OT R A Ä L.E M AN IÄ p Ä 'S A N DE R F DE UTSCHLANP^ O R G A N Q 'I Dt " LOS ALEMANES D EMOCRAT1COS DB AM t: R I C A 2_ll£liJLLLl£ »M^>WM»I>WW»WWW«M»«»»W»M»»»»»»»»»»»»»»»l>M»lIII.....Hill»...... W,ll»MmgJWM—■■■ IHHllllll IHM« I........■■■HU I ■ ............UM——II II......... HUNGER IN DEUTSCHLAND (Au* TIME) AUS DEM INHALT August Siemsen: Iran, UNO und was dann? — Hermann Serner: Aegypten zwischen gestern und morgen — Hiroshima und der nächste Krieg — Morgensonne in Bali — Wissenschaft oder Heldenverehrung — Heinrich Feige: Dürfen deutsche Juden nach Deutschland zurückkehren? — Nachrichten aus Deutsch- land: Berichte; Briefe; Aus der französischen Zone; Personal- nachrichten; Professor Karl Barth über das deutsche Problem. — Ein ewiges Schandmal (Fortsetzung), B UENO S - AIRES • T U C U M AN 3 u y "X'tT52X:53*V .T*:Z"!2£.r. "7X-3USB1&3S&XT-. *3E NU M E«R O 115 • 1 DE ABRIL DE 1 946 ' ♦ A- S ° V 1 1 1 DAS AND 1*1 DSUTSC HL AND DEUTSCHLAND HILFSWERK Die Not in Deutschland - In einem Brief, den wir gerade er- halten haben, heisst es u. a.: In Deutschland ist es unsagbar traurig, und die Lage sieht wirklich hoffnungslos aus, ich habe eine zwei- tägige Fahrt hinter mir, die mich Uber Aachen, Jülich, Horrem, Köln, Bonn, Godesberg nach Honnef a d. Sieg geführt hat. Die Strassen sind freigeschaufelt, und links und rechts liegen die Schuttmassen Meter hoch. Des letzte, was an Holz vorhanden ist und sogar die Obstbäume, wandern in die Oefen, und in allen Trümmern suchen die Menschen nach dem klein- sten Splitter Holz. Wer zum Schuster gehen will, muss Nägel mitnehmen, sonst kann ihm der beste nicht hel- fen, es sind aber nirgends Nägel zu finden. Wer den Schneider oder die Näherin nötig hat für einen Riss In der Hose, der muss ein Stück Zwirn bei sich haben, sonst bleibt das Loch auf. Wer zum Barbier will, muss ein Stück Seife in der Tasche haben. Rauchen sieht man niemanden, keine Zigarren, keine Zigaretten und kein Tabak. Wenn du jemanden eine Zi- garette gibst, fragt er, ob er sie ein- stecken darf. Um sie zu rauchen, muss er sich verstecken, wenn er sie behalten will; oder er benutzt sie, um etwas anderes einzutauschen. Streich- hölzer gibt es keine. Man lief uns nach und bot 8 Mark für eine Dose." Zu den vielen Nachrichten über Unterernährung und wachsende Sterblichkeitsziffern kommen nun die ersten Meldungen von Lebensmittel- Unruhen- Die Hungernden haben sich in Hamburg aus Bäckereien, Lebens- mittelgeschäften, Wagen Brot und an- deres geholt,, um ihren Hunger zu stillen. Vorwiegend scheinen Frauen beteiligt gewesen zu sein. Und das legt den Schluss nahe, dass sie den Hunger ihrer Kinder weniger ertra- gen können als den eigenen. Ein englischer Arzt hat festgestellt, dass die Lage in Hamburg schlimmer ist als in den schlimmsten Zeiten Hollands, d. h. nach der Besetzung, wo die Leute ohnmächtig auf der Strasse zusammenbrachen. Alte Leute suchen in den Abfallkästen nach Nah- rung. Kinder betteln auf den Strassen. In einer Fabrik wurden 33 Arbeiter während der Arbeit ohnmächtig. Man möge nicht glauben, dass Ham- burg ein Ausnahmefall ist! Aus Brie- fen wissen wir, dass die Ernährung in Hamburg im Vergleich zu den Städten des rheinisch-westfälischem Industriegebiets noch günstig war. Unsere Hilfsaktion Die Hungerjcatastropne in Deutsch- lana ist in erster Linie die >oige aer vcitileeneriscnen roliuK ues ixaziie- gunes uiiu aes widersinnigen vviaer- staiiaes, uer ueutscmanu uer Zerstö- rung auslieferte. ane Massnahmen, uie jetzt liocn von «en alliierten se- noi'aen zur i_uiiüei ung der iNOt getroi- leii weraen jconnen, müssen umsumenr ungenugena »ein, ais aer von aer Hit- ici -j-/iXv«tur enciesoeite VveiUtrieg 111 w citesteu ueoieien Europa* unu aer weit zu Not una Hunger gefunrt hat-, uie nuismassnanmen erioraern. Angesichts dieser Situation unter- sticiuiieii wir immer wie aer unsrer *i- ier v erpxhwitung, wenigstens ueneii zu heuen, aie wahrena aer 12 janre xiiuei'aiituuui' yv laerstana. geleistet iiaoeii eegen aas Lnneu, und uie ties- iutio Viimenscnilcties leiaen mussten, die konnten aie j&.atastropnc nicht uowenien; aoer sie sina heute in er- ster Linie berufen, am Neuoau lün- lend mitzuarbeiten. In diesen Tagen senden"wir 6000 kg. Scnweinescnmaiz via New York an »teilen aer Aroeiterwunlianrt in vv est- ueutscniaaa ao- Das ist wenig, aber es bedeutet doen lür ein paar tausend Mamillen eine nicnt unwesentliche Hilfe. Wir müssen unsere Anstrengungen verzehnfachen, um in den kommenden liungermonaten menr Hille leisten *u können. Wir bitten deshalb um schleunigste Unterstützung unserer Aroeit aurch beitritt zum Hilfswerk, uurch wenestgenenae Klnzeispenaen und durch Sammlungen. Das Deutschland-üilfswerk gibt Sammelbüchsen an Private ab. Keine Gelegenheit, wie Familienteste usw. sollte vorüber gehen, ohne an die Hungernden in Deutschland zu den- ken. Alle Einzahlungen bitte auf das Konto "Dr. Augusto Siemsen", Banco .uuiandes Unido, Buenos Aires. Deuteehland-Hilfswerk, Austria W64, U. T. 72 - Parque - 6058, Buenos Aires Redaktion und Arbeitsauseehuss des Anderen Deutschland unterstüt- zen nachdrücklichst den Aufruf des Deutschland-Hilfswerks. Sie erwarten von allen Freunden und Lesern des DAD, dass sie ungesäumt dem Deutschland-Hilfswerk beitreten, so- weit sie das bisher versäumt haben. Zahlungen können auch auf dem Büro des A. D. erfolgen. ERKLAERUNG DER REDAKTION Nr. 114 des Andern Deutschland vom 15. März mithält durch ein Zu- sammentreffen unglücklicher Umstände eine Reihe bedauerlicher Irr- tümer: 1. Der Artikel von E. Feige, Dürfen deutsche Juden nach Deutsch- land zurückkehren?, erscheint in der Inhaltsangabe, aber nicht im Text. Er steht in dieser Nummer. 2. Zwei Briefe. Unter dieser Rubrik folgte nur ein Brief; der andere wird jetzt nachgetragen. 3. Ein ewiges Schandmal Hitr ist durch den Setzer völlige Verwirrung angerichtet worden, da mitten im Satz eine ganz falsche Fortsetzung kommt. Wir bringen deshalb die Fortsetzung von Nr. 113 von neuem. Wir bitten UMQL* vm tnUehyÜUeung, DAS ANDERE DEUTSCHLAND la OTRA ALEMANIA (fundado el 7 de junio de 1937) Registre nacional de la Propiedad Intelectual No. 178.948. Autorizado por Resoluciön no. 214 del Ministro dil Interior (11 abril 1945) Confirmado por Decreto No. 20.916 (6 eept. 45) del Superior Gobierno de la Naeiön. Edltor y Director: Dr. Augusto Siemsen. Tesorero: Juan Carl. Avisos: Guillermo Fleischer Redacciön y Administration: Tucumän 309. Buenos Aihes (U. T. 31 7264) Einzelnummer: 30 Cts. Jahresabonnement: 6.— Pesos ergentinos (im voraus zahlbar) Geldbeträge erbitten wir aus- schliesslich p«r Giro oder Bono Postal oder Scheck auf Sr. Juan Carl. Tucumin 309, Bs. Aires. DAS ANDERE DEUTSCHLAND ist kein auf Profit ausgehendes Geschäftsunternehmen. Es lebt nur dank der Unterstützung sei- ner Freunde. Spendet für den Pressefonds! Erscheint am jeden Monats. 1. und 15. eines Frankreich-Hilfe Wir haben eine Reihe weiterer Dankbriefe erhalten, aus denen her- vorgeht, wie wertvoll die erhaltenen Pakete für die Ernährung unserer Freunde in Frankreich sind. dad-montevideo Im Hause der sozialistischen Par- tei referierte Dr. Händel als Gast über die Tätigkeit der Nazis im Schul- wesen Uruguays und über die Rolle der Hindenburg-Schule. Im Anschluss an den Vortrag fand eine rege Aus- sprache statt, an dem das zahlreich erschienene Publikum sich rege be- teiligte. Vorgesehen sind ein weiterer Diskussionsabend über die Hincen- burg-Schule und ein Vortrag von Dr. Gurt Fabian über Nazis in Brasilien. DAD-ASUNCION Nachdem DAD offiziell anerkannt worden ist als Organisation der deut- schen Antifaschisten bitten wir alle deutschen Hitlergegner in Verbindung zu treten mit Enrique Block oder Dr. Carlos Henning. Alle Anfragen be- treffend Abonnements, Rückwände- rung oder Auskünfte anderer Art sind zu richten an Sr. Enrique Block, General Diaz 276, Asunciön. BOLIVIEN Dr. Erhart Löhnberg, der zu den regelmässigen Mitarbeitern dieser Zeltschrift gehört und der die Funk- tion eines Sekretärs der Landesgrup- pe Bolivien des DAD bekleidet, sprach in La Paz über Karl Marx. Der örtli- chen Presse entnehmen wir, dass die Veranstaltung, die im Rahmen der "Jüdischen Kulturgemeinschaft" statt- fand, sehr gut besucht war, und da« das Publikum den Ausführungen des Referenten reichen Beifall zollte. DAS AND K R f DEUTSCH' UND* 3 IRAN UNO UND WAS DANN? "E ine Welt oder keine" lautet der Titel des am 1 ö. März in New York erschienenen Büch- leins, in dem an der Schaffung der Atombombe massgebend be- teiligte Wissenschaftler den Un- tergang unserer Welt voraussa- gen, falls es nicht gelingt, sie zu einigen. Kurz vorher hatte Chur- chill seine Brandrede gegen die Sowjetunion gehalten, und kurz nachher beschloss die Militär- kommission des Senats, das Ri- krutierungsgesetz wegen der ge- fährlichen internatioiA len 'Lage um ein Jahr zu verlängern. Vor der Kommission erklärte Spaatz dass 190.000 Mann der Luft- streitkräfte im Ausland statio- niert bleiben müssten, und Ei- eenhower, dass die ausserameri" kanischen Stützpunkte von gröss- ter Wichtigkeit seien. Die Gefährlichkeit der inter- natonalen Lage, um derentwillen USA seine Rüstung beibehält und ergänzt, beruht auf dem an- gelsächsisch'sowjetrussischen Ge- gensatz, der gerade im Iran eine äusserste Zuspitzung erfahren hat. Bisher haben die Vereinigten Staaten England in seinen Kon- flikten mit der Sowjetunion nur halb zögernd unterstützt, und die Aufforderung Churchills, mit England ein Bündnis gegen die Sowjetunion zu schliessen, hat in USA wenig Beifall gefunden. Der . angesehene Leitartikler Walter Lippmann hat kürzlich klar und nüchtern Wen Stand- punkt des kapitalistisch-imperia- listischen Amerka dargelegt- Die Fteundschaft zwischen USA und England sei eine selbstverständ- liche Tatsache? aber wenn USA auch durchaus am Weiterbestehen des britischen Reichs interessiert sei, so sei es deshalb doch kei- neswegs bereit, zur Verteidigung durch die Entwicklung überhol- ter kolonialer Positionen des bri- tischen Imperiums. Anders aus- gedrückt: Der amerikanische Monopolkapitalismus möchte die englische Herrschaft in Asien an- treten. Dort braucht man deshalb nach Spaatz und Eisenhower gro- sse Luftstreitkräfte und Stütz- punkte. Dort braucht man aber auch Petroleum, für das man gerade ein« Leitung von Saudi-Arabien Von August Siemsen nach Haifa gebaut hat. Und man kann nicht zulassen, dass sich die Sowjetunion der Vorherr- schaft des Nahen Ostens mit sei- nen grossen Petroleumvorkom- men bemächtigt und durch eine eventuelle Ausdehnung seines Machtbereichs bis zum Persischen Meerbusen 'die weitgesteckten Asienpläne Amerikas aufs schwerste bedroht. So steht USA im Irankonflikt fest an der Seite Englands, das dort mit seiner Vorherrschaft in Vorderasien zugleich seine Mit- telmeerstellung und damit sein Imperium verteidigt. Nun kann man selbst dann, wenn Russland ein kapitalisti- scher Staat wäre, ihm nicht mit einleuchtenden Argumenten das Recht streitig machen, ebensogut wie England und USA Petro- leumvorkommen im Iran auszu- beuten. Im Gegenteil: Russland ist als nächster Nachbar urvd we- gen seiner grösseren Leistungen und Opfer im Krieg eher dazu berechtigt- Ebenso wenig lässt sich einwenden gegen das Be- streben Russlands, endlich in den Besitz der Zugangsstrassen zum Mittelmeer zu gelangen- Im Ge- genteil: Die Dardanellen sind für Russland von näherer und grö- sserer Bedeutung als Gibraltar, der Suezkanal und Aden für Englamd oder als der Panama- kanal für USA. Soweit es sich also um einen reinen Machtkampf von Welt- mächten handelt, steht das Recht des bisher Benachteiligten gegen" über den Bevorzugten, das Recht dessen, der im gemeinsamen Krieg am meisten geleistet Lind geopfert hat, auf russischer Seit- te. Aber nach Recht in politi- schen Machtkämpfen mag wer will fragen; nur tun das nicht — ausser mit Worten — die Betei- ligten. Weit wichtiger ist die Frage: Auf wen stützen sich England und die Vereinigten Staaten in Iran und in Vorderasien über- haupt, auf wen die Sowjetunion? APARECE DE NUEVO: REINHOLD WULLE por Maximilian Scheer NUEVA YORK (ONA) — Un pangermanista y antisemita, que hace velnte afios fu6 uno de los principales instigadores del vil asesinato de Walter Ra- thenau, ex Ministro de Relaciones Exteriores de la Repüblica de Weimar, ha sido autorizado por las utoridades britänicas de ocupacion en Hamburgo pa- ra encabezar el nuevo Partido Cristiano de la Reconstrucciön. Esta informa- ci&n fue suministrada por una fuente de insospechable veracidad, que ha es- tudiado a fondo la situaciön imperante en Europa. Reinhold Wulle, el ultimo de- los que han aparecido en el "escenario democrätico" de la Alemania de postguerra, estaba hace algunos anos en abierta pugna con Adolfo Hitler, su principai rival, y que ambos se consideraban como los Führers del Gran Reich. No obstante Wulle, que cuenta en la actualidad 64 anos de edad, publicö bajo el regimen nazi dos libros laudatorios de la ''revoluciön nacional de los nazia y del denominado "milenio" del Reich Alemän conquistador. A principios de la primera guerra mundial Wulle expresö casi los mismos principlos al esta- llar las hostilidades que Hitler en "Mein" Kampf". Escribiö: "La guerra ha sido recibida por la mayor parte del pueblo como su salvaciön puesto que es- pera que la espada triunfe donde fracaso la palma (de los diplomaticos aie» manes)" DXirante todo el periodo de 1914 a 1918 Wulle fue director en ,3^1 del "Rheinisch-Westfälische Zeitung" örgano periodistico de los industnaies del Ruhr,algunos de los cuales fueron arrestados recientemente por las auto- ridades britänicas. AI cabo de la derrota alemana en 1918. Wulle fu6 designaüo director- del principai örgano berlines, de los Junkers, el "Deutsche ^^run^. . En uno de susilibros, publicado durante el regimen nazi, declaro que *a - voluciön nacional era la rebeliön del pueblo sojuzgado contra la direccian de los judios y los marxistas". En el mismo libro describia a Rathenau, que fue asesinado en Berlin en 1922, como un "instrumento de los masones liberales y como la "encarnaciön de todo lo satänico". El jefe del Partido Soclalista Cristiano de la Reconstrucciön, ha prometido a sus afiliados luchar en la zonft brit&nica de ocupaciön por la restauraciön de la monarquia alemana. ^ Los datos precitados son conocidos por las autoridades de ocupaciön britamca quieneS hace tiempo estän preparando un estudio acerca de todas las n-, pollticas que han surgido en los Ultimos tiemnos con visos democratlcos. i- mayor parte de los hombres afiliados al Partido de Wulle son ex mle™D. del Partido Nazi o cuando menos, nazis vergonzantes que participaron ae movimientos para lograr la restauraciön de la corona y han ProP|^a^?.J® implantaciön • de leyes reaccionarias v antisemitas. Cabe ^ue agrupaciön gu&rda estrecha vinculaciön con los partidos similares orga Eos en los tiltimos tiempos en las distintas zonas de ocupacion. DAS ANDERE DEUTSCHI AND Nun, es sind englische Kenner des nahen Orients, unter ihnen der Labour-Abgeordnete Price, •wel- che die Arbeiterregierung nach- drücklich davor warnen, mit den alten englischen diplomatischen Vertretern den traditionellen Kurs der Unterstützung kleiner und korupter Ausbeuterschich- ten gegen die notleidenden und bedrückten breiten Massen wei- ter "Zu steuern- In Vorderasien ge - be es eine schnell anwachsende nationale und soziale Freiheitsbe- wegung, der 'die Zukunft gehöre. Eine solche Bewegung ist die Tu- deh-Partei in Iran und nicht et- wa eine von der -Sowjetunion künstlich aufgezogene Fünfte Ko- lonne. Die Frage "Wer mit wem?" ist die entscheidende. Wie Eng- land und USA in Spänien das Franco-Regime unterstützen, so kooperieren sie in Vorderasien mit den korrupten feudalen Re- gierungskliquen, die aus Klassen- egoismus jeden wirklichen Fort- schritt hindern, während die Sowjetunion entsprechend ihrer ökonomischen Struktur und ih- ren ökonomisch-politischen Zie- len sich auf die unterdrückten Massen stützen muss. Welches ist da die "Fünfte Kolonne", d. h. der Feinid des eigenen Landes und des eigenen Volkes? So viel zum GriSidsätzlichen- Die Methoden in diesem Kampf sind die üblichen. Angesichts der Intriguen und Manöver, der sich dauernd widersprechenden Zweckmeldungen und der Lü- gerei ist es unmöglich, sich ein klares Bild von den Vorgängen im Einzelnen zu machen. Da mel- det z. B. heute Radio Lordon, der persische Kriegsminister habe die — vollendet blödsinnige — Erklärung abgegeben, Teheran werde nicht nur von den Solda" ten, sondern auch von den Jun- gen und Mfilchen auf der Stra- sse verteidigt werden; urnd am nächsten Tag erklärt der persi- sche Kriegsminister, er habe nicht den geringsten Anlass zu solcher Aeusserung gehabt, da Teheran gar nicht bedroht sei. Und nachdem, ob gerade der russi- sche oder der angelsächsische Einfluss und Druck in Teheran stärker ist, wechseln die Binder auf der politischen Szene. Eben hat Iran sich erneut mit seiner Beschwerde an den Sicherheits- rat der ONU gewendet, eben hat die Sowjetunion Vergeblich Auf- schub verlangt, um zunächst Raum für weitere direkte Ver- handlungen zu gewinnen. eben hat der persische Gesandte in Washington ge^en den Aufschub protestiert und USA ihn abge- lehnt, — da erklärt der persi- sche Ministerpräsident Quavam ' der Gesandte sei zu seinem Pro' test nicht ermächtigt gewesen, die Sache habe Zeit, er glaube, sich direkt mit Russland verstän- digen zu können. Und nun ist auch das wieder nicht wahr. Wie die Situation sein wird, wenn dieser Artikel erscheint, ist ungewiss. Gelöst, wirklich gelöst wird der Konflikt durch die UNO nicht werden, da es zwischen Kapitalismus \ u Kommunis- mus im Kampr um die Welt auf die Dauer keine Verständigung »eben kann, trotz aller schönen Worte und trotz aller immer schnell wieder verfliegenden Illu- sionen. Die Unlöslichkeit dieses Kon* flikts braucht jedoch nicht den neuen Weltkrieg zu bedeuten, von dem die Wissenschaftler den Un- tergang erwarten. Wird er ver-. mieden — und seine Verhinde- rung bleibt die vordringlichste Aufgabe —, so muss sich die Ueberlegenheit der alten oder der neuen Wirtschaftsform in friedlichem Wettkampf zeigen. Nicht die Atombombe, sondern die Verwendung der Atomener- gie zum Besten der Menschheit wird dann das letzte Wort spre- chen. Ägypten zwischen gestern und morgen ' Die Zuspitzung der Konflikte zwischen den Völkern, die ganz oder teilweise als Kolonien der Herrschaft anderer Staaten un- terworfen sind, und den die Herr- schaft ausübenden Mächten er- hellt für die breite Weltöffent- lichkeit durch die Ereignisse in Indien, China, lndochina, Palä- stina und Persien, auf die in die- ser Zeitschrift regelmässig und erläuternd hingewiesen wurde». Das Bewusstwerden dieser Span- nungen und Auseinandersetzun- gen, äusserlich erleichtert durch die immer breitere Berichterstat- tung über imperialistische Fragen in der Tagespresse, wird geför_ dert, und verstärkt durch das mehr oder weniger grosse Inter- esse, das die breiten Massen heu- te am Schicksal bis vor wenigen- jähren unbeachteter Gebiete und Völker zu nehmen beginnen- Nicht nur dass die Juden auf der ganzen Lide mit leidenschaftli- Von Hermann Serner eher Anteilnahme den Vorgängen von Palästina, einem winzigen Sektor der imperialistischen Front, folgen, nein auch in den breiten europäischen und ameri- kanischen Massen beginnt sich die Auffassung Bahn zu brechen, dass man nicht baha^Üch zusehen kann, wenn, wie Goethe sagt, "fern in der Türkei die Völker aufeinander schlagen' . Die Kämpfe um Rohstoffge- biete und Einflusszonen, um Oel und Gummi, um Afrika und Vor- derasien, werden zu einer so ern- sten Frage des Weltfriedens, der Kampf gegen die kolonialen Mächte, für Selbständigkeit der farbigen Rassen, wird zu einem so betonten Problem der Verwirk- lichung der Demokratie, dass die Ansicht mancher ehrlicher Anti" faschistei. und Demokraten, die Beschäftigung mit den imperia- listischen Problemen lenke sie von den unmittelbaren Aufgaben ihrer Heimatpolitik ab, als irrig und in gewissem Grade als schäd- lich bezeichnet werden muss. Die Kenntnis der Weltproble- me erleichtert vielmehr den Kampf der Arbeiterschaft, hilft, über die Froschperspektive na- tional beschränkter Auffassun- gen hinwegzukommen, verbindet den Kampf um die nationale mit dem um die soziale Befreiung und demokratische Neugestaltung der Welt. Wenig bekannt ist uns deut- schen Antifaschisten in diesem Zusammenhang Aegypten, .. ob- gleich gerade der Sieg der bis- marckischen Waffen bei Sedan Grossbritannien die Herrschaft über Aegypten endgültig in die Hände gespielt hat. Die Vorstel- lungen, die sich dank Schule, Li- teratur und Film bei den breiten Massen mit Aegypten verbinden, dürften, stark romantisch gefärbt, auf jenen Schilderungen basieren, OS ANDERE OEUTSCHlAND 5 die sich mit dem Land am Nil als dem der Pharaonen und Mu- mien, der Hieroglyphen u^d Py- ramiden, der Sphinx und der englischen. Archäologen, der paL menumrandeten Oasen und lan gen Kamelkaravanen beschäfti- gen. Aber die Tatsache, dass da? Rommeische Afrikakorps gerade Aegypten zum Ziele hatte, die Ernennung des fähigen britischen Feldherrn Montgomery zum Ver- teidiger der ägyptischen Front, die siegreichen Anstrengungen der berühmten achten Armee, die Entscheidungsschlacht bei Tobruk, liessen die Welt aufhor- chen, Was durch die abessi- nischen Abenteuer Mussolinis und die Rolle des Suezka- nals bei den Volkerbimdcsankb'o- nen gegen den italienischen Fa- schismus begonnen wurde, wird vollendet durch die blutigen Zu* sammenstösse zwischen Briten und Aegyptern in Kairo und durch das diplomatische Nach spiel dieser Vorgänge. Aegypten wird Mittelpunkt imperialistischer Kämpfe, rückt auf zum Gegen- stand politischen Weltinteresses, tritt neben China und Indien, ne- ben Palästina und dem Iran auf ^den Schauplatz historischer Er- eignisse der Nachkriegszeit. Warum berichtet die Presse so ausführlich über die Zusammen- stösse zwischen ägyptischen De- monstranten und britischen Mili- tärs, warum war die Ermordung Lord Moynes, des britischen Re- sidenten im Vorderen Orient ei- ne Schlagzei'» i*"> den Zeitungen, was wollen die Studenten Aegyp- tens, was ist die Rolle Grossbri- tanniens in diesem uralten Kö- nigreich, das zurückdatiert bis zu 'den grauen Zeiten der Pharao- nenherrschaft) Seit den lagen jener Herr- schaft hat Aegypten, eingebettet im Tal des Nils, dem es sein Ge~ deihn verdankt, eingeklemmt zwischen Wüste und Meer, zwi- schen Afrika und Asien, eine wechselreiche und oft blutige Geschichte durchgemacht. Aus alexandrinischen Zeiten wechselt es hinüber in die Herrschaft des römischen Imperiums; von grie_ chischer und lateinischer Kultur durchdrungen, fällt das Land für elf Jahrhunderte unter die Herr- schaft der Türken, unter den dynamischen und totalen Einfluss des islanis. Abgesperrt von der christlichen Welt, dämmert Ae- gypten am Rande der Weltge- schichte dahin, bis die Geschütze der napoieonischen Expedition, die Schlacht der Franzosen an den Pyramiden das Land wieder hineinzwingen in den Mittelpunkt des abendländischen Interesses. Denn die hranzosen haben ehrgeizige Pläne! sie wollen in Wettbewerb mit England treten. Sie wollen Grossbritannien die Weltherrschaft streitig machen. Auf Grund napoleonischer Pro- jekte soll die LarHenge bei Suez durchstochen werden, um Frank- reich den verkürzten Seeweg nach Indien zu eröffnen. Ein Franzose, Ferdinand von Les- seps, verwirklicht auch den Plan, trotz anfänglich schärfsten Wi- derstand 5 Grossbritanniens , und der ihm hörigen Türkei, des da- maligen Oberherrn Aegyptens- Aber die finanziellen Schwierig- ksi'en. die de" Bau des Kanal-, und die Verschwendungssucht des Khediven das Land stürzen, und die politisch und militärische Schwächung Frankreichs auf dem Kontinent nach dem Deutsch- Französischen Krieg spielen die Aktienmehrheit der Suezkanalge- sellschaft in die Hände der bri- tischen Regierung. Rasch packt England zu. Aus der finanziellen Kontrol- le, die r«un über Aegypten ver- hängt wird, entsteht bald die politische Aufsicht der Abhän- gigkeit, aus der Partnerschaft Französisch-Britischen Kondomi- niums wird britische Alleinherr- schaft, als der nationalistische Aufstand Saudi Arabiens 1882 von britischen Truppen allein niedergeschlagen wird Der * Kampf um Aegypten ist entschie- den. England tritt die Herr- schaft der Pharaonen, Alexan- ders des Grossen, des Sultans an. Nicht um ein neues Land zu er- werben, ganz bestimmt nicht aus dieser Ländergier heraus hat Disraeli sich von Rothschild das Geld zum Erwerb der Kanalak- tien geborgt, um mittels der Ak- tien Aegypten zu beherrschen. Nein, ganz im Gegenteil: Als der Kanal unumstössliche Tatsache wurde, ergriff England die Gele- genheit, um seine Position am Roten Meer zu verteidigen- Zum Schütz des Kanals /ird Aegyp- ten unterworfen. Dabei bleibt Aegypten nominell als ein beson- deres Königreich bestehen. Das Land ist nur besetzt und beauf- sichtigt, es ist jedoch nicht zur Kolonie Grossbritanniens gewor- den. Und als 19*4 der erste Weltkrieg nusbricht, erklärt Ae- gypten, Protektorat Englands, den Mittelmächten den Krieg. Aber die gewaltige, antiirape" rialistische Welle nach dem er- sten Weltkrieg geht auci- an Ae- gypten nicht spurlos vorbei. Saa'd Zaglou, der Begründer der ä'vvrvj r-Han Nalionalpartei, des Wafd, führt den Kampf um Aegyptens Freiheit in Versailles. 1922 ist der Sieg zum I eil er- fochten. Der Wafd kann dem ägyptisches ^olk die S juveränr tät des Landes präsentieren, al- lerdings eine von vier wichtigen Vorbehalten der Briten einge- schränkte Souveränität: Gross- britannien behält das Recht, den Suez'.-^nat zu schützen- die frem- den Residenten erhalten beson- dere Privilegien zu ihrer Sicher- heit; England kann im Kriegsfall ä^y-ti-^hes Gebiet besetzen und dort 1 ruppen unterhalten; vor allem aber verbleibt der Sudan, Schlachtfeld von Gordon und Lord Kitchener gegen die Derwi- sche, Oberlauf des Nils und da- mit der Schlagadei Aegyptens und Ausfalltor nach Ostafrika, Eritrea und Abessinien, bei Eng- lan'd. Somit muss Aegypten vertei- digt werden als Schlüsselpunkt eines ganzen- Systems" von Unter- gliederungen und Nebenstrassen der englischen "Lebenslinie"« 7v*n "-> —f zur 1 0 :»z, Aden, Bombay, China, Japan, Australien kommt die Cap*Kai- ro-Bahn, die das afrikanische Do- minuim Englands diagonal durch, quert und verbindet; alle Stra- ssen en'dlich, die von Afrika nach dem vorderen Orient, nach Palästina, nach der lurkei und der arabischen Halbinsel führen, können und müssen von Aegyp- ten aus beherrscht werden. Dazu ist das Land am Nil un- ter dem Zustrom ausländischen Kapitals und ausländischer Ar- beitskräfte im Lauf der Jahr- zehnte zu einem ausserordentlich wichtigen Faktor im Wirtschafts- haushalt des Empires herange- ' rarh~en. Heui» wie in biblischen Zeiten gesegnet mit der alljähr- lichen Ueberschwemmung des Nils und seines fruchtbaren Schlamms, produziert das Land jedes Jahr 13 Milionen Tonnen Baumwolle, deren Verkauf und OVi DAS ANDIKI DlUTSCNl AND7 Verarbeitung In den Händen rie- siger britischer Monopolkonzer- ne liegen, deren Qualität und Qualität die Produktenbörse der Welt bestimmt, un^d an der jähr- lich ungeheure Vermögen ver- dient werden. Aegypten erzeugt ferner eine Unzahl der meist be- gehrtesten Ackerbau - Produkte, wie Getreide, Mais, Reis, Zuk- ker, Gemüse, Datteln. Feigen, Apfelsinen. Als Hauptzentrum des Frem- denverkehrs, als Schnittpunkt der wichtigsten Verkehrsstrassen in Orient und Afrika, als Heer- lager der Briten und ihrer Alliier- ten im letzten Krieg ist Kairo zum Tummelplatz gewaltiger Währungsspekulationen und Fi" nanzgeschfte geworden, und vor allem gibt es hier die Millionen der Kanrdgsbühren, die das na- poleonische Projekt in britischen Händen unter internationaler Fir- ma einbringt. > Aegypten importiert auch Ma- schinen und Industrieartikel aller Art, und die Investitionen in Öf- fentlichen Werken, Eisenbahnen und im anal werden nur von den Riesenv-^rmögen der einge- borenen Grossgrundbesitzer ein- geholt. Darüber hinaus ist Aegyp- ten, wie schon angedeutet, ein wichtiges Relais in der britischen Weltverteidigungsstafette. Mit Cypern, Malta und Gibraltar deckt Alexandria das Mittel- meer, Su»z das Rote Meer. Ae- gypten schützt die Flanke der Gelleitung von Mossul nach Hai- fa- Kairo ist heute auch eines der wichtigsten Zentren der panara- bisch-prmislami tischen Bewegung, die noch nach den Wünschen der City tanzt, morgen allerdings schon eigene, blutige Forderun- gen präsentieren wird. Die runk" tion Aegyptens als strategisch- militärischer Stützpunkt einer- seits. als wirtschaftliches F.x~>loi- tationsfeld andererseits, wird er- leichtert durch bestimmte sozio- logische Faktoren, die der briti- sche Imperialismus keinesfalls im Interesse einer demokratischen Erneuerung des Landes zu besei- tigen beabsichtigt. Schon er- wähnt wurde das ausgedehnte Latifundiensystem, nach dem Grund und Boden einer kleinen Schicht von schwerreichen Feu- dalherrn gehört, die das Land- proletariat, das den Boden be- stellt und die goldenen Ernten erzeugt, nicht nur in ökdnöinr •eher Versklavung, in grösstem Elend und tiefstem Ünwissen hält, sondern auf Grund ihier ökonomischen Position eine poli- tische Herrschaft ausübt, bei der mit allen Mitteln der Korruption und des Zwanges die hörigen Untertanen zur Wahl der oligar- chischen Kandidaten getrieben werden. Diese Feudalherrn sehen die Gefahr, die eine nationale Befreiung mit sich bringt, indem sie in eine soziale Revolution um- schlagen oder zumi liest zu tief- gehenden politischen und öko" nomischen Reformen führen könnte. Neben dieser bewusst frem- denfreundlichen Tendenz des Agrarfeudalismus hilft die gera- dezu babylonische Sprach", Ras- sen», Volks, und Religionsverwir- rung in Kairo und andern gro" ssen Städten Aegyptens, die Ein- heitsfront aller Aegypter gegen Kapitalismus und Imperialismus zu verhindern. Auch hier erfüllt die Religoin ihre Funktion als Opium des Volks, besonders da sie mit dem fanatischen Nationa- lismus arabischer Wüstenvölker verbunden ist. Aber diesen, fremde Ausbeu- tung und Beherrschung des Vol- kes begünstigenden Tatsachen steht die ungeheure Not der brei- ten Massen der Fellachen und St-Rciti-> oletarinr gegenüber, die bar aller Errungenschaften der Hygiene, in menschenunwürdi- gen Behausungen bei Hungerlöh- nen von drei Piastern pro Tag (ungefähr 30 cents) dahinvege- tieren. Die Kraft dieses jeder Epide- mie, jeder Handelskrise, Miss- ernte und Teuerung aufs schärf- ste und mitleidsloseste ausgesetz- ten Proletariats, mit einem Wort, der latent vorhandene revolutio- näre Drang der Massen, kann sich heute noch von der Wafd auf den panarabischen und pan- islamitischen Draht ableiten las- sen, wird aber auf die Dauer zur Sprengung des mittelalterlichen Feudalsystems und zur sozialen Revolution führen, die untrenn- bar verbunden ist mit der Be- freiung des Landes vom auslän- dischen Joch. Dabei muss man sich immer wieder klar machen, dass der Abzug der britischen Truppen, die Aufhebung der fremden "Ka- pitulationen" — Sonderrechte der Ausländer bezuglich der Ju- stiz — ' und selbst der Rückfall der Kanal&ktifn ts die L4*i*s* regierung nur Schritte zur Ueber-» windüng des Imperialismus nicht aber die Ueberwindung des Im" perialismus selbst bedeuten- So- lange die Diplomatie der impe_ rialistschen Macht eine Stütze in der ökonomischen Penetration des beherrschten Landes hat, so- lange der eingeborene Feudalis- mus in den ausländischen Kapi- talisten den natürlichen Bundes- genossen gegen die andrängende Sturmflut der . nzufriederen Fei* •achen erblick*, solang* die na- tionalistische B^x-egung der Ara- ber ihre Propaganda nicht auf demokratische und sozialistische Zielsetzung ausdehnt, solange der fremde und einheimische Monopolkapitalismus in der Wafd den Agenten einer antisozialisti- schen und antikommunistischen Bewegung in der Hand hat, so- lange ist die Befreiung Aegyp- tens nicht vollendet. Die Aufrufe zur Einigkeit zwischen Juden und Arabern, die stürmischen Unru- hen in Kairo und Alexandria, die Haltung der Studenten urtd Ar- beiter müssten der Labourregie- rung in London zeigen, dass die Stunde des Imperialismus in Ae" gypten geschlagen hat. Würden die Labourminister ernst machen mit ihren sozialistischen, letzten Endes antiimperialistischen Theo- rien, müssten sie dem ägypti- schen Volke nicht nur bei seiner nationalen Befreiung, sondern auch bei der Liquidation seines Kapitalismus und Feudalismus helfen. Es scheint ausgeschlossen, dass die Labourregierung die Rolle des revolutionären Agenten im britishen Empire übernimmt. Das ägyptische Volk wird sich allein, unterstützt von der Wö- ge nationalistischer Strömungen und morgen vielleicht durch schwero Krisen und Konflikte, in der kapitalistischen Welt seinen Weg zu Freiheit und Sozialismus erkämpfen müssen. Im Verein mit den erwachenden Massen des vorderen Orients, mit den fort- schrittlichen Kadern der jüdi- schen Kolonisation in Palästina, unterstützt von den fortschrittli- chen Kräften der Welt, wird Ae- gypten werden, ~u was es Na- tur und Geschichte estimmen: ein fruchtbarer Acker und Gar- ten der Welt, ein Museum tau- sendjähriger Menschheitskultur, eine Brücke zwischen West und ©st, zwischen Afrik§ uä4 Alis»« DAS ANOIII OIUTICHIAND MORGENSONN E IN BALI Bali — vor Jahrzehnten romanti- scher Wunsch träum friedvoller Süd- see-Schönheit ist — wenn man "Ne- derland" glauben darf — noch heute ein Idyll ausserhalb des friedlosen Chaos unserer Welt. Wir lesen in "Ne- derländ" vom 13. Mrz 1946: DIE BEFREIUNG BALIS Nach 4 Jahren japanischer Beset- zung sind die ostindischen holländi- schen Truppen auf diese Insel zurück- gekehrt, die wohl die schönste der Tropen ist. Unter der Morgensonne landeten die ersten Abteilungen am palmenbedeckten Strand von Sanur unter Anwesenheit vieler Balinesen, die die Ankunft ihrer Befreier feier- ten. Unter tiefen Verbeugungen nä- herten sich die japanischen Offiziere den holländischen. Die ganze Lan- dung hatte etwas Unwirkliches, als ob sie nicht Wahrheit wäre, sondern ei- ne Episode aus einem Hollywood - Film. Der Konvoy, der die Truppen lan- dete. bestand aus 8 Schiffen, ge- schützt durch den Zerstörer Körte- naer. Seine graue Silhouette mit den Kanonen, die zum Feuern bereit wa- ren, falls es einen Widerstand der Japäner oder Terroristen gäbe, stör- te etwas diese s»nfte und friedliche Szene. Die ersten, die den Boden von Bali betraten, waren zwei holländi- sche Infanterie-Bataillone, während die Thunderbolt-Flugzeuge über dem Strand flogen. Bald darauf zogen die Streitkräfte unter dem Beifall der Einwohner Hl Denpasar, der Haupt- stadt des südlichen Bali, ein. Trotz der Anstrengungen der Japaner, dass Bali sich der "Indonesischen Repu- blik" anschliessen möchte, sah man sehr wenig revolutionäre Fahnen und Plakate. Ueberall wehte die hol- ländische Fahne, während die Einge- borenen die Soldaten begrüssten und ihnen Bananen und Kokosnüsse schenkten. Abends wurden die holländische und britische Fahne auf dem Rathaus von Denpasar gehisst, in Anwesen- heit des Kommandanten der hollän- dischen Truppen, Oberstleutnant Ter- meulen und des englischen Brigade- generals Bourne. Später nahm HIROSHIMA UND DER NAECHSTE KRIEG Die nordamerikanische Kom- mission, die die Wirkungen der Atombombe in Hiroshima und Nagasaki feststellen sollte, be- richtet: In 600 m Höhe verwan- delte sich die Bombe in einen hellblauen Ball reiner Energie, dessen Temperatur Millionen oder hunderte von Millionen Grad betragen haben muss, und der .heller leuchtete als tausend. Sonnen. Dieser Ball sandte hin- tereinander mehrere Schläge aus. Zuerst kam eine Hitzewelle, dis sich mit der Geschwindigkeit des Lichtes fortbewegte (unge- fähr 250.000 km in der Sekunde). In einem Radius von 1 km gin- gen Kleidungsstücke und ande- re leicht brennbare Materialien sofort in Flammen auf. In etwas grösserer Entfernung zeigte sich, dass dunkle Farben die Hitze stärker aufnahmen als helle. Männer, die gestreifte Hemden trugen, bekamen die dunkleren Streifen in den Körper einge„ brannt; Frauen, die buntgeblüm- te Kleider trugen, das Blumenmu- ster. Dann kam ein Stoss, genau genommen eine Tonwelle, die sich mit der Geschwindigkeit des Töns fortbewegte, Sie zerdrückte die Lungen und andere innere Organe der Menschen. Dafc Va- kuum, dass ihr sofort nachfolgte, brächte den Magen zum Zerplat" zen und zerriss die Gewebe. . Unmittelbar nach der Stosswel- le kam eine Luftwelle, die mit über 1000 km Stundengeschwin- digkeit über den Erdboden raste und Schutt, brennende Gegen- stände und zerstörte Menschen- körper mit sich führte. Noch 1 1'2 km vom Explosionszentrum ent- fernt war der Luftdruck 24 mal so stark wie beim stärksten Wir- belsturm. Dazu kam die Wirkung der Gammastrahlen. Es gab einige Japaner, die in besonders gut gebauten Luftschutzkellern Feuer und Explosion überlebten. Sie wurden durch die Strahlen ge- tötet, welche auch den stärksten Eisenbeton durchdringen und die weissen Blutkörperchen zersetzen. Schlussfolgerung: In New York würden zwar einige der stärk- sten Wolkenkratzer einen Atom* bombenangriff überstehen, aber die Wände würden verschwin- den, nur das Stahlgerüst würde übrigbleiben. Eine einzige moder- ne Bombe würde in New York eine Million Menschen töten. Manche würden zuerst noch am Leben bleiben, um dann Stück um Stück abzusterben; denn ^es gibt in U. S. A. keine Gebäude, die vor Gamrr^astrahlen schützen. (Time, 4. 3. 41) Oberstleutnant Termeulen die Para- de einer holländischen Ehrenwache ab und schlug sein Hauptquartier im Hotel "Bali" auf, das sich trotz der Jahre der japanischen Besatzung in tadellosem Zustand befand. Im Hotel besuchten ihn die Balinesen -Fürsten, die ihm ihre Genugtuung über die Wiederherstellung der legitimen Au- torität ausdrückten und ihre Dienste anboten. Die japanischen Eindringlinge wer- den in den Schiffen abtransportiert werden, die die holländischen Trup- pen gebracht haben und die Baline- sen werden von Neuem im Frieden und ohne Aengste leben können! "Unter der Morgensonne . . dass es so etwas noch gibt, man machte Tränen der Rührung vergiessen. Aber wie kommt es, dass "Terroristen" die paradiesische Harmonie stören? Nur aus rassisch bedingter Bosheit? Und ob nicht die graue Silhouette des Zerstörers, die schussbereiten Kano- nen und die militärische Hissuroz der holländischen und britischen Fls??e in recht eindeutiger Relation stehen zu den wenigen revolutionären _vah- nen und Inschriften? ". . . als ob es nicht Wahrheit wä- re, sondern eine Episode aus einem Hollywood-Film!" Die Jugend in Deutschland hat es nicht leicht. Sie ist am gründlichsten von der faschistischen Pest verseucht worden. Ströme von Druckerschwär- ze sind über ihre "demokratische Wie- dererziehung" vergossen worden. Aber von den vielen Plänen ist bisher nichts oder fast nichts zur Ausfüh- rung gekommen. Diejenigen, die sich ihrer annehmen, berichten über berg- hohe Schwierigkeiten. Neulich wurde in einer besonderen Vorführung für Jugendliche in einem Berliner Thea- ter "Emilia Galotti" von Lessing auf- geführt. Hinterher wurden die Zu- schauer um ihre Meinung gefragt. Die Prüfungskommission war ent- täuscht. Die meisten Zuschauer er- klärten. sie hätten das Ganze nicht verstanden, oder es sage ihnen nichts. Am gleichen Tage wurden Hunderte von berliner Jugendlichen auf den schwarzen Märkten der Stadt verhaf- tet, weil sie versucht hatten, Lebens- mittel gegen Gegenstände aus dem Hausrat ihrer Eltern einzuhandeln. Unter ihnen Kinder von 11 bis 8 Jah- ren. Demokratische Wiedererziehung kann erst dann Erfolg haben, wenn die Mägen der Erziehungsobjekte not- dürftig gefüllt sind. In Deutschland arbeiten heute zwei .Tugendausschüsse, einer in Berlin unter der Leitung des 33 Jahre alten Kommunisten Erich Honecker und ein anderer unter der Führung des von den Amerikanern ernannten 44 Jahre alten Günther Birkenberg. Die ersten gruppieren sie» um die Zeitschrift "Neues Leben", die zweiten um "Horizont". I>le l'rtie der verstorbenen deut- schen Künstlerin Küthe Kollwitz wird nach der feierliehen Einäscherung in Meissen in BerliA-yriedrich>felds ihr» •adsrültir« ' s o AS ÄNDERT 6EUTSCHIAND BERICHTE AUS Am Splttelmarkt, Berlin Das tiigliehe Brot ist in diesem ei- sten Frühjahr nach Hitler zu einem Luxusartikel geworden, den sich nur Kriegsgewinnler und Leute, die zu. Hitlers Zeiten gut bezahlt wurden, zu horrenden Preisen auf den schwarzen Märkten besorgen können. l>er Durch- jschnittsdeutsche lebt • von Kartoffeln. '•Lebt", ist eine Redensart, denn die Kartoffeln des letzten Jahres begin- nen Ende März auch in den dunkel- sten Kellern zu keimen und zu fau- len. Kein Wunder daher, dass Hun- gerrevolten ausbrechen. J_>ie Aussich- ten auf eine Besserung der Lebens- mitteliage sind, gleich null. .Nicht nur in der britischen Zone .ist die Lage verzweifelt. In .der, amerikanischen Zone, im der bisher noch Brot gegeben wurde, Werden die Rationen ab heute herabgesetzt. Weder aus der franzö- sischen noch aus-dier russischen Zone liegen Meldungen vor, aber da in bei- den Gebieten nicht nur die eingebore- ne Bevölkerung, sondern auch die Be- satzungtruppen von den Erzeugnissen des Lindes ernährt werden müssen, dürfte es dort kaum besser «.ussehen. VveichtfertlKe Angaben machte Elea- nor Roosevelt in einem ihrer tägli- chen Artikel, indem sie erklärte, die Deutschen hätten mehr zu essen als die Engländer. Otto Grotewohl sagte in Berlin namens der SPD, die Stati- stik zeige, dass die Sterblichkeit 5 mal höher in Deutschland als in Eng- land sei. Entweder habe man Frau Roosevelt falsch informiert, oder sie habe nur eine halbstündige Au toreise durch Deutschland gemacht, die sie nicht autorisiere, leichtfertige Erklä- rungen dieser Art abzugeben. Wir re- gistrieren den Vorfall als ein Beispiel für viele Unrichtigkeiten, die von den Nachrichtenagenturen täglich verbrei- tet werden. Die Zoiieiieiiiteiliiiigr verschärft die Hungersnot auf unnötige Weise, wie aus dem folgenden Vorfall hervorgeht: Amerikaner schickte» einen Güterzug mit Fleisch und Getreide von Frank- furt naeli Berlin. Nach einer Woche fragten die Berliner Behörden in Frankfurt an, warum der Zug noch nicht gekommen ist. Frankfurt schickte die Anfrage weiter nach Lü- neburg, dem Hauptquartier der eng- lischen Zone. Fünf Tage später kam die Antwort: der Zug hat die engli- sche Zone ordnungsgemäss passiert. Die nächste Anfrage ging an die Rus- sen. Es wurde festgestellt, dass der Zug von.Magdeburg nach Leipzig ge- leitet und dort ausgeladen wurde. Amerikanische Beamte fuhren nach Leipzig, um die Fracht zu identifizie- ren. Der Zug wurde wieder beladen und erreichte Berlin, 20 Tage nach Abfahrt von Frankfurt. Ueber den Gesundheitszustand gab die UNRRA den folgenden Bericht: Typhusfälle in Deutschland sind 3U mal so häufig als früher. Syphilisfälle sind in andern europäischen Ländern um das" 3- bis D-l'ache gestiegen, in Deutschland um das 20-fache. Eine Diphtherieepidemie von bisher unbe- kannter Virulenz befällt Erwachsene' ebenso wie Kinder. Impfung ist das beste Mittel im Kar»ipf gegen diese Krankheit, aber weder die UNRRA noch die Besatzungsbehörden impfen Zivilisten. ... Die' Ausweisungen ans dem Osten dauern, trotz der Lebensmittelknapp- h it an. Die kommunistische "Freie Tribüne" berichtete aus Bünde (Westi.K' "Ueber 1 1 j 4 Millionen Deutsche sind bisher in die britische Zone eingereist, und jeden Tag kom- men weitere achttausend Menschen hinzu. Nach einer Statistik der Mili- tärregierung leben zur Zeit 21 250,000 Deutsche in der britischen Zone, in der etwa die Hälfte des Wohnraums zerstört ist. Der durchschnittliche Wohnraum für eine Person hat sich von zwölf Quadratmetern im Jahre 11I8H auf knapp sieben verringert und schrumpt immer welter zusammen. Besonders schwierig ist die Lage in den Grosstädten. So hat die Stadt Hamburg, die etwa zur Hälfte zerstört ist, rund 1,5 Millionen Einwohner, al- so nur 250.000 weniger als vor dem Kriege. In Köln ist nur noch etwa ein Fünftel des Wohnraums benutz- bar, während die Einwohnerzahl noch drei Fünftel des Vorkriegsstandes be- trägt. Das Ruhrgebiet, sowie auch ei- nige Städte in anderen Gegenden, fal- l.n für die Aufnahme der Flüchtlinge völlig aus, da sie fast gänzlich zer- stört sind. Der Bezirk Minden, der r.och etwa 200.000 Flüchtlinge aufneh- men soll, hat jetzt bereits eine Mil- lion Einwohner, das heisst J5.000 mehr als vor dem Kriege. Schleswig-Hol- stein ist bereits durch Flüchtlinge, die in den letzten Monaten des Krieges aus Mecklenburg und Pommern ka- men, stark übervölkert, so dass stel- lenweise weniger als vier Quadratme- ter Wohnraum für eine Person zur Verfügung steht. Dagegen lassen sich AI\ Nr. 115, S. 10) erklärt der Korrespon- dent der "Tribune" ( sie seien das Re- sultat eines unlauteren Manövers der Kommunisten. Danach haben zunächst die Sozialdemokraten und Kommuni- sten ein Uebereinkommen getroff.::;. Berlin, Tnnentalen-, , Ecke Aürnber- •traswe .Wirkung der Bombardierunsen In Frankfurt a/M. DAS ANDERE DEUTSCHI AND 9 DEUTSCHLAND dass Einheitslisten aufgestellt wer- den solten, deren Kandiuaten zu 50 Prozent aus KPDlern und zu 50 Pro- zent aus SPDlern bestanden. Zwei Tage vor den Wahlen denunzierte das kommunistische Blatt die sozial-' demokratischen Kandidaten der Liste als "Feinde der Einheit" und die KP gab die Parole aus, dass ihre Leute nur für die Kommunisten stimmen sollten. Die SPD wurde von den rus- sischen Zensoren daran gehindert, in ihrem Blatt dazu Stellung zu nehmen. So kam es, dass die sozialdemokrati- schen Wähler die gesamte Einheitsli- ste ;vählten, während die Kommuni- sten S die1 SPD-Kandidaten auf den Wahlzetteln strichen — entgegen den getroffenen Vereinbarungen. Das Re- sultat war. dass die Kommunisten ei- ne Vertretung bekamen, die keines- wegs ihrer Stärke entspricht:. Dif Meldungen der "Tribune" werden von der Pressestelle der SPD in London bestätigt. Reinigung in der russischen Zone. Kürzlich überraschte Wilhelm Pieck mit der Nachricht, dass ehemalige Mitglieder der Nazipartei in die Kl* aufgenommen werden können. In der Praxis . ist das bisher nicht vorge- kommen, wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren. Es ist allerdings deut- lich feststellbar, da^s die in der rus- sischen Zone eingesetzten Reiriigungs- kommissionen, die aus deutschen So- zialdemokraten und Kommunisten be- stehen, und in deren Arbeit sich offi- ziell die Sowjetoffiziere nicht einmi- schen, weitherzig mit der Behandlung der ehemaligen Nazis verfahren, wenn sie ermittelt haben, dass es sich nur um Papiersoldaten, Stimmvieh oder Beefsteak-Nazis gehandelt hat. So dürfen beispielsweise in der staatli- chen Porzellanmanufaktur von Meis- sen heute noch 5G Nazis zum Teil in hohen Stellungen arbeiten. Nach Er- klärungen des Bürgermeisters sind in ler dresdner Stadtverwaltung 127 Na- zis nie entlassen worden und weitere 300 werden in diesen Tagen nach Prüfung ihrer Fälle wieder einge- stellt. Offensichtlich lassen sich die Reinigungskommissionen in der russi- schen Zone von Nützlichkeitserwä- gungen leiten. Derjenige, der Ein- fluss hat oder imstande ist, wertvolle Arbeit für den Wiederaufbau zu lei- sten, wird von den Russen auf seinem Posten belassen, auch wenn er Mit- glied der Partei war. So dürfte das Liebes werben um Furtwängler und Gerhardt Hauptmann nicht anders seine Erklärung finden, als dass die Russen beide für harmlos und unge- fährlich halten, sich jedoch von ihrer Mitarbeit eine Wirkung auf Millionen Deutscher versprechen, die Hitler nachgelaufen sind, und auf deren Mit- arbeit man nicht verzichten kann. Und sei es auch nur bei den bevor- stehenden Wahlen. Kriegsgefangene nach England. Während der Abtransport deutscher Kriegsgefangener nach England an- dauerte, machte der bayrische Mini- sterpräsident Wilhelm Hoegner (SPD) den Alliierten den Vorscniag, dieje- nigen Gefangenen, die nicht Mitglie- der der Nazi partei waren, gegen in Freiheit befindliche Nazis umzutau- schen. Die deutsche Presse begvüsste Hoegners Vorschlag, der alliierte Kon- trollrat nahm noch keine Stellung- da, zu. Aus USA werden bis Anfang Mai weitere 118.000 deutsche Kriegsge- fangene nach England verschifft wer- den, wodurch sich die Gesamtzahl der in England befindlichen Gefangenen auf 334.000 erhöhen wird. Gefangene erhalten ausser der Verpflegung, die der der Zivilisten entspricht, den Ge- genwert von 2.40 bis 4.80 argentini- sche Pesos pro Woche. 140.000 von ihnen arbeiten auf Bauernhöfen, 24.000 sind mit Hausbauten und Be- seitigung von Bombenschäden be- schäftigt, 22.000 arbeiten an Eisenbah- nen, der Rest füllt Bombenkrater aus, nnd macht andere Maurerarbeiten. Die Unternehmer zahlen dem Kriegs- ministerium den vollen Lohn von 64 Pesos pro Woche. Ausser den deut- schen befinden sich noch 140.000 ita- lienische Kriegsgefangene in Eng- land. Fritz Kuhn, der Gründer und Füh- rer der Nazi-Organisation in USA, der im vorigen Jahr nach Deutschland deportiert worden war und in einem amerikanischen lnternierungsiager ais Gepäckträger arbeitet, ist in Heidel- berg von den Besatzungsbehörden auf freien Fuss gesetzt worden, da er "keine Gefahr mehr darstellt". l)er Großindustrielle Rechfoerg der zu den Finanziers und Intimen Hitlers gehörte, verbrachte seine Ta- ge frei und unbehelligt in seiner herrlichen Villa in Bayern, in der amerikanischen Zone. Kino in Berlin. Ein farbiger russi- scher Dokumentarfilm, der jetzt in Berlin vorgeführt wird, ist die „Sport- parade in Moskau". Ein anderer rus- sischer Film, der in achtzehn Berli- ner Kinos angesetzt ist, heisst ..Drei, kämpf". Er schildert den Kampf der Gestapo und der russischen Spionage- abwehr im Rahmen einer spannen- den Spielfilmhandlung. Ausserdem ge- . Mas Geschäftshaus Jonnss & Co., Berlin langt jetzt der russische Spielfilm ..Der Luftfuhrmann" in dreissig Ber- liner Kinos in deutscher Fassung zur Aufführung. Scheiilungsepideinie. Aus allen Tei- len Deutschlands wird ein stetes An- steigen der Scheidungsklagen gemel- det. In einem Monat liefen beim Lan- desgericht Berlin 2815 Ehescheidungs- anträge ein. Im Verlaufe von 3 Mona- ten hatte Hannover 1443 Scheidungs- fälle. Vor württembergischen Gerich- ten wurden in einem Monat 500 Ehe- scheidungsklagen behandelt. Ein deutscher Jurist in Hannover erklärte, die Zahl der Scheidungsklagen sei heute 10 Mal grösser als im Jahre 1942. Er drückte die Meinung aus, dass vor allem die Lügenberichte des Oberkommandos der Wehrmacht für die heutige Scheidungsepidemie ver- antwortlich zu machen seien. Das Oberkommando habe falsche Verlust- ziffern veröffentlicht. Z. P. habe es seinerzeit gemeldet, dass 209.000 deut- sche Soldaten in den Kämpfen bei Stalingrad gefallen seien, während in Wirklichkeit viele tausenlie Soldaten damals in russische Gefangenschaft gerieten. Die Frauen dieser Männer, die in gutem Glauben inzwischen eine andere Verbindung eingingen, waren sehr überrascht, als eines Ta- ges der Mann, den sie gefallen glaub- ten. wieder auftauchte. Andere Grün- de der Ehescheidung sind: Entfrem- dung durch das lange Getrenntsein, oder dass der Mann als Krüppel aus dem Krieg zurückgekehrt ist und seine Frau sich weigert, mit ihm wei- terzuleben. jperlin, Bayrischer Platz dem zerstörten Haimavec , 10 DAS AND II t OIUTSCHl AND AUS „BRIEF AN DEUTSCHLAND" Eine der sehr ermutigenden Tatsa- chen innerhalb des Menschenge- schlechts ist, dass wir im Grunde alle die gleichen Ansichten darüber ha- ben, was den guten Menschen aus- macht. Ein guter Mensch in Deutsch- land ist auch in Amerika ein guter Mensch, , und ein guter Mensch in China ist derselben Art wie in Japan. Und so ist es überall. Es gibt eine naturbedingte Brüderschaft der Gu- ten unter den Völkern, weil die Ge- setze des Guten einfach sind: Ehrlich sein in Geist, Herz und Seele, die Wahrheit sagen, alle menschlichen Wesen als des Glückes gleich wert ansehen und so handeln, dass unser Leben ein Segen für die Menschen ist und nicht ein Fluch — diese wenigen Dinge machen ganz einfach das Gut- sein aus. Unter allen Völkern, in al- len Klassen, unter Gelehrten und Un- wissenden gibt es solche Menschen. Wir, die wir an Güte glauben, kön- nen darum untereinander nicht Fein- de sein, welches auch immer unsere Eprache, Nationalität oder Rasse ist. Es ist unmöglich, ein ganzes Volk zu verdammen, weil es unter allen das Gute gibt. Was in jedem Land zu verurteilen ist und verurteilt werden muss, ist, dass das Gute versäumt hat, dem Bösen gegenüber wachsam zu sein und gegen das Uebel zu kämpfen. Wenn gute Menschen aus ihrem ei- genen Wunsch heraus, in Frieden zu leben, oder aus missverstandener pa- triotischer Loyalität, schlechten Men- schen irgendwo erlauben, zur Macht zu kommen, dann verleugnen sie in hohem Grade ihren eigenen Glau- ben. Die gemeinsame Glaubensüber- zeugung aller guten Menschen, wo es auch immer sei, soll und muss so zu- verlässig sein, dass sie sich gegensei- tig vor dem aufsteigenden Bösen war- nen, auch im eigenen Land, sodass alle Guten überall sich anstrengen, das Uebel su besiegen, wo es sich auch zeigt. Die Welt besteht aus Nachbarschaf- ten, das wissen wir jetzt. Schlimme Zustände in einem Teil dieser Nach- barschaften stecken alle anderen an. Gemeinschaftsleben beruht auf der Energie, mit der die guten Menschen das Schlechte bekämpfen können, in welchem Land es auch auftritt. Ein guter Mensch ist heute notwendiger- weise auch ein guter Weltbürger. Er kann-kein guter Amerikaner oder gu- ter Deutscher sein, wenn er nicht ein guter Weltbürger ist, denn was er als guter Mensch in seinem Lande tut, beeinflusst auch die Welt. Wenn er in seinem eigenen Land versagt, wenn er duldet, dass das Schlechte, sei es auch nur für kurze Zeit, die Ober- hand gewinnt, wird die Welt in Krieg und Verderben gestürzt. Nicht als Amerikaner schreibe ich heute an die guten Menschen, die es auch in Deutschland gibt. Ich schrei- be als Mensch für den Menschen. Wir, die wir an Güte und Gerechtig- keit glauben, müssen uns alle zusam- men zu einer Bürgerschaft vereinigen, von Pearl S. Buch die über das eine wie über (las ancere Land wacht, weil sie über das Wohl aller Menschen wacht. Ich weiss, dass viele Amerikaner wie ich glauben, dass es in Deutschland viele Menschen gibt, die, obgleich sie während dieser schlimmen Jahre zu schweigen gezwungen wurden, doch in ihrem Herzen den Glauben an die Notwendigkeit des Gutseins als einer Grundbedingung allen menschlichen Lebens bewahrt haben. . - Um das Gute zum Schweigen zu bringen, sucht das Böse zu allererst die Freiheit der Rede und das Habeas corpus-Recht zu beseitigen. Wieviel Zeit und Energie haben Tyrannen an die Kraftanstrengung gewendet, die Stimmen des Guten zum Schweigen zu bringen! Alte Herrscher von China und Indien, von Aegypten und Rom vernichteten Bücher, erliessen Schreib- verbote und verordneten Unwissenheit für das Volk, warfen die in den Ker- ker, die protestierten, und töteten die, welche nicht auf Freiheit verzichten wollten. Und in der heutigen Zeit geht der Kampf in allen Ländern in gewissem Grad weiter. Noch immer werden bei unterworfenen Völkern die Protestierenden von den Herrschenden ohne gerichtliche Untersuchung ins Gefängnis geworfen und dort festge- halten, bis sie zu entkräftet sind, um verhört werden zu können, oder bis sie sterben. Sogar bei den freien Völ- kern, wife z. B. meinem eigenen, ist der Kampf sehr hart. Das Böse sucht immer das Gute zum Schweigen zu bringen, damit seine verderblichen Absichten ohne Hindernis durchge- führt werden können. Darum müssen die Guten auf die- sen beiden grundlegenden Freiheiten bestehen, damit sie ihren Kampf ge- gen das Schlechte aufrechterhalten können, sie müssen jede Regierung und jeden Einzelherrscher danach be- urteilen, in wie weit er Redefreiheit und das Recht auf gerichtliche Un- tersuchung verteidigt und zulässt... Ich wende mich nicht mit sanften und tröstlichen Worten und nicht mit Friedensversicherungen an die guten Menschen in Deutschland. Denn wie die Welt heute ist, gibt es für gute Menschen nirgends Frieden. Der gro- sse Krieg geht weiter, nicht ein Krieg, der Militaristen und Soldaten, kein Krieg, der mit Bomben und Gewehren ausgefochten werden kann, sondern der Krieg zwischen Gut und Böse. Ihr Guten in Deutschland, ihr dürft nicht ausruhen, auch nicht eine Stun- de. Ueberall brauchen die Guten eure Kraft und Wachsamkeit, und eure Entschlossenheit muss sich mit der ihren vereinen. Es ist nicht nur eure Pflicht, gu- ten Menschen überall zu helfen, es ist mehr als Pflicht, es ist auch eure günstige Chance. Bedenkt, dass viele sagen: ' In Deutschland gibt es keine guten Menschen." Wir aber wissen, dass es in jedem Lande Gute gibt, und jetzt ist für diese in Deutschland die Zeit gekommen, hervorzutreten und ihren Platz im Kampf einzunehmen. Und in dem gleichen Umfang, wie sie diesen Platz in Deutschland aus- füllen, werden es die anderen in d6r Welt tun. Die Chance Deutschlands unter den anderen Nationen hängt von dem Grad ab, in welchem seine guten Menschen in diesem Augenblick in Erscheinung treten und sich um das Banner scharen, das alle guten Menschen als das ihre erheben. Ich schliesse den Brief mit folgen- den Zeilen, die Hermann Hagedorn schrieb, ein Amerikaner, der auS Deutschland stammt. Er ist einer der guten Menschen hier. Ein Lied für das Gute •Gib mir deine Hand! Wie Fremde waren wir, du und ich, Durch Wüsten von, Wasser und ewi- gem Sand Von einander getrennt, umkerkert, verbannt. Gib mir deine Hand. Wir brauchen einander, so du wie ieh, Wie um heilige Feuer, vom Sturme zerrissen, Sich schützende Hände beschirmend schliessen, Müssen Herz, Seel' und Wille sich innig verketten, Um die Hoffnung aller, um die Menschheit zu retten. Du und ich, wir gehören zusammen! Auf der keuchenden Erde, unterm.. Himmel voll Flammen Alleine stehn, getrennt in der Not, Ist unser Tod. Freunde andrer Rassen in fern fer- nem Land, — Nicht länger mehr Fremde — Gebt mir eure Hand! (Aus "Common Ground") Büchergilde "Gutenberg" Alle Interessenten bitten wir um Einsendung von einem Peso Eintritts- gebühr und dem Betrag des ersten ausgewählten Buches. Zuschriften än den Verlag des DAD. ES STARBEN Dr. Max Seefeld, der seit langern zu den Freunden des DAD gehörte, infolge Herzschläge. Harry Kr*fft, Osorno (Chilfe), d*F sich in Chile mit Hingabe und Er- folg um die Organisierung der anti- faschistischen Lehrer im DAD be- müht hatte, nach schwerer Krank- heit, ohne dass sich sein Wunsch, am Aufbau in Deutschland mitzuarbei- ten, erfüllte. Max Guthmann, Montevideo, der aus der wiener Arbeiterbewegung hervorgegangen, die Arbeit des DAD seit seiner Gründung aktiv unter- stützte. DAS AND III t BlUTSCHt AND, || AUS EINEM DEUTSCHLAND-BRIEF F., 5. I. 46 ".... Wenn man das Elend und die Not kennen lernen vill, In denen Deutschland jetzt steckt, dann braucht man nur auf die Bahnhöfe zu gehen oder die Eisenbahn zu be- nutzen. Das rollende Material ist in einem unbeschreiblichen Zustand. Fast allä Personenwagen sind ohne Glasscheiben in den Fenstern- Meist ist überhaupt nichts in den Rahmen, oder diese sind mit Brettern oder Pappe zugenagelt. Ueberall lagern Menscheinmassen mit Sack und Pack und warten auf die Möglichkeit, wei- ter zu kommen. Die Züge werden förmlich gestürmt und sind unglaub- lich überfüllt. Auf den Trittbrettern. Puffern und auf den Dächern fahren die Menschen mit. Unfälle sind an der Tagesordnung. Einer Freundin von G wurde bei einem solchen Unfall vor einiger Zeit der rechte Arm abgefah- ren. Da die Personenzüge die Men- schenmassen bei weitem nicht fassen können, ist es zur Regel geworden, Güterzüge zur Personenbeförderung zu benutzen. Auf meiner Fahrt nach Hamburg habe ich auch das "Vergnü- gen gehabt, endlose Stunden in einer: offenen Güterwagen bei eisiger Käl- te zu verbringen. Und auf solche Weise reisen Frauen mit kleinen Kin dern und viel Gepäck, alte und kran- ke Leute. Da es keine durchgehenden Züge gibt — an Schnellzüge ist über- haupt nicht zu denken, benötigt man für Strecken, die man sonst in 6—8 stunden bewältigte, heute Ta- ge. Uebernachcvmgsmöglichkeiten gibi es keine. Da und dort kann man viel- leicht einen ehemaligen Luftschutz- bunker als "Uebernachtungshotel" erwischen. In denselben herrscht aber meist ein fürchterliches Gedränge, und die Luft ist zum Schneiden. Gepäck- diebstähle sind an der Tagesordnung. Menschen, die ihre letzte Habe it sich herumschleppen, verlieren sie oft auf diese Art und Weise. Du fragst nach den Lebensbedin- gungen der Menschen in den Städten, wovon sie leben, da die Fabriken doch still liegen. Ich gebe Dir hierzu am Besten den Inhalh einiger Veröffent- lichungen eines städtischen Arbeits- amtes und eines Landesarbeitsamtes wieder, die Dir einen Einblick in die Lage verschaffen. Städtisches Arbeitsamt: '19.000 Be- schäftigungslose und dennoch 11.000 offene Stellen. Nur mit Mühe gelang es. den Holzeinschlag (im Stadtwald; für die Brennholzversorgung der städtischen Bevölkerung vorzuneh- men Es fehlte an Arbeitskräften, um das Holz in den Geschäften zu ent- laden und die mit Kähnen und Eisen« bahnwaggons herangefahrenen Koh- len auszuladen. Es gab keinen ande- ren Ausweg, als die Arbeitsverpflich- tung. Sie erfolgt auf die Dauer von • 14 Tagen. Eine amtsärztliche Unter- suchung sichert die Heranziehung von geeigneten Arbeitskräften. Wer sich trotzdem weigert, erhält für die Verecrrusfsperiodi 194S/46 keinen äfcenastEr tdtiF WÄI elektrische • Energie, ferner keine Lebensmittelzu- teilung für zwei Verteilungsperioden d. h. für die Zeit von 8 Wochen- Falls der Arbeitsverweigerer Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Gliede- rungen war, wird er künftig als Akti- vist behandelt und eventuell ein Jahr lang in ein Arbeitslager überführt. Die meisten arbeitslos gemeldeten Personen kommen aus den Büros der kaufmännischen Betriebe und Behör- den. Auf lange Zeit besteht für keine Aussicht, in ihrem alten Beruf wieder unterzukommen. Eine Ver- schiebung in andere Berufe ist not- wendig. In den Berufen, die mit dem Bauhandwerk und dem Bekleidungs- wesen zusammenhängen, werden z. Zt. rund 11.000- Menschen gebraucht. Um- Schulungskurse auf handwerkliche Be- rufe sind eingerichtet und teilweise bis März und April 1946 belegt. Als Reaktion für den jahrzehntelangen Zwang hat gegenwärtig eine ebenso starke Zersetzung der Arbeitsmoral eingesetzt. Die noch vorhandenen Geldreserven verschlimmern noch die mangelnde Arbeitsmoral. Viele war- ■en noch ab , in der Hoffnung, doch :iOch in den alten Beruf zurückkehren -:v können". Landesai Veitsamt,: "Die Wirtschaft* ;ud Beschäftigungslage zeigte im Mo- uaö November verschiedene; zum. Teil einander entgegengesetzte Tenden- zen- Einerseits fortschreitende Bele bung durch Wiedereröffnung von Ee - trieben, Uebernahme grösserer Auf- träge und Erweiterung der Produk- tion — andererseits Produktionshem- mungen durch Kohlen-, Gas- und Strommangei und dementsprechend Beurlaubungen, Feierschichten, Kurz- arbeit. Zu grösseren Entlassungen ist es noch nicht gekommen. Die Gross- betriebe leiden unter diesen Schwie- rigkeiten mehr als die Klein- und Mittelbetriebe. Die Aufnahmefähig- keit des Baugewerbes ist noch gross. .C/er Arbeitswille eines Teiles der Ar- beitslosen lässt noch immer sehr zu wünschen übrig, besonders in den Landgemeinden. Einem grossen unge- deckten Kräftebedarf von rund 49.000 Stellen Ende November, steht die Zahl von rund 89.000 Arbeitslosen gegen- über. Die verlangten Arbeitskräfte sind anderer Art und Qualität als die, die den Arbeitsämtern zur Verfügung stehen. Die Umschulungsmassnahmen werden verstärkt fortgeführt. Trotz der saisonmässigen Rückgänge der Beschäftigung und des Kohlen-, Strom- und Rohstoffmangels, wurden im November wiederum rund 30.000 Männer und rund 10.000 Frauen in Arbeit vermittelt, was ungefähr dem Ergebnis des Oktobers entspricht. Da- von wurden rund 15 o!o, nämlich 5916 Personen an die Bess.* :ungs- tiienststellen vermittelt- Die Tatsache, dass von den "eingesetzten Arbeits- kräften über ein Drittel auf drei Wirt- schaftszweige, nämlich auf Besat- zungsbehörden, Bauwirtschaft und Forstwirtschaft entfällt, zeigt, wie einseitig bisher das pfirtschaitsleben ist." r Ich füge Der noch einiges aus dem November bericht der Militärregierung für die amerikanische Zone hier an: Die Bemühungen, aus Deutschland, eine wirtschaftliche Einheit zu bil- den, seien infolge des französischen Widerstandes auch im November dem Erfolg nicht näher gekommen. Zu- sammenarbeit der Besatzungsmächte und. zentraler Verwaltungsstellen für das ganze Reichsgebiet seien notwen- dig. Die Wiederherstellung eines Mini- mums an wirtschaftliclZir Tätigkeit sei äusserst schwierig, wenn nicht un- möglich, solange es Künstliche Gren- zen gebe, welche einen ordentlichen Handel und Verkehr einschränken. Dabei gedeihe nur der Tauschhandel und andere abnormale Wirtschafts- beziehungen. Die Förderung von J&ohle ist fast auf das Dreifache gestiegen (mit was hier verglichen wirci, ist aus dem Bericht nicht ersichtlich). Der Mangel an Verkehrsmitteln aber ist Schuld, dass sie den Verbrauchern nicht zugestellt werden kann. Der Ueberschuss befindet sich in der brii tischen und russischen Zone. 2700 In- dustriewerke haben bisher die Erzeu- gung wieder aufgenommen. Dies sind etwa 30 o;o der Gesamtzahl der In- dustriewerke in der amerikanischen Zone. Doch habe infolge des Mangels an Verkehrsmitteln und Kohle die Erzeugung nur 5 — 10 o|o der nor- malen Leistungsfähigkeit erreicht. Die Lebensmittellage wird als ernst bezeichnet. D'ie Ernteschätzung für 1946 zeigt, dass die Hauptbedürfnisse der Bevölkerung nicht gedeckt wer- den können. Die Einfuhr zusätzlicher Lebensmittel aus Amerika ist ange- ordnet- Soweit die amtlichen Verlautbarun- gen zu dem Thema Beschäftigung und Lebenshaltung. Es geht langsam, sehr langsam vorwärts. Und viele Schwie- rigkeiten liessen sich so leicht über- winden, wenn nur mehr Einsicht vor- handen wäre. Die Zonengrenzen wir- ken wie Mauern. Und das macht Schule. Selbst die Länder innerhalb einer Zone, wie z. B. Bayern und Ba- den-Württenberg und Grosshessen, grenzen sich gegeneinander ab und erschweren Handel und Verkehr. In den Beziehungen der drei letztgenann- ten Länder hat sich zwar in der letz- ten Zeit einiges gebessert durch die Einrichtung regelmässiger Minister- präsidentenkonferenzen und die Schaffung eines ständigen Büros für alle drei Länder. Trotzdem konnte man noch vor kurzem erleben, dass z. B. in München eine grosse Anzahl ehemaliger Militärkraftwagen zum Verkauf kam und nichtbayrische Käufer ausgeschlossen wurden. In Württemberg gab es im Spätherbst so reichlich Aepfel, dass pro Kopf der Bevölkerung 3 Zentner verteilt wurden. Ausgeführt aber durfte nichts " werden. Um Erdkohlrabi aus Nord- deutschland auf den hiesigen Gemü- semarkt zu bringen, muss sich der Beauftragte des hiesigen Ernihrungs- amtes erst nach fMlfnitep Tauseh- artikeln im hieeNreo BtFyü WOaWS- 12 DA* ANDERE OBUTSCHl AND sten geht es noch den Bauern. Von Krie>,sscbänen sind ae weitgehend verschont geblieben, und sie sind die Besitze;- all der heiue so sehr begehi- ten Dinge wie Fett und Fleisch. Le- bensmittel aller Are und Holz zum Bauen und Heizen. Die Bauern brau- chen auf Jahr una Tag in keinen La den zu gehen, um etwas einzukau- fen. Sie bekommen alles zugetragen auf dem Wege des Tauschhandels. Wenn es in Deutschland einmal ernstlich an die Verteilung der Lasten geht, wird man an diese Kriegsge- winnler an erster Stelle nach den Na- zis denken müssen. Lieber Lutz, ich denke, dass es da- mit für heute 'einmal genug sein soll. I.n einem meiner nächsten Briefe werde ich Dir vielleicht einen Ueber- blick über die politische Lage geben, die Entwicklung und den gegenwär- tigen Stand der Partelen, ihre Pro- gramme usw. schildern. Ich werde in den nächsten Tagen eine Arbeit in Angriff nehmen, deren Ergebnis Dich sicher auch interessieren wird. Es handelt sich um eine statistische Zu- sammenstellung aller hier von der Gestapo vorgenommenen Verhaftun- gen, Folterungen, Morde usw. usw. Vielleicht wird eine solche Arbeit auch einmal im Reichsmasse durchgeführt und die Welt erfährt dann einmal, dass es auch noch ein anderes Deutschland gab, als das der Nazis. Für heute verabschiede ich mich von Dir mit den herzlichen Grüssen an Dich und die Deinen. Dein Georg." Juden nach Deutschland zurückkehren? So hat, er z. B: schon Chemikalien und Medikamente der hiesigen che- mischen Industrie in seinen Wagen gepackt und ist zu einem Tauschhan- del nach Norddeutschland gefahren. Das Land Thüringen schliesst mit dem Land Bayern einen Handelsver- trag ab, usw. usw. Und wie es im Grossen ist, so ist es auch im Klei- nen. Wenn man heute irgendetwas beschaffen muss, sei es einen Haus- haltgegenstand, Wäsche, Kleider oder Schuhe oder Fensterglas für die feh- lenden Scheiben, so muss man sich nicht überlegen, ob man das erfor- derliche Geld zur Verfügung hat: man muss sich überlegen, was man in Tausch geben kann. Wer nichts 2u tauschen hat, ist übel dran. Am Be- Dürfen deutsche Ob deutsche Juden nach Deutsch- land zurückkehren können, ist eine Frage, über die letzthin des öfteren diskutiert worden ist, und die von jü- discher Seite im allgemeinen in ne- gativem Sinne beantwortet wird. Eine grosse Anzahl der deutschen Juden vertritt heute den Standpunkt, dass das deutsche Volk sie 1933 ihrer Bür- gerrechte, Berufe und Guthaben be- raubt hat, und dass durch die Schuld der Deutschen ihre Angehörigen später ermordet wurden. Sie verwei- sen auf ihre ehrenvolle, Vergangen- heit, sowie die anerkannten Ver- dienste, die sie dem deutschen Reiche in Krieg und Frieden, als Bürger und Soldaten geleistet haben. Sie sehen damit ein Kapitel ihrer tragischen Leidensgeschichte als abgeschlossen. Eine Artikelserie, die "Le Populaire", das Zen^ralorgan der französischen Sozialisten veröffentlicht^, gewährt einen Einblick über die Verhältnisse, Avie sie, mindestens vor Kurzem noch, in der französischen Zone bestanden. Die herrschende Unordnung wird da- rauf zurückgeführt, dass 1.) Militär- gouverneure und Kommandanten der Besatzungstruppen in einem unglaub- lich scheinenden Grade gegeneinan- der arbeiten, und 2.) von der Regie- rung Keinerlei Direktiven ausgegeben wurden, so dass alles der Initiative oder der Nachlässigkeit der Militär- gouverneure überlassen bleibt. Die hohen Beamten der Militärregierung sind gleichzeitig Angestellte oder Ver- trauensleute französischer Industrie- und Finanzkonzerne, die in verschie- denen Fällen verhindert haben, dass deutsche Fabriken instandgesetzt wur- den und die Produktion für Frank- reich wieder aufnahmen. "Le Popu- laire" berichtet, dass die IG-Farben- werke in Ludwigshafen-Oppau, Rheinfelden und Rottweil, nahezu un- versehrt geblieben sind, aber trotzdem nicht in Betrieb genommen wurden, weil der franzöische Chemiekonzern daran interessiert ist, durch Knapp- heit den Preis hoch zu halten. Die Fabriken von Ludwigshafen-Oppau könnten 15.000 Tonnen synthetischen Gummi herstellen,, in drei Monaten Von Heinrich Feige Diese seelische Einstellung ist durch- aus verständlich, aber nicht objektiv. Das deutsche Volk hat im Jahre 1933 Hitler nicht mit überwältigen- der Stimmenmehrheit gewählt, da So- zialdemokraten, Komunisten und Ka- tholiken gegen den Nationalsozialis- mus stimmten. Millionen von Deut- schen haben damit einwandfrei ihre Gegnerschaft gegen dieses System zum Ausdruck gebracht. An diese Tatsache soll gerade heute erneut er- innert werden. Ueber die Nazis selbst braucht kein Wort mehr erwähnt zu werden, da diese als die Totengräber Deutschlands bereits in die Geschich- te eingegangen sind. könnte die Produktion auf 30.000 Ton- nen gebracht werden — das ist die Hälfte des Jahres-Gesamf Verbrauchs Frankreichs. Die Zahl der Besatzungstruppen ist nach dem "Populaire" zu hoch. Sie ist, um 6 Millionen Einwohner zu kon- trollieren, doppelt so hoch wie die Soldaten, die Mac Arthur gebraucht, um 60 Millionen Japaner zu beauf- sichtigen. Die franzöischen Truppen werden "schlecht ausgerüstet, unge- nügend verpflegt und undiszipliniert" genannt. Das Organ der französischen Sozialisten kritisiert dann heftig die absolut unzulängliche Säuberung von Nazi-Elementen. Unter dem Verwän- de, man dürfe zwischen den Deut- schen keinen Unterschied machen, haben die Verwaltungsbeamten Nazis in hohen Stellen gelassen und sie protegiert, während man die deutschen Sozialisten, die aus Konzentrations- lagern kamen, so behandelte, wie Na- zis es verdient hätten. Zu der Tatsache, dass man vorwie- gend eine Zusammenarbeit mit dem katholischen Zentrum suche, schreibt "Populaire": "Man vergisst die un- rühmliche Rolle dieser Partei in der Vergangenheit. Und man hat niSht das Recht zu übersehen, dass sich in diesen Kreisen tatsächlich alle bis- marckschen und nationalistischen Elemente neu gruppieren." Die grössten Verdienste aber im Kampf gegen den Nationalsozialismus erwarben sich die deutschen Antifa- schisten des In- und Auslandes, ei- ne Schar charakterfester, fortschritt- licher Menschen, die auch in den schwersten Zeiten für Wahrheit und Aufklärung sorgten und damit gleich- zeitig das Recht verteidigten, womit sie eine hohe Mission erfüllten. Ehrst eine spätere Zeitepoche wird die be- deutenden Dienste, die sie sich für den Fortbestand der Freiheit erwor- ben haben, voll zu würdigen verste- hen. Diesen deutschen Hitlergegnern bleibt für die Zukunft die vornehme Aufgabe vorbehalten, einem demokra- tischen Deutschland wieder die Ach- tung der Welt zu verschaffen, die es durch die unvorstellbaren Verbrechen des Nationalsozialismus ve? loren hat. An dieser Stelle soll auch aller der Deutschen gedacht werden, die im Kampf gegen Hitler ihr Leben lie- ssen, manchmal unter unsäglichen Qualen im Konzentrationslager. Es bleibt sich h erbei ganz gle'ch, ob ea "Arier" oder Juden, gesinnungstreue kommunistische oder sozialistische Ar- beiter, ernste Bibelforscher oder dem System feindlich eingestellte Offiziere waren. Mögen die Probleme dieser ge- nannten Opfer auch verschiedene ge- wesen sein, sie starben, letzthin alle für eine gemeinsame Sache, für die Befreiung von der Hitlersklaverei. Der deutsche Jude mag heute ein- gestellt sein, wie er will, ob er sich immer noch oder wieder als deutscher Staatsbürger fühlt, ob er freireligiös, orthodox oder Zionist ist, er kann in dem andersgläubigen Hitlergegner immer nur einen wertvollen und treu- en Mitkämpfer für eine bessere Welt- ordnung sehen. Tut er das nicht, so hat er nicht den Sinn der Zeit ver- standen. Wenn daher ein deutscher Jude nach Deutschland zurückzukehren gedenkt, um sich bei dem Aufbau ei- nes neuen Deutschlands in irgendei- ner Form zu betätigen, oder um sei- nen dort erworbenen Beruf (Arzt, Beamter etc.) wieder auszuüben, so muss ihm das überlassen bleiben. Al- le demagogischen Beeinflussngen sind daher aur&ckauweieen. Die oft ?« DIE FRANZOESISCHE ZONE v a * A N P t R f Ö 8 II TS CHI AND 13 brauchte Redensart, "unter keinen Umständen mehr nach Deutschland zurück", hiesse geradezu, Hitlerge- setze legalisieren, respektive ihnen von uns aus Ewigkeitsdauer verlei- hen. Wir wollen nicht verkennen, dass wir innerhalb des deutschen Volkes immer noch Feinde haben werden; es hiesse defti aber zu viel Bedeutung beimessen, wenn man hiervon eine Rückwanderung abhängig machen wollte. Die Manifestationen hunderter evangelischer Pastoren und katholi- scher Pfarrer, die Ausführungen der sozialdemokratischen Bürgermeister, die Rede, die von Professor K. Jas- per bei der Wiedereröffnung der Uni- versität Heldelberg am 15. August vergangenen Jahres gehalten wurde, sprechen eine eindeutige Sprache. Wir kennen nicht die Zukunft: Pro- bleme liegen vor uns, die einer Lö- sung harren. Arbeiten wir daran, Ge- gensätze auszugleichen, anstatt zu vertiefen. EIN EWIGES SCHANDMAL Am nächsten Tag ging es wie- der mit der berühmten "Grünen Minna" zum Bahnhof, Richtung BerlinI Am Bahnhof ein Riesen- aufgebot von Grünen, als ob lau- ( ter Schwerverbrecher ankämen- Bei dem Transport zum Alex ha- be ich zum ersten Male das zer- störte Berlin gesehen, es war da- mals schon schlimm. Nach lan- gem Stehen kamen wir dann end- lich in die verschiedenen Räume. Ich landete wieder in einem schon gänzlich überfüllten Zimmer. Al- so die zweite Nacht in irgend ei- nem Winkel auf dem Fussboden. Gegen drei Uhr morgens mussten wir K. Z.-Leute raus, und nach Empfang eines Stückes Brot und einer sogenannten Kaffeebrühe ging es nach dem Stettinerbahn- hof. Wir fuhren durch die wun- dervolle märkische Heide, eine reizvolle Landschaft- Leider wur- de ich ganz plötzlich aus meinen Betrachtungen in die rauhe Wirk- lichkeit zurückgebracht, als der Zug sich Oranienburg näherte und das K. Z. Sachsenhausen sich vor meinen Blicken ausbrei- tete- Also konnte meine künftige Bleibe nicht mehr weit sein. Bald waren wir dann in Fürstenberg, der Bahnstation für Ravens- brück. Da waren auch schon die Beamtinnen mit ihren grossen Hunden und den Riemen- 'Drei- viertel Stunden Fussmarsch durch eine landschaftlich herrli- che Gegend, und wir waren im Lagerbereich. Das grosse Tor mit dem Schlagbaum nahm uns auf, das Brüllen der S. S- war unser Willkommen. Wir mussten auf einer Lagerstrasse stehen, und es hiess, dass wir auch die Nacht hier zubringen müssten- Das ist so üblich, denn die Aufnahmefor- malitäten dauern bei den Massen- einlieferungen oft tagelang und da kommt es vor, dass Häftlinge bei jedem Wetter drei oder vier Tage und Nächte draussen zu- bringen müsen. (Fortsetzung) Es war der 11- Oktober und sehr kalt. Mein erster erschüt- ternder Eindruck: Es wurden dauernd Leichen in die Leichen- halle getragen, dort in einen ein- fachen Sarg gelegt und diese Sär- ge dann von einigen Häftlingen zum Krematorium gefahren. Nach einiger Zeit kamen sie dann mit den leeren Särgen zurück, inzwi- schen waren schon wieder genü- gend Leichen da, sodass der Wa- gen von neuem losgefahren wer- den konnte. Als wir dann unser kleines Töpfchen mit Rüben und zwei Kartoffeln empfingen, wuss- ten wir uns den traurigen Betrieb zu erklären • Die menschlichen Bedürfnisse mussten in einem Ei- mer auf der Strasse verrichtet werden, da wir noch zu keinem Block Zutritt hatten. Auch daran gewöhnt man sich. Es wiederfuhr uns noch ein grosses Glück, wir wurden in ein Zelt geführt, weil unser Trans- port nur einige Hundert betrug. Die Nacht war entsetzlich kalt, es gab weder Stroh noch Decken, also lief man die ganze Nacht umher, und wir waren alle so hundemüde! So lief ich in den 12. Okt. (Nora:? Geburtstag) hin- ein. Am Morgen mussten wit das Zelt wieder verlassen und wieder draussen stehen, die Aufnahme sollte starten. Endlich war die Reihe an mir. Nackt ausziehen, dann wird man wegen Läusen un- tersucht: wer solche hat, be- kommt die Haare geschoren, n*:nn geht es unter die Dusche und zum Empfangnahmen der Kleidung- Es gab ein Hemd, eine Hose, ein dünnes Kielet und Ho^zschuhe. Strümpfe nicht- Vorher musste man noch sämtlichen Schmuck und Geld abgeben; man wird überhaupt alles los. was man be- sitzt. Da Nora mir noch einen Koffer mit guten Sachen nach dem Lager 21 geschickt hatte, wurde ich allerlei los. Am schlimmsten traf dies die Auslän- der, denen man vielfach gesagt hatte, man würde sie mit ihren Kindern evakuieren. Sie nahmen sich natürlich noch ihr Bestes mit, und sie mussten mitansehen, wie ihre Sachen alle auf einen Haufen auf die Strasse geworfen wurden. So ging es den Warschauern und den Juden aus den verschiedenen Ländern. Wenn man endlich zur Karrika- tur geworden ist und nochmal stundenlang auf der Strasse ge- standen hat, kommt man auf den Zugangsblock. Hier geht wieder das Gebrülle los, diesmal von Häftlingen, die als Stubenälteste fungieren. Die Blocks waren so- wieso schon überbelegt (das La- ger war für 12000 Häftlinge be- rechnet, aber zeitweise mit 30000 bis 45000 belegt), da musste man schnellstens sehen, noch einen Bettplatz zu erwischen • Wer es nicht schaffte, musste auf dem Fussboden kampieren. Die Betten waren gerade so breit, dass eine Person liegen konnte. Man muss- te immer zu zweit, oft zu dritt, viert oder so ein Bett teilen. Die Betten waren zu dritt übereinan- dergeördnet und ebenfalls zu dritt nebeneinander- An den Fensterseiten und in der Mitte war je ein schmaler Gang, nur so breit, dass gerade eine Person gehen konnte. Es war beängsti- gend, sich da durchzuschlängeln, jeder schrie und schubste. Genau so beängstigend wirkte der An- blick der vielen Menschenleiber, die wie die Kieler Sprotten anein- ander klebten. Da die meisten Fenster auf beiden Seiten des Schlafraumes ausgeschlagen oder aus Schikane ausgehängt waren, herrschte ein schlimmer Durch- zug. Wenn man in der Nähe des Fensters wohnte, hatte man reich" lieh frische Luft, aber auch ge- nügend Kälte- Ich kann . heute nicht mehr sagen, was vorzuzie- hen war: Ein solcher Fenster- schla£platz oder ein Platz mehr j 14 DAS ANDIRI DIUTSCHL AND in der Mitte mit dem uns •meid- liehen Mief- Es kam in der Hauptsache darauf an, ob man elfte Decke hatte oder nicht. Ich habe in verschiedenen Blocks im Laufe der Zeit gewohnt und in den verschiedensten Bett- lagen geschlafen. Mehrere Wo- chen wohnte ich im strengen Win- ter in einem Block, in dem ich keine Decke hatte. Ich bin wo- chenlang nicht aus den Sachen gekommen und habe mich nur mit meinem Mantel zugedeckt. An ein richtiges Schlafen kommt man da natürlich nicht, erst liegt man auf der rechten Seite; wenn man da so richtig kalt ist, dreht man «ich mit seinem Schlafkumpel auf die linke Seite u- s. w« Da die Betten so schmal sind, muss man sich genau in die Krümmung des anderen legen. Da nun im Win- ter oft 8 oder 4 Tage kein Was- Ser lief und man sich nicht wa- schen konnte, war das eine sehr appetitliche Sache. Die Betten waren sowieso schmutzig, das La- ken wurde nie gewechselt (ein- mal habe ich in der ganzen Zeit in einem Block ein frisches La- ken erlebt), die Decke ohne Be- zug. Da haben schon jahrelang kranke und gesunde Frauen, manchmal auch eine Tote darun- ter gelegen» Sie wurden nie ge- reinigt. Als ich die ersten Kopf- und Kleiderläuse hatte, wunderte ich mich gar nicht. Da man sofort die Haare geschoren bekam, wenn bei einer Kontrolle Läuse gefun- den wurden, suchte man sich ge- genseitig wie die Affen ab. Im Lager herrschte infolge des Schmutzes eine üble Krätze, die Ich auch einige Male hatte. Dann die schmerzhafte Furunkulose; ich habe sehr - darunter gelitten, heute noch sind an meinem Kör- per die dunklen Stellen zu sehen. Ich hatte neben ungezählten klei- nen Furunkeln auch die faust- grossen, die jedesmal geschnitten werden mussten- Das ging ohne Betäubung vor sich, ein einziges Mal bekam ich eine Narkose, musste aber sofort als ich wie- der bei Bewusstsein war, in mei- nen Block zurücklaufen. Die Zustände im Revier waren furchtbar. Man musste stunden- lang draussen in der Kälte ste- hen, bevor man der Schwester in die Hände fiel. Frauen mit ho- hem Fieber und vollkommen ent- kräftet lagen dann teilweise im Schnee auf dem Erdboden, weil sie einfach nicht mehr stehen konnten. Die Behandlung ging vor versammelter Manschaft vor sich, auf diese Weise habe ich die entsetzlich abgemagerten Körper mit den vielen vereiterten Wun- den gesehen- Im Krankenrevier Helft ' den deutschen Antifaschisten Rettet j| die deutschen Opfer der Hitlerdiktatur vor dem Hungertod DEUTSCHLAND ■f» v-' , *- AUSTRIA 3064 - U. 17' 72-6058 - AÜÜES wurde man erat aufgenommen, wenn man 40 Grad Temperatur hatte. Auch dort mussten die Kranken zu zweit im Bett liegen. Wenn morgens die eine tot war, kam die nächste in dasselbe Bett. Die Toten wurden im Waschraum gesammelt, denn es wurde ihnen erst das Gold aus den Zähnen ge- brochen. Wer sich waschen woll- te, musste drüberwegsteigen. Die meisten Menschen litten an einem furchtbaren Magen- und f Darm- katarrh (ich habe den auch lange gehabt) und wurden ihn selten los, weil keine geeigneten Medi- kamente da waren und Schleim- suppen nur ganz selten, zum Schluss gar nicht mehr, gegeben wurden. Da die Kranken die Hü- ben und das Brot nicht essen konnten, dauerte es meist nicht allzulange, bis die eine oder an- dere morgens tot im Bett lag. Ich hatte für mich um Weihnachten herum auch nicht mehr viel Hoff- nung- Dabei war es nicht unge- fährlich von der Arbeit wegzu- bleiben und auf dem Block zu lie- gen, weil gelegentlich die Last- autos herumfuhren und diese Kranken aufsammelten. Wo sie verblieben sind, weiss kein Mensch. Also schleppte man sich eben zur Arbeit. Es war zum Ver- zweifeln, zumal es überall kalt war. Auch im Block war nicht geheizt, wenigstens am Abend nicht mehr, wenn wir von der Ar- beit kamen. Die Block- und Stubenältesten waren sehr mächtig, sie führten ein Leben, wie kleine Göttinnen. Meist waren es Polinnen, und da der Nationalhass selbst bis ins K. Z. ging, waren wir Deutschen für sie nur dazu da, bei der gering- sten Sache oder wenn wir nur das kleinste Anliegen vorbrach-, ten, angebrüllt zu werden. Ich ha- be mir von verschiedenen Häft- lingen sagen lassen, dass sie von ihrer Blockältesten furchtbar ge- schlagen worden seien. Sie hat- ten auch das Recht, einzeihe Häftlinge oder, wenn sie wollten, den ganzen Block Strafe stehen zu lassen- Genau so übel waren die Häftlinge, die als Lagerpoll- zei amteten; mit ihrem Riemen schlugen sie erbarmungslos zu. Auch die sogenannten Anweise- rinnen waren in den meisten Fäl- len nur der verlängerte Arm der S. S. (Portsetzung folgt). DAS ANDFRf OIUTICHIAND 15 PROFESSOR KARL BARTH UEBER DAS DEUTSCHE PROBLEM Der bekannte Bonner Theologe, der Hitlerdeutschland verliess, um nach Basel zu gehen, hat in der Schweizer "Weltwoche" über seine Eindrücke bei einer Deutschlandreise berichtet. Nachdem er auf den Widerstand in- nerhalb der katholischen und der evangelischen Kirche, seitens der Uni- versitäten und der Arbeiterschaft hingewiesen hat, fährt er fort: "Wenn man das Vorhandensein solcher oppositioneller Gruppen in Betracht zieht, so ist es falsch, alle Deutschen als eine einzige Bande von Nazis anzusehen. Die Mehrzahl der Deutschen waren in der Tat keine Nazib. Ihre Schuld besteht in ihrer Passivität. Darum -ist es falsch, die Deutschen mittels eines ausgearbeite- ten Wiedererziehungsplans vom Na- zismus heilen zu wollen. Aktuelle Tat- sachen haben das längst fertigge- bracht. Bs gibt kaum einen unter hundert, der nicht zugibt, dass Hit- ler Clown und Teufel in seiner Per- son vereinigte. Ihr dringt nicht zu der Wurzel des deutschen Problem::, wenn ihr mi. den Deutschen über Hitler sprecht Bismarck hat viel grössere Wichtig- keit. Denn einmal ihrer Nazimaskeiw de entkleidet, erweisen sich die mei- sten Deutschen, sogar solche, die vor- her aktiven Widerstand leisteten, als deutschnationaler Couleur. Sie be- trachten den Nazismus als bedauerli- chen Zwischenfall, aber alles, was vor ihm war, als absolut unantast- bar. Sie können nicht begreifen, dass der Nazismus die unvermeidliche Fol- ge der Bismarckschen Politik von Blut und Eisen war, die Deutschland zu einem imperialistischen und hoch kapitalistischen Land machte und zu- gleich zum Totengräber der Freiheit von 1848. Man muss den Deutschen diese ererbte Schuld klar machen, ei- ne Schuld, die einen Hitler und ein Maidanek-Lager möglich machte. (Das geschieht in dem Buch von August Biemsen, Preussen, die Gefahr Euro- pas). Ich bin davon überzeugt, dass ge- rade die Jugend, die von vielen als DAS GESICHT DER ZEIT Indien. Die Erklärung der engli- sche Arbeiterregierung, die Indien die volle Freiheit verspricht, scheint bei den Konservativen kaum Widerspruch gefunden zu haben. Augenscheinlich hatten che Meute- reien indischer See- und l.andtrup- pen und die wachsende "CnyiverJäs- sigkeit der indischen Polizei die massgebenden Kreise in London da- von überzeugt, dass England seine Herrschaft über Indien nicht mehr aufrecht erhalten kann. Angesichts des Vordringens der Sowjetunion in Iran in Richtung auf den persischen Meerbusen und die indische Grenze versucht man, sich vor Toresschluss mit den Indern in einer Form zu verständigen, die für die englische Wirtschaft und den englischen Han- del rettet, was noch zu retten ist. Gewiss wäre es weit besser gewesen, wenn die Arbeiterregierung gleich zu Besinn das getan hätte, wozu sie heute die Not zwingt. Trotzdem ist die Erklärung ,ru begrüsser. Sie wird zweifellos grosse Wirkungen in Asien haben. Oel! Die Transarabian Pipeline Companv, ein Tochterunternehmen der Amerikanisch-Arabischen Petro- leum-Gesellschaft, die gemeinsamer Besitz von Standard Oil und Texas ist. hat von Cunningham, dem Hohen Kommissar von Palästina, die Kon- zession zum Bau einer 1000 Meilen langen Petroleumleitung erhalten, die von Saud-«Arabien durch Palästina zum Mittelmeer führen soll. Das Nichtinterventions-Versprecher Englands und der Vereinigten Staae ten, welch letztere Franco-Spanien mit Produkten, versorgen, die es von Prankreich nicht mehr erhalten kann, hat Francos Stellung so gestärkt, dass er ei wagen konnte, eine Reihe ihm unbedingt treuer Generäle zu ernen- nen, um sich die Herrschaft über das bereits unsicher gewordene Heer er- neut zu sichern. Unter den Ernann- ten befindet sich Emilio Estevez In- fantes, der von der Sowjet-Union als Kriegsverbrecher denunzierte frühere Kommandant der "Blauen Division". Vie Wahlen in Italien erfahren, wie die in Oesterreich und Belgien, in der Presse eine falsche Bewertung. Nach dem Willen der monarchie- freundlichen Besatzungsbehörden fan- den sie nur in den Landorten statt. Sie haben aber den Monarchisten nicht den erhofften Erfolg gebracht. Die Stimme der sozialistisch-kommu- nistischen Koalition und die der christlich-sozialen Partei, die ihrer- seits keineswegs ohne weiteres als monarchistisch bezeichnet werden darf, halten sich ungefähr die Wa- ge. Man kann aus diesem Wahlausfall also schliessen, dass die Mehrheit des italienischen Volkes nach 20 Jahren faschistischer Diktatur links steht. De Gaulle soJi auf den geeigneten Augenblick warten, um mit Hille der Reaktion den Staatsstreich zu wagen. Er und seine Besucher sollen in sei- ner 30 km von Paris entfernten Woh- nung' von der Polizei streng über- wacht werden. Der Nürnberger Prozess wird in "italia Libre'' vom 16. 3. 46 als eine schmähliche Farce bezeichnet. Er spiele sich nach allen geheiligten Re- geln juristischer Prozedur ab, und nie sei das Recht schlimmer verletzt 'und der Hunger nach Gerechtigkeit von Millionen Männern und Frauen schamloser verspottet worden. Jedenfalls hatte der Staatsanwalt Jackson kaum Recht, sich aufzuregen, als ihn Göring auf die recht weit von dem wahren Schuldkomplex abliegen- de Frage, warum das Naziregime sei- ne Aufrüstung geheim gehalten hät- te, die Antwort gab, seit wann denn die Vereinigten Staaten öffentliche Angaben über ihre Rüstungen mach- ten. hoffnungslos vergiftet angesehen wird, sich einmal von der Naziideologie frei inachen wird. Was jedem Schulmei- ster passiert, wird, auph den Nazi- schulmeistern passieren: Leben und Erfahrung werden über die Schulweis- heit hinwegschreiten, bis nichts mehr von den Nazitheorien übrig bleibt. Es wird in der Hauptsache da- von abhängen, das richtige Milieu zu schaffen, das die Jugend von Grund aus zu anderen menschlichen Wesen umzuwandeln vermag. < Aus dem englischen zurückübersetzt.) Personalnachrichten Erich Knauf, ehem. Redakteur der Plauener SPD-Zeitung, dann Lektor der Btlchergilde Gutenberg, zuletzt Redakteur des 8-Uhr-Abehdblatts, wurde im Herbst 1944 von der Gesta- llt) hingerichtet. Carl Severin*; und Frlta Hengeler, früher M. d. R., wurden zu Vorsitzen- den der SPD im Bezirk Westfalen ge- wählt. Neu erschienen: März 1946 WMM UNSERE ZEIT IM QUERSCHNITT Sekcciones-Universales en Alem4n Universal Digest in German AUS DEM INHALT: Die und wir — Alfred Pol£ar CierlvhlstuK — Erich Weinert kleine Freundin, tllr Mau» — The happy time Schizophrenie — Time Spanische Frauen Im Gefttnitnla — Free World Pranciü i'ouleiiv und eelne Musik — Volci Knliiri'kuntc Im Dschungel — Di- gest and Revlew Immer noch ort er schon wieder! —• Newsweek Arheitcreieiid In Nordamerika — Reader's Scope Die firnliknmmern iler KUniirln En« i'liiiNiimiiii — Populär Mechanlc« Der »freut lieh? Verleumder — .Gottfried Keller Die jimiren frnnzttsischeu >Inler —• Magazine of Art Darwins wissenschaftliche Knt- wickliuiK nn f »«k rf fc* —T,e Asonde („ihre Reiseverkehr mit dem Jenseits — — Alfred Dublin ElnjrejcniiRene lUiclier Preis 60 Cts- mon./arg. Erhältlich in l iu'hhandlun.een und direkt beim General vertrieb C0SM0P0L1TA Corrientee 459 Sucre 2390 -f DAS ÄND ERE DEUTSCHLAND BESTELLSCHEIN (ausschneiden und einsenden) Sefior JUAN CAEL, Tucumän 309 Buenos Aires Der Unterzeichnete bestem; an ............... die Zeitschrift DAS ANDERE DEUTSCHLAND. Abonnements- preis in Höhe von 6.— Pesos und eine Spende von ....... Pesos für den Kampffonds bitte ich. bei mir monatlich, vierteljährlich Kassie, ren zu lassen — liegt diesem Briefe als Scheck, Giro, Bono Postal bei. Name und Vorname ................................................. Strasse und Hausnummer ......................................•..... Ort .................................................................. (bitte leserlich schreiben) CONFITERIA SUIZA Salon de Te Inhaber: Ludovico Weinberg Avenida Forest 1502 U. 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