LA OTRA ALEMANIA wmmmmmm ORGANO DE LOS ALEMANES DEM0CRAT1C0S DE LA AMERICA DEL SUR Fundado ei 7 de junio de 1937 Redacciön y administracion: Enero de 1945 CALLE TUCUM AN 309 Buenos Aires (Argentina) U. T. Retiro 7264 Aiio VII Ns. 90 AUS DEM INHALT H. N. Braisford: Zum Problem der Reparationen Albert Norden: Eisenhower und die Ruhr Johannes Diesenberg-Chile: Elf Jahre Triumph der Dumm- heit J. W. Kaiser-Chiibut: Probleme der deutschen Landwirt- schaft Wiederaufbau der deutschen Ge- werkschaften (Council for a Democratic Germany, New York) Augenzeugen berichten aus dem 3. Reich: Berichte aus Hamburg, Leipzig und Berlin Die Stizrmung im Oktober 44 Bis jetzt . . . Gesicht der Zeit Neue Bücher August Siemsen: 1945 — JAHR DER ENTSCHEIDUNG Das verflossene Jahr hat den Ach- senmächten Niew derlage auf Nie- derlage gebracht. Die "Festung Eu- ropa" ist zum grössten Teil ge- nommen, und der Kampf um die Fe- stung Deutsch- land" ist in vollem Gange. Das neue Jahr wird ihren Fall brin- gen. Man sollte also annehmen, dass Hoffnung und Zuversicht die gequälte und gepeinigte Mensch- heit in das Jahr des Heils 1945 be- gleiten würden. Das Gegenteil ist der Fall. Zwei- fel und Sorge und Skeptizismus breiten sich immer mehr aus. Denn je mehr die militärische Kriegführung der verbündeten Mächte mit ihrer immer giganti- scher werdenden Uebermacht Hitlerdeutschland niederzwingt, um so mehr versagt die politi- sche Kriegführung, um so mehr haben sich die anfänglich ver- kündeten Ziele der Freiheit und Deutsche Bibliothek | Frankfurt am Hain ) där Demokratie, der Menschenrechprder wirtschaftlichen Sicherheit und der sozialen Gerechtigkeit in grauen Dunst verflüchtigt. Imperia- lismus der prosit- und machtgierigen herrschenden Klassen in Eng- land und USA enhüllt wieder sein menschen- und zukunftsfeindliches Gesicht, während die Intriguen und Schwindeleien der Geheimdiplo- matie üppig wie nie ins Kraut schiessen. Wie d-sr erste, so ging der zweite Weltkrieg von Europa aus, und auch die Zwischenzeit war keine Zeit des Friedens, nicht einmal ein Waf- fenstillstand. Sie war vielmehr so sehr angeiüllt mit Kriegen und Bür- gerkriegen, dass eine künftige Zeit den mit 1914 beginnenden Zeit- Abschnitt der, imperialistischen Epoche wohl als eine einheitliche Kriegszeit betrachten wird. Dann würden wir ins 32. Jahr des Krieges eintreten. Die mit der grossen französischen Revolution einsetzende Zeit euro- päischer Kriege hat keirie 25 Jahre umfasst. Damals leiteten Revolu- tion und Kriege den Sieg ■ des Bürgertums und der kapitalistischen . Wirtschaftsform über das feudal-absolutistische Europa ein. Die "Hei- lige Allianz" der absoluten Herrscher und des Papstes, der Bund von Thron und Altar, suchte das zu verhindern. Er hat zwar die Entwick- lung hemmen und dadurch neue Kriege und Revolutionen herbeifüh- ^ ren können, aber er hat das notwendig gewordene Neue nicht zu „.verhindern vermocht. Die Parallele zu heute liegt auf der Hand. Wie damals das Feudalsy- stem, so ist heute das kapitalistische System zum Hemmnis der Pro- ; duktivkräfte, zum Hemmnis damit der Entwicklung geworden, und mit den gleichen Mitteln sucht es sich zu behaupten. Die Bourgeoisie ist antidemokratisch — und das heisst heute faschistisch — geworden, upd sie weiss nichts besseres als Thron.und Altar zu Hilfe zu rufen gegen -die Massen des arbeitenden Volkes. Für diese aber machen die Existenzunsicherheit der kapitalistischen Dauerkrise mit Arbeits- losigkeit, Hunger und Not, machen das Geopfertwerden auf den Schlachtfeldern, "die Zerstörung ihrer Wohnungen, die Verwüstung ihrer Felder, macht ein zur Qual werdendes Dasein die Ersetzung des rrkapitälistischen Systems zur unmittelbaren, zur unausweichlichen Aufgabe.. Nach dreissig Jahren Krieg und Bürgerkrieg, Krise und Arbeitslosig- ■ keit, Terror und Vernichtung steht Europa vor der sozialen Revolution. Um sie zu verhindern, hat man früher Horthy und die ungarische Feudalklasse, hat man die blutigen Diktaturen auf dem Balkan, hat man Mussolini und Hitler und Franca geduldet und gefördert, hat man ' auf diese Weise die Welt in die entsetzlichste Katastrophe gestürzt. Als der Kampf mit der Hitlerdiktatur, die man selbst grossgepäppelt hatte, unvermeidlich geworden war, versprach man den Völkern eine — 2 — u %, s" schönere Zukunft der Freiheit, der Gerechtigkeit und des wirtschaft- lichen Wohlergehens. Aber mit dem Masse, wie die Gefahr eines Sieges Hitlerdeutschlands und. seiner Verbündeten schwand, in dem Masse, wie der eigene Sieg näherrückte, kehrte man zur alten Politik zurück, wurde das Hauptziel wieder die Verhinderung der sozialen Neuordnung in Europa. Statt mit den Volkskräften, statt mit der Ar- beiterschaft, die überall zuerst und am wirksamsten die faschistischen Eroberer und Unterdrücker bekämpft hat, verbündete man sich mit den reaktionärsten Kräften, mit Monarchisten und Kapitalisten und Halbs asahistsn. Ueber Darlan und Peyrouton, über Victor Emanuel und Badoglio, über Francofreundschaft und Unterstützung der reaktio- nären Balkan-Monarchien führt der Weg zur Entwaffnung der Frei- heitskämpfer in Belgien und zur Bekämpfung der griechischen Frei- heitskämpfer mit Tanks, Schiffsgeschützen und Fliegerbomben. Die Königlich Griechische Regierung als legaLzu bezeichnen, wie Chur- chill das in seiner beispielhaft demagogischen reaktionären Rede vor dem Unterhaus fertiggebracht hat, diese Regierung, die eine Fort- setzung des faschistischen Diktaturregiments in Griechenland ist, diese Regierung, die sich in Aegypten mit englischen Waffen vor der grie- chischen Flotte schützen musste, diese Regierung, gegen die fast das ganze Volk steht, das zu glauben kann man nur denen zumuten, die "Ruhe und Ordnung" aufrecht erhalten wollen, um die Schaffung einer neuen Ordnung zu verhindern, wie sie allein die im Chaos be- findliche Welt zu Frieden und Ruhe zu führen vermag.* Die Erhebung der griechischen Freiheitskämpfer gegen die Englän- der und die reaktionäre griechische Regierung von Churchills Gna- den ist ein Flammenzeichen des Kommenden. Hier, und nicht nur hier, zeigt sich, dass die Aufteilung Europas in eine englische und russische Int'eressenphäre, die Behandlung Europas als blosses Ob- jekt eine Rechnung ist, die nicht aufgeht. U. S ,A. ist unzufrieden und Öffentlichkeit und Regierung zeigen diese Unzufriedenheit aufs deut- lichste. Churchill hat mit seiner imperialistischen Unterdrückungspoii- tik in seinem eigenen Land einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen * Der Korrespondent der nordamerikamischen Agentur ONA meldet aus Athen: "Kassariani, ein Arbeiter-IViertel, das weder die deutsche noch die italienische Besatzung hat auf die Knie zwingen können, wird ständig mit Maschinenge- wehrfeuer belegt. Ausgerechnet die griechischen monarchistischen Gebirgsbri- gaden sind damit beauftragt worden, diese Zone zu säubern. Sie kamen weder mit Tanks, noch mit Artillerie. Aber sie; holten die englischen Flieger zu Hilfe. Allgemein hört man' die Griechen sagen: Die Nazis haben keine Flugzeuge ver- wendet. Faschisten kommen aus ihren Schlupfwinkeln und marschieren im Schutz der englischen Tanks mit. Wenn die englischen Soldaten Soldaten des ELAS gefangen genommen hatten, erschienen die faschistischen griechischen Gendarmen und sagten: "Jetzt könnt Ihr s-ie unsi überlassen'. Dann schlugen sie mit d?.n Gewehrkolben auf die Gefangenen ein. Trotz aller Dementis Papan- dreus, ist es wahr, dass Angehörige der von den Nazis* organisierten Schutz- bataillo,ne vaus dien Gefängnissen befreit wurden und Im Kampf gegie,n die ELAS eingesetzt wurden." — * — und die burgfriedliche Führung der Labour Party diskreditiert sich vor ihrem eigenen Anhängern durch die Fortsetzung einer Politik, die sie als treue Gefolgsleute des englischen Imperialismus erscheinen lässt- Und wenn England die Sowjetunion in der polnischen Frage unterstützt, damit Stalin ihm Griechenland und das Mittelmeer über- lässt, so ist das nur eine momentane Verständigung von zwei Mäch- ten, deren Interessengegensätze innerhalb einer kapitalistisch-impe- rialistischen Welt unüberbrückbar sind. .Der.dritte Weltkrieg rückt so nahe., dass man fürchten muss, er wer- de die unmittelbare oder fast unmittelbare Fortsetzung des zweiten sein. Von Europa sind der este und der zweite Weltkrieg ausgegan- gen. Um Europa droht der dritte zu entbrennen. Der Zusammenschluss der europäischen Völker unter dem Impuls der Widerstandsbewe- gung, unter Führung Frankreichs, unter aktiver Mitarbeit .der ' deut- schen Arbeiterklasse — nur er, nur die europäische Union vermag den neuen Krieg, die Fortsetzung der allgemeinen Zerstörung und Vernichtung zu) verhindern. H. N. Brailsford: ZUM PROBLEM DER REPARATIONEN In einer Tagung" des Londoner "National Peace Council" sprach der bekannte englische Politiker und Schriftsteller Braiisford zum The- ma der Reparationen. Die wesentlichen Teile der vielbeachteten Rede geben wir im folgenden wieder. Das Wort Reparationen lässt uns an all das Unrecht denken, das der Feind uns und der Welt zugefügt hat. Es ist so unermesslich, dass wir uns kaum annähernd eine Idee davon machen können, was Repara- tionen zu bedeuten hätten1. Nun ist es zwar richtig, dass wir zu diesen Schäden und Verwüstun- gen durch unsere Verteidigungsmassnahmen unser Teil beigetragen haben. Wir legen deutsche Grosstädte in Trümmer. Aber dennoch kommt die Gesamt-Verantwortung direkt dem Nazistaat zu. Für mich sind Reparationsforderungen als Bestrafung ein Ueber- bl-5.ibsel aus der Barbarei. Was wir und die Russen auch erlitten haben mögen, weit schlimmer ist, was Deutschland zur Zeit erleidet vmd noch erleiden wird — auch ohne Reparationen irgend welcher .Art. Wir haben an die Frage der Reparationen nicht vom Stand- punkt der Bestrafung sondern von wirtschaftlichen Gesichtspunkten heranzugehen, wenn nicht all unser Elend noch verschlimmert werden soll. Wir müssen ausserdem die Fehler vermeiden, die wir vor 25 Jahren begingen. Damals verlangten wir Reparationsleistungen in Waren: Und was passierte? AIs wir den grössten Teil der deutschen Han- delsmarine beschlagnahme hatten, entstand sofort Arbeitslosigkeit in den englischen Werften an der Tyne und Clyde. Wir erhoben Re- parationszahlungen in Kohlen. Und sofort begann ein Elend in •■unse- ren Kohlengruben, das schliesslich zum Generalstreik führte. Etwa drei Jahre: nach dem Frieden führte die Häufung: dieser Fehler dazu, dass unser Handel mit dem halben Kontinent abgeschnitten und dass die Währungen nicht nur Deutschlands sondern des grössten Teils von Europa ins Bodenlose fielen. Die wirkliche Schwierigkeit liegt in dem Paradox, dass eine Nation unter den heutigen Verhält- nissen einer anderen nicht eine einseitige Zahlung leisten kann, ohne Elend hervorzurufen. Sie kann nicht einmal einer anderen Nation Geschenke' machen, ohne mehr Schaden als Nutzen anzu- richten. Und wenn heute Mainnah vom Himmel herabregnen wür- de, wie das den Kindern Israels in der Wüste geschah, so würde das Himmelsgeschenk sofortige Massen-Arbeitslosigkeit bei den Bäckern hervorrufen. Nach meinem Vorschlag sollten Reparationsleistungen dazu benutzt werden, den Lebensstandard dei; rückständigen Völker Europas, die sehr stark unter der Nazi-Invasion gelitten haben, zu verbessern. Wenn die Polen weite Gebiete als Kompensation verlangen, so ist das meines Erachtens ein tödlicher Fehler, den sie da machen. Aber kompensiert sollten sie werden. Die Kompensation, die ich vor- schlage, sind Maschinen für ihre rückständige Landwirtschaft, Kunst- dünger für ihre Felder, Produktionsmittel zum Wiederaufbau ihrer Industrien und Fabriken. Ich schlage vor, dass Deutschland grosse Mengen von Maschinen nach Polen ausführt. Das hat es bis zu einem gewissen Grade immer getan. Zu einem gewissen Grade wür- de es das auch weiter tun, wenn es keinen Krieg und keine Repara- tionen gäbe. Und wie soll der Austausch vor sich gehen? Deutsch- land schickt Traktoren. Polen zahlt sie in Kartoffeln. Nehmen Sie an, der Traktor wird als Geschenk, als Reparationszahlung geschickt. Das Resultat ist dann, dass der polnische Bauer seinen Markt für seine Kartoffeln verliert und dass die deutschen Arbeiter, die mit •dem Bau des Traktors beschäftigt waren, infolge des Mangels an Kartoffeln Hunger leiden. In anderen Worten: Während man Bo- len Maschinen geschenkt hat, die für den Bauern sehr nützlich sein können, hat man auf beiden Seiten der Grenze eine beträchtliche wirtschaftliche Krise erzeugt. Der Plan ist zu verwirklichen, wenn man auf die Schwierigkeiten verbereitet ist, die im Anfangsstadium jederzeit auftreten können. Auch muss man sich ständig vor Augen halten, dass Deutschland die zentrale Position im europäischen Wirtschaftsleben innehält, dass es unser bester Kunde war und dass alle seine Nachbarn in ver- schiedenem Mass von seinem Markt abhingen. Jeder Reparationslei- — b — stung sind allerdings enge Grenzen gesetzt. Wenn wir verlangen, dass Deutschland seine Haupt-Exportartikel (Stahlwaren, Maschi- nen und Chemikalien) auf. Konto Reparationen liefern soll, kann ss entweder die dazu nötigen Rohstoffe oder aber die unerlässlichen Lebensmittel für seine Bevölkerung nicht aus dem Ausland impor- tieren. Bei der Durchführung des Vorschlages muss darauf geachtet v/erden, dass die Reparationen keineswegs den Lebensstandard des deutschen Volkes unter das europäische Niveau senken oder dass sie eine Einschrumpfung des europäischen Handels zur Folge haben. Wie lange sollen Reparationen geleistet werden? Nach meiner An- sicht liegt das Maximum bei 10 oder 12 Jahren. Im ersten Jahr soll- te nur das geplünderte Eigentum (Gemälde, Bibliotheken etc.) zu- rückgegeben w-srden. Dann müsste ein Produktionsindex festgesetzt werden. In dem Masse, wie er steigt und Deutschland sich wirt- schaftlich erholt, muss die Reparationsleistung sich erhöhen. Sie wird ihr Maximum nach 5 oder 6 Jahren erreichein, um dann lang- sam zu fallen. Kurt Eisner schlug nach dem vorigen Weltkrieg vor, dass deut- sche Freiwillige (vorzugsweise junge Sozialisten), in Belgien und Frankreich wiederaufbauen sollten, was der preussische Militaris- mus zerstört hatte. Kurz nachdem er in einer Rede diesen Vorschlag gemacht hatte, wurde er ermordet. Aber die Weimarer Republik nahm Eisners Vorsahlag auf und arbeitete Pläne aus. Sie wurden abgelehnt. Die französischen Unternehmer fürchteten für ihre Pro- fite und die französischen Arbeiter die Arbeitslosigkeit. Auch wenn es in kapitalistischen Ländern schwierig ist, glaube ich doch, dass es in einigen Fällen durchführbar sein wird. Z. B. könnte Lidice von deutschen Freiwilligen wieder aufgebaut werden. Als zivilisierte Menschen von heute müssen wir uns jedoch fragen, wie- weit die Wiederaufbauarbeit nicht besser durch wirkungsvolle Ma- schinen als durch schuldige Hände geleistet werden kann. Wir müs- sen eben das wirtschaftliche Problem des Wiederaufbaus trennen von dem moralischen Problem der Bestrafung. Ich für mein Teil möchte diese Frage der ^Zerstörung und Verwüstung als ein ein- heitliches europäisches Problem betrachtet wissen. Eine zentrale Organisation wi die UNRRA sollte damit beauftragt werden, einen Plan für den Wiederaufbau Gesamteuropas einschliesslich der Feindländer, auszuarbeiten. Der grösste Beitrag sollte von Deutsch- land geliefert werden wegen seiner grossen industriellen Leistungs- fähigkeit, aber ebenso auch von anderen Achsenländern. Das erste Ziel müsste jedoch sein, die Arbeit auf moderne und zivilisierte Art zu organisieren. Man sollte sehen, was durch Massenproduktion und den Höchstgebrauch von zusammenstellbaren Häusern geschafft — 6 — werden kann'. Was in Russland zerstört wurde, . waren grösstenteils, primitive Wohnhütten. Es besteht .also eine Aussicht, nicht nur wie- deraufzubauen, was es in Russland gab, sondern auch dessen Standard zu erhöhen. Ich glaube, wenn wir unsere Aufgabe in diesem Geiste anpacken, werden die Reparationen nicht zu der Schande werden, die siei das letzte Mal wurden. Wir können die Re- parationen zum Grundstein eines auf internationaler Zusammenar-. beit aufgebauten Europa machen. Albert Norden: 1 EISENHOWER AN DER RUHR Sobald Eisenhower Essen einnimmt, hat er, unbeschadet einer eventuellen Fortdauer des Krieges, das wirtschaftliche Rückgrat des deutschen Imperialismus gebrochen. Denn dort liegt das Zentrum der deutschen Industrie, vom Land um Essen kommen sieben Zehn- tel der deutschen Kohle. Diese Kohlenvorkommen und die Nähe der Lothringer /Erzlager, die bis 1918 zum grossen Teil in deutsch on Händen waren, haben zur Entstehung einer gigantischen Stahl- und Eisenindustrie geführt. Die Hälfte von Deutschlands Hochöfen, ein- schliesslich der grössten, zwei Drittel seiner Roheisen- und Stahlpro- duktion und 80 von 133 deutschen Walzwerken liegen im Ruhrge- biet, Rheinland und Westfalen. Dieses Gebiet beherbergt auch nicht weniger als 3854 Fabriken zur Herstellung von S.tahl- und Eisenpro- dukten, mehr als die Hälfte aller in ganz Deutschland existieren- den Wem gehört dieser ungeheure Reichtum? Die Kohlenbergwerke mit ihren auf 55 Milliarden Tonnen geschätzten Reserven, werden, von 11 Trusts kontrolliert. Die zwei grössten, die Vereinigten Stahlwerke und der Thyssen Familien-Konzern, die durch persönliche Beziehun- gen eng verbunden sind, beherrschen 850 Millionen Quadratmeter Kohlenfelder. Ihnen folgt Haniel mit 470 Millionen, Hoesch mit 149 Mil- lionen und Klöckner mit 123 Millionen. Ausserdem haben die Kohlen- könige gewaltige Vertikaltrusts gebildet. (Anm. des Uebersetzers: Im deutschen wirtschaftsrechtlichen Sprachgebrauch versteht man unter Trust schlechthin die Zusammenfassung von Unternehmungen, die eine oder mehrere Industrien von der Gewinnung des Rohmaterials bis zur Herstellung des Fertigprodukts betreibt, während, Konzern eine kapitalistische Zusammenfassung gleichartiger oder; verschiß- derartiger Produktionsmittel in einer Hand bedeutet Trusts sind im- mer Konzerne, aber nicht alle Konzerne sind Trusts. Im angelsäch- sischen bedeutet Trust vornehmlich die Monopolgesellschaft). Sie sind die Besitzer der'Eisen- und Stahlwerke, ihnen gehören die Walzwerke und Röhrenfabriken, wie auch die Hochöfen und Brük- — 7 -- kenboufirmen von Rhein und Ruhr. Sie kontrollieren einen grossen Teil der Schiffsbauindustrie und die deutsche Explosivstoffindustrie ist eine Domäne der Vereinigten Stahlwerke und der I.G. Farben. E>ie zwei grössten Trusts in der deutschen elektrischen Industrie, A. E. G. und Siemens sind zum Teil von den gigantischen Ruhrfir- men, insbesondere von Krupp, Flick und Mannesmann beherrscht. Diese industriellen Zaren von West-Deutsahland sind stets Stützen des deutschen Imperialismus gewesen, seit den Tagen vor einem hal- bn Jahrhundert, als sie unternehmend und beutegierig auf dem Weltmarkt erschienen. Denn sie. ^aren es, die den führenden impe- rialistischen Organisationen, den Alldeutschen, dem deutschen Flot- tenverein dem Wehrverein, und der Deutschen Kolonialgesellschaft die Führer, die Presse und das Geld zur Verfügung stellten. Sie wa- ren es, die den infamen Plan proklamierten, Deutschlands, das heisst ihre Herrschaft, bis zum Atlantik auszudehnen, Frankreich und Bel- gien zu annektieren und die baltischen Länder, wie auch die Ukrai- ne und selbst Marokko sich einzuverleiben. Deutschland verlor den ersten Weltkrieg, aber diese Leute, Deutsch- lands wahre Herrscher, wurden nicht entwaffnet. Unbeirrt in der Verfolgung ihrer Ziele, als ob nichts passiert wäre, bildeten sie .si- ne zeitweise Allianz mit dem neuen republikanischen Regime und bauten mit seiner Hilfe die militärischen Streitkräfte auf, deren er- ster militärischer Erfolg die Niederschlagung der fortschrittlichen Kräfte in Deutschland selbst war. Als die blutigen inneren Schlachten vorüber waren und Deutsch- länds industrielle Ausrüstung mit amerikanischem Kapital vollkom- men modernisiert war, waren sie auch fertig zum zweiten Weltkrieg. Adolf Hitler, der sich als erfolgreichster aller reaktionären Demago- gen bewährt hatte, wurde der Liebling der Ruhrmillionäre. Für je- de Tonne Kohle, die sie verkauften, zählten sie fünfzig Pfennig für die Ncrzipartei. Sie, die "schwarzen Barane von der Ruhr" |'iri ihrem Herrenklub, ihrer Deutschnationalen Partei, in ihrem Kreis um Hin-' denburg, sie gaben den Ausschlag bei der Machtergreifung Hit- lers. Sie wussten, dass er ein Rüstungsprogramm durchführen wer- de, dass ihren, damals nur zu einem Drittel beschäftigten Stanifa- briken, volle Ausnützung versprach, dass Hitlers Arigriffspläne, die Welt für ihre Kohle und ihre Maschinen öffnen würde. Sie wollten den ersten Weltkrieg, sie machten-den zweiten, sie dürfen; nicht die Möglichkeit erhalten,. einen dritten zu starten. Der erste und naheliegendste Schritt zur Verhütung eines neuen Weltkriegs ist die Enteignung der Ruhrmagnaten. Aber wenn dies getan ist, was dann? Wer soll die, Mammuthkon- zerne übernehmen? In den internationalen Diskussionen dieser - 8 — Frage sind verschiedene Vorschläge aufgetaucht, deren "radikal- ster" fordert, die Ruhr von Deutschland abzutrennen und zu einem besonderen, entweder durch ein internationales Mandat kontrol- lierten oder eng mit Frankreich verknüpften Lande zu machen. Das würde zwar die Klauen des deutschen Imperialismus beschneiden, ab>er auch gleichzeitig die deutsche Wirtschaft zerstören. Es würde das Reich in die unmögliche Lage versetzen, sich, aus einem indu- strielle n in ein Agrarland zu verwandeln. Millionen von Industrie- arbeitern in den Städten wären zu dauernder Arbeitslosigkeit ver- urteilt, und wirtschaftliche Anarchie würde notwendigerweise po- litische Unordnung produzieren. Deutschland kann, wenn notwen- dig, ohne Ostpreussen existieren, es kann nicht ohne die Ruhr leben. Ein anderer Vorschlag, der die Zustimmung gewisser Zirkel in Wall- street, der City und des Comite'de Farges geniesst, propagiert die Uebernahme der Majorität der Ruhraktien durch eine Gruppe in- ternationaler Kapitalisten. Zweifelsohne würden die deutschen Trusts, die b: i dieser Lösung hoffen könnten, eine Minorität im er 'Geschäftsinteressen beizubehalten, dieselbe, willkommen heissen, aber die Völker würden zur hellen Wut entfacht werden. Denn die- ser Krieg der Demokratien gegen die faschistischen Staaten ist nicht geführt worden, um die internationalen Kartells in den Besitz einer neuen und ausschlaggebenden. Position im Herzen Europas zu bringen. Die Ruhr unter die Kontrolle einiger Kartellmagnaten zu bringen, die in ihren eigenen Ländern stets die ärgsten Feinde des Fortschritts gewesen sind, heisst die Basis für die politische und ökonomische Reaktion in Deutschland zu legen. Es gibt einen besseren Plan, einen Plan, der die Demokratie in Deutschland fördert. Ob er befolgt wird oder nicht, hängt davon ab, ob Eisenhower den Prinzipien von Marschall Foch folgt oder an- dere Richtlinien aufstellt, Im November 1918 hatten die revolutionä- ren deutschen Truppen und ihre Führer alle Munitionsdepots im Lande und alle Brücken über den Rhein besetzt und entwaffneten die , konterrevolutionären Heers steile, die von Frankreich und Bel- gien zurückströmten. In diesem Moment intervenierte das alliierte Oberkommando. General Hirschauer erschien in Kehl, direkt gegen- über von Strassburg am Rhein und erklärte: Wohlgemerkt, nichts von Sovjets und dergleichen Geschichten.; Poch hatte solche Angst vor der Revolution, dass er die sofortige Auflösung des Grossen Generalstabs, dieser Zitadelle des deutsche# Imperialismus, verweigerte. Er erlaubte den Regimentern, die ,d§m Kaiser treu blieben, in voller Ordnung und Bewaffnung nach Deutschland zurückzumarschieren. Unter der Führung des General- stabs zertraten sie die Revolution und bildeten die Keimzellen für ^ 9 — Hitlers Wehrmacht. Zwei solcher hieb- und stichfesten Zeugen wie Clemenceau und Barthou stimmen darin überein, dass Foch dem deutsahen Gsneralstab und der Ebertregierung 5000 Maschinenge- wehre beliess, um sie gegen die Revolution zu richten. Wenn Sumner Welles uns erzählt, (The Time for Decision, Seite 16) dass die Welt anders aussehen würde, wenn es mehr Liebknechts gegeben hätte, dürfen wir nicht vergessen, dass Fochs Politik zur Niederlage und zum gewaltsamen Tod von Liebknecht und zehn- lausender seiner Anhänger geführt hat. Fochs Hilfe für das Mono- polkapital im Feindesland hatte den Vorzug vor der militärischen Sicherheit des eignen. So erhielten die deutschen Imperialisten die Möglichkeit, den zweiten Weltkrieg vorzubereiten. Wie die Alliierten die Waage der Geschichte zugunsten der Reaktion beeinflussten, wird von dem Obersten J. L. Hunt, Offizier für Zivile Angelegenheiten der Amerikanischen Streitkräfte in Deutschland, geschildert. In seinem amtlichen Bericht über die Besetzung von Stadt und Bezirk Koblenz durch die Amerikaner 1919 enthüllt er ohne Umschweife wie die Besatzungstruppen die wankenden Reichsbe- hörden stützten und wieder aufrichteten, als sie fielen: "Bs war in der Tat ein, Glück für Deutschland, dass die Pläne des unabhängigen Flügels der Sozialistischen Partei -vereitelt wurden. Der Rat zoii* Mässigung gewann die Oberhand und die meisten der ehemaligen Beamten verblieben auf ihrem Posten. Im besetzten Ge- biet wurde ihre Beibehaltung zur Bedingung das Waffenstillstands ge- macht. Alis Ergebnis hatten die Besatziu njgsarmeen zur Durchfüh- rung ihrer Befehle und Wünsche einen absolut zuverlässigen Beam- tenkörper zur Verfügung1. In vielen Fällen wurde unsere Ankunft, die von den Beamten als ein Mittel zur Wiederherstellung ihrer, von den Revolutionären geschwächten, Autorität angesehen wurde, be- grübst". Angesichts aller dieser Beweise muss zugegeben werden, dass die innere Entwicklung in Deutschland und damit der Lauf der Welt- geschichte seit 1918 einen anderen Verlauf genommen hätte, wenn die Alliierten einen anderen Kurs eingeschlagen hätten. Wird der Oberbefehlshaber von 1944 den Fehler des Oberkomman- deurs von 1919 wiederholen oder kann er andere Methoden an- wenden? Zur Beantwortung wollen wir einen Blick auf die Bevölke- rung der Prov. Westfalens und des Regierungsbezirks Düsseldorf werfen, welche die Kohlen- und Industrie-Region bilden, die wir im Auge haben. Von 2.766.000 Lohnempfängern in der Provinz Westfalen, mit einer Gesamtbevölkerung - von 5.200.000 Menschen, sind 61,6 o[o Indu- striearbeiter und 11.8 ojo Angestellte. Der Regierungsbezirk Düssel- dorf (mit einer Gesamtbevölkerung von 4.165.000 Seelen) zählt 2.280.000 Lohnempfänger mit 63 Prozent Industriearbeitern und lö,5 Prozent Angestellten. Diese soziale Zusammensetzung hat eine in- — 10 — toressante politische Zusammensetzung hervorgebracht. Dazu dient die letzte Wahl als Anschauungsmaterial, eine Wahl in der es noch möglich war, für andere als die Nazipartei zu stimmen. Sie fand am 5. März 1933 statt, fünf Wochen nach der Machtergreifung Hitlers und eine Woche nach dem Reichstagsbrand, in einer Periode un- gehemmten Terrors, in der tausende von Sozialdemokraten und Kommunisten getötet, verwundet und eingekerkert wurden. Die So- zialdemokraten erhielten in dieser Wahl 740.000! Stimmen, die Kom- munisten 905.000 und das katholische Zentrum, welches über gros- sen Einfluss unter den antifaschistischen Arbeitermassen dieser Re- gion verfügte, 1.395.000 Stimmen. Die Nazis erhielten 1.595.000 Stim- men. Trotz der Besetzung der Wahllokale' durch die S. A-, trotzdem tausende nicht wagten, zur Urne zu gehen, obgleich beide Links- parteien ihre Führer und Vertreter am Wahltisch verloren hatten, ergab die Wahl, ohne die kleinen Nicht-Nazi-Parteien mitzuzählen, eine grosse Antinazimehrheit. Die Betriebsrätewahlen im Ruhrbergwerksgebiet und im westdeut- schen Industrierevier enthüllten eine derartig überwältigende Stim- mung gegen die Nazis 1934, dass sie 1935 abgeschafft wurden, ob- gleich Hitler ihre jährliche und regelmässige Durchführung verspro- chen hatte. Notwendige Dinge müssen zuerst getan werden. Wenn Eisenhower die Ruhr besetzt hat, sehen sich die Alliierten vor die Aufgabe ge- stellt, die Kohle-, Eisen- und Stahlproduktion dieser Region auf ein Maximum zu erhöhen, um ihre eigenen Kriegsanstrengungen zu unterstützen. Die rheinisch-westfälischen Industrien können soviel zum Endsieg beitragen, dass die, militärische Kontrolle ihrer Betrie- be selbstverständlich ist. Aber um sie zu einer Höchstleistung zu bringen, benötigt das Oberkommando die Dienste von tausenaen von Vorarbeitern und Werkmeistern, und das müssen natürlich Leute dieser Gegend, das heisst Deutsche sein. Alles wird davon ab- hängen, oie richtigen Deutschen auszuwählen, das heisst die, die eine Demokratie wollen nach dem Sturz des Naziregimes. Dass Eisenhower zehntausende solcher Deutscher,Deutscher, die immer antihitleristisch waren, finden wird, zeigen die oben erwähnten Wahlziffern. Die Beschäftigung in dieser Aufgabe würde bewährte an- tifaschistische Arbeiter vorbereiten, die Leitung der Bergwerke und Fabriken nach dem Kriege zu übernehmen. Denn wenn die Stun- de kommt, um eine demokratische deutsche Regierung einzuset- zen, wird diese Regierung gezwungen sein, die gigantischen West- deutschen Trusts zu nationalisieren. Nur diese Massnahme kann die Basis des deutschen Faschismus zerstören. (Aus "Nation" N. Y) — Ii — Johannes Diesenberg — Chile: ELF JAHRE TRIUMPH DER DUMMHEIT Nach elf Jahren wildesten Machttau. mels ist die Stunde der grausamsten Ernüchterung gekommen. Unbe_ eohreiblich, was in diesen wenigen Jahren an schrecklichster Geistesver- wirrung über Deutschland und Deut- sche im Ausland hereingebrochen ist. Ein Rückblick in diese jüngste Ver- gangenheit erscheint unfassbar und nicht wahr zu sein. Am Anfang dieser elf Wahnsinnsjahre wurde in Bonn, die sozialistische "Rhein'sche Zeitung" verboten. In richtiger Erkenntnis der kommenden Epoche hatte sie damals ihr letztes Wort geschrieben: "Der Nationalsozialismus ist der Triumph der Dummheit!" Nach die- ser richtigen Erkenntnis musste sie "Weihnachten ist der .Krieg- zu Ende; Januar fahren wir nach Teutschland." — Schulleiter Herbert Kluge, Oktober 1939. "In 14 Tagen ist England erledigt." — Nazis von Pto. Montt, nach dem Zu- sammenbruch Frankreichs. "London ist in Schutt und Asche. Das dauert nicht mehr lange." — Nazis von Pto. Montt, Luftangriffe auf London. "Wenn die Deutschen unten in Etiglanldi reinkommen, dann laufen die Eng- länder oben raus." — Ena Kiuge, Frau des Schulleiters, vor der "Invasion" Englands. "England, der sterbende alte Mann, macht die letzten Anstrengungen, sich vor der Vernichtung zu retten." — Victor Otto, ev. Pastor v. Pto. Montt, Krieg im Irak. ■ "Wir!? Krieg mit Russland! ? Die wer dein höchstens mit uns gegen Indien zie- hen!" — Ortsgruppenleiter Kurt Schicketanz, 2 Tage vor Kriegsausbruch mit Russland. "Der Krieg in Russland ist zu Ende. Was jetzt noch kommt, ist Säuberungs- aktion. G-enau wie 1870 der Krieg schon gewonnen war nach der Schlacht vom iSedan." —— Gertrud Hauk, Lehrerin —> BDM-Maid, nach kLer Schlacht von Briansk. m Oestapostaat von der Bildfläche verschwinden. Die Herrschaft der sy- stematischen Verdummung des deut- schen Volkes trat ihren Weg an. Wie- weit dieser Triumph der Dummheit auch unter den Deutschen im Aus- lande reichte, davon sei im Folgen- den in Form einer kurzen Aufstel- lung von Zitaten ein Begriff gegeben. Menschen, die Verstand und Urteil haben sollten, s'nd vom Nazismus verseucht und mit Dummheit geschla- gen worden — anders kann man die- se Sammlung von Aussprüchen, die im Süden Chiles während des "immer siegreichen Blitzkrieges" gefällt wur- den, nicht erklären. Die Hauptgeistes- grossen in dieser Zitatensammlung sind :n den Kreisen der "Deutschen Schule", Pto. Montt, zu suchen: Montt, Rückzug nach Tunis. "Die Japaner werden d>en Russen in den Rücken fallen und uns helfen." —— Herbert Kluge, 1941. "Wieso die Engländer sich einbilden, den Krieg zu gewinnen, das grenzt ja an Wahnsinn." —> Ena Kluge, Nach den ersten Erfolgen des U*-IBootkrieges. "Am siegreichen Ausgang des Krieges besteht jetzt schon kein Zweifel mehr." — Hermann Wiesen born, Präsident des Schul Vorstandes, Weihnachtsfeier der Deutschen Schule, 1942. Gewiss, am siegreichen Ausgang die- ses Krieges besteht für die nüchtern tmd sachlich Denkenden schon large kein Zweifel mehr. Nur die mit Wahnsinn und Blindheit geschlage- nen Nazis, besonders aber die sich m Auslande aufhaltenden, sind das Op- fer Ihrer eigenen Verdummungspro. paganda geworden. Heute ist der Ausgang dieses Krie- ges eine vollendete Gewissheit. Die Nazis von Montt und anderswo aber müssen nun mit wehmütiger Erinne- rung der Zeiten gedenken, da man sich ungestraft :'n wahnwitzigen Träumen gaukeln durfte; da ein Herbert Kluge — 12 — schwungvolle Vefse in Gästebücher schreiben konnte: "Lasst es durch die Räume schallen, heute ist Paris gefallen!" Wo der nazistische Pastor der ev. Ge- meinde, Victor Otto, bei Ortsgruppen- leiter Kurt Schicketanz anfragen musste, ob man als deutscher Seelen- hirt einen verstorbenen Engländer (Landesfeind!) nach christlich-deut- schem Brauch begraben dürfte; wo derselbe Pfarrherr den ihm begegnen- den Juden in den Strassen Montts laut entgegenschleudern konnte: "Pfui, d'ese Juden!" Wo der Kantinenwirt des Club Aleman und naive Nazinöri- ge, Otto Zorn, Deutschchilenen, wie (Helmut Winkl2i-, vor deutschen Anti- nazisten glaubte auf öffentlicher Stra- sse ausspucken zu können; wo üble Schlägertypen und Grossmäuler, wie der Montter Advokat Alberto Ebens- perger, diz Gegner des Naziterrors in aller Oeffentlichkeit mit Faustschlä- gen und Schimpfworten: "Schwein! Verräter!'' beledigen zu können glaubte und der berüchtigte Todschlä- ger, Willi Hein, SS-Verbrechertyp, auf offener Plaza Ueberfälle verüben und Rotten verhetzter Schüler auf- rechte antinazistische Kämpfer in ge- meinster Weise blutig schlagen konn- ten. Selbst als die fliegenden Bomben "gen Engelland fuhren", da war noch glück- liche Zeit, denn man konnte noch glauben; man konnte sich noch be- täuben, sich noch etwas vormachen. Aber nun ist alles aus! Ke.ne Hoff- nung mehr! Nicht einmal mehr der Führer weiss einen Rat. Er kann nur n-och — als letzte Konsequenz des na-" zlstlschen Wahnsinnsglaubens — dsn allgemeinen Selbstmord als obligato- risch für das ganze deutsche Volk anordnen, um "den künftigen Gene- rationen ein glorreiches Beispiel zu geben, wie Völker untergehen müs- sen, untergehen müssen w e ein sich versenkendes Schiff — und zuletzt Feuer angelegt! ' Das ist der Gipfel- punkt des selbstmörderischen Wahn- sinns! Im Jahre 1945 wird die schmachvoll- ste und beschämendste aller Perioden der deutschen Geschichte, die elfjäh- rige Periode des Wahnsinns und der Dummheit, blutig abgeschlossen wer- den. Welch entsetzlichen Preis aber hat Deutschland für dieses AbJnteuer zu bezahlen! Uns, den Ueberlebenden, ist nun die harte Aufgabe gegeben, auf einem rauchenden Trümmerhau- fen wieder ganz von vorne anzufan- gen. J. W. Kaiser (Chubut); PROBLEME DER DEUTSCHEN LANDWIRTSCHAFT Von jeher war die deutsche Land- wirtschaft eine Hochburg der Reak- tion. Da die Arbeiterparteien leider den Problemen des Landes nicht den gebührenden Platz innerhalb ihrer Politik verschafft haben, war die Land- bevölkerung in grossem Masse den Junikern preisgegeben, die fast unkon- trolliert wirtschaften und. dem Klein- bauern1 ".um Richtlinien vorschreiben könnten, die allein dem Grossgrumd- besitz zugute kamen. Die Basis der deutschen Wirtschaft bildet eine gesunde und vollwertige Volks e.rnährung, die eine nicht min- der gesunde Landwirtschaft als Grund- lage haben muss. Die Landwirtschaft ist daher das Rückgrat des W'ederauf- bauß. Unsere Aufgabe wird darin be- stehen, diese frühere Hochburg des Junkertums in den Grundstein des neuen, wahrhaft demokratischen Deutschland zu verwandeln. Wir ha- ben daher den Grundbesitz zu ent- eignen und ihn in Volkseigentum zu verwandeln. Aber es handelt sich nicht nur darum, etwas zu zerschlagen, sondern wir ha- ben es besser zu machen als die mo- nokelgeschmückten Schatten des Kai- serreiches. Der Mangel an Kunstdüngern hat während der letzten Kriegs jähre da- zu geführt, dass die Nazis Raub- bau treiben mussten. Die so gepriese- nen, wunderbaren Ernten haben dem Boden, d-er in Europa durch die jahr- hundertelange Bewirtschaftung an und für sich nicht, mehr fruchtbar ist, un- ersetzbare Werte entzogen. Der Bo- den ist verarmt infolge des Ausblei- bens von Kunst- und Hilfsdüngern, die durch die Ersatzwirtschaft anderen Bestimmungen zugeführt wurden. — 13 — Nach Kriegsende ist grosse Knappheit an Saatgut zu erwarten. Die vorhan- denen Vorräte dürften kaum voll- wertig sein. Handelt es sich um aus- ländisches Saatgut, ist damit zu rech- nen, dass es von den heutigen Geg- nern zurückkonfisziert wird. Es ist andrerseits kaum vorstellbar ange- sichts der Verelendung und wirt- schaftlichen Verarmung ganz Europas, dass die heutigen Gegner dem Reich Getreide zur Ernährung zur Verfügung stellen werden. Für Deutschland wira sich daher eine bittere Lage ergeben, wenn man nicht von vornherein und mit aller Kraft die Landwirtschafts- fra?e zu lösen sucht. Woher aber die Kräfte zum Aufbau nehmen? Wo finden sich die Leute, die die technische Leitutng der Ar- beiten übernehmen und die Produk- tion überwachen können? Sind sie nicht verhandeln, wäre es noch besser, den Grossgrundbesitz in seiner jetzi- gen Form zunächst bestehen zu las- sen. als ihn zu enteignen und die Kommandos teilen mit Unfähigen zu besetzen. Eine sofortige Aufteilung an das Land- proletariat würde der Notwendigkeit, sofort Vollernten zu erzielen, entge- genwirken. Denn um zur Höchst- leistung zu gelangen, muss man ver- suchen. möglichst grosse, zusammen- hängende und in der Struktur gleich- artige Flächen zu erlangen. So erwünscht es vom sozialen Ge- sichtspunkte des Landproletariats auch wäre, den Boden sofort aufzuteilen, darf die deutsche Nachkriegsregie- rung sich nicht verleiten lassen, den Fehler der iussischen Revolution zu wiederholen. Die Russen sind jetzt auf das einzig richtige und logische System gekommen, das auch lür Deutschland dl". Grundlage der Aufbauarbeit sein muss: die Plan- wirtschaft. Das heisst nicht, dass der Kleinbauer einfach überrannt werden soll. Im Gegenteil. Er muss zum Aufbauwerk so weit wie mögl ch herangezogen werden. Man darf ihn nicht durch rücksichtloses Zusammenlegen der Nutzflächen von seinem angestamm- ten Boden vertreiben, denn wir ha- ben es nicht mit jenen unwissenden Menschen zu tun, gegen die die russi- sche Revolution jahrelang ankämpfen musste. Di; deutschen Bauern wer- den ohne weiteres eine geordnete Ver- waltung anerkennen und s'e unter- stützen. Die Bauerngüter sollten in Kollektiven organisiert, die bestehen- den zusammengefasst und auf eine gemeinsame Basis gebracht werden. •Sollte das Kriegsende mit der Zeit der Aussaat zusammenfallen, dann bleibt v:n vornherein keine Zeit zu einem Eingr ff. D. h. ein Arbeitsjahr wäre als verloren anzusehen, wenn die verantwortlichen Stell „n xich nicht jetzt schon mit der Lösung der wenigen hier angeschnittenen und vieler anderer, noch offen bleibender Fragen befassen würden. Tun sie es nicht, droht dem deutschen Volke ge- rade im ersten Nachkriegs jähr eine ungeheure Gefahr: der Hunger. Der eifrige SA-Mann. Ein aus Deutschland zurückgekehrter schweizer Arbeiter erzählt in der Züricher Zeitung Die Tat: — 'In einer Stadt vct.i 85.000 Einwohnern st eg ich eines Tages in die Strassen, bahn, als kurz ver der Abfahrt des Wagens ein Beinamputierter Oberleut-. nant noch einsteigen wollte. Zwei Ostarbeiter waren ihm dabei behilflich, und zum Dank dafür gab der Offizier jedem e'ne Zigarette. Das bemerkte ein im Wagen sitzender uniformierter SA-Ma».:n und machte dem Offizier heftige Vorwürfe. Es sei verboten, mit, Ostarbeitern zu sprechen und er be- sudele damit die Ehre des ganzen deutschen Volkes, 'Indem er Volksfeinden sogar Zigaretten gegeben habe, während die deutschen Volksgenosse».! selbst su wenig hätten. Da winkte der Oberleutnant einen ebenfalls im Wagen ste- henden Gefreiten zu sich heran und sagte etwas zu ihm, was wir rächt ver- stehen konnten. Der Gefreite ging zu dem SA-Mann hn und versetzte ihm rechts und links ein paar gewaltige Ohrfeigen. Danach wsr.dte er sich wie- der an den Vorgesetzten und meldete: "Befehl ausgeführt!" — 14 — WIEDERAUFBAU DER GEWERKSCHAFTEN IN DEUTSCHLAND Als '-Bericht No. 1" hat der "Council for a Democratic Germany" in New York einige beachtenswerte Betrachtungen über die Möglichkeiten und Auf- gaben der neuzuschafsenden Gewerkschaften bei der Gestaltung des neuen Deutschlands veröffentlicht, die in weitem Masse mit den Londoner Richtli- nien übereinstimmen. (Vgl. D.A.D., No. 88, S. 10|11). In einem längeren geschichtlichen Rückblick, wird zunächst gezeigt, wie der für die Nazis ungünstige Ausfall der nach 1933 vorgenommenen Betriebs- wahlen unü die Obstruktion der Arbeiter in der Arbeitsfront einen eindeuti- gen Beweis dafür darstellen, dass es Hitler nie gelungen ist, sich eine feste Massenbasis innerhalb der früher organisiert gewesenen Arbeiterschaft zu be- gründen. Nicht einmal der grösste Terror, die Ermordung o5er Einkerkerung sausender Arbeiterfunktonäre hat es verhindern körn: en, dass in jedem nen- nenswerten Betrieb Zellen des Widerderstands gegen die braune Schmach ent- standen. Meist handelte es sich dabei um ältere gewerkschaftlich erfahrene Betriebsangehörige, die zunächst durch einzelne anscheinend politisch recht unbedeutende Aktionen das Vertrauen ihrer Kollegen erwarben und den Geist der Zusammengehörigkeit der Arbeiter neu erweckten. So erwuchsen aus dem Betrieb heraus in zäher unauffälliger Kleinarbeit die Keimzellen der Untergrundarbeit. Aehnlich, wie die Zentrale der deutschen Gewerkschaften in England, sieht auch der "Council" in diesen Einheiten dm gegebenen Ausgangspunkt für die Schaffung einer künftigen Massenbewegung der Arbeiter und der De- mokratisierung Deutschlands. Nur aus solchen kleinen Einheiten heraus kann die Ausrottung des Nazismus in seinen feinsten Verästelungen erfolgen. Ge- rade die Tatsache, dass die Nazis sich darauf vorbereiten, nach dem Zusam- menbruch ihrerseits eine geheime Widerstandsbewegung aufzuziehen, macht es unerlässlich, die gesetzlichn und polizeilichen Aktionen zu ergänzen durch das Vorgehen jener kleinsten Arbeiterzellen, die aus genauer Kenntnis jedes einzelnen Nazis in Betrieben, Häuserblocks etc. demokratische Tarnung brau- ner Verbrecher verhindern und zu ihrer Ausrottung wirksam beitragen kön- nen. "Eine Organisation von Industriear- keit zu beweisen, vielleicht durch ihre beitem, die in Betriebsgruppen ein- frühere Zugehörigkeit zu den alten geteilt ist", so heisst es weiter im Gewerkschaften oder durch Antinazi- Beriöht, ' könnte die Gefahr des Ent- Betätigung während des Hitlerregi- stehens syndikalistischer Tendenzen mes." heraufbeschwören. Wenn aber ande- Auch der "Council" tritt dafür ein, rerseits die Einheiten in jeder Fa- dass die neue deutsche Gewerk- brik oder jedem Unternehmen orga- Schaftsbewegung eine Einheitsbewe. nisch entwickelt werden zu örtlichen gung zu sein hat; "von Anfang an und bezirklichen Organisationen sich muss die Spaltung nach politischen Zusammenschliessen und schliesslich oder weltanschaulichen Richtungen eine einheitliche Zentrale bilden, dann vermieden werden. In den letzten würde jene Gefahr gebannt werden. Jahren vor Hitler wurde die Spaltung Die Gewerkschaftsgruppen, die >.n je- der deutschen Arbeiterklasse in drei der Fabrik oder jedem Unternehmen Gewerkschaftsbünde weithin als hi- geschaffen würden, würden mehr oder storisch überholt angesehen. Alle Un- minder den Einheiten in der amerika, tergrundiberichte aus Hitlerdeutsch- nischen Gewerkschaftsbewegung ent- land zeigen deutlich, dass die Arbei- sprechen. .. ter im Lande für die Zukunft nur Die Mitgiliederschaft der Fabrik- oder eine Organisation wünschen, die in Betriebs-Gruppen würden die ArbeL ihrer Einheit ähnlich der Betriebsso- ter und die Angestellten der Unter- lidarität ist, die unter dem Faschis- nehmen unter Ausschluss der aktiven mus geherrscht hat. Um diese Ein- Nazis umfasse».:. Die Gewerkschafts- heit zu erlangen, muss die neue Ge- funktionäre hätten ihre Zuverlässig- werkschaftsorganisation als ihre — 15 — Hauptaufgabe die Vertretung der öko- nomischen Interessen der Arbeiter be- trachten, sie soll weider wünschen, ein Ersatz für die politischen Parteien zu sein, noch es werden. Vor allem muss sie sich auf die Lohnprobleme, Beschäftigung, Arbeitsverteilung, Ar- beitisl'OsenuntersLüitiZung, Arbeitsrecht und Wanderung konzentrieren. Bei jeder ihrer unmittelbaren Aufgaben muss sie als letztes Ziel die Teilnah- me der Arbeiterschaft als gleichbe- rechtigter Partner in einer neuen in- dustriellen und wirtschaftlichen Ord- nung der Zukunft vor Augen haben. So wird der Wiederaufbau der Ge- werkschaften ein Teil des Wiederauf- baus einer neuen industriellen Demo- kratie sein... Es ist selbstverständlich, dass im In- teresse der organischen Eingliederung (der Deutschen in die künftige Wirt- schaft Europas die einheitliche deut- sche Arbeiterbewegung alle Anstren- gungen machen muss, °~ute Beziehun- gen zur internationalen Arbeiterbe- wegung herzustellen und zu unterhal- ten. Das Vertrauen der Arbeiter an- derer Länder in die Arbeiter Deutsch- lands, das so schwer ernchüttert ist, wird, so hoffen wir, durch praktische Zusammenarbeit wiederhergestellt werden. Die Fronten, die die Menschheit nach dem Kriege trennen werden, werden nicht allein durch nationale Interes- sen bestimmt werden; es gibt auch seziale Grenzen, die quer über alle europäischen Grenzlinien führen. Nach ciesem Kriege werden die deut- schen Arbeiter in weit stärkerem Ma- sse ihrer Verantwortung für den Wie- derau!: bau des Landes und für ihre Mitarbeit in einer neuen friedfertigen Welt eingedenk sein. Es sollte inre grosse Schulung in der Selbstverwal- tung ausgenutzt werden. Die Orga- nisierung der Versorgung der Bevöl- kerung mit Lebensmitteln, des öffent- lichen Gesundheitswesens, des WohL fahrtswesens und der örtlichen Ge- meindeverwaltungen wird nicht mög- lich sein — wie die in Italien gemach- ten Erfahrungen zeigen — ohne die aktive Mitarbeit der demokratischen Elemente des Landes. Sobald die ört- liche».: Gewerkschaftsbünde gebildet sind, wird ein Instrument für die Lö- sung dieser schwierigen unmittelba- ren Probleme mit geringstmöglicher Reibung vorhanden sein. Schliesslich muss darauf hingewiesen werden, dass sofort nach der Invasion Deutschlands allgemeine bezirklicthe und lokale revolutionäre Erhebungen der Antinazis gegen ihre Unterdrük- ker zu erwarten sind. Sie werden die Form von Demonstrationen, Streiks und Bewegungen innerhalb der Fabri- ken annehmen. Welche Form sie auch immer annehmen, ihr Charakter und .ihre Ziele werden durch den Volks- wiJen bestimmt werden. Die demo- kratischen Kräfte der Vereinigten Na- tionen sollten nicht versuchen, diese spontane Freiheits-Bewegung zu ver- hindern, sondern die Arbeiter bei der Durchführung ihrer demokratischen Aktion zu fördern. Die Arbeiterorganisationen werden die stärkste und sicherste Basis darstel- len, auf der ein wirklich demokrati- sches Deutschland errichtet werden kann. Auf dieser wesentlichen Grund- lage für ein gegenseitiges Verständnis werden die Völker Europas nach Krieg, Zerstörung, Schrecken und Entfremdung sich treffen und den Wiederaufbau einer neuen und besse- ren Welt beginnen können.'' Die weitgehende Uebereinstimmung des New Yorker Berichtes mit den in London aufgestellten Richtlinien ist ein erfreulicher Beweis dafür, dass wenigstens in gewerkschaftlichen Fragen die mit Recht häufig beklag- te Spaltung innerhalb der fortschritt- lichen Elemente der deutschen Emi- gration nicht besteht. Der Präsident der nordamerikanischen Amtcmobilarbeiter- Gewerkschaft und Vizepräsident der CIO zur Ito le der Gewerkschaften beim, Wiederaufbau. In "Free World" vom Oktober 1944 senreibt R. j. Thomas: Sehr wenige unter uns innerhalb der Arbeiterbewegung treten für einen "weichen Frieden" mit Deutschland ein. Unsere Entschlossenheit, streng gegenüber Deutschland zu sein, Ver- sailles st jedcch nicht unsere Augen vor der Notwendigkeit, demokratische Organisationen und Persönlichkeiten innerhalb Deutschlands zu suchen zum Zwecke der Bestrafung der Kriegsverbrecher und der Ausrottung des Nazismus und des eventuellen Aufbaus eines demokratischen Lan- des. Wer in den Vereinigten Nationen kann diese Aufgabe besser erfüllen, als die Gewerkschaften?" 16 — AUGENZEUGEN BERICHTEN UEBER DIE LAGE IN HITLERDEUTSCHLAND Im folgenden veröffentlichen wir einige Berichte des als objektiv und zuverlässig bekannten ISK-Dienstes, die von Illegalen aus c«m Reich herausgeschmuggelt werden konnten und die über die Lage in der Zeit vom Juli bis Oktober 44 informieren. REISE GESPRAECHE IM OKTOBER Die Passagiere im Eisenbahnabteil sind ein älterer Mann, zwei Frauen zwischen dreissig und vierzig, ein et- wa. 20 jähriges Firäuliein, ein Junge von 11 bis 12 Jahren und unser Kor- respondent. Eine Frau kam aus Saarbrücken, wo sie ihren Mann besucht hatte. Sie er- zählte uns, ihr 18jähriger Sohn sei in Brest gewesen. Von seiner Kom- pagnie sind nur 15 Mann zurückge- kommen. "Er ist erst 18 Jafhre, ein Kind noch- Sollten sie ihn nicht zu seiner Mutter zurücklassen? Ist es nicht entsetzlich, was diese Kinder durchmachen müssen? Mein Mann hat ihn in Strassburg gesehen. Er sagt, er sieht wie ein alter Mann aug; Jetzt wollen sie meine Tochter ein- ziehen. Aber das kommt garnicht in Fraige Es ist genug, dass sie meinen Sohn und meinen Mann haben." (Die Frau spraclh vom schrecklichen Zusammenbruch in Frankreich und von den Terroristen. Der ältere Mann fragte sie: "Sagen Sie mir dcch mal, was Sie eigentlich unter Terroristen verste- hen ." Das brachte die Frau sehr in Ver- wirrung. Sie murmelte ein paar Wor- te aus dem Vokabular der Goebbels- presse. Der Mann sprach weiter: "Stellen Sie sich doch mal vor, dass die Vorgänge in Frankreich 1940 sich in Deutschland abgespielt hätten, dass Deutschland besetzt wäre und dass unsere Männer das täten, was jene Franzosen tun, die Sie Terrori- sten nennen. Wie würden Sie sie nen- nen? Freiheitskämpfer, mitiht wahr?" Wir waren uns darüber alle einig. Der Junge kam von einem Ort an der schweizerischen Grenze. Er war ein paar Monate vorher nach dorthin evakuiert worden. Er erzählte uns, dass jeder helfen muss beim Graben- bau, auch die Hitlerjugend. Die Of- fiziere standen dabei und komman- dierten. Er meinte, es wäre besser, wenn die Offiziere schaufelten und 44 nicht die Kinder. Alle führten Beispiele dafür an, dass die Engländer und Amerikaner aus- gezeichnet informiert sein müssten und dass sie immer wichtige Fabriken bombardierten. Sie meinten, das sei kein Wunder angesichts der grossen Zahl der ausländischen Arbeiter in Deutschland. Die andere Frau sagte, wenn sie etwas zu bestimmen hätte, würden diese ausländischen Arbeiter sofort nach Hause geschickt werden, denn im Fa-lle eines Zusammenbruchs würden sie eine Gefahr für die gan- ze Bevölkerung darstellen. Wir waren uns alle darin einig, dass der Krieg verloren ist, und dass was danach kommt, schrecklich sein wird. Die Frau, deren Mann in Saatbrük- ksn war, fürchtete, dass die Männer weggeschleppt werden würden, um die verwüsteten Gebiete aufzubauen. Der ältere Mann sagte: "Ich bin ganz damit einverstanden. Das ist nicht mehr als recht und bil- lig. Uebrigens haben wir ja auch un- sere ausländischen Arbeiter nicht ge- fragt, ob sie Lust hätten, bei uns zu arbeiten. Wir haben sie hierher ge- schleppt und lassen sie für uns ar- beiten.'' Er sah mich mit einem Augenzwin- kern an und sagte.- "Ich hoffe nur, sie werden sich die richtigen aussuchen.'' Ich nickte ihm zustimmend zu. Während unserer ganzen Unterhal- tung hatte das junge Mädchen kein einziges Wort gesagt. Aber sie hatte offensichtlich mit grösstem Interesse zugehört und ihr Gesicht wurde im- mer röter. Ich begann mich unbe- haglich zu fühlen und die Frau aus Saarbrücken sagte: "Wir könnten durch unsere Redereien Schwierigkei- ten bekommen." Der ältere Mann und die ältere Frau erwiderten: "Wir sprechen doch nur die Walhheit. Wir lügen doch nicht." Das junge Mäd- chen wurde ein bisschen verlegen und sa?te: "Ja ja, wir müssen die Wahr- heit sagen, aber dürfen wir das?" — 17 — Im Wartesaal sass ein Soldat am nächsten Tisch. Wie ich später er- fuhr, war er der Roten-Kreuz-Ab- teilung der Panzertruppen zugeteilt. Er verkaufte seinen Nachbarn Zigar_ retten. Eine Zigarrette eine Mark. Als er plötzlich, auch noch Lebensmit- telkarten herauszog, interessierte ich mich und wollte ihm einige abkaufen. Aber er weigerte sich. Als wir merk- ten, dass wir in den gleichen Zug einstiegen, kam er zu mir. Nach ei- nigem Zögern erzählte er. er käme von einem grossen Truppenübungs- platz und müsse nach Strassburg. Als er merkte, dass ich wöhl verstanden hatte, dass er es nicht besonders ei- lig hatte, wurde er offener. Er hatte schon mehrere Tage auf Reisen ver- bracht. Er hatte das "Pech" gehabt, dass die Züge, die er nehmen wollte, immer "überfüllt" waren, sodass er nicht mehr einsteigen konnte. Es war elf Uhr morgens und er hatte seit gestern nachmittag im Wartesaal ge- sessen . Als er einen Mann auf dem Bahn- steig hatte stehen sehen, der von ei- ner Gruppe Menschen umgeben war, hatte er sehen wollen, was vorging-. Man hatte ihm gesagt, es handele sich, um eine neue Zeitung, die ver- kauft würde. Darauf sagte er: "Zei- tung? Daran habe ich kein Interesse. Die Wahrheit steht doch nicht drin." Er sagte das laut und deutlich. Die Solldaten, die herumstanden, nickten ihm zu, sagten aber kein Wort. Ein anderer Soldat, der von der Ost- front kam und nach Marburg zur Be- richterstattung musste, wollte die uibiegenneit oenutzen, um seiner Frau in Köln einen Besuch abzustat- ten. Er hatte seit langer Zeit von ihr nichts gehört und wollte selber sehen, was los war. Er riskierte da- bei einen Tag zu spät zu kommen. Ich frug ihn, was ihm passieren würde, wenn es herauskäme. Er sag- te: 14 Tage Bunker. Und ich riet ihm, doch gleich ein paar Tage län- ger zu bleiben, wenn er sowieso den Bunker riskierte. Während wir sprachen, kamen zwei etwa 15jährige Hitlerjungen herein, setzten sich und holten ihre Zeitun- gen heraus. Ich fragte sie, wann sie eingezogen worden wären. Sie ant- worteten: "Schon vor langer Zeit." Der Soldat, der etwa 25 Jahre alt sein mochte, sagte: "Wenn wir schon versuchen, den Krieg mit Kindern ■ zu gewinnen, muss es schlimm um uns bestellt sein." Die beithen Jtui- gen lächelten von oben herab. Ein Luftalarm. Wir standen dicht (beim Bahnhof vor einem Luftschutz- keller. C. wurde bombardiert. Wir sahen ein Geschwader nach dem an- dern anfliegen. Ein Mann neben mir sagte: "Hier in dieser Gegend scheint es kein einziges deutsches Flugzeug zu geben." (J. S. K.). EIN BERICHT AUS HAMBURG, GESCHRIEBEN IM SEPTEMBER 44 Die schweren Fliegerangriffe auf Hamburg haben das Gefühl verstärkt, dass ein Ende mit Schrecken immer noch besser ist als ein Schrecken oh- ne Ende. Die Meldungen von der Bombardierung anderer deutscher Grosstädte wie Frankfurt, Königsberg und Leipzig haben eine sehr demora- lisierende Wirkung gehabt. Während der verheerenden Angriffe auf Ham- burg-Hafen am 20. Juni 44, bei de- nen die Hamburger ganz deutlich die amerikanischen Flieger sehen konn- ten und die Abwesenheit jedweder deutscher Flak feststellten, rief ein Gefühl der Empörung selbst in Nazi- kreisen hervor. Nach solchen Tagen konnte man Leu- te aus allen Schichten sagen hören: "Mögen die Engländer doch kommen! 6ie sind ja imer anständige Men- schen gewesen." Das war nicht etwa die Meinung von ein paar Einzelgän- gern. Im Gegenteil, diejenigen, die den Mut hatten, sie auszusprechen, fanden durchweg ein günstiges Echo. Diejenigen, die eine gegenteilige Meinung hatten, mussten oft genug stillschweigen, denn sie wurden nie- dergeschrieeen. Vorfälle dieser Art spielten sich beim Schlangenstehen ab. Natürlich ist es wiederholt vorgekom- men, dass solche Miesmacher der Po- lizei denunziert wurden. Dann er- schien die Gestapo am Tatort. Aber Verhaftungen waren relativ selten, denn die Gestapo weiss genau, dass sie nur die Unruhe vermehrt hätten. Später wurden diejenigen Aemter, vor denen sich lange Schlangen gebildet hatten, dezentralisiert, nur um die Bildung von spontanen Massende- — 18 — monstraticnen bei diesen Gelegenhei- ten zu verhindern. Verhaftungen bei kleineren Gruppen, die vor Lebensmittelgeschäften Schlan- ge standen, waren häufig. Kürzlich, als es kein Gemüse gab, sagte eine Frau: "Wenn sie uns so wie so ver- hungern lassen wollen, wäre es schon besser, wir würden verlieren.'' Ein Mitglied der Deutschen Frauenschaft, (berüchtigt wegen ihrer Spitzeldien- ste), liess die Frau und den Ge- schäftsmann verhaften. V 1 hatte grosse Hoffnungen erweckt. Man liess die Leute glauben, dass ei_ nie einzige dieser Bomben ganze Stadt- viertel zerstört. Als sie jedoch vor ihrer tatsächlichen Wirkung erfuh- ren, waren die Leute enttäuscht und niedergeschlagen. Die Leute waren überzugt, dass V2, V3, V4 und die anderen Vs tatsächlich existierten, aber man hörte oft, dass es höchste Zeit sei, sie in Anwendung zu brin_ gen, wenn es nicht zu spät sein soll- te. Man rechnete damit, dass V2 im August in Erscheinung treten sollte.. Man meinte, V2 sei eine erheblich verbesserter Apparat für den Luft- schutz, der auch eine wichtige Rolle in der Wasser-Kriejsführung spielen würde. Im Vergleich mit der Stimmung an der Heimatfront, waren die Soldaten auf Urlaub weit weniger optimistisch. Das konnte ich bis Ende Juli nach- kontrollieren . Es gab dafür eine ganze Reihe von Gründen. Bevor die Soldaten auf Urlaub gehen konnten, mussten sie besondere Ausbildungs- kurse durchmachen, die propagandi- stisch sehr geschickt organisiert wa- ren. Ausserdem war die neue Waffe gerade in Anwendung gebracht wor- den und ganz besonders waren die Frontsoldaten beunruhigt durch Ge- rüchte über Unruhen im Hinterland. Die Proipagandalüge, dass Deutsch- land den Krieg von 14-18 wegen der Heimatfront verloren hatte, war ih- nen in Fleisch und Blut übergegan- gen . Ein älterer Soldat, den ich traf, zeig- te jedcch keinerlei Zeichen von Op- timismus. Er sagte, er und seine äl- teren Kameraden seien überzeugt, dass der Krieg verloren ist. Unglück- licherweise würde aber Deutschland nicht kapitulieren, solange Hitler an der Macht ist. Bezüglich des Miss- lingens der Generalrevolte sagt er: "Geschieht ihnen recht. Sie hätten das ganze besser vorbereiten sollen. Der nächste Versuch wird nicht von Generälen sondern von Frontsoldaten gemacht werden. Die werden mehr Aussicht auf Erfolg haben." Dieser Soldat nahm seine Zivilkleider mit an die Front. Die Art seiner Beschäfti- gung gestattete ihm, sie dort ver- steckt zu halten. Wenn auch Block- und Zellenwarte überzeugt sein mögen, dass der Krieg verloren ist, werden sie doch noch in der Linie gehalten, wegen der eiser- nen Disziplin der Gestapo. Die Blockwarte haben beispielsweise die Aufgabe, die Angehörigen der ge- fallenen Soldaten zu besuchen, bevor die Wehrmacht offiziell über den Heldentod des Sohnes berichtet. Kurz nachdem der eigene Sohn eines Block- wiartes als vermisst gemeldet worden 'war, sollte dieser einen Trostbesuch bei einem seiner Nachbarn machen, von dem er wusste, dass er ein tüch- tiger Nazi war. Sein Gesuch, von ■diesem Besuch befreit au werden, -wurde abgelehnt. Man bedeutete ihm, dass er gerade jetzt den Trost- besuch zu, machen habe, da er in der gleichen Lage sei. Nach den er- sten Werten des Blockwartes riss der Vater des gefallenen Soldaten das Hitlerbild von der Wand herunter und trampelte darauf herum. Der Block- wart schickte sich an zu gehen und) bemerkte, er möchte lieber nichts hö- ren und sehen, da seine Pflichten als •- Blockwart ihn verpflichteten, einen Bericht an die Obrigkeit abzugeben. Er fügte hinzu, dass er den Kummer des Vaters sehr gut verstünde und deswegen nichts wEiterberichten wür- de. Nachdem der Blockwart fortge- gangen war, kamen Nachbarn in die Wcihnunig, die das Geschrei gehört hatten, sahen das Hitlerbild am Bo- den und hörten die Flüche auf Hit- ler, die der Vater ausstiess. Einer der Nachbarn berichtete dem Qxtsgrup- penleiter der den Vater und den Blockwart ins Kreuzverhör nahm: Der Vater des gefallenen Soldaten ,wurde nur verwarnt. Seine einwand- freie Vergangenheit und seine zuver- lässige politische Gesinnung wurden als mildernde Umstände angesehen. Der Blockwart wurde bestraft, weil er keine Meldung erstattet hatte. — 19 — Das nächste Mal wird er wanrschein- lich berichten, um nicht wegen Hu- manitätsduselei und Gutherzigkeit •bestrait zu weiden. Dieser Vorfall ist typisch dafür, wie die Nazis sich bemühen, das deut- sche Volk zur Härte zu erziehen. Die Gestapa hat ihre sogenannten Vertrauensleute in allen grösseren und kleineren und mittleren Betrie- ben. Sie sind keineswegs auffällig und keinem ihrer Arbeitskollegen als hundertprozentige Nazis bekannt. Sie berichten den Nazistellen über die Stimmung unter den Arbeitern, über umgehende Gerüchte, politische Wit- ze etc. und über das Verhalten der Unternehmer. Ihre Frauen sind eben- so angewiesen, alles ihrem Mann oder Sohn weiterzuerzählen, was sie in den Luftschutzkellern oder beim Schlangensteilen gehört haben. Aus- züge aus diesen Berichten gehen di- rekt an Goebbels, der sie in seinen Artikeln, Reden und Parolen benutzt. Durch diese Berichte ist Goebbels immer über die Stimmung im Volke unterrichtet. In Hamburg gehen al- le diese Berichte an die Gestapo, die nur aus SS-Leuten besteht, die alle vom Militärdienst befreit sind. Nur Von Zeit zu Zeit werden sie auf be- sondere Missionen gesandt. Auf diese Weise wurde letzthin, etwa Juli-iAugust ermittelt, dass die aus- ländischen Arbeiter unter sich sehr gut organisiert waren, dass sie ihre eigenen Vertreter hatten, die auslän- dische Sender abhörten und Plugzet- tel verteilten, die von den Alliierten abgeworfen worden waren und dass einige von ihnen im Besitz von Waf- fen waren. Eine allgemeine Razzia, in allen Lagern der ausländischen Arn- heiter hatte nur einen geringen Er- folg, denn die ausländischen Arbeiter sind sehr gut organisiert. Wir ken- nen auch deutsche Vertrauensmänner ihrer Organisation. Obwohl riesige Bemühungen gemacht wurden, um zu verhindern, dass die Bevölkerung die von den Alliierten abigeworfenen Flugblätter liest (die Flugblätter wer- den gewöhnlich zusammengefegt, be- vor das Signal zum Schluss des Luft- alarms gegeben wird und die Deute aus den Luftschutzkellern herauskom- men) und obwohl das Lesen und Wei- tergeben solcher Flugblätter schon mit dem Tode bestraft worden ist, werden sie doch gelegentlich verteilt. Auf diese Weise hören die Leute von der Propaganda der Angelsachsen. Von russischer Propaganda hören sie nichts. In Hamburg können die rus- sischen Sender nicht abgehört wer- den. weil nur sehr wenige einen Kurz- wellenempfänger haben. Die russi- schen Sender können aber nur auf Kurzwellen gehört werden, während die Londoner BBC auf Langwellen hörbar ist. Wer e'men Radioapparat hat, hat ge- wöhnlich den Volksempfänger. Mit ihm kann man örtliche Stationen sehr gut abhören. Der Deutschland- sender kann jedoch nur bei beson_ ders günstigen Bedingungen gehört werden. Und nur bei ausgezeichne- ten klimatischen und anderen Bedin- gungen kann man ausländische Sta- tionen mit ihnen bekommen, und auch dann noch durchaus nicht deut- lich. Letzthin ist es aber selbst mit dem kleinen Apparat möglich gewe- sen, ausländische Stationen zu hören, besonders abends, oder besser noch nachts, wenn die deutschen Statio- nen wegen Fliegeralarm nicht sen- den. Leider sind in dieser Situation die meisten Leute in den Luftschutz- kellern oder sie hören die Nachrich- ten über den Verlauf des Bombenan- griffs ab. Die zunehmenden Schwierigkeiten im Abhören ausländischer Stationen be- deuten daher, dass die deutschen Sender praktisch ein Monopol haben. Und die Bevölkerung, kann daher leicht von der deutschen Propagan- da in die. Irre geführt werden. Dar- über hinaus mögen auch die äusser- ste Ermüdung, ein grosser Teil Apa- thie und Mangel an kritischem Ver- mögen ebenso ihre Rolle spielen, wie die Angst vor den sehr schweren Strafen, die derer warten, die er- wischt werden. Die Zahl der Opfer der grossen Luftangriffe auf Hamburg vom Juli 43 wurde von offiziellen Nazibehördem mit ungefähr 260.000 angegeben. Das "Hamburger Tageblatt" veröffentlich- te anlässlich des Jahrestages der Ka- tastrophe, einen Artikel, in dem ge- sagt wurde, dass die Zahl der Opfer so gross sei, wie die Zahl der Opfer, die die Wehrmacht bei ihren Feld- zügen in Polen. Norwegen, Frank. — 20 — reich und Belgien zusammen hatte. Zahlen wurden nicht gegeben. Was in den Bezirken Hamburg-Horn, Has- se] biook und Rothenburgsort passier, te, die am meisten zu leiden hatten und die offiziell als tote Städte er- klärt wurden, ist nie bekannt gewor- den. Da es nicht möglich war, die zu beerdigen, die in den grossen Luftschutzkellern erstickt waren, wur- den Sträflinge und Pioniere beauf- tragt, sie mit Flammenw-erfern an Ort und Stelle zu verbrennen. Die •Beerdigung,sfeierlichkeiten fanden auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Gegen- wart der Spitzen der Nazipartei statt. Nur in Ausnahmefällen wurde den 'Angehörigen gestattet, ihren eigenen Toten zu beerdigen, in der Regel ka- men alle ins Massengrab. Viele Pa- storen waren empört über das Ver- halten der Behörden, aber sie gaben sich schliesslich zufrieden, wie sie es auoh bei so vielen anderen Gelegen- heiten getan haben. Widerstand von einzelnen wäre absolut sinnlos und würde sofort zusammengeschlagen. Nur in Fällen von grossen Manife- stationen scheuen sich die Behörden vor gewalttätigem Eingreifen. Wür- den aber solche Demonstrationen sich in noiitiscüp. Aktionen verwandeln (nicht nur Proteste gegen Mangel an Nahrung oder Kleidung) würden si- cher sofort Bombenflugzeuge gegen sie eingesetzt werden. Solahe Vorfäl- le sind jedoch bis jetzt nicht vorge- kommen. (J. S. K.). LEIPZIG UND BERLIN NACH DER GENERALREVOLTE Der folgende Bericht wurde von einem deutsehen Arbeiter verfasst, der in einer der grössten deutsehen Riistungsfabriken gearbeitet hat. Er schildert die Lage nach der Generalrevolte. Ich hatte meine Ferien vom 28. Ju- li bis 7. August. Drei Tage davon halbe ich in Leipzig verbracht, zwei Tage im Riesengebirge und zwei Ta- ge in Berlin. Den Rest habe ich auf Reisen verbracht, die sich in den -überfüllten Zügen zu einer Tortur auswuch&en. Leipzig. Am ersten Tage kam ich in Leipzig, oder besser in den Ruinen dieser Stadt an. Unser Zug fuhr nicht bis zum Hauptbahnhof, der fast völlig zerstört ist. Jeder Verkehr, der noch oder wieder über den Haupt- bahnhof geht, ist ausschliesslich für Truppen oder Heeresgut reserviert. Passagiere müssen zwei Km. vorher auif einem Notbahnhof aussteigen. Zwischen ihm und der Stadt ist ein 'unregelmässiger Omnibusdienst ein- gerichtet. G. holte mich ab. Er er_ zählte mir von den letzten Ereignis- sen. Ich will versuchen, Euch die Stimmung der Bevölkerung zu be- schreiben . Nazis. Eine kleine Minorität wünscht, dass der Krieg um jeden Preis weiter, geführt wird. Das sind die hundert- prozentigen Nazis, für die nach dem Worte Goebbels' der Friede schlim- mer sein wird als der Krieg. Zu die- ser Gruppe gehören etwa 5 o|o der Bevölkerung. Sie stehen und fallen mit dem Naziregime. Von der übri- gen Bevölkerung werden sie gehasst. Vom Krieg merken sie kaum etwas, so hoch ist ihr Lebensstandard. Ich brauche keine Zeit zu verschwenden, um Euch mehr über diese Gruppe zu erzählen. Apathie. Ausserdem gibt es die gro- sse Masse der Kriegsmüden, die sich nach nichts mehr als nach Frieden sehnen. Für sie miaicht jeder Tag Krieg das Leiden nur schlimmer. Es ist kaum zu glauben, wie apathisah diese Leute gegenüber allem gewor- den sind. Ihre Apathie ist natürlich ein negativer Faktor, er enthält je- doch ein kleines positives Element. Als negativ sehe ich die Tatsache an, dass diese Menschen sich nicht ein- mal mehr über die Todesurteile, die barbarischen Methoden der Kriegs- führung, die Verfolgungen usw. auf- regen. Sie wachen nur auf, wenn sie nicht ihre Lebensmittelrationen be- kommen, wenn sie sehen, wie arrogant sich die Frauen der Nazibonzen be- nehmen, oder wenn sie Funktionäre der Partei oder der SS sehen. Bei solchen Gelegenheiten inszenieren sie eine Flüsterkampagne. Dann pflegt es vorzukommen, dass Frauen aus Arbeiterkreisen oder aus dem Mittel- stand ihren Gefühlen Luft machen, indem sie 'zufällig" der Frau des •Ortsgruppenführers auf den Fuss tre- ten oder sie unsanft schubsen, oder sie niederschlagen. Das sind unmiss- — 21 — verständliche Anzeichen der antina- zistischen Stimmung in der Bevölke- rung. Der positive Faktor der Apa- thie ibesteht vornehmlich darin, dass aus Indifferenz die Arbeiter in den Fabriken langsam arbeiten. Viele von ihnen sind sich nicht klar darüber, dass sie auf diese Weise sabotieren, und dafür sehr schwer bestraft wer- den können. Manche unter ihnen maichen ihrem Herzen in kräftigen FlülDhen Luft, die zum Ausdruck bringen, dass sie die Nase mehr als voll haben und dass man sie mit al- lem in Ruhe lassen möge. Antifaschisten. Andere arbeiten be- wusst gegen das Regime. Das sind 'die bewussten Antifaschisten, die Hit- ler nie unterstützt haben, heute na- türlich weniger denn je, und >aie plan. mässig an seinem Sturz arbeiten. Sie begehen Sabotage, verteilen Handzet- tel uind Flugblätter, schreiben Anti- kriegsparolen an die Mauern und agi- tieren in den Luftschutzkellern, oft mit grossen Erfolg. Gelegentlich be- ziehen ein Blockwart oder ein Par- teibonze im Luftschutzkeller eine tüchtige Tracht Prügel, weil sie Na- zis sind, weil sie einer Frau mit Kin- dern keinen Platz gemacht, oder ei- ne schwangere Frau gestossen haben cder ähnliches. Verzweiflung. Es wäre jedoch falsch, zu glauben, alle Kriegsmüden wären der gleichen Meinung. Die Ansichten dieses grossen Sektors der Bevölke- rung sind im Gegenteil sehr ver- schieden . Unter ihnen sind Leute, die ganz zu- frieden mit den Nazis wären, wenn sie ihnen nicht ihren kleinen Laden weggenommen hätten, wenn sie nicht von den Nazis gezwungen worden wä- ren; ihre Bäckerei, ihr Ftriseurge. schäft zuzumachen. Andere sind kriegsmüde, weil sie mehrere nahe Angehörige im Krieg verloren haben. Ihr Unglück wendet sie gegen den Krieg und daher gegen die Nazis. Vor- herrschend ist eine allgemeine Ver- zweiflung. Ich hatte das Gefühl, auf einem Vulkan zu sitzen, der jeden Augenblick explodieren konnte. Ue- berau herrscht eine Atmosphäre schrecklicher Depression vor. Es gibt kein Lachen, keinen Scherz: (ausser gelegentlichen schweinischen Witzen). Hin und wieder bekommen Frauen in den Fabriken oder auf der Stra- sse einen Anfall von Hysterie. Nahrung. Das einzige, was Ausbrüche von Verzweiflungsakten verhindert, ist nach mexer Ansicht die Lebens, mittellage, die heute noch wesentlich besser ist als sie 1917 war. Jedoch meint man, dass der kommende Win- ter auch in Hinsicht auf das Essen katastrophal sein wird und man helft, dass ein Waffenstillstand vor Beginn des Winters das Schlimmste verhindern wird. Wohnung. Hunderttausende von Not- wohnungen müssten noch gebaut werden, wenn auch nur ein Teil der Ausgebombten untergebracht werden soll. Das zu tun ist aber unmöglich, weil es an Baumaterial und Arbeits- kräften fehlt. Diese Aussichten la- sten auf der Bevölkerung wie ein fürchterlicher Alpdruck. Opposition. Ihr werdet nun mit Rechr. fragen: Warum machen diese Leute nicht dem Krieg ein Entie? Darauf ist zu erwidern, dass durchaus nicht alle in dieser Hinsicht inaktiv sind. Es gibt eine aktive Opposition, dia zahlenmässig durchaus nicht klein ist. Aber ihre Aktion ist nicht koordiniert. Nur die äusserste Linke der Arbeiter kämpft zusammen mit den linken Bürgerlichen. Früaere Kommunisten, eine Anzahl Sozialdemokraten, frühe- re freie Gewerkschafter, und eine Rei- he ven Katholiken und Protestanten haben sich zwar geeinigt, aber diese Einheiten bestehen nur in einer Fa. trk, einem Stadtviertel oder einem Strassenzug. Es fehlt jede Koordi- nierung . Das ist die Schwäche der Opposition. Geleigentlich besteht ein Konflikt zwi- schen zwei oder mehr Fabriken, zwei oder mehr Städten. Nach meiner An- sicht ist einer der Hauptgründe für die fehlende Einheit der Opposition darin zu suchen, dass ihre Ansicht über die Nachkriegsfragen so weit auseinandergeht. Der Putsch deir Generäle. Der Atten- tatsversuch auf Hitler hat beispiels- weise unter der Zivilbevölkerung, be- sonders unter den Arbeitern keinerlei Eindruck gemacht. Gelegentlich brin- gen die Leute sogar ihre Genugtu- ung darüber zum Ausdruck, dass die 22 — Offiziere aufgehängt worden sind, nicht weil sie als Verräter angese- hen werden, oder weil das Leben des Führers so sehr geschätzt wird, son- dern weil die Leute der Ansicht sind, dass diese Offiziersklique, die in die- sem Kriege bisher mit den Nazis durch dick und dünn gegangen ist, nur in ihrem eigenen Interesse zu Ak- tionen überging. Sie wollte nur die Macht an sich reissen, um ihre reak- tionäre Herrschaft über das Volk wie- der anzutreten. Freie Deutsche. Der Attentatsversuch hat das Problem des Moskauer Seyd- litz-Kommittees wieder auf die Ta- gesordnung gebracht. I*)ie Leute wis- sen eine ganze Menge über dieses Kammittee, besonders in Berlin. Dar- auf will ich später eingehen. In Leip- zig fragen sich die Leute, ab diese Seyidlitz-Leute wohl beabsichtigten. Im N'achkrie gs -Deu ts ch.1 and eine Rolle zu (Spielern). Salden sie die H'ctren ^ Deutschland werden? Es ist interes- sant, die Reaktion der Leute auf die- se Frage zu verfolgen. Es wäre denk- bar, dass besonders in Arbeiterkrei- sen eine grosse Sympathie für das Moskauer Kommittee besteht. Das ist jedoch nicht der Fall. Im allgemei- nen fürchten die Arbeiter, dass diese Offiziere sich Machtpositionen aneig- nen könnten. Der gehobene Mittel- stand hat natürlich viel weniger ge- gen diese Leute zu sagen. Naichkrieg. Es ist also wieder die so- ziale Frage, die die Hauptrolle sp'elt. Das ist auch der Grund, weswegen die Opposition imer noch gespalten ist, so gehen ihre Meinungen über den Inhalt dieser Demokratie jedoch, aus- einander . Ich habe gesprochen mit früheren Kommunisten, früheren So- zialdemokraten, Arbeitern, proletari- sierten Mittelständlern, die jetzt in Fabriken arbeiten. Die Arbeiter wol- len ausnahmslos eine soziale und de- mokratische Republik, haben über konkrete Einzelheiten keinerlei klare Vorstellung, sind sich jedoch einig, dass die Hauptaufgabe dieser Repu- blik darin bestehen muss, die Macht der Kapitalisten. Bankherren und Junker zu brechen. Alle sind bereit, ihr Leben nach de- mokratischen Prinzipien einzurichten. Es gibt natürlich viele Leute, die ei- ne exemplarische Strafe für diejeni- gen verlangen, die für den Krieg und die a;n deutschen Hitlergegnern, An- gehörigen anderer Völker und Rassen begangenen Verbrechen verantwortlich sind. Einige hoffen, sich selbst Recht zu verschaffen, und es wird :keine sanfte Justiz sein, die sie ausüben. Manche unter denen, oie ihr Vermö- gen verloren haben, sind besonders daran interessiert, es wieder zu be- kommen. Andere haben sich mit ih- ren Verlusten abgefunden, da im Grunde ihr Lebensstandard in frühe- ren Zeiten auch nicht besser war. Aber sie sind natürlich auch sehr in- teressiert an dem Lebensstandard, den sie in der Nachkriegszeit haben werden. Es gibt ausserdem eine (wenn auch sehr kleine) Gruppe von Leuten, die erklären, dass sie bereit sind, um die Wiedererstattung ihres Eigentums zu kämpfen. Die meisten kleinen Sparer haben sich schon da- mit abgefunden, dass sie betrogen worden sind. Manche stellen das mit Bedauern fest, andere mit Gleichmut, andere mit entsetzlicher Angst. Deserteure. Ich muss noch ein ande- res Anzeichen für die Kriegsmüdig- keit und antinazistische Opposition anführen. Deutsche Soldaten, ein- schliesslich Offizieren halten sich in ganz Deutschland versteckt. Es han- delt sich um Deserteure. Die Leute halten sie versteckt, teils weil es sich um Verwandte handelt, denen sie helfen wollen, teils aus politischen Gründen. Die Angst vor der Zukunft ist riesengross. Und Kriegsmüdig- keit ist das Hauptkennzeichen des Lebens in Deutschland. Wird das deutsche Volk versklavt werden? Nie- mand weiss, wie die Zukunft ausse- hen wird. Berlin. In Berlin ist die Lage im we- sentlichen gleich. Interessant im Vergleich zu Leipzig ist, dass hier die Leute klarere Vorstellungen über die Ordnung der Nachkriegszeit haben. Besonders die Arbeiter hoffen auf ei- ne russische Besetzung, weil sie hof- fen. dann die sozialistische Ordnung einführen zu können. Sie glauben nicht, dass die Offiziere im Seydlitz- Kommittee nach dem Krieg irgend ei- ne Rolle spielen werden. Sie glau- ben, dass die Russen sie bei Kriegs- ende fallen lassen werden. Diejenigen unter ihnen, die sich dem sozialen 23 - Portschritt in den Weg stellen, wer- den gehen müssen. Ich war seit 11 Jahren zum ersten Mal wieder in Berlin. Es sah fürchterlich aus. Die Bomben hatten schweren Schaden an- gerichtet. Trotz allem spürt man kei- nen Hass gegen die Angelsachsen. In den Luftschutzkellern gelingt es den Parteibonzen nicht, eine Atmosphäre des Hasses gegen die Alliierten zu schaffen, obwohl sie es fieissig ver- suchen. Die Leute sitzen herum, apa- thisch und hören nicht auf sie. 29. Juli. Nun möcht ich Euch etwas erzählen über die Folgen des Atten- tatsversuches. Der Terror wurde in unglaublicher Weise verschärft. Das ist wahr. Und dennoch war die Wir- kung des Terrors unvergleichlich ge- ringer als vor zwei Jahren. Das mag schwer glaubhaft klingen. Der Grund ist, dass der Terror heute allein be- rufsmässige Arbeit der SS und der Gestapo ist. Millionen, die früher sich als freiwillige Spitzel betätigten, haben das völlig aufgegeben. Es wird kaum noch denunziert. Andererseits sind SS und Gestapo unvergleichlich viel brutaler, wenn sie jemanden er- wischen. Und sie erwischen immer noch viele. Die Zeitungen veröffent- lichen nicht einmal 10 o|o der Todes- urteile, ganz zu schweigen von den Zuchthausstrafen. Die Konzentra- tionslager sind wieder überfüllt. Ebenso wie die Leute angesichts des Attentats der Offiziere indifferent blieben, so blieben sie auch gleichgül- tig angesichts der intensiven Verfol- gung aristokratischer Kreise. Wahl- lose Verhaftungen nehmen immer mehr zu. Arbeiter. Gleichzeitig versucht die Regierung sich die Sympathien der Arbeiterklasse zu sichern. Die Nazis suchen klar zu machen, dass es nie einen Unterschied zwischen Partei und Volk gegeben hat. Aber diese Propaganda macht keinen Eindruck. Auch die glänzendsten Reden der be- kanntesten Parteiredner rufen kein anderes Echo hervor als Bemerkun- gen wie die folgenden: "Die Worte hör ich schon, allein mir fehlt der Glaube." In den Zwangsversammlun- gen in den Fabriken herrscht eisiges Schweigen, kein Echo wird laut, nur stille Resignation. Jeder fühlt sich. 'Erleichtert, wenn die Versammlung zu Ende ist. Dann beginnt eine Flüster- kampagne und soweit möglich die Diskussion. Tiefstand. Ich habe viele Leute nach ihrer Meinung über den Krieg: gefragt und was sie wohl denken, wer ihn gewinnen wird. (Solche Fragen habe ich natürlich nur Leuten stellen kön- nen, bei denen ich eingeführt worden war). Fast alle waren der Meinung, dass der Krieg endgültig verloren ist. Einige glauben noch ah die Möglich- keit deines Verständigungsfriedens mit den Angelsachsen, andere an einen solchen mit den Russen. Aber wie ich schon sagte, die grosse Mehrheit ist der Ansicht, dass Deutschland den Krieg endgültig verloren hat und sie sorgen sich sehr um die Reparatio- nen, die es zu zahlen haben wird. Auf meine Frage, wie lange der Krieg wchl noch dauern würde, seihwankten die Meinungen zwischen zwei und vier Monaten. Bei der Erwartung ei- nes schnellen Kriegsendes ist nicht nur der Wunsch der ""ater des Ge- dankens, sondern sie ist basiert auf einer Einschätzung der militärischen Lage. Die russischen Heere, die die Nazis längst erledigt zu haben be- haupteten, drängen jetzt mit grösse- rer Macht denn je vorwärts. Die Un- terschätzung der russischen Kräfte wird als grösster Fehler Hitlers ange- sehen. Das deutsche Volk hat, von wenigen Auct: ahmen abgesehen, Hit- lers Erklärungen über die Vernich- tung der russischen Heere geglaubt. Wäre das jedoch Hitlers einzige Lüge und sein einziger Fehler gewesen, hätte sein Prestige nicht so leiden können wie es tatsächlich gelitten hat. Der Einbruch der Angelsachsen in den Atlantikwall hatte eine weit stärkere Wirkung als die Bombardie- rungen. Ich bin voller Optimismus und hoffe, dass wir uns sehr bald wedersehen werden. (J. S. K.). WERBT FUER DAS ANDERE DEUTSCHLAND — 24 — „BIS JETZT" Vom trojanischen Pferd, das sich Deutschland in sein Reich geholt habe, wurde neulich auf einer Tagung ge- sprochen, 'die den Problemen der Aus. länder im dzutschen Arbeitsprozesse, galt. Die Zahl der ausländischen Ar. beiter. die in deutschen Fabriken, Wer. Ken und Betrieben heute tätig sind, übersteigt e'benso alle Wirklichkeiten von früher wie alle Planungen am Be. ginn des Krieges. Ein Millionenheer europäischer Menschen aller Sprachen hat den Weg ins Reich angetreten. Diese Entwicklung . . . schuf mitten im schwersten aller Kriege ein Pro- blem, das die innere Stabilität 'des? Reiches fast ebenso zur Bewährung forderte wie die Zerreisspro'be auf den Schlachtfeldern. "Arbeiter für Betrieb, Hanlei, Land, wirtschaft und Gewerbe, ein sozialer Stand aus fast allen europäischen Ländern, war in das Herz Europa* Yorgestoss\n. Als nicht mehr nur klei. ne und sorgfältig ausgewählte Kon. tin erente von Ausländern an die Ar. beitsnlätze traten, sondern der Strom der Fremden anschwoll, lag es nicht mehr in der Hand Deutschlands, et. wa die politische Zuverlässigkeit der einzelnen Arbeitergr uppen zu unter, suchen und zu überprüfen. E? war selbstverständlich, dass mit vielen Gutwilligen eine grosse Zahl Gleich, gültiger und gewiss auch ausgespro. chener Gegner im Reich erschien . . . Die deutschen Stellen mussten sich damit abfinden. Menschen ins Reich xu holen, die der Agitation nach wie vor offen standen. Man musste natür_ lieh auch wachsend mit einzelnen Elementen rechnen, die ihre Arbelt im oder zur Begünstigung des Feindes]be. nutzen wollten. Dass die Gefahren der Reich in voller Absicht zur Sabotage Ausländenbeschäftigung in dem Grade wuchsen, in dem militärisch das Reit-. anhaltenden und schweren Belastun. gen ausgesetzt war, war selbstver. stänidlich. "Die bedrängten und erschwerten Umstände, unter denen die Ausländer heute in Deutschland zu arbeiten ha. ben, bieten sicher keine Gewissheit, sie allesamt zu begeisterten Aposteln (des Hakenkreuzes) zu machen. Es muss beschleunigt und vervielfacht ge. arbeitet werden. Alle Einschränkun- gen und alle Not und auch alle Ge. fahr, die das Reich auf sich nehmen muss, muss selbstverständlich vom Ausländer mitgetragen werden. Es kommt hinzu, dass die Zwangslage unserer luftbedrohten Städte auch di® Wohn, und Unterbringungsmöglich, keiten beschränkt. "luari Kann atm ausländer nichts vor. maenen. Mängel und Unzulänglichkei- ten sirod jnm ebenso offenbar wie dem deutschen Arbeiter. Die Aüslän. ueimat'sen im Reicn, das von allen Seiten bedroht wird, waren ein Wag. nis. Docti bis jetzt sind nicht die ge. ringsten Symptoms dafür vorhanden, dass aus innen sien eine riesige poli. tische oder ga.r militärische Vorhut Ues Feindes entwickeln könnte. (Aus der "Deutschen Allgemeinen Zei- tung"). NEUE BUECHER Ludwig Kruse, Lieder einer Wande- rung. veria* "La Galanaria", Buenos Aires. Ludwig Kruse ist mehr Träumer und ■Dichter als Politiker und axampfer, wenn auch sein warmes Mitempfin- den und sein Linn für Gerechtigkeit ihn fast selbstverständlich zum So- zialisten, zum Gegner der Nazis und zum Freund unseres ''Andern Deutsch- land" machten. Seine neue Gedichtsammlung zeigt ge- genüber früheren Gedichten nicht nur Vertiefung der Empfindung durch Lebens- und Leiderfahrung, sondern zugleich eine Vereinfachung des Aus- drucks und eine Konzentriertheit der Form, an der jeder Freund der Lyrik — es gibt leider zu wenig! —- seine Freude haben wird. Wolken und Vögel und Kinder ste- hen dem Herzen dieses liebenden und sehnsüchtigen Wanderers durch Welt und Leben besonders nahe. Kein Wun- der, dass er die Brutalität unjd Stumpfheit flieht: "Ich höre nicht die Lieder und Gesänge, die hirn- und herzlos diese Masse brüllt, und flüchte schnell vor ihrer Menge in meinen Wald, der mich in seine Wunder hüllt. Hier singt ein Vöglein der Geliebten, der Wipfelwelt sein ewig Lied, das nun auch mich, den tiesbetrübten, in seinen süssen Trostkreis zieht". A. 8. SteeJ fisiiig for the' Nation (CIO-Ver- lag Washington). Eine Broschüre (32 S.), reich mit Fotos, Fotomontagen, graphischen Darstellungen versehen, in der sich die Me tall arbeit er ge werk- schaft der CIO in USA gegen die Ver- leumdung der bürgerlichen Presse zur Wehr setzt. Es wird der Nachweis er- bracht, dass die Eisenindustrie Billio- nen an diesem Kriege verdient hat und dass die reaktionäre Mehrheit des Parlaments die Wegsteuerung der Kriegsgewinne erfolgreich verhindert hat. Die Broschüre ist ein Musterbei- spiel für wirkungsvolle Agitation. Nazi-Justiz. Herausgegeben von der Polnischen Arbeiter Partei. Vorwort von Edgar A. Mowrer. Die Broschüre enthält eine Zusammenstellung von Sondergesetzen und Ausnahmebestim- STIMMEN DER VERNUNFT J3}1 Dia — Montevideot "... Man musa das Problem rein vom Standpunkt der Vernunft aus lösen. Wenn wir uns durch diejenigen leiten lassen, die die deutschen Grausamkeiten erfahren ha- ben, durch die, welche .ihren Besitz verloren haben, so werden wir nur noch mehr in diesem Irrationalismus versinken, der seit 1918 in der Welt herrscht. Und da muss man erkennen, dass das gegenwärtige kapitalistische Regime nicht befähigt erscheint, das Problem des deutschen Imperialismus definitiv zu lösen. Dieses Problem ebenso wie das des Ausgleichs der ju- ristischen mit der geographischen und historischen Nationalität im grössten Teil Europas, scheint nur in einer de- mokratischen europäischen Union möglich. Die Deutschen bestrafen, wäre Rache, aber keine Lösung..." UM Intran*ig*nte — Salta: "...Aber wir dürfen nicht vergessen, dass die •raten Opfer der Nazis1 die Deutschen selbst gewesen sind. .. Wir alle kennen das Leid des zivilisierten deutschen Volkes. Heute darf man das nicht ver- gessen... Zu glauben, dass die Deut- schen sich ergeben könnten, wenn der Ergebung ihre Versklavung folgt, ist ein Irrtum, der schlimme Folgen ha- ben kann. Die Deutschen werden ge- gen Hitler und sein System kämpfen und sich ergeben, wenn sie wissen, dass sie dadurch das Recht erhalten, als freie Menschen zu leben in nationaler und internationaler Hinsicht. Im an- dern Fall müssen sie kämpfen, wie sie es jetzt tun, jung .und alt und Kinder. Diese Kinder von 8 bis 11 Jahren, die bis zur letzten Kugel' in Aachen ge- schossen' haben, verdienen ernste Be- achtung durch die Leiter des. psycho- urid eine Stimme des Hasse» The Standard — Buenos Aires unter der Ueberschrift "Ein Volk von Ver- brechern'': "...Die Deutschen haben unterstützt und unterstützen jeden Tag Hitlers Versicherung, dass er die Stimme Deutschlands ist... Gut, dass man weiss, dass man sich nicht anzu- strengen braucht, um am Tag der Ab- mungen für Polen und Juden im "Ge- neralgouvernement". Im höchsten Mass ekelerregend ist, wie die Nazis ihrem Regime, das die Negation jedes Rechts- zustandes ist, bis ins einzelne den An- schein der Legalität zu geben suchen. John Macmurrays Trongh Chno« to Community? H. N. Brailsford: MakiiiK Grennany pay? Herausgegeben vom National Peace Council, London logischen Krieges. Es handelt sich nicht um Mitleid; es handelt sich um menschliche Errungenschaften. Eine Welt übernationaler Kriege und Ge- gensätze hat in dieses Chaos geführt; die Welt, 'die erbaut weiden soll, muss anders aussehen; eine Welt des Frie- dens und der Freiheit unter Gleichbe- rechtigung; eine Welt, wie die Atlan- tikcharter sie versprach, die keine Re- pressalien und kein Kreuz auf die Schultern irgendeines Volkes legen wollte. Deutschland widersteht und wird mit Hartnäckigkeit widerstehen, bis man ihm zeigt, dass seine Niederlage nicht sein Tod als Nation ist, sondern eine Wiedergeburt zu einem Leben der Freiheit und Gleichheit in einer Welt, di9 von Nazismus, Totalitarismus und Rache gereinigt ist. La Capital — Rmiario: "...Unglück- licherweise kann man nicht viel Ver- trauen dazu haben, dass die Stimmen der Wissenden und Klugen sich durch- setzen; das deutsche Volk, das in der letzten freien Wahl, bevor Hindenburg die Macht an Hitler abgab, ,in grosser Mehrheit gegen die Nazis stimmte, sieht sich in diesem Augenblick der Gefahr ausgesetzt, als "Kriegsverbre- cher' behandelt zu werden". Democracia — Juiiiii: "... Wenn man von demokratischer Wiedererziehung Deutschlands spricht, so muss man auf die Arbeiterklasse blicken... Die Al- liierten besitzen kein anderes Tor und keine ander© Brücke, um mit dem be- siegten Deutschland Beziehungen wie- derherzustellen". rechnung gerechte und ungerechte zu scheiden". Als wir, Angehörige des "Verbrecher- volles", die Welt vor Hitler und den Nazis vergeblich warnten, vertrat "The Standard" Chamberlains Hilfeleistun- gen für Hitler! __ 26 — DAS GESICHT DER ZEIT Neue deutsche Schulbücher und Ju_ gendtexte bereitet der Bermann.Fi- sciher-Vertag in New York vor. An den Arbeiten sind beteiligt Fritz Kar. sen (fr. Karl Marx_Schule, Berlin), Susana Engelmann, Edda Korsch (fr. Neu-Kölln) und Joachim Maas. Lillian Hellman, die bekannte nortL amerikanische Schriftstellerin, ist in Moskau; ihr Anti.nazi Stück "Die Waciht am Rhein", das uns durch die Aufführungen der Freien Deutschen Bühne bekannt ist, wird dort aufge- führt. Aber aus deutschen Antina_ zis werden in Moskau italienische An- tifaschisten gemacht; der russische Titel des Stückes lautet: "Die Fami- lie Farrelli kommt um ihren Frie- den". Die Aussichten für den künftigen Frieden sind düster — noch viel schlechter als nach dem ersten Welt- krieg. Worauf könir.en w.r uns als So- zialisten verlassen? Wir müssen zu den Grundlagen unserer Ueberzeu- gungen zurückkehren. Die Ideen all- gemeiner Gerechtigkeit, Freiheit und sozialen Fortschritts können eine ei. iiigende Kraft werden, wenn s'.e den Kampf für eine neue Ordnung besee- len. Die Widerstandsbewegungen zei- gen, welche Kräfte mobilisiert werden können. Aber es darf nicht zugelassen werden, dass irgendeine Bewegung ihre Kraft ta Isolierung und ohne Hilfe aufzehrt. Spanien gestern, Po- len heute — wer wird morgen an die Reihe kommen? Es darf auch keine sozialistische Bewegung zulassen, dass sie von ihren Aufgaben abgelenkt wird. Dadurch, dass sie sich mit den Machtpolit kern in eine anti.ar.glo- amerikanische oder in eine anti-russi- sche, oder zu diesem Zweck in eine anti-deutsche Front einreiht. Eine besondere Verantwortung, die Sehrt- te zum Aufbau einer internationalen sozialistischen Einheit zu ergreifen, ruht auf jenen Arbeiterbewegungen, die wie die brit sehe in den Jahren der Naziunterdrückung und des Krie- ges intakt geblieben sind, oder sol- chen wie der französischen, die durch den Widerstand gestählt und mit En- thusiasmus erfüllt fse'n wird. (Socia- list Vanguard, London). Sommerfrische "QUINTA HAMBURG" BRANDES -BRAZO CHICO via Canal S. Fernando F. C. C. A. con Lancha Galofre Eigene Milchwirtschaft - Rudern - Raden - Fischen . Helle, luftige Zimimer - Reichliche, gute Kost. Zimmer mit 1 und 2 Betten $ 4.— mit 3 Betten 3.50 pro Tag Casa Filatdlica — DB — ROBERTO POMMER compra T venta de estaraplllae para colecciön RECONQ.UISTA 206 — Bs. Alre« U. T. 33 (Av.) 5758 CASA RÜBENS Ferien- und Erholungsheim für Kinder und Erwachsene Colonia Valdense Depto. Colonia Uruguay PENSION SCHIFFER AMENABAR. 2040 nahe der Ciabildo vermietet gut möbl. 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