QT RA ALEMA.NI DAS ANDERE DEU T S"C H I. A'N'D, O R V, A N O DE ' LOS ALEMANES DEMOCRAT1COS' DE .AMERICA DELrSUf® AUS DEM INHALTS August Siemsen: DIE POLITIK DER BESATZUNGSMAECHTE IN DEUTSCHLAND Walter Damus: DEUTSCHLAND IM JAHR 1946 Josef Orlopp: SED UND MITTELSTAND ENGLISCHE STIMMEN ZUM DEUTSCHEN PROBLEM AUS REICHSDEUTSCHEN ZEITSCHRIFTEN STUDENTEN IN DEUTSCHLAND DEUTSCHE KRIEGSGEFANGENE IN ENGLAND BERICHTE AUS DEUTSCHLAND ARBEITERBEWEGUNG UND FASCHISMUS NEUE BUECHER BUENOS - AIRES • T U C U M A N 3 0 9 • 3 i r R E T i K O 7 2 6 4 NUME RO 12 6 15 de SEPTIEMBRE DE 194S Deutsche Bibliothek Frankfurt em Main DAS ANDERE DEUTSCHLAND 1 VEKIKEIL.NUEX u£S ANDEREN DEUTSCHLAND BOLIVIEN La r'az: Ouillermo Karbaum, Ca- silla Tanja: Manlredo Hammersclilag, Lista de Correos. Cochabamba: liOs Amigos del Li- oro, Casilla 450. BRASILIEN Rio ae Janeiro: Gurt Uebel und Willi Keller, beide Casilla 4231. PARAGUAY Asunciön: Enrique und Susanna Jaloc3^ iv, v Reingewinn vom Preisskat am 6. 10. 45, La Paz . Reingewinn vom Preisskat am 8. 12. 45, La Paz .. 1 | I Ausgabe: Für Drucksachen, Depotmiete Belegen................,..... etc. Bs. 24.370.— . Bs 1.000.— 1.715.— >' 2.828.20 1 Bs. 29.913.20 - .. 1.625.— jjQQQiQOCiQQQOOOQOOOCCO i Nettobestand: Bs. 28.288.20 Im Depösito La Paz befinden sich ausserdem einige Sendungen von Klei- dungsstücken, welche von Ing. Maiwald, Oruro, Ing. Ossowski, Cochabamba und Günther Prinz, La Paz, in eifriger Hilfsbereitschaft gesammelt und dem Sekretariat zugestellt wurden. Die Sachen werden nach Instandsetzung und Ausfuhrmöglichkeit sofort deutschen Wohlsahrtsinstitutinen überwiesen. Der Ausschuss spricht hiermit allen Spendern und besonders den Freun- den. die sich der Mühe des Geld- und Kleidersammelns unterzogen, seinen herzlichen Dank aus und hofft auf weitere Mitarbeit in den kommenden Monaten. ..... n ___,t, „Hilfswerk für die Opfer der Nazis in Deutschland „ Arbeitsausschuß für Bolivien" I. A. La Paz, den 6. 8. 1946. Willi Karbaum. t ,? ? . ? / x r- DAS ANDERE DEUTSCHLAND 3 die politik der besatzungsmächte in deutschland und die rede von byrnes Der Bericht, den Wtrlter Damus in dieser Nummer von den Zu- ständen in Deutschland gibt, um- schliesst eine Unsumme von Not und Elend und eröffnet zugleich böse Aussichten für die Zukunft Gewiss ist das meiste, was dar deutsche Volk heute durchmo chen muss, unvermeidliche Foi- ge des Nationalsozialismus und der Hitler-Diktatur. Aber die Po- litik der Sieger hat das Elenc unnötig gesteigert und den mög- lichen Neuaufbau unnötig er- schwert. Ueber die Potsdamer Abma- chungen ist hier seinerzeit da° Notwendige gesagt worden. War gut an ihnen war, vor allem da^ Versprechen der ökonomischer Vereinheitlichung Deutschlands ist infolge des wachsenden Ge- gensatzes zwischen der Sowjet- Union und den angelsächsischer Mächten nicht durchgeführt wor den. Die unsinnige Zerreissunc Deutschlands in scharf getrennte Besatzungszonen machte vor vornherein eine wirtschaftliche Genesung unmöglich. Ueber die in Potsdam geforderte Zerstörung der Krieasindustrie hinaus ist fer- ner im Osten vieles abtranspor- tiert worden, um wenigstens in von August Siemsen etwas die fürchterlichen Wunder zu schliessen, welche die Nazi Invasion der russischen Wirt- schaft in brutalster Weise ge- -chlagen hat, ist im Westen vie- es von der noch vorhandener industriellen Produktionskapczi sät Deutschlands vernichtet wor- den, um die deutsche Konkurrent auszuschalten- Dazu kommt eine Unterernährung, die die Arbeits 'eistung immer mehr absinker lassen muss, und die das deut- sche Volk mit dauernder Schädi- gung der Gesundheit bedroht Das Misstrauen und die Feind schaft 'zwischen Ost und Wes* machen Deutschland zum stra- tegischen Aufmarschgebiet, in dem übermässig starke unpro- duktive Besatzungstruppen be assen werden, die den furchtbo- -en Mangel an Wohnraum und Verkehrsmitteln steigern. Ihre gu- le Unterbringung und reichliche Ernährung muss unvermeidlich kindliche Gefühle hervorrufen, -ien Nationalismus entfachen dem Nationalsozialismus neue Chancen geben und die Demo kratisierung Deutschlands hem- men. Diese wird auch dadurch erschwert, dass England und Amerika aus Angst vor den Sym- pathien, welche die Linke fi^r die Sowjet-Union haben könnte, wie überall in der Welt so auch in Deutschland, mit den kapitalisti- schen und reaktionären Elemen- fen zusammenzuarbeiten suchen und das nur insoweit einschrän- ken, als die Erfahrungen allzu schlechte waren. Endlich hat Frankreich eine besonders un- glückliche Politik betrieben, in- dem es sich zunächst bis zu ei- nem gewissen Grade von Hass- und Rachegefühlen, später von gänzlich veralteten Sicherheits" Bestrebungen leiten liess, statt seine grosse geschichtliche Chance der Zusammenarbeit mit der deutschen Demokratie wahr- zunehmen. ^IE RUSSISCHE POLITIK Andererseits haben die Russen Totz der hohen und oft rück- sichtslosen Reparationslieferun- gen, die sie —- notgedrungen — aus ihrer Besatzungszone fortge- führt haben, sich weit mehr als die Westmächte um schnelle Wiederingangsetzung der Pro" duktion wieder bemüht, vor al- lem aber eine Politik betrieben, die sich gegen die kapitalisti- schen und reaktionären Kräfte achtet. Das Wichtigste ist die Vernichtung des Grossgrandbe- sitzes, wodurch die preussisch" deutsche Reaktion eine ihrer stärksten und unheilvollsten Stüt- zen verloren hat. Die Förderung der Gewerkschaftsbewegung im Gegensatz zum Verhalten des Engländer und Amerikaner, die" Enteignung des Nazibesitzes, die Einführung der konfessionsloser! Einheitsschule sind weitere posi- tive und fortschrittliche Massnah- men, die geeignet sind, die Sym* pathien der arbeitenden Massen zu gewinnen. Als Fehlschlag erscheint dagert die Sozialistische Einheitspartei, weil sie nicht aus freiwilliger Zu- sammenarbeit erwachsen, son- dern unter starkem Druck der UNA PUBLICACION SOVIETICA SE REFIERE A LOS SINDICATOS OBREROS ALEMANES Moscü (Especial). — Los sindicatos obreres alemanes pueden prestar a los aliados una valiosa colaboraciön, ayudando a la eje- cucion del acuerdo de Potsdam y a la desmilitarizacion de la indus- tria alemana. Tal es la opiniön del periodista rusa N. Schmelyvo, quien publica en el diario "Trud" (organo de los sindicatos de la URSS) un estudio sobre la situaeiön de los sindicatos obreres en Alemania. El autor se muestra muy contento del desarrollo que los sindicatos alemanes han tomado en la zona rusa donde han sobre- pasado el nümero 2 millones de afiliadoö, entre los cuales se aeepta a ex-nazis, que no pueden ocupar ningun cargo, aun de la menor importancia. El autor se confiesa tambien muy contento de la cola- boraciön prestada por los sindicatos en la rehabilitaciön de las fä- bricas, en la realizaeiön de la reforma agraria y en la desnazifica- cion de la industria y de la banca. Contrasta este desarrollo, conti- nüa diciendo el autor sovietico, con la indiferencia que los sindica- tos obreros eneuentran en las demäs zonas de ocupacion, donde las autoridades oponen uha serie de obstäculos a los que quieren or- ganizarse siridicalmente, que hasta ahora ha redundado en serias dificultades gara los mismos. 4. DAS ANDERE DEUTSCHLAND Besatzungsbehörden mit demo- kratischen - Methoden forciert worden ist. Das Resultat der Wahlen in den beiden Sachsen und in Thüringen ist keineswegs, wie es fälschlich dargestellt wird, ein Sieg der SED. Diese Gebiete waren von jeher Hochburgen der Arbeiterbewegung. Das frühere Königreich Sachsen schickte un- ter 23 Abgeordneten- 22 Soziali- sten in den Reichstag des kaiser- lichen Deutschland; auf dem Par- teitag der USP im Dezember 1919 konnte ein Delegierter des r Be- zirks Halle seinen Bezirk als „das blutrote Herz" Mitteldeutschlands bezeichnen; 1923 wurden die so- zialistische Mehrheitsregierun- gen in Sachsen und Thüringen durfeh den" Reichswehreinmar^ch beseitigt; 1931 trug das Pro- grammheft der Magdeburger Or- ganisation für den Parteitag der SPD die Ueberschrift ..Die rote Stadt im roten Land". Trotz der arbeiterfreundlichen Massnah- men den Sowjet-Behörden und trotz der weitgehenden offiziellen Unterstützung der SED hat die Arbeiterschaft "bei den jetzigen Wahlen ihre Position gegenüber den früheren Wahlen wenig oder gar nicht verbessern können. Das besonders Bedenkliche aber ist, dass in den grossen Städten so- gar ein Rückgang der Arbeiter- stimmen festzustellen ist. Augen- schein lieh haben viele sozialisti- sche Arbeiter als Protest gegen den bei der Gründung der SED ausgeübten Zwana ihre Stimmen den bürgerlichen Parteien gege- ben. Damit ist das eingetreten was wir vorausgesagt-haben. Trotz des wenig befriedigen- den Wahlausgangs aber können die Russen bei ihrer Propagcmdo im westlichen Deutschland auf eine positivere Politik und auf bessere Resultate hinweisen als «lie Engländer und Amerikaner. Dfc REDE VON BYRNES Diese Tatsache und das fort- schreitende ökonomische und menschliche Absinken im We- sten; das für die Besatzungs- mächte wachsende finanzielle Ausgäben und politische Gefah- ren bedeutet, hat Byrnes zu einer Stuttgarter Rede om 6. Septem- ber veranlasst- Nach einer langen Kette ' von Irrtümern und Fehlschlägen der amerikanischen Politik in Deutsch land sagt hier Mr. Byrnes nun- mehr plötzlich ungefähr dassel- be, was wir bereits bei dem Zu- sammenbruch des Dritten Reichs gesagt haben. Es käme vor al- lem darauf an, den Nazismus- und Militarismus zu vernichten. Aber Deutschland .dürfe nicht in eine ruinöse . Inflation getrieber und zu einem Armen-Asyl ge- macht werden, von dem unheil- volle Wirkungen auf Europa aus- gehen müssten. Vielmehr müsse die deutsche Wirtschaft in einerr. solchen Umfang wieder aufge* baut werden, dass sie so viel iü? den Eigenbedarf und den unbe- dingt notwendigen Export her- st^len könne, dass das deutsche Volk den durchschnittlichen eu- ropäischen Lebensstandard er- reiche. Man müsse ferner den Deutschen klar sagen, womit sie für die Zukunft zu. rechnen- hat- ten, damit sie sich danach ein- richten könnten, und man müsse dem deutschen Volk schrittweise Walter Demtu»; seine Selbstbestimmung zurück- geben durch den Wiederaufbau der Demokratie in der Form eines Ausgleichs zwischen Föderalis- mus und Zentralismus, damit Deutschland möglichst bald sei- ne verhandlungsfähige Zentral- regierung erhalte. Diese positiven Forderungen, welche die Rede von Byrnes ne- ben einer Menge schöner Worte, auf die niemand mehr etwas gibt, enthält, können ein Silber- streifen am Horizont sein, wenn ihnen die entsprechenden Taten folgen, und wenn es gelingt, auf der Basis der ökonomischen Ein- heit Deutschlands und des Auf- baus der deutschen Demokratie zu einer Verständigung mit den Russen zu kommen. Was naiür~ lieh völlig fehlt in der Rede von Byrnes, ist ein Hinweis auf die Notwendigkeit des Sozialismus für den deutschen und europäi- schen Wiederaufbau. Und hier liegt die Hauptschwierigkeit, zu einer Verständigung und Zusam- menarbeit'mit den Russen zu ge- langen. DEUTSCHLAND 1946 Ein Sonderkorrespondent des .Manchester Guardian" besucht das Ruhrgebiet- Er geht zur Mit- tagszeit in die Wohnung eines Bergarbeiters. Die fünfköpfige -amilie sitzt beim Essen. Auf dem Tisch haben sie einige Scheiben Brot, etwa 30 Gramm Margarine und Ersatzkaffee ohne Milch. Die Tagesration pro Person war: 2 Scheiben Brot, 1 Messerspitze Margarine, 1 Teelöffel Haferbrei oder Aehnliches, 2 kleine Kar- toffeln. Aber die Kartoffeln wa- ren schon seit Wochen nicht mehr zugeteilt worden. Die Ration von amtlich 1014 Kalorien betrug in Wirklichkeit nur 800.: Als General Montgomery im Sommer 1945 die Verwaltung der englischen Zone übernahm, sagte er: „Wir werden den Bewohnern helfen und ihnen Nahrung, Woh- nung und Schutz vor Krankhei- ten geben.11 Zehn Monate später, in der bekannten Rede in Ho- stings, musste er berichten: ,,Wir haben die Rationen auf 1000 Ka- lorien senken müssen. Wir hof- fen, sie auf dieser Höhe halten zu können." Und um seinen engli- schen Zuhörern die Situation deutlich zu machen, setzte er hin- zu: ,,Die Belsen-Rationen betru- gen in der letzten Zeit 800 Ka- lorien." Das war im März dieses Jahres. Damals wurden die Rationen in der amerikanischen Zone auf 1275, in der englischen auf 1014, in der französischen-auf 950 ge- senkt. Zum Vergleich:-2665 Kalo- rien pro Tag wird von der UNRRA ?ls notwendig bezeichnet, um die Gesundheit und Arbeitskraft zu erhalten. Sinkt die Zahl unter 2000 oder gar unter 1500, so wird Gesundheit und Arbeitskraft be" einträchtig!, bei längerer Dauer des Zustandes • in immer be- schleunigtem Tempo. -In-England betragen die Rationen zur Zeit 2850. Die städtische -Bevölkerung in Frankreich, Belgien, ,Holland und Norwegen bekommt 1800 bis 2300. Die Länder,.:, in denen di» DAS AND Ell f DEUTS CHI AND s I UNNRA tätig ist, also Griechen- land, Jugoslawien, Tschechoslo- wakei und Italien 1400—1800. In Deutschland war in einigen ländlichen Gegenden die Lage bisher besser als in den Industrie- gebieten und Städten, aber die immer schärfer durchgeführte Be- schlagnahme beseitigt den ,,Ue- berschuss" auch dieser Gebietfe. Nach den Bestimmungen' des Potsdamer Abkommens und den im März dieses Jahres vom Inter- alliierten Kontrollrat in Berlin er- lassenen Ausführungsbestimmun- gen soll die Ration der Deutschen zwei Drittel des Nahrungsmittel- Verbrauchs von 1938 nicht über- steigen. In Kalorien ausaedrückt wären dies 2100, also 550 Kalo- rien weniger als das von UNRRA errechnete Mindestmass-. Obwohl Hitler sich die grösste Mühe gab, durch Intensivierung des Anbaus und durch Verbrauchsbeschrän- kung in der Aufrüstungsperiode Deutschland vom Ausland unab- hangia zu machen, mussten noch 1938 20 Prozent des Nahrungs- mittelbedaris eingeführt werden. Weitere 30 Prozent wurden' 1938 durch die jetzt abgetretenen Ostgebiete aufgebracht. Das iet- zige Deutschland würde alsc höchstens 5,0 Prozent des Bedarfs von 1938 aufbringen können, nicht aber die 66 Prozent, die vom Kontrollrat zugestanden wurden. Die Berechnungen des Kon* trollrats gehen von der Voraus- setzung aus, dass die Bevölke- rung Deutschlands im Jahre 194° 66,5 Millionen betragen wird. Heute leben, nach Schätzungen der Militärbehörden, in der eng- lischen Zone 22, in der amerika- nischen 17, in. der französischen 6 1'2, in der russischen 2.0 Mil- lionen Menschen, zuzüglich 1 "Million Ostflüchtlinge, die noch in der russischen Zone auf der Wan- derschaft sind und bisher keiner Zone für dauernden Aufenthalt zugewiesen wurden, Das sind zusammen 65,5 Millionen Men- schen. Oestlich der Oder befin- den sich noch 5 Millionen Deut- sche, die in das Restdeutschland abgeschoben werden sollen und von denen jedenfalls ein Teil es erreichen wird. Die polnische Re- gierung hat kürzlich erklärt, dass 3is zum 1. Okt. der letzte Deut- sche aus Polen ausgewiesen sein werde. 500.000 sollen bis Ende dieses--. Jahres noch aus Ungarn vertrieben werden, 300.000 aus Jugoslawien, und die im Sudeten- gebiet noch verbliebenen 2 Mil- lionen sollen bis Ende 1947 aus- gewiesen werden. Es werden also über 70 Millionen in dem ver- kleinerten Deutschland zusam- mengedrängt, die bestenfalls 50 Prozent des Nahrungsbedarfs von T938 produzieren können. Kann man annehmen, dass wenigstens diese 50 Prozent. der Nahrungsmittel in Deutschland erzeugt werden? Obwohl direkte Kriegsschäden bei der Landwirt- schaft nur im Rheingebiet zu ver- zeichnen sind, nähert sich der Boden in allen Teilen Deutsch- lands schnell einem Zustand völ- liger Erschöpfung. In normalen Zeiten waren befriedigende Ern- teergebnisse nur bei Anwenduno fortaeschrittenster Methoden und reichlicher Düngung möglich. . Heute fehlt es überall an gelern- ten Landwirten, feo dass der grösste Teil der Landarbeit von Frauen und Kindern gemacht werden muss, von denen viele nie zuvor auf dem Lancle. gear- beitet haben. Die Kunstdünger- industrie aber ist nach den Be- stimmungen des Potsdamer Ab- kommens weitgehend einge- schränkt worden*). In diesem Jahre schon war die Ernt^ um vol- le 10 Prozent geringer als norma- lerweise. Für die nächsten Jah- re ist mit einem weiteren Ab- sinken der Ernteeraebnisse zu rechnen- . In dieser Lage müsste Deutsch- land die Ausfuhr von Industrie- waren gegenüber der Vorkriegs- zeit steiaern, um Lebensmittel und Futtermittel im Ausland kaufen zu können. Es ist bekannt, dass die Kontrollkommission im März die Höchstgrenze der industnel- len Produktion festlegte: die Stahlerzeugung darf gegenüber 1938 28 Prozent nicht überschrei- ten, Werkzeugmaschinen 1.1 Pro- zent, Transportmittel 10 Prozent, (*) 60 Prozent der chemischen In- dustrie der Vorkriegszeit werden wegfallen Die verbleibenden 40 Pro» zent der Anlagen werden im wesent- lichen zur Herstellung pharmazeuti- scher Artikel verwandt werden müs- sen, deren Ausfuhr g-estattet sein soll. usw.; die Herstellung von Loko- motiven und Traktoren, von Gum- mi : und Benzin wurde ganz ver- boten! Die wirkliche Produktion bleibt selbst hinter diesen Zif- fern weit zurück. Im April wurde für die verschiedenen Zonen ei- ne industrielle Produktion von insgesamt 15—30 Prozent gemel- det. Es wurde aber hinzugesetzt, dass die Fabriken, die wieder in Gang gesetzt wurden, nur solche Rohstoffe oder Halbfabrikate ver- arbeiten, die noch aus alten Be- ständen stammten. Für Juli wur- de vorausgesagt, dass die Roh* stoffe ebenso wie die Betriebs- stoffe aufgebraucht • sein wür- den. Vom Ausland können Ron», stoffe nicht eingeführt werden. Der Austausch zwischen den Zonen ist infolge der getrennten Verwaltung erschwert. Ausser- dem sind die Wasserwege und Eisenbahnen immer noch zum allergrössten Teil unbrauchbar. Auf dem Rhein liegen 2 Millio* nen Tonnen holländischer und über 2 Millionen Tonnen deut- scher Schiffe ,-sie können nicht fahren, da Brückentrümmer den Weg versperren. Im Ruhrgebiet sind von 200 Brücken nur zwei für Eisenbahnen und Lastwagen passierbar. Die Elbeschiffahrt reicht yon Hamburg bts Lauen- burg (Grenze der russischen Zone) und dann wieder bis Mag- deburg, wo die Trümmer der grossen Elbebrücken die Fahrt- strasse versperren. Das Wohnungselend hält an. Mit vielem «uten Willen sind Pia* ne über Pläne ausgearbeitet worden, aber ihre Durchführung scheiterte an der Materialienapp- und <*m den schlechten Trans« ^r^'ArVifjHnissen. Im August die- ?es Tahres kündigten die Berli- ner Behörden an, dass sie ietzf ernsthaft mit dem Wiederaufbau beginnen wollten, und die Führer ,der Sozialistischen Einheitspartei machten eine Eingabe dn dis Kontrollkommission, in der sie um Zuweisung von Zement baten. In der ■■ englischen Zone gab es vor dem Kriege 5 V2 Millionen Häü" ser, davon waren bei Kriegsend# noch 2 Millionen bewohnbar. Tin ersten Friedensjahr sind 1[2 Mil- lion repariert worden. Es fehlen also nöch 3 Millionen, das sind die schwerer und schwerst be- 6 DAS ANDERE DEUTSCHLAND schädigten Wohnungen, die ohne neues Material, vor allem Ze- ment und Eisen, nicht zu reparie* ren sind. Die Eisen- und Stahl- produktion ist durch die Kontroll- kommission auf 28 Prozent herab- aesetzt worden, aber auch diese 28 Prozent können nicht produ- ziert werden, da es an Kohle fehlt, und Kohle kann nicht ge- fördert werden, ehe der Ruhrar- beiter zu essen bekommt- Die Zementproduktion wurde von 12 Millionen Tonnen jährlich au* 8 Millionen herabgesetzt. Natürlich braucht Deutschland in der Wie- deraufbauperiode sehr viel mehr Zement als in normalen Zeiten. Amerikaner haben berechnet, dass in ihrer Zone 20 Millionen Tonnen gebraucht werden, nur um die alten Ziegelsteine zu verwenden, die aus den Schutt- haufen der Städte aerettet wur- den. Diese Zone dürfte, nach den clliierten Bestimmungen, etwa 2 Millionen Tonnen jährlich produ- zieren, die wirkliche Produktion ctber beträgt knapp 200.000, wie- derum weil Kohle und Tran^rort- moglichkeiten fehlen. Das Woh- nungselend wird verstärkt durch den andauernden Zustrom von Flüchtlingen aus dem Osten und dem Donaugebiet. Schlechte Wohnverhältnisse und die katastrophale Ernähr rungslage fordern zuerst ihre Oofer unter den Alten und Kin- dern, bei denen die Sterblich- keitsziffer ständia ansteigt. Bei keinen Kindern bis zu 12 Jahren ist Rachitis, bei den 12—17jähri- aen Tuberkulose weit verbreitet Unter den Erwachsenen fordert das Elend seine Opfer in hundert verschiedenen Formen. Wenige sterben am Hunger, viele an Krankheiten, nachdem ihre Wi- derstandskraft untergraben wur- de. Erst in allerletzter Zeit kom- ren Nachrichten über reine Hun- aersymptome. Der englische Nachrichtendienst meldete im Auaust aus Hamburg, dass dort 10.000 Fälle von Hungeroedem festaestellt Wiarden: Wasseran- sammlung im Zellgewebe und starke Anschwellung aller Kör- perteile. Die psychologische Situation ist ebenso bedrohlich wie das physische Elend. Apathie und Hoffnungslosigkeit greifen immer veiter um sich. Die Zahl dei Selbstmorde steigt. Es steigt die Zahl der Todesfälle, die keine er- sichtliche Ursache haben, die nur auf das Erlöschen des Lebens- willens zurückgeführt werden können. Die amerikanischen Be- satzungsbehörden nennen das' medical suicide. Im letzten Win- ter gab es noch Hoffnung, trotz Hunger und Kälte: „Wenn wir nur diesen Winter überleben, den er .sten Nachkriegswinter, dann muss es ja besser werden.11 Die deutschen Hitleraegner, die Ver folgungen und Konzentrationsla- ger überlebten, haben sofort an' lefanaen, am politischen u. wirt- schaftlichen Neuaufbau mitzuar- beiten- Heute aber greift da? Gefühl um sich, dass jede Ar- beit aussichtslos ist. Das Flücht- lingselend trägt dazu bei, die psychologische Situation zu ver- schlechtern. Die Flüchtlinge sind körperlich und geistig am Ende und die Ausweglosigkeit und Hoffnungslosigkeit, die sie aus- strahlen, überträgt sich auf die Allaemeinheit. Hilfe kann nur von aussen kommen. Unbezahlte Hilfe, frei- willig und gern gegebene Hilfe von uns, die wir hier draussen sind. Niemand darf sagen: was wir tun können, ist so wenig, dass es kaum etwas nützen wird. Was würdet Ihr tun, wenn bei :inem Schiffbruch die Hände Er" trinkender sich Euch und Eurem Boot entgegenstrecken? Würdet Ihr sie ertrinken lassen, da ja doch nicht alle gerettet werden können? Oder würdet Ihr.die auf- nehmen, die in Reichweite sind? Drüben mühen sich die Genos- sen, neben Ihrer Tagesarbeit und trotz der grossen Ermüdung, die iie ungenügende Ernährung ver- ursacht, andere zu retten. So -chreibt die Arbeiterwohlfahrt Es- -->en: „Sofort nach dem Einmarsch der alliierten Truppen begannen wir mit dem Neuaufbau unserer Hilfsorganisation. Sie ist heute grösser als 1933. Aber die Not ist noch viel grösser. Wir geben den Waisenkindern ein Dach, wir sorgen für die Kinder unserer 3enossen, die ein Opfer der Ge- stapo wurden, wir helfen den Flüchtlingen aus dem Osten. Aber wir können dieses Meer von Elend allein nicht eindämmen. Darum wenden wir uns an Euch in Amerika um Hilfe!" Englische Stimmen zum deutschen Problem „Daily Herald", 20. Juli 1946 Das komplizierte Problem der eng- lischen Politik in Deutschland soll in der kommenden Woche neu über- prüft und neu geplant werden. Eine Neuplanung ist notwendig, wegen des Zusammenbrechens — das Wort ist nicht übertrieben — der Wirtschafts- politik, die vor einem Jahi'e in Pots- dam von den grossen Drei vereinbar'- worden war. In dieser Politik waren zwei Punk- te wesentlich. Der erste war, dass. „Deutschland als eine zusammenhän- gende Wirtschaftseinheit betrachtet werden sollte". Der zweite, dass „Re- parationszahlungen genügend Mittel zurücklassen sollten, um es dem deut- schen Volke möglich zu machen, oh- ne äusseren Beistand auszukommen." Der Potsdamer Plan ist niemals in Gang gesetzt worden. Deutschland ist niemals als zusammenhängende Wirtschaftseinheit behandelt worden. Es gab keine — wie ausdrücklich in Potsdam gesagt wurde — "gemeinsame Politik11 bezüglich solcher Angelegen- heit wie Geld- und Bankwesen, Löh- ne, Preise und Rationierung, „Ein- fuhr und Ausfuhrprogramme für Deutschland als Ganzes". Es gab nicht einmal Handelsfrei- heit zwischen den vier Zonen unter annerter Kontrolle oder irgend eine Zusammenfassung der Hilfsmittel. Kurz gesagt, von wirtschaftlicher Seite gesehen, ist das ,.Potsdamer Sy- stem1' eine Fiktion. Es gibt für uns hier im Lande einen unverzüglichen und zwingenden Grund, diese Politik zu revidieren. Als direktes Resultat der Nichtdurchfüh- rung des Potsdamer Planes zahlt der Britische Steuerzahler 80.000.000 Pfund jährlich, um zu verhindern, dass die englische Zone in Hungersnot und wirtschaftlichem Chaos versinkt. Das kann sich nicht weiter fortsetzen. Deshalb kündigte Bevin in Paris an, dass, wenn seine Vorschläge für die Wiederherstellung der wirtschaftli- chen Einheit nicht angenommen wür- den, die britische Zone in einer Wei- se reorganisiert werden müsste, "das keine weiteren Belastungen auf den englischen Steuerzahler fallen". Die Vorschläge wurden nicht an- genommen. Die englische Regierung ist gezwungen, zu handeln oder we- nigstens sich darauf vorzubereiten. Es ist eine ungeheure Aufgabe. Sie bedeutet Neuerwägungen solcher Fra- gen wie die des Niveaus der deutschen Industrieproduktion, der Verteilung der Ruhrkohle, der Fortsetzung oder des Aufhörens von Reparationslief•- DAS ANDERE DEUTSCHLAND 7 Hingen, der Mittel und Wege, die Ausfuhr zu erhöhen, um so die Geld- »mittel für die Bezahlung" von wichti- gen Einfuhren von Lebensmitteln und Rohmaterialien zu schaffen. „Tribune", 26. Juli 1946 Mr. Byrnes Pariser Vorschlag, dass „eine oder mehr Zonen" in Deutsch- land unverzüglich mit der Errichtung der Wirtschaftseinheit unter sLch selbst beginnen sollten, ist mit Recht als ein Sonderangebot zur Zusammen- arocir. au u.^v.Jegt worden und zur gleichen Zeit als eine War- nung an die' Sowjetunion, dass ein Vereinigtes Westdeutschland eine vollendete Tatsache werden würde, wenn die Sowjetbehörden fortführen. Reparationen aus der laufenden Pro- duktion aus ihrer Zone zu entneh- me», unter vollständiger Miesach- tung des Bedarf der westlichen Ge- biete. Die englische Antwort zu diesem Vorschlag ist nicht so begeistert ge- wesen, wie es von gewissen Stellen angenommen wurde, obgleich die englische Zone weit mehr unter der augenblicklichen Situation leidet als die anderen. Aber für England wür- de die Annahme des amerikanischen Angebotes darauf hinauslaufen, jeden künftigen Versuch aufzugeben, mit den Russen zu einem Verständnis zu kommen. Wenn diese Versuche sich endgültig als hoffnungslos herausstel- len, mag die Regierung keine andere Wahl in dieser Angelegenheit haben. Aber solange noch die geringste Hoff- nung für Zusammenarbeit besteht, muss England sich an sie klammern. Denn sich in eine endgültige und un- widerrufliche Teilung Deutschlands in zwei Hälften zu schicken, bedeu- tet, sich in eine endgültige und un- widerrufliche Teilung Europas zu schicken. Die Regierung der Verei- nigten Staaten mag bereit sein, lieber eine solche Situation hinzunehmen, als den scheinbar endlosen und Ner- ven zermürbenden Streit fortzusetzen, der nirgend hinzuführen scheint Aber Amerika mit seiner physischen Entferntheit und politischen und wirt- schaftlichen Unabhängigkeit von Eu- ropa kann es sich leichter leisten, un- geduldig zu werden als England, das, obgleich es kein Teil des Kontinents ist, doch an ihn gebunden ist und in vielen Beziehungen von ihm abhängt. Bs ist deshalb eine willkommene Nachricht, dass doch noch neue Ver- suche gemacht werden sollen, um ein Viermächteabkommen über den Han- del zwischen den Z^-n^n und andere Fragen, die die schliessHche Wieder- herstellung der deutschen Wirt- schaftseinheit betreffen, zu erzielen. Das erste praktische Resultat dieser erneuten Bereitwilligkeit „es noch einmal zu versuchen", war die Schaf- fung einer Viermächtekommission, um die deutsche Kohlenlage zu studieren und Pläne für eine vermehrte Koh- lenproduktion vorzuschlagen, ebenso wie einen angemessenen Plan, um die Kohlenerzsugung für den Inlandver- brauch, Export und Reparationen auf- zuteilen- „Manchester Guardian", 30. Juni 1946 Für-den der beobachtet hat, mit wel- cher Schnelligkeit sich unsere Angele- genheiten in Deutschland in den ver- gangenen f -onaten zur Katastrophe bewegten, wird die Entscheidung der Regierung, das Angebot von Mr. Byr- nes für die wirtschaltliche Fusion mit der amerikanischen Zone anzu- nehmen, alles andere als überstürzt erscheinen. -Seit Ende des Krieges in Europa haben die Briten ein be- trächtliches Stück Arbeit in Admini- stration und Wiederufbau geleistet, eine Arbeit von Tausenden von Or- ganisatoren und Technikern, die — im ganzen gesehen — hart gearbeitet und ihr bestes getan haben. Die Er- gebnisse waren bisher Kostspielig, oh- ne uns besonderen Kre :t gebracnt zu haben: Die Industrie steht still, der Handel stockt, der einfache Mann hungert und die vorherrschende politische und soziale Stimmung wird verschlechtert durch Mangel, Verär- gerung und Pessimismus Man Kann viele Gründe für diese Lage anfüh- ren, aber der Hauptgrund war der Mangel einer starken und klaren Lei- tung. Sollte die .ndustrie zerstört sK.cr wieder angekurbelt werden? Sollte der Handel ermutigt oder ver- hindert werden? War e.-> rechuic.. einem Deutschen erlaubt, seinen Le- bensunterhalt zu verdienen, wenn die Militärregierung ihm nicht gebot auf- zuhören, oder sollte alles Leben -un- terdrückt bleiben, bis 2 Lizenz zum Weitermachen gegeben war? Nie- mand wusste es; im allgemeinen war es vielleicht das Beste, nichts zu tun, bis ein Vier-Mächte-Uebereinkommen erzielt war. Die Pariser Konferenz hat es klar gemacht, dass über die meisten positiven Präger! ,von denen die Wiederbelebung des europäischen Wirtschaftslebens abhängt, kein bal- diges Uebereinkommen zwischen den vier Mächten zu erzielen ist. Das hat In Deutschland die Briten stärker getroffen als jede andere Besatzungb- macht, da wir wirtschaftlich die kom- plizierteste Zone haben. Doch es wa- ren die Amerikaner, die die Initia- tive zur Ueberwindung des toten Punktes ergriffen. Wenn sie es nicht getan hätten, wären wir von den Er- eignissen dazu gezwungen worden. Die Vereinigung des bri .senen Nordwe- stens und des amerikanischen Südens von Deutschland in industrieller, kommerzieller und finanzieller Bezie- hung wird keineswegs eine ideale Wirtschaftseinheit schaffen, aber doch eine, in der wenigstens Leben mög- lich ist. - Die britische und die amerikanische Regierung haben diesen Beschluss gefasst, weil sie es mussten; Deutsch- land in seinen gegenwärtigen engen Teilen zu halten, war den Deutschen gegenüber inhuman und nachteilig für jeden anderen. Es handelt sich um eine richtige Entscheidung, und wir müssen unzweideutig dabei blei- ben, ohne uns dafür zu entschuldi- gen. Man wird uns dafür beschim- pfen; von der einen Seite wird man uns beschuldigen, dass wir wieder ein starkes Deutschland aufbauen wollen, das für uns alle so lange eine Be- drohung bedeutete, und von der an- deren Seite dass wir einen „samte- nen Vorhang" errichtet hätten, um den Osten Deutschlands vom Westen zu trennen. Kelns Von Pelden ist un- sere Absicht. Sowohl die Amerikaner wie die Briten haben es klar gemacht, so klar, wie es Worte machen kön- nen, dass es ihr Wunsch ist, die Zo- nenschranken über ganz Deutschland auf blosse Demarkationslinien zwi- schen den verschiedenen Besatzungs- truppen zu reduzieren, und dass es ihr weiterer Wunsch ist, dass sich c!ie Franzosen und die Russen an den neuen Arrangements beteiligen, wann immer sie es wünschen. Die Russen haben sich selber in Deutschland als die einzigen Kämpfer für die deut- sche Einheit proklamiert, und haben andererseits bereits (durch ihren Sprecher, die Sozialistische Einheits- partei Stellung gegrn den amerika- nischen Vorschlag genommen. Es sammeln sich die Anzeichen dafür, dass die Reaktion der Sowjets — min- destens zu Beginn — die sein wira, die Fusion falsch auszulegen mit dem Ziel, ihre Urheber zu verleumden. Keine falsche Auslegung kann aber das Niederreissen einer Mauer als die Errichtung einer Mauer erschei- nen lassen. Wenn die Propaganda fehlgeht, was wird dann der nächste Zug sein? Wir können nur hoffen, dass die Sowjet-Regierung nun wo die Frage so klar gestellt ist, einse- hen wird, dass man mehr gewinnen wird, wenn man mitmacht, als wenn man draussen bleibt. Jeder Versuch sollte gemacht werden, um sie dazu zu ermutigen, denn die Aussicht einer fortgesetzten Trennung zwischen den grossen Mächten im Herzen Europas ist gefährlich — Geeignete Deutsche, die die deut- schen Angelegenheiten unter unserer allgemeinen Kontrolle leiten, müssen gefunden werden und dann ein ver- nünftiges Maass Freiheit für die Durchführung ihrer Arbeit erhalten. Sie sollten im allgemeinen Anhänger der Linken sein, Leute die man nicht beschuldigen kann, dass sie noch die schlechten alten Traditionen Preu- ssens und des Reiches in sich haben• wir dürfen in Deutschland nicht als die Förderer der Reaktion bekannt werden. Die erlauoten Sphären der deutschen Wirtschaftsaktivität müssen schnell festgelegt werden und inner- halb dieser Sphären muss Aufbau, Fortschritt und Unternehmungsgeist ohne Zweideutigkeit ermutigt werden, eine Zweideutigkeit, die unsere Wirt- schaftspolitik in Deutschland bisher kennzeichnete. Wenn die Deutschen wirkliche Beschwerden haben, die sich, nicht aus vv. Absichten ergeben und kein eil der notwendigen Kriegs- strafen -:nd, müssen sie beseitigt wer- den. Eine davon ist die 'Zurück- haltung von deutschen Gefangenen in diesem Lande, die hier durch Kriegs- zufall herkamen Mr. Noel-Baker gelang es nicht, ihre weitere Gefan- gennahme zu verteidigen; man sollte ihnen sofort die gleiche Chance wie anderen Deutschen geben, die in die Heimat zurückkehren und in Frieden ihre Familien unterstützen. Genug Dreck wird auf uns geworfen wer- den; wir müssen sehen, dass er nichl kleben bleibt." (Fortsetzung auf Seite 11), DAS ANDERE DEUTSCHLAND AUS REICHSDEUTSCHEN ZEITSCHRIFTEN Langsam kommen Exemplare der heute im Reich erscheinenden Zeit- schriften ins Ausland; meist nur vereinzelte Nummern. Wir greifen im nachfolgenden ie einen Absatz eus einigen der uns vorliegenden Blätter heraus um einen Eindruck in Umrissen zu vermitteln. ,.l>as Neue Podium". 1. Jahrg. Heft Z. JLiaensiert durch die USA-Militär- regieruns Bayern. München. Die Zeit- schrift beschäftigt sich vor allem mit Musik und Theater. In einem. Artikel über die Heidel- berger Kammerspiele heisst es: -In einer Zeit in d er allerorts ein übles Konjunktürrittertum blüht und in manchen Städten Deutschlands mit- telmässige Ttieaterunternehmen vor das gierig nach jedem Happen Kunst schnappende Publikum treten, ist es einmal erfreulich, einer Künstleryer- eimgunsr zu gedenken, die sich einer wohlverdienten ausgezeichneten Kritik rühmen darf... Tm Herbst vorigen Jahrfes fanden sich in Heidelberg verschiedene Künst- ler zusammen, darunter bewährte Kräfte des ehemaligen Nationalthea- ters Mannheim, die es sich zum Ziel gesetzt hatten die jahrelang vernacn- lässigte Kammerspieltradition fortzu- setzen. Sie stellten sich die grosse ver- antwortungsvolle Aufgabe, neben der klassischen Dramenliteratur besonders die seit Jahren nicht mehr aufgeführ- ten Werke moderner Dichter der Welt- bühne ku berücksichtigen. In dem stilvollen Bandhaussaal ging als erste Premiere Hessings "Emilia Galotti" m Szene- .. .Nach der Umsiedlung der Kammerspiele in das Stadttheater folgte Molieres köstliche Komödie „Der Geizige"... Curt Götz's "Ingeborg' war bis heute das einzige deutsche Lustspiel im Rah- men der Premieren. Erregte Debatten löst* das Diskussionsstück des Russen Valentin Katajew »Ein Strich geht durchs Zimmer" aus... , Aussaat", Zeitschrift für Kunst und Wissenschaft", Lorch-Stuttgart. I. Heft. Aus dem Vorwort: ..Der Titel birgt Im übertragenen Sinne seine löbliche Absicht: Kulturgut auszusäen, auf dass im Menschen Verständnis und Liebe zu den hohen und schönen Dingen wieder grünen und zu neuer und gu- ter Ernte reifen möge... Wir leugnen nicht, dass die Impulse dieser Werte in bedingter Weise im Völkischen liegen, aber wir verab- scheuen es, ein vaterländisches Dogma daraus zu machen; denn wesentlich allein ist die Erkenntnis, dass geistige iin/i künstlerische Kräfte weit über die Nation hinauswachsen und in himmlischen Sphären zum harmoni- schen Klange befruchtend zusammen- treffen den Dünkel und Groll von den Menschen streifen, die hassflammen- den Begriffe löschen» vermittelnd und versöhnend wirken und schliesslich den einstigen Feind eis Menschen be- werten, ihn achten — und Lieben lassen. .. .Diese drei Motive sollen also die Triebkraft zur Gestaltung dieser an der Regeneration der zerrütteten deut- schen Geisteslebens mitzuhelfen beab- sichtigenden-Zeitschrift sein: die Ehr- furcht und Liebe teur Mentalität, die jenseits der Grenzen um anderes We- sen sich webt wieder zu erwecken — Freude und Geriuss durch Vermitt- lung zu bereiten — und Erziehungs- arbeit am mangelhaft orientierten Wissen und an dem zur Mifctelmässig- fceit lanelerten Geschmack zu leisten. ,,Begegnung" Zeitschrift für Kultur und Geistesleben, Nr. 2., Koblenz Französische Zone. Diese Zeitschrift ist katholisch aber in dem weltoffenen Sinne, in öfcm einst "Hochland" und "Stimmen der Zeit" wirkten. Ein Aufsatz über ..Dichter der Ein- samkeit". der sich vor allem mit R. M. Rilke beschäftigt, schliesst mit dem Absatz: .Rilke als Lehrmeister" (der er nie sein wollte!) ablehnen, heisst nicht, seine Grösse herabwürdigen. Es ist seine Grösse, dass er als Mensch wie als Dichter beispielhaft den mo- dernen Menschen verkörpert in seiner riesigen Vereinsamung. / Ein anderer Einsamer taucht vor meinen Blicken auf, der als erster mit, glühenden Worten die Einsamkeit fei- erte, prophetisch die Not nennend und voraussagend: Friedrich Nietzsche. Vielleicht ist die Verwandtschaft Ril- kes mit Nietzsche ebenso nahe wie mit Hölderlin: nicht zuletzt mit Hin- blick auf den vollzogenen Abfall vom Evangelium und in der Hassliebe zum verlorenen Gott (auch bei Rilke ste- hen Blasphemien wie der unveröf- fentlichte "Jahrmarkt zu Fulpmes" wo Gott mit einem Jüngsten Gericht von seiten der Menschen gedroht wird, neben Stimmen zärtlicher „Wer- bung"!). Hier ist der eigentliche Ur- sprung der verzweifelten Einsamkeit beider, von beiden dann als neues Heil verkündet. Angesichts mancher Zeittendenzen, die den Einzelnen zu einem Bestand- teil und zum Funktionär herabziehen wollen, ist Einsamkeit ein notwendi- ges Gegengewicht, freilich nicht die sich verabsolutierende Rilkes... Um derentwillen ist uns seine Gestalt, wenngleich wir sie nicht als Vorbild ehren können, dennoch verehrens- würdig!" „Heute", Nr. 10. Herausgegeben im Verlag der Amerikanischen Armee. München. Diese Zeitschrift ist viel anspruch- loser als die bisher erwähnten. Sie ist den amerikanischen ..Magazinen" nachgeahmt. (Der Berichterstatter muss gestehen, dass ihn das et- was schwülstige Deutsch vor al- lem des zweiten der erwähnten Blät- ter ein wenig den Verdacht hegen lässt, dass es sich zum Unterschied dazu vielleicht ein Niveau als Ziel stellt, das ganz zu erreichen nicht möglich scheint!) Erwähnenswert ist vor al- lem, dass das Blatt zur Kritik er- muntert. Die Zeitschrift hatte mit Bildern ausführlich über Picasso re- feriert. Die uns vorliegende Nummer veröffentlicht, ohne das lächerlich zu Hachen, sehr scharfe Ablehnungen Picassos. Wir geben ein Beispiel: „Warum Picasso prinzipiell Mund und Nase zueinander verschiebt, ist unverständlich. Von der Bedeutung des Gehirns scheint er, wenigstens bei seinen Bewunderern, nicht viel zu halten, denn er malt fast alle seine Figuren gehirnlos mit zu plumpen Extremitäten, wie bei Kretins. In die- sen Bildern imponiert Picasso weder durch zeichnerische Virtuosität, die mit sparsamsten Mitteln einen Ge- genstand charakterisiert, noch durch geistigen Gehalt, sondern er verblüfft nur durch die Anmassung, mit der er verlangt, dass diese Ausgeburten ei- ner kranken Phantasie als Kunst ge- wertet werden sollten!" Der Verfasser ist ein Prof. Dr. med. den-anschei- nend-anatomische Ungenauigkeiten wild gemacht haben! — „Aufbau", Kulturpolitische Monats- schrift, Nr. 3, Berlin. Russischer Sek- tor. Neben einem Auszug, aus Wiecherts "Totenwald" und einer Skizze Anna Seghers enthält das Heft u. a. einen ganz ausgezeichneten Aufsatz über Hegel von Georg Lucacz. „Die Wandlung". ^ine Monats- schrift unter Mitwirkung von Karl Jaspers, Werner Krauss und Alfred Weber herausgegeben von Dolf Stern-' berger. III. Heft. Heidelberg. Aus einem Artikel von Alex von Frankenberg: ,,Umsonst?": „Noch ist über Deutschland nicht das Gericht ergangen. Kein äusseres, kein frem- des Gericht — und es ergehe in wel- chem Namen auch immer, im Namen dieser oder jener Völker und Brdtei- le, im Namen des Hasses oder der Liebe, im Namen eines alten oder neuen Testaments — kein fremdes Gericht, sage ich, kann jemals wirk- lich das richtige sein. Wehe Deutschland, wenn es das nicht er- kennt — wenn es auch heute noch nicht zur Besinnung kommt. Wehe Deutschland, wenn es sich heute ment, selber richtet.1' „Die Gegenwart", Freiburg Breisgau, Nr. 4S. Wir lesen: .Ueber die Möglichkei- ten der Oppositionen im modernen Terror ist noch wenig untersucht, die jetzt vorliegende Erfahrung einer gro- ssen kultivierten Nation ist weder ihr selbst, geschweige ihren Nachbarn in ihrer vollen Tragweite deutlich... Die Eltern mussten befürchten, aie Kinder und sich selbst in eine schwie- rige Lage zu bringen, würde ein Ge- gensatz »zwischen Haus und Schule offenkundig werden. So drohte die reinste und natürlichste Familienbe- ziehung die Unbefangenheit zu ver- lieren. Zuweilen verzerrte sie sich derart, dass die Kinder von den El- tern gefürchtet wurden. Das Briefgeheimnis war zerbrochen. Infolgedessen erfuhren Menschen, die sich trennen mussten, nur noch die äusseren Geschehnisse voneinander, aber nichts mehr von ihrem Denken und Fühlen ... Es wurden kaum mehr Tagebücher geführt. Jede Haus- suchung konnte die den verschwiege- nen Seiten anvertrauten eigenen Sor- gen — und schlimmer noch — die der Freunde als Zeugnis der Staatsfeind- schaft auslegen. So unterlag auch die letzte Regung des Individuums, sein einsames Selbstgespräch, der dump- fen Gewalt der Autoritäten----' „Tribüne", Halbmonatsschrift der Liga gegen den Faschismus, Stuttgart, Nr. 1. Das Blatt macht folgende Feststel- lungen: ..Man sieht mit Erstaunen, dass überall die früheren Politiker wieder in Erscheinung treten, als ob sie ganz unschuldig seien, ja sie be- trachten sich als die historischen Konkursverwalter des Reiches, nach- dem sie den Konkurs 1918 so schlecht verwaltet und durchgeführt ha- ben..." Man ruft nach NEUEN Fuhrern und meint: ,,Solche Männer sind da! Männer, die sich mit dem Nazismus nicht identifiziert haben, eindeutig im Dritten Reich ihren Weg, wenn auch einsam gehend, einen stillen zähen Kampf gegen das Mordregime führend. Diese Männer müssen sich sammeln, um einmal die Geschicke des Landes in die Hände zu nehmen. Sie dürfen sich diesmal nicht an die Wand drücken lassen, noch dürfen sie resignierend beiseite stehen, weil vie- les schon wieder falsch gemacht wird." DAS ANDERE DEUTSCHLAND 9 „Die Amerikanische Rundschau". 5. Heft, Herausgegeben von der Control Division TTS Forces European Thea- ter". , . Der liebe Gott hat allem Anschein nach den Redakteuren dieser Zeit- schrift den Auftrag gegeben, die Deutschen sanft in den Schlaf zu wiegen. Ich habe noch keine Zeit- schrift gesehen, die so schlecht ge- macht worden ist wie diese. Die schlechtesten deutschen lizen- zierten Zeitschriften sind lebendiger als diese offizielle amerikanische Zeitschrift. Weshalb eigentlich? Ame- rikanische Journalisten haben aus der „Neuen Zeitung" und anderen Blät- tern wirklich etwas gemacht, das — bei aller Kritik in Einzelheiten — zu- mindesten vom rein journalistischen Standpunkt Vergleiche aushält: Die ..Amerikanische Rundschau" schlägt den Rekord der Langeweile in so ziemlich allen Sprachen. Selbst die sehr monoton gewordenen Zeitungen sind nicht SO langweilig wie dieses Blatt. „Der Standpunkt", die Zeitschrift für die Gegenwart", Nr. 1. Stuttgart. Aus der Einleitung: „Einstweilen verdammt und verurteilt uns die Welt, die uns im Kriege geschlagen bat — mit Recht. Wir können die Urschuld an diesem Kriege nicht leugnen, wie wir uns alle, die wir in diesem zerbrochenen Deutschland le- ben. nicht jener Urschuld entziehen können, teilzuhaben an jener politi- schen Epoche, die heute uns zerbro- chen hat. Gleichgültigkeit und Un- wissenheit, ja Dummheit und Ingno- r'anz haben dazu geführt, dass Hitler sich unser Vertrauen hat erschleichen können. Vorbehalte haben wir alle gemacht — aber doch haben wir die guten Zeiten genommen, ohne zu fra- gen, zu welchem Preis sie erkauft wurden. Als dann der Zusammen- bruch sich andeutete, da vielleicht haben wir erkannt, dass es nicht an- ders ginge, als ihm in den Arm zu fallen, aber' nur wenige fanden den Mut, es zu tun und auch da — am 20. Juli 1944 — da war es zu spät und auch sinnlos geworden". „Neues Abendland", Zeitschrift für Politik, Kultur und Geschichte. Nr. 1. Augsburg. Johann Wilhelm Neumann stellt das Ziel dieses christlich-universalisti- schen Blattes mit den Worten heraus: „Neues Abendland? Ist es nicht wie- der der dem Deutschen stets vorge- worfene Hochmut, dass gerade Deut- sche mit der Frage abendländischer Erneuerung sich befassen? Ist es nicht vielmehr eine Verpflichtung, eben deshalb, weil die Welt, Europa und wir selbst durch dieses Deutsch- land so Unsagbares gelitten haben, dass Deutsche sich zuerst bemühen müssen, ihre Haltung zu revidieren? Deutschland kann sich nicht vom Abendland trennen. Es muss wieder einmal eingegliedert werden in die Gemeinschaft der Völker. Es hat sich aus ihr schuldhaft selbst gelöst und wird und muss wieder durch christli- che Selbstbesinnung und durch die Sühne seiner Schuld zur Mater occi- dentalis zurückfinden." „Das Junge Wort", Stimme der württembergischen Jugend, Nr. 3. ' Stuttgart. In diesem Blatt überparteilicher Jugend heisst es: ,,Jugend wird das Lied neuer Arbeit, neuen Lebens sin- gen. Altes wird daran keinen Teil ha- ben. Jugend wird alle alten Strömun- gen überwinden. Neue Jugendbewe- gung wird aber nur sein aus dem Geiste der Jugendbewegung. Jugend sei auf der Wacht! Irrlichter flackern durch die Nacht. Lass Dir das brbe wahrer Jugendbewegung nicht ver- fälschen. Lerne politisch denken, wehre Dich aber leidenschaftlich gegen' jede Ver- politisierung. Deine jugendliche Kraft sei Dir zu Grösserem wert und hei- lig, als dass Du sie durch gewissenlo- se Abenteurer, hemmungslose Dema- gogen und gefährliche Rattenfänger frühzeitig in das parteipolitische Kräftespiel des Tages zerren und in diesem vorzeitig Verbrauchen liessest." Schlussbemerkung des Berichter- statters: Die hier wieder gegebenen Zitate sind natürlich in gewisser Hin- sicht ,,willkürlich" ausgewählt. Sie sind im Niveau ebenso verschieden wie im Thema des Behandelten. Ge- rade deshalb bieten sie einen irgend- wie typischen Querschnitt durch deut- sche Kulturzeitschriften von heute (eigentlich politische Blätter der Parteien wurden hier ausser Acht ge- lassen) ! Auffällig ist, dass neben dem Ber- liner „Aufbau" wohl die katholischen Blätter die sprachlich und inhaltlich abgewogensten sind, während in den Zeitschriften, in denen Jugend zu Wort kommt, sich am meisten Elan, aber auch am meisten Kritik findet. Wer der Meinung war, dass irgend- wo heute in Deutschland „Das Neue" Verbindlich formuliert werden müsste, wird von allen diesen Zeitschriften enttäuscht sein. Sie entfalten teilwei- se ehrliches Bemühen um neue An- sätze, teilweise ernstes Sichbesinnen auf alte Werte; — „DAS" Neue steht nirgends! Und es kann auch heute noch garnicht in diesen Blättern' ste- hen. Muss man dafür Gründe ange- ben? STUDENTEN IN DEUTSCHLAND Als Ellen Wilkinson im letzten Jahr auf einer Deutschlandreise einen klei- nen Vortrag aus dem Stegreif über die Notwendigkeit selbständigen Den- kens hielt, kam, ganz aufgeregt durch diese neue Idee, eine junge Lenrerin zu ihr und fragte, ob die Frau Mini- ster nicht so gut sein wolle, dafür ei- nige Richtlinien zu geben. „Richtlinien" für selbständiges Den- ken- - ein guter Witz, wenn es hier nicht ein so tragisches zeichen für die Verheerungen wäre, die ein zwölf Jahre langes ,,Führerprinzip'' auf ei- nem für solche Dinge nur allzu (fruchtbaren Boden angerichtet hat Wie soll man neue Lehrer für Deutsch- land unter einer so gedrillten Schaf- herde finden v Sicher nicht durch das routinierte Fragebogensystem der Kontrollkommision. Es «könnte nur ge- lingen, wenn man mehr als bisher mit den. zuständigen deutschen Autoritä- ten zusammenarbeite. In der englischen Zone sind neuer- dings m der Beziehung kleine Fort- schritte gemacht worden. Zuverlässige Männer, wie Grimme in Hannover und Landahl in Hamburg dürfen jetzt bei der Lehrerauswahl mitwirkn. LarMahl sagte mir, dass fast immer, wev.n die englischen Autoritäten einen Mann mit .,makellosem'- Fragebogen vorschlagen, er ihn auf Grund besse- rer lokaler Kenntnis seines Verhaltens während der vergangenen zwölf Jah- re ablehnen muss. Aber wenn er und seine Begleiter einen jungen Mann oder eine Frau, trotz ihrer Zugehö- rigkeit m einer der verschiedenen ,Partei!ocrttiationen" geeignet landen, etiigmiben die englischen Autoritäten von Heinrich Fraenkel oft zu. Und sie hatten später allen Grund, über die Ergebnisse der halb- jährigen Sonderüöungskurse, sowohl in ideologischer wie in schulischer Be- ziehung froh zu sein. Die meisten die- ser jungen Menschen werden annehm- bare Lehrer werden. Viele aus dieser Generation aber, die jetzt zwanzigjährig sind, werdet^ für lange Zeit ein furchtbares Pro- blem bleiben. Das bezieht sich be- sonders auf die Universitätsstudenten und die, die es gerne sein möchten. An der Bonner Universität die für dieses Sommersemester 400 Freistellen hatte, gab es zwanzig mal soviel Anmeldun- gen. Und so ist es an allen deutschen Universitäten. Die schlechten Lebens- bedingungen wirken nicht abschrek- kend. In Kiel z. B. mussten Studenten auf drei alten Schiffen wohnen, die in dem zerschossenen Hafen in der Nähe der Notstandsvorleseräume verstaut waren. AIs ich im April dorthin kam, waren gerade zwei von den drei Schif- fen zur Reparation fortgeholt worden. In dem verbliebenen Schiff wohnten etwa 130 junge Studentinnen und be- zahlten zwischen 15 und 40 Mark mo- natlich für ihren Wohnteil in einem Bunker. Ihre monatliche Gesamtein- nahme beträgt ungefähr 150 Mark die sie mit Uebersetzungen, Schreibar oei- ten und Aetinlichem verdienen. Weni- ge von ihnen machten sich irgendwel- che Illusionen über die Schwierigkeit, eine Existenz zu finden, wenn sie einmal den akademischen Grad er- reicht haben. Ein schweres Hindernis ist der er- schreckende Mangel an Büchern, selbst an Notizbüchern und gewöhn- lichem Schreibpapier. In Bonn sagte mir ein junger Student der Rechte, der Sohn eines bekannten Düsseldor- fer Anwalts dass er und die meisten seiner Freunde überhaupt keine Bü- cher besässen, und dass von. den vie- len Düsseldorfer Anwälten nur drei so glücklich wären, ihre wissenschaft- lichen Bücher unzerbimbt behalten zu haben. Ich fand die Mehrzahl dieser jungen Studenten in früheren Luft- schutzkellern untergebracht und prak- tisch ohne alle Erleichterungen für ihr Studium. Sie hatten auch keine geeigneten Leseräume oder Bibliothe- ken. Die meisten Umversitätsgebände wurden zerstört. Aber trotz dieser Schwierigkeiten gibt es einen- über- mässigen Andrang zu den akademi- schen Berufen der in gar keinem Ver- hältnis zu der Zahl steht, die das Land aufnehmen kann. Bei den meisten dieser überlaufenen Berufe legt hat. Freier Zutritt zur russischen Zone wird der Ruhr nicht mehr Nah- rungsmittel geben. Der Austausch von Waren und Rohmaterialien wird den Reichtum der zerschmetterten Indu- strie Westdeutschlands nicht wieder- herstellen. Die Wahrheit ist, dass, so- lange die Ruhr eine Ruine ist, die von hungernden Menschen bewohnt wird, Deutschland, und hauptsächlich die englische Zone, eine Last für den We- sten sein muss, Eine drastische Revi- sion der englischen, nicht der russi- schen Politik ist notwendig, um die augenblickliche katastrophale Lage wieder in Ordnung zu bringen. Was sollte getan werden? Das er- ste Problem sind Nahrungsmittel. Al- les nur Menschenmögliche muss ge- tan werden, um die Nahrungsmittel - lieferungen, die nach Westdeutsch land gehen, zu tergrössern. Eine Aus- hungerung nach den Regeln der Wis- senschaft — worauf die augenblickli- che Rationierung hinausläuft — kann nicht die Grundlage für eine indu- strielle Wiederbelebung sein. Wel- che anderen Schwierigkeiten immer entstehen mögen — ein Andauern der Weltknappheit an Lebensmitteln zum Beispiel — so wäre es doch sehr kurz- sichtig von Seiten Englands, finanziel- len Erwägungen zu erlauben, grosszü- gigeren Lieferungen im Wege zu ste- hen. Wenn die Amerikaner die La- sten teilen wollen, gut und schön. Wenn nicht, müssen die Extrakosten getragen und als kurzfristige Anlage angesehen werden, die durch die sich ergebenden Anstrengungen des deut- schen Volkes zurückgezahlt wird. Das zweite Problem ist Arbeit. Im Augenblick steht die Ruhr, trotz einer Vermehrung in der Konlenerzeugung im letzten Monat, still. Da wenig produziert wird, ist nichts zum Aus- führen da, und da nichts zum Ausfüh- ren da ist, besteht keine Aussicht, dass die Deutschen selbst für zusätzliche Nahrungsmittel zahlen. Im Innern ist das augenblicklit Haupthindernis für die Arbeit (neben den Nahrungsmit- teln) die Finanzpolitik, die von den Engländern verfolgt wird, die stärk- ste Abschreckung vor- Arbeiten und höchsten Anreiz zur Spekulation und zu Schleichhandelsbetätigungen bie- tet. Eine Sperrung von Guthaben, eine Kapitalsabgabe von beweglichem und unbeweglichem Eigentum, Höchstprei- se und eine Ausdehnung der Ratio- nierung mögen dazu dienen, den An- reiz zur Arbeit wieder herzustellen. Nach aussen hin ist das Problem der Arbeit eng verbunden mit der Vertei- lung der Ruhrkohle. Eine grössere Quote muss m Deutschland zurückbe- halten werden, um eine allgemeine Er- höhung des Niveaus der Industriepro- duktion im Ruhrgebiet herbeizufüh- ren. Im Augenblick beträgt die Ruhr- erzeugimg kaum ein Drittel des Ni- veaus, das nach dem Plan für das In- dustrieniveau erlaubt ist. Eine Politik vermehrter Produktion muss nicht unbedingt mit den Reparationen in Widerspruch geraten. Der Abbau eini- ger Anlagen bedeutet nicht, dass an- dere stilliegen müssen. Aber einige Wiederherstellung der Produktion ist nötig, wenn die englische Zone und mit ihr die westlichen Zonen im all- gemeinen nicht in einen vollständigen ökonomischen und moralischen Zu- sammenbruch fallen sollen. DAS ÄNDERE DEUTSCHLAND 13 Josef Orlopp: SOZIALISTISCHE EINHEITSPARTEI UND MITTELSTAND Orlopp war im November 191S Ge- meindearbeiter in Eissen und einer der aktivsten Führer der lokalen LoP. Beim Ausbruch des Dritten Reichs war er Sekretär der Zentrale der Gemeinde- und Staatsarbeiter. Heute ist er stellvertretender Ober- bürgermeister von Berlin. Der fol- gende Artikel, den wir der SED-Zei- tung ,,Neues Deutschland" entneh- men, ist interessant für die Stellung der SED zum Mittelstand: ,, Wahnwitzige Machtpolitiker haben den deutschen Namen in der ganzen Welt geschändet und entehrt und das deutsche Volk und damit auch seine Mittelschichten an den Rand des Ab- grundes gebracht. Die Sozialistische Einheitspartei hat es sich zur Auf- gabe gemacht, das Volk und Deutsch- land vor dem Untergang zu retten. Die- vordringlichste Aufgabe ist die Sicherung des notwendigsten Bedarfs an Nahrung, Kleidung, Wohnung und Heizung und die Verteilung durch den Handel und das Handwerk, die Genossenschaften und die kommu- nalen Verwaltungen. Die SED kämpft für die Herstel- lung der Einheit Deutschlands als antifaschistische parlamentarisch-de- mokratische Republik und die Bil- dung einer Zentralregierung. Dieses ist auch die Vorbedingung für ord- nungsmäßiges Funktionieren von Handel und Gewerbe. Niemand weiss besser als der Kaufmann, wie not- wendig ein Austausch aller Wlaren über alle Zonen und Landesgrenzen hinweg ist. Wir fordern die Befrei- ung des Handwerks und des Klein- gewerbetreibenden von der Ausbeu- lung des Grosskapitals. Die SED «"•. trebt den Aufbau unserer Wirt- s.:::ft und die Sicherung der Wäh- rung, die Zerschlagung der Grossin- riuxtrie und Förderung der Bedarfs- tererzeugung und Verteilung durch Genossenschaften, Handel und Hand- werk, unter stärkster Einschaltung der Privatinitiative. Es soll die Grundlage geschaffen werden zur Wiedereingliederung Deutschlands in den internationalen Warenaustausch durch Ausfuhr von Bedarfsgütern und Einfuhr fehlender Rohstoffe unter Zuhilfenahme internationaler Wa- Nenkredite. Die Zusammenfassung iller wirtschaftlichen Unternehmun- gen in Industrie- und Handelskam- mern unter gleichberechtigter Mit- wirkung der Gewerkschaften und Ge- nossenschaften wird uns die Hände freimachen für den weiteren Neuauf- bau Deutschlands. Die im September erlassene Boden- reform leitete eine neue Epoche für de deutschen Mittelstand und die ge- sellschaftlichen Zustände in Deutsch- land überhaupt ein. Das ostelbische, militaristische Junkertum wurde ver- nichtet. 300.000 Bauernhöfe entstan- den auf dem Boden von ehemals 9000 feudalen und halbfeudalen Gutshö- fen. Diese und die neuen Bauern- böse werden die direkte Verbindung mit der Stadtbevölkerung herstellen, ■ und eise Sehieksalagemeänscftaft zwi- schen Stadt und Land wird über die grösste aller Parteien hergestellt, die von dauerndem Bestand sein wird. Der bäuerliche Mittelstand mit we- niger als 100 Hektar blieb von dieser revolutionären Tat unberührt und wird auch in Zukunft von Bedeutung für ein gesundes bäuerliches Leben sein. Die SED wird echte Solidari- tät der bäuerlichen Bevölkerung mit der Industriearbeiterschaft, dem Handwerk und den Kleingewerbetrei- benden herstellen. In einer grossen Unsicherheit und Ratlosigkeit befindet sich der gröss- te Teil der deutschen Intellektuellen. Weite Kreise hatten sich Hitler ver- schrieben und haben nun jedes poe- tische Selbstbewusstsein verloren. Sie machen hierfür aber nicht Hitler, sondern die Politik überhaupt ver- antwortlich. Dabei haben die sozia- listischen Parteien es nie daran feh- len lassen, die deutsche Intelligenz zu warnen, als sie 1933 bedingungs- los in die nationalsozialistische Front einschwenkte. Die SED hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch diese Schichten für die Gesamtheit wieder zurückzugewinnen. Sie müssen heute erkennen, dass Wissenschaft sich von der Politik nicht trennen lässt. 90 Prozent aller dem Nationalsozialis- mus verfallen gewesene Geistesarbei- ter erklären heute, dass sie In Sorge um ihre Stellung und um ihres Fort- kommens willen nicht anders gekonnt und sich im Grunde nie um politi- sche Dinge gekümmert hätten. Auch alle Geistesschaffenden müssen die Lehre aus der Vergangenheit ziehen und sich in Zukunft politisch betäti- gen. Erst im sozialistischen Staat können sich Kunst und Wissenschaft frei von allen Hemmungen entwik- keln. Sie gehören neben Arbeitern und Bauern in die SED. denn wirk- lich freie Wissenschaft wird es im kapitalistischen Staat nie geben. Das deutsche Volk und besonders seine Mittelschichten stehen an dem Wendepunkte ihres Schicksals. Es gilt jede privatkapitalistische Abhän- gigkeit und Ausbeutung unmöglich zu machen. Der sogenannte Mittel- stand war bisher mehr noch als das Proletariat nur Objekt kapitalistischer Interessen und wurde für sie politisch und wirtschaftlich missbraucht. Ge- rade der Nationalsozialismus hat — obschon er das Gegenteil propagier- te— die kapitalistische Tendenz zur Proletarisierung der Mittelschichten und der Intelligenz restlos vollendet. Wer das nicht sehen und erkennen will, ist ein Romantiker und Illusio- när. Wer heute noch von der Wie- derkehr vergangener Zeiten träumt, landet naturnotwendig, bei der Reak- tion. Wer aber seine wirkliche Lage und die künftige zwangsweise Ent- wicklung erkennt, der gehört an die Seite der sozialistischen Arbeiter- schaft. Die SED ist die Interessenvertre- tung des Volksganzen. Nur im Rah- men dieser Gesamtinteressen können die 2W)ägi6$Lten und Keagtetst der Mittelschichten und der Intelligenz wirksam fruchtbar gemacht werden. Wer heute noch Einzelinteressen oder Gruppeninteressen vertritt, versündigt digt sich weiter am Volksganzen; er wird früher oder später umlernen oder untergehen müssen. Die Mittelschichten haben sich des- halb zu entscheiden: entweder in der SED mitzuwirken für eine Aufwärts- entwicklung und bessere Zukunft Deutschlands oder wieder zum Spiel- ball einer nationalistischen und ka- pitalistischen Restauration zu werden, die unser deutsches Vaterland end- gültig, ausradieren und zu einer wirt- schaftlichen Wüste machen würde. Neue Bücher Dr. Anna Sienisen, Zehn Jahre Weltkrieg. Hauenstein-Verlag Ölten 1946. 195 Seiten. Preis: Pesos 4.50. Anna Siemsen, zur Zeit der Republik Vorstandsmitglied der Liga für Men- schenrechte und dar Frauenliga für Frieden und Freiheit, M.d.R. und Ver- fasserin zahlreicher literarischer und pädagogiischer Schriften, wurde von dem nationalsozialistischen thü- ringischen Minister Frick, dem späte- ren Reichsinnenminister, als erste von ihrem Posten als Univer- sitätsprofessor abgesetzt und hat in der Schweizer Emigration ih- ren Kampf gegen den Na- tionalsozialismus fortgesetzt. Unter andern geschah das durch die Monats- übersichten, die sie als Hauptredak- teurin der Monatsschrift „Die Frau in Leben und Arbeit" von 1935-1945 ge- geben hat. Diese Monatsberichte lie- gen in ausgezeichneter Ausstattung als Buch vor. Im Vorwort schreibt die Verfasserin: „Diese Monatsübersichten wurden im Januar 1935 begonnen, weil ictt damals bereits davon überzeugt was, dass wir einer Weltkatastrophe ent- gegengingen. sofern nicht rechtzeitig den Awgriffsabsichten der despoti- schen Eroberermächte: Deutschland, Italien und Japan entgegengetreten würde. Diese Tatsache an Hand der Ereig- nisse klarzustellen das Bewusstsein der Gefahr zu wecken und mit ihm den Abwäbrwillen war in den ersten Jahren das Ziel dieser Berichte. Als die EÜnzelangriffe auf Freiheit und Unabhängigkeit der Völker und Staa- ten sich zu einer Weltkatastrophe aus- gewachsen hatten, wandelte sich das Ziel. Es galt jetzt, meine Ueberzeu- gung, das der Zusammenbruch der Despotien unvermeidlich sei, trotz ih- rer zeitweisen Erfolge, wiederum durch die einfachen Tatsachenberichte zu[ belegen. So entstand ungewollt eine Geschichte des Weltkriegs, soweit ei- ne engherzige und einseitige Zensur das zuliess. als fortlaufende Chronik der Ereignisse. Darin liegt der Wert dieses Buches. Nicht, nachträglich, sondern aus dem Tageserleben selber sind sie gegeben. Sie zeigen, dass es auch dem aussenstehenden Laien, der keinerlei Kenntnis der diplomatischen Geheimnisse hatte, möglich war, aus den allgemein bekannten Nachrich- ten ein treffendes Bild und ein Ur- teil zu gewinnen, das die Folge als richtig erwies. So entfällt der Ver- dacht der Konstruktion und der ZiWeokpropftgarKia. Tatsachen allein 14 0 AS ANDERE DEUTSCHLAND AUS NEUEN KRITIKEN UEBER AUGUST SIEMSEN DIE TRAGOEDIE DEUTSCHLANDS UND DIE ZUKUNFT DER WELT reden Ctoenwug«nid»r als etil nach- trägliches Urte 1 spj es noch so zu- trauend. Ich hotle. «.u^^eiasste Geschichte "die Aufgabe erfüllen mö- ge, die ich mir bei ihrer Niederschrift gesetzt habe; durch aufmerksames Beobachten das Verständnis zu wek- ken für die nur scheinbar verworre- nen, in Wahrheit ganz durchsichti- gen Geschehnisse unserer Zeit das Bewusstsein, dass nldht ein unab- wendbares Verhängnis uns ins Ver- derben stürzte, sondern blinder Ei- gennutz der Mächtigen und die Ge- tissensträgheit der Völker, und das e& möglich ist, durch den Zusammen- schluss aller Erkennenden und ihre Verantwortung Fühlenden die fort- dauernde und schwerer als je zuvor uns alle bedrohende Gefahr zu über- winden." Arbeiterbewegung und Sozialismus. Der Internationale Transportarbei- terverband hat ein Gesuch der Gewerk- schaft Verkehr und Oeffentlicher Dienst in dier britischen Besatzungs- zone Deutschlands um Wiederaufnah- me grundsätzlich bejahend beantwor- tet. Voraussetzung für die Aufnahme ist, dass kein früherer Nazi Funktio- nen in der Gewerkschaft bekleiden darf, und dass alle Vorstandsmitglie- der und Funktionäre auf demokrati- sche Weise gewählt werden. Die Rheinschiffartskonferenz des I. T. F., die a,m 1. und 2. August in Basel stattfand, war als erste interna- tionale Gewerkschaftstagung auch wieder von deutschen Vertretern be- sucht. Der Deutsche Köppen (Mann- heim) erklärte, dass 95% der Binnen- schiffer vom Öberrhein wieder ge- werkschaftlich organisiert seien. Er sagte unter anderem: ,,Wir sind aus Deutschland, wo wir In Kellern und in Höhlen wohnen, zu dieser Konferenz gekommen, nicht um zu klagen, sondern weil wir auf ein menschenwürdiges Dasein hoffen und auf internationale Verständigung des arbeitenden Volkes." Am Schluss der Konferenz sangen zum ersten Mal wieder deutsche Ge- werkschaftsvertreter zusammen mit Ihren Genossen aus anderen Ländern die mternatioale. Der Parteitag der franzosischen So- zialistischen Fa/rtei hat einen Sieg der linken Opposition gebracht. Mit Uber Zweidrittelmehrheit wurde der Bericht der bisherigen Parteileitung abgelehnt und mit dem gleichen Stim- menverhältnis Marceau Pivert der seiner Zeit ausgeschlossene Führer der äussersten Linken der Partei, wieder aufgenommen. In den Partelvors.tand wurden 13 bisherige und 18 neue Mit- glieder gewählt. Generalsekretär wur- de der Führer der Linken Mollet. Diese Linksbewegung bedeutet aber keineswegs eine Annäherung an die Kommunisten, im Gegenteil eine schärfere Abgrenzung nicht nur ge- gen die katholiche Volkspartei son- dern auch gegen die K. P., der man Abhängigkeit und Mangel an Innerer ^mokratie vorwirft. Man will eine '•lare und selbständige Politik, die es rsteht, die Arbeitermaaaen zu' gewin- "The Humanist'': Es gelingt Dr. Siemsen, in diesem Buch ein klares Bild der Entwicklung des Hitlerismus in Deutschland zu geben. ... In Be- zug auf die Probleme der Gegenwart und der Zukunft lenkt er mit vollem Recht die Aufmerksamkeit darauf, dass es falsch ist, Deutschland als ein- zigen Infektionsherd anzusehen. "Nur von der Einsicht in Umfang und We- sen der Krankheit unserer Zeit, nur aus dem Wissen um die Mittel zu ih- rer Ueberwindung, nur durch eine grundsätzliche Umkehr, nur durch die sozialistische Neuordnung kann die Menschheit vor neuen Kriegen, vor neuen Katastrophen, vor der Selbst- vernichtung gerettet werden.'' Gegen diese Feststellung kann schwer etwas eingewendet werden. Als praktisches Mittel zur Verwirklichung dieses Ziels tritt Dr. Siemsen energisch für eine linksgerichtete soziale und demokrati- eche Politik ein." Harold von Hoff, Professor der Uni- versität von Südkalifornien: "Dr. Siemsens Kompetenz, das po- litische Leben Deutschlands zu inter- pretieren ist grösser als die der Juri- sten, Psychiater, Finanzmänner und Journalisten, die in den letzten Jahren eine Flut von Heilmitteln für das lästi- ge Deutschland zusammengebraut ha. ben . . . Ein sozialistisches Deutsch- land in einem geeinigten Europa ist sein Vorschlag zur Schaffung einer Grundlage, auf welcher die Völker Eu- ropas in Harmonie und gedeihlichem Fortschritt leben können . . . Seine Artikel zerstören die Behauptung der Kollektivschuld, indem sie die Ver- schwörung des Schweigens enthüllen, die über den deutschen Widerstand ge- gen den Nationalsozialismus gebreitet wurde." '•Deutsche Blätter'': "Die Aufsätze zei- gen einen klaren Geist, dem es, wenn es darauf ankommt, Schwung der Ge. sinnung und der Sprache nicht seh-, len. Wir heben besonders hervor, was S. über die Erziehung des deutschen Volkes, das Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich zu sagen hat, sowie seinen Nachruf auf Romain Rolland. Der Aufsatz "Kampf um Eu- ropa" schliesst mit dem bezeichnenden Bekenntnis: "Es lebe Europa." „DIE HEILIGE JOHANNA" DEUTSCHEN BUEHNE Nach zwei jener Konfektionsiust- spiele, die in der Regel weniger Lust als Unlust hervorrufen in deren ei- nem - ,.Scampolo" - ' aber Ellen Schwanneke Gelegenheit hatte, in ei- ner ihr geradezu auf den Leib ge- schriebenen Rolle viele Register ih- rer Schauspielkunst spielen zu lassen, beendete die F. D. B. die Schwann?- ke-Gastspiele mit Bernhard Shaws Heiliger Johanna. Die „Heilige Johanna" ist grosse und eminent aktuelle Dichtung. Es ist kaum ein gröberes Missverständnis möglich als das, dass Shaw in diesem Stück mit seiner Ironie, seinem Spott seinen Paradoxen alles relativiere, al- les in Zweifel ziehe und so Stoff zu ebenso interessanten Diskussionen bie- te, wie sie etwa Warwik und der Bischof von Beauvais in seinem Stück führen. Nicht geistreiche Skepsis und schillernde und zersetzende Kritik sind charakteristisch für Shaw, Ironie und Paradox sind ihm — meisterhaft ge- handhabte und höchst wirksame, vom Publikum aber zumeist missverstan- dene — Mittel der Einhüllung einfa- cher Wahrheiten aus dem Wust der konventionellen Lügen und der wie ei- ne ewige Krankheit i'ortwuchernder, klassenbedingten religiösen und poli- tischen Ideologien. Weil die Shawschr Gesellschaftskritik sich lachend gibt und zugleich jede schwarz-weiss-Ma- ler ei vermeidet, ist sie nicht wenige^ °emeint. „Die Heilige Johanna" hat die in der Geschichte der Klassenge- sellschaft in den verschiedensten For- men immer aufs neue sich wiederho- lende Tragödie des Menschen zum Thema, der in Konflikt gerät mit den herrschenden Mächten und das heisst mit den herrschenden Anschauungen und Moral auffassungen; und der in diesem Konflikt zermalmt wird. Hier M ei» xuStw Mldcben IN DER FREIEN Kämpfer und Opfer. Johanna weiss und versteht nichts von den Händeln der Welt, in diesem Fall von den Ge- gensätzen uniä Intriguen der Feudal- aristokratie und der Kirche und ihrer gemeinsamen Angst vor den ausgebeu- teten und unterdrückten Massen. Sie rblgt dem Ruf der ,.Stimmen", der an sie ergangen ist, und in der nichts an- deres ist als das unverbildete Gefühl und der — in des Wortes eigentliche; Bedeutung — gesunde Menschenver- stand. Ein inneres Müssen das jen- seits aller Berechnung steht' treibt sie unwiderstehlich, für ihr misshandel- tes. aus tausend Wunden blutendes Land und Volk einzutreten. Völlig allein steht sie den politi- schen Intriguen der Machthaber und ihren Handlangern gegen- über, die ihrerseits alle — die Skrupellosen und Brutalen wie die Zartbesaiteten und Kultivierten, die Zyniker wie die Fanatiker ,die Ehr- liehen wie die Intriganten — Gefange- ne ihres Milieus., ihrer Klassenstellung in der Gesellschaft sind, genau so wie heute. Alle diese Vertreter der herr- schenden Klassenmoral erscheinen uns so lebendig und verständlich, weil die demoralisierenden Wirkungen der Klassengesellschaft im wesentlichen ieute nicht, anders sind als vor 40 Jahren, und weil deshalb Shaw das VTaterial für ihre Charakterisierung i.us seiner, aus unserer Zeit nehmen :onnte. Durch diese verstrickten Men- schen und ihre korrupte, weil wurzelhaft verdebrte Welt, schrei- •et Johanna unbeirrbar und nur r'.urch ihre physische Austilgung überwindbar. Aus der unberühr- baren Ganzheit ihres Wesens er- geben sich ihre wundervoll einfa- chen und menschlichen Antworten auf all die schlauen Fragen, mit denen man sie zu FaJi bringen möchte. DAS ANDERE DEUTSCHLAND „Die Heilige Johanna" ist das nerz- bewegteste und erschütterndste StücK von Shaw, weil Shaw hier mit aller Meisterschaft des sozialistischen So- ziologen und Denkers und der tiefen Empfindung und Gestaltungskraft des Dichters im Zeitgewand des 15. Jahr- hunderts von unserer Sache, von un- serem heutigen Kernproblem han- delt. E-s war ein grosses Wagnis, dieses Schauspie] mit den in Buenos Aires zur Verfügung stehenden Mitteln aus- zuführen, und es wäre von vornher- ein falsch, eine vollendete Darbietung zu erwarten. Ellen SctiwanneKe spiel- te die Johanna mit viel Hingabe und grossem Können. Aber das Letzte er- reichte sie trotz sehr glücklicher und ergrettender Momente nicht. Diese Rolle muss einheitlich aus einem völ- ligen Sichhineinleben. aus einer Identifizierung mit dem Wesen Jo- hannas aus einem wirklichen Erfüllt- sein gestaltet werden. Aber diese Ganzheit, dieses von Innen heraus Strömen wurde nicht erreicht. P. W. Jacob hat schon rein quan- titativ das äusserst Mögliche geleistet, indem er neben der guten Verkörpe- rung von zwei extrem entgegengesetz- ten Rollen - des platt-materialisti- schen Burgvogts und des feinen, ge- bildeten und von Skruoeln gep]ästen Bischofs - auch noch die Regie führ- te. Ihm stand Jacques Arndt zur Sei- te, der die oft wechselnden Bühnen- bilder schuf und in der Rolle des arm- seligen Trotsfs von König eine rüh- menswerte Leistung vollbrachte. Far- laghi gab dem Graf Warwick mit HEIDI EISLER BRUNO ARNO MIT OKCHES,. Inszenierung: Max Wächter Orchester] tg.: W. E. Vacano Sonnabend, d. 14. Sept., 21 UIin AUSVERKAUFT! Sonntag, d„ 15. Sept. nur 17 Uhr (Nur noch wenige Karten) Vorverkauf: Arno. Paraguay 508 (31—1428); Recordman, Cabildo 2401. (73—8942). Musik. Künstlerspiele Casal de Cataluna Chacabuco 863, U. T. 23—4141. Recht das Gesicht eines hochmüti- gen aber gescheiten und Äusserst klas- senbewussten Lord der heutigen, zu Ende gehenden englischen Aristokra- tie. Unter den übrigen Mitspielern fiel Otto Werber,» in der sympatischen Rolle des Bruder Martin angenehm auf. Endlich sei noch der fanatische englische Kaplan Oscar Beregi her- vorgehoben. A. S. Unterstützt die deutschen Antifaschisten \ Spendet für das Deutschland-H ilfswerk! DIE WELTWOCHE, Zürich. Die beiden neuesten Nummern soeben eingetroffen: AUS DEM INHALT: Iwan und die Deutschen. Die Versu- chung des deutschen Volkes. Der Standpunkt der Sowjets. Der ,.Narr" Europas. G. B. Shaw zum 90. Geburtstag. U. S. A.-Sommer 1946 der grösste ,,Boom aller Zeiten u. v. a. 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Aus einem Dankbriet: „Hecht vielen Dank für Ihr üebes Paket. Es ist mir eine grosse Hilfe, besonders in einer Zeit wo die Not ständig un- ser. Begleiter ist. Ich bin jetzt nach dem Tode meines Mannes, der an den Folgen seiner im Konzentrationslager verbrachten vier Jahre ge- storben ist, mit meinen fünf Kindern allein. Frau Riedel-Asch." Noch immer fehlen allzu viele bei der Erfüllung der nächsten und einfachsten Pflicht, den Freunden und Genossen in Deutschland zu helfen. ■ Zögert nicht länger! Fordert Mitghederkarten, Sammellisten, Sammel- büchsen an! Zahlt pünktlich euere Beiträge! AUSTRIA 2064 — U. T. 72-6058 — BUENOS AIRES Sprachst, tägl. von 17—21 Uhr, ausser Sonnabend. C0NFITER1A SUIZA Salon de Te Inhaber: Ludovico Weinberg Avenido Forest 1502 U. T. 73 - 7208 Erstklassige Torten Masas, Bombones LIEFERUNG INS HAUS CASA RÜBENS Ferien, und Erholungsheim für Kindel und Erwachsene Colonia Vctldense Depto. Colonia Uruguay Dr. AUGUST SlEMSEN: Die Tragoedie Deutschlands und die Zukunft der Welt, bfosch. 5 3.50, geb. '$ 5.— Editorial Cosmopolita, Buenos Aires. V er ein "Vorwärts 99 Verelnabauat AUSTRIA 2064 U. T. 72 - «OS8 Sport and l-anilhelmi Quinta "LA PERLITA' R75S HERRENKLEIDUNG nach Mass und FERTIGKLEIDUNG in vorbildlicher Ausführung'