OTRA ALEMANIA DAS ANDERE DEUTSCHLAND O R G A N O DE LOS ALE M A N [ S I) I- M O C k A I I C O S D il AMERICA DFL SUR AUS DEM INHALT* NOCHMALS OTTO STRASSER DEUTSCHES THEATER IN BUENOS AIRES August Siemsen: DER AMERIKANISCH RUSSISCHE GEGENSATZ UND DIE KONFERENZ IN MOSKAU Karl O. Paetel: DIE AMERIKANISCHEN GEWERKSCHAFTEN EUROPA MUSS SICH IM ZEICHEN DES SOZIALISMUS VEREINIGEN POLITISCHE BERICHTE AUS DEUTSCHLAND MITTEILUNGEN DES DEUTSCHLAND-HILFSWERKS Hermann Ebeling: DEUTSCHE ANTIFASCHISTISCHE KAEMPFER NEUER NATIONALISMUS? HERR VON THERMANN UND SEINE KOLLEGEN NEUE BUECHER * mmm vom BUENOS - AIRES • T U C U M A N d u NUMERO 139 WW. ""Vi™ 1 Rh BBaaiBMMxia i I 1< Ü /2b 4 1 DE ABRIL DE 1947 2 (Deutsche Lib'.io'Ver. 1 Frenk'uri N-!n | DAS ÄNDERE DEUTSCHLAND NOCHMALS OTTO STRASSER VERTRETUNGEN DES ANDEREN DEUTSCHLAND BOLIVIEN La Paz: Guillermo Karbaum, Ca- silla 323. Tarija: Manfredo Hammerschlag, Lista de Correos. Cochabamba: Los Amigos del Li- bro, Casilla 450. BRASILIEN Rio de Janeiro: Gurt Uebel und Willi Keller, beide Casilla 4231. PARAGUAY Hans Siemsen schreibt uns aus New York: Ich lese im A. D. (Nr. 133) Be- merkungen über Otto Strasser. Ich möchte diesen Bemerkungen ei- niges ^ hinzufügen• Das kann ich, lüeil ich zweimal ein längeres Ge- spräch mit Otto Strasser hatte. Der Verleger Rowohlt brachte uns zusammen. Es war in Berlin und muss 1931 oder 1932. gewesen sein. Strasser sprach in allgemeinen Redensarten, aber mit grosser Si- cherheit und Begeisterung, über die kommende und notwendige " Revolution". ^Er^.Ailt sich für einen Revolu- tionär, ja sogar für einen Proleta• rier. Es war nicht herauszukriegen, ob er sich für einen Nationalso- zialisten hielt oder für einen Na- tionalbolschewisten. Nur eines war sicher• Das Wort und der Begriff "national" spielten bei ihm die Hauptrolle. Ich fragte ihn: "Was ist im Falle eines Krieges?? Steht de der deut- sche Arbeiter an der Seite des französischen oder russischen Ar- beiters? Oder steht er an der Seite des deutschen Kapitalisten?" Er wusste keine Antwort. fing an zu stottern und war sehr böse über diese Frage, die er "überflüs- sig und abwegig" nannte. Solches Gespräch habe ich zweimal mit Otto Strasser geführt. Nur nach diesen Gesprächen kann ich ihn beurteilen. Mein Eindruck war und ist: Otto Strasser ist sehr eitel und recht DAS ANDERE DEUTSCHLAND LA OTRA ALEMANIA (fundado el 7 de junio de 1937) Autorizado por Resoluciön no. 214 del Ministro del Interior (11 abril 1945) Confirmado por Decreto No. 20.917 (6 sept. 45) del Superior Gobierno de la Naciön. Registro nacional de la Propiedad Intelectual No. 23-0123 Editor y Director: Dr. Auguste Siemsen. Tesorero: Juan Carl. Avisos: Guillermo cleischer Redaeciön y Administration; Tucuman 309. Buenos Aires (U. T. 31-7264) Einzelnummer: 50 Cts. Jahresabonnement: 12.— Pesos argentinos (im voraus zahlbar) Geldbeträge erbitten wir aus- schliesslich per Giro oder Bono PostaI oder Scheck auf Sr. Juan Carl Tucumän 309 Bs. Aires. DAS ANDERE DEUTSCHLAND ist kein auf Profit ausgehendes Geschäftsunternehmen. Es lebt nur dank der Unterstützung sei- ner Freunde. Spendet für den Pressefonds! Erscheint am 1. und 15. eines jeden Monats. unwissend und ungebildet. Von seinem "Führer" Hitler unterschei- det er sich nur durch eine geioisse Zivil-Courage und eine gewisse persönliche Opferbereitschaft — solange seine Eitelkeit nicht ver- letzt wird. In allem übrigen ist er seinem "Führer" sehr ähnlich und be- trachtet die Menschen nicht als Menschen, sondern als Objekte sei- ner eigenen Wünsche und Ziele. In einem unserer Gespräche brachte Otto Strasser hervor: "Sie können sagen, was Sie wollen; Adolf Hitler ist das Mundstück, der deutschen Seele.'" Ich antwortete: "Das Unglück ist d' j. dass dieses Mundstück der deutschen Seele ein Arschloch üt." Daraufhin war eine weitere Ver- ständigung schwer möglich. Otto Strasser bewunderte damals Adolf Hitler sehr. Was ihn von anderen Nazis unterscheidet, ist nur die Tatsache, dass er den Mut fand, Adolf Hitler zu kritisieren. DEUTSCHES THEATER IN BS. AS. Wie in der vorjährigen Theater- saison so gibt es auch in dieser in Buenos Aires zwei deutsche Thea- tertruppen, die Freie Deutsche Bühne unter Paul Walter Jacob, über die ihr Begründer und Leiter soeben ein 365 ::iten umfassendes Buch unter dem Titel "Theater — Sieben Jahre Freie Deutsche Büh- ne in Buenos Aires" veröffentlicht hat, das uns aber noch nicht zu Gesicht gekommen ist, und die "Kammerspiele'' unter der Leitung von Max Wächter, der schon vor Jacob den Versuch einer deutschen Bühne gemacht hatte, dann aber der F. D. B. angehörte. Die Schauspieler haben teils von der einen zur anderen Bühne hin- übergewechseh und sind um neue vermehrt worden. die zum grössten Teil wohl ai-s Anfänger gelten haben. An Aufführungen der ver- schiedensten Art wird beim, Wett- bewerb der beiden Bühnen und der zur Verfügung stehenden nunmehr relativ grossen Menge Schauspieler also gewiss kein Man- gels sein. Ob die Zahl der Thea- terbesucher für beide Bühnen aus- reichen wird, ist eine andere Fra- ge. Vielleicht führt die Entwick- lung zur Vereinheitlichung. Begonnen wurde die Theatersai- son am 24. März von den "Kam- merspielen" mit der Aufführung von Karl Zuckmayers im vorhitle- rischen Deutschland tielgespielten rheinhessischen Volksstück "Der fröhliche Weinberg". Trotz der un- überwind.ichen Dialektschwierig- keiten war die Aufführung ein grosser Erfolg. Das ausverkaufte Haus dankte für die Wiedergabe dei saftigen wirkungsvollen Stük- kes mit viel Heiterkeit und sehr lebhaftem Beifall. Asunc iön: Enrique und Susanna tiloc.t, General Diaz 276- CHILE Osorno: Oscar Chylik, Casilla 423 URUGUAY Montevideo: LA OTRA ALEMA- NIA, Soriano 1224. MEXIKO Mexico D. F.: Walter Stein, Av. Victor Hugo 80, Colonia Anzures VENEZUELA Caracas: Libreria S.V. .A.. El Re- creo. USA New York: Gretl und Herrmann Ebeling, 203 West 98 Street, N. Y. 25. SCHWEIZ Basel: Herrmann Graul, Steinen- graben 12. Zürich: Neues Deutschland, Post- fach 143, Zürich-Fraumünster. FRANKREICH Paris: S. P. D., 9. rue Victor Masse, Paris 9e. ENGLAND London: Wilhelm Sander, 33 Fern- side Avenue, Hill Hill, uonden NW 7. Hans Gottfurcht, 20 East Heath Road, flat 3, London NW3 SUED AFRIKA Johannesburg: Futran, 45 Sacks Building, Joubert & Comissio- neers Street u. Independant Cul- turai Ass., Mappin & Webb Hou- se, Cor. Hock & Piain Streets. Bei den obengenannten Vertre- tungen des ANDEREN DEUTSCH- LAND sind sowohl Einzelexemplare als Abonnements erhältlich. Wir bitten, in allen die Administra- tion und den Versand betreffen- den Fragen sich zunächst mit der zuständigen Landesvertretung in Verbinudung zu setze . Allen An- fragen bitten wir, ein adressiertes Freikouvert, beizulegen. Vorausbezahlung des Abonne- mentsbetrages ist in jedem Falle unerlässlich. Deutsche Techniker wollen nach Russland Die Sowjet-Militärbehörden haben eine Erklärung veröffentlicht, nach der zahlreiche Techniker aller Besatzungs- zonen sich nach wie vor freiwillig in die Sowjetunion melden. Die meisten Gesuche kämen. aus der amerikani- schen und englischen Zone. Der Transport deutscher Arbeiter in die Sowjetunion sei aber zur Zeit einge- stellt. Seine Wiederaufnahme offiziell mitgeteilt werden, % ANDERE ORUTSCHtAND 3 Der amerikanisch - russische Gegensatz und die Konferenz von Moskau Die Moskauer Konferenz, in der über Deutschlands Schick- sal entschieden werden soll, fin- det im Zeichen des weltumfas- senden amerikanisch-russischen Gegensatzes statt. Seine Schärfe ist kurz vor dem Beginn der Kon- ferenz unverhüllt zu Tage getre- ten durch die Rede Trumans und durch die Zusicherung, die anti- russischen Regierungen in Grie- chenland und in der Türkei mit grossen Geldmitteln zu unter- stützen und weitere Milliarden- summen in Korea zu investieren, um so die den Erdball umspan- nenden, zu Verteidigung und Angriff gleich verwendbaren amerikanischen Positionen ge • gen die Sowjetunion zu vervoll- ständigen und zu festigen.; Diese riesigen Subventionen, denen weitere folgen werden, wenn sie ihren Zweck erfüllen sollen, dienen sowohl militäri- schen wie wirtschaftlichen Zie ler.. Ohne grosse finanzielle Hil- fe und ohne eine betriedigend funktionierende Wirtschaft kön- nen die Diktaturregierungen, wie Sie in Griechenland und in der Türkei bestehen, und kann die Regierung, wie sie in Korea von den Amerikanern eingesetzt wer- den soll, sich nicht behaupten. Der wirtschaftliche Aulbau wird in einer Weise erfolgen, der die Länder in eine halbkoloniale Abhängigkeit vom USA-Kapita- lismus bringt, der heute — ge- stützt nicht nur auf seine unge- heuere Finanz- und Produktions- kraft, sondern auch auf die mi- litärischen Mächtmittel — die wirtschaftliche Beherrschung der Welt erstrebt. Wenn das amerikanische Fi- nanzkapital zwangsläufig auf den Weg des Imperialismus ge- drängt wurde und heute, wie vor- her der deutsche Imperialismus, die Weltbeherrschung erstrebt, so muss die Sowjetunion ande- rerseits um ihrer Existenz Vil- len dieses Vordringen zu ver- hindern und ihre eigene Wirt- schafts- und Gesellschaftsform auszudehnen suchen. So wenig der amerikanisch- von August Siemsen russische Gegensatz der einzige ist, der in der Welt und auf der Moskauer Konferenz zutage tritt — es gibt vielmehr fast nur noch Gegensätze und Konfliktsstoffe in unserer friedlosen und chaoti- schen Welt —, so sehr treten doch die änderen Gegensätze hinter ihm an Umfang und Be- deutung zurück. Asien, dem in weiterer Zukunft entscheidende Bedeutung zukommen wird, ist heute noch teils mit Kämpfen um seine nationale Befreiung, teils mit Bürgerkriegen beschäf- tigt, und der panasiatische Kon- gress in Delhi ist nur ein erstes Anzeichen der Sammlung der Kräfte. Zur Zeit sind die Vorgän- ge und Entwicklungen in die- sem grössten und volksreichsten aller Kontinente noch wesentlich durch den amerikanisch-russi- schen Gegensatz bestimmt, ge- hört doch ein grosser Teil Asiens zur Sowjetunion, während Süd- korea, Japan und die südlich' von Japan liegenden Inselgrup- pen einschliesslich der Philippi- nen in der Hand der Vereinig- ten Staaten sind, die ausserdem in Ersetzung der wankenden englischen Position immer stär- ker im Vorderen Orient Fuss fas- sen. Weit mehr und vor allem weit nachhaltiger als das Schicksal Asiens ist das Schicksal des klei- nen und durch die Naziverbre- chen und den Krieg in hohem Masse ruinierten Europq von der Entwicklung des amenkanisch- russischen Gegensatzes abhän- gig, und in dieser Situation ist der Erdteil, der jahrhundertelang die Führung in der Welt hatte, und der Welt sein Gesetz aufer- legen konnte, zerrissener und hilfloser als Asien. Das Bewusst- INTENTARIAN EMIGRAR A SUD-AMERICA MILES DE ALEMANES NAZIS RESIDENTES EN PAfSES BALCANICOS Ce'ntenares de miles de nazis de habla alemana provenientes de paises del sud-este de Europa tendrian probabilidades de llegar a paises sudamericanos, segün declaraciones del Dr. Esteban Kraft, director de la asistencia para refugiados de la Cruz Roja Austriaca. Cabe destacar que el Dr. Kraft ocupö altos cargos en el Go- biern o titere da Ante Pawelitch, durante la ocupacion alemana de Yugoslavia. Asi se explican los pormenores de dicho plan de emi- gracion, que fue preparado por el mismo Dr. Kraft. En vez de te- ner en cuenta 'los intereses de los paises que abrian ofrecido su apoyo a tal inmigraciön, las intencicnes de dicho funcionario sd|i de cardcter puramente politico. Las declaraciones que hizo en una reunion a 100 de sus colaboradores de confianza indican, que trcrta de cobijar a losfuturos inmigrantes en colonias cerradas, "para salvar asi la fuerza biologica de la raza germana, aguardando con estas masas controladas el choque entre el Este y el Geste". Nuestro informante, Dr. Nagy, dirigente de la agrupaciön de los "hüngaros de hobla alemdn sin hogar", ha sido expulsado de Hungria, a pesar de sus afirmaciones de ser antinazi. Ahadiö el mencionado, que hay otro individuo con planes de inmigraciön en masa a Sudamerica, que se destaca por su carte natemente fa- scista: El Archiduque Albrecht buscado por los aliados como cri- minal de guerra, que ya habria alcanzado tierra americana. Este noble senor quiere Hevar a Sudamörica varios miles de ex-combatientes del antiguo ejercito del gobierno fascista de Sa. rosi, declarados como "Gendarmes Hüngaros". Nos Consta que varios paises sudamericanos hayan tomado medidas para precaverse a tiempo contra la infiltraciön de tales siementos, que pronto se convertirian en una nueva Quinta columna, 4 DAS ANDER! DEUTSCHLAND sein der Zusammengehörigkeit Asiens ist erwacht und entwickelt sich; das Bewusstsein von der Zusammengehörigkeit des "Abendlandes" ist verloren ge- gangen und hat einem ebenso schrankenlosen wie kurzsichtigen Nationalismus Platz gemacht. Eine panasiatische Konferenz findet' statt, aber keine europäi- sche. In Moskau geht es um Deutsch- land und damit um Europa. Nach der Katastrophe der Nazidikta- tur und mit ihr des deutschen aggressiven Imperialismus und Militarismus wäre der Weg frei zu einer radikalen Umgestaltung Deutschlands in ein demokrati- sches, sozialistisches und fried- liches Land. Wie Deutschland als geographischer Mittelpunkt Eu- ropas bisher Element der Unru- he und der Zersetzung Europas war, würde es nach dieser Um- gestaltung wesentlich für den Frieden und die Einigung Euro- pas sein. Aber schon bei der Nie- schrift dieser Sätze steigt die bange Frage auf: Ist der frucht- bare Moment nicht bereits ver* passt? Ist es nicht schon zu spät? Auch wer von vornherein sehr gering von der Möglichkeit der Erziehung eines Volkes durch siegreiche Besatzungsheere dachte, konnte nicht vorausse- hen, in welchem Ausmass die so viel propagierte und in unfrucht- ' barster Weise diskutierte "Wie- dererziehung" des deutschen Volkes scheitern und sich in ihr Gegenteil verkehren würde. Alle Briefe, die heute zahlreich aus Deutschland von erprobten An- tifaschisten eintreffen, berichten, dass die Stimmung weiter Kreise des deutschen Volkes entweder apathisch - hoffnungslos oder hasserfüllt-nationalistisch gewor- den sei. Kann das wunder nehmen? Was die militärische Besetzung positiv leisten konnte, war wich- tig, aber beschränkt. Sie konnte und musste dem. deutschen Volk deutlich zum Bewusstsein brin- gen, dass Deutschland gründlich und restlos besiegt war, und dass die Nazis und die Militärs Deutschland in die furchtbarste Katastrophe geführt hatten; sie konnte den greifbaren materiel- len Teil des Militarismus gründ- lichst zerstören; sie konnte die Schuldigen bestrafen und ihnen ihre wirtschaftlichen Grundlagen nehmen. Aber selbst, wenn das geschehen wäre — das letztere ist nicht geschehen — konnte man damit allein das deutsche Volk nicht zur Abkehr von • Un- tertanengeist und Gewaltan- betung, von Nationalismus und Militarismus bringen. Um das zu erreichen, hätten die Sieger- mächte von Anfang an den de- mokratischen Kräften Bewe- gungs- und Aktionsfreiheit und dem ganzen Volk Arbeits- und Existenzmöglichkeit und die Aus- sicht auf eine durch Umkehr und eigene, wenn auch noch so schwere Anstrengungen zu er- langende bessere Zukunft ge- ben müssen. Statt dessen fehlte lange Zeit jede Ermutigung der antifaschistischen Kräfte, wurde das ungeheuere Zerstörungswerk der Bomben durch weitere Zer- störung vom Produktionsstätten und Schiffers fortgesetzt und der Wiederaufbau und die Wiederin- gangsetzung der Wirtschaft durch einen jede Initiative hemmenden Bürokratismus, vor allem aber durch die Zonenabgrenzung und das Gegeneinander der Beset' zungsmächte gehemmt oder ganz verhindert. Fortschreitender Ver- fall, Not und Elend waren die unausbleiblichen Resultate. Und die Folge davon wieder ist die verzweifelte Stimmung, die sich des deutschen Volkes bemäch- tigt; verzweifelt in dem Sinne ver- zweifelter Resignation und Apa- thie, mit denen sich nichts Posi- tives schaffen lässt, oder. ver- zweifelt im Sinne der Ablehnung der Demokratie und jeder Um- kehr von den falschen Wegen und statt dessen der Bereitschaft, sich in den anwachsenden und mit neuem Weltkrieg drohenden Gegensätzen auf die eine oder andere Seite zu stellen und nach Möglichkeit Rache zu nehmen. Die Moskauer Konferenz könn- te diese unheilvolle Entwick- lung stoppen, wenn sie zu einer Einigung über Deutschland ge- langen würde, die dem deutschen Volk Arbeits- und Lebensmög- lichkeiten und damit zugleich den Ausblick in eine erträgliche Zukunft geben würde. Aber dafür scheinen fast alle Voraussetzun- gen zu fehlen. Die Sowjetunion wird nicht die ihr früher zugestandene Linie Stettin-Triest aufgeben. Damit bleibt Deutschland seiner wich- tigsten agrarischen Ueberschuss- gebiete beraubt. Im übrigen Deutschland sind auf beschränk- tem Raum mit zerstörten Städ- ten und Produktionsanlagen, mit ausgesogenem Boden und abge- holzten Wäldern, mit vernichte- ter Handelsflotte, mit beschlag- nahmtem Auslandskapital und zerstörtem Aussenhandel mehr Menschen zusammengedrängt, als früher in dem unzerstückel- ten Deutschland gewohnt haben. Und aus diesem Deutschland wollen die Russen zehn Milliar- den Dollars Reparationen heraus- holen; verlangen die Franzosen nicht nur die Saar-, sondern auch die Ruhrkohle, um nun- mehr durch die — nach dem vo- rigen Weltkrieg gescheiterte — Verbindung von Lothringer Erz und deutscher Kohle eine beherr- schende Stellung in der Schwer- industrie zu erreichen; wollen die Engländer das unbedingt verhin- dern, um selbst das Ruhrgebiet in der Hand zu behalten und die deutsche Wirtschaft unter Aus- schaltung der deutschen Kon- kurrenz möglichst der englischen anzugliedern; wollen die Ameri- kaner die für den Aufbau un- erlässliche sozialistische Plan- ■ wirtschaft verhindern. Gegenüber den hier angedeu- teten Grundfragen der Verhinde- rung oder der Schaffung einer existenzfähigen deutschen Wirt- schaft und einer Lebens- und Zu- kunftsmöglichkeit für das deut- sche Volk haben die Diskussio- nen über die politische Verfas- sung Deutschlands nur sekundä- re Bedeutung, um so mehr, als an sich in unserer Zeit der Glau- be recht wenig begründet ist, einem grossen Volk, mag es ncch so ohnmächtig sein, von aussen her eine Verfassung aufoktroyie- ren zu können, die von Dauer sein soll. Wir verzichten deshalb darauf, die verschiedenen Pläne und ihre Motive in diesem Rah- men zu untersuchen. Dazu wird Zeit und Gelegenheit sein, wenn man das Resultat der Beratun- gen kennt, falls ein solches über- haupt erzielt wird. Es ist ein schwer kranker Or- ganismus, in dem nicht mehr viel Leben ist, um den man sich in Moskau streitet. Nur bei sorg- samer Behandlung kann er nach DAS ANDERE OEUTSCHt AND s W egoperierung der kranken Teile wieder so zu Kräften kom- men, dass er arbeits- und lei- stungsfähig wird. Nur wenn es wieder arbeiten und leben kann, vermag das deutsche Volk Repa- rationen zu zahlen, nur dann Die Wenn man im vorhi tierischen Deutschland von der deutschen Ar- beiterbewegung sprach, so meinte man zweierlei: erstens die sozialistischen Arbeiterparteien und zweitens die Gewerkschaftsbewegung. Die deutschen Gewerkschaften, sowohl im Arbeiter- wie auch im Angestellten-Sektor, un- terschieden sich nach weltanschauli- chen Gesichtspunkten voneinander: die Christlichen, die Freien und die Hirsch-Dunckerschen Gewerkschaf- ten standen, was jederman wusste und als selbstverständlich erachtete, bestimmten politischen Parteien na- he. Wenn man heute in Amerika von der Arbeiterbewegung spricht, so meint man ebenso eindeutig nur die "Unions", die Gewerkschaften. Die amerikanische Arbeiterbewe- gung als Massenfaktor besteht aus den beiden grossen Gewerkschaften AP of L (American Federation of La- bor), dem CIO (Congress of Indis- trial. Organisation) und einer An- zahl kleinerer unabhängiger Gewerk- schaften. Alle diese Gewerkschaften sind als solche "unpolitisch": unter ihren Lei- tern gibt es sowohl Demokraten und Republikaner, wie Sozialisten und Kommunisten, aber als Organisatio- nen haben sie kein anderes Ziel, als die organisierte — und nur diese! — Arbeiterschaft im Lohnkampf gegen- über dem Unternehmer zu vertreten. Die Arbeiterbewegung als solche hat keine Abgeordneten im amerikani- schen Kongress. Aber in beiden Par- teien — bei den Republikanern eben- so wie bei den Demokraten — gibt es eine ganze Reihe von Männern, die ihre Wahl Arbeiterstimmen ver- danken, und die als indirekte Vertre- ter von "Labo"" galten können. Immer rneder ist die Frage der "Dritten Partei" erhoben worden: ei- ner Partei, die den liberalen Intellek- tuellen eine politische Heimstatt und der Arbeiterbewegung eine politische Vertretung gaben würde. Die darüber geführten Diskussionen sind fast aus- nahmlos nur Angelegenheit der Ii- beralen Zeitschriften gewesen. Die Masse der gewerkschaftlich organi- sierten Arbeiter beteiligte sich nicht daran; die Gewerkschaftsführer sind immer wieder der Frage ausgewichen. Die amerikanische Arbeiterbewegung kennt keinen Klassenkampf, kein "Klassenbewusstsein" und kein sozia- listisches Endziel. Sie beschränkt sich bewusst auf die Vertretung von Ar- l-^iterrechten im Rehmen der beste- hPnden kapitalistischen Ordnung, die sie weder theoretisch noch praktisch in Frage stellt. Sie ist interessiert an, einer Erhö- wird es sich' aus einem ÄnsTek- kungs- und Gefahrenherd in einen positiven Faktor des Auf- baus und des Friedens verwan- deln können. Die Aussichten dafür sind äus- serst gering, denn mehr als je von Karl O. Paetel bung der Produktion, um daraus das Recht auf Lohnerhöhung abzuleiten. Die Gewerkschaft der Textilarbeiterin- nen hat unzulängliche Betriebsfüh- rung — innerhalb des bestehenden kapitalistischen Systems — als Kon- traktbruch in ihre Verhandlungsivor- schläge aufgenommen, und Walter Reuther, obwohl persönlich "soziali- stisch" verdächtig, hat in seinem be- rühmten "Reuther Plan" während des Krieges, die Steigerung der Produk- tion als sowohl Unternehmer wie Ar- beiter dienend postuliert. Die ameri- kanischen Gewerkschaften haben kei- ne politischen Ambitionen als Orga- nisationen. Einzelne Führer mögen schon mit dem Gedanken politischer Experimente spielen, aber als Ganzes sind sie nichts als die Interessenver- tretung von Lohnempfängern. In dieser Eigenschaft aber sind sie heute eine latente Kraft, die nicht mehr aus dem Sozialgefüge der USA wegzudenken ist, und deren etwaiges organisierendes Auftreten eines Ta- ges — sei es in d€r Form eines na- tionalen Generalstreiks, sei es als Hin- tergrund einer "Dritten Partei" — zu den Schreckgespenstern des "business as usual" gehört. Ungefähr jeder vierte Lohnempfän- ger in den Vereinigten Staaten ist haute gewerkschaftlich organisiert. 13 bis 14 Millionen Arbeiter» zahlen Bei- träge in den Gewerkschaften. Die Struktur dsi' amerikanischen Arbeiterbewegung hat in den letzten hundert Jahren dabei einen tiefgehen- den Wandel durchgemacht. Von der revolutionären Taktik der IWW (In- ternational Worker.q of the World) über die Knights of Labor, die beide <— soweit überhaupt klare politische Ideologien dabei eine Rolle spielten —) mehr syndikalistisch - anarchistische Tendenzen als marxistisch formulier- tes Klassenbewusstsein entwickelten, militant und unter Bejahung gewalt- samer Mittel die Gesellschaft als G?n- zes bekämpften, zur evolutionären Me- thodik der AF of L geht die erste Periode. Das Auftauchen eines zwei- t~n Typs der Gewerkschaften, der sich später in der CIO sammelnden straffen "Industriegewerkschaften", neben den, in relativer Unabhängig- keit von der Zentrale, in der AF of L sich organisierenden, alten, zunftähn- lichen "Fachgewerkschaften", stellt die zweite Periode dar. Die ersten — nktivistischen — Grup- pen der amerikanischer, Arbeiterbe- wegung, getragen teilweise von euro- päischen Immigranten und beeinflusst Von kontinentalen gefühls-sozialisti- gilt heute Hos Wort, das Gustav Adolfs Kanzler Oxenstierna sei- nem Sohn schrieb: "Du weisst nicht, mit wie we- nig Weisheit die Welt regiert wird". sehen Revolutionsvorstellungen der Nach - Achtundvierziger-Zeit, hatten versucht, den unter dem Druck der "Eisemen Ferse" des Kapitalismus (— wie Jack London es genannt hat —) rebellierenden Typ des Unter- drückten der Uebergangszeit zur mo- dernen technisierten Wirtschaft ala Vorhut des Weltsozialismus zu orga- nisieren. Die Bewegung wurde teil« brutal unterdrückt und ging anderer- seits aus Mangel an realen sozialen Ansatzpunkten zu Grunde. Die AF of L fasste dann quer durch das Land die gelernten Facharbeiter in Berufsverbänden zusammen, sah von politischen Zukunftsträumen eben- so ab wie von putschistischen Aben- teuern und erlangte langsam aber si- cher die Chance — zuerst nur in ein- zelnen Staaten, später im nationalen Rahmen — ein legitimer Partner für Verhandlungen über Lohnfragen, Or- ganisationsfreiheit, Fragen der Sozial- versicherung, der Arbeitszeit, der Ge- sundheitsvorkehrungen für die von ihr Vertretenen zu werden. Ungelernt® Arbeiter, — d. h. praktisch die Mil- lionen der armen europäischen Im- migranten, auch Neger — wurden von dieser sich immer mehr zu einer Ver- tretung der Arbeiteraristokratie ent- wickelnden, noch deutliche Züge des zünftierisbhen Handwerkertums ver- körpernden Gewerkschaft bewusst ferngehalten. In den Jahren 1934—1985 rebellier- ten innerhalb der AF of L eine An- zahl von Einzelgewerkschaften gegen diesen Organisationsaufbau. Unter Führung von John Lewis und Sidney Hillman bildete sich innerhalb der Qs- 5amterewerkschaft 1985 aus 10 Gewerk- schaften ein "Committee for Industrlai Org3nisation"' d?s. unter Hinweis auf die Tatsache, dass die "Fachgewerfc- schaften" nur fähig gewesen seien, etwa ein Zehntel der Arbeiter zu er- fassen, die Ausdehnung der Organi- sation auf alle in den einzelnen Indu- strien Beschäftigten vorschlug. Nach langen internen Kämpfen wurden die zehn dissidierenden Gewerkschaften aus dem. Gesamtverband ausgeschlos- sen. Im November 1938 schlössen sl® sich unter der Führung des ülber dl« 600 000 Bergarbeiter ziemlich autokra- tisch herrschenden John Lewis mint "Congress sc:- Industrial Organisa- tion" (CIO) selbständig zusammen. Mit der vertikal organisierenden In- dustriegewerkschaft begann die eigent- liche Periode des Einbruchs der Ge- werkschaften ii> die Massen. Was die konkreten Erfolge im Loh«- kampf anlangt, so konnte die CIO sehr bald aufsehenerregende Verträ- ge aibschliessen: im Jahre 1937 liessen Bich General Motors und die ygatrw- amerikanischen Gewerkschaften o BAI ÄNDtRl OfUTS CHtAND ter der Stahlindustrie herbei, Verein- barungen mit CIO-Gewerkschaften abzuschliessen; die Textil-Industrie und später die Luftfahrtindustrie folgten; und 1941 kam es erstmalig zu einem Tarifvertrag bei Ford. Die aggressiver werdende Methodik der Massengewerkschaften verliess die reine Schutztaktik für Arbeiterrechte, die die AF of L in den meisten Fäl- len vertreten hatte, und begann, An- teil an der Produktion und — ihren Profiten zu verlangen. Die CIO liess sich dabei nicht in grundsätzliche Kriegserklärungen an da.s Unternehmertum hineindrängen. Gelegentliche kommunistische und linksradikale Versuche wurden stets vereitelt. Dass die Gewerkschaften In diesem zähen Kampf um Anerkennung als legitimer Partner im sozialen Leben der Nation sich so schnell durchsetz- ten, wäre undenkbar gewesen ohne die weitgehende Unterstützung der Roosevelt-Verwaltung, die^eine an- sehnliche Anzahl von Büros, Komitees •und Beauftragten einsäte, um in Ar- beiterfragen einzugreifen und Arbeit und Kapital zur gegenseitigen Aner- kennung zu bringen. Das ist dar Grund, weshalb es Le- wis 1940 nicht gelang, die CIO gegen die dritte Roosevelt-Wahl als Orga- nisation festzulegen. Dsr durchschnitt- liche amerikanische Arbeiter ist an der Aussenpolitik der USA so gut wie gar nicht interessiert, und er ist jahr- aehntelang gewohnt gewesen, in ört- lichen und staatlichen Wahlen entwe- der einem Republikaner oder einem Demokraten die Stimme zu geben, je nachdem die Gewerkschaft den Be- treffenden eis "arbeiterfreundlich" oder nicht deklarierte. Aber er hatte doch das bestimmte Gefühl, dass seine allgemeine Situa- tion in den Jahren der Rooseveltver- waltung sich sehr verbessert hatte, und weigerte sich instinktiv, Lewis zu folgen. 5 Jahre lang hat Lewis dann mit seiner unabhängigen Bergarbeiterge- werkschaft nicht nur den Bergwerks- besitzern sondern auch den andern Gewerkschaften manche Kopfschmer- zen verunsacht, u. a. durch die Rück- sichtslosigkeit und Bedenkenlosigkeit. mit der er sich über das Nicht-Streik- Verspreohen der Gewerkschaften wäh- rend der Kriegszeit hinwegsetzte Schliesslich ist er im vorigen Jahr dann mit seiner Gewerkschaft in die AF of L zurückgekehrt, wo er heute bereits wieder im Exekutivrat sitzt und Gerüchten zufolge gute Aussicht hat, der Nachfolger des Präsidenten Wil- liam Green zu werden. Paradoxerweise hat das eigenwillige Auftreten der Bergarbeiter zu neuen Verschmelzungsverhandlungen zwi- schen CIO und AF of L geführt. Wäh- rend des letzten von Lewis geführten Zedhenstreiks, den die Truman-Ver- waltung durch gerichtliches Eingrei- fen brach- indem sie Lewis und die Bergarbeitergewerkschaft zu Geldstra- fen von 3.510.000 Dollar verurteilen lies.?, hafetp Murray im Namen der CIO- nuf das höchste alarmiert über die Aussicht, dass nur , der An- fang weiterer gewerkschaftsfeindlicher Massr.alicrien der neuen, von republi- kanischer Kongressmeibrheit gestütz- ten Legislation sein würde, In einem Brief vom 5. Dezember 1946 die AF of L und die unabhängigen Eisen- bahnergewerkschaften zur Bildung ei- nes gemeinsamen Abwehrkomitees aufgefordert, Green hatte Anfang Ja- nuar 1947 erwidert, dass die völlige Verschmelzung in eine mächtige Ein- heitsgeweifcschaft diesem Ziel besser dienen würde, und einen Ausschuss einberufen, der Verhandlungen einlei- ten sollte. Murf&y hat inzwischen, im Februar 1947, die Bildung eines pa- rallelen CIO-'Ausschuss-es, der die Fragen der Wiedervereinigung unter- suchen soll, veranlasst. Ein Hemmnis für die Wiederverei- nigung von Industriegewerkschaften und Berufsgewerk&chaften ist inzwi- schen allerdings so gut wie weggefal- len: die verschiedene Einstellung zu der Frage, ob man sich von Fall zu Fall als Körperschaft auch "parteipo- litisch" äussern soll. 1940 hatte die CIO unter Führung Sidney Hillmans mit einem "Politischen Aktionskomi- tee" eine militante Kampagne für Roosevelts Wiederwahl durchgeführt — obwohl im allgemeinen beschlossen war, innerhalb ' sowohl der Demokra- tischen wie auch der Republikanischen Partei arbeiterfreundliche Kandidaten bdi Wahlen zu unterstützen. Hierbei hatten, zum Unterschied von der AF of L, die nicht nur eine solche korpo- rative Stellungnahme vermied- son- dern auch allen Kommunisten die Be- tätigung in ihren Gewerkschaften selbst unmöglich zu machen versuch- te, auch kommunistisch tendierende Gruppen mitgewirkt. Inzwischen hat ein CIO-Kongress Ende 1946 jede Identifizierung von ClO-Aktivitäten mit kommunistischer und jeder ande- ren "parteipolitischen" Arbeit schroff abgelehnt, und kürzlich hat Murray allen CIO-Funktionären noch einmal ausdrücklich untersagt, sich an der Arbeit einer der beiden sich befeh- denden liberalen Fraktionen — der "antikommunistischen" Gruppe ADA ("Americans for Qemocratic Action") einerseits und der diese Position ab- lehnenden PCA ("Progressive Citizens of America") andererseits — zu betei- ligen. Das bedeutet, dass man sich wahr- scheinlich über die Frage der inner- politischen — parteipolitisch neutra- len — Aktvität einer geeinten Ge- werkschaftsbewegung wird einigen können. Eine andere Frage allerdings bleibt noch offen: d!e verschiedene Einstel- lung dev beiden Verbände zur inter- nationalen Gewerkschaftsbewegung. Als der alte "Internationale Ge- werkschaftsbund" in die "World Fe- deration of Trade Unions" (WFTU) umgewandelt, wurde, zu dem die rus- sischen Gewerkschaften und die CIO aufgefordert wurden, trat die AF of L aus der Internationale aus. Sie aner- kennt vom Staat kontrollierte Ge- werkschaften wie die der Sowjetunion nicht als echte Arbeiterverbände an und steht ausserdem auf dem Stand- punkt, dass innerhalb eines Landes nur eine Gewerkschaft vertreten sein könnte. Der zweite Punkt würde bei einer Vereinigung automatisch weg- fallen; o'j man sich über den andern wird einigen können, steht noch sehr dato»* Es ist klar, dass auch für diese Po- sition die Existenz der geeinten Ge- werkschaft ein psychologisch entschei- dendes Faktum darstellen würde. Die 5 CIO- und die 5 AF of L-Mit- glieder £Sr x"Vereinigimgskommissio- nen" tragen eine nicht kleine Vera'nt wortung für das Schicksal der ameri- kanischen Arbeiterbewegung. Die Bestätigung des Urteils gegen Lewis durch das höchste Gericht An- fang März 1947 ist ein "Zeichen der Zeit": ein Zeitungskommentar in New York stellte treffend fest: "Das Ge- richt folgt dem Wahlausfall". 15 Jah- re lang hat da.« Weisse Haus und lo- gischerweise damit auch jeder andere Arm der Regierung sich in Konflikt- fällen fast stets vor die Arbeiter ge- steint. Das ist zu Ende. Formal ist mit der Entscheidung gegen die Bergarbeiter übrigens das Streikrecht nicht in Frage gestellt, selbst nicht bei Berufen, die die Re- gierung als Vertragspartner haben: im Falle Lewis wurde ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass die Uebernahme der Bergwerk» durch die Regierung auf Grund der beson- deren Kriegsvollmachten erfolgte, und. dass gegen diese Bestimmungen Ver- stössen wurde. Aber die reaktionären Elemente beider Parteien sind heute emsig bemüht- im Kongress Gesetze durchzubringen, die sowohl das Streik- recht als auch besonders den "ge- schlossenen Betrieb" (closed ßhop) zu* mindesten sehr einschränken sollen. (Von der Oeffentlichkeit fast unbe— merkt, sind übrigens bereits in acht EinzeLstaaten Gesetze. die in diese Richtung gehen, erlassen worden; an- dere Staaten bereiten dem entspre- chende Gesetzentwürfe vor.) Der "clo- sed shop", d. h. die Bestimmung, dass in ein^m Bet rieh, in dem eine Ge- werkschaft als Vertragspartner aner- kannt ist- nur Angehörige dieser Ge- werkschaft beschäftigt werden dürfen, w?r eine der wichtigsten Errungen- schaften. die die Gewerkschaften in vielen Zweigen der Wirtschaft er- kämpft hatten, übrigens nicht ganz ohne unerfreuliche Nebenerscheinun- gen, als letzter Nachklang der Zeit, in der Gangster und Racketeers in den Gewerkschaften ihr Unwesen trie- ben. hat manche Fachgewerkschaft z. B. exorbitant« Eintrittegebühren er- hoben. Aber die Gegner des ''closed phop" meinen nicht diese Misständfe am Ran- de. wenn sie die Macht der Gewerk- schaften einschränken wollen: sie mei- nen die politisch;n Möglichkeiten, die "Labor" eines Tages als selbständige Körperschaft neben den beiden tra- ditionellen Parteien für 'ich entdek- ken könnte. Dass eine geeinte Gewerk- schaftsbewegung morgen den Sehritt in die Politik in dem Sinne geht, in dem in Europa die Arbeiter zu einem auch politisch die Geschicke ihres Landes mitbestimmenden Faktor wur- den- soll unter allen Umständen ver- hindert, oder zuminde'ten hinausge- zögert- werden. In Washington ist davon de Rede dass nicht nur Bestrebungen im Gan- ge sind, solche "technischen" Abma- chungen sozialpolitischer Art rück- gängig zu machen- sondern überhaupt die ganze Serie von Gesetzen zu "kor- rigieren". die unter . dem New Deal 0AS «NDIRI ÖSUTSCHCÄNB 9 der sich neu herauskristallisierenden sozialen Gruppe der "Arbeiter" (in ei- nem sehr weitgefassten Sinne!) den Status eines soziologischen Gebildes im Rahmen der Gesamtgesellschaft sicherten. Es kann nicht verschwie- gen werden, dass an dieser Entwick- lung die Gewerkschaften nicht ohne Schuld sind. Engherziges Sich-Be- sohränken auf die Interessen der ein- zelnen Gewerkschaft. Ablehnen aller Versuche, die sozialistische Idee in den Mittelpunkt der Erziehungsarbeit zu stellen, autokratisches Durchbre- chen aller gemeinsamen Spielregeln durch Einzelne wie John Lewis, ein völlig unrealistisches Hin und Her wischen pro-kommunistischen und emotionell-antikommunistischen "Säu- berungen" innerhalb einzelner Ge- werkschaften —: alle diese Dinge und manche andere haben zu einer für die Zukunft nicht ganz ungefährli- chen Gereiztheit der nicht gewerk- schaftlich organisierten 'kleinen Leu- te auf der Strasse' gegen die "hohen Herren" der Gewerkschaftsbürokratie geführt. Dazu kommt, dass die libe- rale Intellektuellenschicht, die mit all ihren Sympathien bei den Gewerk- schaften steht, ausserstande ist, den Ernst der heutigen gewerkschafts- feindlichen Entwicklung in ihren rich- tigen Ausmassen einzuschätzen. Sie hört auf die eigenen 'progressiven' Deklamationen und sieht nicht, dass man dabei ist- die amerikanische Ar- beiterbewegung heute auf kaltem We- ge unschädlich zu machen. ^ AJs die 13 Millionen amerikanischer Arbeiter den Einsatz der Staatsgewalt gegen die Bergarbeiter (und vorher gegen die Eisenbahner) widerspruchs- los hinnahmen, zeigte sich, dass noch keine Rede davon war: einer für al- le, alie für einen! Die persönliche * Unbeliebtheit von Lewis in allen Ge- werkschaften ausserhalb seiner eige- nen war ein Grund dafür. Aber au- sserdem auch der Mangel an gemein- samem (Klassen)-Bewusstsein. Wenn das nicht noch in diesen Monaten entsteht und zu Aktionen führt, geht die amerikanische Gewerkschaftsbe- wegung noch in diesem Jahr grossen Gefahren entgegen. Europa muss sich im Zeichen des Sozialismus vereinen Der Krieg, der die Vereinigten Staa- ten als die mächtigste und führende imperialistische Nation in den Vorder- grund gerückt hat, hat auch zur Auf- lösung der alten imperialistischen Staaten geführt. Das Gesicht der ganzen Welt ist ver- ändert worden. Vor dem Krieg gehör- ten grosse Landgebiete in der ganzen Welt den drei grossen Kolonialreichen England, Frankreich und Holland und wurden von ihnen kontrolliert. Die Macht dieser ehemals grossen Natio- nen ist erschüttert. Reiche in Trümmern. Aufgebaut in den 300 Jahren seit 1600, konnten das holländische, briti- sche und französische Reich dem ver- heerenden Stoss des zweiten Weltkrie- ges nicht standhalten. Heute liegen sie in Trümmern. Die Mutterländer Holland und Prankreich wurden selbst im Jahr 1940 von den deutschen Armeen überrannt. England, wenn auch nicht geschlagen, stand isoliert und ging, dank des Bei- standes der Vereinigten Staaten und Russlands siegreich aus dem Krieg hervor, aber mit erschütterter Wirt- s Schaft und ruinierten Finanzen. In Uebersee führte der Erfolg der japanischen Waffen 1,942 zum Zusam- menbruch des holländischen Reiches in Ost-Indien und brach das Ansehen Englands im fernen Osten. Und in Nordafrika und dem Vorderen Osten wurde die Macht Englands und Prank- reichs ernstlich geschwächt. Der Aufstand der Indonesier und die Errichtung der indonesischen Repu- blik bedeutet, das Endo des holländi- schen Kolonialreichs. Die langwierigen Verhandlungen zwischen Indonesiern und Holländern enden mit der offen- baren Unfähigkeit der Holländer, ihre Macht in Ost-Indien wieder herzustel- len. Hollands einzige Macht lag in den Reichtümern, die holländische Unter- nehmer und Finanzleute aus dem ost- indischen Kolonialgebiet aufhäuften. Nun ist das Reich dahin, die Metro- pole ist ruiniert. Dasselbe ist es mit Frankreich. Frankreich, das 1871 das Rennern um Die folgenden Ausführungen entneh- men wir der londoner Zeitschrift "The Socialist Leader". dem offiziellen Organ der von Penner Brockway geleiteten Un- abhängigen Britischen Arbeiterpartei. die europäische Führerschaft verlor, blieb nur eine Grossmacht durch den Besitz eines grossen und reichen Ko- lonialreiches. Jetzt löst dieses Reich sich auf. Syrien und Libanon gingen verloren und mit ihnen der französi- sche Einfluss im vorderen Osten. Viet Nam (Indo-China) hat sich erhoben, und die Versuche der Franzosen, ihre Macht durch militärische Aktionen wiederherzustellen, können die Tatsa- che nicht verbergen, dass In Indo-Chi- na, China und im Pazifik Frankreich nicht mehr zählt. Und nun gibt es im Herzen des französischen Kolonialreiches, In fran- zösisch Nordafrikia, Anzeichen, dass nicht alles gut geht. Irredenti- stische Bewegungen in Algier und dem übrigen Norden drohen, Französisch- Afrika von der Metropole abzusplittern, und führen zur Schwächung des gan- zen französisch-afrikanischen Kolo- nialreiches. Und durch das Absinken des französischen Kolonialreiches er- wachsen dem Heimatland Frankreich die grössten Schwierigkeiten: Wirt- schaftliche, finanzielle und politische Verwirrung von einem Ausmass, das Frankreichs Rolle als Grossmacht für immer pin Ende macht. Zusammenbruch des britischen Imperiums Aus dieser Perspektive muss man die neuere Entwicklung des britischen Weltreichs betrachten. Der sensatio- nelle Verlust von Singapore im Jahre 1941 brachte den endgültigen Zusam- menbruch der englischen Macht und seines Ansehens im Fernen Osten mit sich. In diesem Teil der Welt kann England nie mehr seine früheren An- sprüche imperialistischer Herrschaft aufrechterhalten. Den Ansprüchen Indiens auf Unab- hängigkeit konnte nicht länger wider- standen werden. Die burmanesischen Unabhängigkeitsforderungen mussten angenommen werden. D6r Woge der Erhebung der Eingeborenen auf den Malaylschen Inseln kann nicht wirk- sam begegnet werden. Der Imperia- list Churchill sagte: "Die jetzige Re- gierung zeichnet sich eus durch den Niedergang und Verfall des britischen Reichs." Die Macht Englands im Fer- nen Osten ist geschwunden. Und nicht nur im Fernen Osten, son- dern auch anderswo. Im Votieren Osten wurde England gezwungen, sich aus Aegypten zurückzuziehen und sei- ne Flottenbasis in Alexandrien auf- zugeben. In Palästina ist seine Posi- tion unhaltbar geworden. Transjor- danien musste die Unabhängigkeit be- willigt werden, und im Irak sinkt der britische Einfluss immer mehr • auf Null hinab. Die für die englische Schiffahrt so wichtigen Oelreserven des Mittelostens sind in die Hände der amerikanischen Standard Oil Compa- ny übergegangen. Mit der Beherr- schung des Seeweges nach Osten ist es vorbei. Ueberall findet England auf seinem Wege Schwierigkeiten für die Aufrechterhaltung seiner Herrschaft. Europa und Amerika In den afrikanischen Kolonien wächst der Widerstand der Eingebo- renen schneller, als in London zuge- geben wird. Die Regierungsgeschäfte werden in steigendem Masse er- schwert, und da die Verwaltung für London ein wachsendes Problem wird, tritt die Südafrikanische Union mit Entwürfen hervor, die sich gegen Eng- land wenden mit dem Ziele, selbst die Vorherrschaft als führende afrikani- sche Macht zu gewinnen. Und wie in Südafrika so schwindet bei den Dominions ständig mehr von dem dahin, was sie früher mit Eng- land verband Kanada gehört bereits zur Machtsphäre von U. S. A. Au- stralien und Neuseeland werden wirt- schaftlich und militärisch immer mehr an U. S. A. gebunden. Dem Reich, "in dem die Sonne nie- mals untergeht", ertönt sein Lied vom Sonnenuntergang. Und zu Hause fin- det die Arbeiterregierung die gleiche grundlegende Schwäche ihrer Posi- tion. Dieselbe Schwäche, mit der auch Frankreich und Holland zu kämpfen haben. Solange England der Mittel- 8 das ANDERr OIUTSCKtAND punkt eines grossen Reiches war, war seine Prosperität gesichert. Jetzt steht es allein in der Welt und ist in einen bitteren Kampf um sein wirtschaftli- ches Fortbestehen verwickelt. Das Ex- portproblem als das Grundproblem ist das eines schwach werdenden impe- rial! stischen Staates. Und während das ganze Gesieht der Welt verändert ist durch den Verfall des holländischen, französischen und britischen Reiches, erhebt sich über den Trümmern der amerikanische Ad- ler. U. S. A. tritt seine Nachfolge als daß neue imperialistische Volk an, indem es seinen Aussenhandel ver- dreifacht und die 'Veitmärkte probert. Aus dem Bankrott des alten Imperialismus macht der neue Impe- rialismus sein Glück. Da U. S. A. der führende kapitalistische Staat wird, wird es auch die herrschende Macht in der Weltpolitik, mit Russ- land als einzigem Rivalen. In dem Wirbel des Konfliktes zwischen U. S. A. und U. S. S. R. werden die Ue- berbleibsel der alten Reiche wegge- schwemmt . West-Europa, früher das Zentrum der Welt, ist jetzt ein Niemandsland zwischen Amerika und Russland. Eng- land, Frankreich, Holland, Deutsch- land, Belgien und Italien sind alle von einer wirtschaftlichen wie politischen Krise befallen. Nun ihre Reiche da- hinschwinden, ist die Basis ihrer im- perialistisch-kapitalistischen Struktur unterhöhlt. Als kapitalistische Länder haben sie nur noch eine Zukunft als Vasallen von U. S. A., aufrechter- halten durch amerikanische Anleihen und kontrolliert von Wall-Street, Die einzige wirkliche Zukunft für die Bevölkerung West Europas ist der gemeinschaftliche Aufbau der neuen Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa. Politische Briefe aus Deutschland Brief eines alten Arbeiterfunktio- närs, der viele Jahre in Zuchthäusern, und KZ schmachtete und infolge der Misshandlungen jetzt 70% körperbe- hindert ist: . . . Ihr glaubt nicht, welche Ver- wüstungen die Nazis hier in den Köp- fen der Menschen durch ihren geisti- gen Terror angerichtet haben. Schon aus diesem Grunde hielt ich es für meine Pflicht, am Wiederaufbau der Arbeiterbewegung teilzunehmen. . In ihr sind, im Gegensatz zu den bür- gerlichen Schichten, vor allem zu den Intellektuellen, deren geistiger Stolz vor den Nazis schnell vor die Hunde ging, relativ noch die geistig klarsten Gedanken vertreten. Wie sich die po- litischen Geister scheiden, werdet Ihr durch die Ausgänge der Wahlen in den verschiedenen Zonen festgestellt haben. Was niemand für möglich ge- halten hätte nach diesem fürchterli- chen Regime, ist, dass die Arbeiter- schaft vom Kommunismus- genauer gesagt, von der Sowjet-Union aufs Schwerste enttäuscht wurde und noch ständig weiter enttäuscht wird. So wird die SPD in immer erhöhtem Masse wieder die Partei, der die Mas- sen zuströmen. Auch die jungsoziali- stische Bewegung rührt sich immer kräftiger, nur fehlt es uns allen an geistigem Werkzeug. Leider hat mir die Gestapo auch meine herrliche und mühevoll aufgebaute Bibliothek gestohlen. So macht mir meine Tätig- keit als Referent in der Partei bei den Jungsozialisten und an der Volks- hochschule manchmal Sorge. Unsere Bekleidung Ist ein Kapitel für sich. Was mich anbelangt, so ha- be ich im KZ meine gesamte Wäsche und Bekleidung eingebüsst und bin von Dachau aus in einem Drillichan. zug und Filzstiefeln entlassen worden. Inzwischen habe ich aus einer Klei- dersammlung', zu der ehemalige Pgs. natürlich ihre allerschlechtesten An- züge ablieferten, auch einen erhalten. Das ist alles. Mein ganzes übriges Hab und Gut haben wir bei der Zwangs- evakuierung aus Schlesien restlos ver- loren. BrLef eines Sozialisten, der gegenwär- tig einen hohen Posten bei der hes- sischen Justizverwaltung bekleidet: . . . schwieriger ist es schon in der SPD sozialistische Elements zu ent- decken. Man spricht zwar viel von der politischen Demokratie, aber nicht von der wirtschaftlichen. Und toian ist von der letzteren weiter ent- fernt denn je, jedenfalls weiter als 1918. Man kann zwar im Allgemeinen sagen, dass die SPD nach Aussen als eine starke Partei erscheint, dass es ihr aber an innerer Festigkeit man- gelt. Sie ist nachgiebig, nicht stark im Willen, es fehlt ihr an Theoreti- kern und an Nachwuchs, vor allem hat sie. keine Leute mit Erfahrung, die wichtige Staatsst?llen besetzen können und zugleich ihren Gegnern gewachsen sind. Dem gegenüber ist die CDU viel zielbewusster. sie ha4" ih- re Leute von früher, die wissen- was sie wollen. Sie setzt ihre Leute im Augenblick nur an unscheinbare Po- sten. um sie morgen wieder in Schlüsselstellungen zu bringen. Sie hat vor allem ausgebildete Leute, denn die Sozialisten sind naturge- mäss durch die vergangenen Jahre de- zimiert und haben keinerlei Nach- wuchs. Bei der CDU aber taucht jetzt alles auf. alle sind unschuldig, sie waren nur gezwungenermaßen Par- teimitglieder oder bei der SS sie ha- ben alle unter Druck gehandelt, tra- ten nur in die NSDAP ein, ihr den revolutionären Charakter zu nehmen. Zu Sondergerichten waren sie nur abkommandiert, und es finden sich immer Zeusren. die beweisen, das" die Leute in Wirklichkeit gegen die Par- te,1 gewesen sind und dass sie sogar Sabotage getrieben oder für einige Tage einen .Ttid-n versteckt haben. Brief eines alten Funktionärs der Arbeiterbewegung im Ruhrgebiet, der unter Hitler viele Jahre im Zuchthau.i sass: ... Ich weiss, wie das Emigranten- les ist, insbesondere weiss ich, wie schwer es ist, sich zu behaupten, wenn man als Aussenseiler betrachtet wird. Wir, die wir den historischen Partei- en nicht angehören können und wol- len- haben es sowohl hier als auch In der Fremde sehr schwer. Und doch. können gerade wir, die wir fast oh- ne Ausnahme aus der alten Garde stammen, nicht alles mitmachen, was die offiziellen Parteien machen und unterstützen. . . . Wir hZben uns alles anders gedacht. Ich bin sin er von der ganz alten Garde. Im- Jahre 1908 trat ich der Arbeiterjugend bei und gehörte den Freien Gewerkschaften und den Arbeitersport-Organisationen an. Wir träumten in unserer Jugend, wie man es uns gelehrt hatte von dem Hin- einwachsen in die sozialistische Ge- sellschafts- und Wirtschaftsordnung. 1918 standen wir auf einem Trümmer- haufen. ... So ähnlich ist die Situation nun wieder. Doch wir sind nicht gerüstet. Ein Kapp-Putsch kommt nicht mehr Der Putsch, der schon eingesetzt hat, wird auf kaltem Wege durchgeführt. Die ersten Schritte zu unserer Nieder- knüppelung sind bereits getan. In Düsseldorf, wo man mit Hitler die Pläne gegen die Arbeiter schmiedete, hat man es nun wieder geschafft. Es sind dieselben Personen, die auch da- mals dabei waren. . . . Man spricht von der Einigung der Arbeiterschaft und tut alles, da- mit die Einigung nicht zustande kommt. Wäret Ihr hier, Ihr würdet staunen- welche Kräfte in den Par- teien wirken. Sie zeigten die Nazi- fahne bei jeder Gelegenheit, sie wa- ren in vielen Organisatiönchen ver- treten, doch das macht alles nichts, sie waren nur Nominelle. Wir sehen schwarz. Nachdem in X. einer der Neukommunisten erklärt hat, man müsse alle alten Kommunisten und Sozialisten aus den Parteien heraus- werfen.. denn sie taugten nicht mehr für die neue Bewegung, wurde ein so bewährter alter Genoss? wie R. vor Kurzem aus der KP ausgeschlossen. Der Genosse D- Vorsitzender unse- res Komitees der ehemaligen politi- sch 9J1 Häftlinge, trat daraufhin aus der KP aus, nachdem er vergeblich eine korrigierende Stellungnahme ge- fordert hatte. Er hat 11 Jahr? KZ hinter sich. Der Genosse R. hat mit mir zusammen im Zuchthaus in Mün- ster gessesen. Als die Amerikaner ein- rückten, wurde er befreit und von ihnen als Polizeikommissar eingesetzt. Er tat alles, was in seinen Kräften stand, um den Nazismus auszurotten. Als aber die Amerikaner abzogen, ka- men die Nazis wieder aus ihren Mau- selöchern. und er wurde wegen Krank- heit, aus dem Polizeidienst entlassen. Er lag wieder auf dem Strassenpfla- ster und hungert sich durch. . . . Unser Komitee der ehemaligen politischen Häftlinge ist noch nicht oanz sauber, es ist sehr schwer, dif P"'ib viip-r durchzuführen. Da brin- gen die Leute Bescheinigungen, dass sie im Lager waren- jetzt muss zu- DAS ANDER! DEUTSCHLAND 9 nächst geprüft werden, warum. Heute wollen ja nur Politische im Lager ge- wesen sein. Doch mit der Zeit fassen wir den einen oder andern, der sich verhaut, und dann stellen wir fest, dass es sich um einen alten Berufs- verbrecher handelt, der wohl im La- ger war, doch einen andern Winkel getragen hat. ... In der SPD sieht es auch nicht viel besser aus. Auch dort sind gute und willige Arbeiter, die eine Säube- rung wollen. Wir sind uns darüber im Klaren, die Reaktion schläft nicht und hat ihre Positionen schon bezo- gen. In allen Parteien sicr&en ihre Handlanger. In dsr CDU hat sie sich das Organ geschaffen, das alle Fä- den zusammenhält. Wäre die Besat- zung nicht hier, dann erginge es uns sehr dreckig. Ich diskutiere oft mit den Leuten und frage sie u. a., wie kam es, dass Hitler seinen Krieg ver- lor, und bis jetzt ist' fast ^eder auf die Frage hereingefallen, denn sie antworten alle, zuerst hätte er Eng- land niederringen müssen, und dann erst durfte er gegen Russland vor- gehen. Das sind die Nazis. Nicht der Nazismus als solcher wird verurteilt, nur die gemachten Fehler werden be- mängelt. Ich habe in meinem Büro einen Spruch aufgehängt: "Wir waren über- all dabei, wir waren -auch in der Par- tei, wir waren Raffer und Profitier- wir schrien laut und oft Heil Hitler, wir nannten ihn ein göttliches Wesen — doch Nazis sind wir nie gewesen!" Ja, so ist der Durchschnitt, und aus dieser Haltung heraus warten sie auch jetzt auf den Führer, der ihnen hilft. Die CDU will einen neuen Ka^ pitalismus. Die SPD will die Soziali- sierung mit Hilfe der englischen Ar- beiterregierung. Die KPD will "Förde- rung der Privatinitiative des Unter- nehmertums", so .xteht es wörtlich in einem Aufruf vom Juni 46, herausge- geben von Wilhelm Pieck. Wir wollen nun nicht nur die Fehler der andern kritisieren, wir wollen einen andern Weg zeigen, der gangbar ist, dabei haben wir aber auch mit den Alliier- ten zu rechnen. Ueber diesen Weg ein anderes Mal . . . Brief eines jugendlichen Antifaschi- sten aus Berlin: Nach 5jährigem wechselvollem Uni- formdasein mit den Etappen Soldat- Partisane-Kriegsgefangener bin ich jetzt zurückgekehrt üis Leben. Aller- dings war die Heimreise durchaus nicht programmgemäß . . . Eine klei- ne chronologische Schilderung der letzten beiden Jahre soll Euch auf- klären. Im Invasionssommer 44 endete mein recht idyllischer und erträglich halb- ziviler Norwegenaufenthalt — 2 Jah- re gegenüber der englischen Küste, zu der es z. B. von Bergen aus ei- nen regelmässigen Geheimverkehr aus Fischerbooten bei Nacht und Ne- bel gab und 43 bereits nur die Furcht vor Repressalien an meiner Mutter eigene "Westpläne" von der Verwirk- lichung abhielt — Fahrt in einen üp- pigen italienischen Herbst, zu "latei- nischen Menschen", was meiner na- t'-'ir'ichfn Ne:gung stark entsprach. Und dort, wo die Vofalpen sich in die Fo-Ebene senken, gab es eins starke italienische Widerstandsbewe- gung, mit denen eine zahlenmässig kleine, aber sehr konsequente und gu- te illegale Gruppe im Stab unserer Einheit bald Verbindung aufgenom- men hatte. Sabotage, Waffen- und Sprengstoffschmuggel, politische Tä- tigkeit unter den Soldaten — das al- les ging einige Monate gut, bis die Gestapo und die faschistische italie- nische Geheimpolizei Wind davon be- kamen. Einer tödlich angelegten Falle am 10. März 45 entgangen, mussten mein Freund Henry und ich durch das noch verschneite Hochgebirge in Richtung auf die Schweizer Grenze fliehen. Diese 14tägige Flucht mit Hunger, Verrat, Schiessereien, Verfol- gung und in all dem voll pulsieren- den Lebens kannst Du Dir mit dem szenischen Hintergrund des Schweizer Films "The last Chance" ausmalen. Unmittelbar vor dem Ziel gerieten wir in das Feuer eines deutschen Block- poetens, Henry wurde verwundet; ir- gendwie — wie, ist mir heute noch un- klar —» konnte ich uns retten — und wir fanden unsere Freunde, die ita- lienischen Partisanen, die Wie das ge- hetzte Wild lebten und brüderlich das letzte Stück Ziegenkäse und die letzte kalte Polenta mit uns geteilt haben. In der Monte Suello-Brigade habe ich dann zum ersten Male im Kriege hinterm M. G. gelegen und in deutsche SS-Kolonnen mit einem glühenden Hass hineingehalten . . . Währenddessen hingen die Steckbrie- fe in Norditalien; so habe ich wenig- stens den Geldwert meines Lebens mal erfahren — 100.000 Lire — Ende April folgte der Zusammenbruch der Südtront. Die italienische Revolution — die dann später so grossartig im Sande verlief und verkauft wurde brach wie eine befreiende Welle aus der Montana und den Fabriken Tu- rins und Brescias. Ich sah Mussolini hängen 1n Meiland, dolmetschte für 6:e Amerikaner und konnte bis Mitte Juli bei der AMG ein angenehmes Leben wiedergewonnener Daseinsfreu- de führen — bis eines Vormittags zwei Gestalten in mein Büro traten und damit meine Bekanntschaft mit den Engländern begann. Und für ein ur- sprünglich so anglophiles Geschöpf wie mich war die Kehrseite der Me- daille die bitterste Ernüchterung. Als deutscher Partisan galt ich weniger bJs ein deutscher Offizier (der war doch vom Mythos des ritterlichen Gegners umwittert, während ich ja gegen "mein eigenes Volk" gekämpft hatte • ' Stacheldraht und im Camp. Be- gegnung mit den übelsten Vertretern einer Colonel Blimo-Gesinnung. Viele, viele zermürbende Monate hinter Sta- cheldraht und dann ein Hoffnungs- strahl in diesem Sommer: Entlassung nach Westdeutschland möglich! Tja, und so kamen Ende Juli 46 tausend Gefangene im berüchtigten Münster - lager an. Aber wen man entliess, das waren nur die Offiziere, die uns Jah- re getreten hatten, die dumme Herde der kleinen Lar^er sollte nach Eng- land zur Bergarbeiterzunft und später — quien .sabe? Meine Er- fahrungen md Bitternis?" lie=ss,n mich dann meinen persönlich-n Weg über Stacheldraht und gesperrte Gren- zen finden — aber die letzten Illusio- nen liess ich im Camp zurück. Brief einer Antifaschistin aus Ber- lin, die wegen ihrer Untergrundakti- vitäten einige Jahre im Gefängnis sass Wir Antifaschisten haben uns in den 12 Jahren ebenso verbannt ge- fühlt wie Ihr draussen. Stück für Stück ist unser Heimatgefühl zerbro- chen, weil die Sprache, das Fühlen, das Denken mit der Umwelt nicht übereinstimmte, und darüber hinaus, weil die eigene Existenz ständig be- droht war. Nun müsste natürlicher- weise ein neues Gefühl der Zugehö- rigkeit entstehen. Aber das ist nicht der Fall. Trotzdem wir nun offen sprechen können, ja, trotzdem nun die Nazis eigentlich mundtot gemacht sein müssten, ist es so, dass nur eine Minorität anfanger. will, antifaschi- stisch zu fühlen und zu handeln. Wir, die wir in öffentlichen Aemtern arbei- ten, werden für alle Schmutzereien und für alle Schrecklichkeiten von vorneherein verantwortlich gemacht. Wenn es früher einmal eine Ehre war, Beamter zu sein, so liegt jetzt ein moralischer Makel auf jeder Per- son, die angibt, Verwaltungsangestell- ter zu sein. Die alten nazistischen Ideen treiben mit einem neuerwach- ten Nationalismus in den Köpfen ein wildes Spiel. Die Scheid "wände zwi- schen Freund und Feind in diesem traurigen Sinne sind eingerissen. Denn der Antinazi «on vor Kriegsen- de entwickelt in sich einen neuen Nationalismus. Und die Vernünftigen sind wie immer verschwindend wenige. . . . Die theoretischen Auseinander- setzungen haben heute hier in Deutschland so ganz und gar konkrete und mächtige Hintergründe, dass ei- ne friedlich-freundschaftliche Diskus- sion, die nur der Erkenntnis der Wirklichkeit gewidmet wäre, nicht mehr möglich ist. Die ältesten Freundschaftsbande. Beziehungen, die sich unter dem Nazidruck bewahrt haben, schleissen. Es gibt alte Freun- de, mit denen eine Unterhaltung über grundlegende Dinge nicht mehr mög lieh ist; und da wir alle überlastet sind mit Arbeit und auch Noten, so mag man solche unfruchtbaren Bin- dungen nicht mehr fortsetzen, man entfremdet sich gänzlich . • • Brief eines sozialistischen gewerk- schaftlers aus Berlin Wir Sozialdemokraten haben den Mut, daran zu glauben, dass es unse- rer ehrlichen Bereitschaft gelingen wird, für die deutlich vor gezeichnete Aufgabe, eine Brücke zwischen Ost und West zu bilden, eine Lösung zu finden. So können auch wir, trotz allem, unser Teil zum Frieden der Welt tun. Es sieht im Augenblick wieder al- les recht traurig und trostlos in Deutschland aus. Die furchtbare Kälte fordert unge- heure Opfer, denn noch fehlen in aL- zu vielen Wohnungen Fenster und Tu- ^Kohlen und Holz sind knapp (ach. knapp ist gar kein Begriff dafür). Wir hungern und wären schon ver- hungert, wenn nicht von überallher in der Welt Hilfe käme. Aber gerade die wichtigsten Aufbaustoffe fehlen ja io DAS ÄNDERE DEUTSCHLAND doch überall: Fett, Fleisch, Milch, Käse, zur Anregung auch mal etwas Kakao Tee. Bohnenkaffee oder Scho- kolade. Man wundert sich, dass man bei der schweren und langen Arbeit immer noch nicht aus den Pantinen kippt. Und man ist mit seinen 43 Jahren schon so. alt und müde. Ach, so eine Winterreise in die lieben Schweizer Berge mit Skiparadies und Winter son- ne, mit viel Ruhe und vielem guten Essen. Lang, lang ist's her! Wir ha- ben so vieles verspielt. Was nützt ei- nem nun die schöne Stellung, wenn man auf die damit verbundenen An- nehmlichkeiten alle verzichten muss? Wir wissen uns ja in Deutschland al- le keinen Rat mehr, wie wir unser bisschen Wirtschaft wieder hinkrie- gen sollen. Die Demontagen und Re- parationen. all dieser Abbau unserer Fabriken und Werkstätten scheint uns manchmal so ganz ohne Sinn und Verstand. Gewiss, die Sieger haben Recht und wir wollen Ja auch all das Unrecht, das wir der Welt zufügten, wieder gutmachen. Aber wenn man uns jede Lebensmöglichkeit nimmt, wenn man uns verrecken und ver- kommen lässt, was soll denn das? Wir können doch arbeiten und wollen nicht als Bettler oder Sklaven leben. Sind wir ungeduldig? Nein, wir sehen dass wir bald am Ende mit unserer Kraft sind, und dass dann alles zweck- los und nutzlos war, für uns und für die Welt. Und wir sehen noch etwas sehr klar. Wenn es nicht bald aufwärts geht, wenn nicht bald ein geringer Silberstreif am Horizont auftaucht, dann können wir demokratischen und sozialistischen Kräfte mit unseren Idealen und Plänen bald keinen Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken. Noch haben wir die Möglichkeit und die Kraft, viele junge Menschen für Sozialismus und Demokratie zu gewinnen. Wenn aber die Enttäu- schungen nicht abreissen, wenn wii nicht bald ein Ziel vor uns sehen wenn wir nicht bald wissen, was un.' die Welt für Lebensmöglichkeiten ge- ben will, dann werden uns wohl auch die Jungen wieder entgleiten. Wisst Ihr, warum wir Euch das schreiben? Weil wir hoffen und er- warten, dass die Sozialisten in eilen Ländern der Erde uns nun bald ihre Bruderhand reichen und uns damit moralisch stützen. Wir warten auf eine grosse Gests der Internationale und sind ent- täuscht, dass man auf internationa- len Tagungen noch Sorgen darüber hat, ob man überhaupt schon mit uns verkehren dürfe. Seht, so sieht es in unseren Herzen aus. Doch, wir wissen und sehen, dass schon vieles besser geworden ist, aber ein ganzes Volk muss deutlicher und klarer sein Schicksal erkennen, um aufwärts zu steigen oder ins Nichts abzugleiten. DAS GESICHT DER ZEIT 34.000 Millionen Francs zur Unterdrückung Vielleicht ist die Befreiung der Ko- lonialvölker noch heute ein Punkt in den Parteiprogrammen der französi- schen Sozialisten und Kommunisten. Doch die Programme haben meistens ihren Zweck erfüllt, wenn sie sich bei Wahlen als Propagandamittel bewährt haben. Wieder einmal hat die Welt mitansehen müssen, wie die Vertreter der Arbeiterschaft unter Berufung auf die Gefahr, in der das Vaterland an- geblich schwebt, der brutalen Unter- drückung eines um seine Freiheit kämpfenden Volkes zustimmten. Da die Verpflichtung, international zu denken und zu handeln, aus der Mcde gekommen zu sein scheint, konnten sich die Arbeiterparteien bei der letzten Regierungskrise in Frank- reich auf ihren Patriotismus berufen, um ihre Handlungsweise zu verteidi- gen. Die Sozialisten, die in der Re- gierung den Posten des Präsidenten und des Ministerpräsidenten besetzt haben, traten als Sachwalter des fran- zösichen Imperialismus auf. indem sie die Kredite zur Fortführung des Krie- ges in Indochina forderten. "Frank- reich ist in Gefahr," rief Ramadier pathetisch aus' und nahm dafür den Beifall der Rechtsparteien entgegen. Es sah erst, danach aus, als ob die Kommunisten über die Frage Inchochi- nas die Regierung zu Fall bringen wür- den, doch in der entscheidenden Sit- zung gestatteten sie ihren Ministern für die Kredite zu stimmen. Der Kommunistenführer Duclos berief sich dabei auf die Interessen Frankreichs, die von Bidault in Moskau vertreten werden. Stehend spendeten die Socia- listen den französischen Truppen Bei- fall, die die indochinesischen Frei- heitskämpfer niedermetzeln, während die Kommunisten bei dieser "nationa- len'' Demonstration sitzen blieben. Nach errungenem Siege erhob sich Ramadier und erklärte, Frankreich sei bereit, mit jedem zuständigen Vertre- ter des Vietnam zu verhandeln. "Aber mit wem sollen wir verhandeln?" fragte er die Kammer. Die Frage war berechtigt, denn eine Stunde vorher war der Vertreter von Vietnam in Pa- ris verhaftet und deportiert worden. Eine panasiatische Konferenz findet zur Zeit in Delhi statt. Es ist die erste ihrer Art. Der Gedanke stammt von Jawaharlal Nehru. Seine Anregung hat ein weites Echo gefun- den. und die meisten Länder Asiens sind vertreten. Auch in einem andern Vorgang zeigt sich das Erwachen eines asiatischen Solidaritätsbewusstsein. In Indien und in Burma werden Freiwilligen- korps zur Unterstützung der Freiheits- kämpfer von Vietnam aufgestellt. Petroleum Die Standard Oii investiert 227 Mil- lionen Dollars zur Ausbeutung des Pe- troleums in Saud-Arabien. Der Plan schliesst den Bau einer Eisenbahnlinie und eines Hafens am Persischen Golf ein. sowie eine Oelleitung zum Mittel- meer. Petroleum-Imperialisten verständigen sich ' (AEP) Bis vor kurzer Zeit war die Anglo-Iranian Oil Co. auf Wahrung ihres Vorsprunges eifersüchtig bedacht, den sie dadurch gewann, dass sie als erste internationale Petroleum gesell- schaft Konzessionen in Persien erhal- ten hatte. Der Versuch der Ameri- kaner, auch ihrerseits Bohrrechte zu erhalten, wurde stets von den Rus- sen durchkreuzt. — Jetzt h*aben d;e Amerikaner aus diesen Erfahrungen gelernt und statt eigene Konzessionen zu suchen, einen langfristigen Liefe- rungsvertrag mit der englischen Ge- sellschaft abgeschlossen. Dadurch gewinnen einerseits die Amerikaner neue Versorgungsmöglichkeiten, oh- ne politische oder wirtschaftliche Be- dingungen mit der Regierung von Iran eingehen zu müssen. Anderer- seits erblicken zweifellos die Eng- länder in der nunmehrigen Ueber- einstimmung der englisch-amerikani- schen Interessen eine willkommene Verstärkung ihrer Position gegenüber den russischen Bemühungen um Ein- flussnahme im Iran. "Disziplin1' in der englischen Marine United Press meldet: "Leutnant J. T. W-ardle wurde durch ein Militärgericht von seinem Schiff entfernt, mit drei Monaten Haft bestraft, in der Rangliste herab- gesetzt und schwer verwarnt, weil er das Weihnachtsessen zusammen mit fünf gewöhnlichen Soldaten einge- nommen hatte. Wardle verteidigte sich damit, dass nur sie sechs an Bord des Minensuchboots gewesen seien, und dass es deshalb nicht prak- tisch gewesen sei, getrennt zu essen. .Ist das Völkermord?" So überschreibt die sozialistische Zeitschrift ,,The Call" die Zeilen, in denen sie die Vernichtung von Mil- lionen von Zentnern Kartoffeln in USA der Tatsache gegenüberstellt, dass ein Drittel der Frauen in Deutschland sich weigern, ihre Kin- der auszutragen, weil sie sie nicht ernähren können, dass von den Neu- geborenen in Deutschland 30 Prozent im ersten Jahr sterben, und dass bei Fortdauer der jetzigen Zustände die deutsche Bevölkerung in den näch- sten 50 Jahren auf di^ Hälfte sinken muss. Die Vereinigten Nationen, so schreibt „The Call", haben den Völ- kermord als internationales Verbre- chen erklärt. Amerikanische Gleichberechtigung Der Neger Louis B. Lautier kann seinen Beruf als Berichterstatter einer Zeitung im Kongress nicht ausüben infolge einer ausdrücklich für diesen Zweck getroffenen Verfügung, Noch niemals hatte bisher ein Neger die Pressetribüne des Kongreses betre- ten. DAS ANDERE DEUTSCHLAND 11 Junger Deutscher über seine Generation Ein "Es scheint grotesk, wenn ein jun- ger Deutscher über das heutige Deutschland schreibt. Was weiss die deutsche Jugend hier in Berlin über die in München, Stuttgart oder Ham- burg? Das Land, in dem wir leben, ist in vier vollkommen von einander abgetrennte Teile zersplittert. Nur auf eigene Gefahr kann man ihre Grenze übrschreiten. Vor nicht langer Zeit schloss Thüringen Handelsverträge mit Gross-Hessen ab, als ob Mainz einen wirtschaftlichen Warenaus- tausch mit New York hätte. Wir in Berlin sind den Menschen in Frankfurt ferner als in normalen Zeiten unseren Freunden in Chi- cago. Und die Lage verschlimmert .sich noch. Auf Befehl von Moskau .sprechen, die Kommunisten von der Einheit Deutschlands, aber sie gren- zen ihre Zone immer schärfer gegen das übrige Land ab. Jedoch haben die Deutschen, be- sonders die jungen Deutschen, ein gut s Teil Gemeinsames. Junge Berli- ner kommen ebenso fassungslos aus diesem wahnsinnigen Krieg wie die jungen Menschen in Bayern oder Sachsen und werden gleicherweise von der Erinnerung an Dreck und Blut verfolgt. Die Meisten von ih- nen sind ebenso kriegsüberdrüssig wie die junge Generation der grossen De- mokratien. Seit hundertfünfzig Jah- ren waren sie die ersten Deutschen, die ihr eigenes Vaterlmd vom Kriege zerstört sahen. Das wirkt, sogar bei den Deutschen. F'S gibt natürlich Fanatiker und Leute mit langer Leitung, denen jede Ablehnung der Nazilehre ein "Ver- brechen am eigenen Volk'' bedeutet Aber sie sind eine kleine Minderheit. Ein grösserer Teil der jungen Deut- schen ist einfach verzweifelt beim Anblick dieser gigantischen Verwü- ICHTE Justiz in Bayern Ein früherer Stoatsangestellter be- warb sich um einen Posten bei einer Arbeitsbehörde. In seiner Lebensbe- schreibung führte pr an, dass er wäh- rend des Krieges von der Gestapo den Befehl erhalten habe, ein mit jüdi- schen Flüchtlingen aus Rumänien ab- fahrendes Schiff durch sine Höllen- maschine in diA Luft. ::u sprengen. Er Ivabo sich geweigert, diesen Befehl p.uszuführen und sei daher mit einer hohen Zuchthausstrafe belegt worden. In dem Gutachten, das daraufhin vom Justizministerium für ihn abgegeben wurde, wird festgestellt, dass er zwar Anrecht auf Entschädigung habe und politisch Verfolgten gleichzusetzen sei, aber --- eine Anstellung bei piner Be- hörde käme nicht in Frar; weil er sich geweigert habe, den Befehl einer vorgesetzten Dienststelle zu befolgn I \ stung. Ohne Arbeit, ohne Glauben. Von den Nazis wegen Arbeit in der Untergrundbewegung zum Tode verur- teilt, wurde der Verfasser dieses Berich- tes nur lurcli die Unachtsamkeit der Hitlerleute gerettet. Br ist- jetzt Heraus- geber des "Horizont", einer Jugendzeit- schrift in der nordamerikanischen Zone von Berlin. Er ist in der angenehmen I-age, nach U. S. A. gehen zu können und 'möchte dort gerne die Universität besuchen, aber er kann das neue Deutschland nicht verlassen, das solche junge Menschen bitter nötig hat. ohne Hoffnung und ohne ausreichen- de Ernährung vegetieren sie oder streifen heimatlos durch das Land. Aber die meisten der jungen Gene- ration haben Arbeit. Sie tun hier ihre Arbeit, wie sie sie im Kriege to- ten — ohne Denken und ohne Ver- trauen auf eine bessere Zukunft. Die Mehrheit der jungen Deutschen —■ davon bin ich überzeugt — glaubt nicht an die Möglichkeit, jemals wie- der in anderen als in zerbombten und verdreckten Städten leben zu können. Diese jungen Menschen sahen, wie von den Besatzungstruppn eine Fabrik nach der anderen nach dem Osten geschafft wurde, und damit wurde nach ihrer Meinung c .e letzte Aus- sicht auf die Rückkehr zu einem er- träglichen Lebensstandard vernichtet. Politik interessiert sie nicht.. "Wir sind einmal von Politikern verraten worden", sagen sie "wir wollen leben und arbeiten wie menschliche We- s"n. und wollen nicht mit sogenannter Selbstverantwortung und solchem Zeug gequält werden". Das ist unver- nünftig, aber es ist die Ansicht der meisten jungen Deutschen dieser Nachkriegszeit. Indessen gibt es die deutsche Ju- gend, die gegen die Nazis kämpfte, die in Konzentrationslagern litt, aber deren Ideale die Nazis nicht Tierstö- ren konnten. Diese Jugend fühlt, AUS Pestalozzidorf in Wahlwies am Bodensee Das frühere Reichsarbeitdienstlager mit seinen zwölf Barocken soll in ei- ne Siedlung für Waisenkinder umge- wandelt werden. Je 10 bis 15 Kinder sollen mit je zwei Leitern eine Fami- lie bilden. In jeder Baracke können zwei Familien untergebracht werden. Das spätere Ziel ist ein Kindergarten und eine echtklassigeSchule mit vor- wiegend handwerklicher und künstle- rischer Ausbildung. Web- und Spinn- stube, Schneiderei, Schusterei. Tisch- lerei, Schlosserei, Feinmechanik, Obst- und Gemüsetrocknung, Verwertung von Wildgemüsen und Heilkräutern sind vorgesehen. Die verschiedenen lokalen und Lan- des! nstanzen unterstützen das Projekt. Jn der Schweiz hot. das Pestalozzianum in Zürich eine Sammlung begonnen. Ebenso will der Nansenbund eine Sammlung veranstalten. die Demokratie für alle Deutschen die Gelegenheit ist, sich wieder heraufzu- arbeiten, so unmöglich das vom wirt- schaftlichen und finanziellen Ge- sichtspunkt aus auch scheinen mag. Diese Menschen besitzen starken Hang zum Individualismus, was eine natür- liche Reaktion auf den furchtbaren Zwang zum Massendenken der ver- gangenen Jahre ist. Die Zukunft der deutschen Jugend wird von der Politik er Besatzungs- mächte abhängen. Wir wissen, dass wir auf die Gnade der Alliierten ange- wiesen sind, Millionen Kinder und Ju- gendliche sind abhängig von den Be- stimmungen, die in London, Wa- shington und Moekau getroffen wer- den. AIs ein Deutscher, der die Schrecken der Konzentrationslager durchmachte, kann ich die Wut der ganzen Welt auf die deutschen Unge- heuer in menschlicher Gestalt ver- stehen. Aber ich weiss auch, dass Deutschland und Nazsimus nicht ein und dasselbe sind. Ich weiss auch, dass in diesem Land im Zentrum Europas — durchkreuzt von den wichtigsten Handelsadern des Kontinents und verkettet mit dem Schicksal seiner Nachbarn — junge Menschen leben, die als freie und friedliche Menschen unter freien und friedlichen Menschen leben wollen. Mitten unter den gleichgültigen, haas- erfüllten und müden Menschen sind sie eine Minderheit, aber der Endsieg wird der ihre sein. Sie werden siegen, weil sie für eine gute Sache kämpfen. Einmal, wenn diese Jugendlichen zu Männern geworden sind, wird es ihre Aufgabe sein, das Schicksal einer deutschen Republik zu leiten — vor- ausgesetzt, dass die Aussenwelt die Deutschen nicht aufgibt oder ihr Land dem jetzigen Chaos überlässt. Eine Baracke ist fertiggestellt und soll jetlPt die erste "Familie" aufneh- men. Kampf um die Schule Die Minister für Erziehung in Hes- sen, Bayern, Würtemberg-Baden, in den drei Ländern der französischen Zone und in Rheinland-Westfalen ge- hören der Christlichen Partei an. Wie in de? Weimarer Republik hat es die Kirche verstanden, die Mehrheit der Eltern für die konfessonelle Schule zu mobilisieren, die ein kras- ser Widerspruch zur Weltlichkeit des Staates ist. Nun wird auch die Bei- behaltung des Gymnasiums mit La- tein und Griechisch gefordert. Das Katholische Komitee des Erzbistums Köln, die Vereinigung aller katholi- schen Organisationen erklärt in einer Eingabe, dass die Universitäten, Tech- nischen Hochschulen (!) und die Mehrzahl der führenden Schulmänner für das Gymnasium einträten, des- DEUTSCHLAND 12 DAS ANDERE DEUTSCHI AND sen Verschwinden den Sieg des Ma- terialismus bedenken würde. Resignation in der französischen Zone Der Manchester Guardian berichtet, dass in dem von den Franzosen be- setzten Gebiet, sich eine grössere Gleichgültigkeit und Apathie der Bevölkerung bemerkbar macht als in irgendeiner anderen Zone. So wurde z. B. die gesamte Bevölkerung von 12.000 Personen der Stadt Kehl nach Renchen abtransportiert. Auch diese Massnahme wurde mit stoischem Gleichmut hingenommen. Die Apa- thie wird allerdings verständlich, wenn man weiss, dass die Ernährung nicht einmal 1.000 Kalorieen erreichte. So wurde im Sommer alles Frischobst und Frischgemüse requiriert. Die Be- schlagnahme von Wohnungen hat ebenfalls ein ungeheures Ausmass er- reicht. Die Folgen der industriellen Gegenrevolution In seinem bei Victor Gollancz, Lon- don, erschienenen Buch "Lunacy in the Reich" (Wahnsinn im Reich") beschäftigt sich H. B. Rimer von der Labourparty mit dem von ihm als "industrielle Gegenrevolution" be- zeichneten Versuch, des industrielle Niveau Deutschlands gewaltsam zu senken. Dazu erklärt der Verfasser: "In allen industriellen Ländern sind Lohnerhöhungen eines der wichtig- sten Motive für die technische Ver- besserung der Produktionsanlagen. Nur so kann ein Betrieb trotz erhöh- ter Lohnauslagen rentabel erhalten werden. Unter den Bindungen der in- dustriellen Gegenrevolution aber, die ja die Möglichkeit wachsender Er- trägnisse ausschalten, können Lohn- steigerungen nichts als eine wilde In- flation und ein noch weiteres Absin- ken der industriellen Erzeugung ver- ursachen. Unter solchen Verhältnis- sen ist es völlig ausgeschlossen, im nachhitlerischen Deutschland demo- kratische Gewerkschaften zu organi- sieren, die nicht nur in wirrem Phra- sengestammel, sondern in Tat und Wahrheit mit allen demokratischen Rechten ausgestattet wären. Und wie soll Deutschland ein demokratisches; Land werden, wenn alle seine Werk- tätigen dauernd ihrer elementarsten ökonomischen Freihelten beraubt blei- ben?" Studentische Zusammenarbeit Köln-Bristol. In einer Abstimmung der englischen Studenten in Bristol wurde mit 366 gegen 40 Stimmen beschlossen, mit den Studenten der Universität Köln Verbindung aufzunehmen. Die Ab- stimmung war veranlasst worden durch ein# Bitte der Kölner Studen- tenschaft um " laterlal und geistige Unterstützung, durtih die die intellek- tuelle Vereinsamung Deutschlands be- endet werden soll. Die Verbindung besteht zunächst in der Organisierung eines Briefwechsels von Studenten beider Universitäten, der Uebersen- dung von Nachrichtenbriefen. Studen- tenzeitschoiften und Unterrichtsmit- teln. Für Ostern ist ein Besuch der englischen Studenten in Köln geplant gewesen. Ob er sich durchführen Äset, ißt nodh, nicht ftek&nnt, Thüringen vor dem Staatsbankerott? Der Vizepräsident Thüringens, Ernst Busse, erklärte vor Funktionären der SED, dass die Fortdauer der Repara- tionslasten das Land in den Staats- bankerott treibe. Für 1946 seien die thüringischen Reparationsleistungen auf 72 Millionen Reichsmark festge- setzt gewesen. Im Dritten Quartal allein habe ihr Wert aber mehr als 100 Millionen betragen. Dies sei nur der Betrag an Sachleistungen. Hinzu kämen riesige Beträge in Geld, De- montagen und Uebertragung des Be- sitzes der verbleibenden Grossbe- triebe an sowjetrussische Gesellschaf- ten. Hamburg erreicht nur 25 o|o seiner Friedensproduktion Ende 1946 hatt 9 Hamburg 48.500 Betriebe mit 480.000 Beschäftigten gegenüber 113.200 Betrieben mit 593.000 Beschäftigten vor dem Krie- ge. Die noch vorhandenen Produk- tionsstätten könnten etwa zwei Drit- tel der Vorkriegsprcduktion bewälti- gen. Tatsächlich betrug die Leistung jedoch nur 26 o'o. In der Fischindu- strie erreichte sig nur 18 o'o und in der Speiseölfabrikation gar nur 10 o:o der Friedenskapazität. Zusammenarbeit deutscher und aus- ländischer Genossenschaften. In einer Besprechung zwischen der Sekretärin der Internationalen weib- lichen Genossenschaftsliga aus Lon- don mit Genossenschaftlerinnen des Landes ^«^irdrhe in-Westfalen wurde die Möglichkeit einer Zusammenarbeit erörtert. Interesse für deutsche Photoapparate Wie begehrt auch heute noch in Nordamerika die Produkte der deut- schen Photoindustrie sind, beweist die Tatsache, dass mehr als 100 Anträge von nordamerikanischen Interessenten gestellt w'/rden, dia F.rlaubnis zu ei- ner Reise nach Deutschland für den Einkauf von Photoapparaten zu er- halten . Exportförderung in der amerikani- schen Zone General Mc. Narbey schätzt, dass die Exporte der amerikanischen Zone im e/sten Halbjahr 1947 $ 20.000 000.— betragen werden. Neben Export aus- Stellungen in München, Stuttgart und Wiesbaden ist noch an die Herausga- be eines gedruckten Führers für Ge- schäftsleute gedacht, die Deutschland besuchen wollen. Abtrennung des Saargebietes bedeutet Förderung des Hitlemsmus Die Pariser Zeitschrift "La Verite", Organ der trotzkistischen Kommuni- sten, erklärt zur Saar-Abtrennung: Was Frankreich im Saargebiet ernten wird, ist der Hass des Saarvolkes, ei- ne erbitterte nationale Opposition und nichts weiter. Man muss das gesam- te deutsche Problem auf die Beine stellen. Vom proletarischen Stand- punkt besteht keine und kann keine andere Lösung bestehen als diejeni- ge, die zum deutschen Proletariat Vertrauen zeigt, zu seinen Organisa- tionsfähigkeiten und zu der Wieder- geburt der sozialistischen Bewegung in Deutschland. Die Saar vom übri- gen Deutschland abtrennen im Hin- blick auf ihre Annektion, bedeutet noch mehr das Nationalgefühl der Deutschen anstacheln und noch et- was mehr zur Wiedergeburt des Hitle- rismus beitragen. Das ist nicht, was die französischen Arbeiter wollen. Deshalb werden sie einen Frieden mit Deutschland ohne Entschädigungen oder Annektion verlangen als Aus-, gangspunkt zu einer neuen Kampfge- nossenschaft zwischen dem Proletariat unseres Landes und dem deutschen Proletariat." Naziarchiv zum Studium mittelalterli- cher Foltermethoden Bei der in einem niederschlesischen Schloss g efundenen Bibliothek des Hauptamtes der SS wurde eine beson- ders interessante Unterabteilung ent- deckt. Sie enthielt eine umfangreiche Literatur zum Studium der Strafpro- zess- und Kriminaluntersuchungsver- fahren seit dem 18. Jahrhunderts. Der eigentliche Zweck dieser Samm- lung war offensichtlich die Erfor- schung der in der V gangenheit an- gewandten Methoden der Gefangenen- torturen. So fand man noch Bücher aufgeschlagen oder angekreuzt an Stellen, an denen die verschiedensten Foltermethoden beschrieben und il- lustriert sind. „ ''"Deutsche Gegenwart" heissen von K. O. Paetel herausge- gebene monatliche Informationsbriefe deren erster Januar 1947 in New York erschienen ist. Ihr Hauptzweck ist, Stimmen aus Deutschland zu Gehör zu bringen. Sie'wollen keiner Partei die- nen, sondern über Verhältnisse und Menschen, über Strömungen und Mei- nungen in Deutschland orientieren. Die erste Nr. enthält Auszüge aus Bestellungen sind zu richten an H. Briefen. Vorträgen und Zeitschriften. W. Schmid, 92-46. 52nd Avenue Elmshurst, L. I. N. Y. Der Preis be- trägt Dollars 2.50 jährlich. Nazigeist an der Wiener Universität Auf die Behauptung, Oesterreich sei gegen seinen Willen von den Nazis erobert, werfen einige Ereignisse, die sich an der Wiener Universität ab- spielten, ein helles Licht: Bei den im November durchgeführten Wah- len zu den Studentenausschüssen fanden Nazi-Kundgebungen statt. Ein Student, der erzählte, er sei als Na- zigegner im Konzentrationslager ge- wesen, wurde als Feigling und Verrä- ter beschimpft. Ein anderer, der sich als ehemaliger SS-Mann vorstellte, wurde begeistert begrüsst. Dazu wur- den antisemitische und antirussische Parolen gerufen. Die akademischen Behörden behinderten möglichst die drei demokratischen Studentengrup- pen. die sich in Anbetracht der be- denklichen Situation erfreulicherweise zu gemeinsamem Vorgehen entschlos- sen hatten, an ihren Aktionen, DAS ANDERE DEUTSCHIANL Mitteilungen des Deutschlands - Hilfswerks AUSTR1A 2064 — U. T. 72-6058 — BUENOS AIRES Empfangsbestätigungen von Paketen Bestell- Absender datum S C H W 6. 9.4*6 S. Lewkowitz, Stgo. de Chile 5. 9.46 S. Lewkowitz, Stgo. de Chile 13. 9.46 C. Weber Pucon, Osorn-o, Chile 13. 9.46 H. Maler, Stgo, de Chile 13. 9.46 B. Hensel, Buenos Aires 13. 9.46 P. Philippe, Buenos Aires 13. 9.46 C. Mulzet. Buenos Aires 13. 9.46 C. Victor, Cördoba, Argentinien 13. 9.46 E. Markowitz, Buenos Aires 13. 9.46 V. v. Grotthus de Rosenthal 13. 9.46 Frau Graetz, Buenos Aires 13. 9.46 G. Powtiz, Castelar, Prov. Bs. As. 19. 9.46 M. Rhodin, Buenos Aires 19. 9.46 G. Heymann-Jacobi, Bs. Aires 19. 9.46 M. Weller, Ciudadela, Bs. Aires 30. 9.46 R. Nielsen, Valdivia Chile 30. 9.46 A. Guhl, Stgo. de Chile 30. 9.46 B. Dosmar, Stgo. de Chile 30. 9.46 H, Kochmann, Buenos Aires 30. 9.46 E. Steinmetz, Montevideo 30. 9.46 Pio Merz, Buenos Aires 30. 9.46 Pio Merz, Buenos Aires 30. 9.46 K. Kuttner, Buenos Aires 30. 9.46 K. Kuttner, Buenos Aires 30. 9.46 Ing. H. Harry, La Plata, Argent. 30. 9.46 Ing. H. Härry] La Plata, Argent. 30. 9.46 W, Braune, S. Martin, Prov. B. A0 30. 9.46 H.' Hempel Tigre, Prov. Bs. As. 30. 9.46 H. Hempel Tigre, Prov. Bs. As. 20. 9.46 L. Eichenberg, Bänfield, Bs. As. 30. 9.46 Tita Weiss Bussy Alers, Bs, As, 20. 9.46 E. Vollmer, Buenos Aires 4.10.46 M. Fabian, Buenos Aires 4.10.46 Bruno Jacobi, Buenos Aires 7.10.46 Maria Tölz, Buenos Aires 7.10.46 M. v. Freithal, Buenos Aires 7.10.46 H. Heinitz--Weil, Bs. Aires 7.10.46 R. Voelter, Bs. Aires 7.10.46 M. K. Keil, Resistencia, Chaco 7.10.46 J. Dümming, Bahia Bianca, Arg. 14.10.46 A ' Neckelmann, Pitrufquen, Chile 14.10.46 Dr. H. Winkler, Chahuilco, Chile 14.10.46 J. Haag, Cerro Cora, Misiones 14.10.46 B. Auras, Cerro Cora, Mißtones 14.10.46 I. Reinke, S. Isidro, Prov. Bs As. 14.10.46 K. Nutkowics, Buenos Aires 14.10.46 K. Nutkowics' Buenos Aires 14.10.46 K. Kolbert, Flores, Bs. Aires 14.10.46 V. Jaeger, Buenos Aires 14.10.46 C Stowasser, Buenos Aires 14.10.46 D" .Dschenffzig, Buenos Aires 14.10.46 D Dschenffzig, Buenos Aires 14.10.46 O. Werther, Buenos Aires 14.10.46 E. Statzner, Ituzäingn, Bs, As, 14.10.46 F. Dorries, Buenos Aires 14.10.46 E. Vatter, Limache, Chile 14.10.46 A Bianchini, Stgo. de Chile 14.10.46 K. Glass, Stgo. de Chile 14.10.46 H. Maier, Stgo. de Chile 14.10.46 D Kanisch, Bemal. Bs. As. 14.10.46 A." Pete* Buenos Aires S C H W 1. 8.46 Paul Ziegele, Temuco, Chile 1. 8.46 S. Klein, Asunciön, Paraguay 21. 8.46 A. Guhl, Stgo. de Chile 3". 8.46 M. Finkelstein, Buenos Aires 50. 8.46 E. Tlomkowitch, Buenos Aires 30. 8.46 Juan M. Salm, Florida, Bs. As. 30. 8.46 Juan M. Salm Florida. Bs. As. 6. 9.46 A Rogozinski, Frutillar. Chile 6. 9.46 M. de Fabian, Buenos Aires 6. 9.46 A. Bianchini, Stgo. de Chile 6.9.46 Dr. Strelitz, Stgo. de Chile 6. 9.46 F. Nadig, Ramos Mejia, Argent 6. 9.46 D. Dschenffzig. Buenos Aires 16. 9.46 Sarah Ameslow. Buenos Aires 30. 9.46 H. Perl, Pto. Varas, Chile 30 . 9.46 R." Ostermann, Buenos Aires 9.10.46 A. Schmulowitz, Buenos Aires 14 .10.46 C. Stowasser, Buenos Aires 14 10.46 Paula Glusa. Buenos Aires 21.10.46 M. V. Holczmanowa, Bs. Aires 21.10.46 R. w'olff, Avellaneda, Bs. As. 21.10.46 F Webers, Buenos Aires 28.10.46 C. Keller, V. Ballester, Bs. As. 28.10.46 G. Grünewald, Vto. Löpez, Bs. As. 28.10.46 Paul Bilstein, Bs. Aires 4.11.46 J. Wittmaack. Temuco. Chile 4.11.46 J. Kreitz Villalonga, Bs. As, 13.11.46 H. Wittich, Temuco, Chile 13.11.46 B. Paulsen, Sta. Cruz, Bolivien 13.11.46 B." Paulsen, Sta. Cruz, Bolivien . 13.11.46 M. Landau, Asunciön, Paraguay 13.11.46 G. Paninke, Resistencia! Chaco 22.11.46 G. Dietrich, Vte. Löpez. Bs. As. 22.11.46 M, Jfccob, Cördoba, Argentinien Empfänger Empfangen resp, bestätigt EIZ F. Lewkowitz, Berlin 23. 12. 46 F. Lewkowitz, Berlin 23. 12. 46 H. Weber, Berlin 23. 12. 46 E.' Steuer, Berlin 23. 12. 46 G. Mielcarek, Berlin 23. 12. 46 W. Lappe, Berlin 23. 12. 46 J. Brunlechner, Wien A Anclam, Berlin 23. 12. 46 L. Klawonn, Berlin 24. 12. 46 V. a. D. Keller, Berlin 24. 12. 46 E Powitz, Berlin 24.12. 46 H. Simon, Berlin 24.12. 46 K. Dopslaff, Berlin 23. 12. 46 D. & K, Witkowski, Berlin 23. 12. 46 E. Werner, Berlin 24. 12. 46 Oh. Nielsen. Hutin [Holst. 9. 1. 46 L. Guhl. Berlin 23. 12. 46 E. Tarrasch, Berlin 23. 12. 46 I Steinberg, Berlin 23. 12 46 W. & H. Langhals, Berlin 23 12 46 Maria Merz, Berlin 23 12 46 G. Genicke, Berlin 23 12.46 Marlis Wendt. Berlin 23 12 46 Lisa Himm, Berlin 23 12 46 Fritz Kerkow, Berlin 23 12 46 W. Lohse, Itzehohe|Holst 9 1 46 O. Burghärdt, Berlin 23 12 46 eil. Seiler, Berlin 23 12 46 Carl Eckert, Berlin 23 12 46 Else Alers, Hamburg 17 12 46 G. Schrudt, Berlin 23 12 46 A. Mlosch, Berlin 24 12 46 Flora Bäsch. Berlin 24 12 46 Dr. Willy Hahn, Opladen 24 1 47 Wilh. König. HernejWestf. 24 1 47 J. Grosset, Berlin 25 1 47 Otto Rebeschke, Berlin 24 1 47 K. Balks, Münster|Wests. 27 1 47 A, Weil, Ottenbach, a. Main 19 2 47 E. Draudt, Darmstadt 17 2 47 Dr. H. Festenberg, 'Berlin 24 1 47 Paula Mack, München 19 2 47 Bruno Auras, GoslarjHarz 2 1 47 Oh. Kloth, Lübeck 6 1 47 F. Arnolds, Köln-Klettenbg. 1 47 G. Arnolds, Vallendar A. Rhein 9 1 47 G. Ritter, München Bogenh. 19 2 47 Farn. Jung, Duisburg r [Rhein 2 1 47 N. Koeppen. Berlin 24 1 47 Z. Dschenffzig, Berlin 25 1 47 Ch. Sfrerzel, Berlin 23 1 47 V. Heinze. Berlin 27 1 47 F. Statzner, München " 8 2 47 W. Dörries, Hameln , 18 1 47 L. Vatter, Dietzenbach 19 2 47 H. Forst, Berlin 27 1 47 Dr. Hans Plasterk, Berlin 24 1 47 B. Steuer. Berlin 25 1 47 W. Boehme, Berlin 23 1 47 R. Milde, Berlin 24 1 47 EDEN E. Haberecht, Heidelberg 10 2 47 H. Geiss, Schwarzenbach 15 2 47 E. Steuer, Berlin 18 2 47 M. Schmidt, Berlin 12 2 47 Willi Blaube, Berlin 18 47 J. Priegnitz, Berlin 9 2 .47 J. Priegnitz, Berlin 9 2 47 M. Rogozinski, Berlin 17 2 .47 A. Mlosch, Berlin 14 2 47 H. Frost, Berlin 18 2 .47 H. Maedlow Berlin 15 2 .47 G. Hagebölling, Solingen 16 2 .47 Chr. Sterzel, Berlin 12 .47 Thea Graeber, Bsrlin 13 2 .47 E. Schmidt, Berlin 11 47 M. Klix, Hohenlimburg 17 1 .47 H. Schmulowitz, Walsum 19 .47 R. Dohrmann. Oldenburg 12 2 .47 Joh. Koch. EsseniRuhr 8 2 .47 A M. Schacht, Bockhorn 14 2 .47 A Tiedemann. Hamburg 13 2 .47 F. Webers. Kiel 14 .47 B. Schmitz, Laasphe|Wests 15 2 .47 F. Geerken, Bremen 17 . 47 C Völkenroth, Hamburg 17 , 47 F. Schmidt, Hamburgo . 17 C. Kreitz, Werne|Lippe 15 .47 L. Wittich, Bremen ^ 16 2 .47 M. Decker, Bremen 15 2 .47 E,' Anthony, Bremen 15 . 2 .47 J. Metternich, Köln 19 .47 E. Berninghaus, Gevelsberg 15 . 2 .47 G. Blass, Ploen;Holstein 20 . 2 .47 H. Sommerltorn, Köttingen 19. 2 .47 Empfänger Empfangen resp, bestätigt 19 DAENDSCHE POLITIKER die der "Vereinigung ehemaliger poli- tischer Gefangener aus der Okkupa- tionszeit" angehören, veröffentlichten den folgenden Aufruf. Er ist unter- zeichnet von den Vertretern der rech- ten Bauernparteien bis zu den Kom- munisten. Auch der jetzige konserva- tive Staatsminister hat seine Unter- schrift geleistet: "In einer Welt, wo Millionen Hun- ger und Not leiden, gibt es eine Grup- pe Menschen, die in ganz besonderem Grade Hilfe* braucht, nämlich die Deutschen, die wegen ihrer politischen und religiösen Ueberzeugung Jahre in deutschen Gefängnissen und Konzen- trationslagern verbringen mussten. Infolge der nazistischen Grauramkei- keiten gegen die Bevölkerung der be- setzten Länder scheint vergessen zu werden, dass Konzentrationslager wie Oranienburg, Dachau und Buchenwald im Hinblick auf die Deutschen errich- tet wurden, die bereits 1933 begannen, illegale Widerstandsarbeit gegen das nazistische Gewaltregime zu leisten, und dass es Deutsche waren, die die längste Zeit in diesen Höhlen vorbrin- gen mussten. Durch die Unterernährung, an der die Pioniere im Kampf gegen den Na- zismus litten, als Deutschland zusam- menbrach, sind sie in der augenblick- lichen katastrophalen Lebensmittelsi- tuation in einer besonders schwierigen Lage und haben bedeutend geringere Widerstandskraft als ihre politischen Gegner, die während des Krieges ge- nug Nahrung bekamen. Menschlich betrachtet ist es eine Tragödie, dass gerade diese Leute, die Jahre uns assbarer Leiden ausgehalten haben, jetzt in Gefahr geraten, zu- grunde zu gehen. Aber auch politisch betrachtet ist es eine Tragödie, dass die Menschen, die die demokratische Wiederaufbauarbeit in Deutschland leiten sollten, durch eine ganz unge- nügende Ernährung gehemmt werden. Bs ist unsere Pflicht als Menschen und Bürger eines demokratsichen Landes, die einen höheren Lebens- standard als die übrige Welt haben — und auch während des Krieges hat- ten — ihnen eine Hand zu reichen in ihrer augenblicklichen Not. In dieser Erkenntnis hat die Lan- desvereinigung politischer Gefangener aus der Okkupationszeit, deren Mit- glieder selbst Unterernährung und Misshandlungen in den nazistischen Konzentrationslagern erlebt haben, be- schlossen, unseren deutschen Kamera- den durch Lebensmittelpakete, die ih- re Lebenskraft und Arbeitsmöglich- keit erhalten sollen Hilfe zu leisten. Da solche Arbeit aber auf breiter demokratischer Grundlage geleistet werden soll, fordern wir im Namen der Menschlichkeit alle Organisatio- nen wie Einzelpersonen auf, unsere Arbeit zu unterstützen. Eller Jensen. Vorsitzender des dä- nischen Gewf rkschaftsbundes, Borg- bild Hammerich. Hans Hedhoft, ^ar- laments-Abgeordneter, H. C. Hansen, Parlaments-Abgeordneter, Poul Söven- sen, Parlaments-Abgeordneter, Christ, mas Miller, Parlaments-Abgeordneter Knud Kfiatefisen, Ministerpräsident; 14 DAS ANDERE DEUTSCHLAND DEUTSCHE ANTIFASCHISTISCHE KÄMPFER HL DER SHJBGE& UND DER BESIEGTE Es war erst ein paar Wochen nach der bedingungslosen Kapitulation. Goslar gehörte damals noch zur amerikanischen Besatzungzone. Es wurde erst später zur britischen Zone geschlagen. Goslar war nie eine Industriestadt. Während des Krieges gab es dort vie- le Hospitäler, und viele Soldaten ver- brachten in Goslar ihren Genesungs- urlaub. Und doch gab es in Goslar eine getarnte Fabrik, in der Kriegs- material hergestellt wurde. Der Teufel weiss, wie Alfred Kube, aus Braunschweig gerade an diesem Tage hier hergekommen war. Kurz, er war da, als eine zivile Besichti- gungskommission unter der Leitung eines amerikanischen Oberst ankam. Es trieben sieh auch einige russische Zwangsarbeiter dort herum. Wahr- scheinlich "unbefugt". Der Oberst ging auf sie zu und erklärte ihnen, dass sie hier nicht bleiben dürften. Er Sprach kein Deutsch, sie verstanden kein Englisch. So guckten sie ihn mit grossen Augen erstaunt an und blie- ben stehen. Kübel sah die klein? Sze- ne, ging auf den Oberst zu und fragte, ob er ihm helfen dürfe. Er durfte. Die Russen verstanden nun und trot- teten ab. Kübel wurde aufgefordert, sich an der Besichtigung zu beteili- gen. Sie gingen durch weite Hallen, blie- ben gelegentlich vor grossen, kompli- zierten Maschinen stehen, der Oberst sprach, und die Zivilisten hörten ' zu Am Ende der Besichtigung des kuns voll-technischen Werkes der Zer- störung hielt der Oberst die Kommis- sion noch einmal auf. Er wollte hin- ter die Anhäufung der sichtbaren Tatsachen den Schlusspunkt der poli- tischen Polgerung setzen- Sie hätten ja mit ihren eigenen Au- gen gesehen, was hier vorgegangen war. Ein Riesenwerk der Zerstörung war hier entstanden. Und das inmit- ten einer Lazarett- und Erholungs- stadt. Er nenne etwas derartiges ehr- los und gemein. Und die Nazis hätten die Unverfrorenheit gehabt, von Ehre zu reden. Allerdings sei es, in Anbe- tracht der Untaten, die in Deutsch- lands Namen überall in der Welt be- gangen worden seien, zu billig, nur von den Nazis zu sprechen. Dife Deut- schen in ihrer Gesamtheit seien schuld, jeder, samt und sonders. Das müssten sie, die Anwesenden, begrei- fen und müssten sich einschlössen. Die Zivilisten schwiegen. Sie sahe., zu Boden. Was konnten sie dem Ver- treter der siegreichen Armee sagen, wenn sie etwas zu sagen gehabt hät- ten? Kübel biss sich, auf die Lippen. Dann richtete er sich auf, jung, blond und blauäugig, eine Gestalt, wie Goeb- bels und Hitler es sich als Ideal hät- ten träumen können. Er sah den jun- gen Amerikaner an und sagte: "Ge- statten Sie mir, Herr Oberst, dass ich Ihnen meine Meinung dazu sage?" Der Oberst sah ihn erstaunt an. Er war eine solche Kühnheit bei den, Deutschen wohl nicht gewöhnt, "Bit-"' ts schön" at«rte er, "was ist Ihre Mei- nung?" von Hermann Ebeling Kübel rang mit seinen englischen Schulkenntnissen. "Ich für meinen Teil lehne es ab, für die Verbrechen der Nazis verantwortlich gemacht zu werden, und kann nicht verstehen, warum man die Verbrecher und ihre Opfer in denselben Topf werfen will. Ich kenne viele gute Deutsche, die niemals Nazis waren." "Und was haben Sie und Ihre Freunde dagegen gemacht?" blitzte ihn der junge Oberst in einer Mi- schung von Spott und Aerger an. "Well, sehen Sie," fuhr Kübel fort, "zu einer Zeit, als Hitler noch nicht an der Macht war, habe ich als ganz junger Kerl bereits vorausgesagt, dass der Nationalsozialismus Krieg bedeu- ten würde. Als er dann trotzdem sieg- tß, haben wir mit illegalen Waffen weiter gegen ihn gekämpft. Ich wur- de verhaftet, eingesperrt, und mir wurde der Prozess gemacht. Viele Tausende wurden ermordet wegen ih- rer Gesinnungstreue, und noch viele, viele mehr wurden in die Konzentra- tionslager geworfen. Das waren auch Deutsche. Sind die mitschuldig an dem, was ihre Kerkermeister getan haben?" Der Oberst war etwas verblüfft, "Na und?" sagte er geduldig. "Das war zu einer Zeit, als wir dem Ausland zuriefen: Seid auf eurer Hut, Hitler bereitet den Krieg vor gegen euch: Doch mit uns hatte man da- mals nicht viel Sympathie. Im Ge- genteil, es scheint mir, dass viele derer, die jetzt schreien, dass wir alle schuldig sind, dem Hitler nicht übel geholfen haben." Und Kübel sprach von Daladier, Chamberlain und ame- rikanischen Geschäftsleuten, die mit Hitler gute Geschäfte gemacht hät- ten. Auf dem Gesicht des Oberst wurde der Aerger immer sichtbarer. Schliess- lich schrie er heraus: "Halten Sie den Mund! Jetzt habe ich aber genug ge- holt von Ihren Unverschämtheiten!" "Sie haben mir doch gestattet, Ih- nen meine Meinung zu sagen." "Halten Sie den Mund!'' "Gewiss, wenn Sie es mir befehlen. Nur sagen Sie nicht, dass sie noch nicht einen Deutschen mit morali- schem Mut gesehen hätten." "Sie sind verhaftet!" "O. K.sagte Kuoei, "wie Sie wol- len." Die Herren hatten schweigend und blass der Unterhaltung beigewohnt. Nun verabschiedeten sie sich mit ei- ner höflichen, korrekt-deutschen Ver- beugung . Der Oberst schritt schnell auf sei- nen Wagen zu. Kübel folgte ihm. Beide stiegen schweigend ein, und schweigend fuhren sie einen langen Weg durch die Stadt. Der junge Ame- rikaner dachte angestrengt nach. Plötzlich hielt er den Wagen an, schaute den jungen Deutschen neben sich an, aller Zorn war aus seinem Gesicht gewichen. Lächelnd reichte er ihm die Hand: "Goodbye — and good luck to you". Er öffnete die Tür und liess Kübel aussteigen. NEUER NATIONALISMUS? Die Nachrichten über das Anwachs ■ en der Reaktion und des Nationalis- mus infolge der Behandlung Deutsch- lands durch die Siegermächte und in- folge der trotz aller Versprechungen noch dauernd wachsenden Not mehren sieh. In einer grossen Versammlung der SPD in München sagte der Vorsitzen- de Schumacher unter anderm: .Nach den verpassten Revolutionen des letzten Jahrhunderts hat die Tatsache der Besatzung im Jahre 1945 die notwendige revolutionäre Um- schichtung in Deutschland verhindert. Den Siegern, die im Besitz aller Macht, und aller ökonomischen Sicherheit in der Welt dastehen, wird es erscheinen, als ob sie das deutsche Volk wunder wie weit vorwärtsgebracht hätten aber dem Volk, das diese Periode als Objekt durchleben muss, sind einein- halb Jahre eine Ewigkeit des Elends und des Hungers. Mit Methoden des 16. und 17. Jahrhunderts kann man die Probleme des 20. Jahrhunderts nicht lösen. In Deutschland scheint ein Nationalis- mus des Hungers, der Verelendung und der Demütigung aufzukommen Das festzustellen ist keine Drohung, sondern nur die moralische Verpflich- tung. auf das Gefährliche hinzu- weisen. Der deutsche Nationalismus Wird nicht aus eigenen Kräften gefährlich, sondern als Instrument einsr Sieeermacht «egenüber den anderen Sieg1 rmäehten. Das deutsche Kriegspotential besteht in der Existenz von 70 Millionen Menschen; dieses . Kriegspotential k a n n nicht von Deutschland, sondern nur von Kräften ausserhalb Deutschlands ausgewertet werden. Der Kampf der Sozialdemo- kratie für Deutschland berührt we- niger eine deutsche, als die ent- scheidend^ europäische Frage. Europa kann man nicht aufbauen, wenn man im Herzen Europas einen politisch weissen Fleck auf d?r Landkarte lässt. Wir wiesen, dass Deutschland in Europa keine Mission, sondern nur eine Funktion hat. Aber diese Funk- tion ist notwendig". Ein Rechtsanwalt schreibt uns aus Düsseldorf: "Die Besatzung soll ja bleiben, 10 oder 20 odei 40 Jahre, bis die Deutschen zur Demokratie erzogen sind. Das wird nie der Fall sein. Man kann keih Volk zur Demokratie er- ziehen, indem man es wirtschaftlich am Boden hält und es gleichzeitig belehrt und ihm demokratische Rechte in homöopathischen Dosen gewährt. Die wirtschaftliche Not wird sich im Laufe der Jahre etwas mildem, sie wird aber bei uns immer noch stärker bleiben als bei den andern Völkern. Deshalb werden der Hass gegen die „Sieger und der Nationalismus bleiben. Der ist jetzt in der Not sehr stark überall bis in die Reihen der SPD und DAS ANDERE DEUTSCHLAND 13 Herr von Th ermann und seine Koll Wussten Sie eigentlich, dass der in ganz Südamerika in recht schlechtem Andenken stehende ehemalige nazisti- sche Botschafter in Buenos Aires, von Thermann, ein "verdienter Beamter" war? Und warum das? Weil ihn an- geblich der inzwischen nach Wall- hall übergesiedelte Aussenminister von Ribbentrop nach der Rückkehr aus Argentinien "angeschnauzt" hat- Der arme v. Thermann sitzt nun im In- ternierungslager Oberursel, und der frühere deutsche Konsul in New York, Herr Dr. Paul Schwarz, vergiesst da- rüber in der "New Yorker Staatezei- tung" bittere Tränen, und zwar jn der Ausgabe Nr. 224. Herr Dr. Paul Schwarz, der früher nur unter dem Pseudonym "Dlplomaticus" schrieb, ist offenbar tief betrübt, dass Herrn v. Thermann ein "Anschnauzer" zu- teil geworden sein soll. Soll dieser Anschnauzer durch Herrn v- Ribben- trop das ganze Schuldkonto, das der Nazibotschafter, SS-Sturmbannführer und seine Frau, die eine besonders wil- de Nazistin war, in Buenos Aires auf sich geladen haben, austilgen? Fast gewinnt man den Eindruck, wie man überhaupt mehr und mehr das Ge- fühl bekommt, dass "Diplomaticus" in der "New Yorker Staatszeitung" eine chemische Reinigungsanstalt für Nazis und Sympathisierende eröffnet hat. Wir erfahren durch Herrn Dr. Paul Schwarz auf der einen Seite, dass sich in Oberursel im Int er nie- rungslager bei Bad Homburg auch zahlreiche andere Beamte des deut- schen auswärtigen Dienstes befinden, und auf der anderen Seite hören wir, dass die Insassen gut untergebracht sind, das Lager nicht überfüllt ist und auch die Verpflegung ausreichend gewährleistet v;t. Das alles aber ge- nügte im September Herrn Dr. Paul Schwarz bei weitem nicht. Ihm gin- gen die Vernehmungen zu langsam vor sich, es schien ihm nicht genü- gendes Beamtenmaterial dafür zur Verfügung zu stehen, und auch die Wartezeit zwischen den einzelnen Vernehmungen war Herrn Diplomati- cus zu lang. Diese Wartezeit habe nämlich "bei einigen der Internierten die Nerven stark ramponiert". M-an stelle sich vor: stark ramponierte Nerven von ehemaligen Beamten des deutschen auswärtigen Dienstes! Das geht natürlich wirklich nicht, und so- der KPD hinein, so dass viele auf den neuen Krieg warten und hoffen." Andere Berichte, die wir erhalten ha- ben, besagen, dass in der Westzone die CDU immer mehr zum Sammel- becken aller antisozialistischen und nationalistischen Richtungen wird, und dass ihr und der Kirche Einfluss mit Unterstützung der Besatungsmächte immer mehr steigt. Auch die Arbeiter- parteien suchen dem durch Konzes- sionen an die christlichen Kirchen Rechnung zu tragen. was gab es im Nazireich überhaupt nicht. Vernehmungen im Nazireich Da wurde nur gequ< und gefoltert und der Versuch gemacht, durch Folterungen Geständnisse zu erpres- sen. Herr Dr. Paul Schwarz schildert, wie gross die Sehnsucht der Inter- nierten des Auswärtigen Amtes nach den Familien und nach voller Bewe- gungsfreiheit sei. Herr Diplomaticus: Und die Konzentrationslager von einst, und die Gaskammern und alles, was damit zusammenhängt? Jedoch dür- fen wir sehr beruhigt sein, denn am Schlüsse seines Artikels in Nr. 224 der "New Yorker Staatszeitung" bringt Dr. Paul Schwarz noch eine. Nach- egen schrift, "die alle Angehörigen und Freunde von Mitgliedern des Auswär* tigen Dienstes erfreuen wird", näm- lich dass die Entlassung der Inter- nierten vorangehen und dass in Kürze den meisten Beamten die Freiheit wie- dergegeben werden soll. Dazu kau® man nur rufen: Heil und Sieg! Wenn das so weiter geht — und die Rei- nigungsanstalt des Herrn Dr. Paul Schwarz erfreut sich natürlich e-ne« guten Zuspruchs — dann wird d|B' Sache wohl so sein: wir haben träumt und es gab gar keine NaM in Deutschland. (Politische Briefe von P. Hesslein Nr. 36. NEUE BUECHE NEUERSCHEINUNGEN DES VER- LAGS A. FRANCKE AG. BERN Der rührige Verlag hat in den hand liehen und hübsch ausgestatteten Bändchen seiner Sammlung DALP folgende sehr nützliche und Lücken ausfüllende Neuerscheinungen: Wolf gang Kayser, Kleine Deutsche Versschule Mehr noch als die Schnell- und Vielschreiberei unserer Zeit hat das Dritte Reich die deutsche " Sprache und. die deutsche Dichtung ruiniert. Da ist es erfreulich, dass man sich in der Schweiz um die deutsche Spra- che und Dichtung bemüht. — Das Büchlein will eine Einführung in die Verslehre sein, „die nicht auf starrer Klassifikation, sondern auf lebendiger Einfühlung in das Wesen des Ver- ses und der Dichtung beruht". Es ist lebendig und allgemein verständlich geschrieben. Kleines Lexikon der Weltliteratur Bearbeitet von Otto Oberholzer Dieses Lexikon der Weltliteratur ist der erste Teil eines auf drei Bän- de berechneten Werkes. Der zweite Teil soll die deutsche Literatur um- fassen, der dritte ist ein Sachwärter- buch. Der Verfasser sagt im Vorwort: ,,Das Kleine Lexikon will eine ra- sche Orientierung über die wichtig- sten Erscheinungen der Weltliteratur ermöglichen, wobei dieser Begriff sc zu verstehen ist, dass auch die Philo- sophen, Historiker und Literaturkri- tiker, die über die Kreis© der Fach- wissenschaft hinaus bedeutenden Ein- fluss ausgeübt haben, mit einbezo- gen sind". Bei jedem Schriftsteller werden die wichtigsten Lebensdaten und die Hauptwerke angegeben. Dem wird die Bibliographie der Hauptwerke und ihrer deutschen Uebersetzungen ange- fügt. Noch lebende-Dichter sind l der — aber wegen der Schwierigkeit «iw Auswahl verständlicherwsise — nicht aufgenommen, ebensowenig po- litische Schriftsteller. Das Buch ist ein sehr begrüssens- wertes Hilfsmittel zu schnelle: Orientierung. Kleines Lexikon der Antike von Otto Hiltbrunner Das Buch umfasst die griechisch- römische Welt von ihren Anfängen bis zum Beginn des Mittelalters. Mit seiner Hilfe kann man sich schnell über Personen, Begriffe, geographisch# Neunen, historische Ereignisse etc. unterrichten. In den 530 Seiten iet ein so umfangreiches Material verarbei- tet, dass man wohl kaum vergeblich das Buch um Rat fragen wird. TÄGLICH DEUTSCHE FILME HEUTE und folgende Tage SCHLOSS IN FLANDERN mit Martha Eggerth, Paul Hartmann, Hilde Weiasner, Georg Alexander Regie: Gera von Bolvary FO/fTtAVFEtfD PAS ANDER! ÖfiUTSCHtAND O o|E FRAJNQÜEO PAGADO CONCESION No 8096 CASA FILATELICA GUILLERMO KARBAUM Einziges Briefmarkenspeziaigeschäit in der Republik. Herausgeber des Bolivia-Speziai-Album. LA PAZ - BOLIVIA Calle Bolivar (Euificio Paris) casuia saö TARIFA REDUCIDA CONCESION No. 3808 Bücher leihweise Neuester Katalog COSMOPOLITA Corrlentes 424, sucuraai Belgrano, Sucre U390 U. -r. 32-2400 — Ü. 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