TRA ÄLEMAN! DAS ÄNDERE DEUTSGHtAN im ORGANO DE " LOS ALEMANES DEMOCRATICOS ' DE AM l- RICA DEL SUR AUS DEM INHALT; Gabriel A. Almond: EL MOVIMIENTO ANTINAZI August Siemsen: DAS BRITISCHE IMPERIUM UND DIE SOWJETUNION Heinz Paechter: DIE STREIKWELLE IN U. S. A. JUGEND UND SCHULE IN DEUTSCHLAND BRIEF EINES JUNGEN MAEDCHENS AN HITLER NEUE BERICHTE AUS DEUTSCHLAND UND OESTERREICH DISKUSSION-TRIBUENE: Gerhard Gleisberg: GEGEN DIE PROPHETEN DER ENTTAEUSCHUNG b ......«irMi—i B ü HNOS-AlRHS » TUCÜMAN 309 » 3 U- k E T IRQ, > 7 2 o 4 mihi, in 11 NUMERO 112 ♦ 15 DE FEBRERO DE 1 946 ♦ ANO V 11 k % Verkanfsstefien In C*plt»l and Voror- ten: Frei* deutsche Buchhandlung1®!» Kioske* Cabiirto Ecke Juramento Cabilde Ecke Pampa Amenabar 1931 L. N. Alem Ecke Tucumän Station Beigrano •&, FCCA. Station Martinez, FCCA. Station Malaver, FOCA. 'Station Villa Ballester, FCCA. Station Chilavert, FCCA. Station J. I* Su&rez, FCCA. Station Belgrano U, FOCA. Station Saavedra, FCCA. Station J. B. Justo, FCCA. Station Tigre C, FCCA. Station Beccar, FCCA. Station Bemal FCS. HILFSAKTIONEN Das Deutschland-Hilfswerk sendet erneut mit dem in nächster Zeit ab- gehenden Dampfer durch die Inter- nationale Kindürhilfe drei Kisten mit Kleidern und eine Kiste mit Schu- hen nach Deutschland. Besonders hervorgehoben sei, dass einer unse- rer Freunde in Colonia Liebig, Mi- siones, für rund 1.000.— Pesos Klei- der und Schuhe beigesteuert hat. Ein hiesiger Freund hat alle deutschen Arbeiter seines Betriebes als dauernd zahlende Mitglieder des Hilfswerks geworben. Andererseits müssen wir leider feststellen, dass manche Freun- tie des Andern Deutschland bisher Hoch nicht Mitglieder des Hilfswerks geworden sind, obwohl das selbstver- ständliche Pflicht eines jeden sein sollte. Unsere Freunde in Bolivien, Brasi- lien unS Uruguay sammeln ebenialls für das Deutschland-Hilfswerk. Wir werden in der nächsten Nr. einen Be- richt über die bisher eingegangenen Beiträge veröffentlichen. Heute seien nur folgende Spenden aus Sao Paulo bestätigt: J. R. 100 Cr., F. K. 100 Cr., Dr. F. R. 20 Cr., L. E. 60 Cr., K. L. 300 Cr., W. R. 25 Cr., E. E. 20 Cr., E. L. 10 Cr. Die Arbeiterwohifahrt London hat den folgenden Aufruf erlassen: Hungern und frieren wird für vie- le Millionen Deutscher dias Merkmal des ersten Friedenswinters sein. Viele werden verhungern und erfrieren! Schon jetzt gehen Unzählige hung- rig ins Bett. Alliierte Aerzte erwarten, dass weniger als 50 o o dier Neugebo- renen diesen Winter überleben wer- den. Umfragen unter Schulkindern ergaben, dass kaum ein Kind mit ausreichendem Frühstück versehen ist. . Die Liste liesse sich unendlich ver- längern. Was immer an Hilfsmaß- nahmen geplant oder durchgeführt wird, es wird unzureichend sein und für Viele zu spät kommen. Die Grö- sse der Aufgabe übersteigt alle Mög- lichkeiten der Hilfe. Nicht allen kann geholfen werden, obwohl es versucht Verden muss. Wir aber haben eine doppelte Auf» Deutsche- | Frri;:::u''i /■:•; > ' ■.•in j ' DAS ANDERE DEUTSCHLAND IN EIGENER SACHE! DIE PREISE FITER "DAS ANDERE DEUTSCHLAND" müssen infolge ei- ner erneuten, starken Unkostensleigerung tür jede Nummer erhöht werden. Das Abonnement kostet in Zukunft 6.— Pesos arg., die Einzelnummer 0.30 Pe- sos. Entsprechend erhöhen sich die Preise in den andern Ländern. Wir weisen darauf hin, dass wir auch mit diesen Preisen unsere Arbeit nicht fortsetzen könnten, wenn nicht viele Freunde freiwillig höhere monat- liche (Beiträge zahlten. Aber auch so haben wir angesichts der dauernd steigenden Unkosten und unserer sehr angewachsenen Auslandskorrespondent grosse finanzielle Schwie- rigkeiten. VV'ir bitten deshalb: Vergesst nicht den Presse-Fonds! NACHRUF EMANUEL GUTTMANN, langjähriges und aktives Mitglied der Ver~ einigung des ANDERN DEUTSCHLAND in Montevideo, ist am, 27 I 194S nach kurzer, schwerer Krankheit verschieden. ' ' Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. DAS ANDERE DEUTSCHLAND. gäbe, über die allgemeine Hilfe hin- aus! Wir müssen jenen aktiven Kämp- fern gegen die Hitlerdiktatur helfen, die für Jahre ihre Opposition mit Haft und Konzentrationslager be- zahlt haben, und die jetzt wieder ak- tiv im Kampf für ein demokratisches und friedliebendes Deutschland ste- hen. Ihnen können wir helfen. Es sind Tausende, und viel wird gebraucht werden. Alles wird gebraucht werden. Deutschlands Wirtschaft ist aus dem Gefüge gegangen, Mangel zeigt sich bei jedem Zwirnsfaden. Geld, um Sachen kaufen zu können und Porto zu zahlen: Kleidungsstücke, Ausrüstungsgegenstände und Lebens- mittel; Handwerkszeug und Arznei- und Stärkungsmittel —es gibt nichts, was nicht heute für unsere Freunde und Genossen in Deutschland eine Kostbarkeit ist, die ihnen hilft; die ihnen das Durchkommen ermöglicht und ihnen Kraft gibt, für unsere ge- meinsame Sache zu wirken. Den Männern und Frauen aus den Konzentrationslagern und Zuchthäu- sern, den Kindern der Opfer im Frei- heitskampf gegen die Diktatur — vie- le von ihnen heimat-, heim- und mittellos — zu helfen, rufen wir alle unsere Freunde im Lande auf! Die ersten 12 grossen Kisten, das Resultat einer Kleidersammlung un- ter den deutschen Emigranten, die von Anfang des Krieges bis heute un- ter der Kleider-Rationierung zu lei- den hatten, sind von London abge- schickt und von der Arbeiter-Wohl- fahrt Hamburg in Empfang genom- men worden. Die Arbeiter-Wohlfahrt sorgt ausschliesslich für die aus KZ und Gefängnissen entlassenen Anti- faschisten. RUECKWAN Die deutschen Gewerkschaftler in London haben über den englischen Gewerkschaftsbund dem Aussenmi- nisteriuin 25 angesehene Gewerkschaf- ter vorgeschlagen, die sich bereit er- klärt haben, nach Deutschland zurück- zukehren. Die Rückkehr der 25 wird, nach unseren letzten Nachrichten, in Kürze erfolgen. Die Verhandlungen zwischen dem Beauftragten der deut- schen Gewerkschafter und der engli- schen Bruderorganisation haben dazu geführt, dass weitere Listen eingereicht werden konnten, auf denen von Ge- werkschaftsseite empfohlene deutsche gewerkschaftliche und politische Flüchtlinge stehen. Unter der zweiten Gruppe der Rückwanderungsbereiten, deren Namen dem englischen Aussen- ministerium vorgeschlagen wurden, be- finden sich auch verschiedene deutsche Antifaschisten, die z. Zt. in Südame- rika wohnen, und die ihre Rückreise über DAD beantragt hatten. Deutsche Kriegsgefangene in USA, die ihre Nazi-Gesinnung abgaschwb- D E R U N G ren haben, werden in Fort Getty für wichtige Funktionen in der Polizei und andere Zivilbeamtenstellen vorbereitet. Nach Abschluss der Kurse sollen sie in der von den Amerikanern besetzten Zone Deutschlands Verwendung fin- den. Amerikanische Offiziere, die La- ger deutscher Kriegsgefangener gelei- tet haben, erklären, die deutschen Ge- fangenen seien völlig geheilt. Als ty- pisch werden die Verhältnisse im La- ger von Fort Benning angegeben. Dort reichten die Gefangenen ein Gesuch an die amerikanische Lagerleitung ein, in dem sie unter Hinweis darauf, dass sie alle dem Hiijerismus abgeschworen hätten, um Aufnahme in die Schu- lungskurse baten. Der amerikanische Lagerleiter bemerkte gegenüber dem Vertrauensmann, der das Gesuch über- gab, dass es von 2.000 Gefangenen un- terschrieben sei, und 172 Unterschrif- ten fehlten. Erich Hage, vom Afrika- Korps erwiderte: "Die konnten den Nazismus nicht abschwören, weil sie nie Nasis waren". S DAS AND BUB DBUTSCHs HXD s Das quantitativ gewaltige Ge- bilde der UNO ist von so zarter Gesundheit, dass die wechselseiti- gen Beschwerden der Engländer und der Russen gegeneinander es ernstlich zu gefährden drohten. Aber da niemand den frühzeitigen Tod der so mühsam zustande ge- brachten Organisation wünschen kann, so hat man — nach ziem- lich komisch anmutenden Proze- duren — ein Arrangement getrof- fen, das keinen Konflikt löst, viel- mehr alles beim alten lässt, um damit einmal mehr *d oculos zu demonstrieren, dass die UNO ge- gen einen der Grossen nichts un- ternehmen kann, ohne ihre eige-. ne Existenz zu gefährden. Der hundertjährige englisch-rus- sische Gegensatz resultiert vor al- I von August Siemsen jpi lern aus dem Streben Russlands nach lreiem Ausgang zum Mittel- meer und nach Zugang zum Per- sischen Meerbusen, ein streben, welches das britische Imperium an seiner empfindlichsten Stelle bedroht. England hat sich im Lauf der Zeit die Verbindung mit sei- nem wertvollsten Besitz Indien durch eine Kette von Stützpunk- ten — Gibraltar, Malta, Cypern» Suezkanal, Aden und die am Süd- ausgang des Roten Meeres liegen- den arabischen Schutzstaaten — gesichert und durch Stützung der Türkei den Russen bisher erfolg- reich den Weg ins Mittelmeer ver- sperrt. EL MOV1M1ENTO ANTINAZI EN ALEMANIA DURANTE LA GUERRA por el Prof. Gabriel A. Almond (Derechos reservados por American Association For a Democratic Germany, New York, distribuldc en America del Sud por La Otra Alemania.) El autor de la siguiente nota es un preattgioso profesor de cienclaa polltica del Brooklyn C-,lleg-t de Nueva York. En misiön que le t'uera otorgada por el preaidente Truman, ha pasado vorios meses en Alemania, donde tuvo oca»i6n de estudiar loa arehivoa secretoa de la Gestapo. Yo estuve en Alemania, en el servielo gubernamental, desde abril hasta fines de julio del afio 1945. Durante este tiempo pas6 tres semanas en Francfort, Nu- remberg, Leipzig, Halle, Hamburgo, Bremen, Lübeck y Hannover. Una parte de mi trabajo consistiü en mterrogar a los miembros reducidos de la Gestapo y de la SS, a mäs de liacer lo propio con los dirigentes antifascistas que hablan sobre - vivido, analizando los archivos de la Gestapo. Por consiguiente, me ha sido posible, controlar mis fuentes de Information y cotejarlas entre sl. Contrariamente a la impresiön creada por inform es que salieron de Alemania, poco despu6s de la ocupaciön, la actividad antinazi orga- nizada se realUo en considerable escala durante todos los anos de la guerra. Resumiändoio brevemente las pruebas que presenta son las siguientes: 1) Hubo grupos antifascistas activos antes de la ocupaciön que füeron disuel- tos por el gobievno Militär aliado. En la mayoria de las grandes ciudades aleroa- nas existieron asimismo grupos antifascistas cuando entraron nuestras tropas. Estos erupos tiablan crecido considerablemente y realizaban actiyidades mäs abiertas y en mayor escala durante los meses anteriores a la ocupaciön. Durante este periodo su principal trabajo consistiö en socavar el "Volkssturm" y pre- sionar a las aucoridades para que se rindieran sin ofrecer resistencia. En los dias que siguieion inmediatamente a la ocupaciön, estos grupos tuvieron un breve periodo a'rierto, Reclutaron nuevos miembros, trece mil en Leipzig, cuatro mil en Bremen, durante las primeras semanas de ocupaciön. Ocuparon las olicinas locales del partido nazi, de la Gestapo y del Prente del Trabajo. Pro- veyeron a las äütoridades norteamericanas y brit&nicas de informaciones, »obre el paradero de los jefes nazis Cambiaron los nombres de las calles ftue tenian denominaciones nazis, borraron sus lemas de las paredes y reemplazaron los em- blemas nitleristas con los suyos propios. Las evidencias que est&n en mi poder, indican que se trataba de reacciones espont&neas, originadas principalmente entre los grupos que consideraban haber sido liberados por las tropas aliadas. Conforme a la orden del c.iartel general supremo de las fuerzas aliadas todas estas organizaciones fueron disueltas. 2) Tres mil antinazis alemanes fueron detenidos mensualmente, durante la primera mitad del afto 1944 Yo he visto y analizado cuidadosamente los infor- aies estadisticos de la Gestapo sobre detenciones realizadas dentro de toda Ale- mania. Estos informes confirman la existencia de una oposiciön organizada, que operö en escala considerable. Durante los seis primeros meses de 1944 (antes de la invasiön y del atentado contra Hitler) la Gestapo detenia a los "comu- nistas" a razön de 300 hasta 500 por mes, a los "marxistas" a razön de 100 por mes, a los "reaccionarios" a razön de 300 por mes y a los "derrotistas" a razön de 1.500 hasta 2.000 poi mes. En conjunto, durante abril, mayo y junio de 1914, lä Gestapo detuvo a casi 9 000 alemanes con motivo de trasgresiones politicas. Los prontuarlos de la Gestapo sobre "comunismo", "marxismo" y "activldades reaccionarias" no eran exactos, y ello puede establecerse despu^s de examin*r les Zweimal, im ersten und zweiten Weltkrieg, wurde der englisch- russische Gegensatz infolge der gemeinsamen Bedrohung durch den deutschen Imperialismus Über- deckt, um sofort nach Beendigung des Krieges erneut hervorzubre- chen. Das dem zaristischen Russland in der Net des ersten Weltkriegs gemachte Versprechen des freien Zugangs zum Mittelmeer wurde nach dem Krieg gegenüber dem bolschewistischen Russland nicht eingehalten. Nach dem ersten Weltkrieg änderte der russisch- englische Gegensatz bis zu einem gewissen Grade seinen Charakter. Er erhielt seine besondere Fär- bung durch den Hass und den Vernichtungswillen des kapitalisti- schen England gegen den Bolsche- wismus, während die imperialisti- schen Positionen Englands im Na- hen Osten durch das sehr ge- schwächte und voll mit seinem inneren Aufbau beschäftigte Sow- jetrussland zunächst kaum ge- fährdet erschienen. Heute dagegen steht das mo- derne Russland, steht die Sowjet- union trotz der furchtbaren Kriegszerstörungen mächtiger da als je. Umgekehrt ist das britische Imperium sehr geschwächt aus dem Kriege hervorgegangen. Sei- ne starke finanzielle Weltstellung ist zusammengebrochen. Hier wie in der Beherrschung der See folkt USA seine Erbschaft angetreten. Wichtigste imperialistische Posi- tionen Englands sind schwer be- droht. Im Fernen Osten muss Eng- land den Vereinigten Staaten da» Feld überlassen. In Vorder- und Hinterindien wird es imxttlff schwerer, des Strebens der Inder nacÄ Unabhängigkeit Herr zu wer- den. Aegypten fordert immer ener- gischer den Abzug der englischen Truppen und volle Unabhängig- keit. Die alte englische Politik de« divide et impera, der Ausnuteung und Steigerung der Gegensätze innerhalb gefährdeter Herrschest- gebiete, stosst in der Palästinafra- ge auf immer grössere Schwierig- keiten. Konsequent nutzt die Sowjet- union diese Schwächung Englands aus, um ihre Machtstellung sitzn Mittelmeer, nach Vorderasien und zum Persischen Meerbusen vor- zuschieben. Der hundertjährige Kampf um den Balkan ist heute im wesentlichen zu gunsten der Sowjetunion entschieden. England muss — hier wie überall von USA. seinem Konkurrenten um die Weltmärkte, nur halb und schwac« unterstützt — die v n der Sowjet- union abhängigen Regierungen auf dem Balkan anerkennen. Bs klammert sich an Griechenland. Aber es besteht wohl wenig Zwei- fel, dass auch diese Position zu- sammenbricht, wenn die engli- schen Truppen Griechenland ver- DAS ÄNDERE DEUTSCHEANÖ 'X... ___ lassen. Auch tri-' Persien, in dem früher englischer und russischer Einfluss hartnäckig riiiteinander rangen, triumphiert die russische Politik. Die Türkei wird sich auf äie Dauer der russischen Forde- rungen nach Gebietsausdehnun- gen zum Schutze des kaukasischen Petroleums und um freien Zugang zum Mittelmeer nicht erwehren können. Endlich sucht die Sowjet- union die panarabische Bewegung und die Konflikte zwischen Juden und Arabern in der Palästinafrage auszunutzen, um die englische Vorherrschaft in Vorderasien und im Mittelmeer zu zerstören. Obwohl der englisch-russische Gegensatz, wie wir ihn kurz auf- gezeigt haben, alle Züge eines ty- pischen imperialistischen Kon- tflikts hat, ist es doch falsch, ihn, wie es so oft geschieht, als Kon- flikt zwischen zwei imperialisti- schen Mächten zu bezeichnen, aus dem sehr einfachen Grunde, weil die Sowjetunion nicht eine impe- rialistische Macht im eigentlichen Sinne des Wortes ist. Angesichts der weit fortgeschrittenen Verwil- derung der Sprache und der un- klaren und falschen Anwendung der Begriffe ist festzustellen, dass historisch gesehen Imperialismus die politische Form des Hoch- und Monopolkapitalismus ist. Er sucht in der Welt nicht nur nach Ab- satz- und Rohstoffgebieten, son- dern vor allem auch nach Inve- stierungsmöglichkeiten ' für das überschüssige Kapital. Die Ausdeh- nungstendenzen der Sowjetunion aber beruhen nicht auf dem Zwang zum Kapitalexport und zur Ausbeutung fremder Länder, son- dern auf dem Streben nach Siche- rung gegenüber der feindlichen kapitalistischen Umwelt und dem — heute zwar abgeleugneten — aber unvermeidlichen Streben, die Prinzipien der antikapitalistischen Sowjetwirtschaft auf weitere Ge- biete der Erde zu übertragen. Und hier ist neben den verän- derten Machtverhältnissen der zweite Grund dafür, dass die Sow- jetunion sich im Angriff gegen die Bastionen des gesättigten und bis vor kurzem weltbeherrschenden britischen Imperialismus befindet. Ihre Lage ist dabei umso günsti- ger, als sie den ausgebeuteten und unterdrückten Klassen und Ras- sen Befreiung von ihrem Joch in Aussicht zu stellen vermag. Für die von den im Lande herrschen- den Kapitalisten und Bürokraten gemeinsam mit dem ausländischen Kapitalismus ausgebeuteten, müh- seligen und beladenen Bauern des Balkan ist die wirtschaftliche Sow- jetdemokratie weit aktueller und interessanter, als die parlamenta- rische Demokratie der Westmäch- te. Wenn die engliche Regierung die mangelnde Demokratie in den unter Russlands Einfluss stehen- den Balkanstaaten kritisiert und informes detallados que se habian empleado para confeccionar las estadisticas tionsolidadas. Ahl los social-demöcratas y socialistas eran incluidos sin discrimi- naciön en la cstegoria del 'comunismo"; y en la categoria de los reaccionarios entraron tanto demöcratas, liberales y pacifistas como conservadores. 3) Los ini'ormes detallados de la Gestapo, arriba mencionados, han sido confirmados por los jefes antifascistas alemanes, con quienes tuve la ocasiön de hablar. 4) Algunas de las celulas antinazis en las grandes fäbricas eran de volümen considerable. Lugares como Famburgo, Bremen, Düsseldorf y Leipzig tenlan crganizaciones con varios centenares de miembros activos. Esto fue confirmado DO sölo a traves de las conversaciones con los lideres de las entidades antifas- cistas centrales, sino tambien en las conversaciones que mantuve con los obreres en las fäbricas, los gerentes y hombres de posiciones similares. Segün mis im- oresiones, un gran nümero de las mayores fäbricas de las zonas industriales lue Visite, contaron con celulas antinazis. En lugares como Bremen y Hamburgo, el nümero de sus afiliados era casi tan grande como el de los miembros del par- tido nazi, en las plant-as Industriales. 5) Las organizaciones antifascistas unidas se formaron en 1943. La princi- pal resistencia activa fue llevada a cabo por los grupos izquierdistas, comunistas JT socialistas. En 1943 muchas de estas agrupaciones comenzaron a unirse en organizaciones unificadas. 6) Las actividades de estcs grupos no fueron de mucho valor militar para los aliados aunque contribuyeron a soeavar la resistencia en muchas ciudades alemanas, sajvando con ello la vida de muchos soldados. Sus actividades consis- tlan en reuniones obtenidas de esta fuente, publicaciön de folietos, especialmente en las semanas que precedieron la ocupaciön, con lemas como: "Abajo la gue- ira", la inscripciön de leyendas en las paredes y lugares püblicos; la eliminaciön de los signos nazis, el envio de cartas derrotistas en cadena, la preparaciön de hstas conteniendo los afiliados del partido nazi, de los miembros de la Gestapo, de los funcionarios nazis y de los espias. En algunos lugares Bremen, Hamburgo, Lübek, los grupos de la resistencia sustrayeron armas para emplearlas en la defensa activa de la zona. Tambien ocultaron a los desertores de la Wehrmacht, los alimentaron y les dieron docu- mentos falsificados. Sölo la eficacia y la crueldad de la Gestapo imposibilitö el desarrollo de aeciones en gran escala. Los antinazis alemanes merecen nuestro apoyo. Actualmente hay en Ale- mania miles de antifascistas entusiastas y leales, cuya integridad y valentia ha sido puestas a prueba. Los grandes sacrificios de ellos y sus camaradas caidos son la mejor evidencia que tenemos de las potencialidades democräticas de Alemania. dem gegenüber freie Wahlen und echte Demokratie in Griechenland verspricht, so kann kein objektiv Denkender das ernst nehmen. Bei den heutigen Zuständen im Bal- kan müssten, wie schon bisher, parlamentarisch - demokratische Formen der Korruption, den Intri- guen, der Kliquenwirtschaft und dem Einfluss fremder kapitalisti- scher Gruppen für Tür und Tor öffnen. Was zunächst nottut, sind einschneidende wirschaftliche Re- formen, vor allem eine radikale Agrarreform, in der Richtung zum Sozialismus. Erst wenn so die Macht der bisher herrschenden oligarchischen Kliquen gebrochen ist, erst wenn die wirtschaftliche Demokratie verwirklicht ist, sind die Voraussetzungen für eine de- mokratische, politische und kultu- relle Entwicklung gegeben. Das hier Gesagte bedeutet kei- nen Beifall für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der frei- en politischen Betätigung auch gegenüber denjenigen, die nicht Faschisten und Ausbeuter, doch Feinde des Volkes und des Fort- schritts sind. Diese Unterdrückung der politischer Meinungsfreiheit und Betätigung ist ein Ergebnis des historischen Verlaufs der bol- schewistischen Revolution, und je eher sie überwunden wird umso besser. Wohl aber ist eine Dikta- tur, die das wirtschaftlich Not- wendige durchführt, besser als ei- ne sich "Demokratie" nennende Herrschaft kapitalistischer und grossagrarischer Kliquen, die das Volk ausbeuten und niederhalten, den wirtschaftlichen und kultu- rellen Fortschritt hindern und den Zustand allgemeiner Fäulnis kon- servieren und steigern. Solange die Arbeiterregierung das englische Imperium und das Wirtschaftssystem dieses Impe- riums verteidigt, mit den gleichen Mitteln verteidigt, wie es die kon- servative Regierung getan hat, so- lange gibt es wohl faule Kompro- misse, aber keine wirkliche Ver- ständigung zwischen England und der Sowjetunion. Unvermeidlich aber muss ein England, welches das alte und morsch Gewordene verteidigt, auf die Dauer gegen- über der Sowjetunion den kürze- ren ziehen. An der englischen Arbeiter- schaft ist es deshalb, die Initiati- ve zu einer neuen und kühnen, si- cherlich nicht risikolosen, aber al- lein Möglichkeiten des Erfolgs in sich schliessenden Politik der Ver- ständigung und Zusammenarbeit mit der Sowjetunion auf der Grundlage des Sozialismus zu er- greifen. Das englische Imperium in der alten Form ist nicht zu ret- ten, wohl aber kann eine solche neue Politik den Weltfrieden ret- ten und England eine neue, auf wirtschaftlichem und technischem Können und zugleich auf einer so- zialistischen Politik und Kultur beruhende Weltgeltung verschaf- fen. D Ys ÄNDERE DEUTSCHLAND DIE STREIKWELLE IN USA PROBLEME DER NORDAMERIKA NISCHEN GEWERKSCHAFTEN Die Streikwelle, die heute die Vereinigten Staaten überflutet, ist nicht von dem gleichen En- thusiasmus getragen wie in den Tagen der Roosevelt-Regierung. Damals kämpften die Arbeiter für eine neue Idee; neue Gewerk- schaften, die zum ersten Mal ganze Industrien umfassten, die Industrieverbände der CIO, blüh- ten auf; die Arbeiter wussten die Regierung hinter sich; eine gro- sse Hoffnung erstand in den neuen Wirtschaftsprinzipien des New Deal; man war entschlos- sen, mit allen Mitteln die gro- sse Krise zu überwinden. In den späteren Jahren des New Deal, als schon nicht mehr alle Früch- te so süss waren, wie es im An- fang schien, war immer noch der gleiche Kampfgeist vorhanden. Man kämpfte für die gewerk- schaftlichen Prinzipien, für die Steigerung der Massenkaufkraft, dafür, dass der Regierung der Volksfront - Charakter erhalten blieb. Inzwischen hat sich durch den Krieg vieles geändert. Den Ge- werkschaften sind viele Errun- genschaften in den Schoss gefal- len, für die sie früher erbittert kämpfen mussten. Die Arbeitslo- sigkeit war mit einem Schlage beseitigt. Unter dem Druck des Arbeitermangels erhöhten die Unternehmer freiwillig die Grundlöhne, liessen den einzelnen Arbeiter in höhere Gehaltsklas- sen aufsteigen, zahlten das An- derthalbfache des Grundlohnes für jede Überschreitung der 40-Stunden-Woche — und man- che Arbeiter schafften 60-Stun- den — während andere Nacht- schicht-Prämien verdienten. Die Gewerkschaften schlössen Kollektiv-Verträge, in denen das Prinzip des Gewerkschaftszwan- ge« anerkannt wurde — die be- rühmte "closed-shop" Klausel. Diese sieht manchmal vor, dass der Gewerksehaftbeitrag gleich bei der Lohnzahlung abgezogen wird wie ein Versicherungsbei- trag. Dadurch kamen Millionen neue Mitglieder in die Gewerk- schaften — oft gegen ihren Wil- len. Ein neues Element von sozia- lem Flugsand wurde in die Ge- von Heinz Paechter M New York werkschaften eingereiht. Hinter- wäldler, die nie eine gewerk- schaftliche Tradition oder auch nur Erfahrung als Industrie-Ar- beiter gehabt hatten, und die durch die hohen Kriegslöhne in die Betriebe gezogen wurden. Die ohnehin nicht sehr fest veranker- te Gewerkschafts - Gesinnung der nordamerikanischen Arbeiter- schaft wurde durch diese Elemen- te völlig verwässert. Von einem lebendigen Gewerkschaftsleben kann keine Rede sein. Es ist so- gar vorgekommen, dass Mitglie- der der (angeblich fortschrittli- cheren) CIO-Gewerkschaft er- folgreich gegen die Einstellung von Negern streikten und mit Ge- waltmitteln die Eröffnung eines Siedlungsblocks für ihre schwar- zen Arbeitskollegen zu verhin- dern suchten. Diese Zustände haben seit lan- gem die verantwortungsbewuss- ten Gewerkschaftsführer mit Be- sorgnis erfüllt. Sie fürchteten den Zeitpunkt, wo die Kriegsauf- träge aufhören und die heimkeh- renden Soldaten die Reihen der Arbeitswilligen vermehren wür- den. Die Unternehmer warteten auf die Massenarbeitslosigkeit, •um den Gewerkschaften einen entscheidenden Schlag zu verset- zen, möglicherweise gar, die Ar- beitsgesetzgebung des New Deal (den sog. Wagner-Akt, der die Rechte der Gewerkschaft gesetz- lich sichert) abzuschaffen. Auf der anderen Seite ist die Organi- sationstreue und Prinzipienfe- stigkeit der neuen Arbeiterele- mete fragwürdig und die Gesin- nung der heimkehrenden Solda- ten unbekannt. Es kam also dar- auf an, den Arbeitern handgreif- liche Vorteile zu bieten und sie in gewerkschaftlicher Tradition zu schulen. Eile war um so mehr geboten, als die Umstellung auf Friedens- wirtschaft unter Bedingungen vor sich geht, die einer Streikbe- wegung günstig sind. Zwei da- von kamen unerwartet, eine war vorausgesehen. Gänzlich überraschend war die geringe Zunahme der Arbeitslo- sigkeit. Trotz dem starken Absin- ken der Rüstungsaufträge und der raschen Demobilisierung ist die Arbeitslosenzahl erst auf zwei, statt der erwarteten sechs Millionen gestiegen. Diese Zahl ist für Nordamerika sehr gering, und niemand glaubt, sie so nied- rig halten zu können. Der zweite Faktor, den man nicht berechnen konnte, ist die Rechtsentwicklung der Regierung und der herrschenden Demokra- tischen Partei seit dem Tode Roosevelts. Von markanten Per- sönlichkeiten der vorigen Regie- rung sind heute in Washington nur zwei geblieben: der ehema- lige Vize-Präsident: Henry Walla- ce, der als Handels-Minister ziemlich kalt gestellt ist, den man aber kaum so leicht los wird, und der Preiskommissar ehester Bowles, der täglich sein Amt ver- teidigen muss. Der gegenwärtige Präsident ist in seinem intimen Kreise ausschliesslich von Män- nern umgeben, die dem Grosska- pital nahe stehen. Die Gewerk- schaften haben es daher eilig mit der Kampfansage. Sie müssen die verhältnismässig kurze Zeitspan- ne ausnützen, während der sie noch einen grossen Teil der öf- fentlichen Meinung für sich ha- ben und die fortschrittlichen und arbeiterfreundlichen Kräfte noch nicht den reaktionären Kli- quen in der Demokratischen Par- tei und der Günstlingswirtschaft in Washington erlegen sind. Schliesslich bestimmte ein wirtschaftlich-rechnerischer Fak- tor den Zeitpunkt der Auseinan- dersetzung. Die Umstellung auf Friedensproduktion hat es mit sich gebracht, dass viele Arbeiter jetzt wieder schlechter bezahlte Posten annehmen müssen. Für die meisten fallen auch die Ue- berstunden mit Her anderthalbfa- chen Bezahlung fort. Das bedeu- tet also, dass viele Arbeiter statt eines Wochenlohnes von 52 Stun- den jetzt nur 40 Stunden ausge- zahlt erhalten — eine Lohnsen- kung von 23 Prozent. Zudem sind seit Beginn des Krieges die Prei- se um 30 Prozent gestiegen, was DAS ANDIRI DIUTSCHC AND allerdings in den meisten Berufs- gruppen durch eine entsprechen- de Erhöhung der Stundenlöhne ausgeglichen ist. Wenn also die Gewerkschaften das Lebensni- veau der Arbeiter einigermassen auf der Höhe der Kriegszeit hal- ten wollen, so müssen sie minde- stens eine 23-prozentige Erhöhung der Grundlöhne verlangen. Er- reichung dieses Zieles ist auch das einzige Mittel, mit dem sie den Millionen ihrer neuen Mit- glieder den Sinn und die Vorzü- ge der Organisation beweisen können. Eine so plötzliche Stei- gerung ist aber wohl noch nicht in der Geschichte der Lohnbewe- gung vorgekommen. Damit ist bereits gesagt, dass die Gewerkschaften sich in einer verzweifelten Lage befinden. Sie müssen den Kampf jetzt aufneh- men, denn es geht um ihre Exi- stenz, um ihre Prinzipien, um ihr Ansehen in der breiten OÖf- fentlichkeit und um ihren politi- ehen Einfluss. Obwohl sie sich eigentlich in der Verteidigung feefinden, müssen sie zum An- griff vorgehen. Obwohl ihr Ziel nur die Erhaltung des Wochen- lohnes unter dem Tarif-Vertrag ist, müssen sie eine drohende Haltung annhmen, sich revolutio- när gebärden, Massen-Streikpo- sten organisieren, die Betriebe belagern. Dabei kommen manche Gewerk- schaften in sehr unangenehme Lägen. So hat die grosse Stahl- arbeitergewerkschaft, unter der Führung des CIO-Präsidenten Philip Murray, einen Tarif-Ver- trag laufen, in dem sie sich bis »um Herbst dieses Jahres ver- pflichtet hat, nicht zu streiken. Dieser Vertrag war seinerzeit mit Rücksicht auf die Kriegslage abgeschlossen worden. Die Ge- ltericschaft wollte sich gegen Aussperrungen bei Kriegsende aichern. Nun hatte die Gewerk- schaftsführung offensichtlich die Aussichten auf Sieg und rasche Umstellung der Wirtschaft viel Zill pessimistisch beurteilt. Der Arbeitsmarkts ist jetzt nicht überlastet, wie man angenommen hatte, aber er könnte leicht im Herbst unter starkem Druck ste- hen, wenn der Tarif-Vertrag ab- läuft. Jetzt hatte die Gewerk- schaft nur die Wahl zwischen Fvei Uebeln. Entweder sie muss ihre Existenz aufs Spiel setzen, indem sie später zum ungünsti- gen Zeitpunkt in den Kampf geht, oder sie muss ihre wirtschafts- friedlichen Prinzipien über Bord werfen, indem sie vertragbrüchig wird und damit künftigen Ver- tragsbrüchen der Unternehmer Tür und Tqr öffnet. Die Stahlge- sellschaften nutzen diesen Um- stand in ganzseitigen Zeitungs- inseraten gehörig aus, um das moralische Ansehen der Gewerk- schaften herabzusetzen. Damit ist nun aber ein weite- res Dilemma der Gewerkschafts- politik gegeben, nämlich die poli- tische Haltung der Oeffentlich- keit. Noch ist das breite Publi- kum den Gewerkschaften günstig gesinnt. Die Kleingewerbetreiben- den und die Kirchen unterstüt- zen den Streik. Beim Schlacht- hausstreik liessen sich Rabbiner photographieren, wie sie vor der koscheren Abteilung Streikposten standen. Am nächsten Tage lie- ssen sich darauf die Pfarrer von einem Dutzend protestantischen Bekenntnisses als Streikposten photographieren. Keine Kirche will hier als arbeiterfeindlich gelten. Der Einzelhandel versteht natürlich, dass seine Einnahmen grösstenteils aus der Verausga- bung von Lohneinkommen stam- men. Ausserdem ist ein beachtli- cher Teil der öffentlichen Mei- nung für die Wirtschaftstheorie der Kaufkraft gewonnen. Obwohl es nun nahe läge, die Öffentlichkeit für einen Plan im Sinne dieser Theorie zu mobili- sieren und die gegenwärtige Streikbewegung als Instrument und Teil, oder Avantgarde dieser umfassenderen Bewegung einzu- gliedern, ist nichts dergleichen geschehen. Die Gewerkschaften sind weder geistig noch materiell oder organisatorisch auf einen solchen Kampf vorbereitet. Die Gründe dafür sind ausserordent- lich kompliziert. Sie hängen mit der inneren Struktur der Gewerk- schaftsbewegung selbst zusam- men, mit der Zwangslage, in der sich die Gewerkschaften befin- den, und. nicht zuletzt mit recht geschickten Manövern der Unter- nehmerseite. Viele von den älte- ren Gewerkschaftsführern wollen selbst nichts von einem Wirt- schaftsplan oder von staatlicher Einmischung in Wirtschafts- kämpfe wissen. Sie begnügen sich mit der sturen, aber erprobten Politik, für ihre Mitglieder das momentan Beste herauszuholen, gleichgültig ob dabei die Interes- sen anderer Gewerkschaften oder der Öffentlichkeit geopfert wer- den. Das ist besonders gefährlich, wenn Gewerkschaftsführer für Zölle oder Preiserhöhungen im Interesse "ihrer" Unternehmer eintreten, wie es kürzlich in der Textil'branche und von John L. Lewis geschah. Bei der herr- schenden Gefahr einer galoppie- renden Inflation könnten die Ge- werkschaften leicht zum Sünden- bock gemacht werden. Die Unter- nehmer verstehen diese Propa- ganda-Chance sehr gut. Sie be- antworten jede Lohnforderung mit einer Forderung an den Preiskommissar, ihre Höchstprei- se zu heben. In vielen Fällen ist dem auch stattgegeben worden. Dadurch ist der gegenwärtige Lohnkampf nun auf die Frage zugespitzt worden, ob die Unter- nehmer die Erhöhungen ohne Preisabschlag bezahlen können. Es kommt keinem mehr in den Sinn, einen Wirtschaftsplan für den Aufbau einer Friedens-Kon- junktur zu fordern. Dieser Plan ist in einem Parlaments - Aus- schuss begraben und wird von dort günstigen Falls a]g Pro- gramm öffentlicher Arbeiten wieder erscheinen. Die Gewerk- schaftsforderungen sind zu einer reinen Lohnbewegung geworden, die für die breite Oeffentlichkeit nichts Anfeuerndes hat, aber in manchen Farmerkreisen als über- aus lästig empfunden wird. Auf der anderen Seite ist es aber für jeden klar, dass die Lohnbewegung erhebliche politi- sche Bedeutung hat. Weitreichen- de Folgen werden sich für die Arbeitsverfassung ergeben. Das Schlichtungswesen ist in diesem Lande nie so verfeinert worden wie es in der deutschen Republik entwickelt wurde. Das Schieds- verfahren ist freiwillig und die Verbindlichkeitserklärung ist nur ausnahmsweise angewendet wor- den. Nun hat der Präsident Un- tersuchungsausschüsse bestimmt, die zwar keine Schlichtungsaus- schüsse sind, aber autoritative Empfehlungen geben sollen. Die Unternehmer wehren, sich geges DAS ANDERE DEUTS CHC AND T jede derartige Einrichtung. Sie wollen sich nicht in ihre Bücher gucken lassen und gestehen auch niemandem das Recht zu, ihnen in die Betriebsführung hineinzu- reden. Die Gewerkschaften sind heute für die staatliche Schlich- tung. Das entspricht ihrer Zwangslage und dem Wunsch, das Bündnis zwischen der Lin- ken und der Regierung zu ver- längern. Aber nur einige Gewerk- schaften sind prinzipielle Anhän- Jugend und Wohl das schwierigste Problem, das Bich, dem neuen Deutschland stellt, ist das der Loslösung der Jugend vom Geiste des verrohenden Nationalso- zialismus und der Erziehung zu ei- ner menschlichen Gesittung. Bei der schulpflichtigen Jugend handelt es sich mehr um die Lehrerschaft, bei der schulentwachsenen dagegen um die Eingliederung in die soziale Ge- meinschaft und psychologisch-päda- gogische Umerziehung. Uns liegen aus zwei deutschen Ge- bieten, von Frankfurt a. M. und Westfalen, Berichte über die Bemü- hungen vor, das Schulwesen wieder in Gang zu bringen. Eines der grössten Hindernisse ist zum Beispiel im Ge- biet von Frankfurt der Mangel an Schulräumen. Dieser Mangel hat zur Folge, dass nur einige Jahrgänge der Kinder Unterricht haben können. In kleineren Städten teilt man den Un- terricht, damit möglichst alle Kinder einige Stunden Schule haben. Der Mangel an Lehrern ist so gross, dass viele alte Lehrerinnen wieder zum Un- terrichten herangezogen werden. Für Junglehrernachwuchs werden Abitur- vorbereitungskurse eingerichtet. Die Beschaffung von Material ist schwie- rig; es fehlt an Heften, Bleistiften usw. Ein kleines Mädchen aus Darm- stadt erzählte, um den Laden zu er- reichen, in dem es ein Heft bekom- me, müsse es eine Stunde weit lau- fen. Ein Teil der Schulbücher konnte aus Beständen von vor 1933 genom- men werden... Im allgemeinen hat man den Eindruck, dass die Kinder froh sind, wieder zur Schule gehen zu können. Aeltere Knaben versuchen oft durch Privatstunden ihr Wissen zu bereichern. Manch alter pensionier- ter Lehrer hat jetzt wieder dankbare Schüler gefunden. Ein hoher Prozentsatz der Lehrer ist der Nazisizierung verfallen und kommt für den Unterricht nicht mehr in Frage. Ein Beispiel, wie schwierig die Auslese ist: In Darmstadt wurden für eine Oberschule mit viel Sorgfalt einige Lehrer geprüft. Schon nach ei- nigen Tagen Unterricht erzählte ein Lehrer seinen Kindern folgendes: "Die Vorfahren vieler Amerikaner Ware» Deutsche. Wenn diese Deut- schen mehr Nat ionaJbewusj-tsein ge- habt hätten, wäre die Landessprache in Amerika heute deutsch. Ebenso w.ä- ?« der deutsche Einfluss in Amerika viel stärkar. Dies hatte zur Folge ge- habt, dass der Krieg für Deutschland frfps JLnd-era iTissregr^naren wäre". ger der staatlichen Schlichtung. Andere sind nur mit halbem Her- zen dabei, und noch andere aus- gesprochen widerwillig. Die Ge- werkschaften wollen zwar ihre eigenen Rechte gesetzlich garan- tiert wissen, aber sie betrachten Bindungen, die sie selbst einge- hen, als Fesseln. Sie sehen sehr wohl, dass sie hier aus einer Not eine Tugend machen. Sie wollen eigentlich nur ihre Lohnforde- rung duchdrücken, aber sie sind Noch ehe die deutschen Behörden diesen Vorfall erfuhren, wussten die Amerikaner davon und haben den Mann natürlich sofort an die Luft gesetzt. Und ihr Urteil ist: Seht ihr, so sind die Deutschen! Man kann aus- suchen, soviel man will, man findet nur Nazi! In Westfalen, im Regierungsbezirk Arnsberg, ist im allgemeinen der Un- terricht für die ersten bis vierten Schulklassen in Gang gekommen. Ea laufen Morgen- und Nachmittagklas- sen. Die Lehrkräfte müssen 40 bis 45 Wochenstunden unterrichten. Die Säu- berung ist streng vorgenommen wor- den. Die Militärregierung lehnt selbst, Funktionäre der NSV (Volkswohl- fahrt) ab, obwohl darunter Lehrer sind, die diese Konzession machen mussten, sonst aber in Ordnung sind. Die Knappheit an Lehrern ist dadurch erheblich verstärkt worden und die Behörden sind ausserstande. die Ober- klassen einzurichten. Der grösste Teil der bei der Reinigung übriggebliebe- nen Lehrkräfte ist katholisch. Pro- testantische Schulen einzurichten, ist nicht möglich, das es an Lehrkräften fehlt. Bei der Besetzung von Verwal- tungsposten macht sich das Verhältnis zuungunsten der Protestanten bemerk- bar, die offenbar mehr zu Hitler über- gelaufen waren. So wird vermerkt, dass bei den Katholiken zwei vom Tausend, bei den Protestanten aber 75 vom Hundert der Pfarrer Parteimit- glieder waren. In Krefeld im Rhein- land wird der Religionsunterricht auf Vorschlag der Katholiken und im Ein- verständnis mit den Protestanten von katholischen Lehrern und Geistlichen auf nichtkonfessioneller Grundlage er- teilt. Die Katholiken fordern die Be- kenntnisschulen. Sie bombardieren die Besetzungsbehörden mit Eingbaen, so dass zum Beispiel einer der englischen Gouverneure den Erzbischof von Pa- derborn auffordern musste, dafür zu sorgen, dass die Ueberflutung mit Brie- fen und Memoranden von katholischen Priestern über das Thema "konfessio- nelle Schulen" autfhöre. Es ist vorge- kommen, dass katholische Geistliche wegen der Fragestellung "Gemein- schafts- oder Bekenntnisschule?" »um .Schulstreik aufgefordert haben. Auf der anderen Seite hat der Bruderrat der bekennenden Kirche (Reformier- ter) aus einer Tagung sich für die Ge- meinschaftsschule ausgesprochen. gezwungen, dabei ein neues Ar- beitsrecht zu schaffen. So wird die amerikanische Ar- beiterbewegung in einen schwe- ren Kampf hineingezwungen, den zu führen sie ihre eigenen geisti- gen Voraussetzungen überprüfen und vertiefen muss, und dessen Ausgang ihr nicht allein die ma- terielle Sicherung des Status Quo bieten, sondern neue Erkenntnis über iHr Wesen und ihre Ziele bringen muss. Ungeheuer schwierig stellt sich das Problem der erwachsenen Jugend. Sie ist zum Teil zügellos und durch die HJ- und BDM-"Erziehung" in Ver- wahrlosung geraten. Aus dem Gebiet von Frankfurt wird uns folgendes be- richtet: Sie haben das Bedürfnis, erat einmal ihre "Freiheit" zu geniessen. Tn der Eisenbahn hörte ich folgendes Ge- spräch zwischen zwti Mlidchen und zwei Burschen: "Arbeiten? Nein] Kommt nicht to Frage! Die das Land kaputt gemacht haben, sollen es au<*h wieder aufbauen!" Sie erzählten sich, sie .«eien an drfi verschiedenen Orten .gemeldet: im Norden, im Werten und im Süden. Auf diese XVelse liess-e es sich ganz gut leben: Not hätten keine. Mit Arbeitsbescheinigungen seien sie gut versorgt; die Burschen boten solche auch den Mädchen an. Zigaretten kaufe man preiswert zu 2.50 >r. das Stück, um sie im Tiuhrge- biet um 5 M". wieder zu verkaufen: da,« sei ein gute* Geschäft. Auel) mit Wein liessen sich gute Geschäfte ma- chen. Die Unbequemlichkeiten des Tieisens fanden sie interessant. Sie kannten uenau die Vorzüge des Schla- fens im Blinker und in der Bahnhofs- lulle, die Nachteile und Vorteil) de» Fahrens auf Güterwagen, auf den Puffern, den Trittbrettern oder auf den Lokomotiven. Schon während des ganzen Rommers wurde der Versuch gemacht, Jugendli- che zur Landarbeit zu bringen. Dl® Knaben und Mädchen werden bis eti ihrer Abreise in einen ehemaligen Luftschutzbunker gebracht. Vtfle der Knaben sehen trotz der herunterge- kommenen Kleidung (oft alte Uni- formatticke) verhältnismässig ordent- lich aus, ebenso die MSdchen. Thr Be- nehmen ist, wenn st* in einer GrupyO sind, laut; allein stehen die verloren herum und wissen nicht, wasi sie mit "ich anfangen sollen. Rinen Jungen sah ich. wie er einem kleinen Schul- innern half. Aufsahen ?,» machen. Ttet manchen Jugendlichen hatte leb den Lindruck, sie lügen das Blau« vom Himmel herunter. "Diese Knaben wo!« len auch nicht arbeiten. Sie komme« an, werden eingestellt und laufen bet der erstbesten Gelegenheit wieder da- von. Da die Betreuung heute noch nt|V in rler Unterbringung auf dem Lui- de besteht. weiss man dann niest, was an# ihnen geworden Ist. Nur Fet- ten kommen efe nach Frankfurt eu- rück und melden aleh. Soweit die Jugend In Deutschland der Verwahrlosung verfiel, geht dies nicht nur auf die Hitler-Jugend, son- dern auch auf das Familienmilieu in Hitler-Deutschland zurück. In Bo- chum gab es einen sogenannten "Edel- weiss-Klub". Ein Bericht meldet uns darüber; leb kam nijt swal Vartretar» "E4elweiss-K!vbs" zusanameÄ- fclt &•- z«iclua-et6Ti sich als Schule in Deutschland 8 DAS ANDERS DEUTSCHLAND wussten aber nicht, zu sagen, was sie damil meinten. Karl und Willy sind 17 Jahre alt, der erste ist Maurerlehr- ling, der zweite Lehrling im Bergbau. Karl erzählte, sein Vater hätte seinen kleinen Bruder aus Irgendeinem Grun- de toll geschlagen, und er. Kari, darauf den Vater energisch angepackt, um ihn zum Aufhören zu bewegen. Die Auseinandersetzung- mit dem Va- ter hätte mit dem Hinauswurf aus dem Hause geendet. Jetzt wäre er aber wieder zu Hause. Willys Vater war Wachmann in ei- nem I-ager in Oberbayern und sass jetzt in efnem alliierten Kriegsvenbre- eherlager. Die häuslichen Verhältnisse haben also wohl mit zum Stromertum geführt. Karl war eine ganze Zeit- Hin g gern in der HJ. Aber nach der Einziehung der älteren Führer wollte er sich nicht von Gleichaltrigen oder Jüngeren kommandieren lassen. 1913 ist er dann zur "Edelweiss"-Bande ge- stossen, die sich im Stadtpark und auf Bochumer Verkehrsstrassen unter Füh- rung eines jetzt 19jährigen Italieners herumtrieb. Kleinere Ladeneinbrüche verschmähten sie nicht. Es waren viele Mädchen bei der Bande. 1943 wurden dann diese öebeltäter verhaftet und in Gewahrsam genommen, wo man sie etwa 14 Tage jeden Tag verprügelte — eine echte Nazi-Erziehungskur. Sie hielten aber weiter zusammen. Ich sprach ihnen von unseren Arbeitsplä- nen, denn sie schienen mir nicht hoffnungslos, und sie waren von un- serem Vorhaben angetan und verspra- chen, mitzumachen. Sie kamen, blieben dann aber wieder aus... Gewiss wäre es falsch, die deutsche Jugend nur nach negativen Beobach- tungen zu beurteilen. Sie befindet sich in einer fast völligen Desorientierung, was angesichts der zwölf Jahre Nazi- einfluss, dem Erlebnis eines zunächst unerhörten politischen und militäri- schen Erfolgs und dann jähen Sturzes aus allen Himmeln der Illusionen durchaus verständlich ist. Typisch deutsch ist nun die Reaktion: da die Politik Hitlers ein Betrug war, ist alle Politik ein Betrug. Vor uns liegt nämlich ein umfang- reicher Bericht aus dem Ruhrgebiet über die ersten Bemühungen, die Ju- gend für Aufgaben im politischen und geistigen Neuaufbau In Deutschland zu gewinnen. Das Vorhaben scheint uns nicht durchweg psychologisch durchdacht angepackt; man ersieht deutlich die Schwierigkeiten, die Ju- gend tiberhapt heranzuziehen, dann, wenn dies schliesslich gelungen, mit Ihr zu diskutieren. Sie sieht das The- ma so, wie es aktuell vor ihr steht (zum Beispiel die Massenausweisungen aus den ehemaligen deutschen Ost- gebieten und der Tschechoslowakei; den Sieg der englischen Arbeiterpar- tei), aber sie kennt keine Entwicklun- gen von der Vergangenheit her. Sie sieht nur die Wirkungen und nie die Ursachen. Und sie hat keine Ge- schichtskenntnisse, nicht einmal deut- sche! So kommt sie nicht zu richtig wertenden Urteilen. Am liebsten sucht sie Spiel und Unterhaltung. Von da aus wird die vertiefende Aktivierung gehen müssen. Gute Erzieher werden bald herausfinden, wo und wie sie an- knüpfen können, denn bei allem Ent- täuschenden lässt sich doch auch der 'Eindruck gewinnen, dass sich aus dem Haufen der Gleichgültigen, sich ver- raten und getäuscht Fühlenden immer wieder Suchende herausfinden lassen, die den Kern einer neuen Jugend bil- den werden. Vor allem muss es ge- langen, für diese Gruppen mehr geisti- ge Anleitungsmittel (Bücher, nicht zuletzt sozialistische Belletristik) be- reitzustellen. Der ausgesprochen politischen Schu- lungsarbeit steht leider die kaum ver- ständliche ablehnende Haltung der Besatzungsbehörde gegenüber und die Bevorzugung konfessionell bewusst un- politischer Bünde. In Westfalen hat sich örtlich eine freie Jugendbewegung "Die Falken" gebildet, gegen die into- lerante Katholiken Einwendungen^ machten, weil sie eine Forsetzung der roten Falkenbewegung vor 1933 dar- stellten! Doch wir haben die Losung von Dachau gelernt, und wir wurden stahlhart dabei; bleib ein Mensch, Kamerad, sei ein Mann, Kamerad! "Lange Jahre habe ich mich dage- gen gewehrt, ein wirklicher Häftling zu sein", so schreibt Benedikt Kautsky an seinen Bruder, "in meinem Innern hielt ich einen Bezirk frei von allem, was Konzentrationslager hiess. In die- ses Schneckenhaus konnte ich mich zu- rückziehen, wenn ich wollte; dann war ich daheim bei Euch allen, meine Lie- ben. Aber als dann der Krieg kam, und ich sofort wusste, dass es für mich keine Entlassungsmöglichkeit vor ger Krieg werden würde, da drang das Lager allmählich auch in diesem Bezirk. So wie sich in den Versteinerun- Kriegsende geben, und dass es ein lan- gen der Kalk allmählich innen ansetzt, bis sie ganz infiltriert sind, so wurde ich bis ins Innerste Häftling. Nicht, dass ich nicht mehr an die Aussenwelt gedacht hätte, dass ich verzweifelt ge- wesen wäre, dass meine Liebe für Euch alle geringer geworden wäre — nein, alles das blieb und wurde doch anders. Ich war nicht mehr ein Mensch, der eingesperrt war und sich eben mit dem Lager abfinden musste, sondern ich war ein Häftling, erfüllt von der Not des täglichen Daseins, der sich nur dam behaunten konnte, wenn er alle seine Energie auf die Selbst- behauptung konzentrierte Ich konnte in diesen Jahren keine rechte Freude an Blumen und Tieren- haben; ich sah das alles durch einen Schleier. Ich wusste: ja, es ist schön, und du hast dich einmal daran ge- freut, aber jetzt ist alles schmutzig ge- worden durch Blut und Dreck und Elend. Kinder waren für mich etwas Aufregendes, Beängstigendes — Erin- nerungen an die eigenen Kinder, Angst davor, die Kinder da vor mir könnten in den Strudel des Maelstroms von Blut und Schmutz hineingezogen wer- den. Ich war direkt froh, wenn uns die Nachkommen der SS-Edelrasse als Stinkjuden beschimpften und uns Stei- ne nachwarfen, da war ich wenigstens wieder zu Hause. Ich weiss nicht, ob du das alles be- greifen kannst. Wir haben in dieser Zeit nicht vegetiert; wir haben gelebt, intensiver gelebt und auch intensiver genossen als draussen in der Frei- heit, so wie der Soldat zwischen den Schlachten. Wir haben lachen kön- nen, wirklich von ganzem Herzen la- Die Kommunisten haben bisher auf eine politische Erfassung der Jugend verzichtet. Sie versuchen, ihren Ein- fluss in sogenannten überparteilichen Gruppen einer "Einheitsjugend" aus- zubreiten. So ist in Deutschland auf dem Ge- biete der Jugendbewegung alles im zögernden, vielfach gehemmten Begin- nen. Dabei ist die Zukunft Deutsch- lands und seine Wiedereingliederung in die Völkergemeinschaft vor allein ein Jugendproblem. 1 jA L ("Das Neue Deutschland") chen können; wir sind zwar hart ge- worden, gehämmert durch das ewige Leid, aber doch nur hart gegen uns selbst, nicht hart gegen andere. Wir haben uns geistig behauptet, ich habe viel und mit Genuss gelesen —freilich "mein" Keller war mir ein wenig ver- schleiert wie Blumen und junge Kat- zen, aber wohl vor allem wegen des Erinnerungsgehaltes. Romane, Ge- schichte, Soziologie, Politik — alles las ich. Der ganze Block lachte schon, in welchen Situationen ich zu meinen Büchern langte. Auch am 9. Nov. 1939, als die SS 21 von uns in den Steinbruch holte und erschoss, und als wir 24 Stunden auf unseren Büchern lagen und warteten, wann die Näch- sten geholt würden, auch damals. Du weisst, ich bin kein Held, ich habe viel Furcht gehabt in diesen sieben Jah- ren, im Kleinen wie im Grossen, denn manchmal gings ums Leben, aber ich bin nie sinnlos geworden vor Angst. Im entscheidenden Augenblick hatte ich immer die Nerven zusammen, mochten sie nachher auch tagelang vibrieren. Es war kein einfacher Kampf, den wir zu führen hatten; wir mussten uns hüten vor den äusseren Mächten; wir durften nicht Gier. Angst. Feigheit, Verlockung: durch Macht oder Besser- stellung Herr über uns werden lassen; wir mussten trotz Hunger und Läusen wir selbst bleiben, aber wir durften auch innerlich nicht nachgeben. Wie leicht gerät man in die Versuchung, sich zu sagen: es ist doch alles verge- bens, und alle Viere von sich zu stre- cken. Gewiss, der Gedanke an den Selbstmord, das Gefühl, Schluss ma- chen zu können, wenn man es wirk- lich unerträglich findet, ist für den moralisch Starken eine gewaltige Stüt- ze. "Ein Sprung von dieser Brüche macht mich frei" — in diesen Bezirk kann nicht einmal die SS dringen.. Aber im Augenblick der Schwäche ist es ein gefährliches Narkotikum, mit dem man so wenig snielen soll wie mit Kokain oder Morphium. Was ei- nen in dieser Zeit eigentlich aufrecht erhält, ist ein Komple:: der merkwür- digsten Empfindungen und Ueberle- gur^gen, vom blossen tierischen Selbst- erhaltungstrieb angefangen bis zur Verantwortung gegenüber der Familie, besonders den Kindern, und bis zum einfachen Trotz: Du wirst doch den Schweinen nicht den Gefallen tun, selbst zu krepieren". E SWAR KEIN EINFACHER KAMPF DAS - ANO-IRI DEUTSCHL AND 9 BERICHTE AUS DEUTSCHLAND Richard Scheringer, der ehemalige Reichswehrleutnant, der 1930 zu den Kommunisten überging, wurde von der amerikanischen Militärregierung in Müeghen nicht autorisiert, in das Kabinett Högner als Minister einzu- treten. Franz Dahlem, vom Zentralkomitee der KPD griff am berliner Rundfunk die Sozialdemokraten an, weil sie in den westlichen Zonen eine von der KP unabhängige Partei wieder aufge- baut haben. Er dehnte seinen Angriff auf die kürzlich von Nenni bekannt- gegebenen Bemühungen zur Wieder- errichtung einer sozialistischen Inter- nationale aus. Der Bücherhunger in Deutschland ist gross. Nach "La France Libre" sind unter den Nazis verbotene Bü- cher Gegenstand schwunghaften Schwarzhandels gewesen. Heine er- zielte das Zwanzigfache des früheren Preises. Händler kauften noch vor- handene Läger auf oder erwarben von bestochenen S. S--Leuten beschlag- nahmte Bestände, Gegenwärtig wer- den "hintenherum ' für ein Buch von Thomas Mann ein Spanferkel und für Ernst Wiecherts Rede an die münche- ner Studenten bis zu drei Pfund But- ter gezahlt. Hauptsitz des deutschen Verlagsbuchhandels scheint Hamburg geworden zu sein. Dort haben auch die Sortimenter nach ' Ausscheidung nazistischer Literatur ihre Läden of- fenhalten können, während anderorts zeitweise Sperren verhängt waren. Bei der von der Besatzungsbehörde ge- nehmigten Gründung des Norddeut- schen Buchhändler-Verbandes in der hamburger Handelskammer waren über 400 Personen zugegen. Die Ini- tiative hatte Christian Wagner er- griffen, früher Verleger der Albatross- Ausgaben in Paris, von den Nazis verhaftet, eingesperrt und degradiert. Zu den zugelassenen Verlegern gehö- ren Dr. Ciaassen, früher Govert Ver- lag, der u. a. die deutsche Ueberset- zung von "Gone with the Wind" her- ausbrachte, und Ernst Rowohlt. Viele Verleger haben (nach englischen Be- richten) niemals nazistische oder pro- nazistische Werke herausgegeben. Ge- genwärtig werden vor allem deutsch- englische Wörterbücher verlegt: so hat die Behörde die Neuauflage des Tauchnitzschen Wörterbuchs geneh- migt. Etwa hundert sorgfältig ausge- wählte englische und amerikanische Bücher, darunter auch einige Kinder- bücher, .erscheinen in deutschen Ue- bersetzungen. Grosse Nachfrage be- steht nach neuen geschichtlichen, wirtschaftlichen und soziologischen Arbeiten. Der Börsenverein deutscher Buchhändler hat sein Hauptquartier von Leipzig (in der russischen Zone) nach Wiesbaden (in der amerikani- schen Zone) verlegt. Fast alle Läger sind zerstört. Papierknappheit und Transportschwierigkeiten behindern die Ausführung der Verlagspläne. Die Ausgabe von Schulbüchern ist in der englischen Zone vorerst Verbo-, ten; einige vornazistische Ausgaben dürfen neuaufgelegt werden, ihre Ver- öffentlichung bleibt der Erziehungs- Abteilung der Alliierten Militärregie- rung vorbehalten. Der Buchhandel ist genehmigungspflichtig. Politisch un- zuverlässigen Händlern ist seine Aus- übung untersagt worden. Verboten ist der Verkauf von Büchern, die den Nazismus und seine "Heroen" verherr- lichen, seit 1933 geschriebene Ge- schichtswerke, Schriften gegen die Alliierten. Berlin lebt (von einem schweizer Korresponden- ten) Selbst wer in Berlin gelebt hat und die Stadt gut kennt, braucht einige Zeit, um sich zurechtzufinden. Man- ches markante Gebäude und manche typische Ecke ist durch die Bombar- dierungen und die Kämpfe bei der Eroberung Berlins durch die Russen in Schutt und Asche gesunken. Von vielen Häusern stehen nur die Fassa- den. Der äussere Aspekt ändert sich fast täglich. Die von den alliierten Behörden zur Verfügung gestellten Bulldozers, überaus leistungsfähige Traktoren mit einer Art von Schnee- pflug zum Forträumen des Schuttes, werden dazu verwendet, das ausge- brannte Mauerwerk einzureissen. Eine starke Kette: durch zwei Fensterhöh - langen gezogen, ein Ruck des Bulldo- zers, und das ehemalige Hotel am Zoo, oder was davon übrig blieg, ein hohles Gerippe, stürzt in einer gewal- tigen Staubwolke zusammen. Tags- über tönen Sprengschüsse durch die Stadt. So verschwinden die einsturz- gefährlichen Ruinen. Neben dem Abbruch dominiert aber in Berlin der Aufbau, und vielleicht ist der Abbruch ein Zeichen des Wie- deraufbauwillens. Einige Tage Auf- enthalt in Berlin genügen, um zu be- weisen, dass Berlin keine tote Stadt ist, sondern lebt. Keinesfalls hat Ber- lin seine Vitalität verloren. Das mag verwunderlich klingen. Eine nächtli- che Fahrt durch die Stadt, deren Strassen mit Ausnahme der grossen Ost-West-Achse in Dunkel gehüllt bleiben, vermittelt die eindrückliche Feststellung, dass die am Tag ausge- storben scheinenden Gebäude denn- noch bewohnt sind. Hier aus dem Parterre, dort aus dem Keller oder aus dem ersten Stock, ja selbst aus den höher gelegenen Etagen leuchtet ein Licht. Zum Teil nur notdürftig reparierte Treppen führen in die obe- ren Stockwerke. Eine schlecht schlie- ssende Türe gewährt Einlass in eine beschädigte Wohnung. Aber ein oder zwei Zimmer sind bewohnbar geblie- ben und wurden mit behelfsmässigen Mitteln wieder instand gestellt. Eine rnehrköpfige Familie lebt auf eng- stem Raum zusammen, froh, wenig- stens einen Teil des Mobiliars geret- tet zu haben. Eigenartigerweise sind die Vorder- häuser in der Regel stärker beschä- digt worden als die für Berlin typi- schen sogenannten Gartenhäuser. Die Wohnungen der Gartenhäuser sind aufgeteilt worden; die Zimmer der "inen Ganghälfte gehören einer, die Hinterzimmer der anderen Partei, und die Küche und das Bad werden gemeinsam benützt. Jeder Einwohner beeilt sich, noch vor Einbruch der grossen Kälte seine Wohnungen zu reparieren, die Türen und Fenster ab- zudichten, Mauerritzen auszugipsen und fehlende Fensterscheiben wenn möglich mit Glas, sonst aber mit Drahtzellulose, Karton oder Brettern zu verschalen. Die Zentralheizungen können diesen Winter selbstverständ- lich nicht in Betrieb gesetzt werden; teils ist das Röhrensystem defekt und ausserdem fehlen die Kohlen. Also versucht man, sich einen primitiven Ofen zu verschaffen, den man mit Holz füttern kann, das man teilweise aus den Trümmern anderer Häuser beschafft oder aus den Wäldern der Umgebung mit Velo oder Schubkar- ren heranholt. Noch verwendungsfä- hi-zes Trümmerholz darf nicht ver- brannt werden, sondern muss dem Magistrat zur Verfügung gestellt wer- den. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist sehr gross und wird nur zum Teil befriedigt. Die Berliner Geschäftsleu- te zeigen sich über die Zukunftsaus- sichten optimistisch und rechnen mit baldigen neuen Lieferungen ihrer Fa- brikanten, von denen sie vielfach schon schriftliche Zusagen haben. Aus Chemnitz sind die ersten Liefe- rungen von Damenstrümpfen und aus den sächsischen Textilzentren Her- Ven- und Damen Wäschestoffe und Konfektionsware angekündigt. Die Geschäftsinhaber heben hervor, dass die Aufteilung Deutschlands in vier Besetzungszonen sowohl die Pro- duktion, als auch die Belieferung des Handels erschwert. Da die Post nur im lokalen Rayon funktioniert, das Telephon nur auf Stadtgebiet arbei- tet und der Bahnverkehr noch nicht richtig in Gang gekommen ist, hält es schwer, die Geschäftsbeziehungen zwischen Handel und Produzent wie- der herzustellen. Da aber aus der russischen Zone die ersten Warenlie- ferungen angekündigt sind, setzen die Ladeninhaber alles daran, den Ge- schäftsbetrieb aufzunehmen. Die ge- retteten Vorräte und die "Aus weich- la-ger" werden herangeholt und in den Geschäften zu den regulären Freisen verkauft. Die Ladeninhater verzich- ten dabei darauf, ihre Lager im Schwarzhandel abzustossen, obwohl sie dort höhere Preise erzielen könn- ten. Die handwerkliche Herstellung von Gebrauchsgegenständen scheint ein beachtliches Ausmass angenom- men zu haben. In den Schaufenstern erscheinen von Tag zu Tag mehr Ge- genstände, die aus Ersatzmaterial oder Abfällen hergestellt sind. Bereits kann man Füllfederhalter, das Stück zu 65 RM, kaufen, ferner lederne Schlüs- sel- und Brillenetuis, Buchhüllen, Lampenschirme, kleine Tischlampen aus Holz und dergleichen mehr. In 10 DAS ANDIRI DlVTSCMt AHB BRIEF EINES MAEDCHEN Ein Teil der Privatkorrtspon- amerikanischen Truppen erbeu- denz Adolf Hitler® wurde von tet. Neben Briefen voller hyste- rischer Anbetung fand man auch solche ganz anderen Inhalts-. "Free World" vom Dezember 1945 druckte den folgenden Brief ab, den wir in Rück- übersetzung aus dem Englischen hier wiedergeben: "Herrn Adolf Hitler! Mit meinem ganzen jungen Herzen hatte ich Sie geliebt und verehrt und hatte das vollste Vertrauen zu Ihnen, mein Füh- rer. Niemand hätte mir meinen Glau- ben an Sie rauben können. Ich tat, was nach Ihrer Entscheidung das Beate für mich war... Ich arbeitete sogar als Stallmädchen. Als der Krieg, , begann und viele Leute unzufrieden waren, antwortete ich immer: "Unser Führer weiss, was er tut. Er wird uns nicht ins Unglück führen". Und heute, dank Ihnen und Ihrer ganzen Bande, bin ich eine Wai- se. Ich habe meine geliebten Eltern verloren und meine süssen herzigen Brüder und Schwestern —sechs im ganzen— die ich aus vollem Herzen schwesterlich Hebte. Ich habe kein Heim und bin vollständig allein. Dreimal wurde meine geliebte Mutti ausgebombt, und dreimal hatte sie Zuflucht zu suchen mit ihren sechs kleinen Kindern, und in Dresden wurde sie schliesslich ge- tötet. Sie versuchte da, mich zu er- reichen, weil sie nicht wusste, wohin sie gehen könnte. Sie litt fürchterlich und starb da schliesslich. Wie können Sie vor Ihrem Gewissen verantworten, was Sie getan haben? Sie haben Millio- nen Menschen kalten Herzens aus ih- ren Heimen vertrieben. Sie haben ge- sehen, wie Millionen von Menschen ge- mordet wurden, nicht allein auf dem Schlachtfeld, sondern auch in ihren Heimen, Kein Soldat hat den Wunsch, der Berliner Region werden aber auch bereits einfache Haushaltgegenstände produziert, die nunmehr in den Han- del gelangen. Die Disziplin des Pu- blikums ist erstaunlich und von einem Run auf die Waren kann keine Rede sein. Es ist allerdings schwer zu be- urteilen, ob nicht auch ein gewisser Geldmangel mitspielt. Wer allerdings einen Blick auf das Schwarzhandels- gentrum zwischen Brandenburgertor und dem ausgebrannten Reichstags- gebäude wirft und die Umsätze be- obachtet, kann schwerlich an Geld- mangel glauben. Eine Uhr im Werte von ISO—200 Schweizerfranken silt noch immer 400 Dollar oder 4000 RM, gegenüber allerdings 7—800 Dollar vor einem Monat. So sehr der Berliner Bevölkerung das Verständnis für die politischen Notwendigkeiten fehlt, worauf in ei- nem anderen Zusammenhang zurück- zukommen sein wird, so stark äussert sich der Wille zum wirtschaftlichen Wiederaufbau. Der Beauftragte für die irtschaft bestätigt, das« die pri- vate Initiative der Berliner Industrie und des Handels die Ingangsetzung 4er wirtschaftlichen Tätigkeit wegent- lieh erleichtert obwohl namhaft« Hin- dernisse im Weg stehen. AN HITLER länger zu kämpfen. Die Parteimitglie- der und auch mein Arbeitgeber sind Feiglinge. Sie sollten all diese Leute an die Front schicken, und sie sollten ihr Leben verlieren, wie es mein Va- ter in Italien tat. Wer wird nun für mich sorgen? Gott wird es Ihnen heimzahlen. Mein gan- zes Herz ist erfüllt von Hass, Hass und nochmal Hass. Allen, die solches Un- glück über unser geliebtes Heimatland gebracht haben, Fluch, Fluch, Fluch, Fluch, Fluch, Fluch und einen grauen- haften Tod, genau so wie wir Aermsten ihn erlitten haben". Sozialdemokraten und Kommunisten in Deutschland Aus Berlin kommen Nachrichten von Konflikten zwischen SPD und KPD, welche die Zusammenarbeit ge- fährden. In Frankfurt und Hannover haben zwei sozialdemokratische Kon- ferenzen die Einheitsfront abgelehnt und die Aufrechterhaltung der vollen ideologischen und Organisatorischen Selbständigkeit der SPD beschlossen. Das wurde unter anderm damit be- gründet, dass die Sozialdemokratie im Gegensatz zur K. P. nicht auf die volle Freiheit ihrer Urteile und Ent- schlüsse verzichten könne, ferner be- nutze die K. P. die Einheitsfrontpo- litik. um die S. P. zu erobern; die K. P. habe, wie die Wahlen zeigen würden, wenig Anhang und wolle auf diese Weise ihre Partei stärken. Die Einheit der deutschen Arbeiterklasse sei notwendig, wie der Referent Schu- macher in seinem Schlusswort beton- te, aber diese sei nur auf dem Boden der Demokratie möglich. Im Gegensatz zu Schumacher for- derte auf der Frankfurter Konferenz der hessische Minister Venedey den sofortigen Zusammenschluss der bei- den proletarischen Parteien. Er blieb aber mit 6 gegen 120 Stimmen in der Minderheit. Wir hoffen, dass das nicht das letzte Wort in den Einheitsbestrebun- gen ist. Untragbare Verantwortung? In sei- nem Referat führte Schumacher aus: Die SPD habe schon einmal die Ver- antwortung übernommen in einem Zustand, der nicht durch ihre Schuld hervorgerufen worden sei. Wenn man heute wiederum überall Sozialdemo- kraten zur Mitverantwortung heran- ziehe, so könne in Erinnerung an die Vergangenheit der Zustand eintre- ten, in dem sie die Mitarbeit dan- kend ablehnen müsste. Ueberall sei- en Elemente am Werk, die durch ih- re Haitun« zur Konsolidierung des Nazismus beigetragen hätten, heute aber so täten, als ob nichts gesche- hen sei. Wenn dazu noch eine ein- seitige "Schuld-Ideologie" komme, könne nur die Schwächung der wirk- lich demokratischen Elemente im deutschen Volk die Folge sein. Der Friede müsse die Ideale verwirkli- chen, für die der Krieg angeblich ge- führt worden Bei. Man dürfe nicht die deutschen Todfeinds das Nwirafi- faes als schuldige besiegte behandeln. WIE NACH DEM DREISSIC UAEHRIGEN KRIEG "Nederland" bringst den Bericht eines früheren Zwangsarbeiters, der über Polen, Tschechoslowakei, Oesterreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Türkei, Persien. Irak, Transjordanien, Aegypten, Frank, reich, Spanien nach Buenos Aires gelangt ist. Von dem östlichen Deutschland sagt er unter ande- rem: "Am schlimmsten ist es natürlich in Deutschland. Die grossen Städte liegen in Trümmern, aber die meisten kleinen so um 10.000 Einwohner her- um sind verschont, soweit dort keine grossen Fabriken waren, und ebenso die Dörfer. Aber alles ist fort: Män- ner und Fensterglas und Telefone und Gaskocher und Pflüge und Tür- griffe . . . Die Menschen arbeiten wie in der Urzeit. Ein Spaten, eine Har- ke finden sich selten; ein Pflug ist ein Unikum. Die Menschen graben mit Stöcken, einem Stück Metall oder einem Stein . . . Die Kleinbürger verkaufen, was sie haben, falls sie etwas haben. An Ar- beiter, an russische Soldaten, an Schwarzhändler. Das gehobene Bür- gertum? Ist zum Kleinbürgertum ge- worden und lebt wie diese*. Oft ist es in den Schwarzhandel gegangen. Und man darf nicht vergessen: Es sind wenig Männer übriggeblieben. Einige Millionen sind zur Arbeit nach Russland gebracht; einige Millionen sind gefallen; einige Millionen arbei- ten für die Russen beim Wegräumen der Trümmer. Und Millionen irren ziellos umher". Seine aesamtetndrticke aus dem europäischen Osten fasst der Be- richterstatter «o zusammen: "Und wie soll es mit Europa weiter, gehen? Die Antwort ist traurig. Bu- ropa, wenigstens soweit ich es gese- hen habe, sieht so aus, wie es nach dem Dreissigjährigen Krieg ausgese- hen haben muss. Lager und Banden, Elend und Chaos. Alles hängt davon ab, ob die Bauern wieder produzieren, Das ist das Entscheidende; Städte und Fabriken kommen erst in zweiter Linie, es handelt sich nicht um Wirt- schaft, sondern um Essen. Unglücklichreweise erwarten di* Menschen den dritten Weltkrieg. Sie sagen, dass die Russen das auch tun". Luise Kautskjn «um Gedenke*, Wil- lard Publishing Co. New York. In einem 40 Selten starken Heft sind die Rede Friedrich Adlers bei der Gedächtnisfeier in New York, ein Teil des Aufsatzes, den Oda Olberg für No. 100 unserer Zeitschrift ge- schrieben hat, ein Brief von Annie von Scheitern» aus Amsterdam über Luise Kautskys Deportierung, ein Be- richt der Lagerärztin Lucie Adelsber- ger über ihre letzten Wochen im Krankenhaus des K. Z's Birkenau und einige Briefe von Benedikt Kautsky zusammengefasst. Es ist ein trostreiches Büchlein. Mutter und Sohn sind unbesiegbar geblieben trotz Tod und Trinen und trotz, nein wegen der Tiefe ihres Empfindens und wegen ihrer soziali- stische» Ueberseugung: "Denn sie tä- ten den Geist nicht, ihr Brüche?!" DA» ANDERE D1UTSCHEAND 11 DAS Freier Wettbewerb. In Nordameri- ka sind 45 Fabriken künstlicher Gliedmassen in einem Unternehmer- verband zusammengeschlossen. Sie stellen 80—90 o o aller künstlichen Glieder her. Die Regierung wollte ur- sprünglich die Kriegsinvaliden aus Regierungswerkstätten beliefern, in denen der Herstellungspreis eines künstlichen Beines 62 Doli, beträgt. Die Fabrikanten aber protestierten im Namen des freien Wettbewerbs, und die Regierung überliess ihnen das Geschäft. Sie berechnen den In- validen bis zu 450 Doli, für ein künst- liches Bein; diese Kosten muss die Regierung dem Invaliden wiederer- statten. jetzt hat das Justizministe- rium eingegriffen und die Mitglieder des Verbandes wegen Verletzung der Antitrustgesetze (Beseitigung freien Wettbewerbs) angeklagt. Time, Nov. 26, 45. p. 47. "Sozialismus in unserer Zeit". Wäh- rend der parlamentarischen Debatte über das Regierungs-Projekt der Na- tionalisierung der Bank von England erklärte ein liberaler Abgeordneter, dass die englischen Kapitalisten, wenn allen Besitzern nationalisierter Betriebe ähnlich günstige Bedingun- gen. wie den Aktionären der Bank von England angeboten würden, bald noch mehr derartigen "Sozialismus in un- serer Zeit" wünschen würden. Der japanische Admiral Sakaibara, wurde zum Tode durch Erhängen ver- urteilt, weil er im Jahre 1943 die Er- schiessung von 96 amerikanischen Zi- vilisten ' auf einer pazifischen Insel angeordnet hatte. Er äusserte als 'letz- ten Wunsch, "dass die Leute, die den Massenmord japanischer Zivilisten durch Atombomben vorbereiteten und ausführten, mit demselben Mass ge- messen werden". Time, Jan. 7. 46, p. 9 Nürnberg. Ein Amerikaner schreibt: »Ich bin selbst als Kriegsgefangener T DER ZEIT in verschiedenen Lagern Deutsch- lands gewesen, und weiss wohl mehr von Kriegsverbrechen als der Durch- Schnittsamerikaner. Die Nürnberger Prozesse aber scheinen mir kaum ge- eignet zu sein, die Welt zu verbes- sern. Die lange Liste der Anschuldi- gungen, die gut fundiert sind, neh- men jedem Angeklagten das Recht, weiterzuleben. Der einzige Haken bei der Geschichte ist, dass viele der Ver- einigten Nationen heute die gleichen Verbrechen gegen schwächere Natio- nen begehen, und sie können sich nicht einmal damit entschuldigen, dass noch Krieg ist". Time, Jan. 7, 46. Hearst und Hitler. Der Zeitungskö- nig William Randolph Hearst ist ei- ne der widerwärtigsten Typen des zeitgenössischen Journalismus an moraltriefender Heuchelei, Verschwei- gen der Wahrheit und reaktionärer Vergiftung der öffentlichen Meinung. Nun erfährt man aus einem aufge- fundenen Bericht Alfred Rosenbergs an Hitler, dass Rosenberg auf Hearsts Wunsch Hitlerpropaganda in dem riesigen Zeitungskonzern Hearsts I N D O N E "Die Japaner sind gute Soldaten", erklären die englischen Militärs, die japanische Truppen im Kampf um Semarang, in Mitteljava, einsetzten. Time. 3. 12. 45. Warum? Der holländische Admiral Helfrich antwortete auf die Frage, warum die Engländer in Java Truppen gelandet hätten: "Indonesien ist holländisch, und es scheint, dass sie das verges- sen haben". "Gaskrieg" in Indonesien! Unter dieser Ueberschrift meldete Reuter aus Batavia: "Es besteht der begründete Verdacht, so berichtet ein englischer Offizier, dass die indonesi- schen Extremisten, die in Surabaya kämpfen, Gas benutzen, und zwar in der Form von chlorgefüllten Fla- schen". "Wie Tiere". Ein amerikanischer Offizier, der den Krieg gegen Japan mitgemacht hat, schreibt aus den Philippinen: "Die Indonesier wollen sich selbst re- gieren, und die Annamiten rebellie- ren gegen die Wiederaufrichtung der französischen Herrschaft, und darum werden sie wie Tiere von Maschinen- gewehren niedergemäht . . . Diese Länder haben ein Recht, sich gegen die Herrschaft der fremden Mächte zu erheben". Time, Nov. 19, 1945. Sjahrir, der Premierminister der in- donesischen Republik studierte in Amsterdam die Rechte, wurde Sozialist, heiratete eine Hollän- derin. Bald nach seiner Rückkehr war er in der Freiheitsbewegung tä- tig. Die Holländer verbannten ihn aus allen niederländischen Besitzun- machen konnte. Wörtlich heisst es: "In diesem Jahre sind fünf Artikel von mir in den Hearst-Zeitungen der ganzen Welt erschienen. Da diese Ar- tikel, wie Hearst mir persönlich mit- geteilt hat, gut fundierte Argumente brächten, hat er mich gebeten, wei- terhin Artikel für seine Zeitungen zu schreiben". Die Hearstpresse hat natürlich nichts von diesem interessanten Do- kument gebracht. Dafür ist Hearst heute ein wütender Deutschenhasser. Vorläufig? Im Dezember kam das Militärtransportschiff James Parker in New York an. 40 grosse Kisten wurden ausgeladen, sie enthielten 202 wertvolle Gemälde (15 Rembrandts, 5 Rubens, 6 Van Dycks, usw.). Alle diese Gemälde stammen aus deut- schen Museen, die durch Bomben zerstört oder beschädigt wurden. Sie sollen "vorläufig in Nordamerika auf- gehoben werden". Emil Ludwig wollte Ende Novem- ber in Amsterdam einen Vortrag hal- ten über das Thema "Deutschlands Busse". Holländische Zeitungen pro-" testierten, indem sie an Ludwigs Freundschaft für Mussolini erinner- ten. Der Vortrag wurde wieder abge- sagt. SIEN fjen und schafften seine Frau nach Holland zurück. Seinen 12 Jahre al- ten Sohn hat er nie gesehen. 1942 konnte er aus der Verbannung zu- rückkehren, arbeitete als Landwirt r.nd half die Widerstandsbewegung organisieren. Personalnachrichten Erich Knauf, Redakteur in Plauen, dann Lektor der Büchergilde Guten- berg, zuletzt Redakteur des Acht- Uhr-Abendblatts, wurde wegen illega- ler Betätigung von den Nazis hinge- richtet. Klaus Zweiling, Redakteur der SPD in Plauen, später Redakteur der So- zialistischen Arbeiterzeitung, wegen illegaler Betätigung zu vielen «Pahren Zuchthaus verurteilt, ist der K. P. D. beigetreten. Erich Alfringhaus, der frühere Lei- ter des Sozialdemokratischen Presse- dienstes wurde bei dem Versuch, die Frau von Scheidemann und Walter Hammer im Boot aus Dänemark nach Schweden zu retten, verhaftet. Vor der Auslieferung an die Gestapo liess er mitteilen, er werde dafür sorgen, dass die Gestapo nichts durch ihn er- fahren werde. Er erhängte sich in der Zelle. Walter Hammer, der Herausgeber des "Fackelreiter", der tapferen Zeit- schrift der radikalen Jugend, hat, nachdem er gleich nach seiner Ver- haftung einen vergeblichen Selbst- mordversuch gemacht hatte, 39 Ver- nehmungen im Columbiahaus und fünf Jahre Zuchthaus und Konzen- trationslager überstanden. 12 DAS ÄNDERE DEUTSCHLAND NACHRICHTEN AUS OESTERREICH Unsere österreichischen Ge- nossen in Buenos Aires geben ■ein eigenes Mitteilungsblatt her- aus. Wir entnehmen der Januar- nummer das Folgende: Die Wahlen Oesterreich hat nach 14 Jahren wie- der eine demokratisch gewählte Volks- Vertretung ernannt. Alle die Einwän- len, die eine Wahlbeteiligung aufwie- sen, wie sie selbst in Ländern mit al- ter Demokratie nicht erreicht wird, hat das oesterreichische Volk seine Vertretung ernannt. Alle die Einwän- de, die in der Weltöffentlichkeit ge- gen die Wahlen in manchen Nachbar- ländern erhoben wurden, sind vor dem einwandfreien Verlauf der Wahlen in Oesterreich verstummt. Belgien, Hol- land, Italien, die Tschechoslowakei und Polen waren noch nicht imstan- de, ihr Vorkriegsparlament oder sein ernanntes Surrogat durch eine freige- wählte Volksvertretung zu ersetzen. Oesterreich hat es vermocht. Dieses Zeugnis der politischen Reife unseres Stimmen Sozialisten . . . Kommunisten . . Bürgerliche . . Parteikoalit i o n Kärtner Demo- kraten ..... Insgesamt . . . 8JCI.1931 25.XI.1945 1.517.000 1.430.562 16.000 175.471 3.114.000 1.574.537 5.833 Volkes, das ist die grosse und histo- rische Bedeutung des 25. November 1945. Daneben tritt die Frage, ob die eine oder die andere Partei um ein paar Mandate mehr oder weniger be- kommen hat, an Bedeutung weit zu- rück. In dem .Zustand, in dem Oester- reich aus der Unterwühlung seiner ökonomischen, politischen und sittli- chen Grundlagen durch fünf Jahre Austrofasöhismus, sieben Jahren Nazi- Invasion und sechs Jahre Weltkrieg hervorgegangen ist, konnte der Wahl, wie immer ihr Ergebnis ausfiel, nichts anderes folgen, als was ihr jetzt folgt: eine Regierung der Koalition aller durch die Wahl manifest gewordenen demokratischen Kräfte und Strömun- gen. Das Wahlergebnis — die Ziffern, die hier folgen, weichen von den in der argentinischen Presse' veröffentlichten in Einzelheiten ab — ergibt im Ver- gleich zur letzten Vorkriegswahl das folgende Bild: Anteil in o'o Mandate 1931 1945 1931 1945 41,59 44,72 72 77 0,44 5,51 1 4 57,97 49,6 93 85 _ 0,17 3.647.000 3.176.403 Das ergebnis ist also: Die bürgerli- che Parteikoalition — sie bestand 1931 aus den Christlichsozialen, Grossdeut- schen, Landbund und Heimwehren und hat sich im Jahre 1945 samt den Resten der Nationalsozialisten zur Oesterreichischen Volkspartei zusam- mengeschlossen — ist von 93 auf 85 Mandate zurückgegangen; aber ihr Anteil an den Stimmen der Wähler ist von fast sechs Zehnteln auf weniger als die Hälfte gesunken. Die sozialisti- sche Parlamentsfraktion ist von 72 auf 75 Mandate gestiegen, der Anteil der proletarischen Parteien an den Stim- men, der 1931 nur 42 o'o betragen hat, auf über die Hälfte gestiegen. Zum ersten Male in der Geschichte Oester- reichs eint das klassenbewusste Prole- tariat mehr als die Hälfte der Bevöl- kerung in seinen Reihen. Der proletarische Sozialismus hat in Oesterreich keinen Sieg erfochten, aber einen grossen Erfolg erzielt. Der Er- folg ist umso grösser, wenn man be- denkt, dass Tausende von Arbeitern noch nicht aus den Ländern heimkeh- ren konnten, wohin die Nazis sie zwangsweise verschickt haben, und dass der sozialistischen Partei an die 180.000 Stimmen der von den Nazis vertriebe- nen oder ausgerotteten Juden verloren gegangen sind. Darauf i<=t der von den Zeitungen gemeldete Rückgang des Anteils der Sozialisten an den Wiener Stiirmen zurückzuführen. Wenn den- noch im Gesamtgebiet der Republik d^r Anteil der Sozialisten so beacht- lich gewachsen ist, *o lässt das den Schluss zu, das sie in den Bundeslän- dern sehr starke Zunehmen aufweisen müssen. Unsere Partei ist nicht mehr in dem Masse wie ehemals eine vor- wiegend Wiener Partei, sondern viel stärker als je eine gesamtösterreichi- sche politische Macht. Die Alles-besser-Wisser der Emigra- tion besonders, die der Partei inner- lich nie zugehört haben und daher heute ihren natürlichen Platz bei den sogenannten "Freien" Oesterreichern einnehmen, sind natürlich mit dem österreichischen Wahlergebnis höchst unzufrieden. Wer aber versteht, unter welchen schweren Verhältnissen die Partei zu kämpfen hatte, wertet das Wahlergebnis anders. Seit 1933 sind unsere Organisationen zerstört, nur cechs Monate standen zu ihrem Wie- deraufbau zur Verfügung. Das' Land hungert, die Industrie steht still. Seit 1933 sind zwölf Jahrgänge der oester- reichischen Bevölkerung, die durch die Schule der demokratischen Republik gegangen sind, weggestorben, und zwölf Jahrgänge, die ihre ganze Ju~ send und Erziehimg unter dem fa- schistischen System verbracht haben, 7'vir Wahlberechtigung erwachsen. Die Volkspartei hat ihre einzige Chance rofort erkannt, als sie nach der Wahl- ausschreibung die antimarxistische Walze einschaltete, auf die die oester- reichische Bevölkerung zuerst von den Austro-. dann von den Nazifaschisten eingedrillt wurde. Dazu kommen die schweren psychologischen Fehler, die von allen vier Besatzungsmächten, den demokratischen mehr noch als von den Russen, bei der Behandlung der Oesterreichel1 und insbesondere der de- mokratischen Kräfte im oesterreichi- schen Volke begangen wurden. Und dennoch ist aus allen diesen Widrig- keiten unsere Partei stärker aufgestie- gen, als sie je in Oesterreich war. Das dankt sie der Treue, der Hingabe und der unverbrüchlichen Verbundenheit der oesterreichischen Arbeiterschaft zum demokratischen Sozialismus. Und das ist das Unterpfand für unseren künftigen Sieg. Die Partei zum Wahlergebnis Vizekanzler Dr. Adolf Schärf, der vom Führer der sozialistischen Unter- grundbewegung zum Parteiführer hin- aufgewachsen ist, schreibt in der Wie- ner Arbeiter-Zeitung: Die Sozialisti- sche Partei ist von dem Wahlergebnis voll befriedigt. Es bringt uns keinen Sieg, aber einen grossen Erfolg. Wien wird wieder unter sozialistischer Ver- waltung stehen. Sie wird all ihr Stre- ben daran setzen, das Wiederaufbau- programm zu erfüllen. Alle grösseren Städte und Ortschaften haben eine so- zialistische Mehrheit, viele zum ersten Mal in der Geschichte unseres Lan- des (zum ersten Male erzielte die so- zialistische Partei der Majorität in Salzburg und Klagenfurt; Innsbruck wird wahrscheinlich einen sozialisti- schen Bürgermeister haben. Red.). Wir wären viel stärker gewesen, wenn nicht die Kommunistische Partei einen Teil unserer früheren Anhänger abge- zogen hätte. Sie hat es so verhindert, dass die Sozialistische Partei zur stärk- sten Partei aufgestiegen ist, während sie selbst eine kleine Splitterpartei ge- blieben ist. Die Einheit der Arbeiter- klasse, das ersehnte Ziel so vieler, ist nahezu wieder hergestellt worden. Die Massen der Arbeiter und Angestellten stehen in unserem Lager. Die Stärke der Okkupationsarmeen in Oesterreich beziffert der Korres- pondent des Londoner Observer nach einem Besuch des Landes mit 600.000 Russen, 200.000 Amerikanern, 100.000 Briten, 50.000 Franzosen, ein Mann auf je 3 erwachsene Oesterreicher. Die Russen und Franzosen verpflegen sich fast ausschliesslich aus den Vorräten des Landes, nur Weizen, der im Lande nicht erhältlich ist, führen sie ein. Die Amerikaner und Engländer, die sich zwar im allgemeinen selbst versorgen, versorgen sich doch auch aus man- chen örtlichen, nur beschränkt vorrä- tigen Mitteln. Nach den Franzosen ha- ben jetzt auch die Engländer die Fa- milien von 145 Offizieren ihrer Be- satzungsarmee nach Oesterreich ge- bracht. ,Tf;ri" ?he Kultusgemeinde: Der neue Prä>;:C:v ™.t der jüdischen Kultusgemein- de in Wien ist Professor Benzion La- zar. In einem Interview mit dem Kor- respondenten der Jüdischen Telegra- phen-Agentur teilte Prof. Lazar mit, dass die Verhaftung von Dr. Josef Löwenherz und Heinrich Bienenfeld, die unter der Naziherrschaft die Kul- tusgemeinde leiteten, unter der Be- schuldigung des Kollaborationismus mit der Gestapo erfdlgte. DA ANDERE DEUTSCHLAND 13 DISK USSIONS TRIBUENE SEGEN DIE PROPHETEN DER ENTTÄUSCHUNG VORAUSSETZUNG EINER SIEGREICHEN REVOLUTION Der folgende Artikel stellt nicht durchweg die Meinung der Redak- tion dar. Er behandelt aber ent- scheidende, aktuelle Probleme und Streitfragen in einer Weise, die zur JJiskussioti anregt. Zu dieser for- dern wir unsere Leser auf. Zwei Bücher sind kürzlich erschie- nen. Ihre Verfasser gehören zum äu- ssersten linken Flügel der jüngeren Generation. Sie geben Gelegenheit, das Wesen einer Enttäuschung zu er- gründen, die scheinbar unter den in- tellektuellen Sozialisten weit verbrei- tet ist. Ich denke an George Orwells ••Tierfarm." und an Arthur Köstlers "Der Yogi und der Kommissar". Orwells "Tierfarm" ist die satiri- sche Erzählung von einer erfolgrei- chen Revolution, in der die Tiere ih- re Bedrücker, die Menschen, vertrei- ben mit dem Ergebnis, dass nach kurzer Zeit die Führer ihrer neuen Tiergemeinschaft so "menschlich" werden, dass gar kein Unterschied mehr zwischen Czn Bedrückern von gestern und denen von heute besteht. Zweifellos ist diese glänzend geschrie- bene Gsschichte mehr als ein amü- santes Märchen. Es fällt dem Leser nicht schwer, zwischen den Hand- lungsweisen und Charakteren dieser Tiere und den Sowjetführern und ih- ren Angehörigen Parallelen zu ent- decken. Das Buch ist eine satirische Anklage Stalin-Russlands. Aber ist es nicht sogar mehr als das? Es klingt etwas wie eine Ver- neinung aller revolutionären Hoff- nungen hindurch. Es erinnert den Leser an die Darstellung der Kon- servativen, wie diese sie durch die Jahrzehnte hindurch gegeben haben, dif' seit der französischen Revolution vergangen sind: nämlich, dass eine Revolution nur einen Wechsel der Schauspieler in den führenden Rol- len desselben alten politischen Spiels bedeute, und dass die menschliche Natur, wie sie einmal ist, neuen Füh- rern nicht erlaube, wesentlich an- ders zu sein, als die alten, es sei <*enn, dass sie möglicherweise noch schlimmer sein könnten. Niemand wird einem fortschrittlichen politi- schen Schriftsteller wie Orwell zu- trauen, dass er diese alten reaktio- nären Gemeinplätze wiederholt, aber es sollte nicht schwer sein, den li- terarischen Kritiker Orwell davon zu überzeugen, dass seine "Tierfarm" viele Leser verleiten kann, sich zu ih- nen zu flüchten. Ich will die Gründe, die Orwell für seine äusserst skeptische Beurteilung der Entwicklung Sowjetrusslands hat, nicht untersuchen. Ich nehme an, dass seine Gründe sich nicht sehr von den ernsten und alarmierenden Angriffen Köstlers unterscheiden, die dieser in "Der Yogi und der Kom- missar" unternimmt. In diesem Buch weist der Verfasser auf die Heranbil- von Gerhard Gleissberg dung einer neuen privilegierten Klas- se in Russland hin, auf dio Bevor- mundung der Arbeiter, auf die Ver- folgung Andersdenkender, auf die drakonischen Strafgesetze, die altmo- dische Stärkung des Familienlebens und die nazistischen Zustände in den Arbeitslagern. Diese Entwicklung eines politischen Systems, das durch eine sozialisti- sche Revolution geschaffen wurde, darf nicht ignoriert werden, und wenn man darüber schreibt, sollte das nicht „Is antikommunistische Propa- ganda abgelehnt werden. Es ist im Gegenteil die Pflicht je- des Sozialisten, den Tatsachen ins Auge zu sehen und den Gründen nachzuforschen, warum das grosse revolutionäre Experiment Resultate gezeitigt hat, die für jeden t'of ent- täuschend sind, der den Sozialismus nicht nur in Begriffen von Ertrag und Leistungsfähigkeit, sondern in Begriffen menschlich ~ Entwicklung und moralischen Fortschritts denkt. Arthur Köstler, dem wir einige der wenigen literarischen Meisterwerke unserer Zeit verdanken, hat sich da- durch ein grosses Verdienst erwor- ben, dass er die ethische Seite der Politik in einer Zeit betont, in der Brutalität, Schrecken und Elend den Schauplatz füllen. Aber gibt es auf diese Frage keine andere Antwort als Resignation? . Angesichts der Anklagen, die Köst- ler und andere ernstzunehmende Kri- tiker gegen die Sowjetunion erheben, sollte ein Sozial -t die Ursachen di ser enttäuschenden Tatsachen stu dieren. Er sollte sich fragen, ob ein sozialistisches Experiment in einem Land, das das rückständigste aller grossen europäischen Länder war, im jähre 1917 vollkommen erfolgreich sein konnte. Die neue Regierungsform musste dem Volk aufgezwungen wer- den, und die unvermeidliche Folge davon war eine strenge Diktatur. Die Revolution breitete sich nicht über die Welt aus, wie das die Gründer der Sowjetunion gehofft hatten, und der Versuch, die Weltrevolution durch Spaltung der Arbeiterbewegung zu fördern, musste misslingen. Sobald klar wurde, dass das Sowjetsystem auf ein Land beschränkt blieb, das einen Lebensstandard hatte, der we.t unter dem jedes grossen anderen In- dustrielandes lag, mussten mit Not- wendigkeit die meisten der Unter- drückungsmassnahmen Platz greifen, welche dio Kritiker beklagen. Mensch- liche Fr:".eit und menschliches Glück wurden der Leistungsfähigkeit geop- fert; Diskussionen wurden auf Fra- gen der Produktivität und Arbeits- disziplin beschränkt; abweichende Meinung wurde als Sabotage angese- hen, das Ausland als möglicher Feind und der Sozialismus als ein System nationaler Planung mit dem Ziel, es mit der militärischen u.id industriel- len Leistungsfähigkeit der kapitalisti- schen Länder aufnehmen zu können Viele sahen diese Entwicklung voraus und weigerten sich die "-zählungen vom "Arbeiterparadies" zu glauben. Aber die, welche daran glaubten, und alle ihre Hoffnungen menschlicher Fortschritts ausschliesslich auf die Sowjetunion setzten, waren zum Schluss enttäuscht. Der unkritische Enthusiast von gestern ist der Pes- simist von heute. Diese Art der EntäuschunT ist ge- fährlich. Der enttäuschte Idealist :' t augenscheinlich nicht fähig, die ma- teriellen Veränderungen, die eine Po- litik mit sich bringt, und die hinter seinen idealistischen Hoffnungen zu- rückbleiben, richtig einzuschätzen. Und er will keinen anderen mögli- chen Weg für eine sozialistische Evo- lution oder Revolution suchen, der imstande wäre, die Abirrungen der Sowjetunion zu vermeiden. Da er die- se Politik als einen tragischen Fehl- . schlag ablehnt, ist er nur zu Lehr ge- neigt, alle seine sozialistischen Hoff- nungen, wenigstens für die Gegen- wart, aufzugeben. Darum fordert Köstler zu einem Zusammenschlüss der Pessimisten auf, deren einzige Hoffnung es ist, in der matten Er- wartung besserer künftiger Zeiten zu überwintern. Bis dahin möchte er lie- ber dem Obersten Blimp die Rege- lung der Dinge überlassen als Stalin. Aber Oberst Blimp und die ande- ren alten Herren der konservativen Tradition haben kaum Aussicht, die Probleme unserer Zeit lösen zu kön- nen. Die allgemeinen Wahlen in Eng- land haben diesen Punkt sogar bes- ser geklärt, als die wenigen Wahlen in den Ländern des befreiten Konti- nents. Deshalb ist der von dem ent- täuschten Idealisten angebotane Rat nicht -ur defaitistisch in seiner po- litischen Haltung, sondern auch un- realistisch in seiner Prognose. Echte Sozialisten werden die Kritik beach- ten, die Orwell und Köstler gegen die reaktionären und unmoralischen Züge einer Diktatur erheben, die aus einer sozialistischen Revolution her- vorgegangen ist, aber : können nicht sie Fölgerung annehmen, lass der Sozialismus abdanken und das Feld den 1. einden überlassen muss — den Diktatoren, den Blimps oder den Technokraten —, die John Burnham (auch ein enttäuschter Enthusiast) vor nicht langer Zeit als die Män- ner des Schicksals und die wahren Erben des sterbenden Kapitalismus bp7«~"-'-~>et hat. Uebricms prophezei- te Burnham in seiner ' Technischen Revolution", dass das faschistische Deutschland und das militaristische 14 DAS ANDERE DEUTSCHLAND Japan zu: rmmen mit U$A und der Sowjetunion als die stärksten Welt- mächte aus dem Kriege - hervorgehen würden. Das zeigt wieder, dass die, du; ihr Paradi verloren haben, in- telligente oder moralische Kriti r sein mögen, dass sie aber unzuverläs- sige politische Führer sind. Revolution und Wirklichkeit Warum muss der Enthusiast von gestern der Pessimist von heute sein? Das ist einfach zu erklären: Er hat die Verbindung mit der Wirklichkeit verloren. Revolution bedeutet für ihn die Erfüllung seiner Erwartungen oh- ne Rücksicht auf die Umstände, un- ter denen die . .evolution stattfand. Und der Unterschied zwischen seinen Ei Wartungen und dem tatsächlichen Ergebnis der Revolution stürzt ihn in Verzweiflung. Wenn Wir näher in unsere Ge- schichtsbücher schauen, werden wir kaum eine Revolution finden, die al- le Träume ihrer begeisterten Anhän- ge: verwirklichte. Wir werden nicht ein einziges Ereignis finden, das schliesslich den vollständig :n Sieg ei- ner religiösen oder politischen Bewe- gung herbeiführte. Es ist wahr, es gab "Zehn Tage, die die Welt erschüt- terten", aber nicht zehn Tage, die sie veränderten. Jeder Revolution gin- gen erfolglose Versuche und halbe Fehlschläg voraus, und . :nn es ge- lang, das alte Regime zu stürzen, so hatte man die Errungenschaften ge- gen äussere und Innere Opposition, gegen moralische Korruption und Diktaturbestrebungen zu verteidigen. Man sollte nicht vergessen, dass vie- le anfängliche Bewunderer der fran- zösischen Revolution nach dem Ter- ror und nach Napoleons Machter- greifung zu Pessimisten, ja sogar zu Konterrevolutionären wurden. Besonders Sozialisten müssen sich dessen bewusst sein, dass eine Revo- lution nicht eine geheimnisvolle Ver- wandlung einer schlechten Veit in ei- ne gute ist, sondern nur eine Schlacht in dem sich lang hinziehenden Kampf der Klassen. Ein Sieg — oder eine Niederlage — kann einen Krieg nicht entscheiden, und gewonnene oder verlorene Schlacht berechtigt uns nicht zu dem Glauben, dass al- les gewonnen oder verloren sei. Wenn wir die Lehren verstehen, die uns ei- ne Niederlage gibt, können wir mehr gewinnen, als Dfefaitisten zu werden, weil ein Sieg nicht die volle Er- füllung unserer hochgespannten Er- ' Wartungen gebracht hat. Die russische Revolution von 1917 war nicht die einzige Revolution un- serer Zeit. Ihr folgten 1918 die Re- volutionen in Deutschland und Oe- sterreich, die Revolution in Ungarn 1919, der Kampf der österreichischen Arbeiter gegen Dollfus 1934 und der Krieg der spanischen Linkei? gegen Franco 1936-1939. Der russischen Re- volution gelang es, das ~lte Regime zu stürzen und der Kommunistischen Partei die Macht zu erobern, weil das alte Regime am Ende war und kei- ne Unterstützung mehr im Volk hat- te. Aber, obwohl die Revolution ein neues soziales System schuf, erfüllte sie doch nicht die hochgespannten Hoffnungen, welche sie In den Her- zen ihrer Anhänger hervorgerufen hatte, x eil sie nicht eine umfassen- de und aufgeklärte . nhängerschaft i i Russland - 'srt besass, und eben- sowenig die internationale Unterstüt- zung fand, die sie brauchte. Die Kom- munisten brachten sogar den grösse- ren Teil der internationalen Arbei- terbewegung durch ihre Taktik zu sich i:i Gegensatz. Es scheint, dass diese drei Faktoren — die Niederla- ge des alten Regimes, die Unterstüt- zung breiter aufgeklärter Volksschich- ten und die internationale Mitarbeit — die hauptsächlichen Voraussetzun- gen für eine wirklich erfolgreiche Re- volution sind. Alle die anderen revolutionären Er- eignisse, die wir erlebt haben, be- stätigen diese Auffassung. Im Jahre 1918 wurde das alte Regime in Deutschland und Oesterreich besiegt, und es gelang der Revolution, sie zu beseitigen. Die Unterstützung der Be- völkerung war weitgreifend und auf- geklärt genug, um politischen und ökonomischen Fortschritt möglich zu machen. Aber ein jammervolles Ver- sagen der internationalen Zusam- menarbeit und viel innerer und äu- sserer Widerstand schränkte den Er- folg dieser Revolutionen ein und führte schliesslich zur Niederlage der deutschen und österreichischen Re- publik. Die ungarische Revolution 1919 konnte ohne internationale Hil- fe nicht erfolgreich sein. Die Hilfe wurde versagt, und der Faschismus gewann seinen ersten Sieg. Ein ähn- liches Versagen der Internationalen Unterstützung war weitgehend ver- antwortlich für das Scheitern der österreichischen Erhebung gegen Dollfuss. Das Dollfussregime war au- sserordentlich schwach, aber es wur- de nicht besiegt. Es war mit dem damals mächtigen Mussolini verbün- det, und die Furcht vor Hitler, Oe- sterreichs anderem grossen Nachbarn, lähmte viele Gegner von Dollfuss. Der Bürgerkrieg in Spanien war der einzige revolutionäre Kampf gegen den Faschismus, der Aussicht auf Erfolg hatte. Er war kein Kampf ge- gen ein besiegtes Regime, sondern eine Verteidigung der rechtmässigen republikanischen Regierung gegen eine faschistische Rebellion, die mächtige faschistische Regierungen hinter sich hatte und militärisch gut organisiert war. Der spanische Bür- gerkrieg hat bewiesen, dass die mo- derne Militärmacht den Widerstand eines Volkes brechen kann, aber er hat auch bewiesen, dass eine Volks- erhebung mit internationaler Unter- stützung erfolgreich kämpfen kann. Der Krieg dauerte mehr als zwei Jahre, und die Republikaner hätten ihn gewinnen können, wenn die in- ternationale Hilfe weniger zögernd und mit grösserer Einigkeit gebracht worden wäre. Der Pessimist wird nur die Fehl- schläge dieser revolutionären Versu- che sehen. Wir aber sollten die Grün- de derselben studieren und dann un- sere Lektion lernen. Wir können nicht erwarten, dass eine Revolution zu jeder Zeit und unter allen Umstän- den erfolgreich ist. Wir müssen die Tatsache erkennen, dass die. Entwick- lung der modernen Waffen — schon vor der Atombombe — und der mili- tärischen Organisation jede Regie- rung, deren Maschinerie intakt ist, in einem Ausmass gestärkt hat, dass ein Widerstand des Volkes wenig Aus- sicht hat, sie zu üoerwinden. Darum können nur geschlagene Regierun- gen, deren Macht gebrochen ist, von den Massen überwältigt werden. Wir müssen auch die Tatsache erkennen» dass jeder revolutionäre Sieg be- grenzt ist, wenn dem neuen Regime die Unterstützung breiter Volks- schichten und befreundeter Kräfte in anderen Ländern fehlt. Kein revo- lutionärer Sieg, mag er im aktiven Kampf oder in einer "stillen" Revo- lution gewonnen sein, kann lange andauern ohne den Geist der De- mokratie und des Internationalismus« WIDERSTANDSBEWEGUNG UND NEUE REVOLUTION Die Widerstandsbewegung in den nach 1939 besetzten Ländern Europas hat den Propheten der Enttäuschung, als diese nach der Hinrichtung der russischen Revolutionäre auf Befehl der Sowjetregierung und dem Unter- liegen der spanischen Republikaner, in ihrer Enttäuschung bestärkt wurden eine glänzende Antwort gegeben. Die europäische Untergrundbewegung hat bewiesen, dass die Hoffnung nicht verloren war, selbst nicht, in der dunkelsten Stunde, als der Faschis- mus den Kontinent erobert hatte und die Welt erobert zu haben schien. Wir haben alle Ursache, die Helden der Widerstandsbewegung zu bewun- dern und uns über die Erfolge ihres Kampfes zu freuen. Aber die Lehren, die uns die Vergangenheit gab, soll- ten uns eine Warnung vor einem blinden Enthusiasmus sein, der aber- mals in tiefster Enttäuschung enden könnte. Die Widerstandsbewegung wurde in der Stunde des faschistischen Triumphs von heldenhaften Einzel- persönlichkeiten und kleinen politi- schen Gruppen ins Leben gerufen. Wer da glaubt, dass ganze Völker sich gegen Hitler erhoben hätten, nachdem er mit seiner Waffengewalt ihre Länder besetzt hatte, zeigt Man- gel an Realismus. Der Widerstand in allen besetzten Ländern war ein lan- ger und schwieriger Prozess. Er war nicht der politische Ausbruch einer Massenbewegung, sondern vielmehr eine lange Vorbereitung auf den Au- genblick, in dem ein offener Kampf Aussicht auf Erfolg hatte. Der sieg- reiche Eroberer konnte nicht offen herausgefordert werden. Er kontrol- lierte die Militärmacht, die Staats- organisation und die Industrie, von der nicht nur der Profit der Kapita- listen abhing, sondern auch der Un- terhalt der Massen. So war der Kampf der Widerstandsbewegung ei- ne allmähliche Entwicklung" aus der Aktivität einzelner Persönlichkeiten und politischer Gruppen zu Massen- aktionen gegen Deportationen, Ver- folgungen und Grausamkeiten und endlich zu Partisanenkämpfen und zum Guerillakrieg, die die Massen er- fassten, Diese siegreiche Entwicklung DAS AN DIR! DIOTSCHt AND 15 würde ohne Internationale Mitarbeit nicht möglich gewesen sein. Bestän- dige starke Propaganda der unbesetz- ten Länder half dazu, die Unterstüt- zung des Volkes für die Widerstands- bewegung zu stärken, und der uner- bittliche starke Kampf der alliier- ten Heere zu Lande, zu Wasser und In der Luft, nährte die Hoffnung auf Befreiung. Durch die Invasion des Kontinents wurde der Hitler-Mythos endgültig erschüttert, und der Wi- derstand konnte den geschlagenen Unterdrücker offen zum Kampf her- ausfordern. Ueberall gelang es der Widerstands- bewegung, ihr erstes Ziel zu errei- chen, den Eindringling hinauszuwer- fen und die Quislingregierungen zu erledigen. Dieser Erfolg war der Un- terstützung des Volkes und der in- ternationalen Hilfe zu verdanken. Es bleibt abzuwarten, ob die Wider- standsbewegung ihr revolutionäres Nachkriegsprogramm durchzuführen Imstande ist. Man bedarf keines Propheten, um tu sagen, dass dies von zwei Bedin- gungen abhängt: dass die Führer des Widerstandes ihre Politik auf die Un- terstützung des Volkes und die inter- nationale Hilfe gründen. Die Hilfe, die im Krieg so bereitwillig darge- bracht wurde, wird sie im Frieden nicht im Stich lassen. Wenn wir die Ursache des Erfol- ges der Untergrundbewegung verste- hen, wird es auch nicht unmöglich sein, die Gründe für das so oft er- örterte Versagen der deutschen An- tifaschisten zu finden. Bei Beginn des Krieges befand sich Hitler auf dem Gipfel seiner Macht. Es war aus- sichtslos, eine Regierung stürzen zu wollen, die das Münchener Abkom- men diktiert und * deren bewaffnete Macht Polen, Dänemark, Norwegen, die Niederlande und Frankreich in wenigen Wochen überrannt hatte. Vielleicht wäre es möglich gewe- sen, eine Widerstandsbewegung In Deutschland zu schaffen, die alles für den Tag vorbereitet hätte, an dem Hitlers Macht zu wanken begann. Die Ereignisse des 20. Juli 1944 zeigten, dass eine solche Bewegung vorhan- den war, aber sie zeigten zugleich, dass sie zur Unwirksamkeit verurteilt war. Das deutsche Problem hat in den letzten sechs Jahren viele Seiten gefüllt. Es kann nicht geleugnet wer- den, dass die deutschen Antifaschi- sten unter anderen Bedingungen ar- beiten, als die Widerstandsbewe- gungen in den besetzten Ländern. Sie erhielten sehr geringe Zusicherungen internationaler Hilfe. Während die alliierte Propaganda in den besetzten Ländern die Unterstützung durch die Bevölkerung steigerte, richtete sie sich mit v/achsender Feindschaft ge- gen die Deutschen als Volik. Als im Jahre 1944 die Kriegslage in ganz Europa der Widerstandsbewegung Aus- sicht auf wirksame Aktionen gab, wurde dem deutschen Volk erklärt, dass sogar die deutschen Antifaschi- sten Vergeltungsmassnahmen zu er- warten hätten, und die Befreiung wur- de strikt nur auf Nichtdeutsche be- schränkt. Sogar eine Anzahl frühe- rer deutscher Sozialisten schloss sich den sog. Vansittartisten an, die hef- tig für eine unterschiedslose antideut- sche Propaganda und Politik, eintra- ten, und betonte, dass die Unfähig- keit — manche sagten das Nichtvor- handensein — der deutschen Antifa- schisten unbezweifelbar die Schuld des ganzen deutschen Volkes beweise. Die Geschichte wird entscheiden, ob die Vansittartisten gute oder schlechte Ratgeber waren. Aber wenn sie den deutschen Antifaschisten vor- werfen, dass sie das Hütlerregime zur Zeit seiner grössten Siege nicht ge- stürzt haben, und sie für das Versa- gen ihrer Anstrengungen verantwort- lich machen, die sie in fast völliger Isolierung hatten machen müssen, so zeigt das einen Mangel an Realismus, der notwendigerweise zu Enttäu- schung und übertriebenen Anklagen führen muss. Tatsächlich sind man- che dieser Vansittartisten selbst ge- scheiterte Enthusiasten, die an un- mögliche Heldentate glaubten und nun die anklagen, die ihre Hoff- nungen «-'cht erfüllen konnten. Die Gefahr der Enttäuschung tritt überall deutlich zu Tage. Es steht viel mehr auf dem Spiele als eine rich- tige Beurteilung der Sowjetunion auf der einen und eine vernünftige Lö- sung des deutschen Problems auf der andern Seite. Die Propheten der Ent- täuschung wollen uns veranlassen, unseren Glauben an Sozialismus, Fortschritt und internationale Soli- darität aufzugeben. Während einige Resignation predigen, plädieren an- dere für eine Aenderung unserer Grundsätze. Letzteres ist der Fall bei den Kom- munisten, die einst das strenge Dog- ma des Marxismus verteidigten und — es ist noch nicht lange her — die westlichen Demokratien als "impe- rialistisch" angriffen, und die in den ersten Kriegs, ahren dramatische Ge- schichten über eine starke deutsche Antihitlerbewegung verbreiteten. Jetzt aber haben sie nicht nur die Verdienste des Reformismus, sondern auch die der Machtpolitik und der heilsamen Bestrafung der Besiegten entdeckt. Dies kann auch wieder als eine- rein taktische Schwenkung an- gesehen werden. Aber es ist ein sehr wesentlicher Wechsel. Die Philosophie einer sozialistischen Revolution wur- de durch die eines gewonnenen Krie- ges ersetzt. Die alten Illusionen sind erschüttert, und das gegenwärtige Empfinden dieser desillusionierten Radikalen ist voll von Ressentiments gegen die, die noch zu den soziali- stischen Grundsätzen stehen. Darum erklären sie diejenigen Sozialisten als Reaktionäre, die noch an Mensch- lichkeit und internationale Solidari- tät glauben, und die nicht 'Einfluss- sphären" und "Herrschaft der Gro- ssen" als sozialistische Ziele betrach- ten. Die unkritischen Enthusiasten von gestern fanden die Wirklichkeit so enttäuschend, dass sie die heutigen Möglichkeiten einer sozialistischen Aufbaupolitik nicht zu erkennen ver- mögen. Noch niemals haben soziali- stische Ideen in ganz Europa soviel Bejahung im Volk gefunden wie heu- te. Am Ende des ersten Weltkriegs beschränkte sich die Woge des Sozia- lismus auf die besiegten l!änder. Heute überflutet sie die befreiten und die siegreichen Länder Europas. Die alten Regierungen sind gestürzt. Das kapitalistische System ist auf dem Kontinent zusammengebrochen, und das englische Volk hat für eine kon- trollierte Wirtschaft seines Landes gestimmt. Der Zusammenbruch Euro- pas erfordert planmässige und ver- einte Aktion. Die Völker Europas, die die furchtbaren Folgen nationalisti- scher Politik selbst erlebt haben, kennten auf den Weg internationa- ler Zusammenarbeit geführt werden. Darüber hinaus haben faschistische Unterdrückung und Schandtaten nicht allein Unwillen, sondern auch ein neues Gefühl für. FYeiheit und Menschlichkeit erweckt, das die so- zialistische Politik anfeuern könnte. Die Situation ruft nach sozialisti- scher Aktion. Aber sie wird gefähr- det durch die Propheten der Enttäu- schung, die ihren Glauten verloren haben, bevor die günstige Gelegenheit kam. (The Lest News, No. 113). DER UNGLAEUBIGE THOMAS Unter dieser Ueberschrift hat der frühere Reichskunstwart Dr. Redslob in der Berliner Zel- tung "Der Tagesspiegel" zu Thu- mas Manns Absagebrief Stellung genommen. Kr schreibt unter anderni: "Thomas Mann kehrt nicht zurück. Als geistiger Botschafter Deutschlands hat er in den Vereinigten Staaten sei- ne Bedeutung. Hier repräsentiert er Deutschland, auch wenn er dessen Staatsangehörigkeit aufgab. Aber das Land selbst, das er vertritt, ist ihm fremd geworden. Er sprach das böse, nicht zu überhörende Wort, dass allem deutschen Schrifttum seit 1933 "Blut- schaum" anhafte. Er will, dass alles, was unter Hitlers Herrschaft in Deutschland gedruckt wurde, ver- brannt werde. Diese cholerische For- derung, die der sonst so verhaltenen Art des Hanseaten widerspricht, kön- . T nen wir nicht ohne öffentliche Ant- wort hinnehmen. Sie erscheint uns, die wir in der Heimat aushielten, durch- aus ungerecht. Wir versuchten, über eine Kluft, deren Tiefe und Breite wir nicht vorher bestimmen konnten, den- noch die Brücke zu schlagen, die über ein verruchtes Zwischenspiel die ech- ten Worte des Gestern einem neuen Morgen verbindet. Was Wiechert schrieb, was Frank Thiess, was Kasi- mir Edschmid uns gaben, des Histori- kers Oncken Buch über Oliver Crom- well, Pecheis mutiger Kampf: all die- ses lebendige Wirken, durch das Deutschland weiterlebte und sich ein Recht auf die Zukunft erwarb, wird nun vom Schreibtisch eines einst deut- schen Schriftstellers, auf den die war- me Sonne Kaliforniens scheint, als be- fleckt erklärt! 0 AS ÄNDERE DEUTSCHLAND BESTELLSCHEIN (ausschneiden und einsenden) Senor JUAN CARL, Tucumän 309 Buenos Aires Der Unterzeichnete bestellt ab ................................. die Zeitschrift DAS ANDERE DEUTSCHLAND. Der Abonnements. Dreis in Höhe von 4.80 Pesos und eine Spende von ......... 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