A OTRA ALEMANIA ORGANO DE LOS ALEMANES DEMOCRAT1COS DE LA AMERICA DEL SUR Fundado el 7 de junio de 1937 Redacciön y administracion: CALLE TUCUMAN 309 Buenos Aires (Argentina) U. T. Retiro 7264 Septiembre de 1944 Afio VIII. No. 86 AUS DEM INHALT Alvarez del Vayo: Keine Ein- heit mit Faschisten! P. Walter Jacob: Charaktere. Fenner Brockway: Fort mit den Grenzen. Ulrich Becher: Grosz IV Der grosse Aus der deutschen Opposi- tion Neue Bücher Stimmungsbarometer Das demokratische Europa im Kampf um eine bessere Welt PARIS — SYMBOL UND HOFFNUNG "Paris befreit!" — Kaum hatten die Funksprüche diese Botschaft durch den Aether gesendet — und die Herzen von Millionen Menschen in aller Welt began- nen schneller zu schlagen. Einer sag- te es dem andern: "Weisst du schon?" Und ungezählte Tau- sende eilten in den grossen Städten der Welt auf die Haupt- strassen und Plätze, formierten sich zu Zügen und gaben ihrer Begeisterung durch Hochrufe auf Frankreich und durch den Gesang der Marseillaise Ausdruck. Man mag noch so gering denken über die Massen, die heute "Hosianna" sin- gen und morgen ''Kreuzige!" schreien — was am 24. und 25. August in der Welt an Ausbrüchen der Freude, an spontanen Kundgebungen der Massen sich ereignete, war etwas Grosses, und es hatte einen tiefen Sinn. Was war es denn, das Männer und Frauen, das alt und jung in Freude eints und sie trieb, dieser Freude öf- fentlichen Ausdruck zu geben? Was gibt Paris solch einzigartige Bedeu- tung, dass seine Befreiung fast als eine Sache der Menschheit erscheint? Paris — das heisst für Viele Stätte des verfeinerten oder des raffinierten materiellen Lebensgenusses jeder Art: gutes Essen, herrliche Weine, sexuelle Vergnügungen; Paris — das heisst Zentrum europäischer Geschichte und Kultur, Stadt, die aus ihren Steinen, in ihren Kirchen und Palästen, in ih- ren Stadtvierteln und Strassen ihren Brücken und den Seinequais, in den t l KL CY Deutsche SsUHclhek Frankfurt cm Mein Kirchhöfen, den Denkmälern und den Museen tausendjährige Geschichte le- bendig zu uns sprechen lässt; Paris — das ist die Stadt bahnbrechender euro- päischer Philosophie und Wissen- schaft, Literatur und Kunst. Dieses Paris kennen Viele, aber verhältnis- mässig sind es doch nur Wenige, und auch sie kennen oft nur die eine oder die andere Seite, die meisten wohl nur die Stadt des Luxus, des Geschmacks und der Amüsements. Nein, wenn die Befreiung von Paris am 24. August solchen Jubel in der Welt ausgelöst hat, so handelt es sich um ein anderes Paris, um das Paris der grossen Revolution. Ihm schlagen seit dem 14. Juli 1789 die Herzen al- ler freiheitliebenden und aller zukunft- willigen Menschen entgegen. Der 14. Juli 1789, die Erstürmung der Bastil- le, die Erhebung eines Volkes, das die- ses Sinnbild der Tyrannei und der Un- gerechtigkeit dem Erdboden gleich- machte, er ist das Symbol des Paris, für das die Massen demonstrierten. Er ist der zur Tat gewordene Gedanke der Voltaire, Diderot und Rousseau. Er brach die Bahn für die Erklärung der Menschenrechte, von ihm aus ging der zündende Ruf "Freiheit, Gleich- heit, Brüderlichkeit!" über die Erde dieser Freiheits- und Zukunftsruf, der nun wieder in den hinreissenden Rhythmen der Marseillaise in den Städten der Welt erklungen ist. Der Faschismus, die Hitlerdiktatur waren die Todfeinde alles dessen, was die grosse französische Revolution wollte und verwirklichte. Alles, was es an Humanität, an Demokratie, an Menschenrecht in der Welt gab — wir wissen, es war nicht viel —, sollte ver- nichtet, sollte der Machtgier, dem Ge- waltglauben, dem totalitären Staats- moloch zum Opfer gebracht werden. Weil die Ideen und Forderungen der grossen französischen Revolution nur ganz unzulänglich durchgesetzt, wfeil sie vom zur herrschenden Klasse ge- wordenen Bürgertum preisgegeben und verraten wurden, konnte der Anschlag des Faschismus und Nazismus gegen die Freiheit und den Fortschritt der Welt solch grosse Erfolge und solch furchtbare Folgen haben. Auch in Frankreich haben Generäle, Industrie- barone und Bankiers in der Stunde der Entscheidung ihr Land um ihrer .Privilegien willen und aus Hass, gegen die Arbeiterschaft verraten, wie es zur Zeit der Revolution König und Adel getan hatten. Sie haben damit die andere, die schlechte Tradition des reaktionären Frankreichs fortges.tzt, die Tradition des weissen Terrors der Bourbonen, die Tradition der Arbeiter^ massenmorde im Juli 1843, die' Tradi- tion Napoleons III., der Abschlachtung der Pariser Arbeiter nach dem Kom- muneaufstand von 1871, die Tradition des Dreyfusskandals. So konnte es ge- schehen, dass Paris kampflos geräumt wurde. Als die Militärstiefel der Hitlertrup- pen durch di»rChamps Elysees dröhn- ten, als das Hakenkreuz auf dem Eif- felturm wehte, da hat sich uns deut- schen Freiheitsfreunden das Herz kaum weniger zusam mengekram pst als den guten Franzosen. Denn Paris, das Paris der Revolution und der Men- schenrechte, es gehörte uns so gut wie der ganzen freiheitsliebenden Welt. Dass es Franzosen sind, die Paris be- freit haben, dass die Bevölkerung von Paris selbst sich gegen die Unt-rdrük- ker und die Verräter erhob, das er- füllt uns mit besonderer Freuds und Genugtuung. Wir nehmen es als Zei- chen der Wiedergeburt von Frank- reich, des Wiedererwachens nicht zur Macht- und Ruhmespoiitik Ludwigs XIV. und Napoleons I., sondern des Wiedererwachens zu seiner grosssn. re- volutionären und europäischen Aufga- be. Der Zusammenbruch des Dritten Reichs nähert sich mit Riesenschrit- ten. Schon dringen die russischen Hee- re übep die preussische Grenze; schon bricht- wia im vorigen Weltkrieg die Balkanfront zusammen, diesmal- durch den Uebertritt Rumäniens; schon nä- hert sich der Tag, an dem ganz Frank- reich befreit sein wird, der Tag, an dem die Westgrenzen Hitlerdeutsch- lands angegriffen werden. Und das deutsche Volk selbst kann nur durch schärfsten Terror von der Abrechnung mit seinen Verderbern abgehalten wer- den. Der Anschlag gegen die Freiheit Eu- ropas und der Welt ist abgeschlagen. Aber ungeheure Opfer musstsn dafür gebracht werden. Sie mussten gebracht werden, weil die Mächtigen der Welt, die grossen Kapitalisten und die Mi- litärs, die Bürokraten und die Diplo- — 2+- maten zumeist Feinde der grossen Menschheitsideen der französischen Revolution, Feinde der Freiheit und Gleichheit, Freunde der Privilegien, der Ungerechtigkeit und der Ausbeu- tung, mit einem Wort Helfershelfer des Faschismus waren. Aufs neue naht sich eine Entschei- dungsstunde der Menschheit. In ihr kann Frankreich wiederum eine grosse Rolle spielen, dann, wenn es sich besinnt auf seine grosse Tradition, wenn es wieder aufnehmen und vollenden wird, was 1789 begonnen, was von den Pariser Arbeitern 1848 und 1871 fortgesetzt wurde, den Kampf um Freiheit, Gleichheit und Brüder- lichkeit, den Kampf zugleich um die Neuordnung Europas, um die Verei- nigten Sozialistischen Staaten Euro- pas^ Dann, aber auch nur dann, wird Frankreich eine führende Stellung bei der Neuordnung Europas und im ge- einten Europa beanspruchen und ein- nehmen können. Unerlässliche Voraussetzung für die Befriedung und Einigung Europas ist die französisch-deutsche Zusammenar- beit, für die Heinrich Heine und Ro- main Rolland, die französische und die deutsche Liga für Menschenrechte, die französische und die deutsche Frauen- liga für Frieden und Freiheit, fran- zösische und deutsche Sozialisten ein- getreten sind. Wir veröffentlichen in dieser Nummer Stimmen aus der französischen Widerstandsbewegung, die in schönster Weise für diese Zu- sammenarbeit eintreten. Das andere Deutschland, die deutschen Arbeiter, die integral» deutsche Demokratie wa- ren und sind freudig zu dieser Zusam- menarbeit bereit. Und wir fügen hin- zu, dass wir gern den Franzosen an- gesichts ihrer revolutionär-europäi- schen Tradition und ihres Wider- stands- und Befreiungskampfs die Führung in diesem Kampf um Europa und im neuen Europa zuerkennen. Möge die Befreiung von Paris der Ausgangspunkt für eine solche Ent- wicklung sein! Heute freut sich die Welt, freuen auch wir uns, dass statt des Hakenkreuzes die Trikolore vom Eiffelturm übsr dem befreiten Paris und dem befreiten Frankreich weht. Möge die Zeit nicht zu fern sein, wo statt der vor allem von Arbeitern er- kämpften Trikolore, die Fahne der na- tionalen Freiheit, vom Eiffelturm die heutige Fahne der Arbeiterschaft, die rote Fahne internationaler Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit über ei- nem geeinten und von jeder Unter- drückung befreiten Europa weht! August Siemsen DEUTSCHE GENOSSEN JENSEITS VOM RHEIN Deutsche Genossen. jenseits vom Rhein, Wie wird euch jetzt zu Mute sein? Im Schützengraben für Hitler liegen Und wünschendass die Gegner siegen, Mit Bombenwürfen und Kanonen Die Kämvfer um Deutschlands Freiheit belohnen Und sterbend für jene, die euch getroffen. Mit letztem Atem den Sieg erhoffen . . . Deutsche Genossen, jenseits vom Rhein. Wie wird cuch wohl zumute seini? - Landsknechte einer feindlichen Sache, Rechtlos, das Herz voller Sehnsucht nach Rache, Von Himmlers Svitzeln und Henkern bedroht, Fügt ihr euch sinnlosem Opfertod. Deutsche Soldaten, jenseits vom Rhein, Wann werdet ihr euch und um befrei'n? ULI KOERBBR PARIS BEFREIT Die Solidaritätserklärung des Anderen Deutschland Die politischen Flüchtlinge aus Deutschland und diejenigen deutschen Einwanderer in den südamerikanischen Ländern, die nie mit dem Nazismus paktiert haben, geben ihrer herzlichen Freude über die Befreiung von Paris Ausdruck. Tausende von uns haben die Gastfreundschaft von Frank- reich genossen, als das Land, in dem wir geboren wurden, das erste Opfer des Verbrechers aus Braunau wurde. Tausende ha- ben sich der französischen Re- gierung zur Verfügung gestellt, als Frankreich überfallen wur- de. Für uns alle ist das Frank- reich der Menschenrechte eine zweite Heimat, wie es die zweite Heimat aller freiheits- und fort- schrittsliebenden Menschen der Erde ist. Wir ersehnen daher die völlige Befreiung Frankreichs ebenso sehr, wie wir die Befreiung Deutschlands ersehnen. Wenn alle Bastillen gefallen sind, werden wir unser Möglich- stes tun, damit Deutschland die zahllosen Verbrechen, die der Nazismus im Namen des deut- schen Volkes beging, wiedergut- macht und wir werden ohne Un- terlass für eine Verst1««^'^'"* des deutschen und französischen Volkes eintreten, ohne die der Frieden Europas nicht bestehen kann. Heute, da eine neue Bastille zu Fall gebracht ist, geben wir dem Wunsche Ausdruck, dass Frankreich die Fackel der Gro- ssen Revolution weitertragen und Europa helfen möge, die Postulate von 1789: Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit des Menschengeschlechtes zu verwirklichen. Der Sieg" der französischen Wider- standsbewegung ist vor allem ein Sieg der französischen Arbeiterbewegung, die die Seele des Widerstandes gewe- sen ist. Ueber Wesen und Wollen des „Maquis" geben die folgenden Botschaften Aus- kunft, die der bisher illegalen Presse entnommen sind und die für uns deut- sche Antifaschisten ein besonderes In- teresse haben. •'Combat* schreibt : Wir haben kein Vertrauen zu jenen Plänen, die mitten im 20. Jahrhundert Deutschland in viele Kleinstaaten auf- teilen wollen, wie das im Westfäli- schen Frieden geschah. Wir glauben auch nicht an eine romantische Wie- dererweckung der schwächlichen Wei- marer Republik. Ein föderiertes sozia- listisches Europa wird ein sozialisti- sches Deutschland einschliessen müs- sen. Wir haben nicht vergessen, dass die deutsche Widerstandsbewegung,die erste war, die sich gegen die Nazis er- hob und die von ihnen martyrisiert wurde. Wir haben Dachau nicht ver- gessen, und auch nicht die vielen so- zialistischen, katholischen und kom- munistischen Kämpfer, die „sparlos verschwanden". Wir werden Euch nicht vergessen, Genossen. Wir werden Eu- ren Kindern mithelfen, ein sozialisti- sches Deutschland zu errichten." ••IiMiisiirse", ebenfalls ein Blatt der So- zialisten : Millionen Franzosen aller arbeitenden Schichten beginnen sich zu fragen, ob der mystische Glaube in die Segnun- gen des Sieges grenügen wird, um die Befreiung zu sichern . . Es ist schon die Stunde gekommen, um den richtigen Pfad zu beschreiten, den Pfad, der sich öffnet zum Kamnf für die Verwirklichung der wirtschaft- lichen und ökonomischen Ansorüche, die Unterstützung der arabischen Be- völkerung Nordafrikas und den Aufruf an die deutschen Soldaten, der, wenn die kommunistischen, sozialistischen und Gewerkschaftlichen Arbeiter es wünschen, morgen erweitert werden kann zur Bildung eines Komitees euro- päischer Arbeiter als Vorspiel zur Neuschaffung der Internationale. — 4 — J. Alvarex Del Vayo: KEINE EINHEIT MIT FASCHISTEN! Der folgende Aufsatz des früheren spanischen Aussenministers den wir, leicht gekürzt, der newyorker „Nation" entnehmen, zeigt, das? die politische Linie, die D.A.D. vertritt, sich mehr und mehr Bahn bricht. Dass die Hauptfrage dieses Krieges die Vernichtung Hitlers ist. ist für je- den Antifaschisten indiskutabel. Als der lAiutor 1935 eine internationale Aktion ge^en Hitler forderte, auch auf die Ge- fahr hin, einen Krieg zu riskieren, rief dies einen Skandal unter seinen pa- zifistischen Gesinnungsfreunden her- vor. 1939 war das die Haltung jedes Antifaschisten. Weder das Argument, dass es sich ja um einen imperialisti- schen Krieg handle, noch die Anwesen- heit von Männern wie Chamberlain und Daladier in den Regierungen der Grossmächte, die die Tche choslo wa- tkei und Spanien verkauft hatten, konnten uns von unserer Lin-'e abbrin- gen. Hitler zu vernichten war, nach unserer Meinum?, die erste Aufgabe iedes Antifaschisten. Das ist auch heute noch unsere Auf- gaue. Die Erkenntnis, dass der Fa- schismus der Hauptfeind ist, liess uns unser Feuer auf Hitler konzentrie- ren, den aggressivsten, brutalsten und gefährlichsten unter den Faschisten. Im Kampf gegen ihn war jeder Al- liierte willkommen. Um Hitler und das, was er repräsentiert, zu vernichten schien kein Opfer in den Grundsätzen irgend e-oier antifaschistischen Partei zu gross. Im Interesse der Zusammen- arbeit unter den Linksparteien und den Sektoren der Mittelklasse, die den Faschismus hassten, ohne Sozialisten zu sein, mussten viele sozialistische Forderungen geändert oder für den Mo- ment zurückgestellt werden. So ent- standen de Volks-Fronten. Dasselbe Ziel inspirierte die ganze Politik der nationalen Einheit. Alber die Bereitwilligkeit, als Alliierte im Kampf gegen Hitler Gruppen ver- schiedenster politischer Herkunft an- zunehmen, musste schwinden, als die Gefahr bestand, dass infolge einer all- zuweiten Ausdehnung der Anti-Hitler- IKoalition die Scheidelinie zwischen Faschisten und Antifaszhisten ver- schwand. Wenn nationale Einheit in den Augen der wahren Antifaschi- sten Berechtigung haben sollte, so mit einer Begrenzung: sie durfte nicht zur Einheit mit Faschisten oder Helfern und Verbündeten der Faschisten füh- ren; sie durfte nicht ihr eigenes Ziel zerstören: Den Faschismus zu vernich- ten, überall und für immer. Heute sehen wir uns der Gefahr gegen- über, dass die Politik der nationalen Einheit, statt gegen die Faschisten ge- richtet zu sein, gegen die Antifaschi- sten gerichtet wud, die sich weigern, mit ihnen zusammenarbeiten. "Unita del Popolo". das Blatt der italienischen Kommunisten in New York, schleu- derte seine Schmähungen nicht gegen das Gefolge der kleinen "DucisV aus der Umgebung Marschall Badoglios, sondern reservierte seine schwersten Angriffe für den grossartigen alten an- tifaschistischen Kämpfer Ga-elano Salvemini, weil er d e neo-f aschisti- sche angio amerikanische Linie in Ita- lien bekämpft. Wenn die einzige Grundlage für den Ka.npf gegen den Faschismus — Kampf gegen Faschismus ist Kampf gegen den Tod — nicht schnell wieder hergestellt wird, kann die Politik der nationalen Einheit uns zu dieser grau- samen Paradoxie führen: Die Einheit wird hergestellt mit den reaktionärsten Elementen in jedem Lande, mit den Renegaten des Faschismus, und gleich- zeitig wird d:e Einheit von Gestern, die der wahren Antifaschisten, zer- brochen. Einheit, aufgebaut auf Be- friedigung der Rechten auf Kosten der Linken ist nicht d-e Einheit, die jetzt gebraucht wird, wo der Faschis nus auf den Schlachtfeldern zurückweicht und versucht, auf jede mögliche Wei- se weiter zu leben. Dies ist nicht die Einheit, die die fortschrittlichen Kräf- te in ihrem Kampf stärken kann ge- gen die Manöver verschiedener Aus- sen-Aemter deren höchster Wunsch es ist, Könige, Generäle und Politiker an der Macht zu halten, die, obgleich sie dem Faschismus halfen, als brauch- bare Instrumente zur Erhaltung der alten sozialen Ordnung betrachtet werden. — 5 — Ich weiss sehr gut, dass der Krieg incch nicht zu Ende ist. Aber kein Ereignis konnte mich davon abbrin- gen, dass eine klare, antifaschistische Linie d e beste Waffe in der Hand des Volkes ist. Nicht nur ist die Theo- rie falsch, die meint, dass um eines augenblicklichen militärischen Erfol- ges willen jede Konzession auf poli- tischem Gebiet gerechtfertigt ist und aib^esetien aavon, dass solche Taktik grundsätzlich zu verwerfen ist, vernei- ne ich hartnäckig, dass sie den End- sieg auch nur einen Schritt näher ge- bracht n-at. in Süditalien hat sie das italienische Volk nicht dazu angefeuert, die alliierte Offensive zu unterstützen. Kein Italiener, der den Faschismus Wirklich hasst, wird durch einen Auf- ruf. den Badoglio unterzeichnet, be- geistert werden. Wenn es eine Mög- lichkeit gab, die italienischen Massen zum Kampf gegen die deutschen Ein- dringlinge zu mobilisieren, war es die Unterstützung einer neuen, unkom- prc-m ttierten Führung statt des fa- schistischen Königs und seines Gene- rals. Dass diese Möglichkeit bestand, sagten wir mehrere Male auf Grund der Nachrichten aus Norditalien. Jetzt können wir eine grössere Autorität zur Unterstützung dieser These z'tieren. Em vom 20. Mai datiertes Communque des kommandierenden Chefs der al- liierten Streitkräfte in Italien gibt zu, dass die Patrioten im Norden sechs deutsche Divisionen binden. Das sind Italiener wie die des Südens mit ei- irem Unterschied: Sie bekämpfen die Deutschen und den Faschismus gleich- zeitig; die des Südens jedoch wurden durch die pol'tischen Fehler der Al- liierten gezwungen, Badoglio und den König zu akzeptieren. Die Widerstandsbewegung hat überall bewiesen, dass der Hass gegen Hitler und seine Invasionsarmeen die politi- schen Gegner von Gestern geeint hat. Aber die Widerstandsbewegung eir;gte nicht Antifaschisten mit Faschisten. N cht nur wäre ein Pucheu mit seinen blutigen Händen aus der Untergrund- bewegung ausgestossen worden, wenn es -richt schnell in Algier geschehen wäre, auch kein Journalist, kein Zivil- Beamter, kein Parlamentarier, der sich in der Zeit der "Kollaboration" oder vor dem Krieg auf die Seite des Faschismus gstellt hat. wäre je in die Widerstandsbewegung aufgenommen. Menschen, Die ihr Leben im Kampf ge- gen den Faschismus tägl-ch riskieren, wünschen keine reumütigen Faschisten in ihren Reihen. Was während des Krieges gilt, gilt ge- nau so für unmittelbare Nachkriegs- Periode. Ueberall werden Fasehsten und Kollaborat-onisten auftauchen, um die Politik der Nationalen Einheit aus- zunützen, wenn sie ihnen eine Chan- ce gibt, den Folgen der Volks-Justiz zu entgehen. Ueberall werden w.r sie nach Einheit rufen sehen, damit das Land schneller aufgebaut und dem "Chaos" ein Ende gesetzt, auf dass der Frieden in einer Atmosphäre der Ru- he und Versöhnung organisiert werde. Im Kampf zwischen Fortschritt und Reaktion kann aber keine Vorsichts- massnahme der fortschrittlichen Ele- mente zu gross sein. In einer gemeinsamen Erklärung des Erzbisohofs von Canterbury. William Temple, d s Vorsitzenden der Presby- terianischen Kirche Schottlands, John Baillie und des Vorsitzenden der Jo- elen Kirche Roy D. Whitehorn, heisst es: Wir dürfen nicht annehmen dass dia Niederwerfung der Tyrannei an sich schon dazu führen wird, Frieden, Wohlstand und Freiheit herzustellen. Die Vereinigten Nationen müssen ein für allemal die Drohung eines neuen deutschen Angriffs beseitigen und vol- le Wiedergutmachung der durch Na- zideutschland verursachten schreckli- chen Leiden sichern. Aber sie müssen Gefühle der Rachsucht vermeiden und di'rfen _ nicht d'e grundlegendsten menschlichen Rechte des ganzen deut- schen Volkes verletzen. Wenn Rach- sucht den Frieden diktiert, wird e- als ungerecht von späteren Generationen verworfen werden und ständig die Hoffnungen auf Frieden und Freiheit in Europa enttäuschen." P. Walter Jacob: CHARAKTERE "TIME" berichtet, dass es zwischen Richa.d Strauss und Hitler zu Diffe- renzen gekommen sei. Hitler habe von dem grössten Musiker des Dritten Rei- ches einen persönlichen Beitrag den "grossen vaterländischen Kriegs- anstrengungen" verlangt, indem er ihn ar lignch ersuchte, ei . e Reihe "Ausgebombter" in seinem Gar- misch- Parter.ikirchner Landhause auf- zunehmen. Richard Strauss habe mehr- mals abgelehnt, schliesslich in einem Antwcrttelegramm an den Führer fest- gestellt. dass ja nicht er — der Kom- ponist — diesen Krieg -angezettelt ha- be ! — Bs ist durchaus möglich, dass diese aus der Schweiz stammende In. tor ^aticn auf Wahrheit beruht, und vielleicht ist es auf diese Vorfälle zu- rüakzuführen, dass die Feiern zu Stnaussens 80. Geburtstag bedeutend w©.. iger lärmend und dekorativ waren als die zu seinem 70. und 75. Geburts- tag. Und es muss schon wirklich kri- tisch um die Naziherrlichkeit bestellt sein, wenn selbst Strauss, der immer und ewig "mit dem Strom" schwim- mende. eine solche "Provokation" sei- nes Führers wagt. 1915 wollte er be- kanntlich — zusammen m-t Gerhart Hauptmann — für Wilhelm II. eine Siegeshymne komponieren; 1918 war er dann flugs zur Hand, v.m sich in Deutschland und Oester- reich als der grosse Musiker der republikanischen Aera, der schwer un- ter dem früheren Hoftheater-Regi- me gelitten hatte, feiern zu lassen. Die Sache klappte so gut, dass Richard Strauss geradezu eine Diktatur im M*i- sik- und Theaterleben der We'marer Aera ausüben konnte. 1933 war er dann — von einem Tage zum anderen ^gleichgeschaltet" — erster Präsident der nationalsozialistischen Reichsmu- sikkammer. Er, den die jüdische Schwiegertochter, der halbjüdische En- kel nicht hinderten, seine Geschäfte mit den schlimmsten Antisemiten der Weltgeschichte zu machen, zeichnete als der Hauptverantwortliche für alle Schandtaten, die das Dritte Reich auf musiki3 lisch-kulturellem Gebiet beging. An seinem 75. Geburtstag, im Jahre 19^9. erklärte er wörtlich bei dem Ban- kett. das die Naziführer ihm im Wie- ner Hotel Imperial gaben: "Nur den einen Wunsch trabe ich noch, dass die deutsche Kunst immerdar unter dem. sicheren und starken Schutz des natio. naibuziaiisuscnen Reiches stehen mö- ge!" Heute möchte er den "Anschluss mietet veipassetn" und lässt im Ausland Mel- dungen über Die angebliche oder wirk- liche Provokation Hitlers verbreiten. Auch der Achtzigjähr ige will sich eben noch nicht zur Ruhe seteen, sondern an dem neuen "Friedensgeschäft" teil- nehmen. Wahrscheinlich liegt die "Symphonische Siegesmusik" längst fertig komponiert in seinem Schreib- tisch und wartet nur darauf, welche LNationalhyanne auf der letzten Seite eingesetzt werden muss. Auch ein anderer Barde des Drittes. Reichs versucht, den Anschluss an die Friede:.skonjunktur nicht zu verpas- sen: Wilhelm Furtwänglcr, Staatsrat von Görings Gnaden streckt die ersten Friedensfühler aus. Nordamerikanische Zeitscnrift&n kündigen ein sensationel- les B'uch "Musik ux-ter dem Nazi stie- le!" an. Verfasserin ist die frühere jü- dische (vielleicht auch nur "nichtari- sche") Sekretärin Furtwänglers, Fräu- lein Gftifsmar, die, nachdem sie, so- lange Goebbels es erlaubte, dem Mu- sikeuef des Dritten Reichs in den Jah- ren it#ub ois i935 die Auslandstourneen arrangierte, jetzt als "Emigrantin" in USA lebt. In ihrem Buch wird wohl gezeigt weraen, wie der gute "unpo- litische" Furtwängler nur aus reinem Idealismus, um "zu retten, was zu retten war", im Dritten Reich "aus- geharrt" hat, ja eine regelrechte Mär- tyrerrolle als Preussischer Staatsrat und konkurrenzloser arischer General- Musikdirektor gespielt hat. und wie es als Belohnung für diese reine, selbst- lose Opfertat nur eine einzige Prämie gibt: Ihn, sobald dieser Krieg zu En- de ist. nach New York zu holen und als "unipcHischen, grossen Künstler" an der Spitze der nordamerikanischen Or- chester zu begrüssen. Es bleibt zu hoffen, dass musikalische Autoritäten wie Toscanini und Fritz Busch es der Welt in die Ohren schreien werden, dass gesinnungslose Konjunkturritter, selbst wenn sie zu- fällig Künstler höchster Qualität sind, keine andere Behandlung verdienen als andere Mitläufer, Wegbereiter und Geschäftemacher der Firma "Drittes tteich"! Emil Ludwig stürzt sich wirklich in geistige Unkosten. Die "Erziehung" des deutschen Volkes liegt ihm am Herzen. Keine Woche, da er nicht — selbstlos wie er nun einmal ist — Vor- schläge zur Rettung und Erziehung der deutschen Volksseele nach Hitler macht. So hat er kürzlich in seiner geistreichen Art den Vorschlag ge- macht. in Deutschland auf 60 Jahre die Aufführungen der Wagnerischen Werke zu verbieten. On revient tou- jours ä ses Premiers amours! Der Wag- nerhass ist ein alter Kehrreim in der Publizistik Ludwigs. 1913 erschien sein ; Buch über "Wagner oder die Entzau- berten". ein grosses Feuilleton, in dem er . seine eigene Wandlung vorn Wag- nerianer zum "Entzauberten" darlegte. Es wäre in der Zeit der Wagner-Sucht, der:Bayreuth-Krankheit ein Tat gewe- sen, wäre das rein Sachliche in dieser Schrift, alle Zitate, alle mus kaiischen Angaben nicht so unsorgfältit?, so vol- ler Fehler g-ewtoen dass jeder Musik- und Literatur-Student sie mit dem Rotstift auf jeder Seite hätte anstrei- chen können. Immerhin, als Ausdruck einer neuen Zeiteinstellung gegenüber der Hoch- und Letztromantik Wagners hatte die Schrift trotz aller Ungenauig- fceiten und Fehler ihre Meriten. Die Zeit nach 1918 führte dann ja auch — gerade in Deutschland — weit weg von dem Bayreuther Kunst- ideal. Nach der geistigen und künst- lerischen Blockade des vorigen Krie- ges stürzte sich die musikalische deut- sche Nachkriess-.Tvgend mit Vehemenz kl die neue "Weltmusik", die nach dem Friedensschluss auch in Mitteleuropa Ihren Einzug hielt. Der Watmertaumpl, cf p w^gnerraserei schienen ein für allemal vorbei, bis der Nationalsozia- lismus das Erbe Wilhelms II. antrat und Wagner zum zweiten Male zur offiziellen Staatskunst erhob. Es be- steht wohl kein Zweifel darüber, dass das was die Nazis und ihre Kunst- bonzen in Wagners Werk sehen, eine Entstellung ist, dass sie alles, was schwach und allzu zeitgebunden an Wagners Werke war, hervorgeholt und zu teuer Scheingrösse aufgeblasen ha- ben. Es dürfte auch Ludwig nicht un- bekannt sein, dass T. Mann, G. B. Shaw und U. Sinclair, von ganz ver- schiedenen Voraussetzungen ausge- hend. zu dem Schluss gekormen sind, dass etwa im "Nibelungen-Ring" die erste sozialist sehe Oper zu er- blicken sei. Auch Ludwig dürfte wis- sen, dass die beiden Wa^ner-Enkel. die sich der Diktatur des Hauses Wahnfried nicht gebeugt haben — Richards Enkel Dr. Franz W. B eidler, der in Zürich lebt, und die Enkelin Friedelinde, die unter Toscaninis Schutz das Dritte Reich verlassen konnte und bei ihrem Protektor in USA weilt, wieder und wieder bekannt haben: "Wussten die Nazis, was in den Werken unseres Grossvaters steht, würden sie die Werke kennen und sich nicht nur oberflächlich an ihnen berauschen, sie hätten das Wagneri- sche Werk verbrannt, anstatt es zu ih- rer Staatskunst zu machen!"— Nun, über Wagner und sein Werk kann man höchst verschiedener Meinung sein, und sicherlich ist es aufs innigste zu wünschen, dass auf die Zeit des offi- ziellen nationalistischen Wagner- Kults eine recht gründliche Bas n- nung und Ernüchterung folgen möge. Aber ist dies mit einem 60-jährigen Verbot ä la Ludwig zu erreichen? Ist sich Ludwig darüber klar, dass man erstens ein grosses künstlerisches Werk nicht durch Verbote auslöschen kann (wir alle sind ja überzeugt, dass die Naziverbote das mit der verbrann- te- und verhrtpnen Kunst ebsn auch nicht vermocht haben), und dass zwei- tens ein sol hes Verbot, wie er es vor- schlägt, nur eine neue und viel schlim- mere chauvinistische Wagner-Renais Lance hervorrufen würde, also gerade einer neuen vernünftigen," historischen Betrachtung eines historischen Kunst- werkes entgegenarbeiten würde? Wag- ner als zweiter Barbarossa, als dei dem deutschen Volk vorenthaltene, eingesperrte National-Heros der ejnes Tages eine glanzvolle Auferstehung feiern soll, dieser neue chauvinistische Wagner.Mythus wäre der Erfolg des von Ludwig vorgeschlagnen Verbots! Im übrigen soll man als Schriftsteller v^cirhti,T rnjt derartigen geistigen Diät-Anpreisungen sein. Es könrte ie- mand auf den Gedanken kommen, alle die Diktatoren (inclusive Mussolini) verherrlichenden Bücher auf eir'ge Zeit, in den vom Faschismus gesäu- berten europäischen Ländern zu ver- bieten. Fenner Brockway: FORT MIT DEN GRENZEN Der bekannte englische Arbeiterführer schreibt zu den polnisch - russischen Grenzstreitig-keiten und der ''Ostpreussen-Pragre": Stalin verlangt nicht nur die Curzon- Uinie (eine Grenzziehung, die wahr- scheinlich von den Bewohnern des strittigen Gebietes gewünscht wird), sondern auch die östlichen Teile Ost- preussens mit Königsberg, um Russ- land die Beherrschung der Ostsee zu sichsrn. Churchill und Stalin rechtfer- tigen solche Ansprüche mit dem Hin- weis auf ''Sicherheit vor zukünftigen Angriffen." Dem muss man zweierlei entgegenhalten. Erstens: strategische Grenzen sind bedeutungslos geworden. Luftmacht, entscheidend im modernen Krieg, kümmert sich nicht um strats^ gische Grenzziehung. Zweitens: unge- rechte Grenzen führen zu neuem Krieg. Wer die Landkarte Europas nach strategisch-militärischen, nicht nach bevölkerungspolitischen Gesichtspunk- ten zieht, erlangt keine "Sicherheit"; er bekommt neuen Krieg. Ein anderer verhängnisvoller Punkt des Churchill-Stalin-Plans ist der Vor= schlag, Polen für das Land östlich der Curzon-Linie, das Russland bean- sprucht, durch Ueberlassung deutscher Gebiete zu "kompensieren". Man be- zieht sich dabei auf den restlichen Teil Ostpreussens, Pommern und Schlesien. Hier ist die Bevölkerung überall vor= wiegend deutsch. Wo bleibt da die At- lant i k-Charter? Churchill und Eden er- klären zynisch, sie solle auf Deutsch- land nicht angewandt werden. Chur- chill hat früher schon festgestellt, dass die Charter nicht auf das britische Weltreich angewandt werden soll. Wo dann? Und wo soll die Zerstückelung Deutschlands aufhören? Wenn Polen "Kompensierung" bekommen soll, wa- rum nicht Frankreich, die Tschecho- slowakei, Holland, Dänemark? Haben Churchill und Eden nicht daran ge- dacht, wie solche Pläne auf das deut- sche Volk wirken müssen? Die Deut- schen glauben nicht an den Nazismus, sie sind kriegsmüde, sie wissen, dass die Niederlage kommt; aber die An- kündigung, dass Deutschland aufgeteilt werden soll, muss ihren Widerstand neu entfachen. Die einzige Alternative diesen Nach- kriegsplänen gegenüber ist, die Verei- nigten Sozialistischen Staaten Europas zu schaffen. Dann wird die Sicherheit nicht von strategischer Grenzziehung, nicht von der Kontrolle durch ein oder zwei Grossmächte abhängen, sondern von der Zusammenarbeit der Völker im Interesse ihres eigenen Wohlerge- hens. Die Bauern und Arbeiter Schle- siens, Pommerns, Ostpreussens hegen keinen Hass gegenüber den Bauern und Arbeitern Polens oder Russlands. Sie wollen leben, die Früchte ihrer Arbeit geniessen, ihre Kinder unter menschlichen Bedingungen grosszie- ziehen .. . Die Alternative zu einem vergewaltigten Europa ist ein Europa der Zusammenarbeit, in dem Industrie und Landwirtschaft planmässig organi- siert werden, in dem vor allem die Ausbeutung durch Gutsbesitzer und Monopolkapitalisten abgeschafft ist. Gegenwärtig steht bis zu einem gewis- sen Grade jedes Volk mit seiner herr- schenden Klasse vereint einem andern, ebenso "einigen" Volk gegenüber. Aber in dem Masse, in dem der Krieg in die unvermeidbare soziale Revolution übergeht, wird der Kampf der Bauern um den Besitz des Bodens, der Kampf der Arbeiter um den Besitz der Fabri- ken kommen, und eine neue Solidarität der Massen wird entstehen. Aus diesem Kampf wird das neue sozialistische Europa geboren. Die Aufgabe der eng- lischen Sozialisten ist, die Arbeiter Englands zum Erwachen zu bringen, damit sie die eigene herrschende Klas- se daran hindern, die sozialistische Revolution in Europa zu ersticken. STREIFLICHTER AUS U. S A. Kriegsgewinne. Aus einem Bericht des parlamentari- schen Untersuchungsausschusses, Wa- shington : „100 Grossunternehmen be- kommen 70% aller Kriegsaufträge; der Anteil dieser 100 an der Friedens- produktiorx war nur 30%. 12 von die- sen Gesellschaften verdienten zehnmal so viel wie 1942, 18 dreimal so viel, 18 zwei bis dreimal so viel; 12 andere, die vor dem Kriege mit Defizit arbei- teten, verdienten je 1 bis 18 Millionen Dollar im letzten Jahr (alles nach Ab- zeug der Steuern)". Die Munitionsfirma „Western Car- tridge Company" hat mit viel schönen, patriotischen Worten bekanntgegeben, dass sie wegen „ganz besonders gün- stiger GeschäftsenWicklung" in der Lage war, die Preise herabzusetzen und der amerikanischen Regierung 20 Millionen Dollar wiederzugeben. — Die Firma verschweigt, dass einer Anzahl ihrer leitenden Beamten der Prozess gemacht wurde, da sie unbrauchbare Munition an die Armee geliefert ha- ben. Politische Unbildung: Eine Gallup-Be- frägung ergab folgendes Bild: 27 Mil- lionen Erwachsene in den Vereinigten (Staaten wussten nicht, dass die Japa- ner die Philippinen besetzt haben. 54 Millionen hatten niemals von der At- lantik-Charter gehört. 85 Millionen war unbekannt, was ein auf Gegen- seitigkeit beruhender Handelsvertrag ist. Weniger als die Hälfte aller Er- wachsenen waren darüber unterrich- tet, dass die Vereinigten Staaten nie- mals dem Völkerbund angehört hat- tne. Zweifellos ist die politische Un- bildung der Massen in vielen Ländern noch wesentlich grösser als in den U.SA. Ist es da zu verwundern, wenn sie ein leichtes Opfer politischer De- magogie werden? Verbrecherische Prüderie. Der durch seine Antinazi-Filme rühmlichst be- kannte Produzent Alfred Wanger hat- te auf Verlangen des Generalarztes R. A. Voncterlehr einen Kulturfilm zur •Bekämpfung der Syphilis herausge- bracht. Allein die Tatsache, dass die- ser Film die Billigung des Oeffentli- chen Gesundheits-Dienstes und des Amtes für Kriegs-Information erhielt, bürgt schon dafür, dass es sich nicht um einen billigen Sensationsfilm han- delt. Dennoch schrieb Monsignor Claf- ferty auf Veranlassung des Frzbi- schofs Spellman an den Direktor des Kriegs-Tnformation samtes: „Der Film steht im Widerspruch 711 der für die Filmindustrie aufgestellten Bestim- mung, dass „Sexualhygiene und Ge- schlechtskrankheiten nicht als Film- Thema dienen dürften". Der Beschwer- deführer klagte weiter darüber — un- ter Wiedergabe ein>es Briefes des Bi- schofs O'Hara, — „dass der Film die Amerikaner beleidige, gefährlich für die Gesundheit sei und eine Gefahr für die Keuschheit darstelle, da er kein Wort der Verdammung der Unkeusch- heit enthalte, die noch eine grössere. Geissei darstelle, als die Krankheit, die durch sie verbreitet werde". Prompt zogen daraufhin das Kriegs- informations-Amt und der Oeffentfi- che Gesundheitsdienst ihre Billigung zurück. Dabei soll der Film nichts wei- ter enthalten als eine nüchterne Auf- klärung darüber, welche Wirkungen die Syphilis hat, und wie man sie ver- hütet. Im übrigen wird in der ameri- kanischen Presse darauf hingewiesen, dass die vom Beschwerdeführer zitier- te Bestimmung für die Produktion von Kulturfilmen nicht gelte. 300.000 Mann von einem Zehnmillionen-Heer würden jährlich durch die Syphilis aktionsun- fähig gemacht. Die Bekämpfung die- ser Krankheit koste die amerikani- schen Steuerzahler jedes Jahr mehr alf= 100 Millionen Dollar. Nichtbestehcnde Zensur. Der Nachfol- ger Eisenhowers an der Mittelmeer- front, General Maitland Wilson, hatte bei Amtsübernahme ausdrücklich er- klärt, dass er keine politische Zen- sur ausüben werde. Dennoch versuch- te er, die Veröffentlichung eines brief- lichen Interviews Marschall Titos zu unterdrücken. Nachdem vorher zwei Kriegskorrespondenten schon von al- liierten Soldaten wegen des Versuchs festgenommen worden waren, nach Jugoslawien zu gelangen, wurde ei- nem weiteren die nötige Erlaubnis trotz wiederholter Einladung seitens Titos von den alliierten Zensoren ver- weigert. Nichts hinzugelernt. Fernand Gnenier, kommunistisches Mitglied der De Gaulle-Regierung, erklärte — im Ge- gensatz zu vielen seiner Kollegen — „die Menschen sollten nicht nach frü- heren Händlungen, sondern nach ihren augenblicklichen Taten beurteilt wer- den". Sollte G-renier wirklich noch im- mer nicht gelernt haben, dass nur ei- nes die Gefahr von Spitzelei und Sa- botage seitens „bekehrter" Quislinge verhindert, nämlich die Prüfung, wie weit ihre frühere Haltung eine Gewähr für ihre „Bekehrung" gibt? Dass Gre- nier auf solche Prüfung verzichtet, wird allerdings verständlich, wenn man sich seine weiteren Aeusserungen vor Augen hält: „Vor dem Kriege und in der ersten Kriegszeit waren viele von uns zuerst Kommunisten und erst in zweiter Linie Franzosen. Jetzt sind wir zuerst Franzosen und in zweiter — 10 — Linie Kommunisten". „Tim-e" sagt zu Greniers Erklärungen: „Hier wie an- derswo nähert sich das, was einmal die kommunistische Linke war, im- mermehr der Rechten an." Und wieder einmal die Neger. Leary Constantine, einem berühmten Crik- ketspieler, wurde der Zutritt zum Im- perial-Hotel in London verweigert mit der Begründung:, „Wir wünschen hier keine Neger. Der von ihm verklagte ■Hotelbesitzer wurde daraufhin zur Zahlung der gesetzlich zulässigen Höchststrafe verurteilt. — Auch das Harvey House Restaurant in El Paso, DAS GESICHT DER ZEIT Eine Nerven - Frage. Der Stuttgarter KS- Kurier schrieb vor einiger Zeil in einem heute nur allzu aktuellen Leitartikel folgende:: "Eine Menge Fragen werden täglich in Restaurants Zügen, Büros und Fabriken in. dass die allzu häufig an der Nase herumse. einer Stadt des nordamerikanischen Staates Texas, weigerte sich, Neger- soldaten warmes Essen zu verabrei- chen. Das schönste daran war, dass die abgewiesenen Negersoldaten beobach- ten konnten, wie Nazigefangenen ge- mütlich ihr Essen in demselben Hotel einnahmen, das amerikanische Staats- bürger abwies, die ihr Blut für ihr Va- terland im Kampf gegen eben jene Na. zis vergiessen sollten. — Erst vor kurzem wurde die erste schwarze Fall- sehirmabspring-er - Formation zusam- mengestellt. 70 Prozent der Negersol- daten werden zu Hilfsarbeiten ver- wandt. führten "Volksgenossen" immer noch ©her astrologischen Schwindel als amtliche Berichte für glaubwürdig halten? Nazis bestätigen die "jüdische" Theo- rie von Freud. Ein im Zuge des Ver- wundetenaustausches in die Heimat zu. rückgekehrter Engländer berichtet über seine Ersah r :ngen in deutschen Gefangenlagern, dass die Engländer "einen riesr^en Vorteil vor den Ge- fangenen anderer Nationalitäten ha- ben — sie erwarten, gut behandelt zu werden..... sind ehrlich erstaunt und empört, wenn man sich nicht um sie bemüht wie um geehrte Gäste... Ihre Lebenshaltung in Bezug auf Er- nährung. sanitäre Verhältnisse und Beauemlichkeiten ist so hoch ur.d ihr Erstaunen sowie ihr Widerwille, wenn man von ihnen eine A-npassun» an ei- nen niedrigen Standard verlangt, si^d °o unverhohlen und selbstver- ständlich. dass die Deutschen be- schämt sind und Verbesserungen ein- führen, um nicht zu zeigen, da«? ihre eigene Lehenshaltung niedrirer ist. Es ist den Deutschen ganz unmöglich, gegenüber dem ungewollten Selbstbo. wucctc.om der Engländer, die unemp- fänglich für den Gedanken der deutschen Ueberlegenheit sind und ihn nur für äusserst spas-ig 'holten, irgend- etwps von ihre r Herrenvol^-Unsinn aufreehtzuhalten." Zeigt sich hier nicht wieder einmal, wie die Theorie der "völkischen Uebevipp-enheit" nichts weiter als die Verdrängung von In.fe. rinritstfi-Oefühlen Hitlers und seiner Leute sind, die zufammen-klü^e". sn. f.oici pio a,vf den AA/iderstanri nnd die Verachtung innerlich gefestigter Men- schen stossen? — 11 — Das demokratische Europa im Die belgische Reaktion bemüht sich seit langem, den faschistenfreundli- chen Konig reinzuwaschen und ihn .mit dem Glorienschein des Helden und Märtyrers zu schmücken. Dadurch will sie eine Diktatur Leopolds und einer reaktionären Regierung vorbereiten. Die illegale Arbeiterzeitung "De Wer- iker" enthüllt diese Pläne, stellt fest, dass sogar Kollaborationisten und Hochverräter an diesen Machenschaf- ten beteiligt sind, und erklärt namens der illegalen Kämpfer, dass es nicht gelingen w^rd, auf diese Weise die von den Volksmassen den Privilegien der Besitzenden drohenden soziale und po- Jitische Umwälzung zu verhindern. * Gegen die gleichen Absichten der Kö- niglich Holländischen Exilregierung steht die holländische Widerstandsbe- wegung im Kampf. Nicht r.ur, dass ei- ne grosse Anzahl holländischer Per- sönlichkeiten in London öffentlich protestiert haben, sondern auch d-e ganze illegale Presse, vom linken "Het tParool" bis zum rechtsstehenden ■"Vrij Nederland" sagen den königli- chen Plänen nach Aufschub der Wah- len Kampf an und verlangen sofor- tige Wahlen nach der Befreiung. Die mandatslosen Exilregierungen könnten nicht so frech ihre reak- tionären Ziele proklamieren, wenn .sie dabei nicht den starken llücik- halt der englischen Regierung- hät- ten. Dass auch die englische Arbei- terschaft auf der Hut ist, zeigt der Artikel Fenner Brockways ans S'. 9 dieser Nummer, und die Aeusse- rung Harold Laskis auf Seite 21. * Der griechische Antifaschist Basil Vlav-ianos berichtet (in "Nation") in- teressante Enthüllungen über den er- folgreich abgeschlagenen Versuch der griechischen Reaktion. Dabei kommen bemerkenswerte Enthüllungen über die "Meuterei" der griechischen Truppen im Kairo ans Licht. Der Verlauf war so: August 43 kamen prominente Ver- treter der griechischen Untergrundbe- wegung und der Parteien nach Kairo, um statt der alten, halbfaschistischen eine Koalitionsregierung und die Er- klärung des Königs zu fordern, dass er nicht vor einer Volksabstimmung über die Regierungsform nach Grie- chenland zuruckkenren werde. Darauf wurde die Delegation von den briti- schen Behörden festgesetzt und unter aemutigenaen Umstanden nach Grie- chenland zurückgeschickt. Die briti- sche Propaganda hat den Lügenfeld- zug der griechischen Exilreg erung ge- gen die griechischen Freiheitskämpfer weitgehend unterstützt. Mehr als 4.C00 griechische Offiziere und Soldaten sind jn Kairo in ein Kon- zentrationslager gesteckt worden. Als hunaext höhere Offiziere und Zivi- listen erneut die Bildung ei:: er natio- nalen Regierung gefordert haben, hat Ministerpräsident Tsouderos sie verhaf- ten lassen. Vlavianos schliesst: "Das war die Atmosphäre, in der die "Meuterei" ausbrach. Sie wurde von Leuten unternommen, die gegen Mus- solini und Hitler gekämpft hatten, die tapfer den Abzug der britischen Ar- mee gedeckt hatten, und die nach Ae- gypten gekommen waren, um ihren Freiheitskampf fortzusetzen. Sie um- fassten mehr als 60% des Heeres und fast die ganze Fiotte; Admiral Ale- xandres selbst stand an ihrer Spitze. Viele von ihnen wurden getötet; sehr viele von ihnen sind jetzt im Konzen- trationslager und warten auf den Ur- teilsspruch Churchills! Der hat inzwischen für einige auf Tod gelautet. Aber Churchill hat doch die «Regierung Tsouderos, die Fortsetzung der früheren biutbeladenen, volks- feindlichen Diktaturregierungen, nicht retten können. Ein Sozialdemokrat hat Tsouderos ersetzt. Und inzwischen kommen Nachrichten über die Ueber- windung der inneren Gegensätze in Griechenland selbst. Sollte die Empö- rung über das Vorgehen der König- lich-griechischen Diktaturregierung und Churchills diese Einigung herbei- geführt haben, so hätten schlechte Absichten wieder einmal Gutes ge- bracht. — 12 — Kampf um eine bessere Welt "Daily Express" (eine dem konservati- ven Lord Beaverbrook gehörende lon- doner Zeitung, die eine tägliche Auf- lage von 3.000.000 Exemplaren imt) führte unter seinen Lesern eine Um- frage durch, in der über Privatunter- nehmen und Sozialisierung zu ent- scheiden war. 2/3 der Beantworter for- derten die Sozialisierung der Bergwer- ke. 59% die der Eisenbahnen. Da 39% der Beantworter sich als konservati- ve Wähler bezeichneten, ist anzuneh- men, dass Soizialisierungsiimssna'hmen heute selbst den Nachläufern der Kon- servativem annehmbar oder unum- gänglich erscheinen. "Daily Express" und Lord Beaverbrook sind über ihre Leser enttäuscht. Das Studienkomitee der "Fabian So- ciety", der führenden Gruppe soziali- stischer Theoretiker in England, be- kämpft die zum Wiederaufbau Euro- pas von den Grossmächten geschaf- fene UNRRA, we:l es "Misstrauen hegt gegenüber jedem Projekt, das haupt- sächlich von -denjenigen kontrolliert wird, die den Privilegien der Grossen Interessen verpflichtet sind und ihnen dienen." -x- Dass auch die polnischen Arbeiter auf der Seite des Fortsehritts zu finden sein werden, ging aus der Erklärung hervor, die Älojzy Aäamczyk, der De- legierte der polnischen Arbeiter auf der Tagung des I.A A. in Philadelphia, abgab. Es heisst darin: "Das Schicksal aller Nationen ist heute unlöslich miteinander verbunden. In- ternationale Sicherheit, Demokratie, Prosperität und soziale Gerechtigkeit können nicht voneinander getrennt werden. Es gibt nur eine Welt, und es kann nur eine Freiheit geben für gros- se und kleine Nationen. Wir körnen keinen dauerhaften und harmonischen Frieden unter den Nationen schaffen, ohne den arbeitenden Massen der Welt einen angemessenen Lebensstandard zu garantieren. In der heutigen Welt soll- ten wir weder kle;ne isolierte Staaten noch grosse isolierte Interessenspären der Weltmächte dulden. Das Erstere führt zu einer schnellen sozial-ökono- mischen Katastrophe, das andere ist die Ursache eines neuen Krieges. Der einzige Weg zu dauerndem Frieden ist der Zusammenschluss der Welt zu einer universalen Organisation, die sich aus regionalen Bundnissen zusammen- setzt! •x- "In der Widerstandsbewegung sind die stärksten Bataillone aus Arbeitern zusammengesetzt. lAm der Spitze des illegalen Kampfes stehen jene Arbei- ter, die e;lüllt sinöt imit den edlen Ideen, de die gewerkschaftlichen po- litischen und kulturellen Arbeiter- Or- ganiationen durch drei Vierteljahr- hunderte hindurch in der ganzen Welt verbreitet haben. Sie Insten Wider- stand. Sie führen hre Kameraden zum Widerstand im Sinne der iPxinzipien der Welta: heiter-Bewegung. Sie kämp- fen für Freiheit gegen den Kapita- lismus, für Gleichhe t gegen Rassen- unterschiede, für Brüderlichkeit gegen Nationalismus. Sie erhoffen un$ er- kämpfen eine Welt, in der alle Völ- ker frei lund gleich ihren gemeinsa- me mateicllen moralischen, spötti- schen rnd kulturellen Fortschritt er- streben." Diese Worte, die der Internationale Gewprkschaftsbund an die Arbeiter. Schaft der ganzen Welt richtet, sehlies- sen die deutschen Arbeiter nicht aus. Zahlreiche Meldungen aus Deutsch- land, die der von Goebbels kontrol- lierten Presse entnommen sind, be- weisen, dass in Europa Tausende von deutschen Arbeitern bereits die Ein- heitsfront mit den ausländischen Ar- beitern im Kampf gegen den Faschis- mus geschlossen haben. Die französi- schen und amerikanischem Nachrich- tenagenturen berichten, dass an den Befreiungskämpfen der Widerstandsbe- wegung in Frankreich neben Franzo- sen manische Antifaschisten und deutsche Arbeiter teilnehmen die aus dem Heere Hitlers davongelaufen s'nd. Das Heer derer, die für den Fortschritt [kämpfen, ist auf dem Marsch. Schwere Kämpfe stehen ihm noch bevor. Aber schliesslich muss der Sieg ihm doch gehören. — 13 — Ulrich Becher: DER GROSSE GROSZ UND EINE GROSSE ZEIT IV. (SCHLUSS) „Und sie beteten den Drachen an, der dem Tier die Macht gab, und beteten das Tier an und sprachen: Wer ist dem Tier gleich, und wer kann mit ihm kriegen? Und es war ihm gegeben ein Mund, zu re- den grosse Ding-e und Lästerungen." Offenbarung Johannis 13. In seinem in England erschienenen Buch "Ich war ein Deutscher" (vgl. auch Prof. Graibel "Zehn Jahre Mord") zitierte Ernst Toller einen münchner Ar- beiter, cer 1919 zusammen m't dem Schriftsteller Gustav Landauer — einem der feinsten Köpfe der Revolution, den die Synthese Urchristentum - Sozia- lismus erfüllte, Verfasser eines geis'.vo len Werkes über Shakespeare —ins Gefängnis Stadelheim verschleppt worden war und Landauers Ermordung im Hof des Frauengefängnisses mitansehen musste: "Bayrische und württem. bergisßhe Infanterie führte ihn aus dem Verhörzimmer in den Korridor. Ein Offizier hieb ihm ins Gesicht, die Soldaten brüllten: "Machen wir Schluss mit der Judensau!" Unter einem Hagel von Kolbenstössen wurde er in den Hof hin untergetrieben. Zu den auf ihn einschlagenden Soldaten eagte er: "Ihr nennt mich Verräter? Ne'n, ich habe euch nicht verraten. Aber ihr Ar- men. ihr wisst nicht, wie fürchterlich ihr verraten werdet." Baron von Gagern trat auf ihn zu und schlug ihm mit einer Stahlrute auf den Kopf, bis er zusammensank. Er richtete sich noch einmal auf, versuchte, zu spre- chen. Da legte e n Soldat an und schoss ihn durch den Kopf. Er atmete noch, aber der Schütze sagte: "Die Blutsau hat neun Leben; kann nicht mal ster- ben wie ein Mann." Da brüllte ein Unteroffizier der Leibgarde: "Zieht ihm die Jacke aus!" Sie rissen ihm die Jacke ab und wälzten ihn auf cen Bauch. "Alles zurücktreten! Wir werden das Aas schon kleinkriegen", schrie einer, legte an und schoss ihm in den Kücken. Da Landauer noch immer konvul- sivisch zuckte, trampelten sie mit ihren schweren Schaftstiefeln auf ihm herum, bis er tot war. Dann zogen sie die Leiche nackt aus und warfen sie ins Waschhaus." Sozialdemokrat Nocke aber, erster Wehrminister der We'marer Republik, telegraphierte an General Ritter von Epp, späteren Groscwürden träger der Nazipartei: "Bin von diskreter Weise und durchschlagendem Erfolg, womit Sie Operationen in München geleitet, ausserordentlich befriedigt. Bitte Ih- ren Truppen me'nen Dar.k auszusprechen." 1932 überfielen fünf SA-Männer des oberschlesischen Ortes Potempa zu Stimmen zu Deutschlands Zukunft LEOPOLD SCHWARZSCHILD UND WINSTON CHURCHILL. — Leopold Schwarzschild, der frühere Herausge- ber von „Das Tagebuch", hat in zwei Büchern — „Die Welt Im Trancezu- etnnd" und „ABC der kommenden Welt'' — die These Vansittaits von dn erblichen Verworfenheit und Gewalt- tätigkeit des deutschen Volkes ver- treten, das deshalb mindestens 50 bis 60 Jahre lang von 600 OOO Mann be- setzt werden und unter strengster Kontrolle gehalten werden müsse. Während H. G. Wells diesen wildge- wordenen intellektuellen Spiessbiirger In ausgezeichneter Formulierung als »oberflächlich intelligent und wesent- lich dumm" („superficially intelligent and massively stupid") charakterisiert, hat Churchill den Wunsch geäussert, dass alle englischen Minister und die Premierminister der Dominions Schwarzschild lesen möchten. (Time. U4. 7. 44). EIN RUSSISCHER ANTRAG. — Laut ,,Sunday Observer" hat Russland bei der „Euronian Advisory Commission'' den Antrag gestellt, die gesamte deut sehe Armee nach ihrer Kapitulation zum Aufbau der verwüstteten Gebie- te zu verwenden. Das sei von den an- deren Regierungen abgelehnt worden. < "Aufbau", 12. 5. 44). — 14 — nachtschlafener Zeit das Haus des Arbeiters Pietrzuch, rissen ihn aus dem Bett und zertrampelter ihn mit ihren schweren Schaftstiefeln vor den Augen seiner Familie. Noch war das Recht in Deutschland n cht erloschen, ein letz- ter Schrei der Empörung zitterte durch die Massen ob dieser feigen Greuel- tat. drum wagten es Richter der Republik, die fünf Mörder zum Tod zu ver- urteilen. Der Chef der Nazipartei aber, die apokalyptische Revolverschnauze, telegraphierte an die Meuchelmörder: "Kameraden, fühle mich euch in un- verbrüchlicher Treue verbunden." (Das Urteil blieb selbstredend unvollstreckfc: Hindenburg begnadigte die Täter. Nach der "Machtübernahme" wurden sie im Tr umphzug aus der Haft geführt und von ihrem dankbaren Führer mit pfründigen Stellen belohnt.) Zwei Republikaner, totgetrampelt. Zwei Telegramme, die Anfang und Ende einer Republik umschlossen, ein Ende, das im Anfang lauerte... Auch Grosz hatte seinen Kampf verloren. Nachts schrillte das Telephon sei- ner Wohnung, Trautenaustrat.se. Er nahm den Hörer ab. "Pass' auf, du Ju_ densau", schnarrte eine Stimme, "morgen kommen w r und ki len dich und deire ganze Brut!" (Grosz ist Nidhtjude.) "Kommt nur, ihr arischen Ban- diten", erwiderte der Arier Grosz; "kommt nur zum Juden Grosz. Er hat zwei geladene Pistolen, seine Frau hat auch zwei. Kommt nur, ihr Kacke?; ihr werdet was erleben." Das zog. Niemand kam. Aber wenn er sein rosiges Atelierchen betrat, deuch- te es ihn grau. Aber wenn er das Fenster zum Hof öffnete, dröhnte es ihm aus zwanzig Lautsprechern entgegen, cas Gebelfer der apokalyptischen Re- volverschnauze. Da stand es nun, das herrliche, mit einem gereimten Segens- spruch gezierte Prunkr.achtgescil.irr, drin er nach getaner Arbe t bedächtig die Pinsel zu reinigen pflegte, in die Schau seines Werkes versunken; da stand es unberührt, und unberührt der Pinselwald. Lein kleiner Werkp.atz war ihm fremd geworden. Ur.d fremd die Strassen Berl ns, da er geboren, "die- se Häuser, die wie versch.ossene Kommoien" waren und jetzt widerhallten vom Stechechritt einer Jugend, welche sich erniedrigt hatte zur Prätorianer, garde des Tiefentiers. Da mahnte ihn sein Jugendsehnen: Ferne überm Meer. D.e Mississippiweisen, die den extravaganten Jüngling berauscht, klimperten sie nicl:t süss lockend und sehr verheißungsvoll in die wiedererstehende Ka- serne Deutschland, über die neueröffneten Exerzierplätze des Völkertods? Er eilte nach New York, packte das Angebot, einer Malschule vorzustehen hetzte zurück, Frau und Kinder zu holen. Kaum hatten sie die Heimat verlassen, ward die Kaserne geweiht. Der Führer und Reichskanzler liess George Grosz als Deutschlands "Kulturbolschewisten Nr. 1" anprangern. Eine seiner ersten Amtshandlungen war der Befehl, aLe Groszbilder aus den deutschen Museen zu reissen, sämtliche Druckplatten der Groczbücher zu vernichten. Jawohl, der Exgendarm von Hindenburghausen ordnete polizeilich ein neudeutsches Kunstempfinden an, denn er verstand was von cer Sache, er war selber Künstler (im Nebenberuf). Ene "Reichskulturkammer" ward gegründet. Eine ihrer Hauptstützen. Professor Max Zaeper, Intimus des Führers — er maite seine Bilder feuersicher auf Asbest, auf dass sie den geplanten totalen Krieg auch sicher überdauerten — erklärte in der Berliner Kunstakademie: "Van Gogh — undiskutables Zeug. Kerl hat Kohlköpfe gemalt, bis er verrückt ge- worden iLt." So ward Grosz e'n "Dämon neuyorker Vorstadt". Mit allem, was je an Frei- em, Grossem, Kühnem geträumt, gesungen, gebildet worden, verfiel seine Schöpfung dem neu deutschen Autodafe. Villon, Spinoza. Van Gogb, die F.am- menherzen der Jahrhunderte begleiteten ihn in die Verbannung. Am 10. Mai 1933 verbrannten seire Bücher nebst denen Moses Mendelssohns, Heinrich Heines, Marx', Lassalles, E nsteins, Freuds, Romain Rollands, Barbusses, Gor- kis, Thomas Manns, Ernest Hemmingways auf Deutschlands öffentlichen Plät- zen unter dem Jubel ze otischer Heloten zu Asche. Grosz stand am Strand von Long Island, schnupperte über den Ozean, witterte den Tausende Mei- len fernen Ruch des Brands. Wusste um sein Fortzüngeln, schnupperte den — 15 — grossen Brand voraus, der drausknattern, in dem Europa und die Welt auf- lohen würde. "Ich schnuppre Unheil", sprach er zu den Wellen. So ward er ein Dämon der Vorstadt, der Vorstadt des Lebens und der Zeit; ja, für jene, die ihn als Kämpfer gekannt, verflücht gte er sich in einen un- wirschen Geist. Seine provisorische Lossagung vom Kampf des Jahrhunderts hatte abgründige Hintergründe. Jene, die zur Zeit des Kaiserreiches und der Bepublik unerschrocken-unermüdlich gegen die grause Hybris gefochten, die angeklagt, bekannt, prophezeit-und Zeugnis abgelegt hatten, wurden von der Wirklichkeit übertölpelt. Wie schonungslos, wie seherisch sie auch den deut- schen Faschismus entlarvten, er war gründlicher, seine totale Gemeinheit über- trumpfte all ihre Prophetie, spottete ihres Kampfs; sie waren ausgepumpt, er.edigt, "foutus". Der Kämpen einer, Tucholsky, entleibte sich darob in Schweden, andre, wie Mühsam, wurden in den Konzentrat onslagern zu Grabe gefoltert. Grosz war entronnen; seine Würde machte ihn fürchten, als ein mit der Dornenkrone des Märtyrers verzierter Don Quijote zu gelten. Er ver_ gass, dass die Träger der Wahrheit nicht nur der Gefahr spotten müssen, ge- kreuzigt zu werden — auch der Gefahr, sich lächerlich zu machen, "foutu" zu sein, als heillose Narren verschrien zu werden. Vergrübelt suchte er die Mitursache des verlorenen Kampfs in sich und seinesgleichen. Er bezichtigte sich: "Mein früher Ruhm war unverdient; ich bin masslos überschätzt wor- den!" Der Lauf der Dinge belehrte ihn, dass sein und seiner Mitkämpfer Werk nicht in die deutschen Massen gedrungen, lediglich einer umschränkten und, wie s'ch erwiesen: einflusslosen Schicht linksbürgerlicher Intelligenz zugäng- lich gewesen war. Er machte dafür — zu Unrecht! — sich selbst verantwort- lich, begann Lein einzigartiges Werk zu missachten. "Die alten Griechen", schrieb er mir, "ein weises und massvolles Volk, verw esen den Karikaturisten (Schmutzzeichner) mit Recht auf einen hinteren Platz. Propaganda machen, die Massen mit zuckrigen Phrasen bedienen, das können Leute ohne "Herz" Ariel besser als wir beressnen Künstler." Er vergass, dass Leute mit "Herz" und "besessne Künstler" ausserhalb Deutschlands ungeheure propagand sti_ sche Wirkungen gezeitigt: dass Dickens mit seinen "Pickwickiern" zur Ab- schaffung der englischen Schuldgefängnisse, Harriet Beec^er.Stowes "Onkel Toms Hütte" zum amerikanischen Bürgerkrieg be gesteuert, dass Gottfried Kellers Preiheitsr änge emporschwangen bis in die entlegenste schweizer Berg- bauernhütte, dass Emile Zola nicht allein durch sein Auftreten im Dreyfus- Prozess die öffentl che Meinung Frankreichs mächtig und fortwirkend auf- gerüttelt hatte. Grosz vergass es, weil er ein Deutscher. Er hatte den Mil- lionenerfolg eines Frieden? buches verpuffen sehn in Kriegsbegeisterung. Wel- chem Künder der Menschenwürde, der freien Persönlichkeit, des ewigen Frie- dens gelan°r es b sher, auf die Deutschen wirklich und fortwirkend Eindruck 5U üben? Keinem! Sie haben — bislang — von ihren selbstgewählten gros- sen Vernichtern nichts gelernt, geschweige denn von ihren grocsen Errich- ten]! Goeihe, ich sage es, ist ein erfolgloser Autor in Deutschland, und die zaih lloren Goethegesellschaften sind eine von Kulturspiessern aufgeführte Tragikomödie. Nicht nur "Kulturbolschewisten" wie Grosz wurden dortzu.and mit unflätigen Beschimpfungen belegt. Einem jetzt als Flüchtling in Rio le- benden Katholiken brachte man um die Jahrhundertwende auf dem Gym- nasium zu Köln das Verslein bei: "Goethe und Heine — Das sind unsre Schweine". So floh Grosz Europa, seine Vergangenheit, die Politik und sein Werk. Die wüsten Kämpfe des letzten Jahrzehnts haben den unpolitischen Menschen begraben. Sei gleich sein höchstes Ziel, der Menschheit die Ueberwin- dung der Politik zu erringen — der Mensch dieser Tage muss Farbe be- kennen; das sind die Tage, wo "die Lauen ausgespien" werden; und der vor zwanzig Jahren die "Betrachtungen eines Unpolitischen" schrieb, Thomas Mann, ist heute ein Rufer im Streite. Grosz floh in die Vorstadt des Lebens, des Lebens, das heute unlöslich ver- fallen ist dem Strudel der weltöffentl'chen Dinge, und spielte den frischge- backenen Unpolitischen. Er suchte damit sich selbst und die anderen zu — 16 — täuschen: in Wahrheit schlug sein Herz den Geschehnissen entgegen so heiss wie eh und je. Aber er hatte der grinsenden Tode zuviele gesehn und erhascht und konterfeit. Der fre e Mensch denkt mehr ans Leben als an den Tod (Spi- noza); er wollte frei sein, leben. Er verliebte sich in Amerika, vielmehr: er verwirklichte seine platonische Jugendliebe. Er verkroch sich nach Cape Cod, Massachusetts, ging andächtig den Formen und Farben der haushohen Land- dünen nach, dazwischen portugiesische Fkcherhütten nisteten, den Zyrrus. wolken, den "fast japanischen" Wellen. Er malte New Yorks Wolkenkratzer zur heroischen Landschaft verklärt, beschriftet mit Zitaten aus Walt Whit- mans Hymnen auf die Demokratie, wie: "Die Vergangenheit war gross. Die Zukunft wird grösser Kein". Er verkaufte seine Oelgemälde ans Metropolitan Museum, ans Museum of Modern Art. ans Whitney Museum. Erhielt den Blair-Pre's, die Beck-Medaille und ein Guggenheimstipendium, das ihm Auf- gabe seiner Lehrtätigkeit, vollkommene Konzentration ermöglichte. Grosz- bilder hingen in Paris', Wiens, Prags und Amsterdams Museen, Groszaus- stellungen zogen um die Welt, von London bis Honolulu. "Ich lebe wie ein m ttelalterlicher Malersknecht im Weinberge des Herrn", schrieb er inir (ein amerikanischer Kritiker hatte ihn den grössten Zeichner seit dem Mit- telalter tituliert). Er ward amerikanischer Bürger, nie sprach er seinen Söh- nen von Europa. "Ich glaube", erläuterte er sich seinen Landsleuten, "ich war ein bisschen krank in Deutschland..Krank vor Hass. Hier bin ich ruhiger. Ich kann des Sommermorgens ganz still in den Dünen sitzen, ein kleines Dankge- bet auf den Lippen." In den Nächten indes begann seine "Antenne für das UnheT' zu funktionie- ren. "Ich hörte Europa", sprach er, einsam gehend, zu den Weilen des Oze- ans, „ich höre Tausende Meilen fernes Angstges hrei, wittre fernfernen Brand- und Blutgeruch." Er hatte den Münchner Völkerverrat vo^ausgewusst, teilte mir ein Jahr vordem mit, dass derlei sich ereignen werde. "Ich seihe euch armselige Lämpchen dort drüben, me'ne Freunde, verloren in trostloser Fin- sternis." Und als, mit der Besetzung Prags, die Völkerunterdrückung in Euro- pa anhob, als die Ereignisse, einander über jagerd, in den zweiten Krieg stürz- ten, war für den mühsam gezügelten Vorstadtdämon kein Halten mehr: er breitete seine dunklen F ttiche, flog des Nachts über die Meere, das Leid zu sammeln, die Not, die Tücke und den phosphoreszierenden, Hass; der alte 3rosz erstand. Er begann seine "Höllenbilder" zu malen (diesmal in Gel): Men- schen, kauernd in bombenzerfetzten Häusern. Schmerz, zum Wahnsinn ver- zerrt. Von blutigen Bränden grellende Nächte. B'utüberrchwemmte Gefäng- niszellen, leergähnende ("sie haben wieder einen totgeprüge't, die Nazis", er- klärte Grosz einem Besucher mit sachlichm Ernst; "die Leiche haben sie grade rausgeschleppt"). Ratten, Ratten. Endlose Züge an Sklaverei und Krieg Verblödeter, Irrer, die auf von Skeletten gefügten Strassen ins Nichts mar- rcheren. Bildgewordener Tritt von Millionen, dem wir schon einmal lausch- ten, gesteigert ins Ganz-Visionäre, Ganz-Apokalyptische. Ohnegleichen verflucht worden ist der Mann Grosz im Lauf seines Tags, Von der deutschen Reaktion und den Muckern. Später, im Exil, von einem Teil derer, die ihn vordem vergöttert; einen Emigranten, der ihn besuchte und "Verräter" schimpfte, warf er, seiner grossen Gartfreundlichkeit plötz- lich verlustig, durch die Haustür stracks in den grade von Flut bespüPen Sund. Viele frugen, warum sein Werk so "böse" sei, so lichtlos unfreundlich, von rchne'dender Kälte durchschauert; warum ihm Daumiers oft herzhaftes Lachen feh'e. Antwort: So gemein war nicht Daumiers Frankreich; so ge- mein war nicht Daumiers Jahrhundert. Der Mensch stand noch nicht — noch nie — so verstört.verroint, so grössenwahnsinnig-argstzerfressen, so verbost und verdummt vor dem schwankenden Turme Babel, den er selbst errichtet. Ist der babylonische Turm zu Schutt und Asche gestürzt, werden die Spra- chen der Erde einander wieder verstehn. Und einmal mag Grosz nach Deutschland zurückkehren. Ungeachtet des, was es angetan ihm, sich selbst und aller Welt: Grosz braucht Deutschland Deutschland wird Grosz brauchen. — 17 — AUS DER DEUTSCHEN OPPOSITION In I/ondon sprach vor einem Forum deutscher Sozialisten das Mitglied der Exe- kutive des „Bund". Der „Bund ist jene polnische Organisation jüdischer Arbei- ter, unter deren Hauptführung der tagelang bewaffnete Kampf der Bevölke- rung des Ghettos von Warschau gegen die SS-Brigaden im Sommer 1943 ge- führt worden ist. Der Eindruck wurde erhöht durch die Tatsache, dass ein Jude, der allen Grund' hätte, alles, was mit dem deutschen Namen zusammen- hängt, zu hassen, vor deutschen Demokraten sprach, und in seinem Vortrag seinen Glauben an die Kräfte des anderen Deutschlands und sein unerschüt- terliches Vertrauen auf die sittlichen Werte der internationalen Solidarität zum. Ausdruck brachte. Auf der anderen Seite wurde den Zuhörern die Übermensch- tiohe Verantwortung bewusst, die dem anderen Deutschland nach diesem Kriege auferlegt ist. Hans Vogel brachte dies am Schluss der Versammlung zum Aus- druck. Wir müssen,, so sagte er, bereit sein, wieder gut zu machen, soweit das überhaupt im Rahmen menschlichen Könnens liegt. Die Aburteilung der Ver- brecher und die der geistigen Urheber des Nationalsozialismus nimmt dem deut- schen Volke nicht die Verantwortung für die Sühneleistung ab. Wir sind ge- wiss, dass die Kräfte des anderen Deutschland in der Heimat selbst b-ereit sind an der Wiedergutmachung freiwillig mitzuwirken. Die demokratische deutsche Opposition im Exil brachte diesen Willen wiederholt zum Ausdruck. Rudolf Möller-Dostali (London). Kreie »eutsvlie Bühne in Stockholm. In der ersten Spielzeit fanden 17 Vor- stellungen statt, die in Zusammenar- beit mit dem Rektorat der höheren Schulen durchgeführt wurden. Der Spielplan umfasste Werke von Brecht, Capek, Kraus, Wildgans, Toller, Tu- cholsky, Stefan Zweig, Nestroy und ßehnitzler. In Sachen Bruno Well — Henry Tor- j*€S entschied das oberste newyorker <5rericht zugunsten von W. Torres blieb den Beweis für seine Behauptung, dass W. ein Naziagent sei, scnuiuig. DAD Montevideo (Rio Branco 1372, Ge- sohäftsstunden Mo., Mi., Fr. 6—7 Uhr) entwickelte eine rege Versammlungs- tätigkeit. Eis sprachen Charlotte Klem- feort Fritz Gerhard und Emil Wein- berg'. Wir senden einen eigenen Nach- richtendienst über Radio Aguila. DAD La Paz (Casilla 323, Sr. Ing. Beh- rendt) wählte einstimmig folgenden Vorstand: Fritz Lehrend, Willi .Kar- toaum, Alfred Käseberg, Heinz Lange, Günther Prinz. Die Mitgliederzahl steigt. Es sprachen: Karbaum über Wirtschaft und Arbeit, Käseberg über Invasion, was dann?, Lehrend über Verfassungsfragen. Besonders gut ge- 2 A. A. B. A. j ! ENRIQUE U. CORONA MARTINEZ I !A B O G A D O $ LAVALLB 1268 II. T. 35 - 3853 I i—--------------- i lang ein literarisch-politisch-satiri- scher Abend. Dr. Finkelstein spricht in einer Lassalle-Gedenkfeier. Club Freundschaft, La Paz (Bolivien) teilt mit, dass er jede Zusammenar- beit mit Mexico ablehnt, Die Erklä- rung ist unterzeichnet von Sieberer, Gross, Adler, Simmel, Fischer. DAD - Siidchile (Casilla de Correo 423, Osorno). Oscar Chylik, der verdienst- volle Leiter des DAD im chilenischen Süden wurde das Opfer eines feigen Naziattentats. Zwölf Studenten der nazi verseuchten Landwirtschaftlichen Hochschule fielen über Ch. her und schlugen ihn nieder. Die chilenische Presse verlangte im Anschluss an den Ueberfall Schliessung aller Nazischu- len. Redaktion und Administration übersandten eine Solidaritätskundge- bung- an Chylik. Anlttssllch der Befreiung von Paris übersandte die DAD-Redaktion Solida- rltätserklärungen, über die u. a. La Prensa und Naciön berichteten. Wir suchen in Buenos Aires und im Innern Korrespondenten für unsere Zeitschrift. Interessenten wenden sich an DAD, Tucumän 309, Bs. As. f | IMPRENTA "ELIDOR" § I DIE DRUCKEREI DER I j DEUTSCHSPItECH ENDEN j I RIO SAMBA «27 \ ß U. T. 41, Plaza 7512 I Stimmungsbarometer Uns fiel auf —dass ein früherer alter Kämpfer "Fiüh.rerbilder zu herabgesetzten Preisen" anbietet: —dass man die "Deutsche La Pla- ta Zeitung" immer weniger sieht; —dass gleichgeschaltete Firmen über Mittelsmänner mit nordame- rikanischen und englischen Fir- men auf Basis eines in drei Mona- ten erfolgenden deutschen Zusam- menbruchs ins Geschäft zu kom- men versuchen; —dass die deutschen Truppen in Frankreich kämpfen, obwohl der Führer in seiner Rede vom 9. No- vember 1940 erklärt hat: "Der Krieg jm Westen ist beendet"; —dass der "Trommler "-Dichter Czierski ("Bs geht durch die Tage ein endloser Zug von Osten nach Westen") verstummt ist; —dass 'die Goethe-Buchhandlung die Naziliteratur aus1 dem Schau- fenster zurückgezogen hat; —dass dieselbe Buchhandlung öf- fentlich Bücher von Siemsen, Koch- Weser u. a. System-Schriftstellern anpreist; —dass es immer noch Dumme gibt, die meinen, Hitler würde den Krieg gewinnen. "Der Deutsche in Argentinien" beur- teilt in seiner Augustnummer die La- g'3 wie folgt: Im Ostens Ungeheuer ist die Material- Überlegenheit und der Masseneinsatz der Bolschewisten. im Wfsteiii Wir wollen nicht verheh- len, dass unsere Gegner ihre Opera- tionen mit einer Beschleunigung vor- nehmen, die über die normalen Mas's- stäbe hinauszugehen scheint. V i hriiiftt nicht die Entscheidung: •Das deutsche Volk weiss, dass der Krieg mit dem Einsatz einer neuen Waffe nicht auf einen Schlag zu Ende gehen kann. Auch die Technik der Gegner steht ungefähr auf der glei- chen Höhe wie bei uns. Mit Ruhe, und Gelassenheit sieht daher (?) das deut- sche Volk und ganz Europa der wei- teren Entwicklung der Kämpfe ent- gegen. Aber die deutschen Hohr lücher: Man kann seit neuestem in der Prägung kleinster Bohrlöcher mit einer Genau- igkeit von 5 hundertstel Millimetern eine Stundenleistung von 15.000 Stück erreichen. Wo Wissenschaft und Tech- nik so erfolgreich zusammenarbeiten, darf ein Volk vertrauensvoll in die Zukunft blicken. Das Geheimnis der Niederlage« Seit etwa zwei Monaten sind die bisherigen Regeln der Kriegführung im Wesien vollkommen ausgeschaltet worden. Wie es möglich war, diese Umstellung in so kurzer Zeit durchzuführen, ist das grosse Geheimnis der deutschen Führung. Vorsicht! Untermenschen am Werk! Böse sieht es bei den Nazis hierzu- lande aus. 90 Prozent der Mitglieder der gleichgeschalteten Organisatio- nen sind imm:r nur Papiersoldaten gewesen, haben sich dem Terror ge- beugt oder sind aus opportunistischen Gründen zur Partei oder Arbeitsfront gestossen. Der Terror hat nachgelas- sen, die Opportunitäten sind dahin; mit ihnen machen sich rmmer mehr Fers, auf und davon. Nicht, dass sie mit Eelat sichf auf die andere Seite würfen; das werden sie erst nach Hitlers Sturz tun. Aber sfe ergreifen vorbeugende Massnahmen. In den Sekretariaten der Arbeitsfront und des "Trommler" steigt die Zahl derer zu vielen Hunderten an, die verges- sen, das Abonnement zu erneuern und die viele Monats mit den Mit- gliedsbeiträgen im Rückstand sind- Den Kassierern erklären sie, in die Mitgliederversammlungen zu kommen, hätten sie keine Zeit, die Beiträge oder das Abonnement zu zahlen, hät- ten s"'e kein Geld, die Zeiten seien schlecht für deutsche Geschäftsleute, und sie lassen durchblicken, dass die Nazis mehr oder weniger daran schuld seien, dass sie so ins Schla- massel gekommen. sind. Was nützt es da, dass d'sr "Tromm- ler" wütend schnauft: "Wer seinen Freund in der Not ver- leugnet. ist ein Lump. Wer wankel- mütig wird, wenn sein Vaterland in schwierige Lage gerät — wie will der einmal freudigen Herzens am. Sieg t'ir ,1 olin Pollock, Bart: "Francia, el futuro y sus aliados"' (Verlag: The Quarterly Review, Buenos Aires). IInns Gottfurcht: Die Gewerkschaften im neuen Deutschland. Bemerkungen zur Frage des wirtschaftliche« und so- zialen Wiederaufbaus Deutschlands und zur Wiedererrichtung der Gewerk- schaftsbewegung. (London, Febr. 44). llie Tätigkeit d«T Landesgruppe. Ge- schäftsbericht der Landesgruppe Eng- land der deutschen Gewerkschaftler. .fugend voran! (Organ der österreichi- schen Weltjugend-Bewegung), London S. Guy Inman: Sonic Latin American Views «li Post-War Reconstruction, Herbert Feist Economic« and Peace. Howard P. Whldden, Jr.: Reachlns a Leiid-Leasc Settlement (herausgege- ben von d'6'r Foreign Policy Associa- tion, New York.) DIE AUFGABE „Dieser Krieg Ist eine umfassende Re- volution, die wir, unserer Ziele be- wusst, vollenden müssen, wenn wir Herren unseres eigenen Schicksals sein wollen. Wir befinden uns schon an der Schwelle eines neuen Zeitalters, und der Vorhang wird sich über den letz- ten Akt der Vergangenheit senken". Harold LmU. WERBT FUER DAS ANDERE DEUTSCHLAND — 31 — DISKUSSIONSTRIBUENE GEGEN DIVERSE PRAiETENDEN TEN In der USA-Presse wird die Frage dis- kutiert, wer nach Hitlers Sturz die Führung im Reich übernehmen soll. Prinz Hubertus v. Löwenstein sucht zu beweisen, dass verfassungsmässig der Präsident des Reichsgerichts Bumke allein berechtigt sei, bis zur neuen Präsidentenwahl Hitler abzu- lösen. M. E. war der Reichsgerichts-Präsi- dent Bumke schon beim Tode Hin- denburgs verfassungsmässig verpflich- tet, die Nachfolge vorübergehend zu übernehmen. Wir haben nicht gehört, dass er seine Ansprüche auf das hohe Amt geltend gemacht hätte, m Ge- genteil. als Hitler sich selbstherrlich die Präsidentschaft aneignete, hat Bumke zu diesem Verfassungsbruch geschwiegen und sich dadurch an die- sem Verbrechen mitschuldig gemacht. Er wird sich deswegen verantworten müssen und dafür gibt es nur eine Strafe: Kopf ab! Noch überraschender ist der prinzliche Vorschlag, Brüning an die Spitze ei- ner deutschen Exil-Regierung zu stel- len. Unter den politischen Führern der Vor-Hitlei'jeit war keiner so ver- hasst wi2 Brüning, der als Mensch im. antastbar, als Politiker untragbar ist. Den Brüning der Notverordnungen, der Millionenzuwendungen an die Ostelbier, der Duldung des Papenput- sches gegen die Preussen-Regierung, den Brüning, der 11 Jahre zu allen Verbrechen, die Hitler an Sozialisten, Kommunisten. Juden und in den be- setzten Ländern beging, geschwiegen hat, 'der nie die Ex-Kommunizierung des Katholiken Hitler forderte — aus- gerechnet diesen Mann in die Spitze zu stellen, hiesse das ganze deutsche arbeitende Volk vor den Kopf stos- sen. Die Zeit der Brüning und Wirth, der Strasser und Rauschning. der Thyssen und Klöckner, der Schacht und Pa- Pen, der Rundstedt und Keitel ist end- gültig vorbei. Hier sind Wiederbele- bungsversuche erfolglos. Und Prinz Hubertus v. Löwenstein selbst? Auch er sollte abtreten. Er, der mir gegenüber all? Verbrechen der Fey und Innitzer verteidigte und den katholischen Ständesstaat als ein. zig mögliche Regierungform für Oesterreich b "zeichnete, der nach ei- genem Geständnis ins Reichsbanner ging, dort die Führung der Jugend übernahm, um zu verhindern, dass diese Jugend im sozialistischen Sinn erzogen würde, hat im künftigen Deutschland nichts mehr zu suchen und zu sagen. W. Ossowski — Bolivien AUFGABEN DER ANDEREN DEUTSCHEN Der Zeitpunkt isfc gekommen, dass die anderen Deutschen an die Oeffent- lichkeit treten mit einem Rekonstruk- tionsprogramm für Europa. Gleichzei- tig: müssen s'e an alle S aatsmänner herantrrtm, vor1 allem an de jenigen der europäischen Kleinitaten, um zu verhüten, da«s man d s alte Spi°l mit ihnen weitertreibt, um zu erreichen, dass alle die Schaffung der Vereinig- ten Staaten fordern. Ls».£k" ht ren.lit, wenn er sasrt; "Jetzt ist der günstige Moment" (Nr. 85, S. 15) jetzt oder nie, jetzt, wo alles nie- dereerifsen ist, jetzt muss man den Aufbau Europas auf neren Normen planen. Jetzt, wo alle kleinliche In- teressen vom preussischen Kornauisstie- fel niedergetreten sind, jetzt oder, nie! Später wird es dann wieder so sein, wie zur Zeit der Liga, wo wie mir Fritz Tarnow 1929 versicherte, dass es ganz unmöglich sei, von einer Zoll- union oder von einer Zollaufhebimg zu sprechen, denn in der Liga sei es w:e beim Turmbau zu Babel, Bei dfr Programmierung hat DAD ei- ne glänzende Grundlage in der "Er- klärung" Internationaler Sozialisten" (Nr. 84), in der ich mit grosser Be- friedigung gelesen habe, dass man von der Utonie zur Praxis gegangen ist. Wir dürfen natüTch nicht vor- aussetzen, dass alle Welt Sozialist ist, sondern müssen damit rerhn'ri, dass die Sozialisten eine Minderheit bil- den, wenn schon sine zahlreiche. Ebenso hat das russische Experiment bewiesen, dass man nicht alias .sozia- lisieren " ka nn bis zum Flickschuster — 72 unri dem Dreimorgenbauern, sondern dass man zunächst ntur die gross:n Trustbildungen versiaavl.chen soll und dann schrittweise vorgehen. M. E. soll man ein Programm aufst:l- len, welches nach den Minis ©rien auf- geteilt ist. Es gibt ja nun glücklicher- weise genügend ExminMer und wis- senschaftlich gebildete Oekonomen in der sozialistischen Bewegung, wel- che ein solches Programm für de Bildung V. St. Europas entwerfen kön- nen. Jetzt oder nie! Wenn man tli? Herren Churchi'l und Co. m»ch°n lässt, geht der 30jährige Krfear lu t'g weiter und die Völker der ganzen We't bezahlen wfiterhin mit ihrem B'rt r'ie G me'nhe'ten der al- ten Diplomatie. R. Döbbeling' Ferien- und Erholungsheim, für Kinder und Erwachsene Co'onia Valdense Depto. 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