der Memch fängt beim Leutnant an." (Wilhelminisches Sprichwort) ,,Teh hasse die Revolution". Sozialdemokrat Friedrich Ebert, 1. Reichs- präsident der Weimarer Republik, zum General Groener. „Die Materialschtochten des Weltkrieg-es bekamen mir wie ein Stahl- bad." Generalfeldmarschall v. Hindenburg, 2. Reichspräsident der Weimarer Republik. Er ging an die Dresdner Kunstakademie, ward ein Liebljingsschüler Orliks, •eses bekannten prager Malers. Frönte Schrullen, die sein ehrbares Aussehn Lügen straften und seinen gutbürgerlitihen Musenbrüdern Entrüstung weck- ten. Sammelte kolorierte Postkarten der Serie "Germanische Geschichte in Bildern", drauf etwa die alten "Pruzzen'» —- Vorfahren der Preussen, die erst im 13. Jahrhundert von den Deutschen Ordensrittern, (wie die Welt spä- terhin erfahren musste: reeiht hudlig), getauft wurden — sich mit bis auf den martialischen Zopf ratzkahl geschornen Schädeln, mit vcm Mettrmnk gedunsenen Bäuchen bezecht auf heidnischem Festgelag' herumwälzten. Kauf- te Photographen Grunneraufnahmen ihm vollends unbekannter Hochzeits- gesellschaften ab, Blitzlichtaufnahmen von einem Ball der Schlächterinnung oder einem Studenten Rommers, drauf biergebläht» vo n Schmissen zerhack- te Korpsstudentengesichter bleich erschillerten. Verkündete frank den Ent- schluss, ein Buch "Von der Hässllichkeit der Deutschen" zu schreiben, es mit eignen Skizzen wie mit schlagendem Beweismaterial aus seinem Archiv zu schmücken. "Beim Militär wird sich das Ararchistenfrüchtchen die hochverräterischen Mucken schon abgewöhnen", grollten seine frühen Feinde, iund schon wur- den sie erhört. Schon fuchtelten Seine Majestät mit dem verkürzter: Arm — 16 — und belferten gerührt: "Ich kenne keine (Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!" Der gesamte Reichstag, die ganze "Schwatzbude, die ich mit ei- nem Leutnant und drei Mann ausräumen lassen würde", wie seinerzeit der iostelbisohe Junker v. Januschau seinem Kaiser empfahl, die verbürgerlich- te Sozialdemokratie in corpore, schon stimmte sie, mit einer einzigen Aus- nahme, für den "uns aufgezwungenen" Krieg, ach! es erübrigte sich, ihr. ei- nen Jaures zu mordet:. Und ein übler Schlafbarsche aus der Gosse Wiens, ein von salzburgischen Grenzlandressentiments zerfressener, an einer wahnsin- nigen Ehrfurcht vor pruzzisohem Schmiss, Scihmick und Schliff besoffner Ta- gedieb torkelte auf die Knie nieder und dankte seinem speziellen Allmäch- tigen für die Gnade, mitwaten zu dürfen im dampfenden Bllutsturz der eu- ropäischen Völker. Grosz, der einundzwanzigjährige, hatte keinen Teil an den Massenorgien der Kriegsbegeisterung. Kein Hurra glebte auf seinen verpressten Lippen, als er, in die wilhelminische Armee gezwängt, gen Belgien zog. Er stapfte dü- ster-verschlossen in der drückenden Augusthitze, unter den Wogen schwarz- weissroter Fahnen hin, brummte seinem Nebenmann zju: "Dieblumendieblu- men. Guck die Blumen, die ihr euch in die Fliintenläufe gesteckt habt, wie fix die verwelken, guck mal. Hat was zu bedeuten." (In seiner Spracihe lebte schon damals die Wiederholungcmanie Hemingwayscher Romanhelden.) "Quatsch mich nicht von links an", lachte der Soldat. "Was soll's zu be- deuten iiaben? Weihnachten sind wir wieder zuhause. Die Vög-lein im Wal- de", schmetterte er. Grosz sang nicht mit, maulte: "Abwartenabwarten." Ueber dem Kriegserlefcnis des jungen Pazifisten waltet qualvolles Schwei- gen; nie tut Grosz des Erwähnung. Allein es verlautet, dass er sich der leu- teschindrischen "Mutter" seiner Kompagnie gegenüber einer nach wilhel- minischen Begriffen unfasslichen Disziplinwidrigkeit schuldigmachte. Sei's dass er sie, des üblichen Koseworts: "Ihr verfluchten, Schweine!" überdrüssig, am Schnauzbart geziupft oder Aergeres nocfti verübt hat. jedenfalls ward er vor kein Kriegsgericht gestellt, vielmehr "zur Beobachtung seines Geistes- Zustands'' interniert. Was ihn der Gelegenheit beraubte, für seinen Kaiser zu fallen. AufschVussreioh, zwei Aeusserungen zu rekapitulieren, die sich zukünftige Lenker der Republik in den letzten Monaten des Ersten Kriegs entwischen liessen. "Es ist närrisch zu sagen", wetterte Sozialdemokrat Noske, nach- mals erster Reichwehrminister der Weimarer Republik, am 25. Juni 1918 im Reichstag, "unsre Armee schütze nur die Besitzenden!" und "warum soll- te jemand den Glauben verlieren", frug Sozialdemokrat Scheidemann fromm,, "dass wir weiter siegen werden wie bisher?" Also die "Revolutionäre". Die Revolution war danac'h. Der radikale Sozialdemokrat Karl Liebknecht, der 1915 im Reichstag gegen die Kriegskredite gestimmt hatte und darum von Wilhelm II. ins Zuchthaus geschickt worden war, kaum befreit, ward er von keisertreuen Offizieren der geschlagenen Armee verschleppt und "auf der Flucht erschossen". Der Sozialist Kurt Eisner, erster republikanischer Mi- nisterpräsident Bayerns, wurde vom Grafen Arco-Valley abgeknallt, ohne dass die antirepublikanischen Richter der Republik dem feudalen Mordbu- ben ein Härchen kremmten. Die verstümmelte Leiche der Arbeiterführerin Rosa Luxemburg trieb in der Spree. Marineoffizier Ehrihard und andre aus dem Krieg heimkehrende Bandenführer malten sich das Hakenkreuz auf den Stahlhelm und veranstalteten Parforcejagden auf deutsche Arbeiter, erleg- ten sie zu hunderten. Im Schatten der sozialdemokratischen Koalitionsregie- rung etablierten sich die auf Fememorde spezialisierte "Schwarze Reichs- wehr", der "Stahlhelm", der "Kyffhäuserbund" und andre stockreaktionäre, stockmilitäristihe Kriegs- und Bürgerkriegsvenbände; die Vorbereitung zum Zweiten Krieg wurde am letzten Tag des Ersten in Angriff genommen. Ge- neral von Ludendorff, der, überängstlich, mit einem falschen Vollbart nach Schweden geflohen war, als er entdeckte, dass die gefürchtete Revolution so und nicht anders aussah kehrte er quickfidel nach Deutschland zurück. sielte sich "Am Heiligen Quell Deutscher Kraft" (Titel seiner Zeitschrift), um mit einem altgermanischen Bärenfells angetan, zum Zweiten Krieg zu hetzen. Sein nervigerer Kollege v. Hinderiburg hatte sich erst garnicht die Mühe zur Flucht genommen, blickte stählernen Augs der höchsten Schirm- herrn der deutschen Demokratie erkoren zu werden. Der Exkaiser machte sieh's in Huize Doorn bei Utrecht urgemütlich und überliess es seinem Sohn Prinz August Wilhelm, die deutsche Niederllage in einen Sieg zu wandeln. Der wandte sidh treffsicher nach München, gesellte sich zu jenem "unbe- kannten Soldaten des Weltkriegs", der soeben beschlossen hatte, "Bollitiker zu werden". Revolution. . . .__ Manche unter denjenigen Künstlern, die mit dem heiligen Gelübde zum Grossen Frieden aus den hunderttausende Menschenleben zerpulvernden Ma- terialschlaohten um Verdun heimgekehrt waren und sich mit hohler Phra- se, täppischer Farce deutscher Wandlung so grausam betrogen sahen, trumpf- ten die blutige Farce mit unblutiger Farce, stürzten sich mit Bajazzogeki- cher in den Taumel aus Verzweiflung, Vergnügen und Wahnsinn. Während die Morde an den Republikanern weitergingen» während die — noch nicht au diesem Ueberbegriff zusammengefassten — Nazis den Katholiken Erz- berger, den Reichsaussenminister R'athenau, nachdem er mit Russland Freundschaftsvertrag geschlossen, abknallten, während die kleinen Sparer an der Nüllenplage der Inflation erstickten, während der Charleston über die Welt raste und ehrwürdige Geheimräte als besessene Jünger dieses Nar- rencancans die Beine in die Luft emporzappeln liessen, gründeten einige junge Leute, Grosz der Zeichner, Huelsenbeck der Schiffsarzt. Wieland-Herz- felde der Verleger (später Direktor des Malik-Verlags, der alle Bücher Up- ton Sinclairs publizierte) und eine unsichtbare Dichterin namens Anna Blu- me — höchstwahrscheinlich eine Chimäre — zu Berlin die Dada-Bewegung. Dada: erstes Gestammel des Säuglings. Dada: Schrei des Dschungels, drin die Zivilisation verkam. Dada: gutturale Klage der kriegsverstümmelten Zungen, der friedensverratenen Herzen. Die Bewegung verfügte über eigene Zeitschriften wie "Der blutige Ernst", veranstaltete Ausstellungen "zur Auf- klärung der Öffentlichkeit", darinnen Mütter der Kompagnie, lebensgrosse vorschriftsmäßig adjustierte Puppen, an der Decke Einschwebten oder Kor- sette preussischer Gardeoffiziere die Wände, schmückten. Zu dieser Zeit ging der junge Grosz violett gepudert einher, statt des Huts einen aus Pappma- che gefertigten Totenschädel aufgesetzt, den er zum Grusse höflich lüftete, "Grosz ist ein stygischer Keller, den Sie auf eigne Gefahr betreten", schrieb ein spanischer Journalist 1919. "Er stellte mich einem Mann vor, der sich sofort bäuchlings zu Boden warf und unter konvulsivischen Gebärden des Umarmens jubelte: 'Ich heirate die Erde!' In finsterster Mitternacht führte er mich zu einem gewissen Professor Stadelmann, der mir plausibel zu ma- chen suchte, die menschliche Seele gliche einem Korkenzieher." Ausser solcher Flucht in den bunten Unfug trug ihn ein Anderes aus dem Unheil der Zeit: geträumte Flucht in die bunte Ferne. Amerika, Bundes- genoss der Französischen Revolution, Amerika, das nicht von bluttriefen- den Grenzpfählen gespickte. Amerika, dahin Europens von der ewiggefrä- ssigen Reaktion verfolgte Söhne immer wieder geflohen waren, umwob sein sehnsüchtiges Träumen. Grosz gehörte zu den ersten in, Deutschland, wel- che "Ragtimes", die alten Negerweisen vom Missisippi hersingen konnten; war einer der ersten preussischen Steptänzer (wenngleich ein recht un- beholfener). Und als hätte er seine zweite Heimat Amerika, die ihn vor dem zweiten Völkermord des Jahrhunderts behüten sollte, vorgeahnt, wan- delte er schon damals seinen deutschen Vornamen ins englische "George". . . Fünf Jahre später war er der grösste, zugleich umstrittenste satirische Zeich- ner Deutschlands. Wieland-Herzfelde. Gefährte aus der sanglos begrabe- «en Dadazeit, gründete den Malik-Verlag zubehuf des Wagnisses, Grosz' Bilderbücher zu publizieren, "Das Gesicht der herrschenden Klasse", "Ecco Homo", "Spiesserspiegel" u. a. Ein Wagnis, das Aufstände weckte der Be- geisterung wie der Entrüstimg. Die Staatsanwaltschaft "sah sich zu Schrit- — 18 — ten gezwungen". Die fortschrittliche Kunstkritik verglich seine Einmalig- keit Dürer, Goya, Daumier, pries sein Werk als vollkommensten Ausdruck, den je eine Epoche gefunden. "In der ganzen Geschichte", schrieb ein fran- zösischer Kritiker "existiert kein ausführlicherer Katalog menschlicher Ver- derbtheit". Mit einer mikroskopischen Schau fürs Detail, einer Schonungs- losigkeit sondergleichen bannte er die grause Verschwörung aus Ober, und Untertan aufs Papier, die Deutschland in den Ersten Krieg gegen, die Welt gehetzt hatte; die es in den Zweiten hetzen würde, das wusste er, wusste er. Aus seinen in die Tausende wogenden Blättern brodelte der Hexensab- bat deutschen Kriegs, Nachkriegs, Zwischenkriegs. In ihnen leibten,j wie in Chaplins Filmen, Stereotypen: Der wilhelminische Offizier, marionetten- haft gesteift, ein blitzendes Monokel in die maohtbesessene Fratze geklemmt. Der gemeine Soldat, dem der Krieg Hand, Bein, Augenlicht oder alles in ei- tlem geraubt hat und der bettelnd an den Ecken lungert. Der vollgefres- sene Kriegsgewinnler — sein Wahlspruch: "Satt bin ich wie'n Schwein; Frage: was nu essen?" —, der dem kriegsverstiimimelten Bettler keinen Pfennig gibt. Generäle, Junker, Schlotbarone, Börsenjobber, kein Schuldiger entrann, ihm. Hindenburg und Luddentiorff, Krupp und Thyssen, Hilgenberg und Stiimes, die sechsköpfige Skylla hing an Grosz' Pranger. Am Krieg bis zum Irrwitz verrohte Landsknechte warfen sich, Hakenkreuz am. Stahlhelm, mit untie- rischem Vergnügen auf Bürgerkrieg, metzelten ausgemergelte Arbeiter. Chau- vinisten und Militaristen im tpriesterkleid segneten Kanonen, die die "Ul- tima ratio regis", beew. der Platzhalter "regis", gegenüber dem eigenen Volk vollstreckten. Dicklippig zigarrenlutschende Inflationsschieber, salonkommunistische Li- teraten, korrupte Beamte, grosse und kleine Kokotten tanzten ums Goldne Kalb. Und der Bourgeois, nach Grolsz Hauptschuldiger am deutschen Fascis-• mus, der an "Dolcihstoss'' und "ungerechter" Niederlage wildgewordene, nach einem neuen Dresseur ausgaffende Spiesser kein grollgeschwollenes Schlä- fenäderchen, keine zwischen schl ackwursthaften Speckwülsten nistende Nax- kenfalte, keine seiner Posen, die ihm entging. Ein Engel der Vergeltung, drang er in jedes Schlafzimmer, die trostlosen Geheimnisse banausischer Schäckerei bekanntzumachen, in jede Studentenkneipe, die "zur Verschöne- rung" zerhackten Gesichter zu sammeln, in jedes Prunkrestaiurant, drin Börsenhyänen mit Schweinerüsseln schmatzten. Er zeichnete degenerierte Kleinbürger in der barbarischen Apotheose heidenheldischer Vergangenheit und Zukunft, liess sie Met hörn er statt Biermollen schwingen, umhängte sie mit Bärenfellen statt mit gewetzten Paletots, setzte ihnen statt verbeulter Melonenhüte Büffelgeweihe auf. Aus seinen Graphiken und Aquarellen dröhn- te ein Tritt von Hunderttausenden. Herstampften die Heere der mitnichte.1 "zur Verschönerung" zerhackten Kriegskrüppel. Die Heere der von Infla- tion in Prostitution Gestossenen. Die Heere der Arbeitslosen. Dröhnen und Schmatzen, Kichern und Stöhnen, Lärm entbrach seinen Bildern, wüster Lärm der Grosstadt fund der Grossen Zeit, Stimmengewirr zahlloser, breugel- haft idurcheinand erwimmelnder Masse (reichten Feder und iPinsel| näoht hin. seine Gestalten hörbar zu machen, liess er ihren Mündern, geschriebene Sätze entschwirren), das Geschrei von Kämpfenden, das Rülpsen der Ue- bersatten, das Röschein der Verhungernden, das eingedrillte Lachen käufli- cher Liebe, das Fluchen der Verratenen, das raschelnde Atmen auflauernder Grosz bediente sich naturalistischer, expressionistischer, realistischer, pri- mitivistischer Mittel und schuf draus ein homogenes Neues, Oftnachgeahm- tes, Nieerreichtes. Aber sein Werk ist mehr als Nur-Anklage. Wie jedem gro- ssen Schöpfer war ihm jedweder Doktrinarismus herzensfremd. Er schlaf um zu kämpfen, er kämpfte um zu schaffen. Wie Shakespeare, Grueghel, Bal- zac gestaltete er den Jahrmarkt der Eitelkeiten, Süchte und Lüste, die Menschliche Komödie, das grosse Narrenhaus: diese Welt, den Kontertanz Von Leibern und Geistern, den gespenstisch-bunten, von Todes- und Tea- felslarven bevölkerten Karneval: dieses Leben. — 19 — Aus der Österreichischen politischen Emigration OESTERREICHS IAUSSENPOLITISCHE PROBLEME NACH HITLERS STURZ Unter diesem Titel behandelt die Austrian Labor Information das Blatt der österreichischen Sozialisten in New York (Nr. 23. Februar 1943) die Aussenpolitik Oesterreichs nach seiner Befrei- ung'. Der Artikel ist ausdrück- lich als Stellungnahme der Exe- kutive des Austrian Labor Com- mittee bezeichnet; das gi'bt ihm seine Bedeutung. Er stillt 11 Sei- ten. Hier kann nur ein zusam- mengedrängter Auszug geboten ^werden. Trotz der unerlässlichen Kürzungen, Werden die Ausfüh- rungen des ALiC im Wortlaut wiedergegeben. Sie sind beson- ders bedeutungsvoll in jenem Teil, der das Verhältnis- Oester- reichs zur Sowjet-Union behan- delt. Russland als europäische Grosismacht Nach dem eisten Weltkrieg war Russland kein Machtfaktor in der grossen europäischen Politik. Anders wird die Situation nach diesem Kriege sein. Nach dem Sieg über Hitler wird Russland das einzige Land auf dem europäischen Kontinente sein, das über eine grosse Armee verfügen wird. Dazu kommt die moralische Autorität, die Sow/et-Russland aus seinen un- p-eneuren Leistungein und furchtba- ren Opfern im Kampf gegen die Na- zis in allen Ländern und allen Be- völkerungsgruppen Europas, beson- ders aber bei den Arbeitern schöpfen wird. Die allgemeine Bedeutung der Sowjetunion wird im Falle Oester- reichs noch durch die geographische Lage und die zu erwartende Gestal- tung der russischen Grenzen erhöht wieirden. Oesterreich, wird zu den Ländern gelhören, die unmittelbar mit der Tatsache zu rechnen haben wer- den. Russland e-eogranhisefh, wirtschaftlich und politisch nach Eu- ropa prewissermassen zurückgekehrt i*t. Während aber das (zaristische) Russland die reaktionärste Macht in Europa war, wird nun die neue euro- päische Grossmacht in den Gefühlen breiter Massen den sozialen Fort- schritt repräsentieren. Revolutionäre Kraftzentren in Europa Die Republik wurde in Oesterreich erst ausgerufen, nachdem Deutschland am 9. November 1918 eine Republik geworden war. Es ist vielleicht mehr als ein Zufall, dass zwischen den bei- den Ereignissen ungefähr dieselbe Anzahl von Stunden verstrich wie 1933 zwischen dem Wahlsieg Hitlers am 5. März und dem ersten Staats- reich. Dollfuss' in der Nacht vom 7. auf den 8. März. So müssen wir mit der Tatsache rechnen, dass poli- tische Entwicklungen in Deutschland auf alle seine Nachbarländer, beson- ders aber auf Oesterreich zurückwir- ken werden. Diese Tatsache ist ge- wiss auch dadurch bedingt, dass in Oesterreich deutsch gesprochen wird, • sie ist aber vor allem die Konseauenz o-p^-aT>hj.s"h,er und wirtschaftlicher Faktoren. Zunächst kommt für die praktische Gestaltung der Verhält- nisse in Deutschland unmittelbar naclh dem Sturz Hitlers alles darauf 9n, ob die Nazi-Herrschaft in Deutsch- land ausschliesslich durch die militä- rische Aktion oder ob sie noch vor der totalen Besetzung Deutschlands durch die Alliierten Armeen infolsenfioiitii; cföin Wähn solcher Ziele erliegen würde ■— wie das etwa in den sogenannten römischen Proto- kollen Dollfuss' und Scnuschniggs versucht worden ist — ist mit der ■staatlidnen Existenz Oesterreichs und seinem inneren Frieden auch der .Friede in Mitteleuropa gefährdet. Oesterreich kann keiner aggressiven Und insbesondre! keiner imperiali- stischen Staatenkombination angehö- ren. Es kann auch nic.it das Werk- zeug einer imperialistischen Macht oder Mächtegruppe sein. In dem Au- genblick, in dem die auf der Moskau- er Konferenz umrissene Internatio- rale Rechtsorganisation und die in der Töfteraner Erklärung verheisserie «•V'ölkerfamilie demokratischer Natio- nen" zustandekommt, werden die Oe- sterreicher ihre Ausserifpolitik darauf einstellen. Oesterreich zu einem voll- berechtigten Mitglied dieser Rechts- organisation zu machn. Aussen politische Lage nach der Befreiung Wie immer die drei Aussenminister die Wiederherstellung der Freiheit und Unabhängigkeit Oesterreichs in der Moskauer Deklaration verstanden haben, es darf keine Illusion darüber bestehen, dass unmittelbar nach der Befreiung Oesterreichs von der Nazi- herrschaft die staatliche Existenz des Randes, seine Bewegungsfreiheit und Unabhängigkeit zunächst sehr prekär sein werden. Die katastrophale wirt- schaftliche Lage wird Abhängigkeit vpn Lebensmittelzufuhren und Roh- stofflief erungen bedeuten, eine weit- gehende Abhängigkeit von den Wün- schen derer, die in der Lage sein werden, solclhe Hilfe zu gewähl (jn. Aber - die unmittelbare Abhängigkeit Oesterreichs wäre dadurch _ gegeben, dass Oesterreich ebenso wie alle an- deren Gebiete, die heute zum Drit- ten Reiche gehörn, zunächst militä- risch, besetzt würde. Darum _ wird die Aussenoolitik der Oesterreichischen Republik in ihren allerersten An- sätzen darauf abgestellt sein müssen, sich schrittweise die Unabhängigkeit und Selbständigkeit, Oesterreichs in der inneren Verwaltung des Landes 'errinä^n und : Insbesondere das Recht, die Massnahmen gegen die Nazis selbst treffen zu können. Auch das zweite Etappenziel der österrei- chischen Aussenpolitik ist klar vorge- zeichnet: die Befreiung des Landes von der militärischen Besetzung. Das selbständige staatliche Leben Oe- sterreichs kann und wird erst in dem Augenblick wirklich beginnen, in dem dieses Ziel erreicht ist. Fntritt Oesterreichs m den tschecho- russischen Freundschuftspakt Im gleichen Masse, in dem die Oe- sterreicihisclae Republik Bdwegujtigs- freiheit im Innern erringt, wird auch die Frage aktueller werden, wie sich Oesterreich in das neue europäische Staatensystem eingliedern soll. Die MosKauer Erklärung sieht eine selb- ständige staatliche Existenz Oester- reichs vor. Wie bereits ei wähnt, lelant die russische Aussenpolitik alle über- eilten staatlichen und regionalen Kombinationen, insbesondere im zen- traleuropäisc/ien Raum, zunächst misstrauiseh ab. Andererseits bereiten sich doch gewisse Kombinationen in- nerhalb des künftigen Europa vor. Wenige Tage nach der Konferenz in Teheran ist, am 12. Dezember 1943, der tschechoslowakisch-russische Ver- trag zustandegekommen. Der Vertrag sieht in einem Zusatzprotokoll vor, dass falls "ein dritter Staat, der ge- meinsame Grenzen mit der Sowjet- Union oder der Tschechoslowakischen Republik hat und im gegenwärtigen Krieg der Gegenstand deutscher Agresslon geworden ist", sich diesem Vertrag anschliessen will, er dies kann, wenn die Sowjet-Union, und die Tscih echoslowakische Republik seinem Beitritt ausdrücklich. zustimmen. Man darf annehmen, dass zu den Ländern, deren Beitritt durch diese,s- Zusatzprotokoll ermöglicht werden kann, auch Oesterreich gehört. Ver- gegenwärtigt man sich die Tatsachen, die wir behandelt haben, so kann kein Zweifel bestehen, dass für Oe- sterreich kaum ein anderer Weg aus der Isolierung in Frage kommt, als der, den dieses Zusatzprotokoll eröff- net.- Die russische Politik wünscht nach allen bitteren Erfahrungen der letzten Jahre ein Europa zu verwirk- lichen, in dem weder ein Cordon sani- täre gegen Russland, noch eine ge- fährliche Isolierung wie insbesondere in der Zeit der Münchener Konferenz, noch die Wiederkehr von 1941 mög- lich ist, als ein übermächtig gewor- — 22 — denes imperialistisches^ Deutsohland Russland überfiel. Es ist klar, dass auca die Zweite Ge^erreicr. ische Re- publik nur dann beteJien kann, wann keine dieser Eventualitäten eintritt. Gerade darum sollte die Aussenpoli- tik d-er Zweiten Republik deutlich zum Ausdruck bringen, dass Oester- reich an keiner dieser Möglichkeiten interessiert ist und für diese seine Stellungnahme jede Garantie zu er- bringen wünscht. Darum glauben wir, dass die Republik Oesterreich es ge- radezu als ein Gebot der Zweckmä- ssigkeit ansehen wird, dass Oester- reich. seine Bereitwilligkeit bekundet, dem tsc h eohosl owaikls ch-r uBsid'aen oder einem besonderen Vertrag mit der Söw et-Uniön und der Tschecho- slowakischen Republik beizutreten. Oesterreich muss zu einer engen wirt- schaftlichen und politischen Zusam- menarbeit mit der Tschechoslowakei kommen. Diese Möglichkeit wird durch die Eingliederung Oesterreichs in die Kombination, die durch den russisch-tschechischen Pakt ange- bahnt wurde, erleichtert "werden und ausserdem wird sie Oesterreich, die Möglichkeit geben, seine Wirtschafts- politik und seinen Aussenhandel so zu gestalten, „wie es für die Entwick- lung der österreichischen Wirtschaft lebensnotwendig sein wird. Ebensowenig wie die Tschechoslowa- kei durch ihren Vertrag mit der Sow- jet-Union ihr aussenpolitisches Ziel, eine Brücke zwischen dem Osten und dem Westen zu sein, aufgegeben hat, würde Oesterreich, diese seine gogra- phische, politische und kulturelle Funktion durch eine Vertragspolitik, die der der Tschechoslowakei analog wäre, aufgeben. Oesterreich wird das starke Bedürfnis haben, enge politi- sche und kulturelle Beziehungen mit jenen Ländern aufrechtzuerhalten, in denen neugestaltende revolutionäre Kräfte zu entscheidenden Machtposi- tionen berufen sein werden. Das gil't von den neuen Kräften in Jugosla- , ----------------------- A. A. B. A. j ENRIQUE U. CORONA MARTINEZ i A B O G A D O | 1 LAVALLE 1208 U. T. 35 - 3853 - Wien und den »ich in Italien regen- den revolutionären Kräften. Das gilt insbesondere von den politisch, und so- zial erneuten Kräften der wiederer-, wac h enden französischen Demokratie^ Es ist zu r.iCffen, dass zu diesen durch* antinaziotische und antifäsbbisiisbheK Revolutionen erneuten Ländern auch? die Deutsche" !RepRibiik" getiören wird. * Trotzdem .wäre es falsch, wenn dies Österreichische Aussenpolitik ihr Pro-? fclem so sehen sollte, als ob sie einenl Weg ausschliesslich im Sinne und imi Interesse der westlichen kapitalisti^ ichen Demokratien oder ausschliess- lich im Sinne und in der Gefolgschaft der Sowjet-Union zu gehen hätte. Je- de der beiden Möglichkeiten, '.aus- schliesslich und unter Vernachlässi- gung aller anderen Chancen verfolgt, wäre keine Politik im Interesse Oe- sterreichs und. ielher internationale!) Stellung., ■ Soeben eingetroffen! ■ 5 AUSTRIAN I.AJBOR S INFORMATION jg New York B Zeiitral-Oi'Knji der, österrelelil- S sehen ' Sozialisten in deutscher B Sprache. B MIT DER BEILAGB; M FREIE TRI BUE&E g des internationalen Sozialismus M Herausgesehen von Wilhelm M Ellenbosen. ■ Aus dem Inhalt: ■ Wilhelm Ellenbogen: Für ihter- ■ nationale Arbeitereinheit. H Theodor Dan: Wege des Demo- H kratie: I. Sozialismus und E Kommunismus als Macht- B faktoren im Kriege. M Paul Hertz: Das Präger Mani- M fest von 1934. Zur Geschieh- B te eines Programmes,' S H. N. Braislford (London): Po- ■ len und Ostpreussen. ■ Einzelexemplare und Abonne- 5 ments durch die Buchhandlun- ■ gen: Barna, Maipü 441 und Ju- * ramento 2368, Cosmopolita, Co- jj rrientes 424; Herzfeld, Recon- W quista 424, und durch das Büro W des DAD, Tu:umän 309 (XJ. T. H Einzelexemplare . . . $ 0.75 B Halbjahresabonnement , „4.-50 ■ _ Jahresabonnement . . . „ 9.— fiiiiiiiiiieeimiiiniiiw^ Freie Deutsche Buehne CASA DE CATALUftA Chacabuco 863 — Buenos Aires — U. 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