OTRA ALE DAS ANDERE DEUTSCHEAN ORGANO DE LOS ALEMANES DEMOCRATICOS DE AMERICA DEL SUR? AUS DEM INHALT: Jose Venegas: EL CASTIGO DE LOS CRIMENES DE GUERRA DEBE CAER SOBRE LOS VERDADEROS CULPABLES DIE BESTRAFUNG DER KRIEGSVERBRECHER August Siemsen: DER WEG ZUM FRIEDEN Informator: , . ZUR VORGESCHICHTE DIESES KRIEGES DAS ENDE EINER EMIGRATION Christian van Bahlen: KANN DEUTSCHLAND GENESEN? Hans Jahn: DIE ANTWORT BERICHTE AUS DEUTSCHLAND BUENOS AIRES • T U C U M A N 3 0 9 • 31 R E T IRQ, 7 2 6 4 NUMERO 95 • 1 ° D E j U N 1 O DE 1 9 4 5 e A N O Y 1 Ii 2 Frankreich*Hilfswerk Ein amtlicher Bericht weidet: 75 o',o der Kinder in Frankreich haben nicht das Normalgewicht. Es fehlt an Fleisch. Gemüse ist vorhanden, ab?;' das Tranaportpr oblem erschwert die Verteilung. Unter den 30 bis 35 Jäh- rigen hat die Tuberkulose gegenüber 1939 um 35 o|o zugenommen. Der Landesverband deutscher Ge- werkschaftler in Qross-Brltannlen, in .dem die verschiedensten Gruppen dsr deutschen Opposition zusammenarbei- ten, hat uns neue Lsten von Unter- stützungsbedürftigen gekabelt, die dringend berücksichtigt werden müs- sen. Die sammlong wird daher fort- gesetzt . Erbitten Sie eine Sammelliste von der Administration des DAD! Senden Sie Ihre Spende schnell ein! Veranlassen Si«' diejenigen, ZU spen- den, die noch nicht gespendet ha- ben! Alle Gaben erbitten wir unter aus- drücklichem Vermerk "Frankreich- Hilfswerk" nur in folgender Form zu adressieren Sr. Juan Carl, TucumAn 309, Bs. Aires. Liste No. 3 ßzerni............... ... Prinz ............... ... D. A. V.-Ballester .. ........ Bied............ ... ... Paul................ Lehmann .. ............... E. Apfeldorf............... Y. Z................... Blankenburg ............... N. N................... Enne.................. C. ..................... Spatti.................. Gelberg......... ........ Pollak.................. Zielke................ Dilzamey.................. Martinez............... Schmidt.................. N. N. .................. A. R. .................. Edelstein............... Neumark............... Wolfsschmidt............ Schlesinger ............... Fernandez............... Hardt.................. Kaiser.................. Hacker.................. Hirschler............... Powitz.................. Heyse.................. Boche.................. Strohdach............... Spret.................. Pincus .................. Omar....................................10.— Hass, Misiones........................5.— Kochmacm..............................3.— Siemezsch...... ... ... ... 3.— Quastler, La Falda..................3.— Jacob, Florida........................3.— Waldenburg..............................5.— Gruenbaum..............................2.— Biemsen............... ... S.— Haentzschel ... ... ... ... .. 80.— N. N......................................18.— Heschkat ... .................5.— Erck..........................................20.— Hoerl, Misiones........................50.— Matzciullat, Ohaco..................5.— Berezovsky..............................20.— Kraemer....................................3.— Bernhardt..............................7.— C. F. A. B..........................3 — M. Sch......................................2.— Von der Weide........................20.— Lakenbacher............................10.— 21.— 4. 35.- 20. 5. 9.75 5. 5, 5. — 15. 1, 10— 5. — 1. — 2. — 3. — 5. _ 1. — 7. — 0.50 50. — 100. — 2. — 40. ,— 10. — 10. — 10. .— 10. ,— 5 ,— 10 5 ,_ 6. ,— 50 .— 4 .— 0.50 5. .— Deutsche Bibliothek Frankfurt ern Main DAS ANDERE DEUTSCHLAND £ r/V K ;A In eigener Sache! Mit dem Sturz der Hitlerdiktatur und der Unschädlichmachung der Hauptverbrecher, die Deutschland in Schmach und Untergang und die Welt in den Krieg gestürzt haben, ist das erste Ziel erreicht, für das wir seit sieben Jahren gekämpft haben. Anders als wir es wünsch- ten, ist es nur durch unendliche Opfer, nur durch furchtbare Zerstö- rung, nur durch ein Meer von Blut, Schweiss und Tränen, nur dadurch erreicht, dass vor allem Deutschland ein Trümmerfeld ist. Heute stehen wir vor neuen grossen Aufgaben. Es gilt der Welt, die jetzt erst mit Entsetzen und Empörung die Greuel der Konzentrations- lager entdeckt hat, zu beweisen, dass es ein anderes Deutschland gibt, es gilt, am Neuaufbau Deutschlands mitzuwirken, es gilt, Hilfe zu lei- sten für die hungernden, frierenden und obdachlosen deutschen Kin- der und Frauen und Männer, die in erster Linie Gegner und Opfer des Naziregimes waren. An diesem Wendepunkte des deutschen Schicksals, an diesem Wen- depunkte unserer Arbeit erscheint „Das Andere Deutschland' in neuem Gewände 14tägig. Für diese neuen Aufgaben brauchen wir mehr Mitarbeit und mehr Opfersinn unserer Freunde als bisher, brauchen wir die Gewinnung neuer Kräfte, die bisher abseits standen. Möge jeder sich bewusst sein, wie gut er es hier in Ruhe und Sicher- heit gehabt hat, wie wenig er bisher getan hat im Vergleich zu den Leiden und Opfern von Millionen und Abermillionen und möge er daraus die Folgerung ziehen, sich selbst zu aktivieren für die kom- menden Aufgaben und Andere für sie zu werben. DAS ANDERE DEUTSCHLAND. Frauen und Mädchen stricken für die Kinder in Deutschland Junge Mädchen sind zu uns gekom- men, die von der furchtbaren Not in Deutachland gehört hatten um ihre Hilfe anzubieten. Wir haben v.in Strickabend' eingerichtet. Alle, die teilnehmen möchten, werden gebeten, sich im DAD-Büro zu melden. Wir können auch Wolle für Arbeit ?u Hause zuteilen. Auf Grund unserer Geldsammlung zur Beschäftign j vcn Wolle erhielten wir von Frau E. B. folgendes Schrei- ben: "... Hass kann nus zerstören — nie aufbauen. Ganz gewiss darf das Ge- wissen der Wel nicht so bald verges- sen, was geschehen ist, schon aas Selbstschutz nicht. Aber welches Glück, dass nun endlich wieder ge- holfen werden darf, — dass man in absehbarer Zeit wieder mit der Mög- lichkeit rechnet, dies arme, verwahr- loste Volk zu sich selbst zurückzu- führen —. es durch kluge Erziehung zu seinen besseren Möglichkeiten z>.i entwickeln. Ich schicke Ihnen 50 Pesos zur Be- schaffung von Wolle für die Strick-, abende". Juan Mueller........................5.— Soehnle ..............................10.— Kormann..............................5.— Willy Doli................................5.-* Paul Heck..............................10.— Gerhard Müller........................5.— Erich Selb..............................5 — Willi Gertler........................3.— Kilgus....................................6.— Harry Wuelf ........................3.— Familie Hauck .......................10.— Erwin Damm wo lf ... ...........10.— J. Oria....................................10.— A. S......................................5 — Erich Voigt..............................3.— Kr. Koenig..............................10.— Enrique Gehrke........................1 — Emil Stier..............................2.— Hehmuth Kormann..........5.— Hermann Strass....................1.— Hugo Krueger........................5.— E. Figge..................................5-— Lieselott Reger-Jacob .. .» .. lu-— A. W....................................../3 — ......................................5.— Gtildschmidt .................5.— Pantel....................................10.— Fertl....................................20.— Z.......................................5.— Höh H......................................W.- Liste 1....................................116.50 Liste 2....................................382.— 1434.7» Uns fiel auf, — dass die Vertretung der Fir- ma Shell-Mex in Eldorado, Mi- siones, den Erznazis Josef und Carlos Zettelmann anvertraut wurde, — dass die Firma General Mo- tors in Mendcza den Erznazi Herrmann Becker aus Posadas, Misiones einstellte. BAS ANDER! DEUTSCHLAND 3 die bestrafung der kriegsverbrecher /ose Venegas: EL CASTIGO DE LOS CRIMENES DE GUERRA DE, 3E CA ER SOBRE LOS VERDADEROS CULPABLES A continuacion ofrecemos a nuestros lectores« haci6ndola nues- tra, la autorizada opinlön del renombrado periodista ospanol sobre • I debatido asunto del castigo de los culpables. Los procedimientos nazis, de ilimitada crueldad con sus vlctimas, y su concepciön totalitaria de la guerra, plantearon el conflicto belico en terminos desusctdos. Por ello, los vencedo- res consideran que les asisten derechos excepcionales. No se ha de tratar a los vencidos con la consideraciön que impone el desenlace de un combate librado dentro de ciertas reglas, sino simplem ente como a facinerosos que violaron todas las reglas de la convivencia humana. Es claro que la idea de proceder asl fue nazi, pero ha sido la Wehrmacht el brazo ejecutor. Sin la asistencia que la casta militar de Alemania diö a la partida encabezada por Hitler, el nazismo no habria podido realizar sus feroces crimenes. Su primer intento de llegar al poder fuö apuntalado por el siniestro general Ludendorff, y al terminar la carrera del crimen, saqueo y destrucciön, la herencia fue admi- tida por el almirante Doenitz, a quien se debe considerar tam- bien heredero de las culpas. Por haber sido planteada asi let lucha, los vencedores se proponen utilizar a los vencidos para que reconstruyan en los diversos paises lo que destrozaron. Esto no seria admisible si se hubiese tratado de una guerra regulär; el triunfante no ten- dria derecho a convertir en trabajadores forzados a los que no eran sino prisioneros de guerra. Pero es evidente que incluso a los espectadores les parece bien y justificada esa conducta de los aliados; es justo que los alemanes reparen al menos los danos materiales que infligieron a quienes atacaron. Pero existe un convenio —la convenciön de Ginebra— que permite utili- zar a los soldados apresados para los trabajos de reconstruc- ciön, dändoles casa, alimentos y una retribuciön, mas no con- siente que se haga otro tanto con los oficiales. Los aliados, me- nos Rusia, tienen firmada esa convenciön. En consecuencia, el joven aldeano aleman, escaso de Instruction, desprovisto de cul- tura politica, que fue alistado forzosamente en el ejercito, de- berä sufrir, de hecho, una condena a trabajos forzados, hasta reconstruir Stalingrado, Varsovia, Rotterdam o Coventry; en cambio, el oficial que le mandö y le llevö a las tareas destruc- tivas, quedard exento de la condena. No sabemos si se le man- tendrä en prisiön o se le devolverä a su pais, para que se jun- te con sus iguales —de quienes no podemos decir que sean nuestros semejantes— y procedan a mantener vivo el espiritu del militarismo prusiano. Actuar asl no es solamente tan caso de injusticia, sino una acciön de extraordinaria gravedad para la liquidaciön de la guerra y sus Instrumentes, Son los generales, jefes y oficiales del ejercito aleman, quienes deben ser condenados, en primer tärmino, a reconstruir lo destrozado, a reparar hasta donde sea posible, el estrago que han causado al mundo; no hay, en cambio, derecho alguno a someter a la misma saneiön a simples soldados, a menos que se les puedan sehalar culpas brotadas de su propia iniciativa. Como Rusia no ha firmado la convenciön de Ginebra, no la ctplicarä, y no concederör, por tanto, un intolerable trato de fa- vor a los culpables autenticos. Los paises firmantes y vencedo- res, ante la gravedad y trascendencia del caso, deben denun- ciar la convenciön, para poder dar comienzo a las sanciones por quienes en primer termino las merecen. ("Noticias Gräficas", 18|5|45) Das wahnsinnige Verbrechen der Na- zis, ihrer faschistischen Bundesgenos. sen und imperialistischen Auftragge- ber geht in einem in rauchende Trüm- mer verwandelten Europa, in einem Meer von Blut und Rauch, von Lei- chengestank und Tränen zu Ende. Millionen von Witwen, Krüppeln und Blinden, Gefolterten, Geplünderten und Verkrüppelten bleiben verzweifelt wid verbittert in diesem Chaos zu- rück. Nun handelt es sich darum, die Ziele zu verwirklichen, für die dieser Krieg tatsächlich odfcr angeblich geführt wurde. Das erste Ziel ist und bleibt: die Bestrafung der Kriegsverbrecher. Kriegsverbrechen und Kriegsverbrecher sind Begriffe, die erst seit relativ kur- zer Zelt in das Völkerrecht eingegan- gen sind. Zuerst eingeführt durch den Versailler Vertrag, der die Auslieferung des deutschen Kaisers und zahlreicher an Ausbruch und inhumaner Führung des ersten Weltkrieges schuldig er- klärter Generäle verlangte, umschliesst nach heute herrschender Ansicht das Kriegsverbrechen bestimmte Handlun- gen von Angehörigen einer kriegfüh- renden Macht die, im Zuge der Kriegshandlungen gegenüber Angehö- rigen der Feindmacht verübt werden, und die insbesondere die anerkannten und international festgelegten Normen Uber die Behandlung der Zivilbevöl- kerung, offenen Städte, Verwundeten, Kriegsgefangenen. Geiseln und Parla- mentäre verletzen. Darüber hinaus hat der Begriff des Kriegsverbrechens eine Erweiterung im Sinne jener, heu- te wenigstens moralisch anerkannten Forderung erhalten. ti1e den Krieg und damit seine Anstiftung und Führung überhaupt als Verbrechen auffasst, tvnd die ihren völkerrechtlichen Nie- derschlag in der Völkerbundsidee, dem Briand-Kellogpakt, den Locarno-Ver- trägen und zahlreichen anderen Ma- nifestationen der Regierungen gefun- den hat. Aber wenn diesem völker- rechtlichen Begriff des Kriegsverbre- chens jede praktsiche Wirkung ab- ging, da ihm wie allen Völkerrechts» regeln die Zwangsgewalt einer über- staatlichen Macht fehlte, und wenn er damit zur leeren Phrase wurde, so ist er nicht nur als Beurteilungsnorm der faschistischen Delikte wieder erstan- den, sondern auch durch das wache Verständnis der demokratischen Mas- sen io dreifachem Sinne erweitert, konkretisiert und zum Rechtferti- gungsgrundsatz für unmittelbar prak- tische und legal organisierte VergCT tungsaktionen erhoben worden. Man subsumiert heute unter den Be- griff des Kriegsverbrechers nicht nur die Elemente, die an Ausbruch und in- humaner Führung des Krieges leitend beteiligt waren, sondern auch jene An- gehörigen der angegriffenen Staaten, die erst in hochverräterischer Weise die feindliche Spionage, Propaganda und Sabotage unterstützten, den all* gemeinen Abwehrwillen einschläferten, das Vertrauen in die Angreifer stärk- ten und damit den Ausbruch und die «estaltung des Krieges zur nationa- .1 Katastrophe werden liessen und e dann naeh NiederlaglTiu tirefc 4 DAS ANDERE DEUTSCHLAND willigen Bütteln und Henkern ihres eigenen Volkes in Dienste der frem- den Faschisten wurden. Ueber diese Quislinge hinaus, die man besser als "Friedensverbrecher" kennzeichnen sollte, haben Erkenntnis und Wille der zivilisierten Menschheit und ins- (besondere ihrer bewusst demokrati- schen und antifaschistischen Vorhut, alle Vertreter des Faschismus als sol- che auf die Anklageback der Kriegs- verbrecher gesetzt und Werkzeuge der totalitär-imperialistischen Gruppen, die den Krieg als das logische Pro- dukt ihrer innenpolitischen Unter- drückungs-, Verducnmungs- und Mas- senvertilgungskampagnen vorbereite- ten, als die «7ugendvergifter und Drill- sergeanten, die das Millionenopfer im Rausch verschwommener Mythen, auf- peitschender Lügenpropaganda und sa- distischer Blutorgien in Szene setzten. Und obgleich Spaltung und Niederla- gen der internationalen Arbeiterbe- wegung die Verkündung der vollen Wahrheit erschweren, obgleich die konkrete Situation des Weltproleta- riats und des sozialistischen Siebentels der Erde, die realistische Darstellung und Erfassung des Kriegsverbrechens und die gründliche und umfassende Verfolgung seiner Urhebei: und Voll- zieher behindern, hat sich, bis tief in die Reihen der Kreise der Bur- geoisie, bis in die Spalten des kon- servativen, bis in die Reden der bür- gerlichen Politiker die Wahrheit Bahn gebrochen, "dass der das meiste ver- schuldet hat, der ist, der alles ge- duldet hat", und dass es im Fall Teutschland insbesondere die Kreise der Grossindustriellen, Bankiers und Junker gewesen sind, die Hitler und seinen Kumpanen den Weg zur Macht geebnet und damit die Welt in die heutige Katastrophe gestürzt haben. In welcher Weise hat sich nun diese Auffassung in konkreten Handlungen der Regierungen und Vollzugsbehöräen den der kriegführenden Mächte ver- wirklicht wie steht es um die Bestra- fung oder klarer gesagt um die Ver- nichtung der dreifachen Phalanx der militärischen, faschistischen und grosskapitalistischen Kriegsverbre- cher? Welche Sanktionen haben statt- gefunden, weilcher Massnahmen ist man sicher, die ein Exempel für alle die darstellen könnten, die "ausziehn, das Fürchten zu lehren"? Zwei Dinge sind sicher. Wo immer die im aktiven Kampfe gegen die Unter- drücker stehenden Volksmassen selbst Justiz üben können, wo keine Beden- ken hoher politischer oder sonstiger Art vorliegen, die dem rächenden Volkswillen in den Arm fallen, da vollzieht sich das Recht. Nicht das Recht verklausulierter Bestimmungen, wie sie kapitalistische Juristen aus- zuhecken pflegen und gerne wieder in Anwendung bringen wollen, sondern das Recht, das das Blut der Tyrannen fordert, weil sie Tyrannen sind, das Recht, wie es sich bildet und gleich- zeitig vollzieht, wenn das Volk auf- steht. So sind Mussolini und seine Schergen gefallen, so haben die Maquis die Kollaborationisten gerichtet, so werden überall, wo die Partisanen stehn, Verräter und Faschisten die letzte Massnahme der sozialen Abwehr keimen lernen. und eine zweite Tatsache erfüllt die Menschheit mit Hoffnung. Das ist die bisher unbeugsame und teste Haltung der Sowjetunion gegenüber den Kriegs- verbrechern, e;ne Haltung die sich nicht in vorsichtigen Erklärungen er- schöpft, sondern die sich bereits im Prozess von Kiew verwirklicht hat und deren beste Bestätigung der pa- nische Schrecken ist, mit dem die Na- ziverbrecher zu ihren englischen und amerikanischen Gegnern flüchte ien, mit dem bösen Gewissen des Schuldi- gen, die einem konsequenten und ge- rechten Richter entgehen will. Aber wie steht es bei den Alliierten im Westen? So grcss die Propaganda von allen Seiten für die Bestrafung der Kriegsverbrecher gewesen ist, so zahl- reich Erklärungen in diesem Sinne von den leitenden und verantwortli- chen Persönlichkeiten abgegeben wur- den, so gross zweifellos Abscheu und das moralische Entsetzen der anglo- am-erikanischen Oeffentlichkeit vor den Naizverbrechern ist, so wenig ist praktisch geschehen, um eine volle, umfassende, rasche und exemplarische Justiz zu üben. Schon vor längerer Zeit haben sich zwei Delegierte von dem im tiefsten Dunkel arbeitenden Londoner Aus- schuss zur Bestrafung der Kriegsver- brecher zurückgezogen, die akademi- schen Diskussionen über das Thema wie und wo und ob man die Nazifa- schisten bestrafen könnte, gestalteten sich zu einem Hohn auf den gesun- den Rechtsgedanken. Die neutralen Länder erhielten die Listen der Kriegs- verbrecher nicht. Man gab sich auch mit verklausulierten Erklärungen über deren Auslieferung zufrieden. Noch heute ist man sich nicht einig über die Prinzipien der Verfolgung und Bestrafung, noch heute sind keine Ge- richte und kein Verfahren zur Be- strafung der Kriegsverbrecher einge- setzt. Ja darüber hinaus geniessen sol- che Individuen wie Hess, Papen, Rund- • stedt, zahllose andere Generäle und gefangene Nazifunktionäre, ja selbst die Folterkommandanten der Schrek- kenslager, eine ehrenvolle Haft. Was ist es, das die Engländer, die doch so rasch bei der Hand waren ein paar tausend illegal nach Palästina ein- gewanderter Juden auf die Mauritius- inseln zu bringen oder Flüchtlinge vor dem Naziterror in die Konzentrations- lager nach Australien zu schicken, hindert, eine rasche und gründliche Massenliquidation des braunen Ge- lichters und ihrer Helfershelfer vor- zunehmen? Welche Schuld ist den Naziverbrechern noch nachzuweisen, wenn die Todesfabriken in Buchen- wald, Dachau und Lublin zum Himmel schreien? Welche Anklage ist noch nötig und welche Verteidigung noch möglich, wenn Untäter gerichtet wer- den sollen, die von den Fememorden, über den Reichstagsbrand zur Mas- senabschlachtung der deutschen Oppo- sition, zum zweiten Weltkrieg und zur planmässigen Ausrottung ganzer Völ- ker geschritten sind? Warum die schein juristischen Ueberlegungen und Diskussionen, das haarspaltende Zau- dern und zögern, wenn es gilt, hart zuzupacken und der Weltgeschichte als Weltgericht ihren Lauf zu las- sen? Warum wird nicht, warum kann nicht Ernst gemacht werden mit der Be- strafung der Kriegsverbrecher? Der Grund zu dieser zögernden Hal- tung ist gewiss nicht christliche Barm- herzigkeit oder auch nur ein starres Festhalten an den überlieferten Prin- zipien des bürgerlichen Rechtsstaa- tes. Aber die Prozessierung der Kriegs- verbrecher das Aufrollen der Hinter- gründe, d-as in solchen Prozessen un- vermeidlich wäre, die Aufdeckung der Hintermänner, Geldgeber, Drahtzieher, Helfershelfer und Berater,-die hinter Hitler und seiner Partei am Werke waren, die Dokumente und Aussagen der Zeugen, die ans Tageslicht tre- ten, müssten, würden eine furchtbare Belastung der deutschen und inter- nationalen Hochfinanz, der Gross- grundbesitzer, Generäle, Diplomaten und Minister auf deutscher und al- liierter Seite bedeuten. Die Indivi- duen, die die Welt nach München und Godesberg geführt haben, die "Ame- rica first" — und "Wir sterben nicht für Danzig"-Gruppen, die Freunde des "Abwirtschaften lassens" und des "Hitler ist ein Bollwerk gegen den Osten", sie würden mit auf die An- klagebank gezerrt; Sir Henry Deter- ding, Krupp von Bohlen und Halbach, Thyssen und Schacht, das Comite des Fcrges und Schneider-Creuzot, sie, die wahren Lenker der Staaten, die wahren Schuldigen, sie könnten nicht mehr als biedere Geschäfts- und Pri- vatleute im anonymen Dunkel ver- schwinden. Und können diese Kreise, können die Torie's, kann Wallstreet das auf den Tod Roosevelts mit einer Hausse rea- gierte, zulassen, dass eine kurze und formlose Volksjustiz vollstreckt, was die berufsmässigen Juristen sich zu tun scheuen? Riecht nicht schon .das Aufstellen von Volkstribunalen nach Revolution? Wo würde die Verfolgung enden, wenn wirklich der Faschismus als solcher, d. h. als gesellschaftliche Gruppe, ausgehalten von anderen Gruppen, zur Verantwortung gezogen würde? Würden sich die Grossmäcnte mit der Verurteilung der Nazikriminellen nicht auf eine antifaschistische Politik fest- legen, auf Grund deren morgen an- dere Völker andere, ähnliche Liquida- tionsansprüche erheben könnten? Können die monopolkapitalistischen Herren der Erde ihre gewiss zu Zei- ten unangenehmen, aber doch zu an- deren Zeiten sehr nützlichen Faschi- sten, Generäle, und Eiktaturaspiran- ten derart entmutigen, dass sie deren hervorragendsten Vertreter dem Hen- ker ausliefern? Wer wird noch Dik- tator werden wollen, wenn das ohne- hin hohe Berufsrisiko noch durch den möglichen Tod auf dem Schafott er- höht wird? Nein, die Klassensolidarität der Mil- lionäre, das Standesbewusstsein der Trust- und Konzerngewaltigen, muss zu verhindern suchen, dass Gerechtig- keit geübt wird. Es soll dem Volke ge- zeigt werden, dass die Grossen der Er- de nur dann und in so weit fallen als es jenen, den Allerhöchsten beliebt. Die Kontinuität der staatlichen und DAS ANDERE DEUTSCHLAND 5 militärischen Autorität darf durch keinen Ausbruch des Volkswillens ge- stört werden, wenn der Glaube an und die ehrfurchtsvolle Unterwerfung un- ter den Willen der Allgewaltigen die- ser Erde nicht Abbruch leiden soll. Jedoch trotz alledem! Solange noch der Hass und die Wut der unterdrück- ten Völker andauern, solange noch die Untaten der Nazis nicht zur verstaub- ten Vergessenheit archiviert werden, solange noch das Bündnis der Gross- mächte in West und Ost besteht, muss cüs rücksichtslose, strengste und um- fassendste Betrafung der Kriegver- brecher gefordert werden. DAS ANDERE DEUTSCHLAND als Vertretung der demokratischen Deut- schen in Südamerika, als bahnbre- chende Gruppe unbedingt antifaschi- stischer und antinationalsozialistischer Opfer des Hitlerfaschismus erhebt da- rv.m die folgenden Forderungen: 1 Auslieferung aller von Polen, der Tschechoslowakei, Russland, • Bulgarien, Ungarn, Rumänien, Italien, Griechenland. Frankreich, Luxemburg, Belgien, Holland, Däne- mark und Norwegen gesuchten Kriegs- verbrecher zur Aburteilung vor Ge- richten dieser Länder, nach Gesetzen, Bestimmungen oder Prinzipien die- ser Länder, an Ort und Stelle und mit den Mitteln und Verfahren, die die Völker oder Regierungen dieser Län- der für angebracht erachten. 2 Angesichts de' ungeheuren Lei- den und Opfer der deutschen e Antifaschisten in Deutschland, namentlich der Vertreter der Arbeiter- parteien, der demokratischen, konfes- sionellen, pazifistischen und humanen Opposition, angesichts des heldenhaf- ten Kampfes der illegalen Arbeiter- organisation, der verfolgten und ver- triebenen Intelligenz, angesichts der Hunderttausenden von gemordeten, gefolterten, geplünderten, entrechte- ten und vertriebenen J'uden, zur Stär- kung aller freiheitlichen und fort- schrittlichen Bewegungen in Teutsch- land, zur Sicherung des inneren, und äusseren Friedens für das deutsche Volk, und als abschreckendes Bei- spiel' für die Faschisten der ganzen Erde und der Klassen, die hinter ih- nen stehen: Einsetzung von bewusst antifaschisti- schen Volkstribunalen in Deutschland, bestehend aus illegalen Kämpfern und Opfern des Hitlerfaschismus, insbeson- dere aus Insassen der Konzentrations- lager, die wegen ihrer politischen Ueberzeugung, ihrer Rassenzugehörig- keit und Tätigkeit den braunen Ter- ror am eigenen Leibe erlebt haben und die von den internationalen Organisa- tionen der freiheitlichen und Arbeitre- parteien als solche anerkannt werden. 3 Aburteilung vor diesen Gerich- ten im unmittelbaren, öffentli- chen mündlichen und summari- schen. jeder Prozessverschleppung vor- beugenden Verfahren aller Personen, die an Entstehung, Tätigkeit, Finan- zierung, Protektion, Machtergreifung und insbesondere an Volksverführung, Mord, Terror, Raub, Massenverschlep- pung, Minderheitenentrechtung, Be- setzung fremder Länder, Misshandluii- ; gen, Freiheitsberaubung, Kriegsanstif- tung, -Vorbereitung und -Führung leitend beteiligt gewesen sind über die in Ausführung faschistischer Befehle sich unmenschlich und grausam ge- zeigt haben. 4 Insbesondere Strafverfolgung al- ler am Zustandekommen des • dritten Reiches beteiligter "Wirtschaftsführer", Politiker und Di- plomaten, aller an theoretischer und weltanschaulicher Förderung des Na- zifaschismus durch Wort, Bild und Schrift Beteiligter. Strafverfolgung al- ler an Gründung, Führung und Be- tätigung der sogenannten vaterländi- schen Verbände, die die Vorläufer, Wegbereiter und Helfershelfer des Nazifaschismus und die Schuldigen an den Fememorden, der schwarzen Reichswehr und deutschen imperiali- stischen und nationalistischen sowie auch antisemitischen Bewegung wa- ren. Strafverfolgung aller von den ausländischen Gerichten nicht erfass- ter SS. und Gestapobeamten. Straf- verfolgung aller Polizei-, Justiz- und Strafvollzugsbehörden, die dem Natio- , nalismus in seiner volksfeindlichen . Terror- und Blutregierung Vorschub • geleistet haben. 5 Anwendung von Sanktionen, wie sie die Widerstandsbewegung an- • derer Länder gegenüber ihren Faschisten und Verrätern anwendet, mit besonderer Berücksichtigung der Notwendigkeit dauernder Unschädlich- machung unverbesserlicher Elemente. 6 Einsetzung eines internationa- len, antifaschistischen Obertri- • bunals in Berlin mit dem Rech- te und der Aufgabe die Urteile der Deutschen Volksgerichte zu überwa- chen und im Falle schonenden Vor- gehens gegen die Kriegsverbrecher, oder gar Verfolgung von Antifaschisten die Rechtssprechung an sich zu zie- hen. Die Bestrafung der Kriegsverbrecher ist der Gradmesser der demokrati- schen Kriegspolitik und Friedenspläne der Alliierten. Ihre Durchführung wür- de die Menschheit von einem Alpdruck befreien, würde die Gefahr neuer fa- schistischer Abenteuer, neue imperia- listische Kriege verringern. • Ihre Nichtbestrafung oder auch nur das teilweise Frei ausgehn der Kriegsver- brecher signalisiert eine neue reak- tionäre Welle, neue totalitäre Verbre- chen, ermutigt die Weltreaktion zu neuem Faschismus, zum dritten Welt- krieg. Jede Milde und Nachsicht Ist ein Ver- brechen an den schwer geprüften Völ- kern. Gemeingefährliche Existenzen drohen zu entkommen und neues Un- heil anzurichten, begünstigt durch die Interessen einer kleinen Finanzoligar- chie. Kein Mittel darf unversucht ge- lassen werden, um die Mordbrenner des Dritten Reiches ihrem wohlver- dienten Geschick auszuliefern. ß ".8- " " Hans Jahn: blE ANTWORT Ihr wart objektiv, und ihr forschtet "beflissen. "Wo sind denn die Gegner?" so habt ihr gefragt 'Wo sind sie, die Deutschen mit reinem Gewissen? "Wo sind die, die etwas getan und gewagt? Wo sind sie, die kämpfen und die sich empören, die nicht zu der Bande der Bestien gehören?" Stets lauter und drängender wurde die Frage, ihr harrtet der Taten, verlort die Geduld. Die Formel war einfach: die Gegner sind Sage, und keiner ist anders, und alle sind schuld. Nun habt ihr die Lager des Grauens gesehen. jjun habt ihr die Antwort, nun könnt ihr verstehen« Den Zug der Gespenster, die Menschen nicht glichen, ihr saht ihn; die Toten, verkohlt und verscharrt. In Augen, aus denen der Hass selbst gewichen, in stumpfe Brloschesheit habt ihr gestarrt. Nun saht ihr das viehische Würgen und Morden. Sprecht, ist euch nun endlich die Antwort geworden? Nun glüht ihr in Abscheu und flammt im Proteste, nun steht ihr erschüttert, nun seid ihr empört, nun ruft ihr die Welt an mit schaudernder Geste — ja, habt ihr erst jetzt von den Lagern gehört? Hier fielen die Besten seit Jahren und Jahren. Und ihr habt das alles erst heute erfahren? Als ihr mit den Henkern bei Tische gesessen, als ihr mit den Mördern Verträge gemacht, als ihr mit dem Masstab der Heuchler gemessen, wann habt ihr da je der Verdammten gedacht? Da habt ihr Gewinne der Stunde gerettet und habt ihre Schreie in Schweigen gebettet. Doch nun müsst ihr sehen, ihr habt sie gefunden, von Rache zerfleischt und von Folter zerfetzt. 'So wurden vieltausend zu Tode geschunden, in Deutschland zuerst und in Deutschland zuletzt, Vieltausend verschwanden, doch Tausende leben. So fragt nur! Sie wissen euch Antwort zu gebe»! DAS ANDERE DEUTSCHLAND August Siemsen: DER WEG ZUM FRIEDEN Verhallt sind die schönen Worte und Verheissungen der Atlantikcharter, vergessen die Versprechungen einer schöneren und besseren Welt der Si- cherheit, Freiheit und Gleichberechti- gung. An ihrer Stelle enthüllen die Verhandlungen in San Francisco den wirklichen Zustand unserer durch Ge- gensätze der Imperien, der Nationen, der Klassen zerrissenen Welt. Impe- rialismus und Nationalismus, Monopo- lismus und big business stehen hinter den Intriguen und dem Gefeilsche der Diplomaten und Geschäftemacher. Aber was allein not täte» fehlt: der Wille, unter Verzicht auf wirtschaft- liche. und politische Privilegien: die, fortschreitende Zerstörung bringende. Anarchie des wirtschaftlichen, gesell- schaftlichen und politischen Zustan- des der Welt durch eine neue Ord- nung zu ersetzen ist nirgends sicht- bar geworden, und der "Optimismus" der Delegierten wird laut, wenn das Scheitern der Organisierung des Welt- friedens und der Weltsicherheit durch faule Kompromisse und Formulierun- gen notdürftigst verdeckt wird. Wir sagten in der Aprilnummer; ''Man wird sich in San Francisco wiederum "einigen", aber wiederum werden die Gegensätze bestehen bleiben, um aufs neue verschärft hervorzutreten. Sie können ja nicht überwunden werden, solange ihre Voraussetzungen nicht beseitigt werden". Wir standen mit unserem Skeptizismus ziemlich allein. Wir haben wieder einmal schneller und in höherem Masse recht behalten, als wir selbst es angenommen haben, denn schon während der Konferenz in San Franzisco haben sich die Gegen- sätze so sehr verschärft, dass sogar die notdürftige "Einigung", die das Fehlen einer wirklichen Einigung ver- schleiern muss, nur mit grösster Mü- he herzustellen ist. In einer kapitalistischen, erst recht in einer monopolkapitalistischen Welt, sind die wirtschaftlichen Profit- und die politischen Machtinteressen ent- scheidend. Sie in letzter Linie haben zu den beiden Weltkriegen geführt. Sie lassen sich nicht durch "guten Wil- len" und nicht durch wohlklingende Worte und auch nicht durch Abma- chungen und Verträge aus der Welt schaffei». Sie bestehen zwischen den Grossen and den Kleinen, zwischen USA und England; sie treten hervor im Kampf um die Rohstoffgebiete Asiens und Afrikas und um die Märk- te Südamerikas; sie finden ihren Aus- druck im Streben nqch Mandaten und strategischen Positionen. Die Diplomaten ui?d juristischen Ex- perten erklügeln in San Franzisco Formulierungen, in denen die Macht- ansprüche der Grossen und die Souve- ränitätssorgen der Kleinen, in denen Handlungsfreiheit und Veto der Welt- mächte und die Weltfriedensorganisa- tion, in denen Mandate und Kolonien und Einflussphärsn und zugleich das Recht der kolonialen und halbkolonia- len Völker auf wachsende Selbstbe- stimmung und Freiheit, in denen Bündnissysteme und Regionalpakte mit dem allumfassenden Völkerbund der "friedlichen" Staaten, in denen mit einem Wort Unvereinbares verei- nigt werden soll. Es lohnt nicht, auf den umstrittenen Wortlaut dieser pa- pierenen Paragraphen einzugehen, de- ren bescheidenes Resultat lediglich ist, dass der offene Ausbruch der Gegen- sätze für heute vermieden wird. Im passenden Moment kann jeder den Pa- ragraphen die ihm passende Auslegung geben. Aber die inner kapitalistischen Weltge- gensätze werden überschattet und in die zweite Linie gedrängt durch den anderen grossen und beherrschenden Gegensatz zwischen den kapitalisti- schen Mächten und der Sowjetunion, der nur durch den gemeinsamen Kampf gegen den gemeinsamen Feind Hitlerdeutschiand zeitweise überdeckt werden konnte, und der nach dem Sie- ge mit aller Stärke wieder zum Aus- bruch kommt. Die Versuche, zunächst die Sowjet- union mit Ge.valt zu vernichten, dann sie durch einen Sicherheitsgürtel ab- zusperren und zu isolieren, endlich Hitlerdeutschiand gegen die Sowjet- union in den Krieg zu treiben — sie alle sind gescheitert. Nach ihren ent- scheidenden Siegen über Hitlerdeutsch- iand ist die Sowjetunion die stärkste Militärmacht in Europa und Asien. Zu- gleich ist ihr Prestige in der ganzen Welt gewaltig gestiegen. Und damit natürlich in den kapitalistischen und reaktionären Kreisen der Welt auch die Angst vor ihr. Im Mittelpunkt des Kampfes zwischen der Sowjetunion und den grossen ka- pitalistischen Mächten steht Europa. Hier hatte die Sowjetunion das Gebiet des früheren SanTtätskordons sowjet- feindlicher Mächte entweder sich ein- verleibt — Estland, Lettland, Litauen, das östliche Polen, Bessarabien — oder diese Staaten als mehr oder weniger abhängige Verbündete seiner Macht- sphäre angegliedert. Die Proteste der sowjetgegnerischen oder national ge- sinnten Polen und die der sie stüt- zenden angelsächsischen Mächte gegen die sowjetabhängige polnische Regie- rung werden von Stalin ignoriert. Ru- mänien, Ungarn, Bulgarien, Jugosla- vien gehören dem russischen System an. Benesch hat für die Tschechoslo- wakei die Folgerungen aus dem Ver- rat von München und aus der realen Situation in Mitteleuropa gezogen und sein durch die Sowjetheere befreites Land ebenfalls an die russische Ein- flussphäre angeschlossen. Die Sowjetunion ist bei ihrem Vor- marsch nach dem Westen in ihrer Po- litik nichts weniger als starr und dog- ,, matisch. Sie ist weit davon entfernt, ' das russische Schema, auf die ande- ren Länder ohne weiteres zu übertra-, gen. In Polen, Rumänien und Ungarn Lwird durch die Liquidierung de« Gross» grundbesitzes die stärkste Stütze der neaktion und ties Nationalismus besei- tigt und zugleich die Sympathie der armen oder landlosen Bauern gewon- nen. In Bulgarien und Jugoslavien stützt sich die Sowjetpolitik auf die Sympathien der slawischen Bruder- völker und auf die demokratisch-revo- lutionären Traditionen der Bauern- schaft. In Jugoslavien sollen überdies die schroffen nationalen Gegensätze durch eine Bundesverfassung ausge- glichen werden, die den einzelnen Na- tionen nach dem Vorbild der Sowjet- union ihre kulturelle Autonomie lässt. In die inneren Verhältnisse der Tsche- choslowakei greift man nicht ein, schliesst aber ein enges Bündnis, das ctie tschechische Armee der Roten Ar- mee angleicht. Nach ihrem Einmarsch in Wien ha- ben die Russen die Bildung einer Koa- litionsregierung der drei antifaschisti- schen Parteien ermöglicht und sich dadurch wahrscheinlich die Sympa- thien de.- überwiegenden Mehrheit der österreichischen Bevölkerung in sol- chem Masse erworben, dass Oester- reich nach dem — wahrscheinlich schnellen — Ende der Besetzung sich ohne Schwierigkeit dem sowjetfreund- lichen Staatensystem einfügen wird. In Berlin ist von den Russen eine Stadtverwaltung aus Vertretern aller nazifeindlichen Parteien gebildet wor- den, und man versichert den antifa- schistischen Deutschen und nicht nur mit Worten, dass man ihnen beim Wiederaufbau behilflich sein will. Während die Russen nicht nur geo- graphische und politische sondern auch moralische Eroberungen in Euro- pa machen, gilt das Umgekehrte für die Angelsachsen, die den vergeblichen Versuch machen, sich auf die reaktio- nären, kapitalistischen und monarchi- stischen Minderheiten zu stützen. In Frankreich hat ihre Politik der Un- terstützung der Reaktion völligen Schiffbruch erlitten; in Belgien muss- te ihr Vertrauensmann Pierlot zu- rücktreten; in Italien gilt dasselbe von Badoglio, in dem man die beste Stütze der Monarchie erblickte. Auch die bis- herige Knebelung der politischen Be- tätigung der republikanischen Partei- en zugunsten der monarchistischen und halbfaschistischen Reaktion hat das gewünschte Resultat nicht gehabt. Vielmehr hat England viele Sympa- thien eingebüsst und einer radikalen Entwicklung, die man verhindern wollte, die Wege geebnet. Vermutlich wird der sozialistische Führer Pietro Nenni, dessen Betätigung man durch eine törichte Verhaftung lahmzulegen versucht hat ,der Nachfolger Bonomis werden. Auch Franco wird man kaum noch lange vor dem Sturz und Spanien nicht vor einer radikalen demokratischen Regierung bewahren können. Nur in Griechenland hat England unter dem Protest der Demokraten der aanxen DAS ANDERE DEUTSCHLAND 7 Welt mit Waffengewalt vorläufig den Sieg durchgesetzt. Frankreich sucht innerhalb des Kamp- fes, der sich um Europa abspielt, ey- ne selbständige Politik zu treiben. Wenn es aber nicht den Weg zur Schaffung einer Union sozialistischer europäischer Staaten beschreitet, auf dem es die Kräfte der Widerstands- und Freiheitsbewegung Europas, ein- schliesslich der deutschen Antifaschi- sten um sie scharen könnte, wird es nicht als Vermittler zwischen der Sow- jetunion und England zu wirken ver- mögen, sondern sich schliesslich der russischen oder angelsächsischen Mächtegruppe anschliessen müssen. So scheint sich von Europa her wie der erste und zweite, so auch der dritte Weltkrieg vorzubereiten. Die Sowjet- union kündigt grosse Manöver an, bei denen alle Errungenschaften des Weltkriegs berücksichtigt werden sol- EINE STIMME DER VERNUNFT THE* WHOLE GERMAN PEOPLE SHOULO 6E WIPED OuT FCR TH«$! De NT Foulet us Lew in "The Nation1 — Das ganze deutsche Volk müsste als Strafe für diese Schande ausgerottet werd«. — Vergiss nicht, dass einige von uns Deutsche sind, lieb«: Freund, len; Polen rüstet mit russischer Unter- stützung; die Tschechoslowakei passt ihre Armee der russischen an- Auf der anderen Seite sichern sich England und USA eine gewaltige Uebermacht zur See und in der Luft. Ein _ vom "Daily Worker" veröffentlichter Brief von H. Ge Wells weist auf die Ant!- Sowjetpropaganda hin. die von den selben reaktionären Interessen betrie- ben wäre, die nicht geschwankt hät- ten, die Nazimacht mit ihren Konzen- trationslagern aufzubauen. Fast schien es, als sollte um Triest schon der Kampf entbrennen. Es wird heute nicht zum gewaltsamen Austrag der Gegensätze kommen, aber Europa wird nicht zur Ruhe gelangen, und dauernd wird die Zuspitzung der Ge- gensätze zu einem neuen Weltkrieg drehen, falls die ökonomischen und politischen Grundlagen dieser Gegen- sätze in der heutigen Form bestehen bleiben. Das aber ist keineswegs netwendig. Wenn der 5. Juli in England die Nie- derlege der Konservativen um den Sieg der Arbeiterpartei bringt, wenn bei den Parlamentswahlen in Frank- reich die Linke siegt, wenn an die Stelle des Francoregimes ein republi- kanisch-sozialistisches Spanien tritt, wenn in Italien der frei gewordene Volkswille dem Faschismus und der Monarchie ein Ende gemacht hat, dann ist die Bahn frei für eine wirkliche Neuordnung Europas, für ein sozial!» stisches Europa, das, die besten Be- ziehungen zur Sowjetunion wie zu dem den Weg zum Sozialismus beschreiten- den England unterhaltend» Vermittler des Friedens in Europa sein kann. Dann wäre aber aueh vielleicht schon die Stunde für eine neue Weltkonfe- renz gekommen ,auf der die Funda- mente zur Organisierung einer fried- lichen Welt gelegt werden könnten. 8 DAS ANDERE DEUTSCHLAND Informator.* ZUR VORGESCHICHTE DIESES KRIEGES „Die Rüstungsindustriellen der alliierten Länder sihd heute ge- achtet und geehrt. Sie dürfen Re- den halten und Broschüren her- ausgeben über die Verdienste ihrer Gesellschaften im Kampfe um die Freiheit und Demokratie. Sie geben strenge Urteile von sich über das Los, das die bösen, aggressiven „Hunnen" erwartet, und sie warnen ihre Landsleute: lasst euch nicht einfangen von dem Gerede, dass es ein Ande- res Deutschland oder einer, anti- faschistischen „Hunnen" gir>t. Es hat immer ein Anderes Deutsch- land gegeben. Auch jetzt gibt es Millionen deutscher Antifaschi- sten, die sich heule passiv ver- halten, aber nur auf den Augen- blick warten, wo sie gegen ihre Unterdrücker losschlagen kön- nen. Aber es gab eine Zeit, gleich nach Hitlers Machtantritt, als Antinazis aller Schattierungen sich aktiv gegen die Einrichtung der neuen Ordnung zur Wehr setzten. Diejenigen, die nicht zum langsamen Tod in den Konzen- trationslagern verurteilt werden sind, wurden gemeuchelt von Na- zibanden, die mit Revolvern und Tommygewehren bewaffnet wa- ren. Wo bekamen Hitlers braune Totschläger diese Waisen her? Aus dem Arsenal der Dsmukia- tie" (Fenner Brockway und Fre- deric Mullaly, Death Pays a Di- vidend, Landen 1944, S. 106). Am 9. Januar 1933 berichtete Wil- liam Taylor, der Pariser Vertre- ter des nordamerikanischen Rü- stungstrusts Dupont an seine Vor- gesetzten in U.S.A.: „Ein lebhaf- tes Schmuggelgeschäft blüht zur- zeit unter den Flusschiffern. Waf- fen aller Art, die aus Amerika kommen, werden auf Scheide- kähne verladen, ehe die Damp- fer in Antwerpen anlegen. Man nimmt an, dass die Hitleristen ih- re Waffen auf diesem Wege be- kommen. In der Hauptsache sind es Revolver und leichte Thompson Maschinengewehre... Die Quantitäten sind gros--. . . Bis jetzt habe ich mich von diesem Geschäft abgehalten, aber ich beabsichtige, bei nächster Gele- genheit nach Hamburg zu fahren und zu sehen, ob ich mehr dar- über erfahren kann". Und zwei Der nordamerikanische Senator Barkley, der von einer Besichti- gung der Konzentrationslager zurückgekehrte, erklärte: „Das deutsche Volk hat Hitler ge- wählt und sich von ihm regie- ren lassen, und das deutsche Volk muss heute für Hitlers Taten verantwortlich gemacht werden. Es ist unmöglich, alle Deutschen zu prozessieren, aber das deutsche Volk kann in seiner Gesamtheit durch wirt- schaftliche Massnahmen be- straft werden." — Meldung der United Press vom IS. 5. 45. Tage später, am 11. Januar 1933, schreibt der Vertreter einer ande- ren Firma, Federal Laboratories, an eine New Yorker Handelsfir- ma: „Sie wünschen weitere Aus- kunft über unsere Anfrage betr. Lieferung von 4.000 Craig-Geweh- ren. Wir verbanden darüber durc einen Mittelsmann, dessen Auftraggeber in Berlin sind. Er gibt an, nicht zu wissen, wofür diese Gewehre bestimmt sind... Ausser dem oben erwähnten Po- sten an Gewehren erbitten wir Angebot über Lieferung von 7.000.000 Schuss Munition für die- se Gewehre". (Aus dem Bericht des Nye Committee, dem Parla- mentarischen Untersuchungsaus- schuss für die Rüstungsindustrie, Washington, 1934). Im Februar 1933 beginnt die Hit- lerregierung in grossem Mass- stabe Rüstungsmaterial im Aus- land zu kaufen. Die Verletzung des Versailler Vertrages störte weder die Lieferanten noch die Regierungen, die in jedem Falle Ausfuhrerlaubnis erteilen -muss- ten. Am 6. Februar 1933 lässt der Präsident der Pratt & Whithney Aircraft Co., Nordamerika, unter den Direktoren der Gesellschaft ein Memorandum zirkulieren, in dem er sagt: ,,Es ist ziemlich klar, dass Deutschland auf einem ver- nünftigen Aufrüstungsprogramm bestehen wird, das sicherlich Flugzeuge mit einschliessen wird. Das bedeutet, dass wir für die nächsten fünf Jahre mit beträcht- lichen Gewinnen aus Deutschland rechnen können". Pratt & Whitney erhielten diese Gewinne auf Grund eines Patentabkommens mit den Bayrischen Motorenwer- ken, wonach die B.M.W, für je- den Flugzeugmotor, den sie her- stellten, 200 Dollar an die ame- rikanische Firma zu zahlen hatte. Im ersten Jahr der Aufrüstung aber verhandelte Goering mit der amerikanischen Firma und be- kam einen besseren Vertrag: Deutschland zahlt eine Pauschal- summe von 50.000 Dollar im Jahr, ganz gleich wieviel Motoren her- gestellt werden. Gleichzeitig be- gann Goering fertige Maschinen aus Amerika zu kaufen, und Pratt & Whitney's Lieferungen an Mo- toren, Flugzeugen und Flugzeug- teilen an Deutschland stiegen von 6.000 Dollar im Jahre 1932 auf 27.000 Dollar 1933 und 2.100.000 Dollar 1934. Der parlamentarische Untersuchungsausschuß stellte fest, dass Goering schon im er- sten Jahr der Hitlerdiktatur aus Nordamerika allein genügend Material und Motoren bekam, um 100 Flugzeuge im Monat her- zustellen. Englische Fabrikanten» waren ebenso bestrebt, Hitlerdeutsch- land aufrüsten zu helfen. Am 24. Oktober 1933 schrieb Sir Arthur Balfour, Vorsitzender des Auf- sichtsrates der Capital Steel Works, Sheffield, einen offenen Brief an den Sheffield Daily Te- legraph: Wird Deutschland wie- der den Kriegspfad beschreiten? Ich glaube, daran ist gar 'kein Zweifel, und ich bin sogar über- zeugt, dass wir einss Tages den Deutschen die Wiederaufrüstung erlauben oder selbst ihnen das Rüstungsmaterial liefern müssen. Jetzt, wo die Russen bis an die Zähne bewaffnet sind und die Gefahr im Osten ungeheuer gross ist, bedeutet ein ungewaffnetes Deutschland eine der grössten Gefahren für den Frieden Euro- pas". Am 14. Mai 1934 gab Sir John Simon als Sprecher der eng- lischen Regierung im Unterhaus zu, dass die deutsche Regierung 80 Flugzeugmotore von Arm- strong-Siddeley Co. erhalten hat- te. Als auch andere englische Firmen anfingen, Hitlerdeutsch- land mit Flugmaterial zu belie- fern, wurde die Regierung wie- derum im Unterhaus gefragt: Ge- denkt die Regierung seiner Ma- jestät hier einzugreifen? Diesmal erhob sich Stanley Baldwin: „Die Antwort ist nein." Und so aingen die englischen DAS ANDERE DEUTSCHLAND 9 Lieferungen an Nazideutschland nicht nur weiter, sondern steiger- ten sich von Jahr zu Jahr: Natio- nal Shipbuilders lieferten Maschi- nen im Gewicht von IV2 Millio- nen Tonnen, der Havilland Air- craft Co. lieferte Tiger Moth Flug- zeuge, der grosse Rüstungskon- zern Vickers-Armstrong gab den Zeitschriften, die vom deutschen Generalstab und der Nazipartei herausgegeben wurden, ganzsei- tige Annoncen mit ausdrückli- cher Genehmigung der engli- schen Regierung. Herstellung und Verkauf von Explosivstoffen wur- de rationalisiert: die Initiative von I.C.I., dem englischen Che- mietrust, brachte ein Abkommen zustande zwischen I.C.I., I.G.Far- ben und Dupont, dem nordameri- kanischen Chemiekonzern, auf Grund dessen die drei Grossen Aktienpakete und Patente aus- tauschten und die Welt in Ver- kaufssphären einteilten. Lieferun- gen kriegswichtigen Materials an Hitlerdeutschland wurden bis zum Ausbruch des Krieges fort- gesetzt. Wir zitieren aus dem Handelsteil des Londoner News Chronicle: „Ungeheure deutsche Orders auf Gummi und Kupfer wurden gestern am Londoner Markt ausgeführt. Der Preis spiel- te keine Rolle; die deutschen Käu- fe von fast 3.000 Tonnen Kupfer trieben die Preise auf 44 £ 18 s. 9 d. die Tonne. In diesem Monat hat Deutschland schon 10.000 Tonnen Kupfer gekauft, am Lon- doner Markt allein. Das Datum dieses Zeitungsberichts: 19. Au- gust 1939. Schon Anfang 1934 wurde offen- bar, dass Hitler die Rüstungskäu- fe in England nicht bezahlen konnte. Aber englische Banken waren bereit, Hitler das Geld da- für zu borgen. Hitler veranlasste Schacht, den Präsidenten der Deutschen Reichsbank, mit Mon- tagu Norman, dem Präsilenten der Bank von England Verhand- lungen aufzunehmen. Die 1. Be- sprechung fand im Mai 1934 statt, die zweite im Juni,, als bei- de auf dem Wege nach Basel wa- ren, um an einer Sitzung der Bank für Internationale Zahlun- gen teilzunehmen. Sie trafen sich, in Badenweiler im Schwarzwald. Als Norman nach England zu- rückkam, äusserte er sich seinen Mitarbeitern gegenüber: „Eine neue Macht ist im Aufstieg be- griffen und verspricht, ein wich- tiger Faktor zur .Stabilisierung Europas zu werden, nämlich Na- zideutschland. Das Hitlerregime ist das einzige wirkliche Bollwerk gegen Sowjetrussland und gegen die Verbreitung des Kommunis- mus. Der Hitlerismus ist nicht ei- ne vorübergehende Erscheinung des Grauens, sondern ein System der Planwirtschaft, das eine gro- sse Zukunft hat". Norman riet sei- nen Mitarbeitern, Hitler in ihre Finanzpläne einzubeziehen. Nie- mand widersprach ihm ... Es ist sicher, dass Norman alles tat, was er nur konnte,"um dem Hit- lerismus zu helfen, die politische Macht zu erringen und zu be- haupten" (John Hargrace; Profes- sor Skinnen, alias Montagu Nor- man, S. 220). Montagu Norman genoss das volle Vertrauen der englischen Regierung. Er hatte den Posten eines Präsidenten der Bank von England länger als ir- gend einer seiner Vorgänger, von 1920 bis 1944, als er, 73 Jahre alt, sein Amt niederlegte. Damals, im Jahre 1934, mussten Norman und die Mitglieder der englischen Re- gierung, was das Hitlersystem bedeutete: Unterdrückung nach innen und Krieg nach aussen. Damals hatte die englische Re- gierung genaue Berichte über die Konzentrationslager und die Greueltaten, die in ihnen verübt wurden. Aber diese Berichte wur- den von der englischen Regie- rung nicht veröffentlicht. BRIEFE AND. A.D. Die Genugtuung darüber, dass beim DAD etwas geschieht, das Hand und Fuss hat, trägt dazu bei, un- ser Prestige in den Kreisen der hiesigen Emigration zu festigen. In diesem Zusammenhang teile ich Ihnen mit, dass Dr. A. Hackbarth- Valdvia. ehemals Vorsitzender der dortigen Alemanes Libres, um sei- ne Aufnahme ins LAD nachgesucht hat. Chylik (Chile). "...Die Gelegenheit benutze ich, um Ihnen für den Genuss zu dan- ken. den mir die Lektüre Ihres Blattes oft bereitet, vor allem we- gen seiner prachtvollen Gesinnung. Leider bekomme ich es nur unregel- mässig- zu lesen, da die Nummern in der einzigen mir hier bekann- ten Vertriebsstelle oft vergriffen sind". Richard Becher (Brasilien). Nazis In Coronel Suirez. Aus Coronel Suärez (Provinz Buenos Aires) wird uns geschrieben: Spricht man heute mit einem Nazi, so erklärt er einfach, Deutschland ist nicht verloren, der Führer ist bereits an einem sicheren Ort untergebracht und ebenso seine sauberen Helfershelfer, und eines Ta- ges werden die Aliados alles bezah- len, was sie Deutschland getan ha- ben. Eis ist in den Köpfen dieser Bai- liten eingegraben, dass es gar nicht anders sein kann a,s dass die Mörder- bande schnellstens Revanchekrieg rü- sten kann und wird. Es ist ja a-»ch leicht zu verstehen, dass, wenn risr Nazismus nichb endgültig ausgerottet jvird, er im Ausland viel Schaden an- richten wird, und das einzige Mittel wäre, alle die Deutschen im Auslan- de, die sich bei der Nazipartei ein- tragen liessen, nach drüben zu sen- den, damit sie sich am Aufbau des- sen beschäftigen können, was sie halfen zu zerstören. Dazu sollte .nan diesen Lumpen ebenfalls 10 Pesos Reisegeld geben, benau so wie es der Braunauer linyera mit den Juden ge- tan hat. Dann könnten diese Lum- pen sich an Ort und Stelle von dem Werk ihres Führers überzeugen. Ha- ben sie doch dadurch bewiesen, dass es ihnen hier nicht gefällt, obwohl sie hier ihr Brot verdienen, hier ih- ren Reichtum machen, warum so 1- t-en sie nicht nach drüben geschickt werden, sie haben doch zugegeben, dass sie lieber mit den Banditen drüben harmonieren, also warum soll- ten sie hier bleiben und wie bisher auch weiterhin unterirdische Wühlar- beit betreiben? Nemand hat sie ge- rufen, niemand hat verlangt, sie sol- len nach hier kommen, also wird sie auch niemand halten, dass sie sobald als möglich wieder nach ihrem ge- lobten Land zurückgehen. Was nur ein Segen für das gesamte Ausland wäre. Allen Geschäftsreisenden sollte man einprägen, keine Nazitankstellen zu besuchen, so z B. eine in Huangue- len von Otto Reidelbach ein 100 pro- zentiger Nazi, sein Vater ist im Ja- nuar 1937 von drüben gekommen und hatte seine Fotos in voller Gangstev- v.niform im Zimmer aufgehängt, er hatte natürlich einen besonderen Po- sten und wurde sicher nach hier ge- sandt um eine Mission zu erfüllen. Heute wird er wohl die Gangsterum- form tief unten im Koffer liegen hx- ben. Er selbst hat verschiedene Kai- sen mit seiner Mutter nach Bs. Ai- res gemacht und diese sind stets auf Kosten der Gesandtschaft gemacht worden. Em gewisser Roth, mayor- domo der Estancia Margarita von La- husen in der Nähe von Huanguelen ist Sturmbannführer und hatte des Oefteren mit Reidelbach versucht, in Huanguelen eine S. S. Gruppe zu gründen. Alle diese Leute sind nur eine Pestbeule für unser Land und sollten den Weg gehen, den sie ge- kommen sind. DAS DAD-BUERO ist täglich, von 5 bis 7 Uhr geöffnet, ausser Frei- und Sonntagts. ^ Wir erwarten auch Ihren Besuch' DAS ANDERE DEUTSCHLAND Chr, van Baien: KANN DEUTSCHLAND GENESEN? "Das Aridere Teutschland" hat mich gebeten, meine Meinung über Deutsch- land und seine Zukunft * auszuspre- chen. Und, ehrlich gesagt: ich tue es mit Zweifel im Herzen. Nur die Ueber- zeugung dass .wenn Deutschland überhaupt zu retten ist, diese Ret- tung am Ende kommen muss aus den Kreisen, in deren Namen "Das Ande- re Deutschland" spricht, bringt mich dazu, es zu tun. In alliierten Kreisen herrscht ein grosser Skeptizismus auch gegenber den erwähnten Kreisen, und zweifellos wird dieser Skeptizismus sich äussern in strengen Massnahmen und langer Ueber wachung. Man denkt zurück an die Tage nach dem vorigen Weltkrieg, als Sozialdemokraten und sonstige linksstehende Elemente die Macht in Deutschland übernahmen. Man erin- nert sich, dass schon in den ersten Monaten ' im "neuen" Deutschland hochgehende Streitigkeiten ausbrachen zwischen den Sozialdemokraten und den Kommunisten, und dass sich bald herausstellte, dass die neue Regierung sich auf fast allen Punkten, die im Auslande als massgebend für eine Rehabilitierung Deutschlands hätten gelten sollen, überlisten und beherr- schen liess von den Elementen, de- nen die Welt den Krieg verdankte: Jlmker, Grossindustrielle. Militari- sten. Wir wissen jetzt, dass die Neubewaff- nung Deutschlands praktisch gleich aaadh 1919 angefangen hat; dass wirtschaftlich die Grossfinanz und Grossindustrie Teutschlands Herrscher blieben; dass die Gerichte unberührt blieben von demokratischen Grund- sätzen; dass in den östlichen Grenz- gegenden Femen und Freischaren unbehelligt die Bevölkerung terrori- sierten, und dass all diese Elemente von den Zwistigkeiten zwischen den Parteien der Linken Gebrauch mach- ten, um eine Rückkehr des alten mi- litaristischen Deutschlands vorzube- reiten. Die Sozialdemokratie, anstatt ihre Revolution durchzusetzen, streb- te nach Mitschleppen der bürgerlichen Kreise, und mit diesem Zwecke vor Augen machte sie eine unendliche Reihe Konzessionen, die schliesslich so weit fangen, dass von den Errun- genschaften der Revolution nichts übrigblieb als eine blasse, marklose Mittelstand-Wirtschaft, die dei^ frü- heren Machtkreisen ein Gelachter war; *ine Regierung, welche man ver- spotten und ausnutzen und beladen konnte mit der Schuld der Fehler, die von den früheren monarchistischen Regierungen begangen waren. Der Nazismus hat in Deutschland an- gefangen schon bevor die N.S.D.A.P. begründet wurde; der Kapp-Putsch war seine erste Aeusserung und der let?,te Sieg der Arbeiter und der lin- ken Parteien. Von dem Moment bis zuin jetzigen Augenblick ist eine ge- rade Linie. Jeder, der am Wiederaufbau Deutschlands interessiert ist, muss sich darüber klar sein, dass es dem Hitlerismus gelun- gen ist, alles verhasst zu ma- chen was den deutschen Namen trägt, häufig genug dehnen Nicht-Deutsche ihr Misstrauen auch auf die deutschen Antifa- schisten aus, wie die folgende Stellungnahme des Herausgebers der Zeitschrift "Nederland" zeigt, der fraglos noch zu den wohlmeinenden Beurteilern des deutschen Volkes gerechnet werden muss. Als 1933 der Staatsstreich des Nazis- irv.is kam, waren die linken politi- sch n Parteien zu uneinig, um mit Er- folg widerstehen zu können, und die Arbeiter, die am Tage des Kapp- Putsches noch durch schnelles und einträchtiges Streiken den Putsch vereitelt hatten, liessen das grosse Verbrechen geschehen und fügten sich. Und mit ihnen die Sozialdemo- kratische Partei. Ich erwähne diese alten Geschichten, die in ihren Folgen doch noch immer neu sind, nur deshalb, um darauf hin- zudeuten, dass die Alliierten, unter denen auch mein Land, die Nieder- lande, sich befindet, diesmal gewiss äusserst misstrauisch sein werden, gegenüber ganz Deutschland, auch gegenüber den Kreisen, von denen nach meiner Meinung ausschliesslich eine künftige Rehabilitierung Deutsch- lands erhofft werden kann. Die Hoff- nung kann nicht anders als sehr be - dingt sein, und im besten Fall ge- fasst Verden in Worten wie: "Das vorige Mal habt ihr die eigene Sa- che verdorben und Deutschland ei- ner Verbrecher bände überlassen, die der Welt zum Henker geworden ist. Wenn wir euch diesmal eine neue Möglichkeit geben, wird es unter strenger und langer Aufsicht sein, und zwar nicht euretwegen, sondern unsertwegen, weil die Welt ein ein- ziger gesunder Körper werden muss, der nicht gesund sein kann, solange ein einziges seiner Glieder krank bleibt". Deutschlands Nachbarländer und ihre jetzigen Verbündeten leugnen nicht, dass auch sie ein Teil der Schuld trifft. Ihre Befriedungspolitik hat dazu mitgeholfen, Deutschlands Ver- brecherkreise hochkommen zu lassen. Aber in dem Augenblick, wo das Na- zitum sein internes Ver Drechen aus- dehnte auf das Ausland, wehrte das Ausland sich. Das deutsche Volk je- doch, im ganzen, wehrte sich nicht mehr, half sogar mit, das grosse Ver- brechen zu begehen. Ich weiss: es gab Ausnahmen, und viele von diesen Ausnahmen gehörten zu den Kreisen, aus denen "Das An- dere Deutschland" hervorgegangen ist; viele von ihnen haben gegen den Nazismus gestritten, haben für ihre .Ueberzeugung gelitten;, sind dafür in den Tod gegangen. Es machen. Sie wollten unter keinen Umständen mit der Hit- lerjugend verwechselt werden. Dar- um schufen sie sich ihre eigene Uni- form: kurze schwarze Hosen und das "Praten-Halstuch", wie sie es na in- ten, ein hellfarbiges Halstuch. In 1h- ren Lagern trafen sie andere Grup- pen von Jungens, die auch nicht in der Hitlerjugend waren oder wenig- stens versuchten, nicht an deren Ue- bungen teilzunehmen nnd für sich selbst zu wandern. Di trafen sich Gruppen aus dem Rheinland, aus Sachsen, aus Norddeutschland und aus Bayern. Viele der anderen trugen bald auch die kurze schwarze Höre und das Piratenhalstuch. Irgendwo griffen sie den Namen auf: Der Hau- fe. Freundschaften bahnten sich zwi- schen den verschiedenen Gruppen an; sie trafen Verabredungen, sich wieder !u treffen "Die nächsten Ferien wer- den wir im Fichtelgebirge oder im Harz sein." Ernst erzählte mir stolz, dass sie einen regelrechten Kongress des Haufens abgehalten hatten, zur selben Zeit, als ein grosser Nazikon- gress tagte. Was dachten die Jun- gens und was taten sie? Ernst ver- sicherte mir, dass es Haufen-Mit- glieder gab, die Bücher lasen, aber als ich ihn fragte, welche, wusste er es nicht genau — "über Russland und derartige Dinge." Es war ganz klar, dass Ernst nie ein politisches Buch in Händen gehabt hatte, aber das war nicht das Wichtige. Was den Haufen zusammenhielt, war ihr Hass gegen das Naziregime, weil c~ ihnen jede Möglichkeit nahm, eine glückli- che Jugend zu erleben. Sie hassten den Zwang, sie hassten den Drill, die heuchlerischen Reden, sie hass- ten den Krieg, von dem sie wussten, dass er kommen würde. Sie wollten frei sein. Sie wollten ihr eigenes Le- ben leben. Ernst erzählte mir, dass er 1938 mit einigen seiner Freunde auf Verlangen des Hitlerjugendfüh- rers verhaftet worden war. Nach zwei Wochen wurden sie wieder frei- gelassen. Im Frühling 1939 verlangte jedoch die SS, dass eine besondere Gestapo-Abteilung eingesetzt würde, um den Haufen zu bekämufen. In dem Gerichtsverfahren sagte ein Ge- stapokommissar als Zeuge a.r>s, dass 1939 schon im. ganzen Reich minde- stens zweitausend Jungens und Mä- dels in dieser Oppositionsbewegung organisiert waren. DAS ANDERE DEUTSCHLAND 13 PLUENDERN ERLAUBT? An der Rheinbrücke von Alten, an der holländischen Grenze, sind zwei Schilder angebracht. Auf einem steht: ,,Welcome to Holland". Auf dem an- dern: ,.This is Holland. You must not loot here". ,,Loot" heisst plündern, „rauben". Und den amerikanischen Journalisten .der uns von der Existenz der beiden Schilder an der holländi- schen Grenze erzählt, möchten wir fragen, was das eine von ihnen zu be- deuten hat. Nur in Holland soll man nicht plündern? Anderswo ist es viel- leicht gestattet? Und wir besinnen uns eines vehementen Artikels, den der PM-Redakteur Max Lerner. auch Amerikaner, geschrieben hat, um da- gegen zu protestieren, dass amerika- nische Offiziere in Deutschland ihre Leute zum Plündern ermuntert ha- ben, weil sie nur auf diese Weise ih- nen einen Hauch des Herrenstand- punktes geben konnten, der von oben In der Behandlung der deutschen Zi- vilbevölkerung angeordnet war. Die Kohlengruben im Ruhrgebiet wur- den Anfang Mai wieder in Betrieb ge- nommen. NY-Times meint, dass sie in wenigen Monaten den alliierten Be- darf in Teutschland docken und viel- leicht sogar Ueberschuss für die be- freiten Gebiete abwerfen werden. Die Arbeiten unterstehen 6 alliierten In- genieuren, die Gruben sind in Inter- essensphären der Amerikaner, Eng- länder, Franzosen. Belgier, und Hol- länder aufgeteilt worden. Die Arbei- ter und Angestellte sind Deutsche. In Aachen funktionieren Kindergar- ten und Volksschulen wieder seit dem 1. Mai unter der Leitung eines Deut- schen, der 1933 wegen ,,politischer Un- zuverlässigkeit" entlassen worden war. Für 600 Kinder wurden 25 Lehrer er- nannt, die ebenfalls Deutsche sind. Es wurde begonnen mit dem Druck neuer, vom Nazigeist freier Lehrbücher. Hö- here Schulen und Universitäten blei- ben vorerst geschlossen. Ungeklärt bleibt weiterhin die Fra- ge was aus der deutschen Industrie werden soll. Zwischen den beiden Ex- tremen (Morgenthau: Deutschland muss als Industrieland vernichtet wer- den und Londoner Economist: nach einer kurzen Periode der Bestrafung soll ihr keinerlei Beschränkungen auf- erlegt werden) erschien nun ein aus französischen Kreisen stammender Plan, über den New York Times be- richtet. Danach soll Deutschland ein gewisses industrielles Potential behal- ten, sodass es seinen Platz in der eu- ropäischen Gesamtwirtschaft wieder einnehmen kann, jedoch soll in der Zeit der Reparationslieferungen eine Kontrolle darüber ausgeübt werden, dass es keinerlei Waffen herstellen kann. Daraus ergibt sich automatisch, dass der Lebensstandard des deut- schen Volkes nicht sehr hoch sein kann. Man rechnet — immer nach NY-Times — dass das schlesische Kohlenbecken an Polen, das Saarge- biet an Frankreich abgetreten wird, während das Ruhrgebiet aus der deutschen Wirtschaft herausgenom- men werden wird. Die Franzosen möchten sich vor allem die Kontrolle der Schlüsselindustrien vorbehalten und dafür wie während der vorigen Ruhrbesetzung 1924 deutsche Organi- sationen in Anspruch nehmen. Sie meinen, dass der zentralisierte und grosskapitalistische Charakter der deutschen Wirtschaft die Kontrolle erleichtert. Die Schlüsselindustrien umfassen Stahl, dessen Produktion zu 80 Prozent unter alliierter Kontrolle sein wird, Kohle, die zu 90 Prozent kontrolliert würde. Elektrizität, deren Produktion während des Krieges ver- vierfacht wurde und das synthetische Petroleum. Der Bedarf an französi- schem Bauxit würde die Kontrolle der Leichtmetall-Industrie sehr erleich- tern. Hitlers Erbe. Es wird geschätzt, 'dass die Ernte in Deutschland in diesem, ö'ahre nur 50 Prozent des normalen Ertrages bringen wird. Herbert Leh- mann, der Leiter der UNRRA, erklär- te, dass seine internationale Hilfsor- ganisation nicht autorisiert sei, in Deutschland für Deutsche zu sor- gen. Die Nahrungsmittelsituation in Deutschland wird dadurch weiter kompliziert werden, dass ein grosser Teil der auf 9.000.000 geschätzten aus- ländischen Arbeitern im nächsten Winter wahrscheinlich noch in Deutschland sein wird. Einmal er- klären die alliierten Militärbehörden, sie müssten jeden einzelnen Fall prü- fen. bevor sie die Autorisaticn zum Verlasen Deutschlands geben. Des weiteren ergeben sich — nach einem Bericht des amerikanischen Korres- pondenten Berg Holt — vielerorts ver- zwickte Situationen daraus, dass zahl- reiche ausländische Zwangs- und Sklavenarbeiter sich in Deutschland mit deutschen Frauen verheiratet ha- ben. Aus diesen Ehen sind Kinder her- vorgegangen, die juristisch Deutsche sind. In anderen Fällen haben sich die Sklavenarbeiter geweigert, Deutsch- land zu verlassen, sodass die Militär- behörden der Alliierten die Gefahr vor sich sehen, dass in Gebieten, die frü- her nur von Deutschen bewohnt wa- ren, sich ausländische geschlossene Siedlungen gebildet haben. Eas letzte- re trifft vor allem für landwirtschaft- liche Arbeiter aus Polen, Ukraine, Russland und verschiedenen Balkan- staaten zu, die in ihrer Heimat nur einen sehr niedrigen Lebensstandard hatten. Die UNRRA konnte auch für die aus- ländischen Arbeiter nichts tun, die daher sofort nach ihrer Freiheit sich Lebensmittel beschafft haben, wo im- mer sie sie finden konnten. Den Al- liierten fällt es noch immer schwer, den Plünderungen ein Ende zu ma- chen. Das Gesicht der Zeit Morgndämmerung bei Morgenthau? In "Foreign Affairs" betont Henry Morgenthau, dass.die amerikanischen Farmer und Industrie-Arbeiter gegen die niedrige Lebenshaltung und nied- rigen Löhne in anderen Ländern ge- schützt werden müssten. Der einzige Schutz sei jedoch die Hebung der Lebenshaltung und Löhne im Aus- land- Das aber sei wiederum nur möglich, wenn die Produktivität der anderen Länder gehoben werde. Da- zu bedürften die weniger entwickel- ten Länder langfristiger amerikani- scher Kredite. Bekämen sie diese nicht, dann sähen sich die rückstän- digen Länder gezwungen, die ameri- kanischen Preise auf dem Weltmarkt zu unterbieten. Anstatt den Lebens- standard im Ausland zu heben, gelan- ge man dann zur Senkung des ameri- kanischen Lebensstandards. Wir empfehlen Herrn Morgenthau, diese schönen Theorien bei den Friedens- verhandlungen und in den darauf folgenden Jahren nicht zu vergessen. Frühlingsträume. Wie es der Faschis- mus verstanden hat, die Jugend mit Fseudoidealen für sich zu gewinnen, muss auch das demokratische Europa die Erziehung stark und bewusst ein- setzen zur Heranbildung von friedlie- benden, einander verstehenden "Bür- gern Europas". Die Jugendbildung darf nicht wieder, wie in der Vor- kriegszeit, eine nur periphere Stellung einnehmen. Die Boy Scout-Bewegung ist ein Vorbild und ihre Hilfsmittel sind: internationale Jugendlager und -schulen, Sprachunterricht, Schüler- und Studentenaustausch, Schulbü- cher mit der Tendenz des europäi- schen Gemeinsamkeitsideals. Die deutsche Jugend, — die zum grössten Teil verloren ist — muss mindestens für eine gewisse Zeit aus diesem eu- ropäischen Erziehungsprogramm aus- geschlossen bleiben. So lässt sich m der belgischen Regierungszeitschrift "Message" Dr. Z. Grabowski ver- nehmen, der im übrigen der weitver- breiteten Ansicht ist, dass die Erzie- hung der europäischen Jugend im weitesten Sinn einer der wichtigsten Faktoren ist, die das neue Europa formen werden. Abgesehen davon, dass der Pessimismus bezüglich der gesamten deutschen Jugend unbe- rechtigt ist, klingen uns die prakti- schen Vorschläge Grabowskis altver- traut. Auch nach dem ersten Welt- kriege forderte man begeistert und laut dasselbe, verwirklichte auch ei- nen Teil dieser Forderungen, bis auf die Frühlingsträume der Reif der po- litischen Wirklichkeit fiel. Sie lehrte uns dass es eine Erziehung im luft- leeren Raum nicht gibt. Erziehung ist ein Teil der Gesamtstruktur der Staaten, abhängig und geleitet von den Interessen der wirtschaftlichen Gruppen, die die Staatsmacht aus- üben. Alle schönen Ideale und Pro- jekte sind darum zum scheitern ver- urteilt, solange diese Macht in den Händen derer bleibt, deren Interessen sich mit den Zielsetzungen der mo- dernen Pädagogen nicht decken. "Eu- ropäische Bürger" haben ein poli- tisch geeintes Europa ohne kapitali- stische Profitsucht zur Voraussetzung. An diesem — etwas heiklen — Punk- te gehen die Grabowskis leider mit Stillschweigen vorbei. Wahlen in England. Churchill hat durch sein Ultimatum an die Arbei- terpartei vorzeitige AVahlen für den nächsten Monat provoziert, da er da- von bessere Chancen für die Konser- vativen erwartet. Die Arbeiterpartei zieht geschlossen von Bevin bis Be- van in den Wahlkampf mit dem Ziel, die Macht zu erobern. Das Exekutiv- jomitee hat die Parole herausgege- ben: Nie wieder Koalition mit den Konservativen. Laski hat vor der Delegiertenver- sammlung erklärt, es gehe um den Kampf zwischen Privatinitiative und Monopolismus auf der einen und So- zialismus auf der andern Seite. Mir ein sozialistisches England könne die Ziele erreichen, für die man den Krieg geführt habe. Es handle sich, um eine Wahl zwischen Vergangen- heit und Zukunft; eine Wahl zwi- schen der alten Welt, die dem Nutzen einiger Weniger gedient habe, und der neuen Welt zum Nutzen der gro- ssen Mehrheit. 14 DAS ANDERE DEUTSCHLAND JOSEF WIRTH — UNGEEIGNET Die von Einern deutschen, demokratischen Komitee in der Schweiz ver- breitete Erklärung, zu deren Unterzeichnern der frühere Reichskanzler Josef Wirth gehörte, und die offensichtlich den Zweck verfolgte, sich an mass- gebender Stelle in Erinnerung zu bringen, veranlasst uns, daran zu erinnern dass die von Emile Bur6 geleitete Pariser Tageszeitung "L'Ordre" am 22. Oktober 1939 das Interview einer Redakteurin dieser Zeitung mit Jo.sef Wirth veröffentlichte, das einige Monate vorher in Luzern gegeben worden •war. Darin erklärte Wirth u. a. Meine Situation gegenüber der Hitler-Regierung ist völlig klar. Ich habe meine Reichsfluchtsteuer bezahlt und daher ist mein Pass immer ohne die geringste Schwierigkeit visiert worden. Ich stand in Verbindung mit Alfred Rosenberg, der dafür gesorgt hat. dass die Angriffe sehr bald aufhörten, die die naticnal-sozialistische Presse bald nach der Machtergreifung gegen mich richtete. Was die Wiederaufrüstung Deutschlands angeht, so hat Hitler nur das Aufrüstungsprogramm fortgesetzt, das von der Weimarer Republik be- gonnen worden war. Ich persönlich bin in grossem Masse für diese Vorberei- tungsarbeit verantwortlich. Wir hatten gegen zwei Fronten zu kämpfen, ein- mal gegen die Separatisten im Westen, dann gegen die Polen im Osten. Tie grosse Schwierigkeit bestand darin, dass wir unsere militärischen Arbeiten vor den Alliierten zu verstecken hatten. Ich musste daher immer höflich und unauffällig vorgehen. Was den Friedensvertrag von Rapallo angeht, so wur- de er unterzeichnet, während ich Kanzler war. Seine Grundlage war die mi- litärische Zusammenarbeit, sein Ziel die Teilung Polens im gegebenen Mo- ment. Wir hatten die Hoffnung, dass England neutral bleiben würde und suchten Frankreich zu beruhigen. Dagegen gestattete uns der Vertrag von Rapallo, in Russland die militärischen Experimente auszuführen die der Friedensvertrag von Versailles uns verbot. Unter der Leitung General Seeckts konnten diese Experimente durchgeführt werden und wir konnten uns ge- naue Kenntnis über Flugzeuge. Tank5, Gaskrieg usw. verschaffen und darü- ber hinaus den praktischen Wert von Verbesserungen und neuen Erfindun- gen ausprobieren. Als Hitler an die Macht kam, hatte er es viel mehr mit der Quantität als der Qualität der deutschen Wehrmacht zu tun. Die wirk- liche Reorganisierung war unser Werk. Was aber die Reparationen angeht, so ist es nicht wahr, dass die Weimarer Republik Erfüllunsspolitik getrieben hat. Ganz im Gegenteil, ich bin es gewesen, der sich geweigert hat, weitere Peparation^nhlunsen zu leisten. Unseres Wissens ist dieses Interview nie von Dr. .Josef Wirth widerrufen werden. Das ist. neben anderen, einer der Gründe weshalb wir ihn für abso- lut ungeeignet halten, jetzt oder in Zukunft öffentlich aufzutreten. W?s geht In Italien vor? In Oberiti- lien wächst die M'sstimmun» ge"rn die Alliierten, da dir^e d'e faschisti- schen Elemente freien die Freiheits- bewegung unterstützen, die an der Abrechnung mit faschistischen Ver- brechern gehindert wird. Hundert- prozentige Faschisten hat man nicht nur an der Leitung der Scala, sondorn auch an der Spitze der Luftwaffe belassen. Die von den Engländern nrt Waffen versehene "Brigada de Mauri" hat nie gegen Nazis und Fa- schisten gekämpft und setzt sich aus Faschisten und Monarchisten zusam- men so urteilt der amerikanische Korrespondent Donald Down es, der berichtet, er sei gefragt worden, ob das amerikanische Volk glaube, Imss die Freiheit skämpffir unter d?n furchtbarsten Bedingungen gegen die Nazis gekämpft hätten, um die Fa- schisten und die königliche Familie zu beschützen. Sozialisten, Kommu- nisten und Aktionspartei fordern den Rücktritt Bonomis und die Neu- bildung der Reg'erunü. für der--n Präsidentschaft der Führer der So- zialisten Pietro Nennt vorgeschlagen wi^d. Das würde energisches Vorge- hen gegen die Faschisten und Halb- fasch'sten und gegen die schuldige Monarchie bedeuten. Die schnell wieder rückgängig ge- macht* Verhaftung Pietro Nenni.s dürfte nicht nur die Popularität der Linken in Italien erhöhen, sondern auch bei den englischen Wahlen Mr. Churchill einige Zehntausend Stftn- msn kosty. Goldene Regel für die Erzieher. "Die AI Vierten müssen den Deutschen be- weisen, dass die Sieker keine blutdür- stigen Ang: eifer sind v.nd auch kei- ne Uebernationalisten noch Monier, die Zivilisten grundlos umbringen, noch Diebe, wie es die früheren deut- schen Regierenden waren. Sie müs- sen auch beweisen, dass die Demo- kratie und die Organisation der Welt in einem Klimagegenseitiger Hilfe und Verständnisses keine Gefühlsdu- selei darstellt, sondern etwas Wirkli- ches, Praktisches und Dauerhaftes. Wenn die Alliierten das nicht fertig bringen, werden Millionen von Solda- ten vergeblich -gestorben sein." — Das sagen nicht wir, sondern der amerikanische Korrespondent Howard Owen. U. H. A. ELi amerikanischer Leutnant ist der Vater der Idee, die U. H. A. zu gründen: United Hates of Ameri- ca. Alle Amerikaner, die die Deut- schen hassen. — meint er —. könn- ten sich zusammentun mit den wei- ssen Amerikanern, d!e die schwarzen Amerikaner hassen, mit den christli- chen, die die jüdischen Amerikaner hassen, mit den Newyorkern, die die Leute ai'S dem Süden hassen, usw. Sie könnten dafür eintreten, dass al- le Verhassten an den richtigen Oft abtransportiert werden, die Juden nach Palästina, die Deutsch-Ameri- kaner aus Pennsylvanien in ihr "V x- terland", die Neger nach Afrika und so fort. Es könnten auch alle auf- genommen werden, die Kinder, Nach- barn, Hunde oder Katzen hassen und als Ehrenpräsident der Liga müssäte jsner Grösste aller Masser und Apo- stel der Rassen-Ueberheblichkeit er- nannt werden_ der Adolf Hitler hiess. Gegen Militärdienst. Die "National Education Association" hat zusammen mit der "National Association of 8e- cundary School Principals" 3800 Schulinspektoren. Direktoren und Lehrer über ihre Stellung zur Beibe- haltung der Militärdienstpflicht be- fragt. Rund Zweidrittel der Befrag- ten erklärten sich gegen die Dienst- pflicht . Sie stellten sich damit in ei- le Reihe mit den Gewerkschaften, die erklären, dass die Beseitigung von Wirtschaftsdepressionen und Arbeits- losigkeit das beste Mittel sei, um die Jugend im Notfall für den Kriegs- dienst tauglich zu machen. Vor allem wollten sie aber die Vorbereitung für e'nen dauerhaften Frieden, anstatt fit" einen neuen Krieg. Und der Ge- werkschaftsführer Harvey M. Brown erklärte noch deutlicher: "Wenn wir um unser nationales Wohlergehen be- sorgt sind . . ., dann müssen wir an die Wurzeln unserer sozialen und öko- nomischen Probleme gehen und dür- fen nicht unsere Zuflucht zu Täu- schung und Camouflage nehmen". Rnche- eder Dauer-Frieden? "Wer gegen einen Rachefrieden ist, ist da- mit noch nicht für eine Vertuschung oder Vergebung der Nazischuld oder dafür, dass diejenigen. die verantwort- lich sind für Massenmord an "Nicht- Ariern", straffrei ausgehen sollen. Er ist vielmehr für eine klare Unter- scheidung zwischen Nazibeamten und dem Volk, das man im Unklaren liess über die schlimmsten Sünden seiner Herren. Andere Betrachtungen be- treffen den Grad, in dem das deut- sche Volk unter dem Krieg und den Vemichtungsbomba rdements leidet — eine Tatsache, die den verstorbenen Erzbischof von Canterbury stark be- wegte -— und, was meines Erachtens von grundlegender Bedeutung ist, die einfache Wahrheit, dass wir wählen müssen zwischen der Rache an gan- zen Völkern und einem dauernden Frieden. Wir können nicht beides ha- ben." (Norman Thomas, Präsident der Sozialistischen Partei in U.S.A.). Neuer Vorwand benötigt. Die berühm- ten militärischen Notwendigkeiten können nicht mehr ins Feld geführt werden. Es bedarf daher eines neuen Vorwands, mit dem die englische und amerikanische Regierung begründen kann, warum sie immer noch das Schosskind und den Verbündeten Hit- lers und Mussolinis und den Führer der blauen Legion dulden. Seine "Amnestie" und seine Einladung au die Emigranten sind von den spani- schen Republikanern sofort als Lüge und Betrug zurückgewiesen worden Daraufhin hat er sich durch wiMe Angriffe und Schmähungen gegen die Emigration aufs neue selbst entlarvt. Die Einigungsverhandlungen zwischr-a Jen Republikanern mit dem Ziel, eine 3-egenreigierung zu bilden, schreiten fort. In Frankreich wird immer ener- gischer der Abbruch der Beziehungen au Franco verlangt. 15 Neue Bücher DAS ANDERE DEUTSCHLAND E. S. Hannseri — La Paz: ZEITGEMAESSE BETRACHTUNGEN Es gibt Din&e, die an sich nicht un- erlaubt sind, gegen die kein geschrie- benes und gesetzliches Verbot besteht — das sind die Hinge der Sehieklieh- lteit. Schon die altehinesischen Wei- sen haben behauptet, es gäbe zur Er- fassung- des Innengehalts eines Men- schen keinen zuverlässigeren Mapstab, als die Prüfung1 seines Verhalten« in Dingen der Kchicklichkeit. Und es gibt auch eine politische Schicklichkeit. Auch in der Politik sind die Begriffe der Gesetzlichkeit und Rechtlichkeit nicht identisch mit denen der Schick- lichkeit. Die letzteren gehen weiter und Sind feiner. Es kann gar manches wedep als ungesetzlich noch rechts- widrig im weiteren Sinne angefochten werden und dennoch als unschicklich gelten müssen. Das Sohicklichkeitsge- ftihl ist zu individuell und viel zu mannigfaltig, um eine gesetzliche Regelung zu ertragen. Der ständige Beobachter des öffentlichen Lebens muss leider feststellen, dass das ge- sunde Empfinden für das instinktmäs- siff Angängige und Statthafte keines- wegs mehr das Tun und Lassen selbst bedeutender Männer und führender Personen allgemein bestimmt. Jede öf- fentliche BeUmtung ist ihrem ganzen Wesen nach keine beauftragte und fei- erlich verpflichtete Wahrnehmung der öffentlichen und allgemeinen Inter- essenes kann sich in ihr und darf sich um nichts anderes handeln, als "das allgemeine Wohl zu fordern, des Volks und Landes Schaden zu wenden und zu Nutz und Frommen aller in gleichen Teilen da zu sein'', wie es- in einer uralten Eidesformel heisst. Män- ner ohne politisches Kchicklichkeitsge. fühl, dieses Minimum aristokratischer Empfindung, das auch für einen Erzde- mokraten im öffentlichen und privaten Leben unerlässlich ist, sind für ein Volk kein Gewinn. Politiker, die den Aberglauben haben, ihre Würde liege in ihrem Amte und nicht in ihrem po- litisch schicklichen Verhalten — sind arme Leute, es fehlt ihnen, was der einfache Mann aus dem Volke nicht missen möchte. Jede Revolution hat die Entfaltung ihrer Sturmfahne vor den Instanzen des Gewissens und der Vernunft noch immer mit der Erklärung gerechtfer- tigt, dass sie die lange, tief und all- gemein gestörten Gleichgewichte im Staate wieder herzustellen beabsich- tige. Die Wiederherstellung des ge- störten Gleichgewichts der Geltung im Staate war immer ihre vorausgesetzte Rechtfertigung' und nur das Werk den- jenigen Umwälzungen blieb von lan- gem Bestände, die eine solche Wieder- herstellung wirklich vollzogen und damit sich legitimiert haben. De-; Gleichgewicht der Pflichten und Rech- te der einzelnen Staatsglieder und Volksklassen gegen einander ist die Grundlage einer vernünftigen Gesetz- gebung, also das wichtigste, wenn auch schwerste Kapitel der Lehre von der Staatskunst. In Deutschland hatte man allzusehr die realpolitischen An- ordnungen vom idealpolitischen Den- ken emanzipiert und die Entwicklung der öffentlichen Angelegenheiten, statt nach den Richtmassen historisch be- währter Prinzipien, bloss mehr nach dem Empfinden augenblicklicher Be- dürfnisse zu ordnen angefangen. Man kann sich bereit finden lassen, einen neuen Wohlfahrtsstaat ebensosehr wie den alten Rechtsstaat anzuerkennen, wenn die Staatsmänner und Politiker beweisen, dass sie die Konsequenzen der Entwicklung überdacht und das System logisch erfasst haben. Abel vorher möchte man doch gerne wissen, wie man sich das Ende von dem denkt, für dessen Anfang man s-ich begeistert hat. Es gibt da nur zweierlei: entwe- der Rückkehr au den Ungleichheiten der Geltung im Staate, oder aber Lin- stellwng des Staates und Volkes den Staatssozialismus. Ob so oder an- ders, ob im Sinne einer Reaktion oder eines Fortschrittes, bedeutet es ein Verlassen des Bodens von 1848, das Betreten einer völlig neuen Bahn; aber weder die Bahn noch ihre Betretung' sei angefochten .wenn man uns Ge- wissheit (Iber die Endziele bietet, de- nen sie entgegnführt. Der republikanische Gedanke in Deutschland war nie zum bürgerlichen Programm geworden. Das Gefühl für bürgerliche Freiheit, das in Holland und in England stark und gut auch unter der Monarchie leben und sich entwickeln konnte, fehlte in Deutsch- land. Der grosse Freiheitskampf der Niederländer gegen die spanische Knechtschaft ist nur siegreich gewe- sen durch den Freiheitssinn des nie- derländischen Bürgers, die Schweiz ha: ihre Geschichte dem Freiheitssinn ih- ren Bauern und Bürgern zu verdan- ken — in Deutschland ist die Ge- schichte eine Geschichte der Fürsten. Die grossen Freiheitskämpfe der Deutschen, der Bauernkrieg' im lti. ■Jahrhundert und die bürgerliche Re- volution des lti .Jahrhunderts sind bei- de gescheitert. Die deutsche Republik war keine Herzensangelegenheit des Bürgertums. Nach dem .Zusammen- bruch nahm die Sozialdemokratie die Zügel auf; aber sie hatte keine über- ragenden Persönlichkeiten und sie holte sich Hilfe bei den Kreisen, die die Republik hassten. Dann kamen die finanziellen Schwierigkeiten in Deutschland, die den Sinn für die gros- se politische Linie trübten und das persönliche Portemonnaie in den Vor. »1 ergründ aller Erwägungen schoben. Eine ganze Reihe besonderer Verhält- nisse war tätig- gewesen, um das klei- ne Pflänzlein freiheitlicher Gesinnung zu ersticken, und wenn es bis heute noch nicht erstickt ist, ^o ist das ein grosses, gar nicht zu überschätzendes Verdienst der wenigen wirklichen deutschen Demokraten, die seit Jah- ren einen verzweiflten Kampf führen. "Man muss sich die Taasache vor Au- gen halten, dass die Grundsätze der Freiheit, der Würde, der Gemeinsam- keit zwischen den Menschen, die mit dein Worte "Demokratie" nur unge- nügend zusammengefasst werden, in den jetzten Jahren zweifellos an Gel- tung und Kraft verloren haben; der platte Materialismus, die Verachtung der Idee haben sich .politisch als Reak- tionserscheinung der Kriegsepoche durchgesetzt, sowie sie sich kulturell und geistig' überall ausdrückt. Jeder, der noch aus anderen Zeiten kommt, spürt dies. Das Geistige wird gering geschätzt, das Gefühl der Form, die immer einen Inhalt voraussetzt, hat gelitten. Aus dieser Erschöpfung ei- ner Epoche, die innerlich Bankerott gemacht hat, ist das Streben nach neuen Formen, ist Bolschewismus und Faschismus entstanden. Jeder fühlt, dass wir zwischen zwei Epochen ste- hen: die alte der enggezogenen ein- zelnen Staatsindividualitäten, die wir für sich allein lebten und deshalb mit anderen zusammenstoßen mussten, hat aufgehört. Die verfälschte äusseriiehe Demokratie von einst hat sich als le- bensunfähig erwiesen; sie konnte nicht verhindern, dass überall gehei- me Mächte die Drähte zogen und die Völker lenkten. Der neue Weg muss zur Selbffterz'iehung jedes einzelnen führen. Es ist sehr viel Zündstoff in der Welt, die Uebertreibung der wirt- schaftlichen Abschliessung, die unge- heuerlichen und unsittlichen Verschie- bungen zwischen den Staaten, die häss- lichen Vergewaltigungen der Minder- heiten müssen nicht bloss den Men- schenfreund betrüben, sondern auch den nüchtern Denkenden mit Sorge er- füllen. — Das sind Fragen, denen man nachsinnt, wenn man abends nach redlich getaner Arbelt das Licht aus- löscht. [n "Armed Resistance of the Jews in Poland" Jacob Apenslak und Moshe Polakiewicz haben das noch sehr un- vollständige Material über die Revol- ten in den polnischen Ghettos zur Zeit der Nazi-Besetzung und über die Teilnahme der Juden am Warschau- er Aufstand zusammengestellt, aus dem hervorgeht, dass die Wider- standsbewegung der polnischen Ju- den vorwiegend von Vertrauensmän- nern der Arbeiterparteien geleitet wurde. (Herausgeber: Am. Fed. tor Polish Jews, New York). Pedro de Basaldua: "Con los alema- nes en Paris" (Ed. Vasca Ekin, Bue- nos Aires) Der Autor, der als Sekre- tär des Baskischen Staatspräsidenten eine wichtige Funktion im spanischen Krieg innegehabt hat, berichtet in diesem Tagebuch über seine Erlebnis- se und Eindrücke im Frankreich zur Zeit der Besetzung durch die Nazi- Truppen. Wer die Geschichte des be- setzten Frankreich studieren will, wird an diesem Buch nicht vorüber- gehen können. Who's who in the allied Covernments (Allied Publications, London) Auf 180 eng g lullten Seiten werden die massgebenden Persönlichkeiten in al- len Regierungen aufgeführt. In vis- ,en Fällen schliesst sich eine Biogra- phie der Erwähnten an. Erfreulich st, dass auch die deutschen antifa- schistischen Gruppen in London auf- geführt sind. Von der norwegischen Regierung er- hielten wir die folgenden Werke, die für das Studium des Landes zur Zeit der Besetzung wichtig sind: "Die nor- wegischen Lehrer bleiben fest", "Die Gestapo in Norwegen an der Arbeit", "Hitler greift Norwegen an" und "Der Kampf der norwegischen Kirche fce- gen den Nazismus". Gabriel Chevallier: "Clothemerle" (Hachette, London) Es ist erfreulich, dass unter den wenigen Büchern, le- ren Nachdruck in französischer Spra- che in England vom Nationalen Be- freiungskomitee erlaubt worden -:st, sich dieses Buch befindet, das wie kein anderes charakteristisch ist für das französische Land vor dem Krieg. Mit beissender Ironie prangert Che- vallier die Verhältnisse an, die schliesslich zum Zusammenbruch führten. Henry Hoke: Black Mail (Readirs Book-Service, New York) Der Autor gewährt interessante und bisher un- bekannte Einblicke in die Arbeit dsr 5. Kolonne in Amerika. EDUCATIONAL RECONSTRUCTIöN IN PEOPLES POLAND (Ed. Payne Educational Sociology Foundation, New York) Die 32 Seiten umfassen- de Broschüre enthält ein Erziehungs- programm, wie es von der illegalen Polnischen Arbeiterbewegung in Zu- sammenarbeit mit der illegalen Polni- schen Lehrergewerkschaft ausgea:- beitet werden ist. 16 DAS ANDERE DEUTSCHLAND -Dr«Juan !.o::mann Ägus t in -; vares 2565 Flor: *a -F:: 'i\ Aus der Arbeiterbewegung CORREO ARGENTINO Sucursäl 58 (San Martin) FRANQUEO PAGADO CONCESION No. 3096 TARIFA REDUCIDA CONCESION No. 2808 Erste freie deutsche Gewerkschaft. Bergarbeiter in Alsdorf bei Aachen haben die erste freie Gewerkschaft in Deutschland gegründet. Sie for- dern onter anderm die Beseitigung aller Nazis aus den öffentlichen Aem- tern, die Reinigung der Schulen von den Nazilehrern und die Wiederher- stellung der 40 Stunden-Woche. Holland. Die freien Gewerkschaften mit 322 000, die katholischen mit 206 000 und die protestantischen mit 120 000 haben ein Abkommen über ständige Zusammenarbeit geschlos- sen und gemeinsame zentrale und lo- kale Kommissionen gebildet. Südafrika. Die beiden massgebenden Gewerkschaften Südafrikas haben ih- re Vereinigung beschlossen. Frankreich. Bereits vier Monate nach. BESTELLSCHEIN (ausschneiden und einsenden) Senor JUAN CARL, Tucumän 309 Buenos Aires Der Unterzeichnete bestellt ab..................... die Zeitschrift DAS ANDERE DEUTSCHLAND. Der Abonne- mentspreis in Höhe von 6 Pesos und eine Spende von....... Pesos für den Kampffonds bitte ich, bei mir monatlich, viertel- jährlich kassieren zu lassen — liegt diesem Briefe als Scheck, Giro, Bona Postal bei. Name und Vorname . ..................f",........... Strasse und Hausnummer.............. .......... Ort.............................................. (bitte leserlich schreiben) CASA RÜBENS Ferien, und Erholungsheim für Kinder und Erwachsene Colonia Valdense Depto. Colonia Urugfuay Cosa Filatilica — DB — ROBERTO POMMER eempr» y venta de estamplllaa para colccclfin EIEOONQ1ISTA 206 — Bs. Aires 17. T. 33 (Ar.) B7SS DER VEREIN "VORWAERTS" IST SEIT SEINER GRUENDUNG IM JAHRE 1882 EIN DEMOKRATI- SCHER UND UNABHAENGIGER VEREIN Vereinshaus: AUSTRIA 2064 U. T. 72.6058 Sport und Landheim: QUINTA "LA PERLITA" Quilmes, 12 de Octubre 1100 U. T. 203 - 211 der Befreiung Frankreichs, wies die freigewerkschaf i 1 ; ZentraU (Con- fedäration G6nerV;;? du Travail) vier Millionen Mitg:?ed;-:r gegenüber dvei Millionen bei Krifgsbeginr auf. Hier- bei ist noch zu b tücksichtigen, dtns Millionen französiu'he- Arbeiter sieh noch als Kri? schloss ein diesbe- zügliches Abkommen, das als ein Bollwerk gegen das Wiederaufkom- men des Faschismus angesehen wird. Irland. Bei ihrem 50jährigen Beste- hen zählt die irische Gewerkschafts- organisation 187 ODO Mitglieder. KOFFER-, HANDTASCHEN., SCHUH- Jteparaturen, fachmännisch und gut. Wir cholen aus dem Haus ab. Brun» Zlelke, Amennbar 1031, U. T. 73-1245. i I i A. A. b A. I \ ENRIQUE U. CORONA MARTTNEZ | | ABOGADO j • I- AVALLE 11Z6S V. T. 35 - 3853 I B DAS GUTE IM 'd m B ■ ■ ■ m sei Cobi Brot Telei. Anruf U. T. 51 - 6034 « Vt m Soeben eingetroffen! AUSTRI AN LABOR INFORMACION New York Zentral.Or^aii der österreichi- schen Sozialisten in deutscher Sprin-he. MIT DER BEILAGE FREIE TRIBUENE des internationalen Sozialismus Hersiiig&cK'eben von Wilhelm Ellenbogen. 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