LA OTRA ALEMANIA ORGANO DE LOS ALEMANES DEMOCRATICOS DE LA AMERICA DEL SUR Fundado el 7 de junio de 1937 Redacciön y administraciön: CALLE TU CUM AN 309 Buenos Aires (Argentina) U. T. Retiro 7264 Octubre de 1944 Aiio VII No. 87 AUS DEM INHALT Karl O. Paetel: Das Gesicht der NSDAP. Anton Finkelstein: Wilhel- minismus und deutsches Volk Wenzel Jaksch: Amputation oder Heilung Hans Jahn: Brief an die Pop- pelmänner Reinh. Hardt: Zur jüdischen Frage H. Apfeldorf: Die unsichtba- ren Weltbeherrscher Neue Bücher Stimmungsbarometer Aus der deutschen Opposi- tion Aus Hitler-Deutschland Oesterreichische Beilage August Siemsen: SOLLEN HASS UND IN- TERESSEN DIE WELT REGIEREN? "" Unsere Welt ist aus den Fugen ge- gangen, weil die Men seihen zlwar Wunder der Tech- nik vollbracht und die Erde zu ihrem Dienst umgestaltet haben, weil sie aber daraus nicht die K o nsequenzen für eine Neugestaltung des menschlichen Z u s a m menlebens gezogen haben. Man hat eine Wirt- schaftsform beibehalten, in der nicht der Bedarf der arbeitenden Mensch- heit, sondern der P-rofit der grossen 'Privateigentümr oder Monopolgesell- schaften massgebend ist, und man hat eine überlebte soziale und politi- sche Organisation aufrecht erhalten, die den Gegensatz der Klassen und der Völker, Neid, Angst und Hass un- ter den Menschen aufrechtverhält und steigert. Weltkrieg, Krisen, Faschismus, Natio- nalsozialismus, neuer Weltkrieg — das sind die Auswirkungen dieses im- mer unerträglicher werdenden Miss- verhältnisses. Sie haben den bruta- len und kurzsichtigen Egoismus der in ihren Privilegien sich bedroht füh- lenden herrschenden Schichten, den allgemeinen kulturellen und ethischen Verfall der Gesellschaft, sie haben, Neid, Angst und Hass noch mehr ge- steigert. Blinder Hass droht heute eine auf den Grundsätzen der menschlichen Gleich- berechtigung und Solidarität beruhen- de Neuordnung zu verhindern, Dies« k-.? Deuftd-« ; Fränktuit Gefahr ist um so grösser, als die an der Aufrechterhaltung der gegenwär- tigen Klassen-, Rassen- und nationa- len Gegensätze interessierten Schich- ten diesen Hass für ihre reaktionären Zwecke benutzen. Wir veröffentlichen in dieser Nummer einen Aufsatz von Dr. Finkelstein — La Paz, der die von gewisser jüdi- scher Seite aufgestellte Behauptung ad absurdum führt, dass das ganze deutsche Volk schuldig sei, dass es kein anderes Deutschland gebe, und dass man deshalb mit keinem Deut- schen verkehren dürfe. Vor mir liegt Nr. 79 des in Buenos Aires erscheinenden Wochenblattes L'Alouette, in dem entrüstet festge- stellt wird, dass bei der Kundgebung zui' Befreiung von Paris auch deutsch- sprechende Delegationen, vom Beifall eines durch die Propaganda des An- dern Deutschland irregeführten Pu- blikums begrüsst, gewagt hätten, Kränze niederzulegen. Die "antifaschi- stischen" Deutschen seien meist Ju- den. Aber alle Deutsche, ob Nazis oder Nichtnazis, ob Juden oder Nichtjuden, seien gleich zu beurteilen und man dürfe nichts mit ihnen zu tun haben. Gerade die deutschen Juden seien im- mer deutsche Nationalisten gewesen, bis Hitler ihnen das unmöglich ge- macht habe. Weiter wird dann gesagt, die Franzosen müssten auch von ei- nem ganz linken Deutschland die Ab- tretung des linken Rheinufers fordern, und zwar als "gute Christen" (!). Diese beiden Beispiele, in denen das eine Mal deutsche Juden, die Hundert- tausende von "arischen" Konzentra- tionslagerhäftlingen, das andere Mal Franzosen alle deutsche Juden mit den Nazis gleichstellen, zeigen zur Evi-' denz, wohin blinder Hass führt. Hass kann gut sein und positiv wir- ken, dann, wenn er sich gegen das Ge- meine, das Schlechte,, die Niedertracht richtet, und wenn er aus dem Willen zum Guten, zur Gerechtigkeit, aus der Sehnsucht nach einer besseren und gerechteren Ordnung der Welt er- wächst. Stammt er dagegen nur aus von vernünftigem Denken nicht kon- trollierten Gefühlen, ist er in sich ne- gativ, so kann er auch nur negative Wirkungen haben. Furchtbarstes Beispiel der Weckung, Steigerung und skrupellosen Ausnut- zung solch unkontrollierter, dumpfer, rein negativer Hassgefühle zu ver- werflichen politischen Zwecken ist der Antisemitismus der Nazis. Die dumm-verlogene und abscheuliche Be- hauptung von der Minderwertigkeit und Gefährlichkeit des ganzen jüdi- schen Volkes und jedes einzelnen Ju- den konnte solch verheerende Wir- kungen in der ganzen Welt haben, weil sie sich an die Neid-, Hass- und Ag- gressionsinstinkte des Menschentiers wendete. Wes verschlug gegenüber diesem Appell an die Masseninstinkte die Tatsache, dass das jüdische Volk eine grosse Vergangenheit hat, dass das Christentum im jüdischem Prophe- tismus wurzelt, dass der Begründer des Christentums Jude war, und dass Juden in neuer Zeit Grosses auf allen Gebieten der Wissenschaft und Kunst geleistet haben: "Tut nichts, der Ju- de wird verbrannt". Aber ebenso widersinnig und verant- wortungslos ist es, wenn heute das ganze deutsche Volk und jeder einzel- ne Deutsche schuldig gesprochen und verdammt wird trotz der grossen kul- tureilen Leistungen des deutschen Vol- kes als Ganzes und trotz seiner zahl- reichen grossen Denker und Künstler. Totgeschwiegen, nein mit frecher Stirn totgelogen wird heute, dass Hun- derttausende von deutschen Antina- zis in den Konzentrationslagern ge- quält wurden und werden, und dass wir emigrierten deutschen Antinazis in Wort und Schrift vergeblich ge- warnt haben vor der Katastrophe, mit der die Hitlerdiktatur die Welt be- drohte. Und wie der Antisemitismus von den Nazis, so wird die Schürung des Has- ses gegen alles Deutsche von densel- ben Kreisen der Weltreaktion, für reaktionäre politische Zwecke miss- braucht, die den Faschismus in Italien und Spanien, die dem Nazismus und der Hitlerdiktatur in Deutschland durch wohlwollende Duldung oder ak- tive Unterstützung Helfersdienste ge- leistet haben. Man will heute den Hass gegen Deutschland nicht nur zur Be- seitigung der deutschen wirtschaftli- chen Konkurrenz und zur Verskla- vung und Ausbeutung Deutschlands, ausnutzen, sondern zugleich auch zur Verhinderung der sozialen Revolution und zur Verhinderung der Schaffung — 2 — der Vereinigten Staaten Europas. Die Pläne, die angesichts des bevor- stehenden Endes der Hitlerdiktatur über die Behandlung des besetzten Deutschlands kund werden, gehen nur allzu deutlich in dieser Richtung. Ei- nen Gipfelpunkt in dieser Hinsicht stellte der glücklicherweise schnell in der Versenkung verschwundene Mor- genthau-Plan dar, der das ganze deut- sche Volk vernichten oder zu einer kulturlosen Helotenexistenz verurtei- len will. Hoffnung dagegen erwecken die Stim- men, die aus den sozialistischen Ka- ders der europäischen Widerstandsbe- wegung, besonders der französischen, und von englischen und amerikani- schen Sozialisten und Linken kom- men. Solange die Hassgesänge der Interes- sierten und1 der Journaille, der Verant- wortungslosen und der Kurz- oder garnicht -denkenden diese Stimmen der Vernunft und der Menschlichkeit, diese Stimmen der Zukunft übertö- nen, solange sie die Erkenntnis der Tatsachen verhindern und den Willen zur Aenderung der Welt lähmen, so- lange vermag die Weltreaktion die Beseitigung der Zustände zu verhin- dern, die in Krieg und Krisen, in Fa- schismus und Weltkatastrophe geführt haben, und deren Konservierung auofs neue die gleichen und schlimmeren Folgen zeitigen muss. Erst wenn der Hass der Massen sich gegen diese Zustände, gegen die Wur- zeln der Zeitübel richtet, wenn er aus dem negativen Hass zu positivem, zu schöpferischem Hass wird, erst dann wird die sozialistische Neuordnung der Welt möglich, in der an die Stelle der Herrschaft der Interessen, d. h. aber an die Stelle der Klassen- und Ras- senkämpfe und der Kriege die soli- darische Zusammenarbeit gleichbe- rechtigter Menschen und Völker tritt. BREITSCHEID UND THAELMANN ERMORDET einstmals nannten die Nazis ihre Morde schamhaft "Erschiessung auf der Flucht". Heute hat man etwas besseres: die alliierten Bomben. Ihnen sollen Breitscheid, Thälmann und 7500 K.Z.-Häftlinge zum Opfer gefallen sein. Eicht lazistisch sucht man die aus blinder Wut begangene Untat noch auszunut- sen, um die Stimmung der Arbeiter gegen die Alliierten aufzuhetzen. Es sind swei der prominentesten Gestalten der deutschen L'nken, die kurz vor dem Zusammenbruch der Nazibestie zum Opfer gefallen sind. Breitscheid kam von der radikalen bürgerlichen Demokratie der Barth und Gerlach und hat diesen politischen Ursprung- nie ganz verleugnet. Vion der SPD ging er im Kriege zur USP, gab nach dem Kriege den "Sozialist" heraus und war nach der Vereinigung der beiden sozialistischen Parteien der führende Au- ssenpolitiker in der Reichstagsfraktion. Eine selbständige, international-sozia- listisch orientierte Aussen'politik hat er nicht vertreten. Nach dem Zusammen- bruch der Republik hat er in Prag einmal gemeint, die alte Führung der SPD habe 'nicht mehr das Recht, eine leitende Rolle zu beanspruchen. Nach der Invasion fiel er zusammen mit Hilf-erding in Frankreich in die Hände der Gestapo. Während dieser .sofort ermordet wurde, hat Breitscheiid erst jetzt dieses Schicksal geteilt. Der Gegensatz zu dem aristokratisch wirkenden Breitscheid war der breite, wuch- tige Dockarbeiter Thälmann. In der Hamburger USP spielte er eine führen- de Rolle. Bei der Spaltung der USP auf dem Parteitag in Halle ging er mit der Mehrheit zu den Kommunisten. Die lange Nazihaft vermochte ihn nicht zu brechen. Sein Name wurde durch die Propaganda seiner Parteigenossen zum Symbol der eingekerkerten und gefolterten deutschen Antifaschisten. Die gleichzeitige Ermordung dieser beiden Männer, die an verschiedenen Po- len der deutschen Arbeiterbewegung gewirkt haben und die das kommende Deutschland nicht vergessen wird, muss e'ne Mahnung zur Einigung der deut- schen Arbeiterklasse sein. Karl Ö, PAETEL: DAS POLITISCHE GESICHT DER NSDAP. Motto: "Parteiprogramm? Brechung der Zinsknechtschaft? Brechen, muss dabei nur, der es lesen muss!" (Dr. Goebbels zu Scheringer, nach dem ersten Reichswehrprozess 1930) Um die Entwicklung zu verstehen, die sich immer deutlicher im deutschen politischen Kräftespiel mit der Schwerpunktver legung zur Waffen-SS hin vollzogen hat, muss man sich das politische Gesicht des Nationalso- zialismus ins Gedächtnis zurückru- fen, wie es sich dem Beobachter in der Zeit kurz vor und nach der Machtübernahme und bis zum Krieg präsentierte. In der NSDAP haben sich alle Tem- peramente und Interessen, die ver- schiedensten echten und Seihein- ideologien zusammengefunden. Wie heute der deutsche Nationalsozialist auf die Ereignisse reagiert, ist des- halb kaum widerspruchslos und exakt zu umreissen. Wenn hier doch einmal kurz der Versuch gemacht werden soll, die Mitglieder der na- tionalsozialistischen Bewegung nach bestimmten seelisch-geistigen Reak- tionsweisen, aber auch nach interes- senmässigen Motiven, zu differenzie- ren. so muss dabei von vorneherein zugegeben werden, dass manche die- ser Typisierungen sich überschnei- den oder sich scheinbar widerspre- chen. Das ist unvermeidlich. Am klarsten ist für den Betrachter die herrschende Gruppe. Die ho- hen Parteifunktionäre und Staats- beamten des Nazismus, gleichgültig, ob der eine oder andere einst aus ehr- lichen nationalen oder sozialen Mo- tiven seine politische Aktivität be- gann, kennen heute im Grunde nur noch den einen Gedanken, der alle Entscheidungen zu den Fragen der Zeit bestimmt: am der Macht, das heisst, an der Seite Adolf Hitlers zu bleiben. Mit einem Wort kann Hit- ler jederzeit jeden seiner Würden- träger — und mag er heute noch so viele Machtpositionen innehaben — wieder in die Anonymität oder in ein besseres Jenseits befördern, ohne wirklich lähmende Erschütterungen an Prestige oder Macht befürchten zu müssen. Ohne oder gegen ihn sind sie alle nichts: das bewies wieder einmal r1ie "Armeereinigung" Juli| August 1944. Die herrschende Gruppe ist eine Ein- heit trotz aller persönlichen Rivali- täten. Wirklich politische "Fraktions- differenzen", die nur mit Sieg oder Niederlage einer bestimmten fron, dierenden Richtung enden könnten, bestehen nur in der Einbildung hoff- nungslos utopischer Gegner. Alle dif- ferierenden Antworten auf taktische oder auch sogar strategische Einzel- fragen sind in der Parteispitze nur solange Diskussionsgegenstand, als der "Führer" noch nicht entschieden hat. Hat er gesprochen, gibt es nur Gefolgschaft. Das hat gamichts mit der Frage nach der Grösse oder Unbedeuten- heit Hitlers zu tun. In diesem Fak- tum zeichnet sich lediglich die Struk- tur der faschistischen Diktaturpar- tei ab. Der Abschluss des Bündnisses mit Sowjetrussland, ohne dass die starke Antirussengroppe innerhalb der Par- tei auch nur den Mund aufgetan hat und ohne personelle Auswechslung im Partei, und Staatsapparat, war ein schlagender Beweis dafür. Das völlige Fehlen einer Fronde von Sei- ten der "linkem Nazis" beim Russen- krieg war eine Bestätigung. Vielleicht wind sehr bald, wenn es sich darum handelt, nach der Parole "Rette sich, wer kann" den Absprung von dem sinkenden Schiff zu ver- suchen, mancher Spitzenfunktionär von heute den Eindruck zu erwecken versuchen, dass er "schon Immer eine abweichende Meinung" gehabt habe. Das ist Selbstschutz und Be- trug. Die seit Jahren über alle Wen- dungen der NS-Politik hinweg in ih- ren Führerkadern fast unveränderte Parteispitze feeigt, dass die Partei- leitung in der Tat "einig und ge- schlossen" ist. Eng verbunden mit dem Regime ist auch die e-anze Garnitur der klei- nen Nutzniesser. Von den beamteten Staats- und Parteifunktionären, de- ren Organisation das ganze Volk netz- artig durchsetzt, verdankt ein jeder — vom Gauleiter bis zum. DAF-Punk- tionär oder Blockwart — seine so- ziale Stellung, seinen Titel, sein Ein- kommen und seine Zukunftschance nur der Partei. Nicht weniger als konkrete materielle Vorteile durch, die Partei wirkt auch in ihr vor al- lem die psychologische Tatsache nach, auf eine "Kommandohöhe" und sei es auch nur über einen Häu- serblock, gelangt zu sein, die sie am Weiterbestand des Regimes interes- siert sein lässt. Diese zahlenmässig nicht kleine Schicht stellt heute noch immer — unabhängig davon, wieweit sie sich wirklich nationalsozialistische Ideologien zu eigen gemacht hat —■ die eigentliche Massenbasis des Hit- lersystems dar. Sind die Amtsträger der Partei, — vom Minister herunter bis zum1 Amts- walter —. zumeist aus sehr realen Existenzgründen mit der offiziellen Politik verbunden und gegen aktiv oppositionelle Regungen deshalb mehr oder minder gefeit, so ist eine andere Schicht von Nationalsozialisten, ob- wohl sie kaum eigentliche wirtschaft- liche Erwägungen zu einer solchen Haltung veranlassen, ihr noch immer nicht weniger ergeben. Während die Abteilungen der ur, sprünglichen SA, die ''alten Kämpfer'', zum grossen Teil aus unklaren, aber im Kern doch politischen Gründen für den Hitler der "Kampfzeit" sich schlugen, ist inzwischen innerhalb der jungen Kader des Land- und Arbeits- dienstes der Hitlerjugend, zum Teil auch unter den jungen Nazi-Intellek- tuellen, vor allem aber in der SS, eine Schicht von Militanten herangewach- sen, die sich willentlich und bewusst, und ohne im einzelnen nach politi- schen Gründen zu fragen, in persön- lich gefällter Entscheidung auf Le- ben und Tod dem Befehl des Führers unterstellt hat. "Zum Einsatz bereit sein, wohin und wofür der Führer auch ruft!" — eine solche Einstellung, durchaus nicht nur aus eigensüchti- gen Motiven zu erklären, sondern her- vorgerufen vor allem durch einen gewollten Verzicht darauf, selbst han- delndes und denkendes Einzelwesen zu sein, hat beträchtliche Teile der na- ticmalsozialistischen Formation zu einer grundsätzlichen und fraglosen Gefolgschaft Hitlers gegenüber ge- führt. Teilweise gilt für diesen Typ, was Rauschning für den Gesamtna- tionalsozialismus überspitzt annimmt, dass Ideologien für ihn überhaupt kei- ne Rolle mehr spielen, dass einzig und allein die Zugehörigkeit zur Elite, die dem herrschenden Kreis verschworen ist, Masstab des Handelns wird. Teil- weise wirkten sich hier auch noch die alten romantischen Heroisierungen des Krieges 'aus, des "Kampfes als inneres Erlebnis", die oft den seit langem vorbereiteten Waffengang mit der ganzen Welt als das grosse be- rauschende Abenteuer und als letzte und härteste männliche Bewährungs- probe erscheinen liessen. Aus diesem Menschenmaterial ent- steht ein Typ, der bereit ist, für den Führer alles hinzugeben und mit dem eine skrupellose Führung naturge- mäss eine Kampf trappe bekommt, de- ren militärischer und psychologischer Wert für den mehrfach angedrohten "Nibelungen - Untergang" garnicht überschätzt werden kann. Die Schicht der Prätorianer des Führer, die be- reits ein sehr anderes Gepräge als die "unbekannten SA-Leute" der Zeit vor der NS-Matihtübernahme trägt, ist ge- nau wie die herrschende Gruppe selbst dem gegenwärtigen System mit allen Konsequenzen verbunden. Die ' 'SS-Versügungstrapp en'' und "SS-To- fendiensteinheiten der Hitlerjugend, Junker der Ordensburgen, die NS-Flie- :ge:r- und Motorformationen, die Strei- fenrl iensteinheiten der Hitlerjugend, das sind Verbände, in denen diese fa- natische Gefolgschaftehaltung zu Haus ist, nicht ohne dass sie auch, in den eigentlichen Formationen des Heeres selbst ihre Kader geformt hätte. Hier stehen die, die nie zu gewinnen, die nur zu vernichten sein werden, wenn einmal das Regime zusammen- bricht. Am Rande des offiziellen Nationalso- zialismus — am meisten in den Nach- kriegten erationen verwurzelt — gab es stets noch eine unruhige politische Peripherie, zu der teils oppositionelle ehemalige Parteimitglieder, "Schwarze Front" -Leute. "Nationalbolschewisten' teils Mitglieder ehemaliger verwand- ter Gruppe gehören. Die Anhänger des Generals Ludendorff, Angehörige der alten Freikorps- und Baltikum- verbände, des Tatnnerifoergbundes, des Jungdeutschen Orden, des Stahlhelm oder Werwolf, Parteigänger der Wulle-Gräfechen „Deutschvölkischen Freiheitsbewegung", Glieder der na- tionalrevolutionären oder Bündischen Jugend, der nationalen Bewegung überhaupt. In diesen Kreisen war und ist die Einstellung zum Hitlerregime sehr labil, — und dementsprechend auch ihr Verhalten im Heer und im Kriege. Am wenigsten hat sich bei den meisten Leuten dieser Verbände wohl die zu- meist verbissene Ablehnung und Ge- ringschätzung der Person Adolf Hit- lers gewandelt. Zu nahe hatten ihn einst Viele in den Zeiten des Mit, und Gegeneinander der vielen "nationa- len" Fraktionen gesehen. Andererseits hatte man gerade hier, ebenso wie bei den "Revolutionärem" innerhalb der Partei, kaum grundlegende Ein- wendungen gegen die Hitler'schie Au- ssenpolitik, — bis der Russenkrieg kam. — Die Anti-Versailler Position war auch der Ausgangspunkt all die- ser Zirkel, — der Anschluss Oester- reichs, der Sudeten, die Auseinander- setzung mit Polen fanden im Grun- de Zustimmung. Das Regime selbst gine immer wieder mit Terror ge- gen diese Gruppen vor. Der Führer der "Deutschvölkischen" Reinhold Wulle ist seit langer Zeit im Gefäng- nis. Ludendorffs Gattin war gleich- falls in Haft. Sogar der deutschnatio- nale Parteiführer Graf Westarp be- findet sich, ebenso wie der "National- bolschewist" Ernst Niekiscih und füh- rende Strasserleute, im Zuchthaus. Obwohl man damit die Anhänger an sich zu unversöhnlichen Nazigegnern machte, haben sie viele aussenpoliti- sche Entscheidungen der NSDAP bis zum Russenkrieg zumeist doch wohl widerstrebend als richtig akzeptiert. Das gilt bei einer nicht kleinen An- zahl nationalrevolutionärer Aktivi- sten besonders für das Russenbünd- nis, das einer alte Forderung dieser Kreise entsprach. Dennoch blieben diese Gruppen — und der Russen- krieg hat diese Tendenz nur ver- schärft — vor allem, weil sie sich mit dem totalen Einparteienstaat mit seinem Organisaitdonsmonopol nicht ab- finden können, ein latenter Rebel- lionsherd. besonders soweit es sich da- bei nicht um den Streusand der alten "Vaterländischen Verbände" und Par- teien, sondern um die Auslesegruppen der Kampfbünde und der kleinen Ge- sinnumgsgemeinschaften handelte. Schliesslich waren es noch 1932 diese nationalrevolutionären Gruppen, die für den Fall eines Krieges mit der Sowjet-Union zu einem bewaffneten Aufstand aufgerufen hatten. Und da die alte Kameradschaft dieser Zirkel viel fester hält 'als etwa innerhalb der NSDAP, besteht unter diesen Leuten auch heute noch eine viel grössere Chance, gemeinsam auf Zeitereignis- se zu reagieren, als unter den atomi- sierten "Revolutionären" der NSDAP. Keineswegs mit dem Apparat. der Partei verschmolzen sind dann z. B. auch die sogenannten "neuheidni- schen" Gruipnen. Wie viele Angehörige der alten Freikorps und ein Gross- teil der ehemaligen Jugendbünde, hat man auch hier zeitweise ganz ehr- lich versucht, sich einzuschmelzen, wurde aber immer wieder so deutlich als Werkzeug behandelt, abwechselnd benutzt und desavouiert, dass eine schwelende Opposition geblieben ist. Sie zeichnet sich allerdings durch sektiererische und querulante Engstir- nigkeit aus, sodass sie den Zugang zu ausserhalb der Gruppe Stehenden sich sehr oft verbaut hat. Dennoch sind alle diese Aktivisten am Rande der NS-Partei, unbeschadet der verschiedenen verqueren Sonder- ideologien, ein im Keim rebellisches Element, das manche Voraussetzun- gen mitbringt, den Fanatismus der jüngeren Schichten von der Partei hinwegzulenken und opponierenden Strömungen zuzuführen. Hitler hat von vornherein gewusst, dass es unmöglich sein würde, bei der widerspruchsvollen Struktur der Par- tei allen Hoffnungen und Interessen seiner verschiedenen Anhängergrup- pen Rechnung zu: tragen. Er hat im Grunde Allem alles versprochen; — da, wo es notwendig war, die ent- scheidenden Dinge im unklaren gelas- sen und so, lange Jahre die nationalso- zialisitistihe Partei in ihrer alten Form beisammen gehalten. Gerade er aber ist sich stets darüber klar gewesen, dass für den Bestand des totalen Par- teistaates andere Kräfte notwendig sein würden, als diejenigen es wa- ren, die ihm zur Macht verhalfen. — 6 — Sobald in den Reihen seiner radika- len Sturmabteilungen das Wort von der "Zweiten Revolution" umging, schlug er zu. Der faschistische Staat konnte kein Abgleiten in eine sozial- revolutionäre Aktion von unten zulas- sen. Und als die Grossinidustriellen und Bankiers, deren Schecks noch 1932 die völlig- bankrotte Partei vor dem Zu- sammenbruch gerettet hatten, später im Bewusstsein ihrer Helferrolle die Rechnung präsentierten, ihre An- sprüche anmeldeten, schob er auch sie beiseite. Die Partei klaffte dabei auseinander, — aber nicht etwa so, dass irgendwelche äusserlich sichtbar werdenden Aktionen stattfanden: nur das Bewusstsein der Einheit, der gleichen Interessen, ging verloren. Die NSDAP wurde eine Partei wie alle an- deren, in der Opportunismus. Kar- rieresucht. Bestechlichkeit, Rivalitä- ten und Zynismus an die Stelle des alten, wenigstens denn Impuls nach revolutionären Geistes traten. — Und doch braucht der Führ er kr eis der nationalsozialistischen Partei eine gewisse Massenbasis, die, soweit das überhaupt möglich ist, diese Degene- rationstendemen der zivilen Organisa- tionen vermeidet und sich von neuem gründet auf das alte Prinzip: Dis- ziplin und fraglose Treue zum "Füh- rer". Eine Sparte der nationalsozialistischen Partei war von vorneherein* in jenem Geist der hochmütigen Heraibassung gegenüber der zivilen Parteigenossen- schaft aufgebaut worden, die in dem Moment, wo die Krise der Massen- partei der Leitung immer offensicht- licher wurde, als Voraussetzung die- nen musste, die Militanten aus ihr aus- zusondern und neu zu formieren: die Schutzstaffel (SS). * Trotz ihres Spezialcharakters war die SS ursprünglich genau wie alle an- deren Parteigenossen eine Formation uniformierter Zivilpersonen, die nach ihrer Arbeitszeit Parteidienst mach- ten. — Das wurde anders.--— Der Reichsführer-SS schuf in den ka- sernierten "SS - Verfügungstruppen" und in den "SS - Totenkopfverbän- tien" einen neuen nationalsozialisti- schen Orden. In ihm gab es keine Tendenzen und Strömungen, keine Fraktionen und Interessen. In sie trat man nicht ein, weil man vom Na- tionalsozialismus die Realisierung ir- gendwelcher Lieblingstheorien erwar- tete. Hier galt nur noch Befehl und Gehorsam. Auf 12 Jahre verpflichte- te man sich, ohne Fragen zu stellen, dem Willen des "Führers" zu folgen. Dafür gehörte man zur Garde des Staatschef, hatte Sonderrechte und Son d erpflichten. — So- wurde die Waffen-SS zum Kernka- der der überzeugten Nationalsoziali- sten, 'zur eigentlichen Repräsentanz der militanten Partei. Und beiwusst hat Himmler nicht nur alles, was an diesem militanten nationalsoziali- stischen Typ zur Verfügung stand in seinen Formationen zusammenge- zogen oder sie in Kontakt oder Ab- hängigkeit von ihnen gebracht. Die Waffen-SS hat darüber hinaus auch überall da, wo die nationalsozia- listische Partei im Staatsleben ihre Repräsentanten zur Kontrolle der Nicht-Parteigenossen eingesetzt hat- te, diese nach und nach durch Leute aus eben diesem "Orden" zu ersetzen verstanden. Dass den Willen Hitler's gegenüber irgendwelchen parteifremden Ambi- tionen die Waffen-SS und nicht die zivile NSDAP — die nur noch ein Schattendasein führt — verkörpert, zeigt am besten, dass sie, und nicht die zivile Partei, der Gegenspieler der Armee wurde, dass sie und niemand anders am 20. Juli 1944 die Kontrol- le des genannten Ersatzheeres über- tragen beikam. In Gottes Hand. Msgr." Suhard, Erz- b'schcf von Paris, hat bis August die besten Beziehungen z:ur Naziarmee unterhalten, sodass er bei dem „Ma- quis" als Kollaborationist verschrie- en ist und De Gaulle ihn taktloser Weise nicht in Notre Dame hinein- liess. als die Dankmesse für die Be- freiung von Par's gelesen wurde. Zu weiteren Massnahmen gegen Msgr. Suhard ist es erfreulicherweise nicht gekommen, da den siegreichen alliier- ten Heeren Msgr. Spellmann, Erzbi- schof von New York, auf dem Fusse folgte, um seinen Kollegen vor der Wut des Pöbels zu schützen. Anton Finkelstein — La Paz: WILHELMINISMUS UND DEUTSCHES VOLK In ihrer Nummer vom 18. August ver- tritt die "Jüdische Wochenschau" — in Anknüpfung an ein witziges, sach- lich aber schiefes Bon_mot Walter Mehring's — zum 100. Male die The- se von der ausnahmslosen Gesamt- schuld des Deutschen Volkes, der völligen Gleichheit von Nazis und lAintinazis und. der daraus folgenden Unmöglichkeit für einen Juden, mit einem deutschen Oppositionellen (den es ja eben nicht gibt) zusammenzuar- beiten. Bs hat natürlich keinen Sinn, auf eine hundertfache wiederholte Be- hauptung immer wieder mit densel- ben Gegenargumenten zu antworten; nuin aber bringt die J. W. diesmal et- was Ne-ues: Sie sagt, dass ebenso wie der Hitlerismus so auch der Wilhel- minismus "Lebensausdruck des deut- schen Charakters und der deutschen. Gesinnung" gewesen sei. Was alles noch? Der Wilhelminismus, dieses ewige Irrlichtelieren und Umher- schwanken zwischen drohenden Ge- sten und ängstlichem Zurückweichen, dieses protzige Getue ohne einen Willen dahinter scheint mir doch in geradem Gegensatz zu der immer- hin eindeutig konsequenten Brutalität des Hitlerismus zu stehen. Aber gleich- viel: Dieser Wilhelminismus, das Sy- stem Wilhelms II. — wenn man bei dem launisch unberechenbaren Hy_ steriker von einem System reden kann — hat dem Charakter des deut- schen Volkes so gut entsprochen, dass es 1903 : 83, 1912: 112 Sozialdemokra- ten in den Reichstag schickte, der bissig antiwilhelministische "Simpli- zismus" in Riesenauflagen erscheinen konnte und es Majestätsbeleidigungs- prozesse hagelte. Gefallen hat der Wilhelminismus den Schichten, die unter ihm immer reicher wurden und sich in seinem Glänze sonnten. Und war nicht unter diesen Schichten — ich muss es als Jude offen saeen — der Grossteil der besitzenden Juden- schaft? A. Ballin. Friedländer-Poul d. von Gwinner, Fürstenberg, L. Koppel ■— alle prominenten jüdischen Wirt- schaftsführer waren- Freunde Wil- helms II., schenkten und stifteten: Im "Berliner Tageblatt" pries A. Le- vysohn, im "Berliner Börsencourier" I. Lancau täglich den "Neuen Kurs''. Und als einmal irgendwo irrig be- hauptet wurde, die Liebknechts sei- en Juden, erschien in der jüdisch-li- beralen Wochenschrift "Im Deut- schen Reich" nicht etwa eine sachli- che Berichtigung des Irrtums, son- dern eine entrüstete Zurückweisung solcher antisemitischer Verleumdung. Und wer war 1916 der eifrigste He- rold des unbeschränkten U-Boot- krieges? G. Bernhard in den Ullstein- blättern. Wer verhimmelte noch kurz vor Torschluss in spalteinlangen Be- richten Wilhelm II,, der ihn eigens empfangen hatte? Der Dichter der hö- fisch-patriotischen "Könige" Hans Müller. Wollen wir also nicht endlich auf- hören, von einer gesamtdeutschem Mentalität zu faseln, endlich auf die Kinderei verachten, ein modernes Millen envolk in seiner hundertfachen ökonomischen und geistigen Differen- ziertheit als eine Einheit zu betrach- ten. wie einen Südseeinsulanerstamm, in dem noch ein Individium dem an- deren gleicht? Emil Ludwig, der heu- te genau so urteilt wie die "Jüdische Wochenschau", hat noch 1930 in sei- nem Buch über Wilhelm II. von den Deutschen gesagt: "Friedlich un® stark, g-edankenvoll und voll Musik, so war immer ihr Wesen, so ist ihr Inneres- geblie- ben." In dieser Allgemeinheit war das Ur- teil genau so falsch wie sein heutiges. Es halt damals wie heute macht- und eroberungsgierige Schichten gegeben, und es gibt heute wie damals fried- liche und gedankenvolle Schichten. Diese zur Herrschaft zu bringen und jene zu vernichten, kann allein das Ziel des Krieges und Sieges sein. Auch Herr Friedländer, der Redak- teur der J. W. war deutscher Na- tionalist (Red.). — S — Wenzel Jaksch : AMPUTATION ODER HEILUNG Der bekannte tschechoslowakische Arbeiterführer aus dem Sudetenge- biet veröffentliche in der londoner "Zeitung" unter dem obigen Titel einen Aufsatz, den unsere Leser mit Interesse lesen werden. I.m Jahre 1787 trat die Federal Con- vention zusammen, welche innerhalb von zwei Jahren die Verfassung der. Vereinigten Staaten ausgearbeitet und so d'e Fundamente zu einem der mächtigsten Staaten-Gebild 2 der Ge- schichte gelegt hat. Als die Conven- tion sich versammelte, war die Liga der dreizehn Staaten in argem Ver- fall. Pessimismus herrschte über die Zukunft des neubefreiten Kontinents, der fast an den europäischen Pessi- mismus von heute grenzte. Jos:ah Tucker, ein liberaler Flailosoph der damaligen Zeit, schrieb: "Von der künftigen Grösse Amerikas zu isprechen, als einer aufsteigenden Macht unter einem Oberhaupt, repu- blikanisch oder monarchisch, ist eine der massigsten und visionärsten Vor- stellungen, die jemals ersonnen wer- den konnte, — soigar von romantischen Schriftstellern. Die gegenseitigen An- tipathien und die gegensätzlichen In- teressen 4er Amerikaner, die Verschie- denheit ihrer Regierungen, ihrer Sit- ten und Gebräuche zeigen, an, dass sie keinen gemeinsamen Mittelpunkt und keine gemeinsamen Interessen besit- zen. Sie können niemals in ein kom- paktes Imperium vereinigt werden, was immer .die Form der Regierung sein möge; sie werden ein uneiniges Volk bleiben für alle Zeiten, erfüllt von gegenseitigem Misstrauen; sie wer- den geteilt und untergeteilt sein in kleine Landesverbände und Gemein- wesen entsprechend den natürlichen Grenzen, gezogen durch die Buchten des Meeres, durch mächtige Flüsse, Seen oder Gebirgskämme." Solche pessimistischen Stimmen schei- nen eine gute Begleitmusik für schöp- ferische Täten zu sein. In insgesamt hundert S'tzungstagen hämmerte die Federal Convention den weiten kon- stitutionellen Rahmen, innerhalb des- sen sich der mächtige wirtschaftliche Aufschwung eines jungen Kontinents, der Aufbau seiner gewaltigen Staats- maschine und nicht zuletzt die Ent- wicklung eines gerne'nsamen Patrio- tismus vieler Rassen vollzogen hat. dessen einschmelzende Kraft eines der ungeklärten Wunder der Neuzeit ist. Die Schöpfer dieses Verfassungs- werkes wurden anfangs als "visionäre junge Männer" verspottet, doch spä- ter fiel der ironische Beiklang dieser Bezeichnung weg und sie gingen als "Männer mit Vision" in die Geschich- te ein. Eine gewisse Analogie in dem psycho- logischen Klima von Amerika 1787 und Europa 1944 ist unverkennbar. Viele materielle Voraussetzungen der Politik von damals und heute mögen grundverschieden sä'n, aber die gei- stige Problemstellung ist die gleiche. Der Glaube an höhere Lebensformen und der Wille dazu werden in ewi- gen Kampf verwickelt bleiben mit der Glaubenslosigkeit der Skeptiker, denen Zerfall und Zwietracht unent- behrliche Kronzeugen ihrer Philoso- ph "e sind. Auf ieden Fall aber ist die amerikanische Parallele ein allgemein gültiger Beweis, dass Buchten. Flüs- se und Gebirge keine politischen Grenzen mehr bestimmen, sobald der Wille vorhanden ist, solche Grenzen zu überwinden oder sie nach anderen Gesichtspunkten zu ziehen. Wie schwer der Rückschlag zwe'er Kriege die natürlichen Wachstums- Tendenzen einer europäischen Gesell- schaft betroffen hat. bedarf nur einer Illustration: Vor 1914 konnte man durch alle europäischen Länder, mit Ausnahme von Russland und der Tür- kei. ohne Pass reisen, überall Arbeit annehmen, wo sie zu finden war und Ersparnisse hinsenden. wohin man wollte. In England gab es z. B. e'ne Gewerkschaft deutscher Glasarbeiter mit 400 Mitgliedern, die mit dem ur- englischen Bruderverband manchen Anerkennungsstreit ausfocht und de- ren Führer es beschieden war, als al- ter Mann im Konzentrationslager von Dachau zu sterben. Ein solcher Ueberblick allein liefert mächtige Argumente gegen die zeit- genöss'schen Strömungen in der Richtung "national homogener Staa- ten", deren Grenzen nach dem Hitler- Rezept des Bevölkerungs-Transfers abgeschliffen werden sollten. Wie schon die Times dazu auseinander- setzte, würde die Annahme des Prin- zips der rassischen Homogenität in- nerhalb fixierter Staatsgrenzen nur um den Preis einer dauernden Unter- bindung der Freizügigkeit aufrecht zu erhalten sein. Die ethnographische Vermischung der Bevölkerungen, die in weiten Teilen Zentral- und Südost- Europas mehr oder wen'ger stark an- zutreffen ist, geht nicht auf politische Willensakte zurück. In den meisten Fällen ist sie das Resultat wirtschaft- licher Bedürfnisse: Wiederbesiedlung von entvölkerten Grenzprovinzen wie im Banat, Städtegründungen in Böh- men und Ungarn, Handelsniederlas- sungen in den baltischen Häfen und der Prozess d-r Industrialisierung- in den ehemals zaristischen Westprovin- zen. im alten Oesterreich-Ungarn und auf dem Balkan. Man kann wohl sa- gen, dass Europa nach diesem Krie- ge eine Zusammenfassung seiner Hilfsquellen, eine free Zirkulation von technischen Hilfsmitteln, Arbeits- kraft, Intelligenz und Kapital not- wendiger brauchen wird denn ie. Eine Abgrenzung von rassischen Blöcken würde den wirtschaftlich-sozialen Blutkreislauf des europäischen Orga- nismus unterbinden und Krankheits- herde schaffen, die nicht nur auf die besiegten Länder beschränkt blieben. NEUE BINDUNGEN Vom politischen und moralischen Standpunkt aus gesehen, ist eine wei- tere ideologische Aufgliederung der europäischen Massen se'hr wahr- scheinlich. H'nter dem Begriff der "Umerziehung" Verbirgt sich die va- ge Hoffnung, dass es vielleicht doch möglich sein werde, die verlorene Ue- bereinstimmung des Weltbildes und des Lebenszieles grosser und kleiner Nationen noch e'nmal auf der Basis humanistischer Wertungen herzustel- len. Eine Demokratie aber, die sich hinter rassische Grenzpfähle «ver- schanzt, dürfte kaum den geistig ent- wurzelten, seelisch verkrüppelten und glaubenslosen Opfern faschistischer "Erziehung" die magnetische Kraft einer grossen V.'sion humanistischer Lebensgestaltung zu bieten haben. Ja, es erscheint überhaupt fraglich, ob es der Mühe wert ist, die vom Faschis- mus mitten durchgespaltenen Natio- nen noch einmal als geschlossene na- tionale Organismen aufzubauen. Mag sein, dass sich die Insassen so vieler Konzentrationslager. welcher Natio- nalität immer sie zugehörten, unter- einander stärker verbunden fühlen werden als jenen, die sie dorthin ge- bracht haben. Aus dem gemeinsamen Erlebnis einheimischer und fremder .Sklavenarbeiter in Deutschland, aus den Beziehungen Gutgesinnter in be- setzten Ländern, ja selbst aus den Eindrücken der Besatzungsarmeen auf einem befreiten Kontinent kön- nen s'ch durchaus übernationale Bin- dungen von langer Dauer und positi- ver Zwecksetzung ergeben. Abgesehen davon werden fast alle kontinentalen Siegerländer vor der Wahl zwischen horizontaler oder vertikaler Abrech- nung stehen. Davon, ob die Erfahrun- gen der faschistischen Periode in ras- sische Exklusivität oder in einen Strom freihe'tlichen, allgemein menschlichen Wollens transformiert werden, hängt vielleicht die falsche oder richtige Antwort auf den Fa- schismus im Weltmasstabe ab. Je mehr sich die FreiheitS-Bewegungen. einzelner Völker national absondern oder beschränken wollen, desto grö- sser wird die Gefahr se'n, dass ein Neu-Faschismus in internationaler Auflage drohend aufersteht. Od Europa noch einmal der Welt im Guten ein Beispiel liefern kann, steht dahin. Schlechte Beispiele, die von Europa ausgehen, haben aber noch immer Aussicht auf efrige Nachah- mung in anderen Kontinenten und Hemisphären. Es las sich vielleicht wie eine übertriebene Warnung, als Allan G. B. Fisher und D. Mitrani in der Dezember-Ausgabe des Political Quarterlv schrieben: "Die Völker des Fernen Ostens und Vorderasiens und, in geringerem Ma- sse auch die Afrikas, haben rasch die politischen Dogmen und Gewohnhei- ten angenommen, die in Europa ent- wickelt wurden. Wenn einmal die Idee der nationalen Reinheit als Grundprinz"p der politischen Organi- sation ihren Marsch angetreten hat. dann kann sie nur zu leicht auf jene Teile der Welt übergreifen, wo klei- ne europäische Gemeinschaften eine privilegierte Stellung gemessen. Ihre Anwesenheit und ihre Bedürfnisse ha- ben immer dazu gedient. Intervention der Heimatstaaten zu ihren Gunsten zu rechtfertigen. Die 'Lösung', die in Europa angewendet wird, um den Schwierigkeiten mit den Minderhei- ten ein Ende zu machen, würde da- her sehr bald in Gebrauch kommen, um europäische Minderheiten aus Vorderasien, dem Fernen Osten, aus Afrika und vielleicht Latein-Amerika in ihre Heimatländer zurückzuschaf- fen." Wie rasch die Transfer-Idee ihren Weg durch eine politisch aufgewühl- te Welt machen kann, davon musste sich zu ihrer Ueberraschung auch die Gemahlin des amerikanischen Präsi- dentin überzeugen. In ihrer täglichen Zeitungsbetraciitung vom 15. Mai brachte Mrs. Roossvelt ihre Belusti- gung darüber zum Ausdruck, dass ein Broschürenschreiber die Aussiedelung einer nicht näher bezeichneten rassi- schen Minderheit aus den Vereinigten Staaten ganz ernsthaft befürwortet hatte. Mrs. Roosevelt schrieb dazu: "Ich glaube, dass dies niemals eine dauernde Lösung sein könnte, denn wenn wir besehliessen, eine Minder- heitsgruppe fortzuschaffen und in ei- nem anderen Teile der Welt anzu- siedeln, warum sollten wir nicht auch Hans Jahn: BRIEF AN DIE POPPELMAENNER beschlossen, dasselbe mit einer ande- ren Gruppe zu tun, mit der wir das eine oder andere Mal nicht gut aus- gekommen sind? Es gibt unter uns eine Anzahl von Gruppen, die mancher unzweifelhaft gerne bei Gelegenheit in einen ande- ren Teil der Welt bringen möchte. Wenn wir damit beginnen, dann wür- de es mir ganz logisch erscheinen, da- mit fortzufahren, und dann möchte ich nur wissen, wo wir eigentlich auf- hören, unsere Nation aufzuteilen. Vielleicht würde es dazu kommen, dass wir am Ende unser Land denen zurückgeben, die es ursprünglich be- sassen, den Indianern, die wir jetzt mehr oder weniger in Reservationen abgesondert haben." Selbst ein junger Kontinent, dessen Pionier-Adel nur bis zu den Mayflow- er-Pilgrims des Jahres 1620 zurück- reicht, kann sich eine nachträgliche Aussortierung von dableibens.berech- tigten und unerwünschten Bürgern nicht leisten. Wie würde sich ein sol- ches Prinzip erst in Europa mit den tiefen historischen Wurzeln seines Lebens auswirken. Kein vernünftiger Chirurg schreitet zur Amputation, so- lange noch ein Funken Hoffnung auf organische Heilung vorhanden ist. Meine lieben Poppelmänner, ja, das ist ein schweres Problem, ein ganzer Schwanz von Problemen ei- gentlich, aber der entscheidende Punkt ist doch eben die Frage: "Soll- mer oder sollmer nich?" Der Krieg neigt sich sichtbarlich seinem Ende zu, und da sitzt ihr nun mit dicken Köpfen an den Kasse ehaustischen und wägt sorgsam das Für und das Wider. "Sollmer? Sollmer nich?" Rübergehen nämliflh, wenn es so-J weit ist. Es ist nicht leicht, meine Lieben. Was ihr hier habt, das wisst ihr, und drüben dürfte alles noch ein wenig unsicher sein, in je- der Beziehung, ja, wenn ihr wenig- stens wüsstet, ob eure Schadener- satzansprüche anerkannt werden. Ausgerechnet habt ihr sie ja ganz genau, die Tausender, die Hunder- ter und die sechsundsiebzig Pfenni- ge, in Goldmark zahlbar, versteht sich. Aber wo nichts ist, halt ein An- spruch nur recht zweifelhaften Wert, und ich habe so das Gefühl, dass von Ansprüchen drüben überhaupt nicht viel die Rede sein wird. Die Deutschen werden wohl gar nicht verstehen, was ihr wollt, und wenn ihr einem der Ueberlebenden dort klarmachen möchtet, dass ihr Emi- granten, Opfer, genau besehen, Hel- den seid, die gewisse Anrechte ha- ben, ja, dann könnte es auch passie_ ren, dass der Mann nur müde die Achseln zudkt und erwidert: "Hel- den, ja, ich weiss nicht recht, was das ist, ich habe so viel vergessen, war an der Front, bis ich mein Bein verlor, und dann im Rüstungsbe- trieb, und nachts habe ich meist noch illegale Flugblätter gedruckt, tut mir leid." Die Angelsachsen wer- den wenig Zeit für euch haben, und die Russen — mm, die Russen! Ihr — 11 — habt natürlich hier drüben aufs rich- tige Pferd gesetzt, aber wer weiss, ob der Gaul dann so weiter läuft, wie ihr euch vorgestellt habt. Rech- net lieber nicht zu stark mit der fi- nanziellen Entschädigung, und ob man euch ein paar angekettete SA- Männer als persönliche Arbeitsskla- ven zur Kompensation überlässt, ist auch noch zweifelhaft. Euer Haus, wer kann sagen, ob es noch steht, und wenn das der Fall sein sollte, so könnte euch die Woh- nungszwangswirtschaft einen Strich durch, die Inbesitznahme machen. Und wenn ihr ein Haus habt, habt ihr noch lange kein Heizmaterial für den Winter, denn mit ein paar Litern Kerosen ist es drüben nicht getan. Von der Ernährung wollen wir lieber ganz schweigen. Die Nachbar- länder werden sich nicht sehr beei- len, Liebesgabenpakete nach Deutsch- laind zu schicken, selbst wenn sie könnten. Seht mal, meine Lieben, hier habt ihr eure Bifes und eure Hühnchen und Obst und, Gemüse und euren Chopp und Pancho und Toddiy und Submarine, überlegt es euch gut, das ist nicht zu verachten, selbst wenn ihr dafür arbeiten müsst. Alber dann ist noch das Geschäft, ein wesentlicher Gesichtspunkt. Bei der letzten Inflation in Deutschland sind Vermögen gemacht worden. Je- doch vielleicht kommt irgendeine Art Zwangsbewirtschafltomg, sowas lässt keine grosse Spanne für pri- vate Initiative und erst recht keine Verdienstspanne. Da seid man lieber zurückhaltend, Kinder, denn das könnte schiefgehen. Bleibt noch die sentimentale Sei- te. Aiuch hier dürfte es Enttäuschun- gen geben. Die vertrauten Strassen werden oft nicht mehr vorhanden sein, und auch die Kaffeehäuser sind verschwunden. in cienen man früher seinen Skat spielte. Vielleicht steht statt dessen an dem Platz ei- ne Volksküche. Bedenkt das, Mas- senabfütterung' ! Wo soll da die Ge- mütlichkeit hinkommen? Seht, mei- ne Lieben, hier habt ihr die Florida und die Cörrientes, hier gibt es auch Cafes, sogar mit echtem Kaffee, und obendrein geltet ihr noch als Kos- mopoliten. Ihr sitzt da und schlürft, während euch ein knieender Dienst- beflissener die Schuhe putzt. Solche Hochgefühle müsstet ihr drüben wohl entbehren, wahrscheinlich müsstet ihr sogar die Schuhe selber putzen. Werft das Gute nicht weg, das ihr habt, es ist sein Geld wert. Voll dunkler Abenteuer ist die Alte Welt, ihr Guten. Rüibergehen sollte eigentlich nur, wer eine Idee hat. Bitte, kein Missverständnis, ich mei- ne keine Reklameidee, auch keine Idee zum leichten Geldverdienen. Vielmehr ganz unmaterialistisch Idee, die Idee einer neuen, besseren Welt. Ordnung etwa. Sie müsste schon so stark sein, dass sie nicht vor Hunger und Kälte, vor Mangel und Roheit zurückschreckte. Und sie dürfte gar nichts erwarten als das Bewusstsein, für die Zukunft gearbeitet zu haben, nichts als diese lächerliche innere Befriedigung. Ja, meine lieben Poppelmänner, da sitzt ihr nun etwas bedeppert vor euerm Cortado. Na, nichts für un- gut, ich wollte euch nur einige Aspek- te zu bedenken geben. Ich woll- te euch einen, Dienst erweisen, er- weist mir auch einen, meine Lieben: bleibt hier, wenn es soweit ist, bit- te, bleibt hier! Rein.Hardt: ZUR. JUEDISCHEN FRAGE Unterhaltungen zeigen, dass noch immer in jüdischen Kreisen Unklarheit über die Haltung des Andern. Deutschland herrscht. Deshalb sind die fol- genden Zeilen geschrieben worden. Keine andere ethnologische Gruppe hat soviel unter der Nazibarbarei zu leiden gehabt wie die Juden Europas. An ihnen tobte sich der braune Sadis- mus am ungehemmtesten aus, weil sie am hilflosesten waren. Ihre Men- schenwürde wurde zertreten, jede Le- ben smöglichkeit wurde ihnen genom- men, eine Unzahl wurde gemordet. Nichts ist darum natürlicher, als dass d:as kommende Deutschland — wenn es das sein wird, für das wir kämpfen — es als seine Ehrenpflicht ansehen wird, die geschlagenen Wunden zu heilen, soweit das menschenmöglich ist. Wir antifaschistischen Deutschen, die — 12 — wir den Kampf gegen Hitler geführt haben als seine heutigen westlichen Gegner ihn noch verdächtig wohlwol- lend betrachteten und als selbst viele seiner späteren jüdischen Opfer noch bequem "unpolitisch" die Hände in den Schoss legten, haben nicht erst nötig, uns zu distanzieren von den Verbrechern, die zufällig dieselbe Sprache sprechen wie wir. Die politi- schen Gegner der Nazis waren diie -er- sten Opfer in den Konzentrationsla- gern' oder mussten emigrieren. Von vielen geflüchteten Juden kann man hören, dass ihnen sogenannte "arische" Deutsche unter eigener Gefahr halfen und ihren Abscheu gegenüber dem Vorgehen der Nazis zum Ausdruck brachten. Die ostpreussischen Bauers- frauen, die ins Zuchthaus gehen muss- ten, weil sie elternlose jüdische Kin- der vor dem Verschicken retteten und als ihre eigenen ausgaben, sind zwar Ausnahmen an Mut, aber nicht an Ge- sinnung. Deshalb wenden wir uns ge- gen die Gleichsetzung von deutsch und hitleristisch wie sie von interessierter Seite heute propagiert und von eini- gen deutschen Juden, die nicht poli- tisch denken können, mitgemacht wird. Der Antisemitismus ist wahrhaftig kein typisch deutsches Gewächs. Er ist überhaupt unabhängig von Völkern und Nationen und tauchte zu allen Zeiten und überall auf, wo eine reak- tionäre Richtung sich bemühte, An- hänger unter den politisch Unaufge- klärten zu werben. Sehr klar weist das der jüdische Wortführer Leo Baeck in seinem "Wesen des Juden- tums" nach. Solange darum ökonomi- schen Gruipipeniinteressen die Möglich- keit gelassen wird, sich politischer Demagogie zu bedienen, ist jederzeit und überall eine neue Welle des An- tisemitismus möglich. Gegen ihn wirk- lich zu kämpfen, heisst darum, seine politisch-ökonomischen Voraussetzun- gen zu beseitigen: Kapitalismus und Reaktion. Wir kämpfen gegen jede Unterdrük- kung, sei sie wirtschaftlich, rassisch, national oder religiös. Eine verurtei- len und andere anerkennen zeugt von Denkträgheit oder Egoismus und nimmt ihrem Vertreter das Recht zur Entrüstung, wenn er zufällig selbst Leidtragender wird. Viele Angehörige des jüdischen Bürgertums haben in dieser Zeit des Grauens zum ersten- mal erfahren, was es heisst, ein^m Mächtigeren hilflos ausgeliefert zu sein und Unrecht zu erleiden. Die ar- beitende Menschheit aller Länder ist seit undenklichen Zeiten in dieser Si- tuation und in ihren grossen Befrei- ungskampf münden alle anderen ein; denn auch die Gerechtigkeit ist unteil- bar. Erfreulicherweise ist diese Er- kenntnis vielen früher unpolitischen Juden gekommen. Sie stehen heute bei uns, einerlei ob sie die Absicht ha- ben, einmal nach Deutschland zurück- zukehren oder nicht, denn keinem Ju- den kann es einerlei sein, ob aus der Niederlage Hitlers ein neues Deutsch- land in einem neuen Europa entsteht, in dem man von Antisemitismus nur noch aus den Geschichtsbüchern hört. Der Kampf gegen den Antisemitismus und seine Ursachen ist ebenso ein Weltkampf wie der der Arbeiterschaft um ihre Rechte. Was nun das Andere Deutschland für die Juden erstrebt, lässt sich in einem Satz zusammenfassen: genau dasselbe, was es für alle nichtjüdischen Deut- schen erstrebt. Das heisst vor allem Arbeit, Anerkennung der Menschen- würde, absolute rechtliche und wirt- schaftliche Gleichheit. Jeder Antise- mitismus fällt unter das Strafgesetz. Wir zitieren dazu aus dem Beschluss unseres Kongresses in Montevideo: "Er (der Kongress) fordert Vermö- genseinziehung und Todesstrafe ge- gen alle, die für die Ermordung, Beraubung oder Misshandlung von Juden verantwortlich oder an ihr beteiligt sind. Er fordert weiterhin, dass im neuen Deutschland antise- mitische Betätigung1 und Propagan- da unter Strafe gestellt wird." Zu der inn er jüdischen Diskussion, zum jüdischen Nationalstaat nehmen wir als Ganzes keine Stellung ein. Wird er geschaffen, so haben seine Staats- angehörigen die Rechte und Pflich- ten der Ausländer, die übrigen deut- schen Juden aber -sind- deutsche Staatsbürger wie alle anderen mit den gleichen Rechten und Pflichten. Die von uns als Voraussetzung ge- nommene wirtschaftliche Umorganisa- tion im sozialistischen Sinne regelt die ökonomische Seite des Lebens ge- nerell, für Juden und Nichtjuden. Die in diesem Rahmen mögliche Zurücker- stattung der von den Nzis gestohlenen Verbrauchsgüter muss erfolgen, eben- so wie die Wiedereinsetzung entlas- sener Beamter, Aerzte, etc. Uns er- scheint wichtiger die moralische Re- habilitierung einer Menschengruppe, die Deutschland und seiner Kultur und Wissenschaft viel gegeben hat, und die jetzt von Verbrechern diffamiert, in den Staub getreten und entrechtet wurde. Es gilt, die Köpfe bis zum letz- ten Rest zu säubern von dem systema- tisch eingeflössten antisemitischen Gift. Das fällt in die Rubrik "Umer- ziehung des deutschen Volkes". Zu ihr brauchen wir die Unterstützung aller Menschen guten Willens, vor allem auch der Juden selbst. 13 — Heinz Apfeldorf: DIE UNSICHTBAREN WELTBEHERRSCHER In der Pressekonferenz am 8. 9. ver- las Präsident Roosevelt einen von ihm an Cordeil Hall gerichteten Brief, in dem von der Rolle der deut- schen Industriekaxtelle in der Na- zipolitik die Rede ist. In diesem Brief heisst es u. a.: "Auf die Nie- derlage der Naziarmeen wird die Be- seitigung dieser Werkzeuge des Wirtschaftskriegs folgen müssen.'? Es ist erfreulicn, dass ein alliierter Staatsmann auf die Notwendigkeit hinweist, den wahren Schuldigen an Krieg und Paschismus zu Leibe au rücken. Die Massnahmen gegen die Kartelle werden jedoch unvollkom- men sein und ihren Zweck verfeh- len, wenn hinter ihnen die Absicht steht, die deutsche Konkurrenz für die Zukunft unschädlich zu machen. Die deutschen Kartelle sind nur ein Rad im Räderwerk des internationa- len Kapitalismus, für den es auch im Kriege keine Grenzen gibt. Seine Feinde sind nicht die Angehörigen ■anderer Nationen, sondern das orga.. nisierte Proletariat; seine Freunde und Verbündeten sind alle Unterneh- men und Individuen, die zur Ver- gröisserung von Macht und, Profit beitragen können, mögen sie zu den "Feinden" gehören oder nicht. Ein treffendes Beispiel für solch ein international verschachteltes Gross- Unternehmen, das zu denen gehnrt für die Aufrüstung und Krieg Le bensfragen sind, liefert uns der Be- r.iält:.50 Jahre Aluminium-Industrie AG (AIAG) Das Hauptquartier dieser ungeheu- ren Organisation, die vom Rohstoff bis zum Verkauf alle Produktions- Phasen unter ihrer Kontrolle hat, be- findet sich in Neuhausen (Schweiz). Diese Tatsache wirkte sich in zwei Weltkriegen zum Segen der Firma aus, deren Reingewinne bereits im er- sten Weltkrieg schwindelnde Höhe er- reichten, die nur in diesem Kriege übertroffen wurden. Die AIAG lässt sich nicht mit einem gewöhnlichen Inidustrie-Ulnternehmen vergleichen. Eine Anzahl von Fabriken, Elektri- zitätswerke, Banken und Kredit-An- ' stalten, die scheinbar ihr eigenes Leben führen, werden von ihr be- herrscht. 1931 wurde in Basel die "Alliance Aluminium Co." gegrün- det, die unter der AIAG Produktion und Absatz zu leiten hat. Nach den deutschen, ungarischen und französischen Filialen wurde 1926 in Italien die "Societä Aluminio Vene- to Anonima" gegründet, deren Wer- ke sich in Porto Marghera bei Vene, dig befinden. Nach und nach dehnte sich der Aktionsradius der AIAG auf Belgien, England, Spanien und Nie- itierländisch-Inäien aus. Von den deutschen Gesellschaften, die mit der AIAG verknüpft sind, seien nur die AEG, die Deutsche Bank und die Allgemeine Deutsche Kredit-Anstalt, Leipzig, genannt. Ihre Sonderprivilegien und ihr fak- tisches Monopol verdankt die AIAG nicht etwa der göttlichen Vorsehung, sondern den politischen Beziehungen ihrer leitenden Persönlichkeiten. Auf diese Weise wurden die billigen Was- serkonzessionen, die Steuererleichte- rungen, die Tarifermässigungen für Schiff- und Bahntransporte, die Zoll, Vergünstigungen, der Zollschutz, die offiziellen Kriegspreise, die Extra- vorteile in den Clearingbestimmun- gen u. s. w. erlangt. Vor dem Ab- schluss von Handelsverträgen mit dem Ausland erteilt die AIAG ihre Instruktionen den offiziellen Dele- gierten, die — vielleicht zufällig? — oft ihrem eigenen Verwaltungsrat angehören. Der zweite Weltkrieg hat für die AIAG denkbar günstig angefangen. Flugzeuge und Sprengstoffe ver- brauchen sich schneller und in grös- seren Quantitäten als Kochtöpfe. Was Wunder, wenn die Direktoren der AH AG zu den freigebigen Spen dern faschistischer Organisationen gehören? Nur der Faschismus, für •cLen Krieg der Normalzustand ist, sichert ihnen das Blühen ihres Ge- schäfts. Jetzt, da der Friede auszu- brechen droht, stehen nicht nur die AIAG, sondern fast alle ähnlich ge- arteten Unternehmen vor schweren Problemen. Es gibt eine einfache Lö- sung: Die Vergesellschaftung, auf dass sie für den Bedarf statt für den Pro- fit arbeiten. Ihre jetzigen Herrscher sind dann der Mühe enthoben, den nächsten Weltkrieg vorzubereiten. NEUE BUECHER Dr. Paul Schwarz, This Man Rib. bentrop, His Life und his Times. Verl. Julian Messner, Inc, New York. 1944. Ein dreihundert Seiten langes Buch über Ribbentrop — lohnt das der Mühe?, fragt man sich, wenn man es zum ersten Mal in die Hand nimmt u. legh es weg mit der festen Ueberzeu- gung, dass es sich nicht gelohnt hat. Ein Mann ohne Charakter, ein Stre- ber und Gesinnungslump in einem Milieu von Charakterlosen und Ge- sinnungslumpen kann nicht interes- sieren. Sein Stammbaum ist den Durchschnittslesern weniger interes- sant als der eines Drahthaar-Terriers. Dass er seinen Adel der Adoption durch eine Tante verdankt, mag für ihn ein wichtiges Geheimnis sein, als Enthüllung is!t es belanglos. Manche mögen meinen, es sei doch wichtig, zu erfahren, wie ein Mensch so kleinen Kalibers Minister des Auswär tigen im Hitlerreiche werden und so viele schwerwiegende Verhandlungen führen konnte. Warum wichtig? Es ist selbstverständlich, dass ein hüb- scher Kerl, Hans in allen Ecken, •ohne moralisches Rückgrat, aber tüchtig im Sport, gefällig und rück- sichtslos, es im Hitlermilieu zu et- was bringen musste. Interessant ist, wer sich aus seiner Umiwelt heraus- hebt — das Menschenmaterial für solche Studien suche man in den kleinen Kalibers Minister des Auswär- trop — Brei im Brei — verdient die sorgfältige und gewissenhafte Arbeit nicht, die der Autor auf ihn verwen- det hat. Das Buch mag für Leute Interesse haben, die den diplomatischen Dienst von innen kennen, die auf jeder Sei- te einem Bekannten begegnen, wie sie in dem langjährigen diplomati- schen Dienst dem Dr. Schwarz nahe getreten sind. Vielleicht werden ein- zelne Angaben dem Historiker spä- ter von Nutzen sein. Ein Beitrag zur Unergründlichkeit des Menschenher- zens ist die Tatsache, dass am 1. April 1933, dem Tag des Judenboy- kotts, Ribbentrop riiehrere jüdische Freunde zu einem Lunch im Adlon einlud, auch gelegentlich einem ver- folgten Juden wirklich geholfen hat. Trotzdem sind Person und Leben dieses Mannes belanglos — ihm die redliche Arbeit eines solchen Buches zu widmen, heisst, mit Kanonen nach Hasen zu schiessen. O. L. O. AlHiaiice Press, London brachte her- aus: "Mit einem Seufzer einem Lächeln" (With a sigh and a smile), eine Autobiographie des deutsch-jüdi- schen Flüchtlings Max Mack, der in Berlin zahlreiche Filme produzierte; "Die Gestaltung1 der deutschen Zu- kunft" (Reshaping- Germany's Future) von Philipp Paneth und "Deutsche Folterer" (Teuton Torturers) von Har- ry C. Schnur, die letzten beiden Bändchen dienen der Popularisierung der sattsam bekannten Ideen des Lord Vansittart. Tar» Yashima: Die neue Sonne (The New Sun) im Verlag Henry Holt & Cie., New York. — Yashima ist ein japanischer Maler und antifaschisti- scher Kämpfer. In «einem Bilderro- man schildert er in eindringlichen Schnitten, die mit kurzen Texten ver- sehen sind, Kampf und Leidi der japa- nischen Antifaschisten. DIE ZBHJf GEBOTE (Los diez Man- damien-tos) im Verlag Abril, Buenos Aires. Thomas Mann, Rebecca West, Franz Werfel, John Erskine, Bruno Frank, Jules Romains, Andre Maurois, Sigrid Unds.et, Hendrik W. van Loon, Louis Bromfield unld' Hermann Rauschning behandeln in kurzen No- vellen das Thema Nationalsozialismus. «EDANKEN UEBER DIE REVOLU- TION UNSERER ZEIT (Reflexioines sobre la revoluciön de nuestro tiempo) von Harold J. Laski (im Verlag Abril, Buenos Aires). Eine spanische Ueber- setzung des beachtlichen neuen Wer- kes des bekannten englischen Profes- sor® und Leiters der englischen Arbei- terpartei. Eine ausführliche Würdi- gung- des Buches erschien in Nr. 85 des DAD. William Tempi« & Victor White: El Tomismo y las Necesidades Modernas (Information C'atölica International, Buenos Aires. Kleines Eingeständnis. Dieser Tage machte die Ruhe und Ordnung lieben- de "Razön" betrübt die Feststellung, dass kein Land zur Rettung- von Men- schenleben auch nur den tausendsten Teil dessen ausgegeben hat, was man im Kriege ausgibt, um Menschenle- ben zu vernichten. 15 — Stimmungsbarometer UNS FIEL AUF —dass Pg. Ma.ubach alle Hitlerbil- der aus seinem Schaufenster zu- rückgezogen hat, —dass derselbe Herr Maubach .sei- nen Kunden erzählt, er sei nur un- ter dem schwersten Terror der Na- tionalsozialisten ein "alter Kämp- fer" geworden, —dass seine wahre Gesinnung schon daraus hervorgehe, dass er stets auch deutsch-jüdische Flücht- linge unter seinen Lieferanten ge- habt habe. Fritz Büschs Konzerte im Colon wer- den auch von Nazis stark besucht. Bei jedem seiner Beethoven-Konzerte waren zahlreiche prominente Vertre- ter der gleichgeschalteten Kolonie an- wesend, die fanatisch Beifall klatsch- ten. Sollte ihnen nicht bekannt sein, dass Fritz Busch nicht nur ein gro- sser Musiker, sondern auch ein Mann von Charakter und Rückgrat ist, der aus seiner an ti-hitler is tischen Gesin- nung nie ein Hehl gemacht hat? In Merlo (Bs. As.) bleibt noch ein kleines Häufchen unentwegter Nazis, die auf die Wunderwaffen hoffen. Aktive Mitarbeiter der Arbeitsfront und ehemals führende Persönlichkei- ten der Partei sind heute längst ab- gefallen, glauben nicht mehr an die Märchenwaffen und scheinen zu be- greifen, dass sie Opfer, des grössten Betrugsmanövers der letzten Jahrhun- derte geworden sind. Stimmungsbild, 'aus Misiones. Aus Mon- tecarlo erhalten wir einen Brief, in dem es u. a. heisst: Die Nazis in unserer Gegend hatten immer besonderes Interesse für die künftigen Kolonien des 3. Reiches in Afrika. An die Hitze hatten sie sich so schon gewöhnt. Und überdies glaub- ten sie, dass die Neger sich die Fuss- tritte eher gefallen liessen als Polen 1 und andere europäische Völker. Eini- ge hatten schon ihr ganzes Besitztum in Misiones verkauft und warteten, je- den Augenblick nach Afrika abberu- fen zu werden. Nach der Niederlage Rommels in Afrika machten sie sich jedoch hier odeA anderswo in Misiones wieder selbständig. Siegen werden die Nazis zwar trotzdem, aber sicher ist sicher; dachten sie. Als die Alliierten im Blitztempo Frankreich eroberten, traf ich Fritz Biermann. Der sagte: "wenn jetzt nicht bald die Wunwer- waffen kommen, glaub (ich schon bald, dass die Führer uns betrogen haben." Man hört jetzt öfters: "Ich hab's frü- her schon gesagt, dass da was nicht stimmt", oder "Ich hab mir schon lang denkt...". Der hiesige Führer und die Führerlein spielen sich schon längst ais argentinische Nationalhel- den auf. Sicher ist sicher. Dieser Ta- ge war ich beim Gärtner Mener. Ja* ja, meint der, nun hat der Hitler auch die deutsche Zipfelmütze aufgesetzt, genau wie Kaiser Wilhelm selig, wo er doch damals mit den U-Booten alle feindlichen Schiffe hätte versenken können. Wenn's eben drauf ankommt, ist der Deutsche immer wieder zu hu- man, er Icanti nicht so brutal sein, wie er sein müsste, um den Krieg zu ge- winnen. Hat doch Goebbels erst vor kurzem gesagt: 'Wir haben die Mittel, einen ganzen Erdteil in die Luft zu sprengen.' Und sie tun's nicht, weil sie eben zu human sind. "Meine lieben Freunde, ich kann heute weder über die, Nazis spotten noch sie verurtei- len. Mich überfällt ganz einfach eine grosse Traurigkeit, wenn ich daran denke, wie die Leichtgläubigkeit der Deutschen und ihr Unvermögen, ein selbständiges Urteil zu bilden, von ei- nigen wenigen erkannt, weitergezüch- tet, organisiert und dann zu so unge- heuren Verbrechen misisbraucht wur- de..." In Paraguay hat die Begeisterung bei den Nazis stark nachgelassen. In Villa Alborada setzte eine Massen- flucht aus 'der Nazi-Schule ein — trotz der unermüdlichen propagandi- stischen Tätigkeit von Pg. Hess, der die Schule leitet. In Metam (Salta) starb nach kurzer Krankheit die Lebensgefährtin unse- res Freundes Otto Spiess. Seit den schon fernen Tagen, als Otto Spiess sich — ein junger Bursche damals — dem Berliner Metallarbeiter-Verbana anschloss, ist auch Frau Spiess uner- müdlich für die Sache der Arbeiter- schaft tätig gewesen. Sie folgte ih- rem Mann in die Emigration, als die braune Schlammflut über Deutsch- land hereinbrach, und die schwere Sorge um die Existenz im neuen Land, hat sie nie abgehalten, bis in die letzten Tage vor ihrem Tode wer- bend für die Sache des anderen Deutschland einzutreten. Ihr sehnlich- ster Wunsch, die Aburteilung der braunen Verbrecher mitzuerleben, ist ihr leider versagt geblieben. — 16 — AUS DER DEUTSCHEN OPPOSITION DAD-Chlle gibt ein eigenes Nachrich- tenblatt heraus, das durch: Clasifica- dor B 182, Santiago de Chile, bezogen werden kann. Deutsche Antifaschisten, besonders Lehrer, Juristen, Techniker, Ver- waltungsbeamte und so weiter, die Interesse d&ram haben, nach Hit- lers Sturz nach Deutsichland zu- rückzugehen, werden gebeten, sich schriftlich zu melden bei D.A.D., Tucumän 309, Buenos Aires. Aus- führlicher Bericht über Tätigkeit vor und nach 1933 unerlässlich. In Brasilien gibt "Movimento dos An- tinazi'S Alemaes' eigene Informations- briefe heraus, die zu beziehen sind durch iFedelricio Kjnie.stedt, Tiravesisa do Salsio 758, Porto Alegre (Rio Gran- de do Sul). DAD-La Paiz (Bolivien). Verkaufsstel- len des DAD In La Paz: Filatelica Willi Karbam; Biblioteca Moderna. DAD-Montevldieo. Sehr gut besucht war die Versammlung, in der Dr. Ro- see-Tebl6e über Wiedergutmachung sprach. Dank der eifrigen Werbetätig- keit Julie Sturms steigt die Auflage der Zeitschrift ständig. (Anschrift: Rio Branco 1372, Sprechstunden Mo. Mi. Fr. zwischen 18 und 19 Uhr). Das "InformaMonsMatt" bringt einen ,infamen, aber dummen Angriff gegen DAD. Dieser Angriff erfolgt nach der alten Methode, einzelne Sätze aus dem Zusammenhang zu reissen, um dann ihren Sinn zu verfälschen. Die Verfasserin bringt es fertig, gleichzeitig zu behaupten, DAD erfreue sich mit Recht der Sympathie der Re- gierung Farrell, es sei trotzkistisch, es sei "zu viel Neutralität und Ab- warten in dem siemsenischen Antifa- schismus", die Alliierten würden an- gegriffen und man biedere sich bei ihnen durch Angriffe auf die Sowjet- union an. Hätten wir Lust zur Polemik, wir "könnten vielerlei sagen über die ewig schwankende Haltung der leitenden Leute vom Antifaschistischen Komi- tee. Wir erinnern nur daran, dass kurz nach der Versenkung' des deut- schen Panzerkreuzers "Graf Spee" der Vorsitzende dieses Komitees in einer öffentlichen Versammlung die unver- geßlichen Worte sprach: ''Besser zwei englische Panzerschiffe wären ver- senkt worden, als das eine deutsche". Bajder Olden, einer der zahlreichen Vize-Präsidenten der F.D.-Mexiko, zog sich wieder in das Privatleben zu- rück, das er nie hätte verlassen sol- len. Ein Druckfehler entstellte unsere No- tiz über den Prozess Torres-Weil in No. 86. Es muss heissen, dass der Prozess zugunsten Weils entschieden wurde. [n Montecarlo (Misiones) verstarb Al- berto Spengler, ein unbeugsamer An- tifaschist, der seit der Gründung DAD angehörte. U. S. A. In einer "Invasions-Prokla- mation" hat der vor kurzem gegrün- dete "Council for a Democratic Ger- many" das deutsche Volk und: das Heer zur Erhebung gegen Hitler und das Naziregime aufgefordert. "Dieser Krieg ist nicht euer Krieg!" heisst es u. a.: "Weiterer Widerstand kann nur den Tod von Hunderttausenden mehr, die Zerstörung weiterer deutscher Städte und Dörfer mit sich bringen und die Zukunft nur noch grauenvoller ge- stalten. Nur ein Kampf ist für Buch noch sinnvoll: der Kampf des deut- schen Volkes gegen die Nazi-Herr- schaft." In Uem an die deutschen Soldaten ge- richteten Abschnitt heisst es u. a.: "Ihr wisst, dass die militärische Lage aussichtslos ist. Stellt Biure Ergeben- heit zum deutschen Volke über den Buch aufgezwungenen Treueid zu Hitler! Buer aller Verpflichtung ge- genüber der Zukunft des deutschen Volkes als eines ehrenhaften und friedliebenden Mitglieds der Gemein- schaft der Völker steht über allen Ei- den, mit denen Buch die Nazis an ihr System zu binden suchen." In London sprachen H. N. Brailsford, Louis Levy und Gerhart Gleissberg auf der Wochenend^Tagung der K.P. D. Hertha Polemann und D. Segall umrahmten die Veranstaltung mit künstlerischen Darbietungen. — 17 — AUS HITLER-DEUTSCHLAI Wink von oben. Als das erste deut- sche Dorf vor Aachen von den nord- amerikanisdhen Trusen eingenom- men wurde, berichteten die Korre- spondenten zunächst, dass die deut- sche Bevölkerung die fremden Trup- pen mit Begeisterung und Jubel an den Strassen begrüsst habe. Am fol- genden Tage kamen Berichte, die wissen wollten, dass die Bevölkerung des gleichen Ortes schweigsam und mürrisch an den Strassen gestanden habe, als die nordamerikanischen Truppen einzogen. Und es war viel die Rede von einem rothaarigen Bur- schen von 14 Jahren, der auf die Amerikaner mit einer Maschinenpi- stole schoss. Wo ist, bei soviel Wi- derspruch, die Wahrheit? Der U. P.- Korresipondent Frank Bresse sagt sie uns in einem Sonderkabel für "El Dia", Montevideo. In Wahrheit sind die Alliierten als Befreier und ju- belnd von der deutschen Bevölkerung begrüsst worden. Die Szenen wurden sogar gefilmt. Aber als die ersten Be- richte gedruckt und die Fikne in Lon- don gezeigt wurden, begann sofort ei- ne wütende Kampagne der Vansittart gehörigen Presse. Wohin soll das füh- ren, sagte "Daily Ex/press", und "Times" erklärte, dass, wenn es so weiter ginge, man schliesslich gar noch "von einer Befreiung von Berlin" spre- chen würde. Eisenhower aber gab, im- mer nach Frank Bresse einen Befehl an die Truppen heraus, in dem sie da- rauf hingewiesen wurden, dass sie als Eroberer, nicht als' Befreier in Deutschland, einzuziehen hätten. Et- wa gleichzeitig wurden verschiedene Journalisten der alliierten Länder aus der Frontzone ausgewiesen. Bewährutigsbataillcaie. Gefangene Na- zi-Offiziere haben in zahlreichen Fäl- len die alliierten Wachtsoldaten da- rauf aufmerksam gemacht, dass sich unter den gefangenen deutschen Sol- daten eine beträchtliche Zahl söge- inannter Krimineller befänden, die in besonderen Abteilungen der Wehr- macht, sogenannten "Bewährungsba- taillonen" zusammengefasst waren. Die Nazi-Offizier rieten den Wachtsol- daten, auf diese Kriminellen besonde- res Augenmerk zu richten. Es handelt sich bei den "Bewährungsbataillonen" um Truppenabteilungen, die aus- schliesslich aus früheren Insassen der Konzen trationslager zusammengesetzt sind. Sie wurden aus den Lagern ent- lassen, ins Heer gepresst und an der Front in besonders gefährlichen Mis- sionen verwendet. Dort haben sich die politischen Gefangenen des 3. Reiches auf das allerbeste bewährt. Nazi-Offi- ziere geben zu, dass 75 Prozenit der Bewährungssoldaten von ihren eige- nen Offizieren erschossen werden mussten, weil sie die Gewehre um- drehten oder zu desertieren versuch- ten. Der Rest geriet in alliierte Ge- fangenschaft. Internationale Jungarbeitergruppen haben sich, nach dem Bericht eines jungen Zwangsarbeiters in allen Tei- len Deutschlands gebildet. Ihre Trä- ger sind junge, ausländische Zwangs- arbeiter, d e in ihrer Heimat in Ju- gendorganisationen tätig waren. Auch Deutsche, vor allem Arbeiterjungen gehören diesen Gruppen an, in denen Zukunftsfragen intensiv erörtert wer- den. In Süddeutschland sind beson- ders Jugendliche aus christlichen Or- ganisationen stark vertreten. (ITF) Selbstverständliche Solidarität. Die "Münchner Neuesten Nachrichten" klagen, dass mit Fallschirm abge- sprungene alliierte Flieger in Deutsch- land auf Hilfe rechnen können. "Von arbeitsverpflichteten feindlichen Aus- ländern — Männern wie Frauen — wird ihnen oft bereitwillig Vorschub geleistet, indem ihnen Bekleidungs- stücke, Lebensmittel, sogar die eige- nen Ausweise überlassen werden. . . Fremdländische Arbeiter bieten sich ohne rechtsgültige Ueberweisung durch ein Arbeitsamt in der Landwirtschaft zur Arbeit an, tauchen dort einige Zeit unter um bei Gelegenheit, oft nach Ausführung von Diebstählen und Sabotageakten, ihre Flucht fortzuset- zen." (ITF) WERBT FUER DAS ANDERE DEUTSCHLAND — 18 — Aus der Österreichischen politischen Emigration Berichte aus Oesterreich. Die Auslandsvertretungen der öster- reichischen Sozialisten in London und New York erhalten mit einiger Regelmässigkeit Berichte aus Oe- sterreich über neutrale Länder. Da- raus seien einige besonders interes- sante Stellen wiedergegeben. Die Berichte stammen von Augenzeugen, die aus Oesterreich ins neutrale Aus- land kamen. Hass gegen alle Deutschen. Nicht nur gegen die Nazis, gegen al- le Deutschen, die aus dem Reiche stammen, richtet sich der wilde Hass der Wiener. Raufereien mit Deut- schen sind an der Tagesordnung. Die Moskauer Deklaration wurde allge- mein willkommen geheissen. Ueber dias Problem, wie Oesterreich spä- ter einmal sein Dasein organisieren wird, um leben zu können, stellen die Leute heute keine Ueber legungen an; sie wollen los von Deutschland, das ist ihr verherrschender Wunsch. Die Zahl der Nazis ist gering, sie setzt sich hauptsächlich aus Partei- beamten zusammen. Sie sind sehr verhasst; im Gespräch werden sie als "die Verbrecher" bezeichnet. Aelmlich berichtet ein Wiener Ge- schäftsmann, der häufig Auslandrei- sen macht, dass der Hass gegen die Deutschen selbst unter den wenigen Oesterreiohern, die noch immer Na- zi sind — der Gewährsmann schätzt sie auf 10% der Bevölkerung — sehr intensiv ist. Diese österreichischen Nazis sind der Bevölkerung allge- mein bekannt. Man vermeidet den Kontakt mit ihnen nach Tunlich- ikeit. Erinnerung an das "Bote Wien" Derselbe Wiener Geschäftsmann er- zählt: Die Erinnerung an die Zeit vor 1934 und besonders an das soziali- stisch verwandelte Wien ist sehr le- bendig. Die alten Führer sind nicht vergessen. Die Arbeiter gedenken ih- rer immer noch in Achtung-. Die Zeit, als es Gewerkschaften, eine freie presse, usw. gab, bezeichnen sie als "die gute alte Zeit" und sie sehnen sich nicht nach ihrer Wieder- kehr. Die Mittelklasse, sagt ein anderer Berichterstatter, die einst aus Hass gegen die Arbeiter DoUffuss und Schusehnigg Gefolgschaft leistete, gibt jetzt zu, einen Fehler begangen zu haben, den sie bereut. Die katholische Kirche. Die Kirche hat einen beträchtlichen Einfluss behalten oder wiedergewon- nen. Die Gottesdienste sind ausser- ordentlich gut besucht. Katholische Kreise bedauern die Ereignisse von 1934; sie sagen, anstatt die Arbeiter zu bekämpfen, hätte die Einigkeit des österreichischen Volkes in die- ser kritischen Periode hergestellt werden können und sollen. Jedenfalls hat sich die Einstellung vieler Ka- tholiken wesentlich geändert. Die protestantische Kirche steht immer noch unter Nazieinfluss. , Auch die Bauern haben ihre Auffassungen in man- cher- Hinsicht geändert. Sie sind voll wütenden Grolls gegen die bedrük- kende Nazi-Kontrolle. Sie klagen, dass ihnen zur Arbeit keine Zeit bleibt, weil sie viele Formulare aus- zufüllen haben. Juden in Wien. Gut unterrichtete Personen, die Ge- stapo eingeschlossen, behaupten, dass 5.000 bis 7.000 Juden illegal in Oe- sterreich leben, als Ausgebombte aus Deutschland oder Neo-Faschisten aus Südtirol. Es ist unmöglich, Mass- nahmen gegen sie zu ergreifen, weil ihre Papiere in Ordnung sind. Es ist klar, dass es eine Organisation ge- ben muss, die diese Personen mit Papieren ausgestattet hat, die ihnen auch gegen die Nachstellungen der Gestapo Hilfe leistet. — Legal lebt immer noch eine kleinere Anzahl von Juden, meist jüngere Leute, in Wien. Sie müssen schwer arbeiten und erhalten besonders kleine Le- bensmittelrationen. Mit wenigen Aüs- nahmen verhält sich die Bevölkerung sehr hilfsbereit ihnen gegenüber. Die Geschäftsleute geben ihnen mehr als die ihnen gebührende Ration. Der Bevölkerung ist bekannt, obgleich es 19 — das Regime nicht zugibt, dass die meisten Juden ermordet wurden und sie verurteilt dies aufs Entschiedenste, Im allgemeinen hat der Antisemitis- mus, der in Wien latent war, sich in Mitleid gewandelt. Der Bericht- terstatter, der obern erwähnte Ge- schäftsmann, ist der Meinung, dass das Juden-"Prc!blem" nach dem Krie- ge kein Problem sein wird, es sei denn, dass ein plötzlicher und in die Augen fallender Rückstrom erfolgt, der zur Ueberfüllung gewisser Beru- fe führt. Seine Worte waren: "Wir wissen, dass der grössere Teil der Wiener Juden tot ist. Aber wir wür- den sie alle gerne zurück haben, wenn wir dafür die Nazis los werden könn- ten". (Anmerkung des Redakteurs: Genau so haben wir uns die neuer- wachten Sympathien unserer Wiener Landsleute mit dem unwandelbar goldenen Herzen vorgestellt. Wenn sie die Nazis los werden könnten, würden sie die Juden in Kauf neh- men; in der Not frisst der Teufel Fliegen. Nach dem Kriege aber, wenn sie sie schon los sein werden, die Nazis, werden die Juden gut tun, ih- re Sehnsucht nach der Heimat, — jedem Wiener pocht bekanntlich das Auge, glänzt das Herz, die Wange glüht, wenn nach jahrelanger Tren- nung er den Steffel wiedersieht — zurückzudämmen, damit sie nicht allzu plötzlich und übermässig zahl- reich den goldherzigen Wienern ins treue Auge fallen. Wenn dem Wiener was ins Auge fallt, wird er fuxteu- felswild und sein Mitleid läuft Ge- fahr, sich wieder in den altgewohn- ten Antisemitismus rückzuverwian- deln.) Ein Arbeiter berichtet. Es kommt nicht häufig vor, dass es österreichischen Arbeitern gelingt, Ins Ausland zu kommen. Unlängst hat aber ein alter österreichischer Gewerkschafter als Monteur in der Hauptstadt eines neutralen Landes gearbeitet. Austrian Labor Informa- tion berichtet, was er einem Gewerk- schaftstflunktionär dieses Landes er. zählt hat. (Seine Mitteilungen kön- nen nur teilweise veröffentlicht wer- den). Er ist ausgegangen vor einer Darstellung des ungeheuren Wachs- tums der Industrie in Oesterreich seit der Annexion. Betriebe, die vor- her 2.000 Arbeiter beschäftigten, ha- ben heute Belegschaften von mehr als 100.000 Arbeitern, stille Alpen- täler sind heute brodelnde Industrie- zentren. Die Ebene südlich von Wien ist jetzt von Atzgersdorf und Inzers- dorf bis Gutramsdorf und Vöslau ein einziger Industriekomplex (muss das jetzt eine Aussicht sein vom Ann in- ger!). Fast alle österreichischen In. dustriefirmen sind mit reichsdeut- schen Firmen fusioniert, die Betriebs- führung ist in deutsche Hände über- gegangen. Bezeichnend ist, dass der Göringkonzern, von dem viele Neu- gründungen ausgegangen sind, ei- nen grossen Teil seiner österreichi- schen Betriebe bereits 1943 an privat- kapitalistische Firmen abgestossen hat. In dem Riesenbetrieben bilden aus- ländische Arbeiter die Mehrheit. Das Verhältniss zwischen ihnen und den Oesterreichern ist zumeist gut, oft wirklich kameradschaftlich. Je län- ger der Krieg dauert, desto mehr werden die jüngeren Arbeiter, die entweder wirkliche Nazis waren oder sich unter dem Einfluss der natio- nalsozialistischen Infektion in einen verworrenen "nationalen Sozialismus" geflüchtet haben, für den Kriegs- dienst ausgekämmt oder in auslän- dische Betriebe geschickt. In dem Masse, als diese lauten, vordringli- chen Elemente ausscheiden, setzen sich die alten freigewerkschaftlichen Vertrauensmänner wieder durch. Un- ser Freund konnte die Betriebe na- mentlich anführen, die als "sozial- demokratisch" geltem, andere, die unter vorwiegend kommunistischem Einfluss stehen, und solche, in denen es Ansätze zu Zusammenarbeit gibt. Diese Stimmung in den Betrieiben ist auch den Nazis bekannt, aber die Gestapo greift nicht ein, um die Be- legschaften nicht zu beunruhigen und die Produktion nicht zu gefährden. Aber wenn sich Sabotageakte in ei- nem Betriebe häufen, wenn der "Aus- schuss" über ein erlaubtes Mass an- steigt, greift die Gestapo hart zu. Dann verschwinden eine Anzahl von Arbeitern. Oft handelt es sich nur um Verschickungen in ausländische Beriebe, nicht selten aber sickert viel später durch, dass die lange Li- ste der Opfer, clie im Kampfe um 20 — die Befreiung auf dem Schafott ge- fallen sind, wieder um einige tapie- re, treue Freunde vermehrt worden ist. Unser Freund erzählt auch von po- litischen Diskussionen, die man heu- te mit ziemlicher Freimütigkeit auch schon in weiteren Kreisen führt, und die alle darum gehen, was nachher sein wird. "Wir sind für ein freies, sozialistisches Oesterreich", sagt die Prinzipienerklärung eines solchen Diskussionszirkels, "und wenden uns gegen jeden Rückfall in den Refor- mismus'. Unser Freund fügt hinzu, dass diese Erklärung typisch ist für die Stimmung der Arbeiterschaft. Oestererichische Partisanen: Reali- tät oder Propaganda? Der "illegale" Freiheitssender Oe- sterreich, der täglich zu einer pünkt- lich festgesetzten Stunde Kurzwel- lensendungen ausströmt, ohne dass seine kühnen Sprecher jemals „ver- schütt gangen" wären, sprach am 6. Mai, wie der kommunistische Zeit- spiegel, London, berichtet: "In Kärn- ten haben unsere Landsleute aus kleinen Anfängen den Partisanen- krieg gegen die deutsche Fremdherr- schaft organisiert in Gemeinschaft mit der Volksarmee Titos, die ihnen eine gewaltige Hilfe erwiesen haß. Wogegen "Free Austran Publica, tions", das Blatt des Austria Office, London (Herausgeber Heinrich Alli- na), zur gleichen Zeit versichert: "Durch keine offizielle englische oder amerikanische Stelle ist bisher das Bestehen eines Freiheitssenders in Oesterreich betsätigt worden, und nichts deutet darauf hin, dass die Berichte von der Bildung eines öster- reichischen Soldatenrates den Tat- sachen entsprechen. Auch das Wir- ken österreichischer Partisanenver- bände im Rahmen der jugoslawischen Freiheitsarmee ist vom den Delegier- ten des Marschalls Tito nicht kon- firmiert worden". Streng vertrau- lich! — Der illegale Freiheitssender sendet nämlich. aus Moskau. Oesterreichische Vertreter bei Gene- ral Velebit. Ende Mai hatten Vertreter der öster- reichischen politischen Emigration eine Unterredung mit General Vele- bit, dem tapferen jugoslawischen Partisanenführer, der als Vertreter des Marschall Tito in London well- te. Von den eingeladenen Gruppen erschienen die Vertreter des "Aus- trian Representative Committe6"; die gleichfalls eingeladenen österreichi- schen Kommunisten lehnten ab, an der Unterredung teilzunehmen. We- gen an klan Deckerl, wie einmal die Frau Pollak sagte: das Milieu passte ihnen nicht. Der wahre Grund, wird wohl in dem folgenden Passus des Berichtes, den "London Information" der österreichischen Sozialisten gibt, zu suchen sein: "Im Verlaufe des Gespräches zerriss der General mit grossem Freimut den Propaganda- schleier, den ein gewisser Teil der österreichischen Emigration mit gros- sem Eifer aufzuziehen bemüht war, und er bestätigte vollinhaltlich un- sere eigene Information über den Stand des illegalen Widerstands in Oesterreich". Die Kommunisten scheuten wohl die Konfrontierung mit einem Tatzeugen. Im übrigen verlief die Unterredung in einer überaus freundschaftlichen At- mosphäre. Sie bestand im Austausch von Informationen über die Lage in Oesterreich, in der Festlegung der ibeid-xseitigen Bereitschaft die Zu- sammenarbeit zwischen der jugosla- wischen Freiheitsbewegung und den Kräften der Widerstandsbewegung in Oesterreich herbeizuführen, und der Uebereinstimmung in dem Wunsche nach einer künftigen Zusammenar- beit zwischen dem demokratischen Jugoslawien und der demokratischen österreichischen Republik. Die Verfassimgsgmndlagen des be- freiten Oesterre ch. Das Arjstrian Representative Com- npittee in London, das alle demokra- tischen Gruppen der österreichischen politischen Emigration mit Ausnahme der Kommunisten umfasst, erliess die folgende von den angeschlossenen Gruppen einstimmig gutgeheissene Erklärung: Sozialisten, Katholiken und bürgerli- che Demokraten. 1 - Für die Zeit, die der Befreiung Oesterreichs von der Naziherrschaft unmittelbar folgt, soll die Wieder- herstellung des unabhängigen öster_ — 21 reich ischen Staates, der österreichi- schen Gesetze und. der österreichi- schen Behörden auf der Grundlage der Verfassung der österreichischen demokratischen Republik (Verfas- sungsgesetze von 1920 und 1929) er- folgen. 2. Sobald als möglich wirdi sich das österreichische Volk eine neue Verfassung geben. Ziu diesem Zwek- ke wird auf der Grundlage des Wahl- systems der Verfassung von 1920 ei- ne kooTstituirende Nationalversamm- lung gewählt werden, die über die politische, ökonomische und soziale Struktur des österreichischen Staa- tes entscheiden wird. 3. Alle dem Austrian Representa. tiv Committee angeschlossenen Or- ganisationen erklären, unabhängig von ihren abweichenden Meinungen über diese Periode der österreichi- schen Geschichte, dass das undemo- kratische Regime von 1934 bis 38 ei- nen unheilvollen Bruch in der öster- reichischen demokratischen Legalität darstellt und dass es keinerlei An- gliederung an dieses Regime geben kann. 4. Alle Organisationen erklären, dass ein demokratisches Regime in Oesterreich beruhen muss auf der vertrauensvollen Zusammenarbeit der grossen Bevölkerungsgruippen, insbe- sondere der Arbeiter und Bauern, auf der Grundlage zuverlässiger de- mokratischer und antifaschistischer U eberzeugungen. Gcigenwartsaufgaben der österreichi- sche Sozialisten. Die Jahreskonferenz der österreichi- schen Sozialisten in Grossbritanien hat einstimmig eine Entschliessung genehmigt, in welcher die Aufgabe der sozialistischen Emigration in der gegenwärtigen Phase Ider Entwick- lung umschrieben wurde. Sie umfasst: 1. Volle Unterstützung diar Vereinig- ten Nationen in ihrem Kampfe gegen Hitler-Deutschland. ß. Auf der Basis der Moskauer Er- klärung der Grossmächte einzutre- ten für eine wahrhaft demokratische österreichische Republik und vorzu- bereiten ihre Zusammenarbeit mit ihren Nachbarländern und ihre Teil- nahme an der künftigen internatio- nalen staatenorganisation. 3. Den antifaschistschen und demo- kratschen Kräften, die in Oester- reich gegen Hitler kämpfen beizu- stehen und sie zu vertreten. 4. Die Einigkeit aller demokratischen Kräfte des österreichischen Volkes herbeizuführen, um ihren Befreiungs- kampf zu stärken; in dieser Aufgabe sind die Kommunisten willkommene Verbündete. In Oesterreich wird diese Einheit die Form der Kooperation der bestehenden politischen Kräfte unter der Führung der aktivsten an- tifaschistischen Kraft, der Arbeiter- klasse, annehmen. Im Exil muss sie gleichfalls beruhen auf der Koopera- tion politischer Gruppen und nicht auf Flüchtlingsorganisationen, von denen manche die Einigkeit nur be- hindern, indem sie Tarnung, Vor- Spiegelung falscher Tatsachen und andere Manöver anwenden. 5. Zusammenarbeit mit der briti- schen und den Arbeiterbewegungen al- ler Länder mit dem Ziele der vollen internationalen Einheit der Arbeiter- klasse. Die Britische Labour Party und die österreichischen Sozialisten. Der Pressedienst der Britischen La- bour Party veröffentlichte am 3. Mai d. J. eine Erklärung ihrer IReichsexekutive folgenden Wortlauts: "Es ist augenscheinlich, dass die Vielheit österreichischer Gruppen und Organisationen in diesem Lande zu Verwirrung in unserer Bewegung Ursache gibt. Nach Ansicht der La- bour Party besteht kein Zweifel, dass das "London Bureau of Austrian So- cialists" und die "Gruppe der öster- reichischen Gewerkschafter in Gross- foritannien die wahren (bona fide) Vertreter der früheren österreichi- schen Sozialdemokraten und Gewerk- schafter sind., die jetzt als Flüchtlin- ge in diesem Lande leben." Die Erklärung richtet sich gegen zwei getarnte kommunistische Gruppen, das als österreichische Einheitsfront getarnte sogenannte "Free Austrian Movement" und die Gruppe "League of Austrian Socialists" (Köstler-Grup- pe). Zwei Wochen nach der Erklä- rung der Lafoour Party nahm die Kästler-GruipDe eine Umbennung in League (Verband) of Austrian Social Demokrat® vor. — 22 — A. A. B. A. I ENRIQUE U. CORONA MARTINEZ j A B O G A D O LAVALLE 1268 17. T. 35 - 3853 | CASA RUBENS Ferien- und Erholungsheim für Kinder und Erwachsene Colonia Valdense Depto. Colonia Uruguay i PENSION SCHIFFER cLer Ciabildo vermietet gut möbl. Stra- ssenzimmer mit Pension, gute bürgl. Küche, Warmbäder u. sonst. Bequem- lichkeiten. Tischgäste willkommen. Mässige Abonnementspreise. «iiiiiiiiiiiiiiiimiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiimiiig I Cosa Filatälica I - -DE - § ROBERTO POMMER | = compra y venta de estamplllas 5 E para colecclön 5 - RECONQ.UISTA 200 — Bs. Aires - E U. T. 33 (Av.) 5758 - .......II............................11.11,I.III,III,,,,,in,n: Soeben eingetroffen! AUSTRIAN LABOR INFORMATION New York Zentral-Organ der österreichi- schen Soziallsten In deutscher Sprache. MIT DER BEILAGE FREIE TRIBUENE des Internationalen Sozialismus Herausgegeben von Wilhelm Ellenbogen. Einzelexemplare und Abonne- ments durch die Buchhandlun- gen: Barna, Maipü 441 und Ju- ramentx) 2368, Cosmopolita, Co- rrienfces 424; Herzfeld, Recon- quista 424, und durch das Büro des DAD, Tucuman 309 (17. T. Einzelexemplare . . . . $ 0.75 Halbjahresabonnement . „ 4.50 ■ Jahresabonnement . . . 9.— MHKHMIHHUmiMUm DAS GUTE Cobi Brot I Telef. Anruf U. T. 51 - 6034 ^iiiiimiiHiiiiiiiimiHiiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiciiiiiiimiiiaiiiiiiiHiiir I AUFBAU 1 =Die grösste antifaschistische Wo-1 =chenzeitung der Vereinigten Staa- = = ten in deutscher1 und englischer 5 m Sprache. = | Chefredaktion: Manfred George □ ^Nachrichtendienst aus den freien 3 5 und unterdrückten Ländern. 3 5 ABOIVOS u. AVISOS durch = 1 Gerieralrepr. BUENOS AIRES, = | VICTORIA 2966 — U. T. 45 - 8SKSZ ',3iiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiiniiiiiiiiiiiitiiiiiiiiiiiiiHHiiiiiiiiiiniiiiiiiui§ | VEREIN VOR WAE R T S~\ I AUSTCÜA 2064 U. T. 72 - Parque - 6058 I I IM NEUEN HAUSE JEDEN DIENSTAG | AB 21 UHR KLUB- UND LESEABENDE | | GAESTE HERZLICH WILLKOMMEN — EINTRITT FREI I | JEDEN SONNABEND AB 21 UHR, JEDEN SONNTAG AB 17 UHR I TANZ ! — 23 — ■na damen-frisier-salon HANS und ELISABETH VIAMONTE 879 — U. T. 31 - 2018 MAN H l HK — DAUERWELLEN — FAERBEX — MASSAGE AUS UNSEREN NEUEN FACHKATALOGEN SOZIOLOGIE NATIONALOEKONOM1E M. SHIROKOW: Tratado sistemätico de Filosffa, El pen- samiento Filosöfico a traves de Ia historia. L. SEGAL: Lehrbuch der politischen Oekonomie. R. LEWINSOHN: Die Umschichtung der europäischen Ver- mögen. KJELERSTROEM: El Control de Precios. THOROLD ROGERS: Die Geschichte der englischen Arbeit. W. SOMBART: Der moderne Kapitalismus, historisch- systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Ge- genwart, mit Register. E. A. G. ROBINSON: Monopolio. G. SCHMOLLER: Grundriss der Allgemeinen Volkswirt- schaftslehre.' F. OPPENHEIMER: Theorie der reinen und politischen Oekonomie. D. CARDO: Grundgesetz der Volkswirtschaftslehre und Besteuerung. E. v. PHILLIPOVICH: Grundriss der Politischen Oekonomie H. E. PRIESTER: Das deutsche Wirtschaftswunder. i MAVDIT AA1 U. T. 31=4513 y 7427 b €1 T 11 Q MAIPU 441 Buenos Air es SUC. BELGRANO: JURAMENTO 2368 — U. T. 73 - 4777 Berücksichtigt unsere Inserenten — 23 —