O T RA ALEMA DAS ANDERE DEUTSCHLAND 1111 " i i i ^ AUS DEM INHALT: Robert Brousson: LA RECONSTRUCCION DE HAMBURGO DIE WAHRHEIT UEBER BUCHENWALD i Jon Levcik: SOLIDARITAET IM TODESLAGER Hannah Ahrendt: DAS „DEUTSCHE PROBLEM" IST KEIN DEUTSCHES PROBLEM Hermann Serner: ENGLAND VOR DER WAHL Louis de Brouckere: EIN UNGLUECKLICHES KOMPROMISS Hans Lehmann: DER BARUCH-PLAN — EIN SYMPTOM NACHRICHTEN AUS OESTERREICH BERICHTE AUS DEUTSCHLAND BUENOS AIRES • TUCUMAN3py • 31 RET IRQ. 7 2 6 4 NUMERO 9 7 4 # 1 ° D E J U L I O _ D E A1 9 4 5 • ... A N O 1 1^ t DAS ECHO Deutschs BIlUoHiek I Frerikiuit ern M.iin I ' *—---DAS ANDERE DEUTSCHLAND IN EIGENER SACHE! DAD wird von der nächsten Nummer ab eine weitere Bereicherung seines Inhalts erfahren. Wir haben mit "PM", einer der grössten. Tageszeitungen New Yorks, ein Abkommen geschlossen, demzufol- ge uns der gesamte Nachrichtendienst dieses fortschrittlichen und völlig unabhängigen Blattes zur Verfügung stehen wird. ein Blatt, das frei ist von allen Bindungen an die grossen Nachrichten- konzerne, verfügt in allen bedeutenden Städten der Welt über ei- nen Stab eigener, fortschrittlicher Korrespondenten, deren Informa- tionen — besonders über Deutschland und Oesterreich, nun auch unseren Lesern zugängig sein werden. Mehr als bisher werden Sie im DAD lesen, was Sie sonst an keiner anderen Stelle finden. In unserer Erklärung, die in Nummer 95 veröffentlicht wurde, forderten wir unter Anderem die Aburteilung "aller Personen, die an Entstehung, Tätigkeit, Finanzierung, Protektion, Machtergreifung und insbesondere an Volksverführung, Mord, Terror, Raub, Massen- verschleppung, Minderheitenentrechtung, Besetzung fremder Län- der, Misshandlungen, Freiheitsberaubung, Kriegsanstiftung, -Vor- bereitung und -Führung leitend beteiligt gewesen sind, oder die in Ausführung faschistischer Befehle sich unmenschlich und grausam gezeigt haben." Weiter verlangten wir die Strafverfolgung der SS- und Gestapebeamten. Nicht nur die Deutschen drüben, nicht nur die alliierten Un- tersuchungsbehörden, sondern auch alle im Ausland lebenden Freunde eines anderen, besseren Deutschlands können beitragen zur Sammlung der notwendigen Unterlagen. Wir rufen darum unsere Leser auf, uns so bald und so vollstän- dig wie möglich alle Ihnen bekanntgewordenen Taten zu melden deren Bestrafung in unserer Aufklärung gefordert wird. Erwünscht sind insbesondere folgende Angaben: Beschreibung der Straftat, Zeit und Ort der Tat — Name, Amt und 'letztbekannter Wohnort des Täters — eventuelle Tatzeugen — Namen des oder der Geschädig- ten — Unterschrift und Adresse des Melders. Alle Meldungen werden vertraulich behandelt. Hier liegt eine der wenigen Möglichkeiten, von hier aus an der Schaffung der Vorbedingungen für den Aufbau eines neuen ge- läuterten Deutschlands mitzuarbeiten. Helfen Sie dabei! Schreiben Sie uns gleich! Alle deutschen Arbeiter und Angestellten, die in Deutschland freige- werkschaftlich organisiert waren oder auf frei-gewerkschaftlichem Boden stehen, werden gebeten, sich schriftlich unter Angabe eines ausführlichen Berichtes über ihre frühere Tätigkeit zu melden bei Dr. August Biemsen, Tucumän 309, Buenos Aires. Aus den verschiedensten Teilen •Deutschlands, sowohl dem von den Russen als auch von den Engländern .und Amerikanern besetzten Gebieten •liegen Berichte vor, aus denen er- sichtlich wird, dass die deutschen An- tifaschisten trotz aller niederschmet- ternden Erfahrungen der letzten 12 Jahre und der letzten Monate nicht müde geworden sind. Sie legen Hand ans Werk und führen sich! Mit Er- staunen berichtet ein Time-Kcrres- pondent, dass die Apathie, der er in Prankreich, Belgien und "Holland ge- funden habe, in Deutschland nicht zu merken ist. Wie selbst unter den höl- lischen Verhältnissen von Buchen- wald deutsche Antifaschisten zu- sammen mit Insassen anderer Natio- nalität konstruktive Aufbauarbeit ge- leistet haben, möge der Leser aus dem in dieser Nummer veröffentlichten Bericht eines englischen Gesinnungs- freundes ersehen. Nach Lage der Dinge sind die Ar- beitsmöglichkeiten der deutschen An- tifaschisten in Südamerika be- schränkt. Aber wir stellen mit beson- derer Genugtuung fest, dass auch in unseren Reihen Aktivität herrscht. Erfreulich gross ist die Zahl derer die Sammellisten angefordert haben, um für das Prankreich-Hilfswerk zu sammeln. Und einem Vorschlag aus unserem Freundeskreise folgend, hat DAD jetzt eine Kampagne zur Ge- winnung neuer Abonnenten und Le- ser eröffnet, die ebenfalls ein für den Anfang erfreuliches, Echt, gefun- den hat. Diese Zeitschrift Ist die stärkste Waf- fe im Dienste der antifaschistischen Sache, über die wir verfügen. Sie muss stärker als bisher verbreitet werden. Und wir hoffen, dass die Zahl unserer aktiven Helfer sich in den nächsten vierzehn Tagen, bis die neue Nummer erscheint, weiter er- tiöht haben wird. Im folgenden Auszüge aus einigen eingegangenen Briefen: Ich bestelle drei neue Abonnements. — Gustav Lange, Capital. Senden Sie mir 5 Exemplare mehr. — Hans Bertschi, Capital. Ich bestelle 5 neue Abonnements. — Otto Bernhard, Cap. Senden Sie mir 5 Exemplare mehr. — C. Ziegler, Capital. Ieh bestelle ab sofort 2 neue zusätz- liche Abonnements. — E. B. Lantis. Wibel Postscheck für 5 vierteljähr- liche Probe-Abcnnements für Wie. dlererziehbare. — j. R., Cordoba. DAD im neuen Format gefällt uns sehr gut. Meine Freunde und ich bewundern Eure Tatkraft und wün- schen, dass der Erfolg nicht ausbleibt. , Unsere Mitarbeit kann nur be- schränkt sein. Sie muss vor allem in einer grösseren Verbreitung von DAD bestehen. Es geht langsam, aber für •heute haben wir 1 neuen Abonnenten gewonnen, nachdem wir mit dem Ein. faeiverkauf der Sondernummer die ^ersten Erfolge hatten. Wir sind z. Zt. in der Yerbaernte und von morgens früh bis abends spät bei der Arbeit. Aber trotzdem vergessen wir DAD nicht. — Hans Müller, Col. Liebig (Misiones). Wir sind mitten in der Baumwollern- te und haben wenig Zeit. Nur kurz: wir sind mit DAD ganz und gar ein- verstanden, besonders mit dem stän- digen Hinweis, dass deutsches Volk und Nazis nicht in einen Topf ge- worfen werden dürfen. Beiliegend Be- trag für 20 neue Abonnements. — C. D., Villa Angela, Chaco. Ich brauche 5 DAD mehr. — Erich Jaeger, La Falda. Es gibt hier nur wenige Teutsche. Sie waren alle Nazis und ich unterhalte daher keinerlei Beziehungen zu ih- nen. Um Ihnen meinen guten Willen au zeigen, füge ich 5 Pesos für den Pressefonds bei. — A. S„ San Luis. Ich bestelle 3 Exemplare mehr. — E. L„ Capital Wir brauchen 10 Exemplare mehr. — P. O., Bariloche. Mit grosser Freude haben wir die neuen DAD-Hefte gelesen. Wir sind dabei, den Leserkreis zu erweitern. — Curt Uebel, Rio de Janeiro. Wir bestellen 40 neue Abonnements. — DAD-Santiago (Chile). Gottfried Hilgers feierte dieser Tage das oubiläum seiner 25jährigen Zu- gehörigkeit zum Redaktionsstab den "Argentinischen Tageblatts". Gott- fried Hilgers, der früher Vorsitzender des "Reichsbanners" war, war. auch einer der ersten Freunde und Förde- rer des D AD. t ? I f. ? ' x DAS ANDEItE DEUTSCHLAND 9 Die Wahrheit über Buch eil wald LA RECONSTRUCCION DE HAMBURGO Por ROBERT BROUSSON HAMBURGO. — En esta ciudad, la mayor de todan las ocupa- das por los aliados, todo el mundo parece estar satisfecho con el Gobierno Militär Aliado, a excepcion de los obreros. Los ingleses han realizado una notable tarea administrativa para devolver nue- vamente la vida a esta ciudad, despejando el puerto atestado por los cascos de los barcos hundidos y rehabilitando de nuevo su ac- tividad. Asi mismo, se han reanudado otra vez las operaciones de los bancos. Los 1.250.000 habitantes reciben la mäxima cuota asi- gnada por el Supremo Comando Aliado —consistente en 1.500 ca- lorias por dia— que resulta superior a las que corresponden a va- rias ciudades administradas por los Estados Unidos, donde los su- ministros limitan la dieta alemana a 1.100 calorias. Sin embargo, estas proezas no interesan a los dirigentes obreros anti-fascistas de esta ciudad, que se preocupan ante todo de eliminar inmediata- mente toda la influencia nazi. Aqui como en todas las ciudades alemanas ocupadas, el Gobierno Militär Aliado debio enfrentar dos alternativas: 6 destruir por entero sa administracion local, corriendo el riesgo del caos o utilizar temporariamente los administradores nazis, despidi6ndolos a medida que se hallaran reemplazantes "limpios". Ei Comandante H. P. Rickar, jefe del Gobierno Militär Aliado local, se desembarazö de la mitad de los 40 principales administradores de la ciudad, durante la primera semana de su regimen. La depuräciön prosigue, pero los lideres de los trabaja- dores alemanes se quejan por que el proceso es demasiado lento; tambi^n protestan porque los nazis mäs poderosos y los funciona- rios de ideologia fascista siguen siendo los dirigentes de la Cä- mara de Comercio de Hamburgo, que es sistemäticamente consul- tada por el alcalde, respecto a cualquier problema vital. Me he entrevistado con siete lideres de los nuevos sindicatos "libres" so- cialistas, que constituyen la orgatiizaciön unificada del trabajo, cu- ya existencia ha sido permitida por el Gobierno Militär Aliado. Seis de estos hombres son veteranos de las prisiones de Hitler, incluso Dachau y Oranienburg. Uno de ellos lue miembro del Reichstag, otro fu6 componente de la asamblea autonome de Hamburgo y vcrrios otros pertenecieron al movimiento anti-fascista clandestino, habiendo trabajado junto con los agentes aliados antes de la inva- siön del continente. Se reunieron conmigo en la diminuta oficina de un comerciante de cigarros, explicändome en seguida que los trabajadores no cuentan con un local propio en la ciudad. Su edi- ficio que los nazis confiscaron hace muchos anos, les fuä devuelto apenas las fuerzas britänicas entraron en la ciudad, pero luego fue confiscado por los militares. Friedrich Dethrefs, que fue encarcela- do durante cuatro anos como anti-fascista, expreso a este Corres- ponsal: "No nos importa que hayan confiscado nuestro edificio, pero la gente de la ciudad, advirtiendo que primero la casa nos fue de- vuelta y que luego fuimos expulsados, se preguntan si este acto tiene algün significado especial". A este resentimiento hay que agregar el hecho de que, uno de los edificios mäs suntuosos de Hamburgo, que no ha sufrido danos, el de los gremios de artesa- nos, no fue molestado por las autoridades de la ocupacion. Ade- mäs, el edificio de la Cämara de Comercio ofrecia tambien sufi- ciente espaclo para sus tareas y deliberaciones. Los lideres obre- ros senalan asi mismo, que no disponen de representaciön en el Rathaus (Municipalidad), en contraste con la situacion vigente en Leipzig, donde tres representantes del trabajo han sido agregados al Consejo del alcalde.' Sin embargo, el cargo mäs grave se refiere a la presencia de Herr Lindemann, jefe del "Arbeitsamt" u oficina d»l trabcqo, que es un conocido miembro del Partido Nazi, un ex- Von einem englischen, befreundeten Journalisten wird uns geschrieben: , "Als ich den jungen holländischen Journalisten in Buchenwald fragte, ob sie einen von den SS-Leuten ge- tötet hätten, die die im. Lager zu- rückgelassenen 20.000 Gefangenen -zu bewachen hatten, antwortete er zö- gernd: "Es tut mir leid, sagen zu müssen, dass einer getötet wurde". Und stolz fügte er hinzu: "Aber zweihundert wurden überwältigt, ent- waffnet und den Amerikanern über- geben". Einer der Besucher des Bu- chenwalder Lagers lachte: "Warum entschuldigen Sie sich? Nach all dem...". Darauf kam die Antwort: "Antifaschistische Disziplin. Wir müs- sen Disziplin halten, wenn wir unse- re Ziele erreichen wollen". Ich habe auch die Parole "Antifaschistische Disziplin" gesehen, die an einer Ba„ racke angeschrieben war. Disziplin und Organisation waren vielleicht die wichtigsten Methoden, um es überle- ben zu können. Sie fanden ihren Ausdruck in der Untergrundbewe- gung von Buchenwald. Im Lager wa- ren Verbrecher und Spitzel — eine gefährliche, wenn auch kleine Min- derheit —, sowohl wie auch arme, leidende Kerls, in denen keine Spur Kampfgeist geblieben war, mensch- liche Wracks, die vcm Terror der Ge- stapo zerbrochen waren. Die anderen 'bildeten ihre eigene Untergrundbe- wegung. Sie wurde in kleinen Grup- pen organisiert und hatte verschie- dene Sektionen. Die politische Sek- tion war nach dem Schema der Be- freiungs-Komitees aufgebaut; zu ihi gehörten Vertreter aller Parteien juid Bekenntnisse, die praktisch aus al- len europäischen Nationen kamen. Dann gab es eine Abteilung, deren Aufgabe es war, das "Langsam-Arbel. ten" in den Fabriken, in denen die Gefangenen für Hitlers Kriegsmaschi- ne zu arbeiten hatten, zu organisie- ren. Und endlich gab es auch eine militärische Abteilung, Sie organi- sierte Kampfgruppen auf militäri- scher Basis für die letzte und höchste Aufgabe. Langsam, langsam wurden sie bewaffnet. Vom Gustlow-Werk, der Waffenfabrik, die gegenüber dem Lager erbaut war, wurden Waffen in Teilen ins Lager geschmuggelt. Die Waffen wurden für den Abrechnungs- tag versteckt. Es ist erstaunlich, dass es Menschen gibt, die unter der Last des Leidens und der Quälereien die- ses Lagers nicht zusammengebrochen sind. Diese Menschen leben in der Zukunft. Sie warten auf den Tag, an dem sie wieder zu arbeiten anfan- gen können. "Arbeit", sagte einer, als ich mit ihm über seine Pläne sprach — er hatte gerade erklärt, dass er qualifizierter Techniker ist — "Ar- beit ist für mich politische Arbeit". Sie wählten einen Lager.Ausschuss, in dem die meisten Nationalitäten vertreten waren. Sie haben alle Ar- ten von Unterausschüssen, Klubs, Ge- sellschaften eingerichtet. Etwas Fie- berhaftes zeichnet ihre Handlungen 4 DAS ANDERE DEUTSCHLAND Für eine europäische Föderation In Paris fand eine internationale Konferenz für europäische Föderation statt. Sie war insbesondere von Vertretern aller fortschrittlichen französi- schen Parteien besucht. 17. a. waren anwesend: Däniel Mayer, der Sekre- tär der Sozialistischen Partei Frankreichs, Andrä Philip, Gazier von der CGT, Baumel, Sekretär des Mouvement de la Liberation Nationale, Camus vom • Combat" und andere bekannte Mitarbeiter der Freiheitsbewegung. Neben Ferrat von der SFIO und vom Mouvement de Liberation Nationale — er ist ausserdem sozialistischer Verbindungsmann zu den Kommunisten — sprach als Hauptredner Antonelli von der Aktionspartei und vom nord- italienischen Befreiungskomitee. Ausserdem nahmen englische, deutsche spanische, österreichische und griechische Vertreter teil. Die Konferenz war sich darin einig, dass nur eine europäische Föderation, deren Führung Frankreich übernehmen müsste, hinreichende Sicherheit da- gegen bietet, dass Europa, in englisch-amerikanische und russische Einfluss- sphären zerfällt und damit der Keimboden für einen Zusammenstoss des Westens mit Russland wird. Auf der einen Seite sei ein föderiertes Euro- pa nicht so stark, dass es etwa als dritte Mächtegruppe eine eigene aggres- sive Politik gegenüber seinen westlichen oder östlichen Nachbarn entwik- keln könnte. Auf der anderen Seite aber sei es hiereichend stark, um nicht eine rein passive Rolle als Spielball der Drei Grossen zu übernehmen. Innerhalb eines föderierten Europas sei auch das deutsche Problem leicht zu lösen. Die Verwaltungsmäßige Dezentralisierung Deutschlands, ja selbst die Aufteilung in verschiedene Verwaltungseinheiten als selbständige Glie- der innerhalb der europäischen Föderation würden dann unbedenklich sein, während die Schwächung Deutschlands durch französische und polnische Annexionen deutschen Gebietes für alle Teile nachteilig wäre. Die eu- ropäische Föderation soll jedoch nur als erster Schritt zur Weltföderation angesehen werden. Sowohl Ferrat als auch Antonelli wiesen noch auf die Wichtigkeit der eu- ropäischen Föderation für den Sozialismus hin. Insbesondere erklärte Fer- rat, dass grundlegende staatlche Umwälzungen erst erwartet werden könn- ten, wenn die territorialen Streitigkeiten innerhalb Europas aufgehört hät- ten, da vorher jede revolutionäre Bewegung mit dem Hinweis abgewürgt werden könnte, dass sie die nationale Einheit und somit das Kriegspoten- tial des Landes schwäche. elemento de la SS y que ahora controla el servicio de empleos en Hamburgo. En opinion de Walter Schmedemann, un veterano de Oranienburg, "no tiene validez la excusa de que es irreemplazabie. Podria ser reemplazado en una hora sin la menor perturbaciön". Los obreros tambien atacan a Herr Martini, jefe administrative del Departemente Municipal de Asistencia Social, quien a pesar de hetber estado durante doce anos en los mejores puestos distribui- dos por los nazis, continüa en calidad de funcionario. De acuerdo a Franz Splid, miembro de Reichstag en 1933 y anterior secretario del Allgemeiner Deutscher Gewerkschaftsbund —una organizacion gremial y nacional de los tiempos pre-hitleristas—, todas las vita- les dependencias de la ciudad, tales como el control alimenticio, el jde los alojamientos y el de la reconstrucciön, siguen siendo admi- nistrados por los nazis. Denunciö que los mismos hombres siguen Cernstituyendo el personal de esas dependencias, aün en los casos en que fueron cambiados los jefes superiores. Agregö: "Es de suma importancia que los obreros organizados sean consultados en las ; Cämaras de Deliberaciones Comerciales. (En la mayoria de las municipalidades alemanas, las Cdmaras de Comercio gozan de una relevancia casi oficial en el gobierno de la ciudad). Es importante porque mientras las personas que controlen la asignacion de em- pleos siguen siendo las de siempre, subsistirä el fascismo. En lo q-ue se refiere a la Cämara de Comercio de Hamburgo, solo se com- ibiaron los nombres.' Su programa no experimento modificaciön al- guna. Es probable que siga el curso trazado en 1918. Sus miembros tomarän un programa pclitico que terminard por provocar la cri- sis econömica y la desoaupaeiön. Luego trabajarän para desalojar a los anti-fascistas de sus puestos y crearän una situaeiön dificil, apelaado a los militaristos y las pandillas de Hitler, como, ocurriö durante la decada de 1920. Entonces, una nueva forma de fascismo surgirä. (ONA). und oft. auch ihre Art zu sprechen aus. Das Ziel ihrer SS-Uriterdrük- ker war, aus ihnen eine formlöse anarchische Masse zu machen, die nur durch von aussen kommende Gewalt und Furcht zusammengehalten wur- de. Ihr eigenes Ziel war; organisier- tes gesellschaftliches Leben au schaf- fen, und so die Individualität als Personen und als Gruppen wieder zu gewinnen. Natürlich waren die deut- schen Gefangenen Teil dieses Lebens und Teilnehmer an ihm. Uns wurde erzählt, dass die Deutschen ur- sprünglich die Untergrundbewegung gegründet hatten und dass sie eine führende Rolle in ihr spielten. Es gab ungefähr dreitausend Deutsche un. ter den zwanzigtausend Gefangenen, ihr Sprecher ist Walter Bartels. Sie haben jetzt ihr eigenes Komitee ge- bildet, genau wie die anderen Natio- nalitäten ihre gebildet haben. Es umfasst alle Parteien. Vor einer ihrer Baracken steht ein Galgen, an dem eine Hitlerpuppe hängt. Darunter steht: "Hitler muss sterben, damit Deutschland leben kann". Andere (Losungen, die in grossen Buchsta- ben quer über eine der Baracken ge- schrieben sind, heissen: "Der Weg zur Freiheit führt über die Demokra- tie des Volkes" und "Baut e'fi freies, demokratisches Europa". Die Jour- nalisten und Schriftsteller von Bu- chenwald haben ein Komitee gebil- det, das zum Ziel hat, den Kontakt zwischen allen früheren Insassen des Konzentrationslagers aufrechtzuer- halten und Informationen über die Naziaktivität zu verbreiten. Sie wol- len am Aufbau einer freien und de- mokratischen internationalen Ord- nung mitarbeiten und ein Wiederauf- leben des Nazismus verhindern. Sie haben mit der Vervielfältigung eines Blattes begonnen, das "Erinnere Dich" heisst und das sich an den ame- rikanischen Soldaten wendet. Er wird aufgefordert, sich zu erinnern, — "Erinnere dich all der Orte, die du gesehen hast, wo tausende und aber, tausende von Männern zu Tode ge- quält und erschossen wurden. Aber erinnere dich auch daran, dass deut- sche Antifaschisten die ersten Opfer der Nazi-Konzentrationslager waren, dass sie mit dem' internationalen An- tifaschisten bei der Befreiung des La- gers zusammenarbeiteten, und so den Grundstein zu einem demokratischen, von Nazis freien Deutschland gelegt haben". Hitler und Himmler mein- ten, dass jedes Individuum und ebenso jede Gruppe durch Terror zerbrochen werden könnte. Es gibt in Buchenwald Männer, die Hitler und Himmler Lügen gestraft haben". Hans Jahns Gedicht ,,Die Antwort" (S. DAD, No. 95) wurde, von Liselott Reger-Jacob in einer Sendung von "La Voz del Dia" über Radio Aguila und in einer künstlerischen Veranstal- tung der jüdischen Vereinigung "Itus", Montevideo, mit grossem Er- folg zum Vortrag gebracht. Für die Kinder der früheren KZ-In- sassen wurden uns von einem Hitler- gegner aus Buenos Aires 500 Pesos zur Verfügung gestellt, die wir mit bestem Dank quittieren. 0 V5 ANDERE DEUTSCHLAND 5 SOLIDARITAET IM TODESLAGER Von JAN LEVCiK Es, gab keinen in der Wiener Arbeiterbewegung, der nicht Dr. Emil Maurer gekannt hätte, Bezirksvor- sitzenden der Sozialistischen Partei in Wien, Rechts- anwalt des Schutzbundes, Präsident des Zentralen Schiedskomitees der sozialistischen Partei — einen Metallarbeiter, der in seiner Freizeit studiert hatte und Doktor der Rechte geworden war. Ich gebe hier die Geschichte wieder, die er mir von den neun Monaten erzählt hat, die er vor Kriegsausbruch in Buchenwald zugebracht hat, nachdem er sechs Mo- nate in Dachau und für kürzere oder längere Zeit m anderen Lagern gewesen war. Er spricht in seiner einfachen, nur die Tatsachen berichtenden Art von Arbeitstagen, die von drei Uhr morgens bis sieben Uhr abends dauerten, mit nur fünfzehn Minuten Unterbrechung für ein Mittag- essen, das aus einer Wassersuppe bestand; er er- wähnt nebenbei, dass lange Zeit aus Furcht vor Typhusansteckung kein einziger Gefangener auch nur einen Tropfen Wasser bekam, dass sie monate- lang sich nicht waschen konnten (während sie m Steinbrüchen oder beim Strassen- oder Barracken- bau arbeiteten), dass Glieder als Folge von Blut- vergiftung abgenommen werden mussten, dass Männer erschossen wurden, weil sie in das Zimmer einbrachen, in dem der Wasserhahn unter Bewa- chung stand. Jetzt endlich wird man dies alles in der Welt glauben. Aber es ist nur ein Teil der Ge- schichte, und Dr. Maurer besteht darauf, dass es nicht der wichtigste ist. Zuerst und vor allen Dingen beschäftigten sich die Nazis damit, zu versuchen, die Moral ihrer po- litischen Häftlinge zu brechen. Sie taten das, indem sie die politischen Gefangenen mit Berufsverbre- chern zusammenbrachten. Als Dr. Maurer im Sep- tember 1938 nach Buchenwald kam, waren von den 6000 Insassen des Lagers rund ein Drittel aus poli- tischen Gründen da; ungefähr 1200 waren religiöse Pazifisten; weitere 1200 waren gewöhnliche Verbre- cher, während der Rest aus sogenannten 'asozialen Elementen" oder "Arbeitsscheuen" und Homose- xuellen bestand. Die SS, die die Bewachung hatte, ernannte Obleute aus den Reihen der Gefangenen, die persönlich für die Disziplin der Insassen haftbar gemacht wurden. Sie erfreuten sich gewisser Privi- legien, aber sie konnten ihre Posten nur durch äusserste Grausamkeit gegen ihre Mitgefangenen behalten. Im Anfang wurden nur Verbrecher zu Obleuten ernannt, und um Vergünstigungen von den SS-Wa- chen zu erhalten, gefielen sie sich in der allernied- rigsten Behandlung ihrer Arbeitstrüpps. Dieses schreckliche System jedoch wurde durch die un- zerstörbare Solidarität der politischen Gefangenen gebrochen. Ein bitterer und ungleicher Kampf be- gann zwischen den Roten und Grünen (die Erken- nungsflicken der politischen Gefangenen waren rot, die der Kriminellen grün, dis der "asozialen Ele- ihente'' schwarz und die der Juden gelb). Trotz aller Begünstigungen,, die sie durch die Wachen erhiel- ten, verloren die Grünen die Schiächt« Wir waren'uns darüber klar, erzählt Dr. Maurer, dass wir unsere schwächeren Kameraden nur be- schützen und am Leben erhalten konnten, wenn wir die Posten der Obleute selbst übernahmen. Wir begannen, die Grünen hinauszuwerfen. Das wurde möglich, weil die politischen Gefangenen im Gan- zen intelligenter und für Spezial- und Büroarbeiten geschickter waren, vor allem aber, weil die Grünen Bestechungsgelder von ihren Mitgefangenen an- nahmen. Diejenigen, die etwas Geld im Lagerbüro, gutgeschrieben hatten oder denen Geld von draus-- sen geschickt wurde, konnten sich "leichtere" Po- sten kaufen, wie zum Beispiel das Klosettreinigen oder sogar das Hinausschaffen der Toten (im Okto- ber, November und Dezember 1938 betrug die To- desquote etwa achtzig pro Tag). Alles war besser als das unerträgliche Schuften in den Steinbrüchen. Das am meisten begehrte Privileg war, dass ei-" nem erlaubt wurde, eine Armbinde zu tragen, die der Ausweis war, dass man "geistig unzurech- nungsfähig" sei. Sie bedeutete einigen Schutz ge- gen die Schrecken des täglichen Lagerlebens. Die Grünen konnten immer bestochen werden, solche "Vergünstigungen" zu gewähren. Aber hier war der Punkt, wo sie in Konflikt mit den Wachen gebracht werden konnten, die es als ihr spezielles Privileg betrachteten, Bestechungsgelder zu fordern. Und so kam es denn, dass mehr und mehr grüne Obleute durch rote ersetzt wurden. Die Roten weigerten sich standhaft, ihre Kameraden zu schlagen, und wie- derholt wurden sie selbst deshalb geschlagen. Das war die einzige Art, in der sie ihre schwächeren Mitleidenden schützen konnten. Das war besonders auch die Art, wie sie den Kameraden halfen, deren jüdischer Glaube sie zu einer besonderen Ziel- scheibe für den Sadismus der SS machte. Die schrecklichste "gewöhnliche" Strafe war, öf- fentlich geschlagen zu werden — 25 Streiche auf den nackten Rücken. Und doch, sagt Dr. Maurer, verging kein Tag, ohne dass nicht der eine oder der andere der roten Obleute sich weigerte, seine Kameraden zu schlagen, im vollen und klaren Be- wusstsein, dass das bedeutete, selbst geschlagen zu werden. Zu dieser Zeit war der anerkannte Führer der Roten in Buchenwald Max Ulrich, der frühere Gene- ralsekretär der Deutschen Metallarbeiter-Gewerk- schaft. Dr. Maurer erzählt weiter, dass sie sogar noch vor drei Uhr morgens aufstanden, um mit ihm über die politische Lage ausserhalb der Barracken zu sprechen. Die Informationen s rammten von einem sozialistischen Kameraden aus Berlin, der als ge- schickter Radiomechaniker dann und wann Gele- genheit hatte, in die Nähe eines Rundfunkgeräts zu kommen und es abzuhören. Als im Winter einige der Gefangenen wollene Westen bekamen, liefer- ten die Roten ihre sofort an Ulrich ab, der sie ver- steckte und dann unter die verteilte, die sie am Nö- tigsten brauchten. Robert Danneberg, einer der hervorragenden Fuhren d§i: österreichischen Arbeiterbeweauna, litt V an einer schmerzhaften Krankheit. Eine Zitrone ;würde sein Leiden erträglicher gemacht haben. ,:Aber welch unerhörter Luxus war eine Zitrone für einen Gefangenen in Buchenwald! Und doch, nach- dem man überall herumgefragt hatte, stellte sich heraus, dass einer der Gefangenen eine Zitrone be- sass, die er nie anzurühren gewagt hatte, und die er als seinen grössten Schatz betrachtete. Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, gab er sie her. ,(Danneberg starb später im Lager von Oswiecim). Im November 1938 wurden die Gefangenen da- mit beschäftigt, umfangreiche Vergrösserungen des Lagers auszubauen. Sie sollten bald wissen, warum. Zwanzigtausend Juden wurden nach dem fürchter- lichen Pogrom, dass der Ermordung des deutschen Offiziers von Rath in Paris folgte, eingeliefert. Die Roten standen nun einer neuen Situation gegen- über. Die SS führte besondere Hungertage für die Juden, die Gelben, ein. An diesen Tagen teilten die Boten ihre knappe Brotration mit den jüdischen Ge- fangenen. Die Zahl der täglichen Beerdigungen stieg stark in dieser Zeit. Einige der nicht politischen jüdischen Gefangenen wurden allmählich entlassen, aber in der Zwischenzeit waren zehntausend von ihnen umgekommen. Als zwei Kameraden am Typhus erkrankten, ver- zichteten die Roten auf ihre Mitleid erregend klei- ne und äusserst benötigte Fettration, um ihren Ka- meraden zu helfen. Wenn der rote Obmann erfuhr, dass die Wachen beabsichtigten den einen oder andren der Gefangenen zu liquidieren, gelang es ih- nen oft, ihn zu retten. Sie arrangierten zum Beispiel einen gelegen kommenden "Unfall" im Steinbruch, der zwar einen gebrochenen Fuss kostete, der aber den gefährdeten Freund eine Zeitlang im Hospital und ausser Sicht der Wachen festhielt. Mit der Li- ste der tapferen und selbstlosen Taten der Solidari- tät könnte man Seite um Seite füllen. Ebensolang ist die Ehrenliste, die die Namen von Buchenwalds unbekannten Märtyrern trägt. Max Ulrich ist unter denen, die in Buchenwald starben, damit seine Ka- meraden leben konnten; König, der frühere Sekre- DAS ANDERE DEUTSCHLAND tär der Metallarbeitergewerkschaft in Halle; Barthel, ein früherer kommunistischer Abgeordneter des Reichstags; Heilmann, der führende preussische Sozialdemokrat; der Oesterreicher Robert Danne- berg; Kurt Eisner, der Sohn des sozialistischen bay- rischen Ministerpräsidenten, der selbst kurz nach der Revolution von 1918 ermordet wurde, und viele, viele andere. Besonders erwähnt werden müssen die 1.200 re- ligiösen Pazifisten, die 1938 in Buchenwald waren. Sie gehörten der Sekte der Bibelforscher an, und wiederholt hat man ihnen die Entlassung angebo- ten unter der Bedingung, dass sie ihre Weigerung, in die Wehrmacht einzutreten, aufgeben sollten. Dr. Maurer hat unter 800, denen dieser Ausweg ange- boten wurde, nur drei gesehen, die nachgegeben haben. Die unvergeßlichste Szene, an die sich Dr. Mau- rer aus seinen Tagen in Buchenwald erinnert, er- eignete sich am 1. Mai 1939. Als der Arbeiterfeiertag kam, versammelten sich zweihundert der Gefange- nen, die Vertrauenswürdigsten von allen, in ihrem schmutzigen und kahlen Barackenzimmer, um dem Tag der internationalen Arbeiterklasse ihren Tribut darzubringen. Es hat niemals eine feierlichere und ergreifendere Maifeier gegeben — 200 Todeskandi- daten, 200 Männer in tiefster Erniedrigung und Hilflosigkeit, hungrig und müde und abgekämpft, treffen sich unter der furchtbaren Drohung, von den Wachen oder den Grünen (die sie wahrscheinlich denunziert hätten) entdeckt zu werden. Was eine Entdeckung bedeutet haben würde, kann man sich nicht ausdenken, denn der Versuch einer Demon- stration wie diese, wurde als das schlimmste aller möglichen Verbrechen betrachtet. Und doch feier- ten sie ihren Ersten Mai. Eine ganze Stunde sassen sie da in vollkommenem Stillschweigen. Dann er- hob sich das älteste Mitglied — der Sozialdemokrat Ernst Heilmann. Langsam standen sie alle auf, still gingen sie weg von dieser Stunde der Erinnerun- gen, Gelübde und Hoffnungen — zurück in die Wirklichkeit von Buchenwald. LICHTBLICKE Das Oberkommando der oowjettrup- pen in Deutschland, geleitet von Mar- ßchall Zhukow, hat die Neubildung von antifaschistischen Parteien er- laubt, sowie auch die Neuorganisation der Gewerkschaften, Konsumgenos- senschaften und Arbeiterbildungsver_ einigungen ausdrücklich autorisiert. Stalin hat sich, wie Radio Moskau ge- meldet hat, mit grosser Schärfe ge- gen die Zerstückelung Deutschlands ausgesprochen. Es sei widersinnig und lächerlich, zur feudalen Klein- staaterei Deutschlands zurückkehren zu wollen. Die englische Arbeiterpartei wird durch die plump-demagogische Hetz- rede, die Churchill gegen den Sozia- lismus gehalten hat, zu einer radika- leren Haltung gedrängt. Der Misser- folg, den Churchill mit seiner zu deut- lichen Decouvrierung gehabt hat, .wird ihre Wahlaua sichten, steigern. Die französischen Kommunalwahlen in den kleineren Orten haben den So- zialisten und Kommunisten weitere Erfolge gebracht. Die Sozialisten ha- ben die Mehrheit in 1935 Gemeinden gewonnen, statt früher 115, die Kommunisten in 1413 statt früher 292. Einen neuen deutschen Verlag mit dem Namen "Aurora" haben Wieland Herzfelde der frühere Leiter des Ma- lik-Verlags, Heinrich Mann und F. C. Weiskopf in New York gegründet. Zu den Autoren des Verlags gehören An- na Seghers, Bert Brecht, Georg Gros?, Oscar Maria Graf, Berthcld Viertel, Alfred Döblin, Die Amerikaner schwarzer Hautfarbe, sagte der Gewerkschaftler Henry Lee Moon, werden sich nicht so viel ge- fallen lassen, wie es vor dem Kriege der Fall war. Die Rechte, die man ihnen nicht zugesteht, werden sie zu erkämpfen wissen. Ich sehe Schwie- rigkeiten voraus, denn es gibt viele Amerikaner, die sich für die Befrei- ung Indiens von der englischen Knechtschaft erwärmen, aber von ei- ner Gleichberechtigung der amerika- nischen Neger nichts wissen wollen. DAD-VERTRETUNGEN URUGUAY Montevideo: La Otra Alemarüa, Rio Branco 1372 PARAGUAY Asunciön: Enrique Block, Gral. Diaz 276 (Abonnements auch durch Ro- bert Günther, Casilla 417). Villarica: Juan Günther. Paso Yobai: Alwin Heucke, CHILE Santiago: Dr. Ludwig Lintz, Clasm- cador 77. Melipilla: Julius Diesenberg. Osorno und Südchile: Oscar Chylik, Casilla 423. COLUMBIEN Bogota: Los Amigos del Libro, Apar- tado National 3756. DAS ANDER! DCUTSCHL AND 7 Das „Deutsche Problem" ist kein deutsches Problem von Hannah Ahrendt (New York) Wir beginnen heute mit dem Abdruck einer grund- sätzlichen, sich weit über das oberflächliche Ge- schreibsel erhebenden Arbeit über das "deutsche Prob- lem", mit dem sich Dr. Hannah Ahrendt als neue Mit- arbeiterin unseren Lesern vorstellt. Der Artikel ist in englischer Fassung in der "Partisan Review'* in New York erschienen . Es ist völlig abwegig, den Nazismus aus einer speziellen deutschen Charakteranlage oder aus der deutschen Tradition erklären zu wollen. Zum Na- zismus gehört kein Teil der westlichen Tradition, sei er deutsch oder nicht, katholisch oder protestan- tisch, griechisch oder römisch. Weder Thomas von Aquino noch Macchiavelli oder Kant oder Hegel oder Nietzsche, — die Liste kann auf Grund der Li- teratur über das "deutsche Problem" ins Unendli- che verlängert werden — tragen die geringste Ver- antwortung für das, was in den deutschen Vernich- tungslagern geschehen ist. Ideologisch gesprochen, beginnt der Nazismus mit überhaupt keiner tradi- tionellen Basis. Es wäre besser gewesen, diese Ge- fahr der radikalen Verneinung jeder Tradition zu begreifen, die von Anfang an der wichtigste Cha- rakterzug des Nazismus war. Die grausigen Ausschreitungen des Nazi-Regimes sollten uns gezeigt haben, dass wir es hier mit et- was Unerklärlichem zu tun haben, das sich nicht einmal mit den schlimmsten Perioden der Geschich- te vergleichen lässt. Niemals, weder im Altertum, noch im Mittelalter, noch in der Neuzeit, wurde Zerstörung ein gut formuliertes Programm und sei- ne Ausführung ein gründlich organisierter, büro- kratisierter und schematisierter Prozess. Es ist rich- tig, dass der Militarismus in Beziehung zur Wirk- samkeit der Nazi-Kriegsmaschine steht, und dass der Imperialismus viel mit seiner Ideologie zu tun hat. Aber um dem Nazismus näher zu kommen, muss man den Militarismus all seiner ihm inne- wohnenden Kriegstugenden entkleiden und den Imperialismus all seiner Träume vom Imperiums- Aufbau als einer "Aufgabe des weissen Mannes". Mit anderen Worten, man kann im modernen poli- tischen Leben leicht gewisse Neigungen finden, die an sich auf den Faschismus hinzielen, und gewisse Klassen, die leichter zu gewinnen und leichter zu betrügen sind als andere, aber alle müssen ihre sozialen Grundfunktionen verändern, bevor der Na- zisiMis sie verwenden kann. Der deutsche Milita- rismus, wie er in der deutschen Armee vertreten war, hatte kaum mehr Ehrgeiz, als der Militarismus der alten, französischen Armee der dritten Republik: Die deutschen Offiziere wollten ein Staat im Staa- te sein und nahmen fälschlicherweise an, dass dio Nazis ihnen dienlicher sein würden als die Wei- marer Republik. Sie waren bereits im Stadium der Auflösung, als sie ihren Fehler erkannten — ein Teil war liquidiert und der andere selbst dem Na- ziregime angeschlossen. Es ist richtig, dass die Nazis gelegentlich die Spra- che des Militarismus gesprochen haben, wie sie die Sprache des Nationalismus gesprochen haben; ober sie haben die Sprache jedes existierenden ismus gesprochen, Sozialismus und Kommunismus nicht ausgeschlossen. Das hinderte sie nicht, Sozia- listen, Kommunisten, Nationalisten und Militaristen zu liquidieren, alle gefährliche Nachbarn der Na- zis. Nur die "Experten" mit ihrer Schwäche für das gesprochene oder geschriebene Wort und ihrem Unverstand für politische Realitäten nahmen diese Auesserung der Nazis für bare Münze und inter- pretierten sie als die Folge dieser oder jener deut- schen oder europäischen Traditionen. Im Gegen- teil, der Nazismus ist heute der Untergang aller deutschen oder europäischen Traditionen, der gu- ten wie der schlechten. Gesellschaftskrise und Nihilismus Viele Anzeichen deuteten auf die Katastrophe hin, die Europa mehr als ein Jahrhundert bedrohte, und die in Marx's bekannten Worten prophezeit ist, in denen er von der Alternative zwischen Sozialismus und Barbarei spricht. Während des letzten Krieges wurde diese Katastrophe sichtbar in Form der grössten Zerstörungen, die die europäischen Völker je erlebt haben. Von da ab änderte der Nihilismus seine Bedeutung. Er war nicht mehr eine mehr oder weniger harmlose Ideologie, eine der vielen rivali- sierenden Ideologien des 19. Jahrhunderts. Er blieb nicht mehr im ruhigen Reiche der blossen Negation, des Skeptizismus und verzweifelten Pessimismus. Er begann statt dessen die Zerstörung als tatsäch- liche Erfahrung zu seiner Grundlage zu machen in dem unsinnigen Traum, die Leere schaffen zu können. Die Erfahrung in der Zerstörung wurde durch die Nachkriegswirren enorm gestärkt, als die Kriegsgeneration durch Inflation und Arbeitslosig- keit in die widerspruchsvolle Situation einer äusser- sten Hilfslosigkeit und Untätigkeit innerhalb des Rä- derwerks einer scheinbar normalen Gesellschaft gestossen wurde. Wenn die Nazis an das berühm- te "Fronterlebnis" appellierten, weckten sie nicht nur Erinnerungen an die "Volksgemeinschaft" der Schützengräben, sondern brachten auch die süssen Erinnerungen an eine Zeit ausserordentlicher Akti- vität und Zerstörungskraft des Einzelnen. Es stimmt, dass die Situation in Deutschland sich" mehr als irgendwo für den Bruch mit allen Tradi- tionen eignete. Das hängt mit der späten Entwick- lung der Deutschen als Nation, ihrer unglücklichen politischen Geschichte und dem Mangel jeglicher demokratischer Erfahrung zusammen. Es hängt noch mehr mit der Tatsache zusammen, dass die Nachkriegssituation der Inflation und Arbeitslosig- keit —ohne die die zerstörerische Kraft des "Fronter- lebnisses" ein vorübergehendes Phänomen geblie- ben wäre — mehr Menschen stärker in Mitleiden- schaft zog als irgendwo. Aber wenn es auch leich- ter gewesen sein mag, europäische Traditionen in Deutschland zu zerbrechen, so steht es doch auch fest, dass sie zerbrochen werden mussten, so dass es nicht irgend eine deutsch» Tradition alfi 6@k«h8» DAS ANDERE DEUTSCHLAND sondern die Verletzung aller Traditionen war, die den Nazismus hervorbrachte. Wie erfolgreich der Nazismus an die Veteranen des letzten Krieges in allen Ländern appellierte, zeigt der fast universelle Einfluss, den er in allen Veteranen-Organisationen Europas hatte. Die Veteranen waren die ersten Sympathisanten, und die ersten Schritte, die die Na- zis auf dem Felde der Aussenpolitik taten, waren häufig darauf, berechnet jene "Waffenbrüder" jen- seits der Grenzen zu wecken, bei denen sie sicher waren, dass sie ihre Sprache verstanden, von den selbon Gefühlen bewegt wurden und den gleichen .Wunsch nach Zerstörung in sich trugen. Das ist die einzig wirkliche psychologische Deu- tung des "deutschen Problems". Das Beunruhigen- de ist nicht der deutsche Nationalcharakter, sondern die Auflösung dieses Charakters oder die Tatsache, dass er keine Rolle mehr in der deutschen Politik spielt. Er gehört genau so der Vergangenheit an, wie der deutsche Militarismus oder Nationalismus. Es wird nicht möglich sein, ihn wieder zum. Leben zu erwecken, indem man die Mottos alter Bücher Zitiert oder extreme politische Massnahmen ergreift. Aber es gibt etwas Beunruhigenderes und das ist der Mensch, der "den Deutschen" ersetzt hat — hauptsächlich der Typ, den die Angst vor Vernich- tung selbst in eine zerstörende Macht verwandelt, und den gibt es nicht nur in Deutschland. Das Nichts, aus dem der Nazismus entsprang, kann in Weniger mystischen Umschreibungen als das Va- cuum bezeichnet werden, das dem fast gleichzeiti- gen Zusammenbruch der sozialen und politischen Strukturierung Europas folgte. Gerade darum wird die Restauration so heftig von den europäischen Widerstandsbewegungen bekämpft, weil sie wis- sen, das genau das gleiche Vacuum hervorgerufen werden würde, ein Vacuum, vor welchem sie in tödlicher Furcht leben, selbst wenn sie gerade jetzt gelernt haben, dass es "weniger schlimm" als der Faschismus ist. Die ungeheure psychologische An- ziehungskraft des Nazismus beruht weniger auf seinen falschen Versprechungen als auf der offe- nen Anerkennung dieses Vacuums. Seine unge- heuerlichen Lügen passten zu dem Vacuum. Diese Lügen waren psychologisch wirksam, weil sie ge- wissen fundamentalen Erfahrungen entsprachen u. gewissen fundamentalen Wahrheiten. Man kann sagen, dass der Faschismus der alten Kunst des Lügens eine neue Variation geschenkt hat — die teuflischste Variation — die Wahrheit zu lügen. Die Wahrheit war: die Klassenstruktur der europäi- schen Gesellschaft konnte nicht länger funktionie- ren weder in ihrer feudalen Form im Osten, noch in ihrer bourgeoisen Form im Westen. Nicht nur, dass ihr Mangel an Gerechtigkeit täglich offensichtlicher yrurde; sie warf dauernd Millionen und Abermil- lionen von Individuen aus jedwedem Klassensta- tus (durch Arbeitslosigkeit, und ändere Ursachen). Die Wahrheit war, dass der nationale Staat, einst das Symbol der Souveränität des Volkes, nicht mehr das Volk repräsentierte und unfähig wurde, seine 'äussere oder innere Sicherheit zu gewährleisten. Ob Europa zu klein für seine Organisationsform ge- worden war, oder ob die europäischen Völker über die Oraanisatiqn ihrer Nationalstaaten hinausae- wachsen waren — sie verhielten sich nicht mehr als Nationen und konnten nicht mehr von nationa- len Gefühlen bewegt werden. Die meisten von ih- nen waren nicht gewillt, einen nationalen Krieg zu wagen, auch dann nicht, wenn er um ihre Unab- hängigkeit ging. Diese soziale Wahrheit des Niedergangs der euro- päischen Klassengesellschaft wurde von den Nazis mit der Lüge der "Volksgemeinschaft" beantwor- tet, die sich gründete auf der Komplizenschaft im Verbrechen und geführt wurde von einer Bürokra- tie von Gangstem. Die Deklassierten konnten mit dieser Antwort sympathisieren. Und die Wahrheit des Niedergangs des nationalen Staates wurde mit der famosen Lüge der "Neuen Ordnung" in Europa beantwortet, die die Völker in Rassen einteilte, und sie für ihre Vernichtung präparierte. Die Leichtgläu- bigkeit der europäischen Völker — die in so vielen Fällen die Nazis in ihre Länder liessen, weil die Na- zis auf der Grundlage gewisser fundamentaler Wahrheiten logen — hat sie einen enormen Preis gekostet. Aber sie haben schliesslich eine grosse Lektion gelernt: dass keine der alten Kräfte, die den Malstrom des Vacuums produzierten, so furcht- bar ist wie die neue Kraft, die aus ihm entsprang, und deren Absicht ist, das Volk in Uebereinstim- mung mit dem Gesetz des Malstroms zu organisie- ren — das die Vernichtung selbst ist. Die europäische Widerstandsbewegung Die europäischen Widerstandsbewegungen er- wuchsen in den selben Völkern, die 1938 die münch- ner Vereinbarungen bejubelt hatten und in denen der Ausbruch des Krieges nur Missbehagen her- vorgerufen hatte. Diese Bewegungen wurden erst dann lebendig, als die Nationalisten und die Hass- prediaer aller Schattierungen ihre Gelegenheit be- kommen hatten, Kollaborationisten zu werden, so- dass die fast unvermeidliche Zuneigung aller Na- tionalisten zum Faschismus und die der Chauvini- sten zur Unterwerfung unter den ausländischen Un- terdrücker ganzen Völkern offenbar wurde. (Die wenigen Ausnahmen solcher altmodischen Nationa- listen wie De Gaulle oder des Journalisten Kerillis bestätigen die Regel). Die Untergrund-Bewegungen waren also mit anderen Worten das direkte Ergeb- nis der Niederlage, erstens des nationalen Staats, der durch Quisling-Regierungen ersetzt wurde, und zweitens des Nationalismus selbst. Die, die aufstan- den, um den Kampf zu wagen, kämpften gegen den Faschismus und nichts anderes. Das ist nicht über- raschend; was überraschend ist — gerade wegen seiner strikten, fast logischen Konsequenz — ist, dass alle diese Bewegungen plötzlich ein positives poli- tisches Schlagwort fanden, das vollkommen den nichtnationalen, so sehr populären Charakter des neuen Kampfes zeigte: Dieses Schlagwort war ein- fach EUROPA. Hierdurch erweckte natürlich das "deutsche Pro- blem", so wie es von den Experten präsentiert wurde, sehr wenig Interesse in der europäischen Widerstandsbewegung. Es galt als feststehend, dass das alte Festhalten am "deutschen Problem" nur die Auffassung des "ideologischen Krieges" vernebeln, und dass die Entrechtuna Deutschlands eine Lö- DAS ANDERE DEUTSCHLAND 9 sung der europäischen Frage verhindern würde. Viele wohlwollende Korrespondenten, die ihre Lek- tion von den Experten über Deutschland gelernt hatten, waren schockiert durch das Fehlen persön- lichen Hasses gegen die Deutschen in den befrei- ten Ländern und durch das Vorhandensein eines politischen Hasses gegen Faschisten, Kollaboratio- nisten und Konsorten gleich welcher Nationalität. Die Worte, die Georges Bidault, Chef der französi- schen Widerstandsbewegung und jetzt Aussenroi- nister, zu verwundeten deutschen Soldaten unmit- telbar nach der Befreiung von Paris sprach, klingen wie ein einfacher und glänzender Ausdruck der Ge- fühle derer, die gegen Nazi-Deutschland nicht mit ihren Federn, sondern mit ihrem Leben kämpften. Er sagte: "Deutsche Soldaten, ich bin der Chef der Widerstands-Bewegung. Ich bin zu Euch gekom- men, um Euch gute Gesundheit zu wünschen. Mögt ihr euch bald in einem freien Deutschland und in einem freien Europa befinden!" Das Bestehen auf Europa gerade in solchem Mo- ment ist charakteristisch. Alle andern. Worte wür- den nicht der Ueberzeugung entsprochen haben, dass die europäische Krise vor allem eine Krise -des Nationalstaats ist. Mit den Worten der holländischen Untergrundbewegung: "Wir durchleben jetzt eine Krise der staatlichen Souveränität. Eins der Haupt- probleme des kommenden Friedens wird sein: wie können wir unter Wahrung unserer kulturellen Autonomie die Bildung grösserer Einheiten auf wirtschaftlichem und politischem Gebiet durchfüh- ren?. .. Ein guter Friede ist heute unerreichbar, wenn die Staaten nicht Teile ihrer wirtschaftlichen und politischen Souveränität zu Gunsten einer höhe- ren Autorität aufgeben. Wir lassen die Fragen of- fen, ob ein europäischer Rat, eine europäische Fö- deration, die Vereinigten Staaten von Europa oder was sonst für ein Einheitstyp gebildet werden soll". Es ist offensichtlich, dass für diese Menschen, die wahrhaft neuen Menschen Europas, das deutsche Problem nicht wie für De Gaulle das Zentrum der Welt, nicht einmal das Zentrum Europas ist. Ihr Hauptfeind ist der Faschismus, nicht Deutsch- land; ihr Hauptproblem ist die Krise aller Staatsor- ganisationen des Kontinents, nicht nur des deut- schen oder preussischen Staates. Ihr Schwerpunkt ist Frankreich, das Land, das kulturell und politisch jahrhundertelang wahrhaft das Herz Europas ge- wesen ist, und dessen letzte Beiträge zum politi- schen Denken es wieder an die geistige Spitze Eu- ropas gestellt haben. In diesem Zusammenhang war es mehr als bedeutsam, dass die Befreiung von Pa- ris in-Rom mit grösserer Begeisterung gefeiert, wur- de als seine eigene Befreiung; und dass die Bot- schaft, der holländischen Widerstandsbewegung an die französischen Streitkräfte des Innern nach der Befreiung von Paris mit den Worten schloss: "So- lange Frankreich lebt, wird Europa nicht sterben". Für die, die Europa während der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen genau gekannt haben, muss es fast erschütternd gewesen sein zu sehen, wie schnell dieselben Völker, die nur wenige Jahre vor- her keineswegs mit Fragen politischer Art vertraut waren, plötzlich die Hauptbedingungen für das Weiterleben des europäischen Kontinents entdeckt haben. Unter der Nazi-Unterdrückung Haben sie nicht nur die Bedeutung der Freiheit wieder ken- nen gelernt, sondern auch ihre Selbstachtung und das Streben nach Verantwortung zurückgewonnen. Das zeigt sich besonders deutlich in allen ehemali- gen Monarchien, wo — zur Ueberraschung und zum Missvergnügen einiger Beobachter — das Volk vor allem ein republikanisches Regime wünscht. In Frankreich, einem Land reifer republikanischer Traditionen, gewinnt die Ablehnung der alten zen- tralisierten Regierungsformen, die dem Einzelnen wenig Verantwortung überlassen, immer mehr an Boden. Der Wunsch nach neuen Formen, die dem Bürger sowohl mehr Pflichten wie mehr Rechte und Stellungen im öffentichen Leben geben, ist charak- teristisch bei allen Parteien. Das Hauptprinzip der französischen vWiderstandsbe- wegung war; "li^irer,et federer"; und mit der Fö- deration war eine föderierte Struktur der 4. Repu- blik-gemeint (im Gegensatz zum "zentralistischen Staat, der totalitär werden muss"), eingefügt in eine europäische Föderation. Wenn.auch die französi- schen, tschechischen, italienischen, norwegischen und holländischen Untergrundzeitungen in fast gleichen Ausdrücken darauf als primärer Bedingung für einen, künftigen Frieden bestehen, sind meines Wissens nur die Franzosen so weit gegangen fest- zustellen, dass die föderative Struktur Europas sich gründen muss auf ähnlich föderierten Strukturen der beteiligten Staaten ... Es war notwendig, dieses allgemeine programma- tische Stückwerk zu skizzieren, denn nur in seinen Ausdrücken bekommt die Antwort auf das "deut- sche Problem" einen Sinn. Verdächtig erscheint jeas Art von Vansittartismus. Ein französischer Offizier, einer derer, die täglich mit Hilfe der deutschen Un- tergrundbewegung aus den Nazi-Gefangenenla- gern entflohen, bezeichnet den Unterschied zwi- schen den Gefangenen und den Leuten zu Hause, die die Deutschen mehr als jene hassen. "Unser Hass, der heftige Hass der Gefangenen, gilt den Kcllaborationisten und den Profitmachern und al- len, die dem Feind halfen — und wir sind drei Mil- lionen". Die polnische sozialistische Zeitung "Freiheit" warn- te vor dem Rachegeschrei, weil es "leicht in den Wunsch, andere Nationen zu unterdrücken, um- schlagen kann, wodurch nach der Niederlage des Nazismus seine Methoden und Ideen wieder trium- phieren würden". Sehr ähnliche Feststellungen wur- den von den Bewegungen der anderen Länder ge- macht. Die Furcht in irgend eine Art von Rassis- mus zu verfallen, nachdem seine deutsche Spielart vernichtet ist, hat zur Folge, dass man auf jede Idee der Zerstückelung Deutschlands verzichtet. In dieser wie in vielen anderen Fragen ist die Uneinigkeit zwischen den Widerstandsbewegungen und den Exilsregierungen fast vollständig. Indessen stehen die Holländer, Polen, Norweger und Franzosen wie ein Mann hinter dem Programm der Nationalisierung der deutschen Schwerindu- strie, der Liquidierung der Junker und Industriellen als Gesellschaftsklassen, der vollkommenen Ent- waffnung und der Kontrolle der industriellen Pro- 10 DAS ANDERE DEUTSCHLAND duktion. Einige treten für eine föderale deutsche Verwaltung ein. Die französische sozialistische Par- tei erklärt, dieses Programm "muss in die Pra- xis umgesetzt werden in engster brüderlicher Zu- sammenarbeit mit deutschen Demokraten". Alle Pro- gramme schliessen mit der Ermahnung, dass '70 Millionen Menschen im Herzen Europas wirtschaft- lichem Elend zu überlassen" (Norweger) die letzte Möglichkeit verhindern heisst, "Deutschland in die Gemeinschaft der europäischen Nationen und in eine europäische Planwirtschaft aufzunehmen". (Holländer). Die Widerstandsbewegung weiss von der Existenz der deutschen Untergrundbewegung durch die Millionen von ausländischen Arbeitern und Gefan- genen, die im Reich Gelegenheit hatten, ihr Wirken zu beobachten. Ein französischer Offizier, der be- schreibt wie französische Gefangene in Deutsch- land Kontakt zu französischen Zwangsarbeitern und zur französischen Untergrundbewegung selbst be- kamen, spricht von der deutschen Untergrundbe- wegung als feststehender Tatsache, wenn er schreibt: "ohne die aktive Hilfe der deutschen Sol- daten und Arbeiter wäre dieser Kontakt.nie mög- lich gewesen". Er sricht auch davon "viele gute Freunde unter den Deutschen hinterlassen zu ha- ben, als wir den Stacheldraht durchschnitten"... (Fortsetzung folgst). ENGLAND VOR DER WAHL Das Ende der Feindseligkeiten auf dem europäischen Kriegsschauplatz tiat neben die Fülle der Internationa, len und nationalen Nachkriegspro- bleme, neben die Kämpfe und Kom- promisse unter den Siegermächten, und zwischen und unter den Befrei- ern und befreiten Nationen, neben die Aufgaben der Liquidation des Faschismus und der Bestrafung der Kriegsverbrecher, neben die Abgren- zung der Besatzungszonen und der Organisation eines wenigstens not- dürftigen Zivillebens, die alles über- schattende, alles bestimmende Auf- gabe der Neugestaltung des politi- schen Lebens in allen am Kriege be- teiligten Staaten gestellt. D'ese Aufgabe einer grundsätzlichen Neuorientierung der Politik, einer fundamentalen und tiefgreifenden Aenderung der gesamten politischen, ökonomischen, sozialen und kulturel- len Struktur, auf der und durch die Europa und die Welt in die Kata- strophe des Faschismus und zwei- ten Weltkrieges gestürzt wurden, ist das entscheidende Moment im ge- sellschaftlichen Leben dar Nach- kriegsperiode. Eine Ausnahme von dieser historischen Pflicht zur Um. gsstaltung zum Neu beginnen und Kichtig-beginnen macht nur die Sow- jetunion, deren unbestreitbare Errun- genschaft der Oktoberrevolution, die sozialistische Planwirtschaft, grund- sätzlich und praktisch den richtigen Weg angibt, deren Verfassung und Politik zwar Anpassung und Reform, aber keine prinzipiellen und revolu- tionären Aenderungen zu erfahren braucht. Bis jetzt hat der Kampf um die so. Siale Befreiung, um die ausschlaggc- » Tuende Beteiligung der Massen an der Regierung, um die Beseitigung der (Privilegien der besitzendem Schich- ten, um die Liquidation der faschi- stischen und reaktionären Elemente hauptsächlich ein Gruppe von machtpolitisch gesehen unbedeuten- deren Nationen erfasst. Mehr als Ob- , jekte denn als Subjekte der natio- nalen Politik behandelt, haben sich die fortschrittlichen Krätfte in Grie- chenland und Italien, in Belgien und Holland, in Dänemark und Norwe- gen, in Frajikreich und Spanien ans Werk gemacht, das Vermächtnis der von Hermann Serner Toten, die Gelübde der heroischen Widerstandsbewegung in die Tat umzusetzen, die freiheitlichen, de- mokratischen und sozialen Reformen in Angriff zu nehmen. Aber nun stürmt dieser Kampf aus der Peri- pherie des machtpolitischen Kräfte- felds in ein Zentrum des Weltkapita. lismus vor; die grundsätzliche Ent- scheidung über das Morgen, die Grundsteinlegung einer neuen Zeit ist auf die Tagesordnung des Bri- tischen Reiches gerückt, der Burg- frieden der Churchillregierung ist be- endet, England steht vor der Wahl. Wenn die gewaltigen Ereignisse und Katastrophen unserer Zeit ein tief- gehendes und universales Interesse für alle politischen Vorgänge, für al- le Wahlen und alle Manifestationen des Völkerwillens hervorbringen, kommt doch der Wahl in England gesteigerte, ja ausschlaggebende Be- deutung zu, Bedeutung über die Grenzen des Britischen Imperiums hinaus, Bedeutung für alle Klassen und für die ganze Welt. Einmal ist England auch heute noch eine der führenden Grossmächte der Welt. See- und Luftstreitkräfte, sein weitausgedehntes Bündnissystem, sein kultureller und noch immer starker ökonomischer und finanzieller Ein- fluss und vor allem die gewaltige Macht, die in Beeinflussung, Kontrol- le und mehr oder weniger versteckter Beherrschung der riesigen Gebiete liegt, die aus Kolonien und Mandats- territorien, aus Deminien und halb- kolonialen Ländern bestehen, sein industrielles, wissenschaftliches und korr.merz'elles Potential machen die- ses Land auch heute noch zu einem weltpolitischen Faktor erster Ord- nung. Grossbritannien hat seinen Einfluss auf die Politik anderer Länder immer erheblich fühlbar gemacht, und sei- ne bald friedliche, bald gewalttätige Intervention in die Geschicke der anderen Völker wird nur nach ganz bestimmten und sehr tiefgreifenden Aenderungen in den politischen Ver- hältnissen m England selbst beendet werden. Die Politik aller Länder, als nationale Einheiten gesehen, wird ntitbestiHynt von dem Kurs der mCo Downingstreet ausgeht, sei er wie heute von der City, sei er, wie viel- leicht morgen, von Transporthouse inspiriert. Auf der anderen Seite erscheint die Wahl in England als ein Markstein der internationalen Geschichte, weil sich hier klar wie nie zuvor in diesem Lande zwei gewaltige Gruppen, zwei Welten, zwei Klassen gegenüberste- hen: Kapital, bestehende Ordnung, traditionelle Vorrechte, ererbter und überlieferter Besitz, vertreten durch die Konservativen, und sozialistische Planwirtschaft, Regierung durch die aufstrebenden des industriellen Pro- letariats und der ihnen verbündeten Schichten des Mittelstandes in Stadt und Land, vertreten durch die La- bourparty. Und grösste Bedeutung kommt neben dieser klaren Formu- lierung des Klassenkampf Charakters dieser Wahlen der Tatsache zu, dass nicht nur die herrschende Klas- se an der parlamentarischen De- mokratie zur Verteidigung ihrer Po- sitionen festhält, sondern dass auch die Arbeiterpartei als führender An- walt der Werktätigen die Eroberung der Macht und den Gebrauch der Macht zum Ausbau des Sozialismus innerhalb der bürgerlich-demokrati- schen Staats- und Verwaltungsformen durchführen will. Von dieser Wahl hängen nicht nur die Tendenzen ab, denen England als Grossmacht ge- genüber den Völkern des Erdballs fol- gen wird; die Entwicklung, die in ihnen beginnt, stellt den reformisti- schen Sozialismus, die reformgläubi- gen Arbeiterparteien erneut auf die Probe; erneut und in riesigem Mass- stab wiederholt die Geschichte in grandioser Grosszügigkeit den Schau- platz für ein reformistisches Verge- hen. Englands Wahl ist nicht nur die Abstimmung der Wähler für oder wider eine Partei. Sie ist in Wahr- heit die Wahl der Arbeiterpartei selbst, die Wahl über die Politik, die sie führen will, wenn sie die Mehrheit erreicht. Es ist klar, dass ein Sieg der briti- schen Konservativen, d. h. ein Sieg der herrschenden Finanzoligarchie, des Monopol- und Trustkapitals, der Kartelle und Grossbanken,, der Gross- grundbesitzer und Pressema-gnaten, der Interessenten m den Auslands, DAS ANDERE DEUTSCHLAND II Investitionen und der Föderation of British Industries eine nationale Ka- tastrophe für das schwer geprüfte englische Volk bedeuten würde, dem unsere ungeteilte und herzliche Sym- pathie gehört, dass er ausserdem ein schwerer Schlag für den Fortschritt und den Frieden in der ganzen Welt sein würde. Die verhängnisvolle Rolle der Tories als Einpeitscher und Steigbügelhalter der Weltreaktion, als Unterdrücker und Ausbeuter des britischen Pro- letariats und der kolonialen Völ- ker, als Garanten jjfder "Heiligen Allianz" gegen Einheit und Fort- schritt in Europa, ist seit den Ta- gen der französischen Revolution, über Napoleon und den Wiener Kon- gress, über die Gründung des Empi- res und die Beherrschung Afrikas und Indiens durch zahllose europäi- sche und internationale Kriege die gleiche geblieben. Der neo-feudali- stische Rassenwahn, auf den ein Hitler sein germanisches Sklaven, reich gründen wollte, die berechnete Verachtung und Benachteiligung der farbigen Völker und der noch nicht voll emanzipierten Nationen, sie sind durch den englischen Konservativen Chamberlain begründet und vertei- digt worden. Sie, die englischen To. ries, die unbeschränkten Herrscher über Millionen von gelben, braunen und schwarzen Kulis und "Nigger", sie wollen in Wirklichkeit das Her- renvclk, die "Masterrace" sein und bleiben, die Herrschaft behalten, die ihnen ein tollwütiger Sadist aus Braunau streitig machen wollte. Ein Sieg der Konservativen bedeutet die Fortsetzung jener Aussenpolitik, die von der Unterminierung des franzö- sischen Bündnissystems in Europa über die Stärkung der revisionisti- schen Tendenzen in Ungarn, Italien und Deutschland zur materiellen ünd ideologischen Unterstützung Hitlers, zur Abschnürung der Spanischen Re- publik, zur Auslieferung Ethiopiens an Mussolini und schliesslich über Go- desberg und München in die Hölle des Deutschen Blitzkrieges geführt hat. Ein Sieg der Konservativen be- deutet "Freie Fahrt" für die impe- rialistischen Abenteurer in Fleetstreet, Whitehall and Westminster, die zur Wahrung ihrer finanziellen Interes- sen mit offener Gewalt in die Ge- schicke des griechischen, italieni- schen und belgischen Volkes einge- griffen haben, die sich schützend vor die Kriegsverbrecher stellen, die den Völkern Europas auf den Spitzen der Bajonette verhasste Könige, Diktato- ren und Regierungen aufzwingen wollen. Ein Sieg der Tories bedeutet dauerndes Ersticken aller wirklich demokratsehen und revolutionären Kräfte im deutschen Volk, bedeutet verschärften imperialistischen Wett- bewerb auf der ganzen Erde, neue Rüstungen und am Ende den dritten Weltkrieg. Aber wenn uns eine Fortsetzung der konservativen Regierung mit schwe- ren Besorgnissen erfüllen würde, so erfüllt uns die Absicht auf einen Sieg der Labourpartei nicht mit ungeteil- ter Hoffnung und Zuversicht. Die Partei Ramsay Mac Donalds and Ci- trines, Atolees und Bevics, sphwer belastet durch jahrzehntelange Dul- dung und Stützung des Britischen Kapitalismus, schwer kompromittiert durch die Nutzniessung an der-im- perialistischen Rente, und durch den verhängnisvollen Pazifismus gegen- über Hitler, Franco und Mu-ssolini, tritt heute vor ein englisches Prole- tariat, vor einen englischen Mittel- stand, der die Segnungen des Fa- schismus in Gestalt der fliegenden Bomben zu spüren bekommen hat, der aber auch "die Greueltaten der bolschewistischen Asiaten" im Flam- menschein des unsterblichen Stalin- gvad zu erkennen und würdigen wuss- te. Krise und Krieg, monopolistische Ausbeutung und kartellierte Mängel. wirtschaft, Buchenwald und Coven- try haben dem individualistischen Engländer die Notwendigkeit soziali- stischer Planung, internationaler Be- friedung und brüderlicher Zusam- menarbeit mit der Sowjetunion und der Arbeiterklasse aller Länder ein- gepaukt. DL- Massen in England sind erwacht. Die Labourpartei hat die Konsequenzen gezogen. Ein breites und gründliches Programm wirt- schaftlicher und sozialer Massnah- men ist entfaltet worden. Die Arbei- terpartei will die ganze Macht, so verkünden ihre Sprecher. Der Sozia- lismus soll verwirklicht werden. Berg- werke und Eisenbahnen, Kreditwe- sen und Banken, lebenswichtige In- dustrien. sollen verstaatlicht werden. Preisgestaltung und Arbeitseinsatz, Export und Produktion, Landwirt- schaft und Konsum sollen vom Staa- te geregelt werden, ein System von Kontrollen und Ausschüssen der Re- gierung u.nd Arbeiter soll mit den Un- ternehmern gemeinsam wirksam wer- den, durch zentrale Pläne und Direk- tiven soll der Anachronismus des eng- lischen Monopolkapitals, der Man- gelwirtschaft, der Konkurrenz und imperialistischen Wettkämpfe, der kolonialen und nationalen Aus- beutung schrittweise zur soziali- stischen Ordnung, zur wahren "Volks- wirtschaft" des britischen Gemein, wesens geführt werden. Wer denkt aber nicht bei den Wort- geplänkeln zwischen Churchill und Attlee, bei den Kongressen der La- bourpartv und Trade Unions bei den Reden der leitenden Sozialisten an die Haltung der deutschen Sozialde- mokratie, die seit 1918, jedesmal wenn eine revolutionäre Stimmung der Massen bestand, einerseits radi- kale Worte fand, andererseits in parlamentarischen Manövern stecken blieb. Kann der Wahlsieg, kann die parlamentarische Mehrheit der Ar. beiternartei allein den Sozialismus herbeiführen? Es ist seit den Tagen der französi- schen Revolution, seit Lassalles Schriften und seit der Pariser Kom- mune, es ist durch Lenin und die Oktoberrevolution klar geworden, dass sich die Eroberung der Macht nicht in der Eroberung einer parlamentari- schen Mehrheit erschöpft. Solarge die bewaffneten Streitkräf- te, Heer und Marine, Luftflotte und Polizei, Verwaltung und Justiz nicht von der sozialistischen Partei mit- erobert werden, solange die Be- triebe nicht von der Arbeiterschaft kontrolliert werden, solange die tat- sächliche Ausführung der Gesetze m den Händen einer reaktionären Bü- rokratie verbleibt, solange Presse und Rundfunk, Schule und Kirche, Thea, ter und Universität Zitadellen der zurückgedrängten Reaktion bleiben, solange der politische Einfluss von feudalen Gesellschaftskreisen und Kliqueu fortbesteht, solange vor allem den privilegierten Klassen pro- duktives Eigentum und finanzielle Macht verbleibt, solange besteht die ungeheure Gefahr, dass jede soziali- stische Reform im Keime verwässert und erstickt, in der Ausführung sa- botiert und hintertrieben wird, dass jeder energische Protest der Volks, massen blutig unterdrückt, jede tief- greifende Massnahme mit kapitalisti- scher Gegenrevolution beantwortet wird. England steht vor der Wahl. Bs scheint kaum zweifelhaft, dass das englische Volk für den Fortschritt, für den Sozialismus .stimmt. Es scheint wahrscheinlich, dass die Ar- beiterpartei das Vertrauen der Mehr- heit erhält, als Vertreter des Sozia- lismus, als Vertreter einer neuen Welt. Aber erst dann beginnt die Wahl für die Arbeiterpartei. Geht sie konsequent den Weg der Reform, den Weg zum Soizalismus, so bedeutet dies eine Revolution, ei- ne Umwälzung des gesamten feuda- len, imperialistischen, monarchisti- schen und or allem hochkapitalisti- sehen England. Dann muss der gan- ze Staat, die ganze Wirtschaft, Po- litik und Kultur radikal verändert werden, gegen den Widerstand der Konservativen innerhalb und ausser- halb des Parlaments, die Konservati- ven, die schon heute mit dem Fa. schismus, dem Antisemitismus, de' Diktatur liebäugeln. Bleibt sie auf halbem Wege stehen, begnügt sie sich mit Ansätzen und unvollkommenen Kompromissen, pak- tiert sie gar wieder mit den Tories, so ist bestenfalls mit einer konserva- tiven Regierung des Status Quo mögleherweise mit einer legalen Fa- schisierung Englands zu rechnen. Dann aber verliert das internationa- le Proletariat, die notleidende Mensch* heit die starke Stütze, die eine wirk- lich sozialistische Arbeiterregieruug in England bedeuten würde. Es liegt bei den Massen in England, bei den fortgeschrittenen Gruppen der klas- senbewussten Avantgarde, den Kampf nach Eroberung der Mehrheit weiter- zutreiben, den Druck auf Gewerk, schatten und Partei zu erhöhen, je- des Bündnis mit den Konservativen abzulehnen, dis Labourführer zu zwingen, ihr Wahlversprechen einzu- halten, oder neue bessere Führer an ihre Stelle zu setzen ,. Nicht der Sieg der Labourpartei bei den Wahlen, erst ihre Haltung in den kommenden Kämpfen kann zei- gen, ob das englische Volk diese Wahl gewonnen oder verloren hat. 12 DAS ANDERE DEUTSCHLAND Ein unglückliches Kompromiss Der frühere Präsident der Arbei. ter-Internationale kritisiert im fol- genden Aufsatz den Beschluss, den die Vertreter der europäischen so- zialdemokratischen Parteien auf der Londoner Konferenz über die Behandlung Deutschlands fassten. Neben vielen anderen muss eine in- ternationale sozialistische Organisa- tion zwei Eigenschaften besitzen, um ihrem Ziel gerecht werden zu kön- nen: sie muss die ganze Welt umfas- sen, und sie muss demokratisch sein. Ihre Aktivität muss sich in den fünf Kontinenten abspielen, weil die Pro- bleme, die sie zu lösen hat, im Grun- de dieselben sind und weil sie nur universelle Lösungen erlauben. Al- les andere kann nur ein vorüberge- hender und schwächlicher Ausweg seih. Konnten die russischen Arbeiter ihre Emanzipation allein vollenden? Sicherlich, würden sie auf viele Hin- dernisse stossen, wenn sie sich noch einmal einem Krieg gegenüber sä- hen, den nur die gemeinsame Aktion vermeiden kann. Die grosse ameri- kanische Republik, die so lange glaubte, dass sie allein einem mate- riellen und sogar gesellschaftlichem Fortschritt entgegen marschieren könnte, wird sich heute darüber klar, wie. eng ihr Schicksal mit dem ande- rer Nationen verknüpft ist, und wie sie in ihrem eigenen Interesse ge- zwungen ist, anderen Völkern zu hel- fen. sich vcn der Unterdrückung zu befreien, und zu allererst von der Unterdrückung durch die Not. Euro- pa wird nur fähig sein, seine furcht- baren Wunden zu hellen und weitere Fortschritte zum Sozialismus hin zu machen, wenn die grosse« Massen Asiens und der Kolonialländer an Seinem wirtschaftlichen und politi- schen Fortschritt teilhaben. Wie kann man — wenn diese Bedingung nicht erfüllt wird — verhindern, dass die erbitterten Kämpfe zwischen den na- tionalen Wirtschaftsinteressen von neuem ausbrechen? Würdeil wir dz#n«.i nicht neuen Krisen und Konflikten und einem neuen Krieg entgegen ge- hen? Was würde letzten Endes eine internationale Organisation nützen, die sich nicht bemüht, solches Ver- hängnis durch eine gemeinsame Ak- tion zu vermeiden?... Die Lösung der deutschen Frage 'hängt weitgehend von zwei bis jetzt -unbekannten Faktoren ab: wie viel organisierten Sozialismus wird es in Deutschland geben, und welche Lö- sung werden die alliierten Mächte für das deutsche Problem als Gan- zes finden? Die Londoner Konferenz der Sozialistischen Parteien entschied meiner Meinung nach sehr klug, die Behandlung des besiegten Deutsch- land zuerst zu diskutieren, ehe sie einen Spruch darüber fällte, wie die Internationale wieder hergestellt wen- den soll. Aber die Debatte führte nur zu ei- ner langen und verwirrten Resolu. «tai», von der leider keiner sehr be. von Louis de Brouckere (Brüssel) friedigt sein kann. Es geschieht uns zu oft, dass wir, wenn wir Gegensätze zu versöhnen versuchen, dabei enden, dass wir nichts Präzises sagen, und dass wir Ausdrücke gebrauchen die so unbestimmt sind, dass sie dieje- nigen, die sie zu verstehen versuchen, verwirren, statt sie klar sehen las- sen. Ich befürchte sehr, dass die Lon- doner Konferenz dieser Tendenz noch mehr als gewöhnlich nachgegeben hat. Ausserdem haben wir selbst um diesen Preis die Einstimmigkeit, der die Präzision des Gedankens ge- opfert wurde, nicht erreicht. Ich will nicht versuchen, die Lon- doner Resolution zur deutschen Frage zu analysieren. Ich gebe zu, dass sie viele ausgezeichnete Dinge enthält, besonders die Ablehnung jedes Ge- dankens an eine Annektiern des Rhein- lands durch irgendeinen benachbar- ten Staat. Aber andere Teile der Re- solution sind bedeutend weniger gut. Das ist das Wenigste, was gesagt wer- den kann. Sehr gut! Aber "im Geiste der Ver- söhnung" wurde eine Einleitung an. genommen, die diesem Text voraus- gehen soll, und die ihn jeder wirkli- chen Bedeutung beraubt und ihn fast zum Hohn werden lässt: "Wenn wir von der Zersplitterung oder Zerstük- kelung Deutschlands reden, meinen wir etwas ganz anderes als die Ab- tretung gewisser Territorien durch ein besiegtes Deutschland, zum Bei- spiel an Polen, oder die Errichtung eines besonderen Regimes für Rhein- land, Ruhr, und Saargebiet. Zersplit- terung und Zerstückelung kann nur bedeuten: Teilung des gegenwärtigen Reiches in eine Anzahl "unabhän- giger und souveräner" Staaten". Dazu möchte ich bemerken: für die- ses seltsame Kompromiss konnte kei- ne Einigkeit erzielt werden. Manche Delegierte meinten, dass die vorge- schlagene Resolution die Frage um- ginge, statt sie zu lösen, und dass eine mächtige und geachtete Inter- nationale nicht dadurch geschaffen werden könnte, dass man Schwierig- keiten aus dem Wsge ginge. Verschie- dene andere Lösungen wurden nach- einander versucht. Ihre einzige Wir- kung war, immer klarer zu zeigen, dass es keine gab, die für alle De- legierten annehmbar war, und dass man abstimmen musste. Eine Mino, rität erklärte sich als Feind jeder Zerstückelung. Die Majorität stimm- te für einen Text, der nicht für eine solche eintritt, sie in keiner Weise unterstützt, der aber nicht den Ge- danken ausschl'esst, dass man sie mit einer Art Resignation hinnehmen müsse... (Lest News — London) Der Krieg in Zahlen. Der von Hitler vom Zaun gebrochene Krieg hat das Leben von 14 Millionen Deutschen gekostet. Dieser Verlust entfällt zu 90 Prozent auf die 19 Millionen männlichen Deutschen in militärpflichtigem Alter, mit denen die Nazis im Jahre 1940 rech- neten. 36 Mllionen Frauen stehen nur 24 Millionen Männer gegen- über. Betrachtet man die Alters- gruppe von 16 bis 45 Jahren, so ist das Verhältnis noch erschrek. kender: auf 18 Millionen Frauen kommen nur 7 Millionen männliche Deutsche. Das heisst, dass die Ge- burtenziffer im kommenden Deutschland so niedrig wie kaum jemals sein wird. Es entsteht ein ungeheures sexuelles Problem und die deutschen Städte und Dörfer werden angefüllt sein mit Frauen, Kindern, Krüppeln und alten Man. nern. Besondere Schwierigkeiten müssen dadurch auch für den wirtschaftlichen Wiederaufbau auf. tauchen, da eine relativ geringe Produzentenziffer einer abnorm hohen Zahl von Konsumenten ge- genübersteht. wammmmmmmmmmmmmmmmmmmmm Ein Abschnitt in dem vorgeschlage- nen Text protestiert gegen jede Zer- splitterung oder Zerstückelung Deutschlands: "Die Konferenz der europäischen sozialistischen Partei- en", heisst es da, "ist gegen jedes Ex- periment dieser Art, das sie als eine Quelle verhängnisvoller Ilusionen und Gefahren für die künftige Sicher- heit und Dauerhaftigkeit des Friedens ansieht". Wann man die Tatsache nicht in Rechnung stellt, dass das Gefühl der tatsächlichen E nheit des deutschen Volkes, nach dem Experi- ment, das Napoleon mit dem Rhein- bund machte, nur gestärkt wurde, muss man sich auf grosse Ueberra- scliungen gefasst machen. Alle Versu- che, das deutsche Volk künstlich durch die Schaffung verchiedener "unabhängiger" deutscher Staaten, aufzuteilen, würde in ihm nur den leidenschaftlichen Wunsch stärken, wieder eine einige Nation zu werden. Ausserdem würde es wegen der Ge- samtverantwortung, die auf dem deutschen Volke liegt, unmöglich sein, dem oder jenem dieer "unab- hängigen Staaten" eine Vorzugbe- handlung angedeihen zu lassen. Ein Deutschland, das eins bleibt, aber das nicht länger Herr über irgend ein annektiertes Gebiet ist wie Oester- reich, um nur ein Beispiel für viele zu nennen, muss das Unrecht, das es der Welt angetan hat, wieder gut- machen, muss seine Geisteshaltung ändern und versuchen, das Vertrau- en der anderen Nationen wieder zu gewinnen, damit es eines Tages im- stande sein wird, seinen Platz in der Gemeinschaft der Menschheit wieder cinaunefcineft'/ DAS ANDERE DEUTSCHLAND 13 Der „Baruch-Plaift" ein Symptom? Sind es nur die Berichte über den "Baruch-Plan" oder ist es dieser Plan selbst, der symptomatisch ist für die Verwirrung, die in den kapi- talistischen Kreisen Nordamerikas herrscht? Nach einer Meldung der Associated- Press hat Bernard • Baruch, der wirt- schaftliche Berater B'oosevelts und anscheinend auch Trumans, die Ver- einigten Staaten von Europa gefor- dert. In ihnen sollte Deutschland einer der friedlichen Gleichen, nicht aber Beherrscher sein. Die Reuter-Meldung dagegen geht wesentlich weiter und berichtet von 14 Pmkten Baruchs in denen zwar nicht von den Vereinigten Staaten Europas. dafür aber von tiefein - schneidenden Massnahmen gegen Deutschland die Rede ist: Vollstän- dige Vernichtung der deutschen Schwerindustrie, teilweise Ueberfüh- rung der Industriebetriebe ins Aus- land, Aufteilung des Grossgrundbe- sitzes, Außenhandelskontrolle. "Ent- wurzelung" des deutschen Besitzes ausserhalb Deutschlands und Festset - zung der Reparationen entsprechend dem Maximum der deutschen Lei- stungsfähigkeit. Auf der anderen Seite soll aber verhütet werden, dass die Reparationen zu einem forcierten deutschen Export und entsprechen- der Senkung der Lebenshaltung füh- ren? Welche dieser beiden Meldungen ist richtig, oder sollen sich beide ergän- zen? Hat Herr Barueh zunächst sei- ne allgemeine Erklärung abgegeben und daran seine 14 Punkte ange- knüpft? Solange dieser Zweifel nicht geklärt ist, fällt es schwer, Stellung zu nehmen. ■ - ■ 'Auch sonst bestehen Unklarheiten: Meint Herr Baruch — mit Recht — dass forcierte Exporte zur Senkung der Lebenshaltung nicht nur im ex- portierenden Lande, sondern aucn dort leicht führen, wohin jene Ex- porte gehen? Wie will Herr Barvich das vermeiden? Was aber können Re- parationsleistungen anders sein als "forcierte Exporte" und evt. Aufbau- arbeit an Ort und Stelle? Wie soll Deutschland seine Experte 'forcie- ren", wenn ein wichtiger Teil seiner Industrie vernichtet wird? Hat Herr Baruch nichts von der gemeinsamen Arbeit seines Landsmanns Moulton und des Franzosen Marlio gelesen, in der diese Fachleute nachweisen, dass es genügt, gewisse Schlüsselin- dustrien, wie die Aluminiumerzeu- gung und die Fabrikation von Flug- zeugen sowie synthetischem Petrole- um zu vinterbinden, damit ein Land wie Deutschland keinen Krieg vorbe- reiten kann? Es scheint, als habe auch Herv Ba- ruch zwei Seelen in seiner Brust: diejenige des verantwortungsbewuss- ten Politikers und die des Vertreters kapitalistischer Interessen. Als ver- antwortungsbevmsster Politiker for- dert er die Vereinigten Staaten von von Hans Lehmann Europa und erkennt er die Gefahr "forcierter Exporte" . .Als Vertreter kapitalistischer Interessen würde ihn die Konkurrenz der deutschen Schwerindustrie selbst dann stören, wenn ihre Giftzähne gezogen sind. Als kapitalistischer Bankier ist ihm jede deutsche Auslandskonkurrenz lästig: darum Enteignung aller deut- scher Unternehmen im Ausland, wis wir es k:rzlich auch vom nordame- rikanischen Vertreter in Argentinien gehört haben. Wir sind gewiss nicht geien die Mass- nahmen, die zur Kriegsverhütung nötig sind — nicht einmal wenn die- se zunächst nur einseitig gegenüber Deutschland angewandt werden. Die Schuld, die das Dritte Reich auf sich geladen hat, verpflichtet das neue Deutschland sogar, freiwillig auf dem Wege der Friedenssichemng voranzu- gehen . Wogegen 'ir uns aber wenden, ist der Versuch, die Ver' etung rein ka- pitalistischer Gruppeninteressen als Bemühungen um den Frieden oder um die Wiedergutmachung gesche- DAS GESICHT Grausame Strafe üben die engli- schen Militärbehörden an Herrn Krupp • von Bohlen und Halbach. Er ist als Kriegsverbrecher verhaftet und muss sich, wie United Press meldet, als Häftling mit einer Fünf- zimmer-Wohnung und zwei Dienst- boten begnügen. "Befriedung" in Griechenland. Der Kopf eines der Hauptführer der ELAS wurde als Trophäe aufgepflanzt. Politik und Geschäft. Die AP mel- det, dass ausgerechnet der frühere Präsident der Republic Steel Corpo- ration beauftragt wurde, die gesam- te deutsche Metallindustrie zu kon- trollieren und zu bestimmen, welche Fabriken abgerissen und abtranspor- tiert werden sollen. Es gehört keine grosse Phantasiebegabung dazu, sich auszumalen, welche Gesichtspunkte dieser Herr über das Leben seiner deutschen Konkurrenten walten las- sen wird. Rassenhass aus Geschäft. Der Nord- omerikatiische Schriftsteller Carey McWilliams befasste sich in einem kürzlich erschienenen Buche mit dem Problem der in USA lebenden Japa- ner. Er weist darin nach, dass die gleichen Amerikar.e1', die aus Konkur- t enzgründen für die Internierung sämtlicher in Kalifornien lebender Japaner eintraten, ebenfalls aus wirt- schaftlichen Gründen gegen die In- ternierung der auf Hawaii befindli- chen Japaner waren. McWilliams warnt vor der Gefahr, dass die Japa- ner ähnlich zu Sündenböcken ge- macht würden wie die Juden. Nazis — auch anderswo. Herr John henen Unrechts darzustellen. Wi? wenden uns weiter dagegen, das« man aus ähnlichen Gründen ver- sucht, den Anschein zu erwecken, als könne man gleichzeitig Deutschlands Industrie zerstören und erhebliche Aufbauleistungen von ihr erwarten. Wir warnen vor solchen Versuchen nicht als "deutsche Patrioten", son- dern weil .wir wissen, dass solche Täuschungen zu Enttäuschungen und damit zu .einer Erschütterung des Glaubens an . die Möglichkeit einer vernünftigen Ordnung der internatio. nalen Beziehungen führen. Hat Herr Baruch absichtlich vertret- bare mit unerfüllbaren Forderungen vermengt? Liegt hier mangelhafte Berichterstattung der grossen Nach- richtenagenturen vor? Sei dem, wie ihm sei. Es tändelt sich hier nur um ein Glied in der Kette der wi- derspruchsvollen Meldungen über die Friedenspläne der Nordamerika- ner. Das deutet darauf hin, dass der Kampf der beiden Seelen nicht etwa nur in der Brust von Bernard Baruch vor sich geht. Hoffen wir, trotz allem, dass in letzter Instanz der verantwortungsvolle Politiker siegt. DER ZEIT E. Rankin aus Missisippi ist einer der gefährlichsten antisemitischen Het- zer. Sein Amt als Kongressabgeord- neter verdankt er im übrigen der Tatsache, dass auf Grund der unde- mokratischen Wahlsteuer nur 4 % der Wahlberechtigten Bevölkerung seines Bezirkes sein Wahlrecht aus- üben kann. Einem Manne, der sich als Nazipropagandist ausgab, um Rankin auszuhorchen, gab dieser den schönen Rat: "Sie brauchen nur zu sagen,' dass die Juden an diesem Kriege schuld, sind; alles muss den Juden in die Schuhe geschoben wer- den." Seine besonderen Verdienste als Nazi brachte ihm eine sinnreiche '•Ehrung" ein: Zv-rn Zeichen ihrer Verachtung überreichte eine Delega- tion von Kriegsteilnehmern, Mitglie- der der "United Automobile Workers Unron", eine Medaille, die mit einem — Hakenkreuz geziert war. War dies der letzte Krieg? Mr. Gal- lup, der Besitzer eines weltbekannte! Unternehmens zur Ermittelung d