LA OTRA ALEMANIA ORGANO DE LOS ALEMANES DEMOCRATICOS DE LA AMERICA DEL SUR Reeristro Nacional de Propiedad Intelectual No. 178.948 Fundado el 7 de junio de 1937 Redacciön y administracion: CALLE TUCUMAN 309 Buenos Aires (Argentina) U. T. Retiro 7264 Febrero de 1945 Ano VII No. 91 AUS DEM INHALT Hans Jahn: Heimkehr der Emi- granten Albert Norden: Deutsche Kartell- könige Andrg Martin: Der Schutz vor einem neuen Krieg H. J.: Es geht dich an Harold LasM: Kongress der S.F.I.O. Victor Gollancz: Dofenuoente der Humanität. Aus der deutschen Opposition Heinz Apfeldorf: Wirtschafts chaos oder verlorene Re- volution? Lothar Sulzberger-TJruguay: Die deutschen Juden und der an- tifaschistische Kampf Neue Bücher Ernst Lakenbacher: Aus der österreichischen politi- schen Emigration o q> cT r FRANQUEO PAGADO OS Sw «J s og LZ o C 3 <8 CONCESION No. 3096 CO 60 August Siemsen: ROMAIN ROLLAND UND UNSERE ZEIT Romain Rolland hat den Triumph der Barbarei, die Herrschaft der Lü- ge und des Mas- senbetrugs, die allgemeine Ver- nichtung und Zer- störung schon bald nach dem ersten Weltkrieg vorausgesehen und vorausge- sagt. Er ist gestorben, als das Chaos seinen Höhepunkt er- reicht hat und die Zukunft nach dsm Kriege in Dunkel ge- hüllt scheint. Seine Warnungen und Beschwörungen, sein gros- ses literarisches Werk, sein grö- sseres menschliches Leben — alles scheint umsonst gewesen zu sein. Er war krank und alt. Sein Tod war zu erwarten und konnte uns nicht überraschen. Und doch ist durch seinen Tod wie durch den Tod keines anderen die Welt ärmer, sind wir, s-sine Mitkämp- fer um eine bessere Zukunft, einsamer geworden. Einsamer, aber nicht resigniert. Denn wenn Romain Rolland das Gewissen un- serer Zeit war, ein Gewissen, dessen Stimme übertönt wurde vom Geschrei des Hasses, vom Egoismus der Einzelnen, der Gruppen, der Staaten, von der Dummheit, der Verblendung, der Lüge ■— sein Werk und sein Leben werden lebendig sein über seinen Tod und seine Zeit hinaus, werden Fackeln sein, die in die Zukunft leuchten. Nach dem vorigen Weltkrieg rief der deutsche Jude Ludwig Rubi- ner mit der leidenschaftlichen Kraft seines Herzens und seines Gei- stes zur Besinnung und zur Umkehr auf unter dem Motto: Der Mensch* in der Mitte! Sein Ruf ist verhallt und vergessen. Aber dieser Ruf, dieses Motto umschreiben Werk und Leben Romain Rollands. In der fortschreitenden Entmenschlichung der letzten Jahrzehnte hat Romain Rolland gekämpft, um den Menschen und für die Menschlichkeit. Durch leidvolle Erfahrung tief überzeugt von den gefährlichen Un- tiefen der Menschennatur, von der Unvermeidlichkeit menschlichen Irrens und Straucheins, von der Gefahr der Selbstgenügsamkeit, der Bequemlichkeit, der Verhärtung, bewusst aller Schwächen und Feh- ler der menschlichen Natur, hat er nie Verständnis, Mitleid und Hilfs- bereitschaft verloren für den armen, irrenden und gequälten Men- schen, für die arme irrsnde und gequälte Menschheit. In nie versagendem Verantwortungsbewusstsein, gefeit gegen Hass und Verleumdung, hat er die Tiefen und Untiefen der menschlichen Seele, hat er die Wurzeln der Uebel und Nöte unserer Zeit erforscht. Der unerbittliche Feind der Heuchler, der Pharisäer, der Geschäfte- macher, -der Streber, der Erfolgreichen und Mächtigen unserer Zeit besass ein duldsames Verständnis für alle Irrtümer des Menschen, solange er sich strebend bemüht, solange er sich nicht beruhigt auf ein Faulbett legt, solange er nicht geistig tot ist, solange er ein le- bendiger Mensch bleibt. Aus Liebe zum Menschen wurde Romain Rolland zum scharfsichti- gen und rücksichtslosen Ankläger unserer wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Verhältnisse. Er entlarvte die herrschende- konventionelle Lüge, die Vorurteile, die schmutzigen Betrugsmetho- den, den falschen Götzendienst, die ganze Unmenschlichkeit unserer in Zersetzung begriffenen kapitalistischen Epoche. Der radikale Denker, der "Staubaufwirbler", der Vorkämpfer einer neuen Ethik, wurde nach Möglichkeit totgeschwiegen oder von klei- nen Kritikern mit nur ästhetisierenden Masstäben gemessen und zu kurz befunden. Erst jetzt, wo er tot ist, ringt sich die honette Presse- Lob und Anerkennung ab, zumeist für das, was das weniger Wich- tige bei dem Dichter und Menschen Romain Rolland ist. Er muss uns viel zu sagen haben, da er so viel Feindschaft begeg- net ist. Was ist es? Da ist sein unbedingter Kampf gegen die Erniedrigung des Men- schen zum Werkzeug, gegen die Ausbeutung des einen Menschen durch den anderen, gegen seine geistige Versklavung und Verdum- mung mit Hilf-3 von Kirche und Schule und Propaganda und gegen seine Verwendung als Schlachtopfer in den Kriegen der Imperiali- sten. Der wirtschaftlichen, politischen und geistigen^ Befreiung des Mensch:n gilt sein Kampf: "Der Mensch in der Mitte". Dichter sein heisst für Romain Rolland Sucher der Wahrheit sein. In einer Zeit, welche den Rationalismus, der an der Wiege der bür- gerlich : n Emanzipation stand, verhöhnte und die Vernunft verach- tete, die Uebermenschentum, Dynamik und Vitalismus pries und in Mystizismus, Blubo und Rassenwahn verkam, verkündete er unent- wegt seinen Glauben an die Vernunft als die spezifisch menschliche Gabe und Aufgabe. Wie Lessing bedeutet ihm Leben Suchen nach Erkenntnis. Er fordert Wahrhaftigkeit vor sich selbst und hasst das bequeme Sichberuhigen bei überkommenen "Wahrheiten" und al- les eilige Kompromisslertum. Wahrheit gedeiht nur in der Freiheit. Die Befreiung aber des Men- schen und der Menschheit erfordert Bewusstwerden, selbständiges Danken und freie Entscheidung des Einzelmenschen. Nicht blinder Glaube an Dogmen, nicht bedenkenlose Unterordnung unter Kirche, Staat oder Partei darf an die Stelle eigener Verantwortung treten. Die Unterordnung unter staatliche Pflichten, das Sichfügen der Par- teidisziplin wird von Rolland keineswegs grundsätzlich abgelehnt, aber sie finden ihre Grenze im Gewissen, in den Grundüberzeugun- gen des Einzelnen. Der Pazifist, der im ersten Weltkrieg "Au dessus de la melee' stand, über dem nationalen Hass und der nationalen Lüge, in dessen Brief- wechsel mit Gerhart Hauptmann im Jahre 1914 zwei menschliche Weltanschauungen und Grundhaltungen unvergesslich-n Ausdruck fanden, er hat gelernt, dass der Sieg des Sozialismus über die kapi- talistische Menschenunterdrückung und Weltzerstörung nicht mit friedlichen Mitteln zu erringen ist, dass im Kampf der Klassen nicht ohne Gewalt der herrschenden Klasse ihre den Fortschritt und den Weg in eine bessere Zukunft hindernden Privilegien und Machtposi- tionen entrissen werden können. Romain Rolland war ein grosser Europäer, ein Vorkämpfer des neuen, geeinten, friedlichen und sozialistischen Europa. Gleich zu Hause in der französischen und deutschen Kultur, hat er in der deutsch-fran- zösischen Verständigung die notwendigste Voraussetzung für die Schaffung des neuen Europa erblickt und schon vor dreissig Jahren in seinem "Jean Christophe" verfochten. Im Moment von Romain Rollands Tode erscheint die Welt in allem — % — das Gegenteil dessen, wofür er gelebt, gelitten und gearbeitet hat. Aber überall in der Welt ist das, was der Name und das Wirken Romain Rollands bedeuten, lebendig, nicht nur in einzelnen Men- schen und Gruppen, nicht nur in Denkern, Dichtern und Künstlern, es ist bereits Thema und Inhalt der Kämpfe, die sich schon heute innerhalb des imperialistischen Krieges entwickeln, und die nicht eher enden werden, als bis die Welt umgestaltet ist im Sinne Ro- main Rollands, und als bis dadurch der Weg frei geworden ist für den Menschen und die Menschheit, denen sein Leben und sein Wir- ken galten. Das Vermächtnis Romain Rollands zu erfüllen, ist die Aufgabe, vor die wir gestellt sind. Hans Jahn: HEIMKEHR DER EMIGRANTEN Soll man nach dem Kriege nach Deutschland zurückkehren oder nicht? Drei verschiedene Antworten werden von Emigranten auf die- se Frage gegeben. Da ist einmal die Gruppe derer, denen ihr Gast- land zur Heimat geworden ist, und die jeden Gedanken an Rückkehr weit von sich weisen. Dann sind da diejenigen, die Bedingungen stel- len und ihre Rückkehr von bestimmten Voraussetzungen wirtschaftli- cher oder politischer Natur, von der Erfüllung gewisser Forderungen, dem Vorhandensein verschiedener Garantien abhängig machen. Schliess- lich gibt es den Kreis derer, die unter allen Umständen bereit sind, nach Deutschland zurückzukehren. Obwohl sich unter dieser Gruppe viele Idealisten befinden, die bereit sind, Opfer auf sich zu nehmen? so könnten auch bei manchen von ihnen Unklarheiten und Illusionen zui fürchterlichen Enttäuschungen führen. Das Geschehen in Europa hat selbst bei intensivstem Einfühlen und Nacherleben in der Emigration nicht die Spuren hinterlassen, die es in die Herzen und Gehirne der Menschen drüben gegraben haben muss. Wir wissen, dass zehn Jahre ganz verschiedenartiger Lebens- führung selbst zwischen Brüdern eine Mauer des Unverständnisses auf- richten können, aber das Dasein, das in der Emigration auf der einen, in Europa auf der andern Seite geführt wurde, hat eine tiefe Kluft ge- öffnet. Hat sich der Emigrant auf Grund seiner unbehindert fliessen- den Informationsquellen ein verhältnismässig wahres Bild vom Welt- geschehen machen können, so ist der heutige Deutsche bis zur Igno- ranz einseitig informiert und mit Vorstellungen behaftet, die sich nicht in einigen Wochen ausrotten lassen dürften. Hingegen hat wieder der Emigrant über das, was jetzt im deutschen Alltagsleben geschient, nur eine sehr allgemeine und kaum über grobe Umrisse hinausgehen- de Kenntnis. Hat der Emigrant seinen Blick geweitet, Kulturen und Prinzipien anderer Völker in sich aufgenommen, so war das Den- ken des Deutschen nicht nur von Blut- und Bodengeschwafel verwirrt,, sondern auch zwangsläufig auf das Allernächste und Primitivste ge- richtet. Hat der Emigrant seine Allgemeinbildung erhöht, so sind dem heutigen Durchschnittsdeutschen die Anfangsgründe jeglicher Bildung fremd, was die gegenseitige Verständigung bedeutend erschwert. Aus Zwang, Gewohnheit und Notwendigkeit ist der heutige Deutsche ein Massenmensch, während der Emigrant seine individuelle Persönlich- keit beibehalten, ja sogar gesteigert hat in positivem wie negativem Sinne. Das gemeinsame Schicksal Krieg hat den Menschen ungleich mehr genormt als das gemeinsame Schicksal Emigration, das immer mehr zum pathetischen Aushängeschild ohne praktische Konsequen- zen wurde. Das Leben in der Emigration ist weitergegangen und war nach den ersten Jahren der Anpassung sehr ähnlich dem, das man drüben verlassen hatte. Aber es gibt keine grössere Torheit, als die Erwartung, dort wieder anknüpfen zu können, wo man seinerzeit auf- hörte. Denn inzwischen ist eine Welt untergegangen, nicht nur im wörtlichen Sinne, und eine neue soll geschaffen werden. Dazu ge- hören neue Menschen mit neuen Konzepten. Die' Betrogenen Europas werden nicht dem ersten Profeten aus Uebersee begeistert zujubeln, dazu haben sie mit Profeten zu fürchterliche Erfahrungen gemacht. Sie werden zurückhaltend und misstrauisch sein und sich ihre Mitar- beiter sehr genau ansehen. Sie werden ihre presumptiven Retter fra- gen: "Wer bist du, und was hast du getan?" Am 5. November schrieb die "Daily Mail" in einem Artikel be- züglich der neutralen Staaten: "Zuallererst müssten wir darauf achten, dass die neutralen Län- der, die nichts anderes getan haben als Geld anzuhäufen, während andere Nationen litten und bluteten, um die gemeinsame Freiheit zu verteidigen, keinerlei Berücksichtigung verdienen, wenn der Augen- blick da ist, in dem die Nachkriegswelt geschaffen wird." Setzt man statt "neutrale Länder" Emigranten und statt "andere Nationen" andere Antifaschisten so dürfte damit die Einstellung um- rissen sein, die man den Rückwanderern entgegenbringen wird. Nun soll gewiss keinem Emigranten ein Vorwurf daraus gemacht werden, dass er Geld verdiente, aber der Ton liegt auf dem Wörtchen "nur". Diejenigen, deren Denken heute noch von einer neuen Kravatte, einer neuen Haarfrisur weit mehr in Anspruch genommen wird als von hun- dert verhungerten Kindern in Griechenland, zehn aufgehängten Frau- en in Deutschland oder einem verwüsteten Dorf in der Tschechoslo- wakei, die heute schon in Träumen schwelgen, wie sie mit zehn wert- beständigen Dollars in der Tasche das ausgeblutete Europa nach al- len Richtungen durchreisen können, sollten eine definitive, vielleicht sogar eine vorübergehende Rückkehr lieber nicht ins Auge fassen. Be- gehen nicht sogar diejenigen einen bedauerlichen Irrtum, die sich da ehrlich bemühen, ihren Kindern durch eine gesicherte wirtschaftliche Position einen vorteilhaften Platz in einer neuen Welt zu schaffen? Haben sie vergessen, dass auch ihre Eltern und Millionen Eltern so handelten und doch nicht verhindern konnten, dass ihre Kinder als Bettler über die Grenze gehetzt oder gar bestialisch ermordet- wurden? Das ist eine bittere Erinnerung, aber sie trägt viel zu einer richtigen Einschätzung der Dinge bei. Erstaunlicherweise verschliessen sich ge- rade Leute, die in Geschäftsdingen geschickt und weitsichtig sind, sol- chen Erkenntnissen am hartnäckigsten. Mit banalem Optimismus glau~ ben sie an die Formel von der kommenden Welt der Prosperität und des Friedens und wollen einfach nicht gelten lassen, dass das, was ih- nen und ihresgleichen gestern geschehen ist, in zwanzig Jahren ihre Nachkommen treffen kann, ganz gleich, in welchem Winkel der Erde sie sich befinden, wenn nicht wirklich alle Kräfte eingesetzt werden, die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu ändern. Es geht nicht mehr um ihr — ach so fragwürdiges — individuelles Wohl- ergehen, sondern um völlig neue wirtschaftliche und politische Fun- damente des Daseins. Nicht sollen aus deutschen Patrioten alliierte Patrioten gemacht werden, sondern internationale Menschen. Wenn Ausbeutung und Unrecht weiter herrschen, danm ist über kurz oder lang zwangsläufig ein neuer Hitler fällig, möge er nun Brown, Du* champs oder Peres heissen. Ein plötzlicher technischer "Fortschritt" kann über Nacht alle Ueberwachungsmassnahmen, alle Abrüstungsdik- tate illusorisch machen. Es gilt, Ursachen aus der Welt zu schaffen, nicht an Folgen herumzudoktern, und diese Aufgabe geht jeden an, so '•weit vom Schuss" er sich auch wähnen möge. Die Emigranten, die sich in der Hoffnung wiegen, als Stadthalter oder Proteges der Besatzungstruppen in Deutschland zu fungieren, werden natürlich auf den erbitterten Widerstand der nazistisch ver- seuchten Elemente stossen, aber auf den der radikalisierten Massen richt minder. Entweder machen sie sich zu Handlangern der Sieger und finden eine geschlossene Front gegen sich oder sie entwickeln eigene Anschauungen und verschwinden sehr schnell in der Versenkung. Ein beredtes Beispiel hat erst kürzlich der Fall des Grafen Sforza gege- ben. Ueberhaupt dürfte jeder enttäuscht sein, der erwartet, dass schon eine Kommandohöhe für ihn reserviert sei. Einmal ist er den vor- gefundenen Verhältnissen nicht gewachsen, selbst wenn er seine poli- tische Theorie auswendig weiss, zum andern ist Emigration an sich noch kein Verdienst, das zu irgendwelchen Ansprüchen berechtigt. Die alten Parteien, in deren Gedankengängen der Ankömmling ein Jahr- — 6 — zehnt lang weitervegetierte, werden nicht wieder auferstehen oder aber ganz neue Inhalte mitbringen. Wer da glaubt, sein kleinliches Emigran- tengezänk in der neuen Umgebung fortsetzen zu können, wird nicht auf seine Kosten kommen. Zückt er triumphierend sein Notizbuch und zitiert eifrig, was der und der Schicksalsgefährte im Jahre 1938 in ei- ner Diskussion in Buenos Aires sagte, so wird man über seinen Klein- kram zur Tagesordnung übergehen, und zu seinem Missfallen wird der Missliebige nicht auf der Stelle gelyncht werden. Der heimgekehrte Emigrant wird zunächst im Nachkriegsdeutsch- land ein Fremdkörper sein, und von seiner Anpassungsfähigkeit, seinem guten Willen, seiner Opferbereitschaft und vor allem seiner Beschei- denheit wird es abhängen, ob und wie schnell er den neuen Verhältnis- sen gerecht wird. Deutschland braucht Menschen für seinen Aufbau und seine Umwandlung, aber es stellt harte Anforderungen. Ein ver- armtes, proletarisiertes, zerrissenes und gärendes Deutschland kann niemanden auf materielle Gewinne hoffen lassen, aber aus dem Chaos Form zu schaffen und diese mit neuem Inhalt zu füllen ist vielleicht die wichtigste und grösste Aufgabe, die der alte Erdteil in diesem Jahr- hundert zu vergeben hat. Wer bereit ist, mitzuleiden und mitzuarbei- ten, die Brücken des Friedens und des Wohlergehens hinter sich abzu- brechen, wer sich mit dem Lohn der Befriedigung an seinem Werke be- gnügen kann, der sollte gehen. Aber auch nur der. Albert Norden: DEUTSCHE KARTELLKÖNIGE Während die alliierten Soldaten auf den europäischen Schlachtfeldern kämpfen und sterben, um die Tyrannei zu zerschmettern, suchen die Ratten des europäischen Kapitalismus, die Quislings und plutokraten eiligst Unterschlupf. Ihr bevorzugter Treffpunkt ist die Bank für In- ternationale Zahlungen und ihre Lieblingsbeschäftigung das Kartell- spiel, belebt durch neue Angriffskriege und Intrigen zur erneuten Machtergreifung. Die Bank für internationale Zahlungen in Basel ist nun wohlbekannt als Treffpunkt aller der Elemente, die Europa wieder zum Tummel- platz d:r internationalen Kartelle machen wollen und die versuchen werden, die deutschen politischen und wirtschaftlichen Reaktionäre an der Macht zu erhalten, wenn Hitler einmal beseitigt ist. Wäh- rend das Blut der alliierten Soldaten auf den Schlachtfeldern im Kampf gegen den deutschen Faschismus vergossen wird, existiert, mit allen rechtlichen Voraussetzungen, dieses Clearinghaus für die Vertreter des angelsächsischen Finanzkapitals, der Hitlerplutokraten und ihrer ökonomischen Quislings. Sie sind seit Kriegsbeginn in Kontakt geblieben, um mit dem Ende der Feindseligkeiten die ver- derblichen Umtriebe wieder aufzunehmen, die die Machtergreifung, Ausdehnung und Aggression des Hitlerfaschismus ermöglicht hatten. Wer sind die deutschen Herren unter diesen B. I. Z.-Bankiers, di*3 sich durch die Aushändigung von 6 Millionen Pfund Sterling an Hit- ler zu Komplizen im Angriff gegen die Tschechoslowakei gemacht haben? Es sind vor allem Walter Funk, Dr. Hermann Schmitz und Kurt Freiherr von Schroeder. Es ist der Mühe wert, die politische und ökonomische Rolle dieser Männer und des Restes der Vorhut des deutschen Finanzkapitals zu beleuchten, weil wir daraus wich- tige und interessante Schlüsse für die Zukunft ziehen können. Es war kein Zufall, dass die I. G. Farben eines ihrer deutschen Mit- glieder in den Vorstand der Bank für Internationale Zahlungen ent- sandten, denn dieser Chemische Trust teilt sich mit ausländischen Firmen, einschliesslich nordamerikanischen, das Eigentum an zahl- losen Patenten und unterhält mit ihnen Abkommen über die Auf- teilung der Weltmärkte. In Spanien finanzierte I. G. Farben die faschistischen Führer und nahm an der Vorbereitung des Francoputsches teil. Sie setzte den Faschisten Ionescu in Rumänien als Direktor des Hauptorgans der Eisemen Garde, „Curentul", ein. Noch bevor Hitler den Balkan über- rannte, hatte die I. G. Farben mit der Hilfe anderer deutscher Kon- zerne den Südosten Europas reif für Eroberung durch wirtschaft- liche Versklavung gemacht. Heute beherrscht der Farbentrust, dank Hitlers Angriffskrieg die chemische und Farbenindustrie des ganzen europäischen Kontinents. Der tückische 'Griff des I. G. Farben-Polypen reichte auch nach,Ame- rika. Von Argentinien im Süden bis Mexiko waren die I. G. Farben- Direktoren die Stützpunktleiter der Nazipartei und die Sponageagen- ten des militärischen und Gestapoapparats im Ausland. Mit wel- chem psychologischen Verständnis die Führer der grossen europäi- schen Trusts vorgehen, erhellt ein Beispiel aus Mexiko, wo der deut- sche Gelehrte Alexander von Humboldt als einer der ideologischen Begründer, der .mexikanischen Unabhängigkeitsbewegung geehrt wird. Die I. G. Farben machte den Grossneffen des Wissenschaft- lers, Alexander von Humboldt, zum Leiter der dortigen Bayersiliaie und in dieser Stellung dirigierte er die Spionageaktivitäten der deut- schen Kolonie. Walter Funk war, bevor er Schachts Stellung als Reichswirtschatts- minister einahm, ein zweitrangiger und deshalb leicht käuflicher Herausgeber der Bsrliner Börsenzeitung, des halbamtlichen Organs des Deutschen Auswärtigen Amts, dessen Eigentümer, General von Stülpnagel, auch Vorstandsmitglied in zahlreichen wohlbekannten Geschäftsunternehmungen war. — Stülpnagels Bruder, der in diesem -Krieg Kommandeur von Paris war, hat sich einen traurigen Ruf als — 8 — Mörder zahlloser französischer Geiseln erworben. Als Stülpnagels Handelsredakteur gewann Funk das Vertrauen der westdeutschen Schwerindustriellen (s. Artikel in voriger Nummer), die ihn 1930 bei Hitler einführten und sich damit ein willfähriges Werkzeug im hohen Amt des Reichswirtschaftsministers schufen. Besondere Beachtung verdient die Rolle des Barons von Schroeder. Denn hier befinden wir uns inmitten eines unbekannten Kapitels der Intrigen des internationalen Finanzkapitals, . Kurt -Freiherr von Schroeder ist Mitinhaber des Bankhauses I. H. Stein in Köln. Die Dresdner und Deutsche Bank mögen berühmter und wichtiger sein — I. H. Stein hat sich stets im Hintergrund gehal- ten, — aber die Umtriebe dieses Bankhauses der Kanonenkönige von Westdeutschland ist von besonderer Bedeutung für die Debatten über die eventuelle Aufteilung Deutschlands. S. S. BANKERS MACHEN GESCHICHTE Vor einem Vierteljahrhundert, zu Beginn des Jahres 1919, war Deutschland der Schauplatz eines blutigen Bürgerkrieges, in dem über die Befreiung der Nation von der unheiligen Dreieinigkeit der Junker, Militaristen und Schwerindustriellen entschieden wurde. In den ersten Tagen des Januars 1919 erreichte dieser Kampf seinen Höhepunkt, als die Arbeiterschaft Berlins zeitweise die Kontrolle der Stadt innehatte und sich im Rheinland und Westfalen eine Arbeiter- armee bildete, die Fritz Thyssen und andere Munitionsmagnaten in Schutzhaft nahm. Zu dieser Zeit, genau gesprochen, am siebenten Januar, fand eine Konferenz im Hause des Bankiers Stein in Köln statt, an der die führenden Mitglieder der westdeutschen Industrie und Bankkreise teilnahmen. Das Sitzungsprotokoll sagt: „Es besteht vollkommene Uebereinstimmung darüber, dass eine rhei- nisch-westfälische Republik geschaffen werden muss, dass jedoch hierzu eine militärische Macht erforderlich ist, die wiederum nur im Einverständnis mit der Entente aufgestellt werden kann." Das bedeutete, dass die Munitionsbarone, angesichts der schweren „Gefahr" einer Umwandlung des Reiches in einen fortschrittlichen und demokratischen Staat, beschlossen, ein von der Entente abhän- giges Rheinland-Westfalen zu schaffen, das die gesamte, für die deut- sche Volkswirtschaft lebenswichtige, Stahl- und Kohlenindustrie um- fassen sollte. Als zwei Monate später die Strassenkämpfe zwischen Rechts und Links anwuchsen und sich über das ganze Revier aus- dehnten, wurde im Kölner Kasino eine öffentliche Versammlung ab- gehalten, unter dem Vorsitz des Bankiers Stein, in der der Plan zur Begründung einer Rheinischen Republik von neuem verkündet — 9 — wurde. Während dieser und der folgenden Wochen wurde das Schicksal der Republik entschieden. Die Freikorps und Armeeoffi- ziere, heute Hitlergenerale genannt, errangen mit der Hilfe des Ebert- regimes den Sieg über die Arbeiter. Mit der Beseitigung der Sozialisierungsgefahr verlorsn die Herren von Rhein und Ruhr ihr Interesse an einer Absonderung von Deutsch- land, obgleich dasselbe in 1922/23 von neuem mit Heftigkeit auf- lebte, als die schreckliche Inflationskrisis eine neue revolutionäre Welle erzeugte. Im Oktober 1923 führte die Sabotage der Reparationslieferungen durch die westdeutschen Industriekapitäne zur alliierten Besetzung des Rheinlandes. Es waren, dieselben Industriellen, die die deutsche Mark durch Aufkauf ungeheurer Mengen ausländischer Sachwerte erdolcht hatten und die zusahen, wie sie von Tag zu Tag sank. Wenn heute ein Laib Brot hunderttausend Mark kostete, war der Preis morgen schon verdoppelt. Die revoltionäre Bewegung wuchs nchnell. Im Herzen des, Reiches, in Thüringen und Sachsen, bildeten die Führer der Sozialdemokraten und Kommunisten Regierungen. In diesem Moment verkündete der Mitinhaber des Bankhauses Stein, Baron Kurt von Schroeder, die Notwendigkeit einer finanziellen Tren- nung des Rheinlands vom Deutschen Reich und die Gründung einer Rheinischen Goldnotenbank im Verein mit der englisch-französischen Hochfinanz. Er erklärte den anwesenden westdeutschen Wirtschafts- führern, dass die Verhandlungen mit den ausländischen Interessen- gruppen über die Durchführung dieser Pläne bereits eingeleitet wären. Vom nationalen Standpunkt war dies Hochverrat, aber für diese Art Leute sind Vaterland und Bankkonto identisch. Sie zogen vor, mit dem „Feinde" zusammen zu arbeiten und sich ihm auszuliefern, als den Arbeitern irgendwelche Rechte einzuräumen. Si.z schufen da- mit das Beispiel für eine Handlungsweise, die, zwanzig Jahre später, von ihren französischen Kollegen getreulich nachgeahmt wurde. Einige Tage später rückte die Reichswehr in Mitteldeutschland ein, warf die sächsische und thüringische Regierung nieder und erstickte die Revolte der Hamburger Arbeiter. Die Reichsmark wurde mit ausländischer Hilfe stabilisiert und Schroeder legte seine Pläne für die Abtrennung des Rheinlands auf Eis. In der Zwischenzeit hatte die britische Regierung, in der Befürchtung, Frankreich möchte ein zu starker Nachbar werden, der Aufrichtung einer unabhängigen Rheinischen Republik energischen Widerstand entgegengebracht, in der Einsicht, dass diese auch ihre geographische und politische Lage abhängig von Frankreich werden würde. Und wer konnte besser informiert sein in Deutschland über die Pläne — 10 — der City und damit von ,,Downingstreet'', als Kurt von Schroeder, ein naher Verwandter und Geschäftspartner des Londoner Bankiers J. Henry Schroeder. Dieser bekannte Londoner Bankier war der Agent des Stahlvereins in England und Amerika und tätigte bis zum Ausbruch des zweiten Weltkrieges vorteilhafte Geschäfte für das Hitlerregime. Genau vierzehn Jahre nach dem Tag, an dem die erste Konferenz im Bankhaus Stein über die Trennung des Rheinlands vom Reich stattgefunden hatte, am siebenten Januar 1933, führte Kurt von Schroeder in seiner Villa die Versöhnung von Reichskanzler Papen und Hitler, der Reichskanzler werden wollte, herbei. Mit dieser ge- heimen Sitzung begannen die Intrigen, die drei Wochen später zur Ernennung Hitlers zum Kanzler und Popens zum Vizekanzler führten. In Anerkennung der geleisteten Dienste machte Hitler von Schroeder zum Präsidenten der Rheinischen Industrie- und Handelskammern, er wurde Vizepräsident der Deutschen Reichsbahn, die alle deut- schen Eisenbahnen kontrolliert, und Präsident der Deutschen Ver- kehrskreditbank. Er wurde ausserdem Aufsichtsratsmitglied beim Stahlverein und bei den Klöckner- und Flick-Konzernen, welche zu dem halben Dutzend führender Trusts der deutschen Schwerindustrie gehören. Heute fungiert Schroeder in seiner Eigenschaft als Vertreter des Deut- schen Reiches bei der Bank für Internationale Zahlungen in Basel als Unterhändler und Stellvertreter seiner Auftraggeber und führt die Verhandlungen mit dem angelsächsischen Finanzkapital. Der Einfluss des Freiherrn reicht nicht nur durch seine Beziehungen zu T. Henry Schroeder zur City, sondern er unterhält auch enge Ver- bindungen mit gewissen Kreisen der nordamerikanischen Hoch- finanz, denn er ist Direktor der grossen Berliner Werke von Mix und Genest, der Lorenzwerke und auch der Standard Elektrizitätsgesell- schaft in Berlin. Nebenbei gesagt besitzt die Lorenz A. G. ein Ak- tienpaket von anderthalb Millionen Mark von der Fokke-Wulf-Flug- zeugfabrik, Bremen, die diejenigen Apparate herstellte, die zu Be- ginn der alliierten Luftoffensive den amerikanischen Fliegern soviel 5U schaffen machten. Wer zweifelt daran, dass Schroeder nach der Besetzung von Deutsch- land da anfangen wird, wo er 1923 stehen geblieben ist, dass er sich als Fnsund Frankreichs aufspielen wird, um seine Position zu retten. Es darf demgegenüber nicht vergessen werden, dass der Herr Baron von Schroeder zum Range eines S.S.-Generals erhoben wurde, und nicht er allein. Eine ganze Reihe sogenannter Wirt- schaftsführer sind zu hohen Rängen in der S.S. gekommen. Zahl- reiche Sportarten, die bis dato das Privileg der besitzenden Klasse — ii — gewesen waren, wie Fliegen, Füchten, Rennreiten und Motorsport wurden öffentlich in der S.S. gefördert, und in den letzten Jahren gehörte es zum guten Ton, dass die Söhne der Junker, grossen Ge- schäftsleute und Bankiers zur Förderung ihrer Karriere in die S.S. eintraten, was auch gleichzeitig bei der Verbesserung ihrer wirt- schaftlichen Position half. Sie alle nehmen demnach vollverantwortlich an dem blutigen Mas- senmord teil, der heute, im Augenblick, wo die deutsche Niederlage sicher ist, unternommen wird, um die Völker der anderen europäischer! Länder so zu schwächen und zu zerstören, dass eine dem dritten Weltkrieg des deutschen Imperialismus günstige Bevölkerungssitua- tion entsteht. Und unter denen, die diese Verantwortung teilen, ist der Ecron von Schroeder.^ (Free World.) Andre Martin-New York: DER SCHUTZ VOR EINEM NEUEN KRIEG: EIN VEREINIGTES EUROPA Kürzlich fragte mich Herr X.: „Haben uns die Deutschen nicht nach dem Versailler Frieden betrogen? Stellte es sich nicht heraus, dass das Heer der Republik der Kern Hitlers Wehrmacht war. Wie kön- nen wir wieder Vertrauen zu ihnen haben?" „Gewiss", so antwortete iah, „hat die republikanische Armee unter dem Kommando der kaiserlichen Offiziere Hitler den Weg zur Macht gebahnt. Aber einer derjenigen, der ihr Gevatter gestanden hat, war Woodrow Wilson. Am 17. März 1919 fand eine Zusammenkunft zwischen Wilson, Fach und Lloyd George statt, in der Wilson die Versicherung verlangte, dass die von den Bolschewisten drohende Gefahr, der die Deutschen im Osten entgegenzutreten hätten, von den militärischen Sachver- ständigen bei der Festsetzung der Heeresmacht, die Deutschland zu- gestanden würde, berücksichtigt werde. Marschall Föch erwiderte, die Kommission meine, dass die 100.000 Mann, die noch zusätzlich zur Polizei zugestanden würden, völlig für die Aufrechterhaltung der Ordnung im Innern und für die Ver- teidigung der Grenzen ausreichten. Lloyd George fragte, indem er sich Wilsons Standpunkt anschloss, wieviel deutsche Soldaten bei der Unterdrückung der verschiedenen spartakistischen Aufstände in Deutschland, einschliesslich Bayerns, verwandt würden... So wurde das deutsche Heer, der Kern der Hitlerschen Wehrmacht, geschaffen. Und gleichzeitig unterstützten die Alliierten das deut- sche gegenrevolutionäre Koalitionskabinett, weil, gemäss dem Aus- — 12 — druck von W. V. Templerey, dem britischen Historiker der Friedens- konferenz, „eine unabhängige Regierung (d. h., eine Regierung der Unabhängigen Sozialdemokraten) — die einzige Alternative gegen- über dem Koalitionskabinett — die Auflösung der Reichwehr bedeu- tet und ein allgemeines Qnaos im Innern herbeigeführt hätte." Weiter bewilligten die Alliierten, dass Deutschland während einer Uebergangszeit noch grössere Streitmächte einbehalten könnte, um der inneren Unordnung zu begegnen. So wurde den sogenannten Freiheitskorps eine gesetzliche Fundierung gegeben, aus denen die Nazisturmtruppen hervorgingen." ..Ich verstehe Ihren Standpunkt", so sagte Herr X., ,,jedoch bleibt das Problem, wie ein neuer Friedensvertrag eine neue deutsche Of- fensive verhindern kann." „Von dieser Möglichkeit hat uns die Propaganda gesprochen", ant- wortete! ich. „Sie macht aber weder unserem, noch dem russischen, noch dem britischen Aussenministerium Sorge. Was sie besorgt macht, ist die Frage, wie die Mächt der anderen Alliierten im Schach gehalten werden kann, sobald der Sieg errungen ist." Deutschland —- selbst wenn es nicht aufgeteilt und seiner Industrie beraubt wird — wird eins Macht zweiten Ranges werden. Und das nicht allein, weil seine Städte und Fabriken unter den Bombarde- ments gelitten haben, sondern weil die russische Militärmacht und die amerikanische Produktion so riesig angewachsen sind, dass keine europäische Nation mit ihnen als Weltmächten konkurrieren kann. Nur als Alliierter einer der grossen Mächte könnte Deutsch- land in einen neuen Krieg verwickelt werden. Wilson wünschte ein bewaffnetes Deutschland als einen Pufferstaat gegen den Osten, nun wünscht Stalin ihn möglicherweise gegen den Westen. (Das wäre eine Politik, die zum Wettstreit beider Seiten um die Unterstützung durch Deutschland führen würde.)..." „.Dennoch", so warf Herr X. ein, „habe ich meine Zwaifel. Würde nicht ein „milder" Friede zu neuer Aggression ermuntern?/' „Warum müssen wir zwischen einem „milden" und einem „harten" Frieden wählen? • Wenn Sie meinen, dass die „deutsche Gefahr" nicht durch die Nie- derlage Hitlers überwunden sein wird, wäre es dann nicht Ihre Auf- gabe, eine Politik zu fördern, die darauf abzielt, die Ursache der deutschen „Aggression" zu beseitigen? Wenn die Nazis eine der Kriegsurachen waren, so waren Arbeitslosigkeit und Elend in Deutschland die Ursachen des Nazismus. Trotzdem, trachtet die offi- zielle „Friedens"-Politik nicht danach, diese Ursachen zu beseitigen. Die Abtrennung-des landwirtschaftlichen Ostens vom industriellen Westen, die Entindustrialisierung und militärische Besetzung müssen — 13 — zu grösserer Arbeitslosigkeit und Elend führen, als jemals vorher in Deutschland bestanden haben. Das deutsche Problem kann nicht gelöst werden unabhängig von den anderen; es ist -5in europäisches Problem. Die Hebung des Lebens- standards in Europa ist eine unerlässliche Vorbedingung für einen dauernden Frieden. Die kleinen europäischen Länder können inner- halb der engen Zollgrenzen keine billigen Konsumgüter erzeugen. Nur Europa als Ganzes wäre ein hinreichender Markt für eine Pro- duktion nach amerikanischem Muster. Vorwärts, Herr X., studieren Sie das Problem, dann werden Sie ent- decken, dass alle Diskussionen über den Frieden immer wieder zum Ausgangspunkt zurückführen, solange wir fragen: ,,Was soll mit Deutschland geschehen?" Solange in Europa Nationen weiterbe- stehen, die garantieren können und die Bündnisse mit grösseren Mächten suchen müssen, um bestehen zu können, solange wird der Friede bedroht sein. Andererseits würde ein Vereinigtes Europa ein friedliches Bindeglied zwischen dem Westen und dem Osten werden. (The Call.) Harold Laski: KONGRESS DER S. F. I. 0. Niemand, der am Sozialistischen Kongress von Paris, dem ersten seit 1940, teilge- nommen Viat, kann an der Vitalität der Bewegung in Frankreich Zweifel hegen. Es waren nicht nur Delegierte, Männer und Frauen, aus allen Provinzen vertreten, die Partei hat nicht nur in ihrem neuen Generalsekretär Daniel Mayer einen hervor- ragenden Organisator, dessen Weitblick nur von seinem in den Jahren des Wider- standes erprobten Mute übertroffen wird, sondern; darüber hinaus besteht auch ein effektiver Kontakt zwischen den Emigranten und denen im Land — ganz irr, Ge- gensatz zur belgischen Bewegung. Der Einfluss von Leuten wie Vincent Auriol, Andre Philipp, Louis Levy, Grumbach ist deutlich und unbestreitbar vorhanden. Die grosse Tradition der Jaures und Blum — (obwohl in Gefangenschaft, übte Blum vielleicht den stärksten Einfluss auf die Tagung aus) — hat eine effektive und tiefe Erneuerung der Partei bewirkt. Wer sich mit den Delegierten unterhielt, musste fühlen, dass sie ihrem Wollen und ihrer Fähigkeit nach bereit sind, die Macht zu ergreifen. Zunächst sprang in die Augen, dass es sich um einen Kongress der Jugend han- delte. Nach meinem Eindruck war die Hälfte der Delegierten unter vierzig. Und es war ein Kongress, auf dem es herzergreifende Erfahrungen auszutauschen galt. Da war ein Delegierter, der gerade aus den Gefängnissen Petains gekommen war, da ein anderer, dessen Spezialität in der Organisierung der Flucht abgeschossener englischer Flieger bestanden hatte, da ein dritter, der während der ganzen Besat- zungszeit verkleidet auf einem Bauernhof im Süden lebte. Ich habe Männer und Frauen gesprochen, die vier Jahre hindurch nicht wussten, ob sie sich jemals lebend wiedersehen würden. Es war nicht nur ein Kongress. Für die meisten Delegierten war es auch so etwas wie die Geburt zu einem neuen Leben. Die Delegierten schlössen alle Abgeordneten, die der Kollaboration mit den Nazis — 14 — schuldig oder nur verdächtig waren, aus. Immer wieder Wurde gefordert, dass die Verurteilung aufgeschoben werden sollte, immer wieder standen Delegierte auf, die berichteten, dass der Abgeordnete ihres Bezirks den ursprünglich begangenen Verrat durch Hilfeleistungen für die Widerstandsbewegung wiedergutgemacht hätte, der Kongress erkannte keine dieser Erklärungen an. Ich glaube, die Anträge dieser Art erhielten nie mehr als ein Dutzend Stimmen von den 6 oder 700 anwesenden Dele- gierten. Die Diskussionen entstanden meist um die Berichte über die Lage der sozialistischen Bewegung in den einzelnen Departements. Aus ihnen wurde ersichtlich, dass das Porteileben schon in erheblichem Masse seine Beweglichkeit wieder erlangt hatte. Mehr noch ging aus den Diskussionen hervor, dass die illegale Tätigkeit der letzten vier Jahre ein neues und verstärktes Interesse hervorgerufen hatte, die elementaren Grundsätze zu diskutieren. Der Kongress war unerbittlich in einem Punkt: in seiner Feindschaft gegenüber denen, die in den vier bitteren Jahren der Besetzung kolla- borierten. Darüber hinaus war er weitherzig und mitfühlend. Er erklärte sich ein- stimmig für die schnelle Wiederbelebung der Internationale. Und in die Interna- tionale wollte er die wirklichen Sozialisten aus den Feindländern ebenso einschlie- ssen wie die aus den Freundländern. Er erkannte als wahrscheinlich unerlässlich eine lange Periode alliierter Besetzung für Deutschland an. Aber er lehnte alle An- nexionsvorschläge ab und befürwortete eine Föderalisierung Europas, um die Einheit des Kontinents, zu verwirklichen und den in jeder Generation um die Festlegung strategischer Grenzen ausbrechenden Krieg zu verhindern. Es war sehr interessant zu beobachten, wie stark die Delegierten unter dem Eindruck der Nähe eines dritten Weltkrieges standen und wie tief sie die Dringlichkeit fühlten, alle nur möglichen Schutzmittel gegen ihn zu ergreifen. Das Problem der Einheit zwischen Sozialisten und Kommunisten stand immer im Hintergrund der Diskussionen. Ichi glaube, die Meinung der Delegierten richtig zu interpretieren, wenn ich sage, dass sie alle für diese Einheit sind, wenn man sie da- von überzeugen kann, dass das geistige Zentrum der Französischen Kommunisti- schen Partei in den nächsten paar Jahren in Paris und nicht in Moskau liegen wird. Ein Delegierter nach dem andern sagte mir, wie sehr die Arbeiterklasse durch diese phantastische Uneinigkeit geschwächt wird. Aber sie waren auch beunruhigt, nach meiner Ansicht mit Recht, über die Doppelzüngigkeit der kommunistischen Moral. Mit der einen operieren sie, wenn sie unter sich sind, und jene andere, die kaum noch moralisch zu nennen ist, wenden sie an, wenn sie mit Leuten ausserhalb ihrer Partei umgehen . ^ Russland wird von den französischen Sozialisten sehr verehrt. Sie haben mit Recht volles Verständnis für den ungeheuren Beitrag, den Russland zum Siege leistet. Ich neige zu der Ansicht, dass Churchill für sie lebendiger, verehrungswürdiger ist als irgendeiner der Russen. Aber ich bin überzeugt, dass die Wertschätzung Russlands am höchsten steht, ich bin ebenso überzeugt, dass Gross-Britannien ein herzliches Freundschaftsverhältnis zu Frankreich herstellen kann, wenn es eine kluge Politik betreibt. Dazu ist erforderlich, dass Churchill nicht nur erklärt, es sei notwendig dass Frankreich wieder eine Grossmacht werde, sondern dass er auch die erforder- lichen Schritte unternimmt, um seine Erklärung in die Praxis umzusetzen Das bedeutet Hilfe beim Aufbau einer grossen französischen Armee, der französischen Industrie und des französischen Verkehrswesens. Sowohl Washington wie London müssen begreifen, dass ein schwaches Frankreich ein Hindernis fün den Frieden ist Wir, von der Delegation der Britischen Arbeiterpartei, können nur Dankbarkeit für die warme und herzliche Aufnahme empfinden, die wir gefunden haben Wir wur den in jenem Geist wahrer Brüderschaft empfangen, der einen begreiflich macht warum und wie sehr die sozialistische Idee die nationalen Grenzen zu überaueren vermag. Wenn wir der französischen sozialistischen Bewegung wirklich helfen kann sie uns beim Wiederaufbau Europas enorme Dienste leisten. Ich glaube nicht' — 15 — dass es jemals in der französischen Geschichte einen Augenblick gegeben hat, in dem das französische Volk bereiter war als heute, die Revolution von 1789 zu ver- vollständigen. Ich hoffe, wir werden begreifen, dass in dem Masse, in dem wir den Franzosen helfen, ihre Revolution zu Ende zu führen, wir die psychologischen Grund- lagen für unseren eigenen dauernden Sieg legen. (The New Statesman and Nation). Hans Jahn: ES GEHT DICH AN! Was immer wo geschieht, es muss dich interessieren, Es liegt in jedem Wechsel dein Schicksal mitbeschlossen. Die Welt ist viel zu klein, um dich zu isolieren. Du glaubst dich weit Vom Schuss, du bist sehr schnell erschossen, Vion nieman'd recht beachtet, beginnt es seine Bahn, am Schluss kann keiner sagen, wie es einmal begann, — jedoch es ging dich an! Entfernung misst man nicht mehr einfach nach Distaneen, die Tat und ihre Wirkung verketten Antipoden, und jeder kranke Teil ist ein Geschwür am Ganzen. Bebt irgendwo die Brde, wankt auch bei dir der Boden. Was unbekannten Menschen an Willkür angetan, „Das ist bei uns nicht möglich", denkst du in deinem Wahn. — -'Es geht dich sehr viel an! Du bist in jedem Kriege Besiegter oder Sieger, du wirst bei jedem Frieden gewinnen oder leiden, und irgendwo am Don, am Ganges oder Niger kann dein und 'deiner Kinder Zukunft sich entscheiden. Was an Vernichtungsplänen ein tückischer Tyrann, durch Meer und Kontinente von dir getrennt, ersann, — es geht dich an! Als einst auf Scheiterhaufen die ersten Bücher brannten, als dann die Menschen fielen und Synagogen lohten, da riefen die ins Leere, die entsetzt erkannten, dass Brand un'd Mord und Willkür der ganzen Menschheit drohten. Die andern träumten weiter, die Trägheit sass und spann geliebte Illusionen, die teure Zeit verrann, — es ging dich an! '' Des Unheils Saaten kannst du schneiden vo,r dem Reifen, ^ du musst sie nur beizeiten aus Sümpfen wachsen sehen, es gi'lt, die enge Welt als Ganzes zu begreifen, du wirst, den Kopf im Sande, den Stürmen nicht entgehen. Einmal rollt jede Welle an deinen Strand heran, und was sich auch ereignet, es trifft dich irgendwann. — Es geht dich an! — 16 — Victor Gollancz: DOKUMENTE DER HUMANITAET Der Verfasser des folgenden Briefes ist ein Oesterreicher, der vor Kriegsausbruch seine Heimat verliess, zunächst im englischen Pio- nier-Korps diente und jetzt bei einer Panzerdivision an der West- front steht. Er ist mir persönlich sehr gut bekannt und ich weiss, dass er früher immer eine Haltung der unversöhnlichen Feindschaft ge- genüber dem ganzen deutschen Volke eingenommen hat. „.Möge dieser Brief dazu beitrager, dass diejenigen, die eine Wiederer- ziehung der deutschen Jugend für unmöglich halten, ihre Ansicht in dieser höchst bedeutsamen Frage re<- vidieren. Ich will zeigen, dass heute schon deutsche Jugendliche, die hin- ter den Stacheldrähten der Gefange- nenlager zum ersten Male über ihre eigenen Probleme mit ihrem eigenen Kopf nachdenken können, eine ideo- logische Wandlung erleben, dass manche heute schon begreifen, dass in dieser Welt kein Raum ist für Dik- taturen und Unterdrückung und dass sie sich wohl oder übel eine zivili- sierte Weltanschauung aneignen müs- sen. wenn sie ihren Platz unter den Völkern der Welt behaupten wollen. Heute Nachmittag grng ich in die Kaserne zurück, als ich eine Gruppe deutscher Gefangener sah, die eine Baracke bauten. Sie waren sehr jung, nicht gerade Kinder mehr, aber si- cher noch nicht zwanzig. Eine Wa- che war nicht zu sehen. Ich näherte mich vorsichtig zwei Burschen, die Holz sägten, Sie blickten auf, als sie mich sahen. In ihren Gesichtern war weder Arroganz noch Freude zu lesen, eher schienen sie resigniert und mit sich und der Welt zufrieden zu sein. „Woher seid Ihr?" fragte ich sie. Sie waren überrascht, dass jemand sie in ihrer Muttersprache anredete. „Ich bin aus Essen, wenn es das noch gibt", sagte der eine, „und mein Freund da ist aus Dortmund." „Wie lange wart ihr bei den Solda- ten?" „Fünf Monate." „Und vorher?" „Auf der Schule." „Seid Ihr in der H J. gewesen?" Er lächelte. „Natürlich, und wer Ihnen sagt, dass er nicht dabei war, ist ein Schwindler." Er hatte hellblonde Haare und war ein hübscher Bursche. Er war offen- sichtlich gut erzogen und wusste eine ganze Menge über England. „Stimmt es, dass in Köln ein Auf- strmd ausgebrochen ist?" fragte er mich erregt. Die anderen hatten auf- gehört zu arbeiten und stellten sich um uns herum. „Leider nein", sagte ich, „noch nicht.*' Er blickte enttäuscht drein. „Stimmt es, dass Hitler erschossen wurde?" fragte ein anderer interessiert. Und ich musste ihnen alle Neuigkeiten aus den Zeitungen erzählen. Sie wussten, dass sie den Krieg verloren hatten. Er war für sie verloren, als die Luftwaffe sie in Caen und Fa- laise, wq sie gefangengenommen wor- den waren, im Stich gelassen hatte. Wir Swissejn 'es besser. Aber jeh rwollte darüber mit ihnen nicht dis- kutieren. „Was wird werden, wenn der Krieg vorbei ist?", fragte einer besorgt. Was konnte ich ihnen darauf erwi- dern? „Ihr werdet den Schaden wieder gut- zumachen haben, den Ihr angerichtet habt, als Ihr unsere Städte bombar- diertet. Und über Arbeitslosigkeit in Deutschland braucht Ihr Euch keine Sorgen zu machen. Dort wird es ge- nug aufzubauen geben für jeden ,der zwei Hände hat." Sie atmeten er- leichtert auf. Sie schienen Schlim- meres erwartet zu haben. Allmäh- lich wechselten wir zu anderen The- men über und schliesslich kamen wir auf die Greueltaten zu sprechen. Keiner von ihnen war in Russland, Polen, oder an einer anderen Front gewesen. Und doch wussten sie alle von den Gemeinheiten, die im besetz- ten Europa begangen wurden. Sie gaben auch zu, dass sie selbst mit- schuldig waren, weil sie das Unge- heuer hatten gross werden lassen, weil sie moralisch und physisch die Barbareien unterstützten# die Hitler — 17 — und seine Gangster angeordnet Hut- ten. „Jetzt verstehe ich, warum die ganze Welt Ekel vor uns empfindet", sagte der hellblonde Bursche leise, als wenn er mit sich selber spräche. „Zwölf Jahre lang haben sie uns vor- geredet. alles Elend der Welt käme von den Juden, den Marxisten, den Plutokraten, jeder, jeder habe Schuld nur wir nicht. Wie ist es möglich, dass wir nicht früher begriffen ha- ben, dass hier etwas nicht stimmt?" Er schüttelte den Kopf und hob die Säge auf. Dann drehte er sich wie- der zu mir um und sagte: „Wir haben den Krieg verloren, weil wir gierig und blind waren. Viel- leicht werden wir nie begreifen, wie schön glles vor Hitler war. Aber wenn Sie nach Deutschland kommen, sagen Sie dort, dass Sie uns gesehen haben und dass wir glücklich sind, weil wir beginnen, die Wahrheit zu erkennen." Ein Wachtposten kam näher. Es war Zeit zu gehen. Ich sagte: „Ich kann Euch nicht die Hand ge- ben. Wir sind noch Feinde. Aber wenn dieser Krieg zu Ende ist und ich einen Deutschen treffe, hoffe ich, es wird einer sein wie Sie." Wir lernen nie aus, solange wir le- ben, i Der Verfasser der folgenden Briefe ist ein österreichisch-jüdischer Sozialist der z. Zt. als Soldat des Britischen Pionierkorps in einem Lazarett Lienst tut, in dem verwundete deutsche Soldaten behandelt werden. Der Verfasser war neun Monate in den Konzentrationslagern von Da- chau und Buchenwald gefangen. Ehr wurde dort einmal an den Hand- gelenken an einem Baume aufgehängt. Ein anderes Mal wäre er bei- nahe an Wundbrand gestorben, da es zu seiner Zeit für Juden keiner- lei ärztliche Behandlung im KZ gab. Der Briefschreiber hat Anlass zu befürchten, dass seine alte Mutter vor zwei Jahren nach Polen de- portiert wurde. IM LAZARETT Diesen Brief schreibe ich in der Ein- samkeit eines Lazaretts, in dem ich gestrandete Angehörige des Herren- volkes bewache. Ich bin ,in einer so merkwürdigen Situation, dass ich kaum beschreiben kann, was ich füh- le. Alleinsein ist vielleicht das ein- zig passende Wort. Da liegen die, die ausgeschickt wurdeni, die Welt zu erobern; sie und ihresgleichen haben mir und den Meinen Unsägliches an- getan. Man erwartet, dass ich sie hasse mit aller Kraft meines Her- zens, und nach allen Regeln mensch- lichen Anstands hätte ich ein Recht dazu. Aber ich kann nicht hassen. Oder liegt es daran, dass der Hass nngesitehts des Leidens schweigt? po Kpmmt esi, dass mein Wacht- dienst sich in Krankendienst verwan- delt. Wenn einen, der viel Blut ver- loren hat, in seinen Fieb erträumen unzusammenhängende Dinge stam- melt. rede ich ihm nut zu, damit er wieder einschläft. Zuweilen fassen sie nach meiner Hand, wenn ich ih- nen geholfen habe. Dann fühle ich mich sehr einsam. Ein paar Zeilen nur noch. Mitter- nacht ist schon vorbei. Mein Dienst ist zu Ende, nachdem mir der Dicke soviel Arbeit machte. Er ist operiert worden und man hat ihm eine Blut- transfusion gegeben. Ich war der Einzige, mit dem er sprechen konnte. Er gehorchte mir sofort und sagte: ,,Jawohl, Herr Doktor." Einmal sagte er zu mir: „Sie sind so ein fei- nrir Mensch" und ein andermal: „Sie sind zu mir wie ein Vater." Was soll man da tun? Ich vermag nur einen Schluss zu ziehen, dass ich ein schrecklich schlechter Soldat bin, und irgendwie bin ich froh darüber. Der Mann, von dem ich schrieb, ist gestorben. Die Aerzte haben um ihn qekämpft, als wenn er eine Berühmt- heit wäre. Ich kann nur wiederho- len, dass meine Achtung vor den Aerzten erheblich gestiegen ist. WIDER DEN HASS Ich habe sicher nichts Besonderes ge- tan. damals auf Wache. Die Gedan- ken und Gefühle, die ich hatte, wären jedem Menschen gekommen*. der selbst hat leiden müssen und der sein Herz fremdem Leid nicht ver- schlossen hat. Wenn die Menschen — IS — ihr Herz sprechen liessen, wäre alles gut. Aber heute fürchten sie sich, den ungeschriebenen Kodex des Has- ses zu verletzen, und sie singen ihre Hassgesänge so lange, bis es keinen anderen Weg gibt als den der Grau- samkeit. Keiner von meinen Angehö- rigen, der in yien Gaskammern er- mordet wurde, würde dem Leben zu- rückgewonnen, wenn ich grausam gewesen wäre. Aber meine Grausam- keit gegenüber einem hilflosen Nazi hätte so schwer gewogen, wie ihrer f-ller Verbrechen zusammengenommen. Es ist schrecklich schwer, den Kopf klar zu behalten in diesen Sturzfluten des Hasses, die zwar verständlich sind), die aber doch eine tödliche Ge- fahr darstellen, nicht nur für den künftigen Frieden ,sondern auch für die Lösung aller sozialen Probleme, die nichts mit dem deutschen zu tun haben. Der Hass absorbiert den En- thusiasmus und Idealismus der Men- schen allzu leicht und lenkt ihn in fal- sche Bahnen. Er macht sie glauben, dass alles in Ordnung ist, wenn der .Kaiser rehenkt" wurde. Ich glaube, ich verurteile die Nazis so sehr, wie nur irgendeiner von den lauten Schreiern,und man kann mich schwer- lich zweifelhafter Motive beschuldi- oen. Ich bin nur einfach gegen die Verallgemeinerungen, besonders in den ent.echeidrnden Augenblicken und be- sonders gegen jene, die die Verant- wortlichkeit ablenken und die wirk- liche Ursache in Rauchschleier hüllen. NAZI-GEFANGENE Nach meiner Erfahrung gibt es ausser der SS wenig Fanatiker. Ein hoher Prozentsatz betont seine Unschuld und sogar seine Feindschaft zum Naziregi- me Die meisten sind verschüchtert, da man ihnen schreckliche Dinge über das erzählt, was ihrer in der Gefan- genschaft wartet. Ihre Beteuerungen sind natürlich mit Vorsicht aufzuneh- men. denn schon mancher zynische Mörder hat seinem Zynismus abge- schworen, wenn er zu seinen Taten stehen sollte. .Auffallend ist ihre ab- solute Unwissenheit über das, was in ihrem Namen angerichtet wurde — oder geben sie nur vor, unwissend zu sein? Statt dessen meinen sie, man habe ihrem Volke Unrecht getan. Sie tadeln die Alliierten besonders wegen des ,,totalen" Luftkrieaes, über den sie wahre Greuelgeschichten erzählen. Wenn man ihnen von den unaus- sprechlichen Greueltaten der Deut- lichen erzählt, beschuldigen sie die SS und entschuldigen ihre eigene Schwä- chs mit der Angst vor der Erschlie- ssung, die ihnen drohte, wenn sie die Befehle nicht ausführten. Viele von ihnen kennen nicht einmal die ein- fachsten Regeln des Anstandes, sie sind nicht im Stande, anständig um etwas zu bitten oder für etwas zu danken — ein armseliger Haufen von moralischen Schwächlingen und Igno- ranten mit schlechter Kinderstube. Ich konnte nicht anders, als einige von ihnen zu fragen, ob sie dem» nicht gelernt hätten, bitte und danke zu sa- gen. Ich fragte sie auch, wie sie zwai Mut genug fanden, so tapfer für ein Recjime zu kämpfen, das sie zu has- sen vorgaben, aber zu feige waren, gegen das von ihnen als solches er- kr-nnte Unheil aufzustehen. Ich sagte ihnen, sie könnten von der morali.- rchen Verantwortung kaum freige- sprochen werden, weil ihre Passivität, r-urh wenn sie erzwungen wurde, fast gleichzusetzen ist mit aktiver Mit- hilfe. Ich komme wieder mit Kriegsgefange- nen zusammen und im Dienst ist es unvermeidlich^ dass ich ihren Erzäh- lungen zuhöre und ihnen auch gele- gentlich Fragen stelle. Mein Dienst ist für mich sehr angenehm. Ich su- che ein sozialpolitisches und massen- psychologisches Rätsel zu lösen. Das erste und wichtigste heisst: Kann ein grosses Volk im Herzen Europas ab- solut andersartig als andere Völker sein und kann es so tief unter ihr durchschnittliches Anständigkeitsni- veau sinken, wie die Geschichte der letzten Jahre zu zeigen scheint? Ich habe noch keine Lösung gefunden. Alle Schlüsse, die ich aus meinen Da- ten ziehen will, müssen falsch sein. Ich kann jedoch sagen, dass zwei Cha- rakterzüge sich auffällig oft wieder- holen: Unwissenheit und Angst. (Da- bei fällt mir ein. dass beide Wesens- züge auch im mittelalterlichen Men- schen stark ausgeprägt waren. Sie finden sich überhaupt immer zusam- men und sind sichere Anzeichen für Rückschritt und Reaktion.) Sie wis- s6n nichts von dem*, was in- und ausserhalb Deutschlands, politisch, so- zial, geistig, militärisch vorgegangen ist und vorgeht, und sie ahnen natur- lich nicht einmal die den Ereignissen- 18 — zugrundeliegenden Phänomene. Die- jenigen, die zugeben, dass sie fühlten, ^iass Unrecht getan wurde, wollen sich damit entschuldigen, dass sie als In- dividuen gegenüber der übermächti- gen und brutalen Macht des Nazismus wehrlos gewesen seien. Die Macht der Solidarität und ihre grossen Errun- genschaften im sechzigjährigen Kampf der deutschen Arbeiterklasse sind ih- nen natürlich unbekannt. In ihnen allen ist auch ein Stückchen irregelei- teten Idealismus, ein sehr kleines nur, fast erstickt unter der dicken Kruste ihres krassen Materialismus, der sich in ihrer Lebensraumtheorie manife- stiert, (die doch nichts anderes ist als Strassenraub mit modernen Maschi- nen und ohne die Ritterlichkeit der Raubritter.) Hätte die Linke begriffen, dass die Butterbrotpolitik auf die Dauer die Jugend unbefriedigt lässt und dass nur eine kühne, phantasievolle Poli- tik mit grossen humanitären Ziele ihre Begeisterung zu entfachen vermag, ich glaube, Deutschland und der gan- zen Welt wäre der Schrecken der letz- ten elf Jahre Mord und Plünderung erspart geblieben. Leider hatte die Linke nichts zu geben als Intriguen der Parteiapparate, den kalten Glanz der tiefgründigen Diskussionen zwi- schen Professoren der Nationalökono- mie und unehrliche Lösungen der Ge- werkschaftssekretäre. So kam es, dass die Jugend sich nicht nur um des Butterbrots, sondern auch um der Ideale willen den Mördern zuwandte. Man gab ihnen dcirt weder das eine noch das andere. Man gab ihnen Blut und Eisen und Schande, man machte sie zum Auswurf der Menschheit, so- weit in ihren Mörderidealen nicht im- mer nacktes brutales Interesse ver- borgen w^r. Und doch ist in den Burschen ein Schimmer von Gewissen übrig geblieben. Die Frage, ob sie als Christenmenschen in ihres Nach- barn Haus einbrechen, ihn, seine Frau und Kinder ermorden würden, nur weil sie ihr eigenes Haus für zu klein halten .ruft immer verlegenes Still- schweigen als einzige Antwort hervor. Ein Feldwebel, ein intelligenter, ge- bildeter Mann, demgegenüber ich ein- mal das Bibelwort gebrauchte: ,,Wer das Schwert nimmt...", setzte den Satz fort: soll durch das Schwert umkommen." Das muss ihnen immer wieder eingehämmert werden, glaube ich. Und die Linke müsste in Zukunft mehr tun, als Anträge auf Lohnerhö- hungen beschliessen. Es ist ganz sicher auch unsere Schuld, wenn die Dinge so schief gegangen sind. Wie schlau und raffiniert auch immer die Methoden derer auf der an- deren Seite sein mögen, wir können sie schlagen durch unermüdliche Ap- pelle an Anstandsgefühl und Idealis- mus, Dinge, von denen wir unerschöpf- liche Reserven haben müssten. An- fangs sagte ich, dass ich keine Lö- sung sähe. Ich habe trotzdem ver- sucht, in ganz allgemeinen Linien eine herauszuarbeiten, die allerdings nicht durch Erfahrung untermauert ist. Und im Uebrigen ist mein Glaube wieder einmal mit mir durchgegangen. (Lest News, London.) DES GLITECKS GENIESSER. Ist das ein Spiel mit Worten: Man hört jetzt aller Orten: „Guten Tag" und ,.Guten Morgen." Wer hat denn diese Sorg-en? Es sind des Glücks Geniesser, Die lieben alten Spiesser. Die früher laut ,,HeiI Hitler brüllten, Dieweil sie sich die Taschen füllten, Wenn wir nicht täglich siegen, Sie gleich die Maulsperre kriegen. ,,Heil Hitler" will nicht mehr heriufr. Es wird nur ,,Guten Morgen" draus. Sa wollen diese Armen, Sich durch den Gruss jetzt tarnen. Wobei sie ganz vergessen, Sie werden mitgefressen. Geht Deutschland vor die Hunde, Dann, schlägt auch ihre Sfcupde. Nur wenn wir all zum Führer halten, Wird sich daraus der Sieg gestalten. Drum soll der Gruss bei gross uad klein Auc.h laut und klar „Heil-Hitler!" sein. Gedicht eines Soldaten. Nalio, nalzeitung. Essen, 1. 10. 44. WERBT FUER DAS ANDERE DEUTSCHLAND — 20 — EINGEGANGENE BUECNER P. Walte- Jacob, Zeitklän^e. Dirigen- tenprofile und Komponistenporträts. Mit 23 Illustrationen. Editorial Cos- mopolita. Buenos Aires 1945. Preis broschiert 3,50 $, gebunden 5.50 $. Dass der Verfasser nicht nur selbst Musiker und Musikhistoriker von um. lassendem Wissen und tiefem Ver- ständnis, sondern — eine ganz selte- ne Verbindung! — zugleich Soziologe ist, der den Künstler aus seiner Zext heraus begreift und darstellt, gibt die- sen Musikporträts ihren besonderen Chai akter und ihren besonderen Wert. Im Vorwert heisst es: ,vAlle diese Arbeiten beschäftigen sict.i mit Musik und Musikern, aoer sie behandeln die- Kunst der Töne nicht als ein abseitiges Reich ästhe- tischer Erlebnisse, sondern als eine lebendige, im Gesellschaftsieben ihier Zeit wirkende Kraft. Die Wechsel- wirkung zwischen Musik und der sie •umgebenden Epoche, zwischen Klang und Zeit war das Motiv all dieser kleineren und grösseren Arbeiten." So wird dieses Buch auch ein politi- sches Buch, wie jedes gute Buch es sein sollte, und darf das Interesse •weiteter Kreise beanspruchen. Von speziellem aktuellen Ihteresse ist, was J. über das Verhalten heute noch lebender Musiker in der grossen Er- probung unserer Zeit" zu berichten weiss, ein Verhalten, das immer Aus- fluss und Ausdruck ihrer Gesamtper- sönlichkeit ist. liaiiKcnncheidts Taschenwörterbuch, Englisch-Deutsch und Deutsch Eng- lisch, Dover Publications, New York. Der bewährte Langenscheidt erscheint in einem Nev/yorker Verlage, in einer Reproduktion, die auf fotografischem Wege hergestellt wurde und die tech- nisch einwandfrei ist. Zur Reproduk- tion wurde die deutsche Ausgabe von 1939 verwendet, die nicht nur eine grosse Zahl technischer Modernismen, sondern auch zahlreiche neu-deutsche Ausdrücke enthält wie. alter Kämp- fer, Winterhilfswerk, Bund deutscher Mädchen, Volksgerichtshof und Stell- vertreter des Führers. ' Kurt Juhn: Der Hexenhammer (mit 8 Original-I/ithagraphien von Erich. Godal), Verlag Friedrich Krause, New York. Auf zweiunddreissig knapp und span- nend geschriebenen Seiten entwirft Kurt Juhn ein Bild aus der Sitten- und Kulturgeschichte der Inquisition, in das wir uns mit Fleiss und In- brunst vertiefen. Nicht nur, weil es eine unterhaltsame Geschichte mehr in deutscher Sprache ist — und neue deutsehe Bücher sind heutzutage rar —, sondern vor allem auch des- halb, weil diese mittelalterliche Hi- storie von 'der Folterung des Medicu» Johann Weyer symbolhaft so viele Elemente in sich verdichtet enthält, die die Wunschträume der Emigran- ten aller Schattierungen beleben. Man denke: der Medicus wird im letzten Augenblick auf wundersame Weise gerettet und e-s ist ihm die Genug- tuung beschieden, Augenzeuge zu sein, wie seinen Peinigern Gleiches mit G-leichem vergolten wird. Schliess- lich wird er zum Leibmedicus de» Herzogs ernannt. NOCHMALS ZUM ENGLISCHEN GEWERKSCHAFTSKONGRESS Bereits in Nr. 89 wiesen wir kurz dar- > auf hin, dass — entgegen des durch einseitige Berichterstattung erweck- ten Eindrucks — der Kongress der. britischen Geweikschasten sich zwar für die Haftpflicht des ganzen deut- schen Volkes, nicht aber für die Schuld aller Deutschen erklärt hat. Die nun vorliegende OktoberlNovem. ber-Nummer der von der Gewe:k- schaftsinternationale herausgegebe- nen Trade Union World" gibt ge- naueren Aufschluss über die Zusam- menhänge. Bereits in seiner Einleitungsrede er- klärte der, Kongresspräsident, dass — 21 — die Schwäche1 der Gewerkschaftsbe- wegung in einem Lande ihre nach- teiligen Rückwirkungen auf die Ar- beiter in anae.en Ländern haben müsse. (Schon aus diesem Grunde müssten die englischen Gewerkschaf- ten daran mithelfen, dass in Deutsch- land wie in jedem anderen Lande die Arbeiterbewegung auf freien und de- mokratischen Grundlagen aufgebaut werde. Eine erregte Debatte entstand, als de. gemeinsame Bericht des englisch- russischen Gewerkschaf tskommittees vcrpelegt wurde. Während die russi- sche-! Gewerkschaften vor einer zu milden Behandlung des deutschen Volkes warnen und verlangen, dass der Aufbau der ze. störten Gebiete mit Hilfe deutscher Zwangsarbeiter durchgeführt werden solle, haben die britischen Delegierten sich in dieser j_-£ziehung nicht festlegen wellen. Auf eden Fall bestehen sie auf der Er- füllung dreier Bedingungen, falls wirklich deutsche Zwangsarbeit her- angezogen werben sollte: Die Ver- teilung dieser lA.beit auf die verschie- denen aufzubauenden Länder solle durch eine interalliierte Kommission bestimmt werden. Es sollen Arbeits- bedingungen festgelegt werden, die eine Ausartung in Sklavenarbeit ver- hindern. Und schliesslich solle die Zwangsarbeit befristet werden. In der endgültigen Resolution heisst AUS DER DEUTSCHEN ES GAERT IN DEUTSCHLAND De*;ertenre. In der Züricher „Tat" be- richtet ein aus Deutschland zurück- gekehrter schweizer Arbeiter: ,,Als ich eines Tages in den Hauptbahnhof kam, lief gerade ein langer Militär, transportzug ein. In der Mitte be- fanden sich 2 Viehwagen, die mit star- ken Eisenstäben vergittert waren. Darin waren etwa 50—60 deutsche Soldaten eingesperrt, die uns zurie- fen, wir sollten ihnen doch um Him- mels Willen etwas Wasser zu trinken geben, sie hätten schon lange Zeit nichts mehr bekommen. Das wurde jedoch durch die dabeistehenden Wachtposten barsch abgewiesen, die uns auf ein grosses am Wagen befe- stigtes Schild aufmerksam machten. Auf dem Schild stand folgendes: „Ach- es dann, dass das deutsche Volk zwar nicht, „von aller Verantwortung an den während des Krieges begangenen Verbrechen freigesprochen werden kann." Es dürfe deshalb auch nicht giauoen, dass es vermeiden könne, „die Last der Wiedergutmachung und aer Erneuerung des Lebens in den (Ländern, die verheert und geplündert ■wurden, auf sich zu nehmen". Den- nccn tritt der Kongress nicht für einen Rachefrieden „noch für irgend- eine Regelung ein, die den Hass und nie Gegnerschaft verewigen, die die Welt zerrissen haben. Es muss Ge- rechtigkeit geübt werden, nicht im Geist der Rache, sondern im festen Willen, solche politischen und wirt- schaftlichen Bedingungen und Rege- lungen festzulegen, wie sie eine star- ke Grundlage für den künftigen Frie- den der Nationen schaffen und die weitestgehenden Garantien dafür bieten werden, dass Ordnung und Recht in der ganzen Welt aufrecht- erhalten werden." Als eine der Auf- gaben wird deshalb dem Generalrat der britischen Gewerkschaften aufge- tragen, mitzuarbeiten daran, dass be- züglich Deutschlands Zukunft Bedin- gungen festgelegt werden, „die mit- helfen, am Aufbau einer wahlhaft demokratischen Gewerkschaftsbewe- gung und bei der Gründung und Stär- kung wirklich freier staatsbürgerli- cher Institutionen." OPPOSITION tung! Diese Leute sind Deserteure und Fahnenflüchtige. Bs ist streng verboten, mit denselben zu sprechen oder ihnen Essen und Trinken zu ver- abreichen. Die Posten sind angewie- sen, dies mit allen ihnen zur Verfü- gung stehenden Mitteln zu verhindern. Sie sind berechtigt, im Notfalle von der Waffe Gebrauch zu machen. Ober- kommando Wehirma cht'." Im Trans- port befand sich zufällig ein guter Bekannter von mir, den ich fragte, was es mit diesen Leuten für eine Bewandtnis habe. Er erzählte mir kurz diese Geschichte: Ein Teil der Leute hatte vor einem bevorstehenden Angriff der Russen beschlossen, über- auflaufen. Sie führten diesen Ent- schluss auch aus, wurden aber un_ — 22 — glücklicherweise von einem zurücke, henden Stosstrupp der Waffen-SS ge- fasst und zurückgebracht. Der ande- re Teil der Leute hatte eine der ,, plan massigen Absetzbewegungen" dadurch beschleunigt, dass sie ihre Flakgeschütze ganz einfach vom Mo- torwagen abhängten und in höchster Elle das Weite suchten. Die prote. stierenlden Offiziere wurden sofort vom Wagen h e r u n t er geworfen. Die vordringenden Russen konnten von •einer einspringenden SS-Abteilung aufgehalten werden. Die Flüchtigen wurden eingegangen und wegen Fah- nenflucht, Gefährdung der Front und Befehlsverweigerung im Felde vor ein Kriegsgericht gestellt. In SUddeutscMand. Die .jSchaffhause- ner Arbeiterzeitung" erhält folgenden Bericht: „Im Lichthof des Stuttgarter Gerichtsgebäudes, Urbanstr. 18a, spie- len sich seit 10 Jahren fürchterliche Dinge ab. Dort finden wöchentlich zweimal Massenabschlachtungen statt. Bin ehemalige,? Insasse des Gerichts, gefängnisses, das im Gerichtsgeb&ude untergebracht ist, war in der Zielt vom 9, 9. 43 bis Ende November 43 Zeuge von nicht weniger als 256 Ent- hauptungen. Die erste derartige Mas- senexekution von 35 Menschen fand am 9. 9. statt. Unter den Hingerich- teten befanden sich 11 Wehrmachts- angehörige, 23 Zivilisten und eine Frau. In den folgenden Tagen und Wochen wurden jeweils 17—25 To'd«s_ Kandidaten zur Guillotine geschleppt. Ausser drei tschechischen Offizieren und zwei tschechischen Professoren befanden sich keine Ausländer unter den Todesgeweihten. Wenn 1943 in weniger als 3 Monaten in Stuttgart 256 Hinrichtungen vollzogen worden sind, wie gross wird dann die Zahl der Opfer des braunen Terrors im Zeichen der nahenden Katastrophe sein? Es ist übrigens so, dass sich in dem erwähnten Gefängnis ständig 50—70 zum Tode Verurteilte befinden. Dabei weiss keiner, wann er zum letz- ten Gang abberufen wird. Jeder Ge- fängnisinsasse ist aber darüber unter- richtet, an welchem Tag der Scharf, richteir mit seinen 2 Henkersknechten auf dem Platz erscheint. In den Zel- len der Todeskandidaten spielen sich in jenen Stunden erschütternde Sze- nen ab. Die einen weinen und beten, andere rufen in ihrer Verzweiflug nach Mutter, Frau und Kindern. Wie- der andere 'beteuern stundenlang, dass sie unschuldig sind. Abscheu- lich ist die Art, wie die Verurteilten auf den Richtplatz geführt werden. Jeder, mit Ausnahme des 'ersten Hin. gerichteten, muss mitansehen, wie der enthauptete Körper seine» Vor- gängers in eine in der Nähe stehende Kiste geworfen wird. Auch im Gefängnis in Freiburg im Breisgau werden jede Woche eine An- zahl Hinrichtungen vollzogen. Wäh- rend sich die Todeskandidaten in Stuttgart hauptsächlich aus Zivilper- sonen rekrutieren, sind es in Freiburg fast ausschliesslich Angehörige der Wehrmacht. Die Hinrichtungsart ist unterschiedlich. In Stuttgart wird den zum Tode Verurteilten auf der Guillotine der Kopf abgeschlagen. In Freiburg werden sie durch Genick, schuss erledigt." Jean Wittenben? hat in Brüssel wäh- rend der Besetzung den illegalen ,,Peuple" — das Blatt der Belgischen Arbeiter-Partei — verbreitet. Er wurde gefasst und von der Gestapo verhaftet. Als er von den alliierten Truppen befreit worden war, veröf- fentlichte der „Peuple" ein Interview mit Wittenberg. Darin heisst es: ,,Wurden Sie gefoltert?" >,Ja, aber zunächst möchte ich dem An- denken an einen deutschen Soldaten meine Dankesschuld abtragen, der mir geholfen hat, wo er Immer konnte, als er erfahren hatte, dass ich Sozialist bin. Ihm allein verdanke ich, dass ich überhaupt etwas zu essen bekam. Ebenso half er auch allen anderen politischen Gefangenen. Damals ahn. te ich, wie sehr die deutschen Solda- ten die Gestapo hassen müssen... Die Gestapo-Leute hatten mir erklärt, ich würde keinen Bissen Nahrung be- kommen, wenn ich nicht erzählte, was ich wüsste. Nun, ich habe nichts er- zählt." In einem Kommunique vom griechi. sehen Kriegsschauplatz teilte General Scohie mit, dass unter den BLAS auch ■deutsche Soldaten kämpfen. Er ver- gas«. zu erwähnen, dass es sich um antifaschistische Soldaten handelt, die aus den Hitlerheeren desertiert sind und die überall jn Europa an der Sei- * — te der Widerstandsbewegungen ge- kämpft haben. Schon Uli Herbet vorigen Jahres un- ternahm die Essener „National Zei_ tung" eine Kampagne gegen Urlau- ber, die von der Westfront fürchterli- che Dinge erzählten. „Glaubt ihnen nicht!" flehte die National Zeitung in unendlich vielen Variationen. Und am 13. September schrieb sie: ,,Ftir diese Sorte haben die Frontsoldaten den Namen ,.Etappen-Prahler" geprägt. Wir müssen sie von den anständigen Soldaten unterscheiden. Es ist kein Geheimnis mehr, dass jetzt überall Kerle auftauchen, 'die von ihren Kom- pagnien desertiert sind und versuchen, ins Hinterland zu entkommen. Sie erzählen Dinge, die sie überhaupt nicht wissen können, plaudern verrä. terischer Weise militärische Geheinm- Jiiss© aus und spielen sich als Autori- täten auf, die ganz genau wissen, dass •unsere Lage an den Fronten hoff- nungslos ist." In andere» westdeutschen Bl&ttera finden sich mehr und mehr Artikel, in denen z. B. geschrieben wirft: „Wir müssen auf der Hut sein vor Leuten, die die Feinde bewundern oder sie Oesterreich ische Freiheitsfront fand kürzlich auch in bestimmten bürgerlichen Kreisen Sympathsieren- de. . ., vor allem in solchen, die einst die Vc: kämpf er des Nationalsozialis- mus in Oesterreich waren und die eine unwiderstehliche Schwäche für einfache Argumente haben". In ka- tholischen Kreisen seien zwei Tenden- zen festzustellen: die konservativen Eki.i7.ente, die sich zu den politischen Zielen der Vaterländischen Front ae_ WIEN UND DER LUFTKRIEG kennen, und die demokratischen Gruppen. In beiden Gruppen seien monarchistische Ideen anzut.effen; nach der Verfolgung der Habiburg- Anhänger werden Kandidaten aus dem e-emaligen bayrischen Königs- haus und selbst aus den _ britischen und skandinavischen Königsfamilien erwähnt. Die Massen des Kleinbür- gertums hätten zwar das Vertrauen zu Hitler verloren, aber sie seien stark von Goebbels' antibölschewistischer Propaganda beeinflusst, sie flüchten gern in die Vergangenheit und träu- men von den Tagen des „alten gol- denen Wien". Ein österreichischer Sozialist, der in einem neutralen Lande wohnt, hatte Gelegenheit, mit einem österreichi- schen Arbeitervert: auenmiann zu sprechen, der sich vorübergehend dort aufhielt. Darüber berichtet Austmn Labor Information: Der Gewähcs- mann sagte, dass in Wien und in den grossen Städten eine gewisse Annä- herung zwischen Arbeitern und oppo- sitionellen Gruppen des Bürgertums, vor allem der Mittelschichten, fest- zustellen sei. Der Terror der Nazi, die Willkür der Behörden, die Kriegs, entbehrungen bringen sie einander näher. Man kann jetzt in bürgerlL c'hen Kreisen sehr oft hö en, dass es in der „roten" Zeit, womit die Zeit vor 1933 gemeint ist, doch viel besser war, und man spricht auch immer wieder vergleichsweise von den Lei- stungen der roten Gemeinde... An- ders sind die Verhältnisse auf dem Lande und in den kleinen P- ovinz- städten. Dort sind die Gegensätze zwischen Sozialdemokraten und Ka- tholiken noch, scharf ausgeprägt, denn jeder Arbeiter hat noch deut- lich vor Augen, wie der andere ein- mal in der Faschistenuniform herum- stolziert ist. Nach Berichten de: Nazi-Presse haben die Innere Stadt, Ottakring und Flo- ridsdorf, am meisten unter den Luft- angriffen gelitten. Von bekannten Gebäuden, die vernichtet oder schwer beschädigt wurden, nennen die ver- schiedenen Berichte das Palais Met- ternich auf dem Ballhausplatz, das Starhembe* g-Falais, mehrere histori- sche Gebäude auf der Freiung und Am Hof, darunter das Alte Zeughaus, das die Wiener im 4Öer Jahr erstürmt haben, weshalb Franz Josef das Ar- senal in Favoriten als Festung auf. — 28 — führen liess; das Lichten,stein Palais, De* Wu-stelprater ist niedergebrannt, einschliesslich vieler Restaurants und der Scenic Eailway (— Sehnix Kra_ waeuLBahn); man vermutet Brand- legung durtli Saboteure. Weiter stehen noca auf der Verlustliste der Schottenhof, das Dreimäde.lhaus auf AUS DER BEWEGUNG In Tel-Aviv wurde die „Informations- und Propagandastelle für den Mittel- Osten" des Austrian Representative Committee in London, dem die öster- reichischen Sozialisten angeschlossen sind, errichtet. Dem. Komitee gehö- ren die Genossen Max Klein, ehema- liger Bundesrat, und Major R. Loew vom Schutzbund an. Das Exekutivkomitee der Oesterrei- cnischen Vereinigung in Schweden hat einstimig den Anschluss an das kommunistische Free Austrian Move- ment in London abgelehnt. Der Be- schluss ist umso bemerkenswerter, als das Stockholmer Komitee sich aus allen österreichischen demokratischen Parteien zusammensetzt: vier Kom- munisten, d ei Katholiken und De- mokraten, fünf Sozialisten und Ge- werkschaftsvertretern. Bei dieser Gelegenheit: Meine weni- gen, aber nachsichtigen Leser werden sich vielleicht noch erinnern, dass ich einmal genötigt war, meine po- litische Position gegen Herin F. C. West, den Vorsitzenden des Free Austrian Movement, zu verteidigen. Wie habe ich ihn damals um seinen rn^önei arischen Namen und die bei- den mit einer noblen Geste auf die Initialen verkürzten Vornamen be- neidet! Inzwi:chen hat sich heraus- gestellt, dass Herr West dem agra- rischen Flügel der österreichischen kommunistischen Emigration ange- hört: er heisst Weintraub. Und noch dazu ohne F. C.! Mir hat schon im- mer dunkles geschwant. Eine Anglo-öster-eichische Demokra- tische Gesellschaft hat das Austrian Repräsentativ Ccmmittee in London gemeinsam mit britisenen Freunden der Bastei, das Palais Harrach, der Heiligenkreuzerhof. Früher schon wurden die Oper, das Burgtheater und das Rothschild-Palais als ausge- bombt gemeldet. — Jedem Wiener glänzt das Auge, pocht das Heiz, die Wange glüht. . . ins Leben gerufen. Die Gründungs. Versammlung fand am 5. Oktober des Vorjahres statt. Es sprachen Mr. T. L. Horabin, Labour Parlamentsmit- glied, Professor Friedrich Hertz, Mr. George R. Strauss, M. P., Labour- Party. Aus der Liste der englischen Mitglieder de: Leitung heben wir noch hervor: Sir Richard Acland, M. P., den Führer der Common- wealth Party; Lord Aoimon; Vernon Bartlett, den bekannten Journalisten und unabhängigen Parlamentarier; Miss Phyllis Bottome, Autorin be- rühmter Zeitromane; Aneurin Bevan, Führer der Opposition im Unterhaus; Prof. Harold Laski; Lord Faringdon, Lord und Lady Marley; die Labour- Abgeordneten Oreech-Jones, David Grenfell, James Griffiths, Reb. Re- ginald Sorensen; Lord Strabolgi, Sir Charles Trevelyan, den berühmten Historiker, u. v. m. Zum 12. Novem- ber veranstaltete die Gesellschaft eine VersaiT.mlun» mit Sir Stafford Gripps und Ellen Wilkinson, Vorsitzenden der Läbour^Party, Dr. Oscar Pollak 'Oesterr. Sozialist), Dr. F anz Schnei- der (Oesterr. Katholik) und Richard Flatter (Oesterr. Demokrat) als Redner. Unsere Londoner Freunde erhielten einen Bericht der österr. Untergrund- bewegung, demzufolge Bürgermeister Karl Seitz von der Gestapo aus Wien deocrtie't wurde. Das grosse An- sehen. das er in der Wiener Bevöl- kerung ah das unbeugsame Symbol einer stolzen Vergangenheit genoss und dss --ich immer wieder in der Oeffenfl'cfiTteit bekundete, wo imm|r r erschien, war für die Nazis uner- träglich. Berücksichtigt unsere Inserenten — 29 — ABWEHR In Buenos Aires zirkuliert zur Zeit ein kommunistisches pampalet ge- gen die Ge_terreich-ischen Sozialisten, i-vls Autor ist Frau Maria Köstler be- zeichnet, die einst als sozialdemok.a. tis^nv Abgeordnete dem ösierreichi. i-cnen Nationalrat angehört hat, vor dem Ausbruca des Aufstanaes im -f eoruar it#o4 aus Oesterreich ins Aus- land gefahren ist und sich damit aussernalb der sozialLtiscnen Bewe- gung gestellt hat. Das Pamphlet ver- sucht den Anschein zu erwecken, dass es die Meinungen einer von den •uesterreicniseheia sozialsten abge- spaltenen Gruppe wiedergäbe. In Wahrheit gibt es keine Spaltung in- nerhalb d=r öster.eichischen soziali- stischen Emigration in England. Um -den Eindruck zu erwecken, dass das von innen beherrschte Free Austrian Movement alle demokratischen Rich- tungen der Oeste.reicher urfifasse, ha- ben die Krmmunisten in London eine ■Gruppe aufgezogen, die sie als LLgue cf Austrian Socialists beliehnen; Frau Köstler dient ihnen als Aus- hängeschild. Die Idee ist nicht ori- ginell, als erste haben die österrei- chischen Monarchisten in London einen aus der Partei ausgestochenen ehemaligen sozialdemokratischen Ab- geordneten als Aushängeschild be- nützt. Das Pamphlet erhebt gegen die Oesterreichischen Sozialisten den Vorwurf, dass sie grossdeutsch seien und den v:n Hitler gewaltsam her- beigeführten Anschluss Oesterreichs auch ' nach der Niederlage Deutsch- lands aufreiht erhalten wollen. — Es ist eine historische Tatsache, dass die österreichische Sozialdemokratie von 1918 bis. 1833 programmatisch den An- schluss an Deutschland vertreten uüd gefördert hat; we: könnte und wollte das leugnen? Aber es ist ebenso Tat- sache, dass dieser Punkt auf dem letzten Parteitag, 1933, nach Hitlers Machtantritt, aus dem Programm ge- strichen wurde. Es ist ebenso histo- rische Tatsache, dass es die Oester- reichischen Revolutionären Soziali- sten gewesen sind, die im Jahre 1938 aus der Illegalität heraus die Arbei- terschaft zur Abstimmung mit einem ,rJA" für das freie und unabhängige Oester.eich aufgefordert r.aben und wenige Tage späcer zur. Widerstand mit der Waffe m der Hand gegen das eindringende Heer Hitler- Deutschlands. Nicht die Sozialisten und Sozialdemokraten waren es, die vor dem Kampf desertie.t sind. Aus der 'ängsten Vergangenheit seien nur zwei Zeugnisse zitiert. Die letzte Jahreskonferenz der Oester.ei- O.ischen Sozialisten in Grossbritan- nien hat in einer programmatischen Entschließung sich verpflichtet, "auf der Basis der Moskauer Er- klärung de. Grossmächte einzu- treten für eine wahrhaft demo- kratische österreichische Republik und vorzubereiten ihre Zusam- menarbeit mit ihren Nachbarlän- dern und ihre Teilnahme an de: künftigen internationalen Staa_ tenorganisatien". Das politische Organ der Oesterreich!, scr-en Sozialisten in den Vereinigten Staaten, die Austrian Lafoor-jl!niior_ mation, behandelt in der Februar. Nummer des Vorjahres „Oesterreichs außenpolitische Probleme nach Hit- lers Sturz". Ausdrücklich war diese Arbelt als die Stellungnahme der Exekutive des ALL? bezeichnet. In ihr Wird der Beitritt Oesterreichs zum tschechoslowakisch _ russischen Vei- trag vcm 12. Dezember 1943 als der einzig mögliche Weg der Aussenoo. litik des befreiten Oesterreich prokla- miert, "Als ein Geb:t der Zweckmässig- keit..., dass Oesterreich seine Bereitwilligkeit bekundet, dem s^heJ:os,k>wakisch _ russischen oder einem besonderen Vertrag mit der Sowjet-Union und der. Tschechoslowakischen Republik beizutreten. Oesterreich muss zu einer engen wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit der Tschechoslowakei kommen". Der zweite Vorwurf, der den Oester, seichischen Sozialisten gemacht wird, besagt, dass sie die Zusammenarbeit — 30 — mit den österreichischen Kommuni- sten. aoiehnen. Diese Behauptung steht in vollem. Wiaer&pruvl.i zu den Tatsachen. SelDstverständlich sind sich die Oesterre^chischeai Sozialisten über die politische Notwendigkeit der Kooperation zwischen den proletari- schen Parteien im befreiten Oester- reich im klaren. Die Oescerreicui- y>-en Sozialisten haben sich auch immer wieder geduldig darum be- müht, mit den Kommunisten zu einem Einvernehmen zu kommen. Es hat in London unzählige Male durch iMonate sich hinziehende Verhauet, limgen gegeben, zu denen jedesmal die Initiative von den Sozialisten ausgegangen ist. Wenn man einmal die Frage umgekehrt stellen wird, was die öste.reichischen Kommuni- sten geleistet .haben, um die Einheit der proletarischen Emigration her- beizuführen, wird die Antwort sehr kurz ausfallen: gar nichts! Die oben it'icn einmal angeführte Entschließung der letzten Jahresver- sammlung der Oesterreichischen So- zialisten in London hat neuerlich den Willen zum Ausdruck gebracht: '''die Einigkeit aller demokrati- schen Kräfte des österreichischen Volkes herbeizuführen, um ihren Befreiungskampf zu stärken" und hinzugefügt: „In dieser Aufgabe sind die Kom- munisten willkommene Verbün- dete." „LAST BUT NOT LEAST" oder „J A, WER TROMMELT DENN DA?" Wir wissen nicht, wo Herr Richard Pintar, unter des-en Namen hier in Buenos Aires Zustimmungserklärun- gen zu dem Pamtlilet der Frau Köst_ ler eingesammelt we.den, die Legiti- mation hernimmt, zu verkündigen, dass die getarnte Organisation der Frau Köstler seiner Auffassung nach die wahre stimme der österrei- chischen Arbeiterbewegung ve. tritt". Alle vielfachen Bemühungen, von verschiedenen Genossen unternom- men, irgendeiner Spur einer Tätigkeit des Herrn Pintar in der Österreich!. s-Jien sozialistischen Arbeiterbewe- gung zu entdecken, sind missglückt. Herr Pintar selbst behauptet, dass er in Wien Obmann des Betriebs- rates der Miag gewesen sei. Das kann dennoch wanr sein. Nur spre- chen alle Indizien dafür, dass er diese Funktion nicht im Rahmen der freigewerkschaftlicnen Organisation, sonaern nach deren Auflösung durch D-.lllus.i als ernannter Mandatsträger de., vaterländischen austro.faschisti. scaen Grewerkschaftse.sätzes ausge- übt hat. Der eigentliche Einpeitscher dieser Kampagne gegen die Oesterrei- chischen Sozialisten ist aber kein anderer als Herr Freund. Sein Eise, ist aber politisch ein taktischer Feh- ler. Denn mit seinem Auttreten wird die mühselig konstruierte Tarnung der Aktion als Manöver, Modell „tro- janisches Pferd", enthüllt. Unverständlich ist uns allerdings, was sich die Herren Pintar und Freund als politisches Ergebnis ihrer Aktion erwarten. Die Unterschriften werden vollständig wahllos gesam- melt; die Unterfertiger werden gar nicht gefragt, ob sie Sozialisten sind. Sie werden aufgefordert, auch Urah- ne, G-rossmutter, Mutter und Kind, die in der Stube versammelt sind, mitunterfertigen zu lassen. Haupt- sache, wenn sie ihren Namen schrei- ben können. Nehmen wir also an, es gelänge den Herren Pintar und Freund, sogar ein paar Hundert ein- stige Abonnenten der N. F.JPresse, des Taxeblatt, des Journal, der Reichs- pest, für eine Solidaritätserklärung mit Frau Köstler zu gewinnen — wir glauben kaum, dass sie damit viel Staat werden machefn können, ge_ "chwe'o-e denn einen Sabbath yueraMHuwieesiÄHMMaHF * S DAS GUTE g | Cobi Brot I g * g Telei. Anruf U. T. 51 - 6034 S SBflBeBEBEEEBEEBEBEEEBBBEBi PENSION SCHIFFER. AMENABAR 2040 nahe der Oabildo vermietet gut möbl. Stra- ssenzimmer mit Pension, g-ute btlrgl. Küche, Warmbäder u. sonst. Bequem- lichkeiten. Tischgräste willkommen. Mässiffe Abonnementspreise. — 31 — CASÄ RÜBENS Ferien, und Erholungsheim für Kinder und Erwachsene Colonia Valdense Depto. Colonia Uruguay Gesa Filatilica — DE — ROBERTO POMMER cempr* y veata de estemplllee pani eoleeelÄ* RBOONQVI8TA 20« — Be. AlMa V. T. 33 (At.) 6758 *1 | A. A. B. A. j | ENRIQUE U. CORONA MARTINEZ j | ABOGADO - LAVALLE 1268 V. 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