OTRA ALE DAS ANDERE P E" CTfS m? M*N.1\ ORC.ANO de 1 z s ALEMANES DEMOCR ATICOS ' de .america** del •sur AUS DEM I N HA LT Gaston Marc: WIEDERERZIEHUNG DEUTSCHLANDS ZUM NATIONALSOZIALISMUS? KOSTSPIELIGE FRIEDENSSICHERUNG Anna Biemsen: DIE DEUTSCHE SCHULDFRAGE EINE SENSATIONELLE ENTHUELLUNG Heinz Paechter: WASHINGTON, DEN 25. MAI Hermann Graul: EINDRUECKE VON EINER REISE DURCH SUEDDEUTSCHLAND DEUTSCHES THEATER IN BUENOS AIRES Franz V/erfel: ZUR KULTUR UNSERER ZEIT BERICHTE AUS DEUTSCHLAND ■aaMWÜH BUENOS' AIRES • T U C U M A N 3 0 9 • 3 1' R E T 1 R O 7 2 6 4 NUMERO 120 15 DE JUNIO DE 1946 ADO VIII frei.kiu:1 cr.i e' "BAS ANDFRF DEUTSCHI AND VERTRETUNGEN DES ANDEREN DEUTSCHLAND BOLIVIEN La Paz: Guillermo Karbaum, Ca- silla 323. Tarija: Manfredo Hammerschlag, Lista de Correos. Cochabarobas Los Amigos del Li- bro, Casilla 450. BRASILIEN Rio de Janeiro: Gurt Uebel und Willi Keller, beide Casilla 4231. Sao Paulo; Eduard Friedländer, Caixa Postal 4287 und Kurt Len- hard, Caixa Postal 3289. PARAGUAY Asunc tön: Enrique und Susanna Bloci:, General Diaz 276- CHILE Osorno: Oscar Chylik, Casilla 323. URUGUAY Montevideo: LA OTRA ALEMA- NIA, Soriano 1224. MEXIKO Mexico D. F.: Walter Stein, Av. Victor Hugo 80, Colonia Anzures, , USA . New York: Gretl und Herrmann Ebeling, 203 West 98 Street, N. Y. 25. SCHWEIZ Basel: Herrmann Graul, Steinen- graben 12. Zürich: Neues Deutschland, Post- fach 143, Zürich-Fraumünster. FRANKREICH Paris: s- P. d7. 21 Place de la R#- publique, Paris 3. FINGLAND London: Wilhelm Sander, 33 Fern- side Avenue, Mill Hill, Landen NW 7. Hans Gottfurcht, 20 East Heath Road. flat 3, London NW3. RUEDAFRIKA Johannesbure:: Futran, 45 Sacks Building, Joubert de Comls*io- neers Street u. Independant Cul- tural Ass., Mapnin & Webb Hou- se, Cor. Hock & Piain Streets. Bei den obengenannten Vertre- tungen des ANDEREN DEUTSCH- LAND sind sowohl Einzelexemplare als Abonnements erhältlich. Wir bitten, in allen die Administra- tion und den Versand betreffen- den Fragen sich zunächst mit der zuständigen Landesvertretung in Verbindung ?u setzen. Vorausbezahlung des Abonne- mentsbetrages ist in jedem Falle unerlässlich. NACHRUF FUER KALI IN IN Mit Kalinin ist einer der letz- ten der alten bolscheioisüscnen Garde gestorben. Wie so viele der proletarischen Führer in Russland hat er von früher Jugend an sein Leben der revolutionären soziali- stischen Bewegung gewidmet una die Gefängnisse des Zarenreichs, kennen gelernt. Der Verfolgte und Geächtete wurde dann 1923 der erste Präsident der Sowjetunion und blieb es bis zum, März dieses Jahres. Seine Stellung war vorwie- gend repräsentativ. Aber Russ■ Wie man Nazis züchtet: Warum hö- ren wir jetzt von einem neuen An- wachsen des Nazismus? Die Antwort ist nicht schwer. Stellen Sie sich un- ser eigenes Land vor nach siebenjäh- rige ruchloser Tyrannei, weiteren sechs Jahren äusserst verheerenden Krieges, dann der Zerstückelung, dem Hunger und der Verzweiflung, Dass dann ein wilder Nationalismus erstehen würde, ist sonnenklar, und wilder Nationalismus ist dem Fa- schismus verwandt. Zwei kürzlich aus verschiedenen Zonen erhaltene Briefe drücken die Gefahr aus. Der erste ist von einem mir gutbekannten Deutschen, der entschiedener Antinazi von Anfang bis landreisende wussten zu berichten. wie von nah und )ern Rat. und Hilfesuchende zu dem "Väter- chen" Kalinin kamen, und wie er oft seinen Einfluss aufgeboten hat, um Ungerechtigkeit zu hin- dern oder Härte zu mildern. iDie Sowjetunion hat ihren er- sten Präsidenten mit allen Ehren bestattet. Das russische Volk und die Arbeiter der Welt werden sei- nen Namen in die Ehrentafel ihrer Vorkämpfer einzeichnen. zu Ende war. Er schreibt: .Leute, die vor 1933 schon aktive Nazimitglieder waren, sitzen ruhig in ihren schönen Häusern . . . Wenn ich mein Ge- wissen verraten hätte, wäre ich bes- ser daran ..." Der zweite Brief ist von einem in- timen Freund, dessen beharrlichen Mut ich hoch achte. Er schreibt: „Mein Bruder leistete den Nazis hef- tigsten Widerstand und machte vie- les durch. Er schreibt, dass dank der Haltung der Besatzungsbehörden, viele, die sich erbittert den Nazis widersetzt hatten, nun sich ihnen zu- neigen . . . Und doch würde das deutsche Volk heute für gutes Bei- spiel und Führung empfänglich sein." Harold Picton in .Tribune" DER STAND DER RUECKWANDERUNG DAS ANDERE DEUTSCHLAND per Luftpost Seit der vorigen Ausgabe kommt DAS ANDERE DEUTSCHLAND per Luftpost nach Rio de Janeiro. Jahresabonnements zum Preise von 35 Cruzeiros sind zu bestellen bei un- seren Vertretern Willi Keller, Caixa Postal 4231 oder Curt Uebel. Av. Viei- ra Souto 200, in Rio de Janeiro- BUECHERGILDE GUTENBERG Von der Büchergilde wird uns er. neut mitgeteilt, dass die bestellten Bücher erst dann an die Mitglieder gesandt werden können, wenn w die Zahlung dafür eingegangen ist. Ei- ne Mitgliedschaft oder Buchbestel- Aus London wird mitgeteilt: Die Einreiseerlaubnis nach Deutsch- land wird von den jeweiligen Besat- zungsbehörden nur individuell er- teilt. Es wird also keine Sammel- transporte geben. Herr Heinz Schmidt, der als Beauftragter des Rückwan- derer-Büros für deutsche Flüchtlin. ge Berlin und die britische Zone be- suchte, hat mit den dort zuständi- gen Komitees für die Betreuung der Opfer des Faschismus verhandelt. Al- le diese Komitees haben sich bereit erklärt, den zurückkehrenden Flücht- lingen bei ihrer Unterbringung und Suche nach Arbeit behilflich zu sein. Herr Schmidt übergab diesen Komi- tees die Personalangaben der für die 1 Rückwanderung Registrierten. Das Control Office for Germany & Austria nimmt augenblicklich keine Anträge für Rückwanderung in die britisch besetzte Zone an, es sei denn lung ist daher erst gültig, wenn die Zahlung dafür bei uns eingetroffen ist. Auf die in den Listen der Bücher, gilde angegebenen Preise wird für Südamerika ein Auslandsaufschlag von 20 Prozent erhoben. (1 schweizer Frank gleich 1 argentinische Peso). Vergriff* sind ausser dem Daumier die folgenden Bücher: „Die Gute Er- de", .Söhne", „Das geteilte Haus" und „Der Stille Don", Band 1 bis 3. Bestellungen in Argentinien durch DAD, Tucumän 309; in Brasilien durch Willi Keller, Rua Nascimento Silva 76 A, Rio de Janeiro; in Pa^ raguay durch Enrique Block, General Diaz 276, Asunciön. die Behörden in Deutschland hätten den Antragsteller für einen bestimm-, ten Posten angefordert. Für die ame- rikanische Zone 'gelten im Augenblick dieselben Voraussetzungen. Anträge für Rückwanderung in die franzö- sisch-besetzte Zone sind schon ge- nehmigt worden. Für die Einreise in die Sowjetische Zone einschliesslich Berlins werden die ersten Genehmigungen in be- schränkter Anzahl voraussichtlich bald erteilt werden. Für Berlin besteht Zuzugsperre, aber das Rückwande- rungsbüro deutscher Flüchtlinge er- hielt vom Magistrat der Stadt Ber- lin folgenden, vom 30. März datier, ten, Brief ; „Der Hauptausschuss Opfer des Fa- schismus" erklärt sich bereit, für die aus politischen Gründen nach Eng- land emigrierten Personen, welche ih- ren Wohnsitz in Berlin nehmen wol- len, die Zuzugsgenehmigung zu er- wirken. Es wird für den Empfang und dl* ersten Unterkünfte der Rückkehrer Sorge tragen und ihnen dabei behilf- lich sein, mit Behörden, Parteien, Or- ganisationen und auch mit ihren An- gehörigen in Kontakt zu kommen Für Personen, welche ausserhalb Berlins in der sowjetischen Besat- zungszone ihren Wohnsitz errichten möchten werden mit den dathr zu- ständigen Behörden Vereinbarungen getroffen werden, um diesen Personen die Weiterreise zu ermöglichen. Magistrat der Stadt Berlin Hauptamt für Sozialwesen ..... Hauptauschuss „Opfer des Faschis- mus^ gez. Gaschke." DAS ANDERf DEUTSCHEND 3 WIEDERERZIEHUNG DEUTSCHLANDS ZUM NATIONALSOZIALISMUS? n EINE REPORTAGE UEBER DEUTSCHLAND Einleitung: Das Pech für den Zeitungsleser ist, dass 99,9 o!o der Reporter, die irgend etwas über Deutsch- land schreiben, ein Kostüm tra- gen, Meist wird durch dieses Kostüm dokumentiert, dass sein Träger ein „War Correspondent" ist. Der Erfolg ist grossartig. Er- stens wird der ,,War Correspon- dent" überall sehr herzlich emp- fangen. Er bekommt von eigens für den Umgang mit solchen Ko- stümträgern erzogenen Offizie- ren ein umfangreiches Material überreicht, aus dem man Artikel nach Belieben fabrizieren kann, er »wird von einer Offiziersmesse zur anderen gereicht, und wenn er das Glück zu haben glaubt, endlich einen „authentischen Be- siegten" nach seiner Meinung fragen zu können, dann ist es gewöhnlich ein ,,Kollaborateur". Und sonst schadet es auch nichts, denn das besagte Kostüm ist so eindrucksvoll, dass fast j<=der sich sofort ,,einstellt". — Weil das so ist und weil ich keine Lust hatte, diesen Unfug mitzu- machen, verzichtete' ich auf alle Mätzchen. Der Erfolg war wun- derbar. Das was ich erzähle, ist nicht auf das sogenannte amtli-- I. LOS POLACOS EN ITALIA El general Vladislas Anders, com an dante del segundo ejercito polaco, es- t& realizando una violenta campa- fia de propaganda a los efectos de in. flulr al pueblo italiano y predisponer- lo contra los partidos izquierdistas, De acuerdo con las declaraciones formu. lad&s a esta corresponsal por el maris. " cal Josef Kus, comandante de campo de Matera, dichas fuerzas est&n distri. buyendo en toda la zona donde se en- cuentran, folietos de propaganda, apo. yando al movlmlento neofascista, del Uomo Qualunque y atacando a los ll. deres soclalistas y comunistas ltallanos, a quienes califican de "tiranos sangui narios que tienen a Stalin por genio mc,16fico". n, LOS POLACOS EN AUSTRIA W comandante en jefe del ejercito polaco en el exilio, teniente general Von Gatton Marc che Material gestützt, es ist aber dennoch authentisch und durch- aus nicht erfunden. Es kann Wort für Wort durch Dokumente und Zeugen belegt werden. Die Namen der einzelnen Orte und Personen sind nicht wichtig. Be- obachtungsradius auf dieser Rei- se war nichtViur die französische Zone. Und halt, ehe ich's ver- gesse: Die Leute, mit' denen ich sprach; wussten auch nicht, dass ich die Absicht hatte, ihre Er- zählungen wiederzugeben. • Es gibt doch ..zwei Deutsch- land". Das, das den Sturz Hit- lers als eine Befreiung gewertet hatte — das ist eine wenn auch grosse Minorität — und das, das entweder mit Angst oder mit Gleichgültigkeit den Zusammen- bruch des ,,Tausendjährigen Rei- ches" über sich ergehen liess. Die Minorität stellte sich vom er- sten Tage an sofort zur Verfü- gung, um am Aufbau der Hei- mat mitzuarbeiten. Sie übernahm damit, gewollt oder unaewollt. eine Verantwortung und - wird jetzt — nach einem Jahre schon — von der Majorität . . . ausge- lacht. Warum? Passen Sie auf. Was würden Sie nach 7 Jahren Wladislaw Anders, todavfa estaolonado en Italia, utiliza viveres y propaganda para desanimar a las persona.? despla. zadas polacas, residentes en las zonas americana y britdnica de Austria, a ciue retornen a Polonia. El general Anders, en un esfuerzo para contra, rrestar la campana de repatriaeiön empezada por las misiones del gobier_ no de Varsovia autorizadas a visitar los camnos de los oolacos en Austria. estä enviando expediciones de viveres a las zonas britänica y norteamerica- na con destino a los polacos desplaza. dos. Los representantes de Anders que transportaron los paquetes de viveres a la zona britänica de Austria disemi. nan propaganda antivarsovista en la forma de periödicos, revistas y panfle. tos publicados en Italia. Los paquetes de viveres son distribuidos vor autori. dades britänica» y de la UNRRA. — (OKA). KZ-Haft wegen illegaler Arbeit gegen das Hitlersystem z. B. sa- gen, wenn man Sie eines Tages verhaftet unter dem Vorwand, Sie hätten die Besatzungsmacht ,,beschimpft". Sie, der alte ille- gale Kämpfer für die Freiheit werden mit SS-Leuten zusam- men ins Gefänanis aesteckt. Und der wirkliche Grund? Die Toch- ter eines ehemaligen NSDAP- Ortsgruppenführers, ein Mäd- chen, das Sie .noch vor wenigen Monaten bei der Gestapo denun- zierte, weil Sie einem französi- schen Kriegsgefangenen heimlich etwas Essen zusteckten, hat Sie diesmal bei der Besatzungsbe- hörde denunziert, weil Sie als verantwortlicher Leiter des Woh- nungsamtes ihre Wohnung zu Gunsten eines Antifaschisten be- schlagnahmen wollten. Es be- durfte erst einer massiven Inter- vention von Ihren Freunden, da- mit Sie wieder freikamen. Wäh- rend Sie aber im Gefängnis sa- ssen, waren Ihre Frau und Ihre Kinder die Zielscheibe des Spot- tes der ehemaligen Nazis Ihres Quartiers, und als Sie wieder nach Haus» kamen, baten Ihre Angehörigen Sie himmelhoch, ..die Finger von der Politik zu lassen". Die Ernährungslage in den meisten Gegenden Deutschlands ist schlecht. Und auf dem Lande ist es so. wie es auah bei uns in Her schlimmsten Zeit war, man fandet immer noch etwas. Aber in den Städten 900 Kalorien pro Tag. Was das heisst, weiss nur, wer es erlebte. In einer Stadt arbeiten 2500 deutsche Zivilisten bei der Be- satzungbehörde. Diese deut- schen Zivilisten erhalten doppel- te Lebensmittelration und essen ausserdem — da sie meist in Küchen und Hotels arbeiten — cm ..Tisch des Herrn". Die Be- völkerung betrachtet eine solch einträgliche Beschäftigung natür- lich als Privileg. Kein Wunder. Aber — und jetzt wird die Ange- legenheit peinlich — man hat dl# LOS POLACOS EXILADOS — ELEMENTO DE INQUIETUD 4 DAS ANDER! DEUTSCHS. AND bei der Besatzimgsmacht be- schäftigten Personen nicht poli- tisch überprüft! Mit anderen Wor- ten: ca. 1500 ehemalige Nazis und darunter solche von ganz schönem Kaliber, sind die Privi- legierten der Besatzungsmacht. Dass sich sonst noch ,,Kontakte" zwischen Personal und ihren Be- freiern ergeben, versteht sich von selbst ... Spass beiseite! Ich sprach mit einem Manne der Be- satzungsmacht über die Dinge. Der Mann will uns wohl. Er hat •es bewiesen. Er sah mich tief- traurig an und sagte: ,,Wenn Ihr nicht bald begreift, was das be- deutet, dann . . ." Eine kraftlose Handbewegung beendete den Satz. Am Abend dieses Tages sass ich mit vier ehemaligen Hitler- jungen zusammen. Zwei Arbei- terjungens und zwei Gymnasia- sten. Wir sprachen über die Zu- kunft und ich versuchte ihnen begreiflich zu machen, dass es wichtiger und besser sei, ein Mensch zu sein, als sich einzu- bilden ein ..Herrenmensch" wer- den zu können. Sie hörten schweigend zu. Einer sagte dann: „Wir haben längst bearif- fen, dass man uns betrog. Aber wo ist das Neue? — Sehen Sie, jeden Sonntag vormittaa ziehen hier auf einem grossen Platz 200 bis 300 junge uniformierte Fran- zosen mit militärischem Klimbim zur Parade auf. Das sind die Kin- der von Offizieren . . . (Sehr ver- legen). Sehen Sie. die Kamera- den in meiner Klasse meinen: Erstens haben wir das ja viel kesser gemaeht und zweitens: Wozu denn das Alles, wenn man uns predigt, dass es schlecht war ..." Ein alter antifaschistischer i3tirnalist erzählte mir. dass die Ssnsur ihm verboten habe, den berühmten Brief von Romain Rol- land zu veröffentlichen, durch den Rolland s. Zt. Herrn Goeb- bels mitteilte, dass er dankend auf die Annahme der von den Nazis ihm verliehenen Goethe- Medaille verzichte. Einer der Mitarbeiter, der jetzt an der Zei- tung meines Freundes tätig ist, war auch Mitarbeiter des Reichs- Propaganda - Ministeriums! Der Verleger einer anderen in der ' gleichen Gegend erscheinenden Zeitung war Mitglied der NSDAP. In einer anderen Stadt besteht zwischen Besatzungsmacht und Kirche ein ausgezeichnetes Ver- hältnis. Das ist so gut, dass es .„höheren Orts" bisher scheinbar nicht bekannt geworden ist, dass der Herr Erzbischof förderndes Mitg.'ied der SS war. Nachdem der Erzbischcf 1935 mit gutem Beisoiel vorangegangen war, folgten ihm — mit einer Aus- nahme —die anderer^Geistlichen des Bezirks. Ermutigt durch die Tatsache, dass ihre Beziehungen zu den Befreiern" trotzdem ausgezeich- net sind, haben diese Herren ein nettes Spielchen erfunden. Wenn eines ihrer Schäfchen ernsthaft durch die Epuration bedroht wird, schreiben sie ihm einen netten Brief, in dem heiligst be- stätigt wird, dass der zu epurie- rende Herr in Wirklichkeit gar- nicht Nazi war. sondern nur so getan hat. Kein Wunder, wenn man selbst die Soutane als „för- derndes Mitglied" in der SS be- kleckerte. Ach, das Städtchen, von dem ich spreche ist herrlich. Die in- ternierten Nazi-Aktivisten haben zu Weihnachten mit Genehmi- gung des Laaerkommandcmten einen Weihnachtsstollen bekom- men. Und wenn die deutschen Linksparteien nicht in letzter Mi- nute noch geaen diesen Skandal protestiert hätten, dann würde man den ..armen Nazis" auch noch einen Neuiahrskuchen ge- backen haben. Er war nämlich schon beim Bäcker bestellt. Das Ländchen, in dem dieses Städtchen liegt, soll sich nun auch eine neue Verfassung ge- ben. Das ist doch klar. Man muss doch diesen Leuten endlich ein- mal zeigen, was richtige Demo- kratie ist. Verfassungen werden meist von Professoren gemacht. Von sogenannten Staatswissen- schaftlern. Das Professorenkolle- cium der Universität hat für den Verfassunasausschuss einen Sachverständigen gewählt. Die- ser Mann war seit 1934 fördern- des Mitglied der SA und seit 1937 Mitalied der NSDAP. Das macht nichts. Die Militärregierung bat die Ernennung dieses Mari- nes bestätigt. Natürlich ist er die beste Garantie .für eine wirklich demokratische Verfassung. In einem anderen Städtchen gibt es einen ehemaligen Gau- wirtschaftsberater. Dieser Mann war ein persönlicher Freund des Gauleiters Wagner, ein finanz- kräftiger Industrieller und der er- ste wirkliche Nazi in der ganzen Gegend. Er hat mit seinem Geld die Anfänge der SA organisiert. Während des Krieges stand er an der Spitze eines Unternehmens, das die Aufgabe hatte, Oel aus Steinen zu destillieren. Natürlich ein Zuschussbetrieb, bei dem der Herr Gauwirtschaftsführer auf Kosten der Steuergelder ein Riesengeschäft machte. Dieser Mann, war ... 6 Wochen lang verhaftet. Jetzt steht er wieder an der Spitze seines Betriebes und macht angeblich Versuche. Die Staatsregierung hatte gebeten, den Betrieb wegen seiner Un- wirtschaftlichkeit zu Schliessen, wurde aber nicht nur nicht ge- hört, sondern muss jetzt auch noch 500 000 RM zur Aufrechter- haltung des Betriebes zahlen. Die Leute, die sich Mühe geben, der Mehrheit des deutschen Volkes begreiflich zu machen, dass Deutschland eine Demokratie werden muss, fassen sich in stil- len Stunden an den Kopf und fra- gen sich, ob sie träumen, oder ob' man sie bewusst lächerlich machen will. Denn: es ist schon längst kein Geheimnis mehr für die Nazis, dass die Antinazis wie Don Quijotes gegen Windmüh- len ankämpfen und dass die ehe- maligen Nazis sich auch so be- nehmen. Der Mangel an Informationen wirkt sich mitunter komisch aus.. Eine Zeitung, die in einer Stadt in der amerikanischen Zone 8000 Abonnenten hat, darf keine Nachrichten aus dieser Stadt bringen. Alle Welt fragt sich: Warum? In einem zentralen Ge- biet der amerikanischen Zone hat sich die Sozialdemokratische Partei in zwei Wahlgängen als die stärkste Partei erwiesen. Zur gleichen Zeit wird ein alter be- währter Sozialdemokrat seines Postens als Polizeidirektor der grössten Stadt enthoben,1 weil er v V'S ANDERE OSUTSCHl ANÖ 3 cngeblich ,,nicht unparteiisch" sein soll. An seine Stelle kommt ein „Unparteiischer", nämlich ein Mctnn, der zwar tatsächlich nie einer Partei angehört hat, der auf Grund seiner Vergangenheit jedoch als Musterbeispiel eines . deutschen Militaristen -zu gelten hat. Er war nämlich Zeit seines Lebens Soldat. Der kleine Mann von der Strasse fragt sich: Wozu die ganze Wahl, wenn an die wichtigsten Posten Leute gestellt werden, deren Vergangenheit durchaus keine Garantie für den Aufbau eines demokratischen Staates bieten? Ja — und die Deutschen sollen ja auch mit neuer Literatur ge- segnet werden. Das heisst — mit Büchern, die ihnen Gelegenheit geben, eine andere Welt als die nazistische kennen zu lernen. Besonders dazu geeignet schei- nen nach Auffassung mancher Leute die ehemaligen Nazi-Ver- lecrer zu sein. Einwandfreien An- ti-Nazis, die einen neuen' Verlag gründen wollen, macht man Schwierigkeiten und einwandfrei, ■en Nazis ermöglicht man. Rekla- me zu machen, indem das Ge- schäft auf den Namen der Frau ' des ursprünglichen Verlagsinha- bert überschrieben wird. Im Deutschland der vergange- nen Jahre gab es einen Mann na- mens Meissner. Der war das Mu- sterbeisniel eines deutschen Be- amten. Er diente dem Kaiser, der P.epublik, er diente Ebert und Hinderxburg und. natürlich auch Kitler. Nicht etwa als kleiner Schalterbeamter irgend eines obskuren Postamtes — sondern als Staatssekretär. Dazu gehört schon etwas. In Deutschland ist man jetzt im Begriff, einiae Mil- lionen Meissner's zu ..erziehen". Man verbietet nämlich den Be- amten die politische Betätigung. Der Erfolg ist klar; Die ehemali- gen Nazis reiben sich vergnügt die Hände, und sagen: ,,So haben wir uns das immer vorgestellt". Die. Antinazis. nämlich Leute die von 1 bis 12 Jahren durch Kon- zentrationslager und Gsstapoqe- . fängnisse gewandert sind, .müs- sen sich jet?t in Acht nehmen, ■ dass sie picht von irgend einem - ehemaligen Nazi bei der Militär- regierung als ,,parteiisch" de- nunziert werden. IcK habe auf meiner Reise Männer kennen gelernt, die mir mit Tränen der Wut in den Au- gen sagten: dass sie am Ende ihrer Kraft seien. Denn, bei all diesen Dingen gibt es nämlich noch viele Kleinigkeiten zu be- rücksichtigen. Eine davon ist die offen zu Tage tretende Schaden- freude der ehemaligen Nazis. Ei-' ne andere ist d;e Tatsache, dass die Männer, die in den vergan- genen Jahren gehetzt und geäch- tet gelebt haben, keineswegs über die guten Beziehungen Ge- sellschaftlicher und anderer Art verfügen, dass sie keineswegs so viel Geldverdienen können wie die ehemaligen Naz.'bonzen, und dass sie aus all' diesen Gründen natürlich heute, wo man sich in Deutschland nur auf Grund guter Beziehungen zur Landbevölke- rung einigermassen normal er- nähren kann, auch noch die schlechte Ernährung für ihre jet- zigen Bemühungen in Kauf neh- men müssen. Ein alter Gewerkschaftler, den ich seit Jahren kenne und der 8 Jahre KZ hinter sich hat, sagte mir mit müder, verbrauchter Stimme: ,,Sieh mal, die Sache ist ganz einfach. Ich und keiner mei- ner Kameraden können franzö- sisch oder englisch sprechen. Wir sind einfache Arbeiter, und ' unsere Sehnsucht nach Freiheit und unser Kampf für die Demo- kratie hat uns nichts eingebracht. Wir.besuchten keine guten Schu- len, wir haben keine gute Um- gangsform, wir sind eben Prole- ten. Dass wir eine saubere We- ste haben, wagt niemand abzu- streiten. Aber, hör' mal genau zu: von diesen Feststellungen und der umgekehrten Tatsache, dass die ehemaligen Nazis in den mei- sten Fällen den sogenannten . .besseren'' Gesellschaftsschich- ten angehörten, eine gute Schul- bildung genossen und meist ge- sellschaftsfähig sind, lebt heute das ganze Geschmeiss. Die Tochter des Ortsgruppen- führers hat natürlich das Abitur gemacht. Sie sieht nett aus und spricht ausserdem noch gut eng- lisch. Welchem Offizier willst Du übelnehmen, wenn er sich lieber mit einem Mädchen unterhält, als mit mir altem Mann, der au- sserdem noch konkrete Vorstel- lungen von Demokratie und ähn- lichen Dinge hat. Der Herr Gau- wirtschaftsleiter ist ein Mann, der heute noch in seinem Keller guten Sekt hat. Einer Einladung in seine Villa wird natürlich viel lieber Folge geleistet, als einem Gespräch mit meinem Kollegen, der Zeit seines Lebens ein einfa- cher Bauarbeiter war und heute infolge der Umstände und auf Grund seiner einwandfreien Ver- gangenheit an der Spitze des Städt. Wohnungsamtes steht. Sieh mal, so kommen die Dinge alle zusammen . . ." Derselbe Mann erzählte mir, ei- ne eigenartige Geschichte, die ihn tief erschüttert hatte und für die ihm jede Erklärung fehlte. Er bekam durch Zufall die Rede ei- nes ausländischen Gewerk- schaftsführers zu Gesicht, in der dieser den deutschen Gewerk- schaftlern heftige Vorwürfe für den Mangel an Entnazifizierung und ähnliches machte. , Ja, weiss er denn nicht, dass wir über- haupt nicht dafür verantwortlich sind, dass wir selbst genau so wie er fassungslos vor der Unzu- länglichkeit der Entnazifizie- rungsmethoden stehen. Will der Mann uns beschimpfen? Oder ist er falsch informiert? — Ich hoffe das Letztere, denn sonst wäre es mir lieber, ich wäre in Buchen- wald krepiert!" Mehrfach fragte ich mich in diesen Tagen, ob ich das Opfer meiner Gutgläubigkeit geworden sei. Ich habe aus diesem Grun- de zahlreich Dokumente über die hier geschilderten Dinge gesam- melt. Ich habe mich nach den Gesprächen über die Integrität meh er Gesprächspartner infor- miert. Es möge mich niemand missverstehen, wenn er diese Zei- len liest. Ich habe mit nieman- dem Mitleid, noch vergesse ich die Fehler, die selbst von den Männern gemacht wurden, die hsute als politisch einwandfrei gelten Es ist aber wichtig zu wissen, was man will. Für mich st-ht fest, dass die Demokratien im Pegriffe sind, das Werk der deutschen Demagogen zu unter- stützen. Wer das will, der soll das offen sagen. Er soll aber in 2.0 Jahren nicht kommen und so tun, als ob neuer Hass unver- menäl^ch gewesen wäre. Dies ist nicht ein Vergessen KOSTSPIELIGE FRIEDENSSICHERUNG In der englischen sozialistischen Zeitschrift „xribune" behandelt Oieg Hoeiiicti^g den in Potsdam unternom- menen Versuch, „zwei unvereinbare Dinge miteinander zu verbinden; die Vertreter äusserster öicnerung zu be- lueaigen und daoei aer Vtrantwor- tung dafür zu entgehen, aass man cue Kossen des Briedens finanziert." Aehmich wie wir kommt der Ver- lasser zu dem Schluss, dass Potsdam keine brauchbare Lösung gebracht hat. „Das Mindestmass des Finanzbei- trages wird im grossen und ganzen gleich sein der Differenz zwischen aer Nachkriegsproduktion Deutsch- lands und seinem Mindestbedarf an Linterhaltsmitteln. Das jeroDiem besteht also, in der Frage, ob Deut- land in der Lage sein wird, seine Im- porte mit den Exporten au bezahlen. Nahrungsmittel werden nach dem Kriege Deutschlands grösster und dringendster Bedarf sein. Iis wirft ein betrübliches Licht auf die man- gelnde Koordination von wirtschaft- lichen und politischen Zielen der Alliierten, dass die Potsdamer Be- schlüsse darauf abzielen, die deutsche Landwirtschaft auf Kosten der In- dustrie zu stärken, während gleich- zeitig die Abtrennung der östlichen Gebiete alle Vorbedingungen für ei- ne solche Politik zerstört. Ihre Wir- kungen werden verschlimmert durch die Vertreibung in das Rumpfgebiet von Millionen Menschen aus den Randzonen und aus Osteuropa. Bis Ende 1946 wird dieser Zustrom die Bevölkerungszahl Rumpfdeutschlands auf mindestens 69.000.000 hochge- trieben haben, d.h., es werden soviel Einwohner, wie das alte Reich 1938 hatte, auf 314 seines Gebietes zusam- mengedrängt sein. Ein zweiter Hitler würde einen besseren Grund als der erste haben, zu erklären, dass Deut- schland ein Land ohne Lebensraum ist. . . . Rumpfdeutschland wird sehr über- völkert sein im Verhältnis zu dem vorhandenen und möglicherweise zu bearbeitendem Ackerland, und noch dazu wird seine Landwirtschaft wäh- von Buchenwald und Oradur. Es ist lediglich eine Frage der In- telligenz. Um diese Intelligenz zu benutzen, das heisst, zum Fort- schritt der Menschheit zu benut- zen, nennen wir uns fortschritt- lich. Es nützt uns auch nichts, diese Binsenwahrheit dadurch verleugnen zu wollen, dass wir cuf die Geschichte Frankreichs während der vergangenen Jahr- zehnte hinwiesen. Ein solcher Hinweis erspart uns nicht unsere Verpflichtung. Es is+ jetzt ein Jahr vergangen, seitdem man den Versuch unter- nommen hat, den Deutschen zu rend vieler Jahre seine friedenspro- duktivität noch nicht wieder errei- ' hen können. Die Ernteerträgt.isse lielen erheblich im Jahre 194b, und man erwartet, dass sie im Jahre 1946 noch geringer sein werden. Die Dun- gerheierungen, das Haupteilordcrnis lür bessere Ernten, sind diesees Jahr praktisch gleich Null, ui.d die Aus- sichten aul eine erhebliche Besserung während der nächsten Jahre sinu schlecht. Das bedeutet eine zuneh- mende Verarmung des Bodens. Wirk- same Bodenbearbeitung wird weiter erschwert werden durch Mangel au Pferden, Traktoren und landwirt- schaftlichen Maschinen. Die Aussichten für die Fett- und Fleischversor^ung sind äusserst schlecht. Das Vorkriegsdeutschland hatte ein Schwein für je 3 Deutsche und eine Milchkuh für je 6, Wenn der jetzige Viehbestand aufrechter- halten werden kann, was mehr als zweifelhaft ist, dann wird das Ver- hältnis je 10 Menschen auf eine Kuh und ein Schwein sein. . . . Alle diese Faktoren — und es könn- ten noch mehr aufgezählt werden — werden bewirken, dass Deutschland ein dauerndes Nahrungsmittel-Defizit haben wird gemessen an dem Ver- brauch, der zur Aufrechterhaltung von Gesundheit und Arbeitsfähigkeit erforderlich ist. Dieses Defizit wird mindestens zweimal so gross sein, wie seine Einfuhr an wichtigen Nahrungs- mitteln vor dem Kriege war, oder rohgerechnet £ 160.000.000 zu Vor- kriegspreisen, also ein bescheidener Betrag verglichen mit den englischen Nahrungsmittel-Importen in Höhe von £ 461.000.000 im Jahre 1945. Die Nahrungsmitteleinfuhren stel- len noch nicht alles dar, was gebraucht werden wird. Vor allem müssen sie bezahlt werden — das erfordert Aus- fuhr. Und Ausfuhr ist nur möglich, wenn die deutsche Industrie in die Lage versetzt wird, ihre Produktion wieder aufzunehmen. Die Deutschen selbst werden Kleider, Schuhe und anderes brauchen, was selbst bei ei- nem niedrigen Lebensstandard un- erlässllch ist. All dies erfordert Im- porte von Rohstoffen. . . . zeigen, dass die Demokratie ei- ne höhere Lebensform als der Faschismus ist. Am Ende dieses Jahr-s finden wir zahlreiche Men- schen in Deutschland, die uns vom ersten Tage des Zusammen- bruchs des Hitlerregimes die Hand zu diesem grossen Werk gereicht hatten, zermürbt und abschwächt von der täglichen Kleinarbeit. Sie sind im Begriff ihren Namen und ihre einwand- freie polnische Vergangenheit zu kompromittieren zum Schaden für uns, und zum Nutzen derer, die wir besiegt zu haben glau- ben* Selbst wenn die Allierten ihre Wiederausnamne autorisieren, so wird oeutschland bestimmt nicht die Ein- führung von Schutzzöllen und die Subveationen an „selbstgenügsame" mdustrieen gestattet werden, und sie weraen nicht, mit den billigeren im- ponierten Textilrohstoffen konkurie. i'en können. . . . Wenn es sich auch nur um unge- fähre Schätzungen handelt, so be- leuchten diese doch deutlich das Nach- kriegsproblem: Selbst eine drastische Eintuhr-Beschränkung von 45o|o an anderen Waren als Nahrungsmitteln wird in eir.em solchen Ausmasse durch den erhöhten Bedarf Deutschlands an Nahrungsmitteln wettgemacht, dass die Gesamteinfuhr um nicht mehr als ein Fünftel herabgedrückt wird. Die Festsetzung der Beschrän- kungen, die die Alliierten der deut, sehen Industrie auferlegen, wird be- stimmend sein für das Ausmass, in dem Deutschland seine Uebersee- Käufe aus seiner eigenen Tasche be- zahlen kann. . . . Die zu beantwor- tende Frage ist, ob es dazu in der Lage sein wird mit dem Industrie- potential, das ihm nach der wirt- schaftlichen Abrüstung gelassen wird." Nach ausführlichen Berechnungen kommt der Verfasser zu dem Schluss, dass die künftige Ausfuhr Deutsch, lands schwerlich dazu ausreichen wird, die notwendigen Einfuhren be- zahlen zu können. Er beendet darum seine Untersuchungen mit folgenden Worten: „Als die Reparationen von Versail- les Deutschland in eine etwas ahn. liehe Lage versetzten, brachte es fer- tig, ihre Kosten auf die Sieger da- durch abzuwälzen, dass es borgte ur.d seine Schulden nicht bezahlte. Dieses Mal sollte die Art, wie die Repara- tionen erhoben werden, ide Alliierten vor einer solchen Gefahr schützen. Jedoch hat der Beschluss, die Repa- rationen mit wirtschaftlicher Abrüs- tung und dem Herabdrücken der In. dusirie auf ein sicheres Niveau zu verknüpfen, sie in eine ähnliche Lage manövriert. Die greifbaren Vorteile aus dem unrentablen Prozess des Abtransports deutscher In- dustrie-Anlagen in alliierte Länder werden mehr als ausgeglichen wer- den durch die Kosten, die die Unter- Stützung der verstümmelten deutschen Wirtschaft verursachen. Auf jeden Fall wird diese Subvention nicht von den Hauptnutzniessern der Repara- tionen bezahlt werden. Werden die englischen und ameri« kanischen Steuerzahler bereit sein, diese Unterstützung unbeschränkt lange zu bezahlen? Werden ihre Po- litiker verspätet zugeben müssen und die andern Allierten davon überzeu- gen, dass sie sich überversichert ha« Ken. uyd die Last der wirtschaftli- chen Abrüstung" erleichtern? Öder werden- die westlichen Demokratieer. ihre humanitären ' Bedenken zum al- ten Eisen werfen und 4s» Verhungere Deutschlands auf dfe LWO» dulden? DAS ANDERE DEUTSCH* A DIE DEUT Die Diskussion über das, was man mit einem keineswegs glücklichen Ausdruck "die Kollektivschuld" nenn4:, kommt nicht zur Ruhe. Die unend- liche Vielfalt der Ansichten bewegt sich zwischen den beiden Extremen: Ausschliesslicher Schuldspruch gegen Hitler und seinen Kreis, unter Ableh- nung dev Verantwortung für alle an- dern, auch der Mitläufer, oder un - beschränkte Anerkennung einer kol- lektiven Schuld. Es wird schwer sein, in der so ge- schaffenen Verwirrung zu einer ruhi- gen Ueberlegung zu kommen, weil die verschiedene Stellungnahme nicht nur durch sachliche Ueberlegung bestimmt wird, sondern wesentlich durch die "grössten Feinde der Menschen" (nach Goethe): Furcht und Hoffnung. Furcht davor, dass ein Schuldbekenntnis die Lage Deutschlands verschlimmern, und Hoffnung, dass eine Selbstankla- ge die Sieger zum mindesten gegen die reuigen Sünder versöhnlich stimmen könne. Wenn ich an diese sehr dor- nige Frage rühre, so geschieht es in der Ueberzeugung, dass auch eine "schädliche Wahrheit" besser ist als ein "nützlicher Irrtum". Wesentlich für eine gesunde Politik ist der Mut zur Offenheit; deswegen ist es uner- lässlich, in ernstem Bemühen eine möglichst klare Erkenntnis zu erstre- ben, was am besten durch ehrliche Auseinandersetzung geschieht. Die drei Hauptauffassungen Die Meinungsverschiedenheiten schei- nen mir aus drei Grundauffassungen zu entspringen. Die erste, sozialisti- sche, sagt: "Da die gesellschaftlichen Verhältnisse das Bewusstsein und al- so auch das Handeln des Menscnen bedingen, ist es sinnlos, von Schuld zu reden. Die Greuel des Hitlerregimes sind zu erklären aus den deutschen Verhältnissen, in welchen ein feudal- absolutistisches Regime abgelöst wur- de durch einen monopolkapitalisti- schen Imperialismus, der den Natio- nalsozialismus grosszog, um die Ar- beiterschaft niederzuzwingen und die mit Terror durchmilitarisierten Mas- sen dann für seine Angriffspolitik zu verwenden. Aendern wir die Verhält- nisse, bringen wir durch weitreichen- de Sozialisierungen Agrarfeudalismus und Monopolkapitalismus zum Ver- schwinden, so werden auch die Symp- tome der schweren gesellschaftlichen Krankheit, innenpolitischer Terror, aussenpolitische Aggression, mit all»u Greueln, die sie zur Folge hatte, ver- schwinden. Von Verantwortung oder gar Schuld zu reden, ist also sinnlos, wenn man den kausalen Zusammen- hang versteht." Die zweite Ansicht, die sich auch bei sehr vielen Sozialisten findet, be- sagt.: Freilich bedingen die gesell- schaftlichen Verhältnisse das Bewusst- sein. Aber bedingen heisst nicht, ein- deutig festlegen. Es gibt eine persön- liehe Verantwortung. -Es gibt die Mög- lichkeit für. den Menschen, durch CHI SCHU von Anna Siemsen - Zürich seine sittliche Erkenntnis die Verhält- nisse zu meistern. Alle revolutionäre Tätigkeit, alle Aenderung zum Bes- sern ist ein Beweis hierfür und ge- schieht durch den Willen der Men- schen, die von ihrem Gewissen getrie- ben werden. Wo dieser Wille versagt, liegt eine Schuld vor. Wir müssen das Bewusstsein dafür wecken. Wir müs- sen beginnen mit der Sinnesänderung; nur dadurch können wir zu einer Aen- derung der Verhältnisse gelangen. Und am Anfang dieser Sinnesänderung nat die Schulderkenntnis zu stehen. Die dritte, wohl am weitesten ver- breitete Auffassung sagt einfach: "Po- litik ist ein schmutziges Geschäft, ein Kampf, in welchem der Stärkere und Rücksichtslosere siegt. Es ist das Un- glück. nicht die Schuld, des deutschen Volkes, dass die deutsche Reaktion sei besonders stark und bösartig war und dass sie vom Versaüler Frieden bis in den zweiten Weltkrieg hinein stets Unterstützung im Auslande fand. Die- ser internationalen reaktionären Ver- schwörung sind alle Völker, und voi allem das deutsche Volk, zum Opfer gefallen. Wenn schon von einer histo- rischen Schuld geredet werden soll, so ist es die internationale Reaktion, welche zur Verantwortung gezogen werden muss " Es ist deutlich, dasi mit einer Umkehrung der Vorzeichen nur ein kleiner Schritt ist von dieser Auffassung zur chauvinistischen Ver- sicherung. das deutsche Volk sei einer internationalen Feindverschwörung zum Opfer gefallen. Jede dieser Auffassungen geht nur von einem Gesichtspunkt aus und ge langt dadurch zu einer einseitigen, al- so halben Wahrheit, die bedenklich in die Irre führen kann. Ich überlasse es jedem Leser, selber abzuwägen, wel- chen Wahrheitsgehalt jede einzelne Auffassung hat. Je nach Charakter und Willensrichtung wird die Abgren- zung verschieden sein. Man wird in- des zugeben, dass keine einzige dieser Auffassungen vollständig abwegig ist. Wäre sie das. so wäre sie auch nicht gefährlich, denn sie würde keine Ueberzeugungskraft besitzen. . Wir aber wollen uns eine andere wie ich glaube, fruchtbarere Aufgab« stellen, nämlich uns fragen, welche Haltung am ehesten das deutsche Volk aus der fürchterlichen Katastro- phe herausführen und damit auch die Menschheit bewahren könne vor eins Fortdauer der zweifellos noch immer bestehenden deutschen Gefahr. Die politische Haftbarkeit Hitler ist geschlagen. Das Deutschn Reich besteht nicht mehr. Es gibt ein verwüstetes, unter fremder Herrschaft stehendes Gebiet, das bewohnt ist von einer Millionenmas?,e verelendeter verängstigter, hoffnungsloser Men- schen, welchen jede freie politisch" Entscheidung genommen ist, und dUe 7 LDFRAGE belastet sind mit Misstrauen und der wachen Furcht wohl aller Völker d?* Erde, deren hasserfüllte Abneigung wachgehalten wird durch die Prozeß se, in denen dargetan wird, welche Greuel systematisch im Namen de? deutschen Volkes begangen wurden und an denen ein beträchtlicher Teil Deutscher tätigen Anteil nahm. Aus dieser Lage ergibt sich die Wahrscheinlichkeit, dass die Deut- schen ganz besonders schweren Bedin- gungen unterworfen werden in Ab- machungen, welche nicht in Verträ- gen mit ihnen, sondern auf ihrem Rücken gemacht werden. Sollte man deutsche Behörden oder gar eins "Zentralregierung" zur Unterschrift; zulassen, so wird das eine rein juristi- sche Formalität sein. Von einer sol- chen Ausnahmelage ist kein anderes Land betroffen. Selbst die Japaner erfreuen sich einer erheblich milde- ren Behandlung. In der Weltöffent- lichkeit wird das begründet mit der besonders schweren Schuld Deutsch- lands. Ich gestehe nach genauester Prüfung, dass ich die Aufrichtigkeit dieser Begründung bezweifle. Horthv hat in Ungarn zuerst die Folter- und Terrormethoden ausprobiert; später haben die Gestapobanden Himmlers sie von den ungarischen Banden über- nommen. Von Horthys Regime wur- den die Mord- und Terrorbanden aus- gebildet, die in den Nachbarländern Unruhe stifteten und der Reaktion zu Hilfe kamen Mussolini hat in Italien weniger systematisch, aber nicht min- der grausam gegen die Opposition ge- wütet. und diese ging zwar in Kerker, Verbannung und Tod, fand aber nicht die notwendige Unterstützung bei den Volksmassen. Was Mussolinis Banden unter Duldung der europäischen Re- gierungen in Abessinien. in Spanien, gegen Griechenland verübten, war der Ausdehnung n?ch geringer, aber eben- so grausam und verwerflich, wie die Taten des deutschen Generalstabes und der SS. Auch Japans Methoden sind der Welt bekannt. Die Befürchtungen der Umwelt Wie kommt es, dass in all diesen Fällen nie die These von der Gesamt- schuld aufgestellt, sondern immer zwi- schen Volk und Regime unterschieden wurde, und dass dort die Sühneforde- rung kaum eine Rolle spielt? Augen- scheinlich bedarf die sittliche Em- pörung, die wir sogar weit stärker wünschten, der Aktivierung durch die Furcht: Es ist weit weniger die mo- ralische Verworfenheit der Deutschen als die gefahrdrohende Macht des deutschen Militärstaates, welche dio Furcht — verschärft durch die grauen- hafte Erfahrung der Hitlerbesatzung — zur Forderung der endgültigen Ver- nichtung Deutschlands verdichtet. Diese Furcht ist verständlich. Fünf von Preussen-Deutschland im Verlau- fe von achtzig Jahren geführte An- griffskriege mit immer weiterreichen» 8 DAS ANDER? DEUTSCHLAND den Zerstörungen machen die Forde- rung nach militärischer Entmachtung Deutschlands unvermeidlich. Und es ist durchaus zuzugeben, dass alle bis- herige Politik die Völker haften lässt für die Taten ihrer Regierungen, selbst wenn diese Regierungen durch Volkswillen beseitigt wurden (was bei Hitler nicht geschehen ist). Die deut- schen Regierungen selber sind gegen- über der französischen Republik und der Sowjetunion so verfahren. Es wäre durchaus zwecklos und auch unkon- sequent, wenn wir Deutschen dagegen revoltieren wollten. Die Siegermächte und alle übrigen Staaten haben das Recht auf Wiedergutmachung und ha- ben die Pflicht, sich zu sichern. Wei- das leugnet, erkennt die Wirklichkeit nicht und treibt ein gefährliches Spiel, das in eine neue Katastrophe führen muss. Eine andere Frage ist, wie die Mäch- te dieses Ziel der Sicherung am besten erreichen. Es ist nicht an uns Besieg- ten und zunächst Beteiligten, ihnen darüber gute Lehren zu erteilen. Und es scheint ja, zum mindesten bei vielen Engländern und einer amerikanischen Minorität, die Einsicht Platz zu grei- fen, dass die dauernde zwangsweise Verelendung eines Sechzigmillionen- volkes das sicherste Mittel ist, einen Gefahrenherd zu schaffen, der bei fortdauernden und sich steigernden Spannungen unter den Siegermächten erneut zum Brandherd werden könnte. Unter diesem Datum wird die Ge- schichte das Ende des New Deal ver- zeichnen, der im März 1933 mit dem Einzug Roosevelt's in das Weisse Haus begonnen hatte. An diesem Tag hat sein Nachfolger Truman den eintägi- gen Streik von 300,000 Eisenbahnern gebrochen, indem er die Machtmittel des Staates einsetzte. Es ist der erste Tag seit -dreizehn Jahren, an dem der Präsident der Vereinigten Staaten einstimmigen Jubel der gesamten Pres- se (mit wenigen unbedeutenden Aus- nahmen) auslöste. Sein Bild, das bis- her sorgfältig auf die Gestalt eines älteren, leutselig erscheinen wollen- den und griesgrämig grinsenden Rou- tine-Politikers hin komponiert war, erscheint plötzlich mit der ausladen- den Geste und den festen Zügen ei- nes herrschgewohnten, durch harte Erfahrung zu schwerwiegenden Ent- scheidungen schreitenden Führers. "Der Staat ist wieder unser" war das Thema, das die Unternehmervertreter in allen Tonarten variierten. Was war geschehen? Aeusserlich kaum viel mehr als was jahrelang zur täglichen Praxis des Gewerkschafts- kampfes gehörte. Zwei Eisenbahner- / Gewerkschaften wurden von der Re- gierung in einer technischen Frage zum Rückzug gezwungen. Die Lokomo- tivführer und Zugbegleiter verlangen seit Jahren Bezahlung für die volle Zeit ihrer ArbeitsbereitscÄäft. Sie wollen ihre Fahrzeiten so eingerichtet Es Ist nicht unseres Amtes, auf die- se Erkenntnis einzuwirken; vielmehr müssen wir unter den Deutschen die Einsicht vertreten, dass — wie immer auch die Politik der Siegermächte sei — Deutschland in einem kommenden Weltkonflikt nichts zu gewinnen, da- gegen alles zu verlieren habe, dass nur ein zu schaffender Weltfriede und eine europäische föderative Zusammenar- beit im Rahmen einer Weltsicherheits- organisation , die Aussicht in eine friedliche und schliesslich sogar glück- liche Zukunft für die Deutschen öff- nen können, falls sie ehrlich auf iedo Machtno'itik. auf jeden versuch einer Wiederaufnahme: verzichten. Dazu freilich bedarf es der Erkennt- nis. wie grundfalsch die bisherige Po- litik war. dass sie — von falschen Vor- aussetzungen ansehend, ohne Rück- sicht. auf dip Wirklichkeit. — ebenso an ihrer völligen Irrealität scheiterte, wie an den zutiefst unmoralischen Gewaltmethoden, mit dpnen s'e durch- geführt wurde, und die endlieh alle freien und nach Freiheit strebenden Völker und Einzelmenschen gegen die deutsche Gewaltherrschaft zusammen- schlössen. Dieser schwierige Prozess politischer und moralischer Erkenntnis muss von iedem einzelnen Deutschen gefördert werden. Darin liegt unsere Hauptaufgabe. Soviel über die politi- sche Haftbarkeit, der sich kein Deut- scher, auch kein Emigrant entziehen kann. von Heinz Pächter haben, dass sie nicht stundenlang auf eigene Kosten in den Wartesälen her- umsitzen müssen, bis ihr nächster fahrplanmässiger Dienst sie erheischt. Die Eisenbahngesellschaften haben je- des Kompromiss in dieser Frage ab- gelehnt. Auf Verlangen von Roosevelt wurde daher diese Forderung imrier wieder vertagt. Wie konnte sein Nach- folger eine solche technische Kontro- verse in eine Staatskrise ausarten las- sen? Aeusserlich wiederum spitzte sich die Situation dramatisch zu durch ei- nen kleinen Zwischenfall, eine blosse sprachliche Entgleisung, eine unge- schickte Formulierung in einem Brief zweier Gewerkschaftsführer, durch die sich der Präsident verletzt fühlte. Sie lehnten seinen Vermittlungs-Vorschlag als "unannehmbar" ab, mit der Be- gründung: "Wir haben Ihnen bereits gesagt, dass die Stimmung unter den Leuten ernst ist und ihre Forderun- gen nicht länger unbeachtet gelassen werden können". Eine jener Verstim- mungen zwischen der Exekutive und Volksfront-Kräften, wie sie unter Roo- sevelt unzählige Male vorgekommen und beigelegt waren? Nein. Truman fühlte seine Würde verletzt. Seit Mo- naten halten ihm die Unternehmer, die Presse, das Parlament, der reak- tionäre Flügel seiner eignen Partei, seine nächsten Freunde und Berater Es geht aber noch um etwas ande- res, nämlich um die moralische Schuld. Was diese angeht, so gestehe ich offen, dass ich hier nichts anderes kenne als die persönliche Verantwor- tung vor meinem Gewissen. So sehr ich dieses Gewissen durchforsche, hin ich nicht imstande, mich für mit- schuldig zu halten an den Greueln von Auschwitz. Belsen und Buchen- wald. Beste Freunde und Genossen sind in diesen Mörderhöhlen unter- gegangen Ich hätte gern mein Leben dafür gegeben, sie zu retten. Dass ich das nicht vermochte, war vielleicht eine Schwäche oder Ungeschicklich- keit. Und wohl jeder von uns emnfin- det eine Beschämung, dass wir über- lebten, wenn andere starben, und fühlt die brennende Verpflichtung, sein ver- schontes Leben einzusetzen, damit ei- ne bessere, sauberere und glücklichere Generation einst in Dankbarkeit und Ehrfurcht der ungezählten Opfer ge- denke. die auch in Deutschland einen martervollen Tod erlitten. Jeder Ein- zelne von uns wird sich zu prüfen ha- ben, wie weit er durch Herzensträg- heit, Unwissenheit, durch "die er- bärmliche Liebe zum Leben" untätig mitverantwortlich wurde. Und die, welche mitgewirkt haben an all den Verbrechen, die müssen um der Ge- rechtigkeit willen zur Verantwortung gezogen werden. Weiter aber gehs nach meiner Ueberzeugung die mora- lische Haftung im Unterschied zur politischen nicht. MAI 1946 in den Ohren gelegen und ihm ein- geredet, nicht er sondern die Gewerk- schaftsführer regierten. Amerika. Tru- man glaubte, in seiner Person sei der amerikanische Staat verletzt. Er wei- gerte sich, die Gewerkschaftsführer nochmals zu empfangen. Während sie im Vorzimmer warteten und weitere Verhandlungen mit den Gesellschaf- ten versuchten gab Truman zu ver- stehen, er sei am Ausgang der Ver- handlungen nicht interessiert. Wän- rend die spannungsvoll versammelten Presse-Vertreter eine Stunde, bevor die Frist für den Streikbeginn ablief, auf ein sensationelles Eingreifen des Präsidenten in letzter Minute warte- ten, liess er ihnen in aller Gemütsru- he sagen: wer Appetit auf Eiscreme halpe, könne mit ihm auf der Wiese hinter dem Weissen Hause picknicken. Indessen bereitete er Gestellungs- befehle vor, kraft deren die streiken- den Eisenbahner mobilisiert werden und die Züge unter Armee-Regie ge- fahren werden sollten. Nominell un- terstanden die Bahnen bereits der Re- gierung. Diese Prozedur war unter Roosevelt oft mit Erfolg angewendet worden. Auch Truman hatte sie schon erprobt. Zur selben Zeit wurden die Kohlengruben in Staatsregie ausgebeu- tet, um die Spanne zwischen dem Ab- lauf des Tarifvertrages und dem Ab- schluss eines neuen zu überbrücken. Normalerweise sollte dieses Verfahren damit enden, dass unter staatlicher Vermittlung neue Arbeitsbedingungen WASHINGTON, DEN 25. DAS AND f R f OEUTSCHt AN» 9 ausgehandelt und dann die Betriebe ihren Eigentümern zurückgestellt wür- den. Für die Zeit der staatlichen Re- gie trug die Regierung die Verantwor- tung dafür, dass der Betrieb funktio- nierte. Es war daher selbst juristisch unhaltbar, dass die Regierung Ver- handlungen ablehnte. Dies um so mehr, als die Eisenbahner auf einen früheren Vermittlungs-Vorschlag Tru- mans zurückkamen, der ihnen günsti- ger und annehmbarer erschien. Aber offenbar wollte Truman seinen Streik haben. Er setzte das ganze Land dem Schrecken einer Hungersnot aus. In der Tat setzte der Streik so ge- schlossen ein, dass für einen Tag das gesamte Wirtschaftsleben gelähmt war. Nach dieser Demonstration hör- te das ganze Land Truman am Radio. Er klagte die beiden Gewerkschafts- führer an, mutwillig das Wohl der Nation ihren eignen privaten Interes- sen zu opfern. Er malte das Schreck- gespenst des Welthungers. Er schwur, es handle sich nicht um einen Kon- flikt zwischen Arbeitern und Eisen - bahngessllschaften, sondern um Auf- lehnung einiger Individuen gegen den Staat. Mit keinem Wort erwähnte er die Gesellschaften, deren Nein eisern jede Verhandlung vereitelt hatte, und deren Profit in diesem Jahr höher war als je zuvor. Die Technik, das ganze Feuer auf zwei Leute zu konzentrieren, ist nicht neu. Wir erinnern uns, wer sie in München und während des Krieges angewendet hat. Die amerikanische Unternehmerpresse hat sie mit grossem Erfolg benutzt. Es ist ihr gelungen, John Lewis zum Oeffentlichen Feind Nummer Eins zu machen — und das Publikum dabei vergessen zu lassen, dass seine Bergarbeiter immer noch nicht die Knappschaftsversicherung haben, die er für sie verlangt. Die Führer des Fahrpersonals waren bis gestern obskure Gewerkschaftsbüro - kraten, denen jeder Gedanke an Um- sturz ein Grauen ist, und die jahre- lang keinen Streik für tunlich gehal- ten haben. Ihre wirtschaftsfriedliche Einstellung konnte nicht klarer be- zeugt werden als durch die Eile, mit der sie den Streik abberiefen, nocn bevor Papa Truman Zeit hatte, den grossen Stock aus dem Sack zu neh- men. Aber die Unternehmer und die Demokratischen Politiker mussten ih- ren Streik haben. Sie manövrierten diese beiden unglücklichen Helden wider Willen in die Lage hinein, dass sie ihre Streikdrohung ausführen mussten. Man war so erpicht dar- auf, einen Streik zu haben, dass man nicht einmal eine gemässigte Kapitu- lation unter den Bedingungen von Trumans eignen früheren Vermitt- lungsvorschlägen hören wollte. Es musste ein Ultimatum sein, entweder unter den neuen schlechteren Bedin- gungen zu Kreuze zu kriechen oder die Verantwortung für den Streik zu übernehmen. Indem die Gewerkschaften beides ta- ten, gaben sie Truman noch Gelegen- heit zu einer neuen Rede vor dem Kongress und zur Durchpeitschung eines Notgesetzes. gegen Streiks in le- benswichtigen Betrieben, per Beifall im Kongress war so gross, wie er es wohl seit Roosevelt's Annahme der Kriegserklärung nicht mehr gewesen ist. Er war besonders gross auf den Bänken, wo Truman bisher ein Romi- ne-Politiker genannt wurde,, der nur dem Zufall sein Amt verdanke, dass die Fraktionen sich nicht auf einen charaktervollen Vice-Präsidenten hät- ten einigen können. Jetzt dagegen, wird von Truman behauptet, er "be- sitze, was man zum Regieren braucht". Jetzt sind den Reaktionären plötzlich die Schuppen von den Augen gefallen und sie entdecken ihren Mann. ''Eine Wendung in Truman's Karriere'' ver- künden seine ehemaligen Gegner. Dass diese Wendung nicht so ganz einem zufälligen Umschlagen der prä- sidentlichen Laune zu danken war, geht wohl schon daraus hervor, dass die Verletzung seiner Würde gerads an der Stelle empfunden wurde, wo seit langem der schwache Punkt sei- nes Regierungssystems lag: bei der Frage der Staatsautorität. Selbst eine so starke Persönlichkeit wie Rooseveit konnte nur wenige Jahre lang zwi- schen den Klassen vermitteln. Die von ihm immer wieder vertagten Entschei- dungen wurden ihm schliesslich durcn den Krieg abgenommen. Es war je- dem klar, dass bald nach Beendigung der Feindseligkeiten die Volksfront gekündigt werden und eine grund- sätzliche Entscheidung über die zu- künftige Politik der Vereinigten Staa- ten herbeigeführt werden musste. Die Aufstellung von Truman als Vice-Prä- sident war eine Verlegenheitslösung, die der Entscheidung zwischen dem fortschrittlichen Wallace and dem reaktionären Byrnes auswich. Bald nach dem Amtsantritt Trumans aber zog Byrnes in das Aussenministerium ein. Eine Zeit lang schwankte die amerikanische Aussenpolitik zwischen der Roosevelt-Tradition, die Truman zunächst fortzusetzen suchte, und der intransigenten Haltung des russland- feindlichen Byrnes. Inzwischen ist be- kannt gegeben worden, dass Truman mit Byrnes über alle Fragen ganz ei- nig sei. Wahrscheinlich versuchte Tru- man, die Rechte durch imperialistische Aussenpolitik zu beschwichtigen, um im Innern die Linke durch Zuge- ständnisse halten zu können. Ist es aber möglich, imperialistische Aussen- politik zu treiben, ohne eine entspre- chende Innenpolitik zu haben? Die Wahlmanager der. Demokratischen Partei glaubten es. Sie haben die Wiederwahl ihrer Partei im Jahre 1948 im Auge. In der Person des füh- renden Apparatmannes Hannegan be- setzten sie das Postministerium — tra- ditionell die Schlüsselposition für die Hergabe von Posten und kleinen ver- pflichtenden Dienstleistungen. Aber heute sind die Verhältnisse etwas komplizierter als zu jener Zeit, als sieh das amerikanische Regierungssystem herausbildete. In der Form von Sub- ventionen, Rüstungslieferungen, Li- quidierung von Heeresgut und der- gleichen gibt es jetzt viele Möglich- keiten, Aemter für Freunde zu schaf- fen und anderen zu verdienen zu ge- ben. Das Wirtschaftskabinett des Prä- sidenten wurde von Konservativ-Libe- ralen besetzt. Sie sind die entscheiden- den Ratgeber in der Innen- und Wirt- schaftspolitik geworden. Es ist nun bezeichnend, dass es die- se Ratgeber waren, die lange Wochen hindurch dem Präsidenten vorspiegel- ten, sie könnten die bestehenden Ar- beitskonflikte auf friedliche Weise lö- sen. Sie rieten ihm ab, besonders Massnahmen zu ergreifen oder irgend- welche Neuregelung der Arbeitsgesetz- gebung zu fördern. Die New Deal-An- hänger, auf der anderen Seite verlang- ten die Schaffung einer stärkeren Schlichtungsmaschine, die Arbeits- konflikte in lebenswichtigen Betrieben verhindern sollte. Wieder nur äusserlich sah das aus wie ein Spiel mit verteilten Rollen. Die Rechte war scheinbar dagegen, die Streikfreiheit zu beschränken. Dia Linke wollte das Streikrecht regeln, um es zu erhalten. Rückblickend ist es klar, welches Spiel gespielt wurde. Dem Präsidenten wurde vorexerziert, dass er mit den Arbeitergewerkschaf- ten nicht regieren kann. Er wurde in die Lage hineinmanövriert, wo er dia Staatsautorität gegen die Gewerk- schaften verteidigen musste. Damit! hat er die Staatsmacht der regieren- den Partei gegen das Hauptkontingent der New Deal-Kräfte gestellt. Die not- wendige Folge muss sein, dass die De- mokratische Partei diese Wählermas- se für die kommenden Wahlen als ab- geschrieben betrachtet. Die Stellung Hannegans und anderer New Deal- freundlicher Apparat-Leute in der Re- gierung wird geschwächt und eine neue \usrichtung beider Pareien wird sich ergeben. Der ehemalige Preiskom- misar ehester Bowles. der als der stärkste Mann der Linken betrachtet wird, will bereits seit langem sei- nen Posten als Wirtschafts-Sta- bilisator aufgeben, um sich ganz der Vorbereitung einer politischen Laufbahn in Opposition zur Re- gierung zu widmen. Henry Wallace ist im Handelsministerium kalt ge- stellt, nachdem diesem alle Befugnis- se zur Erteilung von Subsidien genom- men wurden. Der unter starkem Druc< von Interessentengruppen stehende Kongress hat bereits die wichtigsten Bestimmungen über die Preiskontrol- le so stark abgeschwächt, dass nun einer ungehemmten Anhäufung von Profiten keine Schranken mehr ge- setzt sind. Trotz der ungeheuren Geld- flüssigkeit und der grossen Höhe der Staatsschuld ist das Schatzamt dabei, dem Drängen der Banken auf Erhö- hung des Zinsfusses nachzugeben. Das gemeinsame Lobby der Versicherung, und der Aerzte verhindert erfolgreich, dass eine umfassende Versicherungs- Gesetzgebung geschaffen wird. Der Senat hat schmählich vor der Obstruk- tion einer kleinen südstaatlichen Min- derheit kapituliert, als das Gesetz über die soziale Gleichstellung der Neger verlängert werden sollte. Das alles sind nur erste Anzeichen. Noch ist es nicht so sicher, dass die Nachkriegskonjunktur ohne Nachhilfe bis zu den Wahlen hinlangt. Noch hat der Präsident auf die Veteranen und auf die starken Parteiapparate in den nördlichen Städten Rücksicht zu |Q DAS ÄNDERE DBUTSCHC AND Eindrücke einer Reise in die französisch und amerikansich besetzte Zone Beim Uebertritt aus der Schweiz nach Deutschland wirken vorerst eine Fülle von Eindrücken auf einen ein, cie keine kollektive Betrachtung zu- lassen. Alles ist so differenziert und verschiedenartig, dass es nicht mög- lich ist, das, was sich einem darbie- tet, auf einen Nenner zu bringen. Gleich hinter dem deutschen Zoll- haus lauern eine Schar Kinder den Einwandernden auf, um ihn um ^rot oder Schokolade anzubetteln. Man kann den hungernden Kindern nicht böse sein. Tiefes Mitleid erfasst einen, wenn man zusehen muss, wie die heranwachsende Generation vom Hungertod gezeichnet ist. Währungsmässig hat Zieh noch nichts geändert. Noch immer gilt dei Hitlerkurs, 100 RM gleich 173,1 sfr., zu dem kein Mensch kauft. Die Eid- genössische Fremdenpolizei setzt 43 sfr. für 100 RM an, während Ge- rüchte wissen wollen, dss auf dem freien Markt 100 RM mit 4,5 sfr. ge- handelt werden. In Baden konnte man vernehmen, dass für 1 sfr. 100 RM geboten wurden. Was nutzt das aber alles, wenn es nichts zu kaufen gibt. Die Währung, die geachtet wird, sind Zigaretten, Uhren und Schokolade. Dafür bekommt man au- sser Lebensmitteln auch Benzin. Es werden auch sonst lebhaft Tauschge. schäfte getätigt. Z. B. Feuersteine ge- gen Eier, Nahrungsmittel gegen Klei- der und Hausgeräte aller Art. Bald werden auch diese Tauschobjekte zur Neisre gehen, und was dann? Ein Wirtshausessen in Heidelberg (Dnupelration) sieht so aus: Eine feldgrau aussehende Grau, pensuppe ohne Fett, einige glasige Kartoffeln, 1 Esslöffel Sauce, und ei- ne Portion Rüben in Wasser gekocht. Die Zerstörung der Städte bietet einen grauenhaften Anblick. In Frei- burg ist alles um den Dom herum zirstört. Die Zahl der Toten wird auf 20.000 »eschätzt, die teilweise jetzt noch unter den Trümmern liegen. Karlsruhe hat man Mühe, wiederzu- erkennen. Heidelberg hat weniger Schaden erlitten, während in Offen- bach am Maiii 38 Prozent aller Wohn- und Geschäftshäuser zerstört sind. men. Noch verlangen die breiten Mas- sen nach Sicherung gegen die Infla- tionsgefahr. Und noch ist Truman nicht völlig überzeugt, dass er die Lin. ke -erloren hat. Er meint wohl, mit Hilfe der Parteimaschine könne er sie zurückgewinnen. Aber selbst dann, wenn tias der Fall wäre, wäre der Er- folg nur persönlich. Die vor-Roose- velt'sche Lage würde wiederherge- stellt werden. Die Parteien wären wie- der, wie früher, kaum von einander zu unterscheiden. Die Volksfront des New Deal wäre gebrochen. Man kann eben auf die Dauer nicht neutral bleiben, und imperialistische Aussenpolitik er- leichtert nk:ht, sondern verschärft die Klassenkämpfe Im Innern, Von Hermann Graul. Basel Die Altstadt von Frankfurt am Main ist nicht mehr. Der alte Römer und das Rathaus existieren nicht mehr. In Giessen kennt sich,' wer einmal früher hier gewohnt hat, nicht mehr aus. 80 Prozent aller Gebäude sind vernichtet. In Darmstadt steht nur das Denkmal vom "Langen Ludwig", sonst ist alles nur ein Trümmerhau. ten. In Mainz ist es nicht besser. Und trotzdem muss man mit Er- staunen feststellen, dass die grosse Mehrheit bereit ist, mit neuem Mut an der Neugestaltung der Heimat zu arbeiten. Das Verhältnis der Bevöl- kerung zu den Besatzungsbehörden ist unterschiedlich. Viele Massnah. men werden nicht verstanden. Die Verpflichtung. alles, was Hitler im Namen des deutschen Volkes an Un- heil angerichtet hat. nach Möglich- keit wieder gutzumachen, wird aner- kannt. wenn auch die Kollektiv- schuld des gesamten Volkes abgelehnt "•ird. Zu tief sitzt die Erinnerung an rMe Konzentrationslager und an den Krieg, den Hitler gegen das eigene Volk führte. Die Helden des Wider- stands unter dem fürchterlichpn Ter- ror, von dem sich Aussenstehende kaum eine Vorstellung machen kön- nen. wehren sich, eine solche Kol- lektivschuld anzuerkennen. Die Entnazifizierung schreitet nur langsam vorwärts .Teder Deutsche hat in der nordamerikanisch besetzten Zone einen Fragebogen, der nicht weniger als 152 Fragen enthält, aus. anfüllen. Unwahre Ansahen werden ctren» bestraft. Merkwürdig. nv