La OTRA ALEMANIA DAS ANDERE DEUTSCHLAND in—in im -----,—irc-r---frTT ORCANO, DE LOS ALEMANES DEMOCRATICOS DE AMERICA DEL SUR ■ 1—in.............. flkUS DEM INHALT August Siemsen: BERLIN UND CHINA IM BRENNPUNKT DER IN- TERNATIONALEN POLITIK Hans Lehmann: NEUE WEGE DER SOZIALISIERUNG Alexander Werth: WUNDERLAND POLEN DER BRITISCHE IMPERIALISMUS UND DER NEGEW Pearl Buck: MAGNITOGORSK. GESPRAECH MIT EINER RUSSIN DAS RUHRGEBIET DES OSTENS — NEUES KOMBINAT IM WERDEN AUS DEM ANTIBOLSCHEWISTISCHEN LEXIKON BONNER REDEN UND MUENCHENER TATEN EINE FRAGE AUF TOD UND LEBEN FUER, DIE DEUTSCHE DEMOKRATIE HBSHÜ üSCfe:mz, .na ix.vBiarmm ....... mini Iii—mim iwuiw i BUENOS" A i _T UCUMAN 309 • 31* kETIRO 7 Z O 4 ■IIIIWIIMHBIHHIIMMMIHI—WIWIIIIHHIIIIIIIIillUmwiH—IHIBHIIIMWI—II lo. DE NrC TvTFTTr^D E 1 9 4 8 HUMERO I F.-attf DAS ANDERE DEUTSCHLAND V AN UNSERE FREUNDE UND LESER Der Abschiedsgruss, der in dieser letzten Nr. des Jahres 1948 erscheinen sollte, war schor.- geschrieben, als sieh durch die Zusage finanzieller Unter- r-tützung seitens eines Mitbegründers unserer Zeitschrift doch noch die Mög- lichkeit des Weifererscheinens geboten hat. Auch von snderen Freunden und Lesern in Argentinien sind Schreiben und Erklärungen eingegangen, die Bestürzung über die drohende Einstellung cusdrücken und stärkere Hilfe nach Massgabe der Kräfte in Aussicht stellen wenn D.A.D. weite: erscheinen würde. Vor allem aber haben uns Briefe aus Deutschland dazu veranlasst, trotz allei Schwierigkeiten D.A.D. nicht aufzugeben. In ihnen wird immer wieder betont, wie wichtig es sei. dass nach dort eine sozialistische Zeitschrift gelange, die so vö!li$ unabhängig sei wie D.A.D., da es etwas Aehnliches in Deutschland nicht gebe. Nur eine Stelle aus dem Brief eines süddeutschen SPD-Genossen sei wiedergegeben: "... Es mi'sste doch möglich sein, die Zeitschrift zu erhalten, die hier von uns nicht entbehrt werden kann. Wir deutschen Marxisten würden mit ihr eine einfach unentbehrliche V äffe verlieren. Was in meinen Kräften steht, will ich hier tun, um D.A.D. für Deutschland zu erhalten. Im Januar Erhalten wir politisch Verfolgten eine erste Rate unserer Haftentschädigung. Ich würde mich freuen, wenn ich damit zur Aufrechterhaltung der Zeitschrift beitragen könnte . . Das Weitererscheinen Deiner Zeitschrift muss zu einer Angelegenheit alle: wirklich international eingestellten Gesinnungsfreunde werden . . " Um allerdings unsere Zeitschrift für längere Zeit aufrecht zu erhalten, sind wir auf grf.vere Unterstützung weiterer Freunde und Leser angewiesen. Wir bitten deshalb, alle, die zu solcher • Unterstützung in der Lage und gewillt sind, uns den folgenden Ausschnitt umgehend ausgefüllt zurückzusenden: LA OTRA ALEMANIA "Das Andere Deutschland" (fundado el i de Junlc de TOS7) atitorizaio por Hesoluclön oe. 814 del Mlnistro de) In- terior (II abrll 1045 t'ontirmado pol Decreto. Nr. 20 817 <0 »ypt, 43) del Superier Gobirrno de la Nacitin. RegUtro nadonaj de 1* Propiedad Intelec- tual Nr. 53 0188 Jahresabonnement: 18.-— Pe*es argentiap* Umvorau« sahlbar) Geldbeträge erbitten wtr aueschlleSelleb per Giro oder Bone Postal •der Scheck auf 8r. Juan Carl, Tneum&n 809. Bs. Aires und an unseren Sta4t&a»ter«r. DAS ANDERE DEUTSCHLAND IST KEIN auf Piofit auagehende» GeechäUsunteraeb- mea, E« Irbt nur dank der UnterstütiBOg »ei- ner Freunde Spendet fden Preseefond«! Srsehelnt atn 1. Jedes Monate. Redacciön y Adminlstnclon: Tueumän 1500 Buenos Aires (T. A, 31.7264) Einzelnummer 1,59 VERTRETUNG DES D. A. D. IN DEUTSCHLAND: Gebrüder WETZLAB St. Annagasse 1 Heidelberg Postscheckkonto Karlsruhe 51409 Ich erkläre mich bereit D A.D. zu unterstützen durch: Einmaligen Beitrag in Höhe von: ................................................ Durch Monatsbeitrag in Höhe von: __________________________________ Name: .................... ............................__.......... Schumacher oder Ollenhauer? Die katholische Prp^s'korrespcri- denz CIP weist darauf hin, dass die auf dem Düsseldorfer Parteitag der SPD vorgelesene Rede Schumachers und die Rede Ollenhauers in schar- fem Gegensatz zueinander gestanden haben, obwohl der Parteitag fast ein- stimmig beide wieder zu Parteirorsit- zenden gewählt hat. Wir zitieren: "Grosse Meinungsverschiedenheiten traten in den Reden der beiden Haupt- führer der SPD auf dem Parteitag in Düsseldorf zutage. Kurt Schumacher richtete heftige Angriffe gegen die CDU, während Erich Ollenhauer nach- drücklich die ,,Notwendigkeit der To- leranz und der Zusammenarbeit mit Anderen" betonte und erklärte, dass ,,die Ideale der vorhitlerschen Zeit nicht geeignet sind, die Massen zu be- geistern". Dr. Schumacher beschuldigte die Christlichen Demokraten das Interes- se des Volkes mit dem der Kapita- listen zu identifizieren. Die Phrase von der ,,freien Wirtschaft", so sagte er, bedeute „Die Diktatur der Rei- chen" und ,,die Anarchie der Räuber". Auf lange Sicht sei Demokratie ohne Sozialismus in Europa unmöglich. Ollenhauer andererseits unterstrich die Notwendigkeit „jener inneren To- leranz, welche die Sozialdemokrat! sehe Partei zu einer wirklichen Volks partei umformen wird". Der Parteitag hat gezeigt, dass die Partei sich nur zum Teil von ihre; Klassenkampf-Ideologie, von dem be- freit hat, was man als ..verwässerto-i Marxismus" bezeichnet hat, wenn auch ihr Antikommunismus und ihre pro westliche Haltung nicht bezweife".! werden kann". Es scheint, dass die meisten Delc gierten angesichts dieser nicht zu be- zweifelnden Einmütigkeit, garnicht den Gegensatz zwischen den beiden wiedergewählten Vorsitzenden be- merkt haben, dass Schumacher noch an einem Teil dessen fest hält, was zu Bebels Zeiten das Wesen der SPD ausmachte, während Ollenhauer alles über Bord werfen möchte, wonach dann das zu leicht gewordene Schiff im Sturm der Zeit um so sicherer kentern wird. OBS B MAX GONGULA Am 2. November dieses Jahres ist Max Gongula nach längerer Krankheit in Montevideo gestorben. Als alter überzeugter Sozialist begründete er mit einigen Gesin- nungsfreunden die Gruppe des A.D. in Montevideo, deren Vorstand er lange Jahre hindurch bls zuletzt angehört hat. Seine unbedingte Zu- verlässigkeit und sein offener Charakter, in dem kein Falsch war, sichern ihm bei allen, die Ihn kannten, ein ehrenvolles Gedächtnis. Die Redaktion des A. D. Am 3. November starb im Al- ter von 67 Jahren MAX GON- GULA. Alle deutschsprechenden Mofa- tevideaner wissen, wer Max Gongula war; der kleine, unter- setzte, sympathie-erweckende Mann, der nirgends persönliche Feinde hatte, wenn er auch mit seinen politischen Meinungen nicht mit allen harmonisierte. Aber die Art — oder sagen wir besser der Charme — mit der er in Diskussionen seinen Mann stand und seine Sache, die des Anderen Deutschland, verteidigte, brachte es mit sich, dass man von seiner Persönlich, keit nur wohlwollend sprach. Am meisten aber wissen wir Freunde des A.D. unseren alten Freund M.G. zu schätzen. Wir sahen immer in ihm die See- le unserer Ortsgruppe und wer- den seinen Verlust niemals er- setzen können. Von Beginn des Bestehens der Ortsgruppe Mon- teviedo des D.A.D. an bis zu sei- nem letzten Atemzuge war er im Arbeitsausschuss — als ak- tivstes und glänzendstes Mit- glied — vertreten. Immer wal- er einer der Wenigen, die marxistische Theorie auch in der Praxis anerkannten, alles Falsche und Fadenscheinige zu- rückweisend. jede irreführende Taktik bekämpfend, und nie- mand konnte es wagen, in ei- genen Reihen Unheil zu stiften, ohne dass Gongula mit Intelli- genz und Geschick, aber auch mit äusserster Vorsicht, jede Verleumdung zurückwies, jedes Unheil vermied, und Auswüchse in richtige Bahnen zurücklenk- te. Wir versprechen, den Geist seiner Persönlichkeit nie- mals zu vergessen. H. FRANZ BING I.A. Arbeitsausschuss Monte- video D. A. D. DAS ANDERE DEUTSCH S BERLIN UND CHINA Berlin und China stehen im Brenn- punkt der internationalen Politik, und das. bedeutet zugleich im Mittel- punkt der grossen Auseinanderset- zung zwischen USA und der Sowjet- union. Verhandlungen und Anschuldigun- gen. Propaganda und Aktionen haben den Kern und die Grundfragen des Berliner Problems derartig überwu- chert, dass es notwendig ist, sich den ziemlich einfachen Tatbestand zu ver- gegenwärtigen. Die Aufteilung Berlins zwischen den Besatzungsmächten und seine ge- meinsame Verwaltung hatten ein Min- destmass des Einverständnisses zwi- schen ihnen zur Voraussetzung. Die sich immer mehr steigernden Mei- nungsverschiedenheiten und Ausein. andersetzungen, der immer schärfer werdende kalte Krieg um Deutsch- land und Europa veranlassten die Westmächte zu der einseitigen, recht- lich unzulässigen Schaffung einer be- sonderen Währung für die von ihnen besetzten Zonen. Die Sowjetunion antwortete mit einer Ostwährung. Es war ein wirtschaftlicher Widersinn, eine Unmöglichkeit, die westliche Währung für die von den Westmäch- ten besetzten Berliner Zonen, also mitten im von den Russen besetzten östlichen Deutschland einzuführen Die Russen verlangten deshalb, dass die durch einseitiges Vorgehen ge- schaffene Westmark in Berlin keine Gültigkeit haben dürfte. Anderer- seits wäre die Anerkennung der neu- en Ostwährung für ganz Berlin durch die Westmächte der Beginn der Auf- gabe Berlins gewesen. Und nichts an- deres kann in Wahrheit die Folge des Vorgehens der Westmächte sein. Durch die Schaffung einer eigenen Währung haben sie selbst diese Situa- tion herbeigeführt. Im Kriege oder in kriegsähnlichen Auseinandersetzungen braucht jeder diejenigen Waffen, die er zur Verfü- gung hat, und in denen er dem Geg- ner überlegen ist. Für die Russen war das die Blockade Berlins. Diese Blockade ist als etwas exzep- tionell Unmenschliches hingestellt worden, sowohl von der alliierten Propaganda, wie insbesondere in Westdeutschland selbst und hier wie- derum vor allem seitens der Sozial- demokratie. Dazu ist Folgendes zu sagen: zu- nächst einmal ist die Welt an noch ganz andere Grausamkeiten gewöhnt. Wir nennen Hiroshima und Nagasaki, wir nennen die sinnlose Zerstörung Dresdens, die keinem militärisch sinnvollem Zweck diente und die täg- lichen Vorgänge in Griechenland. Zum andern —- und das ist das Em. scheidende — waren die Russen ja be-. reit, die Blockade sofort aufzuheben» wenn die Westwährung in Berlin be- seitigt werde, oder aber die Versor- gung Berlins selbst zu übernehmen. Und endlich erklärten die Westmäch- te mit Emphase, dass sie, wenn West- berlin nur auf ihrer Seite bleibe, die Versorgung auf dem Luftwege in völ- von August Siemsen lig hinreichendem Masse bewerkstel- ligen könnten. Die Wahrheit ist, dass die "Aus- hungerung" der Berliner Bevölkerung ein erwünschtes und ausgiebig aus- genutztes Propagandamittel gegen die Russen- die Sowjetunion und die SED war. Es musste um so wirksa- mer sein, weil die Bewohner der Ber- liner Westzonen wirklich die Leid- tragenden sind, auf deren Rücken sich der Kampf zwischen den Besatzungs- mächten abspielt. Dass bei ihnen an- gesichts der wachsenden Not und ei- ner völlig einseitigen Propaganda die Realität — die tatsächlichen Voraus- setzungen und Grundlagen des Kamp- fes um Berlin — völlig vergessen wer- den, ist psychologisch durchaus ver- ständign. Anders steht es schon mit der immer aufs Neue geschürten Em- pörung in Westdeutschland und erst recht mit der Empörung der Haupt- schuldigen, der westlichen Besat- zungsmächte. Sie haben die Russen zu ihrem Vorgehen genötigt, und sie haben den Berlinern falsche Ver- sprechungen gegeben und ihnen Zu- sicherungen gemacht, die, wie jeder vernünftig und ruhig Denkende von vornherein wissen musste, nicht durchführbar waren. Aber sie wur- den leider auch von vielen schlechten deutschen Ratgebern darin bestärkt, deren Melodie lautete: man muss den Russen nur die Faust unter die Nase halten: eine andere Sprache verste- hen sie nicht; wenn die Westmächte fest bleiben, werden die Russen, die ja viel schwächer sind, als man ge- meinhin glaubt, zu Kreuze kriechen. Und nun haben Wir die Besche- rung! Nachdem die Westmächte A gesagt hatten, hätten sie auch B sa- gen, d.h. die Ostwährung für ganz Berlin anerkennen müssen. Das hät- te dann allerdings eher oder später auch zum C, d.h. zur Räumung Ber- lins geführt, dessen Besetzung nach der Zerreissung Deutschlands in zwei "Staaten" — Satellitenstaaten! — nicht mehr zu rechtfertigen und nicht mehr aufrechtzuerhalten ist. Statt dessen hat sich der Kampf um Ber- lin heute so versteift, statt dessen geht es heute in solchem Masse um Prestigefragen, dass keine Verstän- digung trotz der endlosen und im- mer erneuten Verhandlungen möglich erscheint. Auf diese Verhandlungen näher ein- zugehen, lohnt sich nicht. Zum grös- seren Teil dienen sie der Propaganda. Wehl aber ist es wichtig festzustellen, dass die Vermittlungsvorschläge des argentinischen Aussenministers Bra- muglia vorwiegend auf den Wider- stand der Westmächte gestossen sind, und dass es den Bemühungen des Ge- neralsekretärs der UN und des austra- lischen Aussenministers Ewatt nicht besser ergangen ist. Unstimmigkei- ten zwischen England und Frank- reich einerseits, den Vereinigten Staa- ten andererseits — was hinter den Kulissen vorgeht, weiss man nicht — zeigen, dass nicht einmal die Alliier- ten einig sind. Wie sie sich die Ver- sorgung der Berliner Bevölkerung im Winter vorstellen? Und die Not, die sie dort durch ihre verantwortungs- lose Politik hervorrufen, wird sie nicht zuwenigst als Propagandamit- tel interessieren. Der Kampf um Berlin ist ein Teil HACE LENTOS PROGRESOS EL INTERCAMBIO COMERCIAL CON EL ORIENTE EUROPEO WASHINGTON — La restauraeiön del comercio este-oeste en Europa ha adelantado un poco mäs con la revelaciön de que otro pals europeo oriental — Hungria — ha sick, anadido a aquellos en que las compras en dölares fuerou autorizadas por la Administraciön de Cooperation Econömica. La ECA ha aprobado el gasto de 1000.000 de dölares en Hungria por nuevos vagones de carga a enviarse a la Bizonia alemania. Esto ha creado aqui cierta sorpresa por dos razones: primero, por el hecho de que la economia hüngara pueda proportional- vagones de carga para la exportaeiön y segundo, que ese pais ubicado en la esfera de influencia soviätica este dispuesto a enviar un renglön tan importante como vagones de carga necesitados para la re- construcciön de Alemania. Alemania Occidental figura con creciente importancia en los plnes aliados. Uno de los rasges prinzipales del programa es la necesidad de 30.000 vago- nes ferroviarios de carga nuevos para un rejuvenecido sistema de transporte. Los funcionarios de Bizonia cuentan con reunir esa cantidad mediante impor- taciones de cinco paises, dos de los cuales estän ubicados en Eteropa Oriental, Checoeslovaquia ya ha reeibido un contrato de la ECA por 5.000.000 de dölares en vagones. Tambien se anunciö que la ECA habia autorizado el gasto de 826.000 dölares mäs en Polonia, por carbön para Austria. Esto eleva los gastos en carbön polaco a algo mäs de 5.000.000 de dölares. Los gastos de 885.000 dölares er, Alemania oriental y 488.000 en Finlandia habian sido aprobados previamente por la ECA. La zona sovietica de Ale- mania ha enviado potasa a Austria segün contrato con la ECA. El cuadro comercial este-oeste, no obstante, estä atin lejos de ser satisfac- torio con rela,ciön a la Situation de pre-guerra. Los funcionarios de la ECA afirman consistentemente que favorecen la reconstrucciön de este comercio, como necesario para la recuperacion europea. Pero se han visto entorpeci- s'os por Jos temore,. de contribuir ai pot-encial belico de la esfera sovietica. Es aparente, por los renglones que Europa Oriental desea vender a la BGA, que la esfera sovietica ;io se preocupa * este respecto. « DAS ANDERE DEUTSCHLAND des Kampfes um Deutschland, der Kampf urr Deutschland ein Teil des Kampfes um Europa. Die Beratungen des Parlamentari- schen Ausschusses in Bonn über die Verfassung des westdeutschen Staa- tes— von Gnaden und in Abhängig- keit von den alliierten Besatzungs- mächten — hat nicht im entferntesten die Bedeutung, die ihnen die Bera- tenden und die von ihnen vertretenen Parteien zumessen möchten. Es han- delt sich um eine Arbeit, deren Resul- tat keinerlei Dauer verspricht. So viel ma.i hört, steht denn auch die Bevölkerung der westlichen deutschen Gebiete diesen Beratungen recht teil- ruhmlos gegenüber. Wichtiger ist die Frage der Neuor. ganisierung und Leitung der Ruhrin- dustrie. Denn hier stossen die realen Interessen scharf aufeinander. Was geschehen müsste, die Sozialisierung der Bergwerke und der Schwerindu- strie, ist durch die Vereinigten Staa- ten gegenüber einer unernsten und kaum spürbaren Opposition der eng. lischen Arbeit,erregierung verhindert worden. Die Vertröstung, dass das deutsche Volk später darüber ent- scheiden könne, mag ernst nehmen wer will. Wir denken dabei an das Versprechen der Sozialdemokraten im Winter 1918/19: "Die Sozialisierung marschiert: Die Sozialisierung ist da!" Die Absicht der angelsächsi- schen Mächte, insbesondere der mass- gebenden Vereinigten Staaten, ist, dass die Ruhrindustrie unter Mitbetei- ligung des zu restaurierenden deut- schen Kapitalismus in ihrem Sinne und in ihrem Interesse funktionieren soll; zunächst als wesentliche Stütze des' Aufbaus von Westeuropa als wirtschaftliches und militärisches Bollwerk gegen die Sowjetunion, wei- terhin als halbkolonialer Bestandteil d»r monopolkapitalistischen amerika- nischen , Weltbeherrschung. Ganz Frankreich — nur hier herrscht Einmütigkeit zwischen allen Parteien — lehnt die angelsächsi- schen, Pläne für die Ruhrindustrie ab.. Die Kommunisten wollen selbst- verständlich nicht, dass das Ruhrge- biet zu einem Zentralpunkt der anti- sowjetischen Organisierung Westeu- ropas wird; de Gaulle umgekehrt er- wartet, dass ein wirtschaftlich wieder- erstarktes Deutschland mit der Sow- jetunion gegen Frankreich kooperie- ren könnte; die Mittelparteien fürch- ten die Wiederkehr dessen, was nach dem ersten Weltkrieg geschah, und ebenso wie de Gaulle fürchten sie, dass die neuerstarkte Ruhrindustrie ohne massgebende französische Kon- trollmitwirkung Frankreich auf die Dauer auf di^Stufe einer zweitrangi- gen Macht herabdrücken würde, die es heute trotz aller Prätensione^ ist, und aus der es sich als stärkste Kon- tinentalmacht des westlichen Buropas wiäder erheben möchte. Die hier hervortretenden Gegen- sätze in der alliierten Front zeigen — wie vieles andere —, auf welche Schwierigkeiten die Schaffung der antisowjetischen westeuropäischen Union stösst. Um nur eine dieser Schwierigkeiten hervorzuheben, so fürchtet nicht nur Frankreich, sondern auch England und bis zu einem gewissen Grade auch Amerika das Wiederauftreten der deutschen Konkurtexus auf d*m Welt- markt. Ohne umfangreichen Export kann aber weder die Wirtschaft Deutschlands gesunden- noch das deutsche Volk die für seine Existenz nötigen Lebensmittel erhallen. Aui's deutlichste tritt dieser unlösbare Wi- derspruch darin zutage, dass üur glei- chen Zeit, in der der Wieder ant bau der deutschen Industrie im Interesse des Wiederaufbaus von Westeuropa und seiner antisowjetischen Zusam- menfassimg gefordert wird, noch im- mer die Demontagen und die verhee- rende Abholzung der deutschen Wäl- der fortgesetzt werden, und dass Deutschland weiterhin seiner Hoch- seeflotte beraubt bleiben soll. Und ebenso wenig wie beim deut- schen Problem herrscht Einigkeit in Bezug auf die Organisierung Westeu- ropas. England muss Rücksicht neh- men auf die Mitglieder des "Com- monwealth", von denen Australien in der Berliner Frage, Australien und Kanada in der Palästinafrage gerade Extratouren gemacht haben, während Südafrika unter seiner neuen reaktio- nären Rassenregierung aus einem be- sonders treuen zum unzuverlässig- sten Partner geworden ist. Dazu kommt, dass die französische Regierung sich nur mit Mühe zwi- schen rechts und links, zwischen de Gaulle und den Kommunisten, unter Vermeidung der Befragung des Vol- kes aufrecht erhalten kann und kaum verhandlungsfähig ist. Der Streik der Bergarbeiter und Hafenarbeiter hat der französischen Wirtschaft schwere Wunden geschlagen. Er hat seine Zie- le zwar nicht erreicht, aber die fran- zösischen, von den Kommunisten ge- führten Gewerkschaften sind keines- wegs geschlagen, und es ist anzuneh- men, dass die Scharfmacherpolitik, die der ' Sozialist" Jules Moch gegen sie betrieben hat, sich an der sozia- listischen Partei rächen und die schwache „Dritte Kraft" noch mehr schwächen wird. Sollten die inneren Auseinandersetzungen in Frankreich aber mit der Machtergreifung de Gaulles enden, so verspricht seine letzte Rede, die Rede eines unbelehr- baren, reaktionären und nationalisti- schen Militärs, für die europäische Westunion nicht Gutes. Die Amerika- ner würden keine reine Freude an ih- rem Schützling erleben. Und in Italien, dessen Einbeziehung in die wirtschaftliche und militäri- sche Westunion beabsichtigt ist, gibt es 2 1/2 Millionen Arbeitslose, herrscht in den Reihen der Regie- rungskoalition, vor allem bei den Sarragat-Sozialisten wachsende Un- zufriedenheit, in der sich die Stirn- mirng der Massen widerspiegelt, sind die gewerkschaftlichen Organisatio- nen, die unter der Leitung der Kom- munisten stehen, ungeschwächt und kampfbereit. Auf der anderen Seite ist es in in Osteuropa nicht gelungen, Tito und die K.P. Jugoslawiens zum Einschwen- ken in die offizielle Linie zu bringen. Es gibt auch sonst genug Schwierig- keiten, nicht zuletzt in der deutschen Ostzone, wo über die wirtschaftliche Not und über die Apathie grosser Teile der Arbeiterschaft geklagt wird. Aber im ganzen genommen, ist Ost- europa fest zusammengefügt und straff organisiert, ein Block von un- gleich grösserer Festigkeit als das Westeuropa ist. Wenn in dieser Situation die Auf- rüstung, vor allem die der Vereinigten Staaten, in unheimlichem Tempo wei- tergeht, so wird die dauernd vorhan- dene Kriegsgefahr doch dadurcn sehr verringert, aass Westeuropa weit da- von entfernt ist. genügend konsoli- diert zu sein, um als Bollwerk gegen die Sowjetunion dienen zu können. Da umgekehrt von der Sowjetunion kei- ne Kriegsgefahr droht, die Sowjet- union vielmehr jedes Interesse an der Vermeidung des Kriegs hat, da mit ihr die Zeit im Bunde ist, und da sie Frieden für ihren Aufbau braucht, besteht die Hoffnung, dass der Krieg in den nächsten Jahren nicht zum Ausbrucn kommt, und damit eine ge- wisse Möglichkeit, dass er überhaupt vermieden wird, weil dann die Sowjet- union zu stark geworden sein wird. Andererseits kann aber gerade die Furcht vor dem zu grossen Erstarken der Sowjetunion, eventuell auch der Beginn der drohenden neuen gros- sen Krise des amerikanischen Mono- polkapitalismus die Flucht in den Krieg herbeiführen, um den Unter- gang des Kapitalismus zu verhindern, den er natürlich in Wahrheit be- schleunigen würde. Und da kommt den jüngsten Ereig- nissen in China eine Bedeutung zu, die weit hinausgeht über alles, was sich in Europa ereignet. Die grosse Presse und die öffent- liche Meinung der Welt hat sich bis auf die letzten Wochen recht wenig gekümmert um das, was in China vor sich ging, etwa nach dem Rezept des Spiessbürgers im Goethes Faust, den es nichts angeht, "wenn hinten fern in der Türkei die Völker aufeinander schlagen." Wir haben demgegenüber des öfte- ren darauf hingewiesen, dass sich in China eine der grössten Revolutionen von welthistorischem Ausmass voll- zieht m:t Folgen, die alle angehen. Nachdem der europäisch-amerikani- sche Kapitalismus die Isolierung, in der Japan und China lebten, gewalt- sam zerstört und die beiden Länder in die kapitalistische Weltwirtschaft und Ausbeutung einbezogen hatte, hat Japan sich in gewaltiger und zielbe- wusster Kraftanstrengung — unter Beibehaltung grosser Teile des feu- dal-theokratischen Systems — die mo- derne Technik und den modernen Mi- litarismus angeeignet, um in er. staunlich kurzer Zeit zu einer mono- polistisch-imperialistischen Macht zu werden, die sich vor allem auf Kosten Chinas entfaltete. Nach seinem Zu- sammenbruch im zweiten Weltkrieg soll es nunmehr — ebenso wie West- deutschland — seine Rolle im Dienste Amerikas gegen die Sowjetunion spie- len, d.h. vor allem gegen ein drohen- des Sowjetchina. Denn nirgendwo ist die amerikani- sche Politik so völlig und mit so ver- hängnisvollen Auswirkungen geschei- tert wie in China. Hier wie überall stützt Amerika sich auf die reaktio- nären Kräfte. Aber mehr noch als anderswo war diesen Kräften bereits durch die Gesetzmässigkeit der histo- rischen Entwicklung, wie Marx und Lenin sie aufgezeigt, das Todesurteil gesprochen. In dPm riesigen, nur lose zusam- menhängenden China war nach dem die alten sozialen und politischen Ver- hältnisse mit ataleender Schnelligkeit DAS ANDERE DEUTSCHLAND 3 zersetzenden und auslösenden Ein- dringen des Kapitalismus eine straf- fe . Zusammenfassung aller nationaler Kräfte mit dem Ziel, wie Japan, die grossen kapitalistischen Mä:htc schnell einzuholen, von vornherein unmöglich. Der Sturz der Monarchie führte zu einer langen bis heute dau- ernden Periode innerer Kämpfe, in denen sich das durch die entwürdi- gende Behandlung durch Europäer und Amerikaner und später durch clie Japaner ebensosehr wie durch die wirtschaftliche Ausbeutung angefach- te Nationalbewusstsein mit sozialen Forderungen vereinigte, wie sie schon der grosse und verehrte Fühl-er Sun- yatsen in sein Programm des neuen China aufgenommen hatte. Je länger die inneren Kämpfe dauerten, um so stärker trat ihr sozialer Charakter hervor. Die schändlich ausgebeuteten Arbeiter der grossen Städte und die von Zinsen und Steuern erdrückten Kleinbauern fanden in der chinesi- schen Intelligenz, besonders der stu- dierenden Jugend, die sich Lenins These der Einheitlichkeit des Emanzi- pationskampfes der unterdrückten farbigen Völker mit dem der Arbei- terklasse mit Begeisterung aneignete, ihre Lehrer und Organisatoren. Der Bruch der nationalen Partei der Kuomintang mit den in ihr orga- nisierten Kommunisten, das Blut- bad, das Tschiangkaischek nach dem gemeinsamen Sieg über die reaktionä ren chinesischen Generäle oder Ban- denführer unter ihnen anrichtete, der Rat und die Hilfe des Generalober- sten von Seeckt, die zu schweren, scheinbar vernichtenden Niederlagen der schlechtbewaffneten kommunisti- schen Heere führten, alles — der Ver- fasser schrieb das schon vor 14 Jah- ren, gerade als die Seecktscne Offen- sive auf dem Höhepunkt ihrer Erfol- ge stand, in Schweizer Zeitungen — alles musste vergeblich bleiben, weil die soziale Revolution unausrottbar tief im Körper Chinas sass. Weil die herrschende Klasse Chinas — unfähig zu den notwendigen Reformen und völlig korrumpiert durch den herein- gebrochenen Kapitalismus — den Himdertmillionenmassen der chinesi- schen Bauern und Arbeiter keine aus- reichende: Existenz zu geben vermoch- te, wendeten diese sich der sozialen Revolution zu, deren innigen Zusam- menhang mit einer echten nationalen Revolution ihnen die vielen Tausende von Studenten — kommunistische "Agenten"! — verständlich machten. Noch weit mehr aber wirkte die Pra- xis der kommunistischen Truppen, die überall, wohin sie kamen, die Organi- sierung des Kriegs mit der Agrarre- form, dem Aufbau von Industrien und vor allem mit einer intensiven Bil- dungs- und Erziehungsarbeit verban- den. So blieben alle echten und alle er- fundenen Siege Tschiangkaischeks über die kommunistischen Heere ver- gebens. Waren die Kommunisten in einer Provinz besiegt, so entfachten sie die Revolution in der nächsten Provinz, während in der soeben er- oberten die Macht der Regierrng nur so weit reichte, wie ihre Truppen standen. Der Krieg gegen die japanische In- vasion führte zu einem Waffenstill- stand und zu einer Kooperation, bei welcher die Kommunisten aber so gut wie nichts von den amerikanischen Lieferungen an Waffen. Geld und ärztlicher Hilfe bekamen und von Tschiangkaischek mit äusserstem Misstrauen behandelt wurden. Sie mussten sich ihre Waffen zumeist von den Japanern, so wie vorher von den Regierungstruppen erobern. Nach tiftm Ende des Krieges schei- terten alle Versöhnungsversuche, die mit dem Ziel einer Koalitionsregie- rung gemacht wurden, an dem man- gelnden Entgegenkommen auf selten der chinesischen Reaktion und Tschiangkaischeks, die sich dem Wahn hingaben, gewaltsam die Kommuni- sten und damit die soziale Revolu- tion unterdrücken zu können. Inzwi- schen haben sich alle die vielen Sie- gesmeldungen und die vielen Ankün- digungen der baldigen endgültigen Vernichtung der Kommunisten als das erwiesen, was sie waren, als Selbsttäuschung oder als Täuschung des Auslands, besonders des amerika- nischen Geldgeber. Obwohl, wie all- gemein zugegeben wird, die Sowjet- union die chinesischen Kommunisten nicht mit Waffenlieferungen unter- stützt hat, haben die kommunisti- schen Heere heute die Mandschurei, fast ganz Nordchina und einen gros- sen Teil des mittleren Chinas in der Hand, und sie würden schon Nanking und Schanghai erobert haben, wenn nicht Tschiangkaischek mit Hilfe der amerikanischen Flugzeuge den Vor- marsch der siegreichen kommunisti- schen Heere, die kaum über Flugzeu- ge verfügen, aufhalten könnte. Aber am Ausgang des Kampfes ver- mag das nichts zu ändern. Das neue China, das China der Bauern und Arbeiter, ein kommunistisches China eigener Observanz ist: nicht zu ver- hindern. Es wird entscheidenden Einfluss auf die Emanzipaüonskämp- fe im Südosten Asiens ausüben. Da- rüber hinaus bedeutet der Sieg der kommunistischen Volksbewegung in China eine ganz schwere Niederlage des Weltkapitalismus, insbesondere Amerikas. Wirtschaftsaufbau und Neuorganisierung des gewaltigen Ge- bietes weiden ungeheure Anstrengun- gen kosten. Aber die Führer dieses neuen China haben viel gelernt, sind durch unendliche Kämpfe und Schwie- rigkeiten erprobt, und das Land stellt ihnen ungeheuere, bisher nicht ge- nutzte Bodenschätze und wirtschaft- liche Möglichkeiten zur Verfügung. Für den amerikanischen Monopol- kapitalismus würde dieses neue China nicht mehr die Möglichkeiten zu ko- lonialer Ausbeutung geben, wohl aber grosse Möglichkeiten auch für Ameri- ka gewinnbringender wirtschaftlicher Zusammenarbeit deren China drin- gend bedürfen würde. Verhindert oder doch un-emein ver- zögert werden dagegen kann das grosse und für die ganze Welt zu - kunftsträrhtige Aufbauwerk eines neuen China nur durch eins: durch die Atombombe. Amerika wird zu wählen haben. NEUE WEGE DER SOZIALISIERUNG? DIE NATIONALISIERUNG DER ENGLISCHEN STAHLINDUSTRIE Die Labourregierung hat den Ge- setzentwurf zur Nationalisierung der Stahlndustrie bekanntgegeben Damit hat sie folgerichtig den letzten der Schritte getan, die sie gelegentlich der Wahlen von 1945 als ihr industrielles Programm in der Schrift ,,Let us face the future" (Lasst uns der Zukunft die Stirn bieten) aufgezeichnet hatte. Darin hiess es: ,,Die Labour-Partei ist eine sozia- listische Partei und ist stolz da- rauf. Ihr letztes Ziel im Innern ist die Errichtung des Sozialisti- schen Gemeinwesens Gross-Britan- nien — frei, demokratisch, lei- stungsfähig, fortschrittlich, das In- teresse des Volkes vor Augen, so sollen seine materiellen Mittel im Dienste des britischen Volkes orga- nisiert werden... Im Lichte dieser Betrachtungen Von Hans Lehmann unterbreitet die Labourpartei der Nation das folgende industrielle Programm: 1) Ueberführung in öffentliches Eigentum der Brennstof- und Krafterzeugungs-Irdvstr; evj. . . 2) Ueberführung in öffentliches Eigentum des inländischen Trans- portwesens ... 3) Ueberführung in öffentliches Eigentum der Eisen- und Stahlin- dustrie. .. Die Bank von England mit ihrer Finanzmacht muss in öffentlichen Besitz überführt werden..." Man mag über die hierbei ange- wandten Methoden und über die son- stigen politischen Massnahmen der Labourregierung noch so verschiede- ner Meinung sein, so muss man doch zugeben, dass Labour in Bezug auf sein industrielles Programm nicht mehr versprochen hat, als es zu halten bereit war. Mit dem Gesetz- Entwurf zur Nationalisierung der Ei- sen- und Stahl-Industrie geht die englische Regierung, nachdem alle an- deren Punkte dieses Programms be- reits durchgeführt worden sind, an die Erfüllung des einzigen Teiles ihres Versprechens, die noch ausstand. Noch bis vor kurzer Zeit bestanden. Zweifel daran, ob die Regierung es wagen würde, vor den nächsten Wah- len der Eisen- und Stähl.Industrie zti Leibe zu rücken. Selbst innerhalb der Labour-Party wurde die Zweckmässig* ksit dieses Schrittes diskutiert. Durf- te man zu einem Zeitpunkt, in dem es für England darauf ankam, die Produktion zu steigern, das mit eines Besitzübernahme wenigstens für die nächst# Zukunft verbundene Risiko DAS ANDERE DEUTSCHLAND laufen? War es doch gerade der Stahlindustrie gelungen, die Erzeu- gung sogar noch etwas über das ge- steckte Ziel hinaus vorzutreiben. Wenn die Regierung Attlee sich durch diese Bedenken nicht hat be- irren lassen, so liegt das vor allem an der ungeheuren Bedeutung, die für die Durchführung ihrer Pläne gerade der Stahlindustrie zukommt. Ian Mi- kardo vom linken Flügel der Labour- Party, einer der eifrigsten Befürwor- ter der Nationalisierung der Eisen- und Stahlindustrie,. gibt hierfür fol- gende Begründung: Eisen und Stahl ..sind an der Preisbildung der Waren in stärkerem Masse beteiligt al-? ir- gendein anderes Material. Der Stahl ist der Rohstoff für tausend Berufe. Eine Preisbewegung beim Stahl beein- flusst die Preise von allem, was wir fabrizieren, verkaufen und kaufen." Eine Industrie, die diese überragen- de Bedeutung hat, wird von wenigen Männern beherrscht: Sechs Firmen kontrollieren mehr als die Hälfte der Produktionsmöglichkeiten in dieser Branche. Die Firmen sind nicht nur eng miteinander verbunden, sondern ihre Direktoren nehmen auch etwa 600 Aussich tsrats-Sitze innerhalb und ausserhalb der eigentlichen Stahlin- dustrie ein. Hinzukommt, dass durch gegensei- tige Vereinbarungen und auch jährli- che Staats-Unterstützung in Höhe von rund 22.000.000 Pfund, eine grosse Zahl wenig leistungsfähiger Betriebe künstlich am Leben gehalten sowie die Preise des Stahls in die Höhe ge- trieben werden. Bereits im Jahre 1935 hatte Lord Nuffield dazu erklärt: „Der gegenwärtige Stand der Dinge ist schimpflich... Ich wünschte nur, ich wäre jünger. Dann würde ich in unserem Lande ein Stahlwerk errich- ten und sie aus dem Geschäft ver- drängen." Und Geoffrey Crowther, der Chefredakteur des „Economist" schrieb im Jahre 1939: ..Das Resul- tat der konservativen Stahlpolitik ist die Uebertragung enormer Vorteile an die Geschäftsleute der Industrie ge- wesen. Ihnen ist ein Monopol einge- räumt und die Exklusivität auf die Dauer zugesichert; ausserdem sind sie ermutigt worden, die Preise für ihr Produkt zu erhöhen. Es steht aus- ser Frage, dass diese Politik den Be- sitzern von Stahl-Aktien grosse Pro- fite eingebracht hat. Und ebenso aus- ser Frage steht, dass zum mindesten einige dieser Profite aus den Taschen der Stahlkonsumenten kamen — die direkt oder indirekt fast jeden Be- wohner unserer Insel einschliessen. Aber das Entgelt, das die Gemein- schaft für diese Hilfe bekommen hat, kann kaum mit einem Mikroskop ent- deckt werden." In Anbetracht dieser Tatsachen ist es verständlich, dass die Labour-Re- gierung sich auch nicht durch die augenblicklichen Schwierigkeiten schrecken lassen wollte. Und es ist weiter verständlich, da es sich nun einmal nicht um eine revolutionäre Regierung handelt, dass ihr Natio- nalisierungsplan deutlich das Bestre- ben zum Ausdruck bringt, die Um- stellung so reibungslos wie möglich zu gestalten. Tatsächlich beschränkt sich die Umstellung im wesentlichen darauf, den Stahlindustriellen — Aktionären und ELozelunternehmern — ihren Be- sitz gegen ausreichende Entschädi- gung abzunehmen und die für eine Planung unerlässlichen Voraus- setzungen zu schaffen. Das Eigentum geht an die zu gründende „Eisen- und Stahl-Korporation über, deren Aufgabe eben die Planimg und die Kontrolle der Produktion im Gemein- interesse ist. Darüber hinaus aber bleiben die vorhandenen Firmen un- ter ihren augenblicklichen Leitern, die Angestellte der Korporation wer- den, bestehen. Sie können und sol- len in Wettbewerb zueinander treten als ob es sich noch um kapitalistische Betriebe handelte. Wenn allerdings eine Firma ihre volkswirtschaftliche Aufgabe nicht hinreichend erfüllt, können ihre Leiter abgesetzt und son- stige notwendige Massnahmen von der Korporation angeordnet werden. Von der Nationalisierung werden 107 Firmen mit einem Kapital von rund 190.000.000 Pfund Sterling er- fasst. Dabei handelt es sich nicht nur um reine Eisen- und Stahlerzeugungs- Betriebe, sondern auch um die ver- schiedenartigsten Tochter-Unterneh- mungen von Blechwerken bis zu Ze- mentfabriken. Brü :kenbauunterneh- mungen. Drahtziehereien, ja selbst Haarnadelfabriken etc., so weit es sich um Nebenbetriebe der enteigne- ten Unternehmen handelt. Nur die kleineren Eisen- und Stahlerzeuger werden von der Nationalisierung nicht erfasst und können mit besonde- rer Erlaubnis auf kapitalistischer Ba- sis weiter arbeiten. Es kann schwerlich bezweifelt wer- den, dass, wenn überhaupt eine ge- waltlcse Ueberführung einer Industrie in Gemeineigentum denkbar ist, das Projekt der Labour-Regierung eine Methode vorsieht, die geeignet ist, die Umstellungsschwierigkeiten auf ein Minimum zu beschränken. Je- denfalls zielt es darauf ab, die Er- fahrungen und Fähigkeiten der bis- herigen Industrieleiter weiter auszu- nutzen, sofern diese bereit sind, im Sinne der Gemein wirtschaft zu arbei- ten. Allerdings darf dabei nicht über- sehen werden, dass andererseits die Beibehaltung der bestehenden Be- triebs-Einheiten es bei einem Wahl- sieg der Konservativen diesen er- leichtern würde, die Betriebe wieder in Privatbesitz zurückzuführen. So sehr das Gesetz zur Nationali- sierung der Eisen- und Stahlindustrie das Gepräge der augenblicklichen Si- tuation aufweist, so falsch wäre es jedoch, nur aus dieser heraus seinen besonderen Charakter ableiten zu wol- len. Die Labour-Regierung schlägt vielmehr bewusst einen Weg ein. der Plannung mit Vermeidung einer über- mässigen Bürokratisierung, Freiheit mit sozialer Gerechtigkeit verbinden soll. Probleme der Soxlalisierung Eine der volkstümlichen Begriffsbe- stimmungen der Sozialisierung lautete „Ueberführtmg der Produktionsmit- tel in Gemeineigentum". Sozialismus wiederum wurde bestimmt als „mehr- wertfreie" oder auch als ,,ausbeu- tungsfreie Gesellschaft". Wie alle kurz gefassten Formulierungen so konnten auch diese nicht erschöp- fend sein. Gincen d>e erwähnten De- finitionen auf die rechtliche Seite von Sozialisierung und Sozialismus ein, so trat mit der forschreitenden kapita- listischen Entwicklung, mit den hier- aus entspringenden Krisen und Krie- gen immer mehr die Notwendigkeit der Planung der Wirtschaft, der Schaffung einer ,.Planwirtschaft" in den Vordergrund. Es steht ausser Zweifel, dass auch der jüngste Weltkrieg letzten Ende auf den hemmungslosen kapitalistischen. Wettbewerb zurückzuführen ist. War doch der Nationalsozialismus ebenso wie die anderen Spielarten des Fa- schismus das legitime Kind des Mo- nopolkapitalismus, geboren aus dem Wunsch, die Rebellion der besitzlo- sen Massen — seien es Arbeiter oder verelendender Mittelstand — in Bah- nen zu lenken, die den Monopolkapi- talisten nicht gefährlich würden. Es könnte danach umso erstaunli. eher erscheinen, dass gerade in jüng- ster Zeit Bedenken laut werden gegen die vorbehaltlose Annahme der Be- hauptung. zur Verwirklichung des So- zialismus, der ausbeutungsfreien Ge- sellschaft, seien eine ,,Vergesellschaf- tung der Produktionsmittel" bezw. ei- restlose Planung notwendig oder auch nur zweckmässig. Die kritischere Haltung gegenüber den überlieferten Vorstellungen erwuchs jedoch gerade aus den in der jüngsten Zeit gemach- ten Erfahrungen. Sie führten einer- seits zu einer höheren Einschätzung der Freiheit speziell in sozialistischen Kreisen. Andererseits zeigt die Ent- wicklung in Russland auch, wie un- erlässlich selbst in einer sozialisier- ten Wirtschaft — mindestens im An- fangsstadium — die Förderung der Initiative und eines gesunden Wett- bewerbs sind; allerdings nicht im tra- ditionell-kapitalistischen Sinne. Bei der Planung traten immer mehr die Fragen in den Vordergrund, wofür geplant werden, wie weit die Planuns' gehen und wie sie aussehen solle; ausserdem von wem sie aus- zugehen habe. Bei der Beschäftigung mit dem Problem der Initiative wie- derum wollte man sich nicht von dem Zerrbild der „kapitalistischen Initiative" schrecken lassen, jener ,.Initiative", die entweder in Wirk- lichkeit gerade in den Grossbetrieben gar ni:ht mehr bestand, da diese in den Händen von Aktionären waren, die kaum in engerer Verbindung zum Betrieb standen.. Oder einer „initia- tive", die von den angestellten D;Rek- toren, angestachelt vom Profitinter- esse der Aktionäre, entwickelt wur- de und häufig darauf ausgint'. .- in den beweglicheren kleinere" v-r-rr- nehmen noch bestehende Tni'::v.;.ve unschädlich zu machen, indem man die betreffenden Firmen auf Kaufte, niederkonkurrierte oder in die Zwangsjacke der Kartell-Vereinba- rungen zwängte. Es galt also Wege zu suchen, die es gestatteten, eine wirkliche Initiative in volkswirt- schaftlich nützliche Richtung zu len- ken, indem man sie einer Kontrolle unterwirft und ihr das ,,Mehrwert- Hecken" als einzigen Antrieb nimmt. Das Wirtschaftsprogramm der Schwei- zer SP Zweifellos stellt das englische Pro- jekt der Nationalisierung der Eisen- und Stahl-Industrie einen interessan- ten Versuch dar, in dieser Beziehung neue Wege zu beschreiten. In ähn- liche Richtung weist das Wirtschafts- program, das im Auftrage der Sozial- demokratischen Partei der Schweiz DAS ANDERE DEUTSCHLAND 7 vor wenigen Monaten veröffentlicht wurde. Dieses Programm sieht drei Aufgaben der sozialistischen Wirt- schaftsführung vor: Wirtschaftslen- kung' zur Sicherung der Vollbeschäfti- gung, sc zialisierung und gerechte Verteilung des Wirtschaftsertrages. Entscheidende Bedeutung für die VVirtschaftslenkung kommen in dem schweizerischen Programm dem „Volkswirtschaftsrat" und dem „Volkswirtschaftlichen Forschungs- amt" zu. Der Volkswirts chaftsrat ist beratendes und kontrollierendes Ver- bindungsglied zwischen den Unterneh- men und den obersten Lenkungsbehör- den und soll als solches eine möglichst repräsentative Vertretung aller Wirt- schaftszweige und Gruppen darstel- len sowie unabhängige Sachverständi- ge einschlössen. Dieser Rat hat nicht nur ihm von der Regierung vorgeleg- te Fragen zu behandeln, sondern soll auch seinerseits von sich aus der Re- gierung wirtschaftspolitische Fragen zur Entscheidung unterbreiten. Das Volkswirtschaftliche For- schungsamt soll als wissenschaftlich arbeitendes Organ die nötigen Unter- lagen und Gutachten zur Beurteilung der wissenschaftlichen Lage und zur Ergreifung der erforderlichen Wirt- schaftslenkung bereitstellen. Darü- ber hinaus soll es aus eigener Initia- tive Vorschläge für wirtschaftspoliti- sche Massnahmen ausarbeiten. Da- mit es seiner Arbeit nachkommen kann, sind sowohl die Betriebe als auch die Behörden dem Amt aus- kunftspflichtig. Als Staatseingriffe im Sinne der So- zialisierung sind eine Reihe der ver- schiedenartigsten Massnahmen vorge- sehen: als radikalste die Uebernah- me von Betrieben in staatliche Ver- waltung, sei es als staatliche Regie- Betriebe, öffentliche Unternehmungen in privatrechtlicher Form (z.B. Ak- tiengesellschaften) oder auch nur als gemischt-wirtschaftliche Betriebe, an denen die Privatwirtschaft zusammen mit dem Staat noch beteiligt ist. Daneben soll es weiter Unterneh- men geben — insbesondere solche des Exporthandels, die eine grosse Anpas- sungsfähigkeit an die wechselnden Wünsche und Möglichkeiten im Ver- kehr mit den Auslandskunden erfor- dern — die ganz besonders vor büro- kratischer Starrheit geschützt bleiben müssen. Bei ihnen wird man sich deshalb mit einer verstärkten Kon- trolle durch Entsendung von gleich- berechtigten staatlichen Vertretern in die Geschäftsleitung begnügen. Ein staatliches Lohnamt schliess- lich soll für die gerechte Verteilung des Wirtschaftsertrages sorgen. Die noch notwendigen Korrekturen hieran sollen durch eine entsprechende Steu- erpolitik vorgenommen werden. Reehtsform der Sozialisierung So wie das schweizerische Pro- gramm sich die Aufgabe setzt, eine sozialistische Wirtschaftsordnung aufzuzeichnen, deren Planung nicht zu übermässiger Bürokratisierung führt., so bemüht sich auch der hessische Wirtschaftsminister Koch um die Lö- sung der Aufgabe, sozialistische Pla- nung mit Freiheit zu vereinen. In seiner Schrift ,,Rechtsform der Sozia- lisierung'' beschäftigt er sich mit der Frage, auf welche verschiedenen Wei- sen die Ueberführung der Unterneh- mungen in Gemeineigentum vorge- nommen werden kann. Ihm liegt da- bei am Herzen, alles zu vermeiden, was den Unternehmungsgeist in den zu sozialisierenden Betrieben ertöten könnte. ..Wenn wir sozialisieren, wol- len wir keine Verstaatlichung, keine Bürokratisierung, keinen neuen Zen- tralismus' , so sagt er. Sein entschei- dender Vorschlag ist die Schaffung einer neuen Gesellschaftsform, der sogenannten ,.Sozialgesellschaft", für die sozialisierten Betriebe. Sie sollen von drei Direktoren — einem techni- schen, einem kaufmännischen und ei- nem Sozial-Direktor — und einem ehrenamtlichen Verwaltungsrat gelei- tet werden: ,.Der Verwaltungsrat überwacht die Geschäftsführer (die drei Direktoren), wobei dag Gesetz vorsehen soll, dass der Sozialdirektor nicht gegen die Stimmen der von der Gewerkschaft berufenen Mitglieder des Verwaltungsrates ernannt werden kann." Der Verwaltungsrat als ei- gentlicher Eigentumsträger des Be- triebes wird von den Trägern der Pro- duzenten — Gewerkschaften —, der Konsumenten — Gemeinden und Ge- meindeverbänden — und den Trägern der Planung zusammengesetzt, für welch letztere nicht der Staat, son- dern eine Landesgemeinschaft aller Sozialgesellschaften verantwortlich sein soll. Dafür, dass Koch die Form der ei- gentlichen Staatsbetriebe vermeiden will, gibt er folgende Begründung: „Die Körperschaften öffentlichen Rechts sind allzu sehr abhängig von den Entscheidungen und Einflüssen der öffentlichen Stellen, denen sie ihr Dasein verdanken. Sie sind in aller Regel auch mehr Aemter und Behör- den, während die Rechtsträger der sozialisierten Wirtschaft in erster Li- nie Unternehmen des Wirtschaftsle- bens ohne amtliche Funktion sein sollen." Wie der Titel der Kochschen Ar- beit schon zeigt, handelt es sich bei ihr nicht um die Ausarbeitung ei- nes sozialistischen Wirtschaftpro- gramms, sondern um Vorschläge für eine Rechtsreform, die eine Bürokra- tisierung vermeidet und dennoch si- chert, dass in der Wirtschaft ,-nicht das Profit-Denken, sondern die ge- rechte und soziale Bedarfsdeckung" der leitende Gesichtspunkt ist. Bei ihm bleibt deshalb auch das Problem ungelöst, wie weit die Sozialisierung gehen soll. Wirtschaftsprogramm der SPD Ohne in dieser Beziehung schon ei- ne ins Einzelne gehende Lösung vor- zuschlagen, beschäftigt sich doch die Sozialdemokratische Partei Deutsch- lands in ihrer Broschüre „Grundge- danken eines sozialistischen Wirt- schaftsprogramms' ' mit der Frage des Ausmasses der Sozialisierung. „Verstaatlichung der Produktions- mittel", so heisst es da, „gilt in der modernen sozialistischen Theorie schon längst nicht mehr als die einzi- ge und die konsequenteste Form der Sozialisierung. sie ist vielmehr nur noch ein Mittel neben anderen beim Aufbau der sozialistischen Wirt- schaftsordnung. Planwirtschaft ist niemals Selbstzweck. Reichweite und Methoden der staatlich-politischen Einflussnahme auf die Wirtschaft sind nicht Grundsatz-, sondern Zweckmässigkeitsfr&gen." Bei der sozialistischen Wirtschaft, so wird weiter erklärt, ,,geht es nicht allein um eine gerechte Verteilung des Sozialproduktes, sondern zugleich um eine bessere Produktionsordnung mit wesentlich erhöhtem Ertrag." Aber „entscheidend für die Beurtei- lung einer Unternehmung ist nicht nur die rechnungsmäßig ausgewiese- ne Ertragsbilanz, sondern mindestens im gleichen Masse eine Bilanz der volkswirtschaftlichen und sozialen Leistungen." (Eine Beurteilung der Ergebnisse der Sozialisierung der englischen Kohlenindustrie z.B. wür- de unter Berücksichtigung dieses Kri- teriums manchen ihrer Kritiker zum Schweigen bringen.) Der positive Teil des sozialdemo- kratischen Wirtschaftsprogramma sucht einen Weg zwischen dem klas- sischen und dem N eu-Liberalismus, die „freie Konkurrenz" predigen, ohne zuzugeben, "dass die überkom- mene Besitz- und Einkommensvertei- lung die Verwirklichung eines tat- sächlich fairen Wettbewerbs von vorn- herein ausschliesst" und andererseits der zentralistischen Staats wirtschaft "in der Form einer marktlosen Ver- waltungswirtschaft mit oder ohne staatlichen Konsumzwang, der die nach persönlicher Freiheit und nach organischer Gemeinschaftsbildung verlangenden Kräfte an der Entfal- tung hindert und sich bei längerer Dauer stets zu gewalttätiger oder mindestens bevormundender Dikta- tur auswächst". Dementsprechend wird zunächst nur die Sozialisierung der ihrer Na- tur nach monopolistischen oder nach monopolistischer Marktbeherrschung strebenden Betriebe gefordert wie Bergbau und sonstige Grossindustrie der Metall-Gewinnung und Verarbei- tung, Gross-Chemie, Energiewirt- schaft, Kreditwesen etc. Soweit in der verarbeitenden Industrie noch private Grossbetriebe bestehen blei- ben können, haben sie sich der Wirt- schaftsplanung einzufügen. Durch die staatliche Kreditlenkung wird ihre Bewegungsfreiheit eingeschränkt wer- den. Im übrigen soll aber, so weit es die Planung erlaubt, durchaus ein "freier Sektor" der Wirtschaft be- stehen bleiben. Ziel: Ausbeutungsfreie Gesellschaft Bei all diesen Vorschlägen und Pro- jekten handelt es sich zunächst noch nicht um viel mehr als vorsichtige Tastversuche, um neue Wege zu fin- den, die zu einer Verbindung des So- zialismus mit größtmöglicher Frei- heit und wirtschaftlicher Leistungs- fähigkeit führen. Denjenigen, die ge- wohnt sind, mit der sozialistischen Wirtschaftsordnung die Vorstellung des Kollektivismus zu verbinden, mö- gen diese Versuche als Ausdruck mangelnder Entschiedenheit erschei- nen. Tatsächlich aber haben diese Fra- gen nicht unbedingt etwas mit einer mehr oder minder entschieden sozia- DAS ANDERE DEUTSCHLAND listischen Haltung zu tun. Das Ziel sowohl der Anhänger der Kollektivis- mus wie auch derjenigen Sozialisten, die neue Wege suchen, ist die ausbeu- tungsfrsie Gesellschaft. Gerade aus der Befürchtung, dass auch in einer sozialistischen Genellschaft die wirt- Warschau, September. Man könnte Polen das vVunderland Europas nennen; Ich denke dabei nicht an das "Wunder von War- schau" — Kilometer lang Läden an der Marszalkowa-Strasse, gebratene Hüh- ner und Wiener Schnitzel. Kästen voll Zuckerwerk, die beiden Eier zum Frühstück, weisse Semmeln, Schin- ken, Butter zu 60 cts. das Pfund, etc. etc. Jeder Besucher, der aus den we- niger glücklichen Teilen Europas kommt, schreibt über diese Dinge nach seiner ersten Berührung mit dem Polen von 1943. Jeder erkennt die bemerkenswerte Produktionstä- tigkeit und -höhe der Polen und ihre hohe technische Stufe an. Jeder weiss auch von ihrer Bereitwilligkeit, für ihr Land zu arbeiten, ob sie nun seine Regierung lieben oder nicht, und davon, dass Polen in diesem Jahr dreissig Millionen Tonnen Kohle aus. führen kann, was gegenüber der Tschechoslowakei und Jugoslawien Polens Aufgaben sehr erleichtert. Polen Ist auch in anderer Hinsicht ein Wunderland. Man muss nur se- hen, wie glänzend und relativ schmerzlos die Gomulka-Affäre erle- digt worden ist. Nur in einem Land, in welchem das Volk ein sehr grosses Verständnis für das nationale Inter- esse hat, konnte das gelingen. Die Krise in.der Kommunistischen Partei war sehr ernst. Der Generalsekretär der Partei — oppositionell gegenüber Stalin — begann, sich von Moskau ab- zuwenden. Auf dem Parteikongress im Juni hielt er eine ausgesprochen pol- nische Rede, in welcher er unter Be. rufung auf die Geschichte der pol- nischen Arbeiterbewegung dem natio- nalen Befreiungskampf grössere Be- deutung beimass als dem Klassen, kämpf. Er war dagegen, dass der Klassenkampf auf dem Lande durch verstärkten Druck auf die reichen Bauern verschärft würde. Er forderte auch nicht die Reinigung der Sozia- listischen Partei von den rechten Elementen als einen vorläufigen Schritt zu der vorgeschlagenen Par- teiverschmelzung. Er war in der Tat bereit, die polnisci - KP als Teil ei- ner Art nationalen Front anzuscnen, genau das, weswegen Tito angeklagt wurde, die jugoslawische KP in der Volksfront aufgehen lassen zu wol. len. Es kann kaum wunder nehmen, dass Gomulka sich nicht nur weiger- te, an der Sitzung der Kominform teilzunehmen, die das Verdammungs- urteil- gegen Tito ausssprechen sollte, sondern dass er später auch ablehn, te, die Resolution der Kominfonn zu unterschreiben. Nur drei Manner in der polnischen KP können als wahrhafte Volksfüh- rer 'bezeichnen werden: Gomulka, schaftliche Allmacht des Staates zu einer neuen Forrr der Ausbeutung wenn nicht führen muss, so doch kann, ist das Streben nach anderen Lösungen zu erklären. Wer für den Sozialismus aus der Ablehnung jeg- licher Art der Ausbeutung — nicht von Alexander Werth Bierut und Mine. Mine ist ein gros- ser Wirtschaftsführer; Bierut und Gomulka sind Männer der Arbeiter- klasse . Als Präsident der Republik hat Bierut sich klar gemacht, dass die Gomulkakrise keine blosse Par. teiangelegenheit, sondern von emi- nenter nationaler Bedeutung war. Was musste ein Riss in der Partei bedeuten? Drei Monate lang hat Bie- rut sich bemüht, Gomulka davon zu überzeugen, dass eine Spaltung der Partei die Wohlfahrt des Landes schädigen müsse. Polen liegt zwischen Deutschland und Russland. Wenn Gomulka eine Bewegung nach der Art Titos star- ten würde, könnte Russland sich ge. gen Polen versteifen. Es könnte so- gar — und das ist Polens grösste Furcht — die deutschen Kommuni- sten begünstigen, was nur auf Polens Kosten geschehen könnte. Die Rus- sen wissen nur zu genau, dass aie deutschen Kommunisten wenig Aus. sieht haben, mehr als eine kleine und unsichere Handvoll von Deutschen zu gewinnen, wenn sie nicht dem deut- schen Wunsch nach einer Revision der Oder-Neisse-Grenze einige Ermu. tigung geben, ,/enn Gomulka die Partei verliess, so gab es keine Ga- rantie dafür, dass nicht eine Art deutsch-kommunistischer Schneeball nach Polen zu rollen beginnen wür- de. Schliesslich wurde eine Lösung ge- funden. Bierut blieb Präsident und übernahm die Führung der Partei, und Gomulica brachte sTeh selbst den) nationalen Interesse zum Opfer, aber blieb Vizepräsident... Sicherlich wollte Gomulka in keiner Weise die internationale Stellung Po- lens schwächen und in dieser Hin- sicht war sein Widerruf hundertpro- zentig ehrlich. Die Polen sind sich der deutschen Gefahr vollkommen be- wusst und möchten während des Streits um Berlin nichts tun, was Russland veranlassen könnte, den deutschen Kommunisten Zugestand, nisse zu machen... Wenn Schuma- cher 1945 auf Russlands Seite statt auf die der Alliierten getreten wäre, wäre es mit der Oder-Neisse.Linie vorbei gewesen. , Mincs Agrarprogramm bedeutet den nächsten Schritt zur Sozialisierun^ Polens. Das Gerücht von der bevor, stehenden Kollektivierung verur- sachte eine Epidemie von Lebensmit- telhamsterung. Kaufleute sahen den Untergang nahen und die Bodenpreiss fielen jäh. Aber Mine besitzt ein tehr feines Gehör für Massenstim- mungen. Jemand sagte von ihm; "Er nur der wirtschaftlichen — heraus kämpft, sollte auf Grund einer sol- chen radikaleren Haltung unvorein- genommen die immer deutlicher sich abzeichnenden Tendenzen zu neuen Lösungen begrüssen. POLEN stimmt den Linken in der Partei im. mer zu. Er sagt nicht "ja, über", er sagt "ja, und''. Dieses "und" bedeu- tet, dass er seinen Plan entwickelt, indem er die praktischen und psycho- logischen Möglichkeiten aufzeigt. Ge- nau das hat er bei den Koliektivisie. rungsvorschlägen getan. Er hat eine gute Basis für sein Werk. Bin grosser Teil des Volks liebt die Regierung nicht. Aber es sind so viele ökonomisene Aenderun- gen und Entwicklungen eingetreten, dass das Volk nicht mehr so viel Angst vor Neuerungen hat. Das pol- nische Volk hat nicht nur überlebt, es hat sich auch völlig den neuen Bedingungen angepasst. Wie sollten die Polen also nicht fähig sein, sich an einen schrittweisen — sehr schritt- weisen — Uebergang zu gewissen kollektiven Methoden der Agrarpro. duktion :'u gewöhnen! Es bestehen überreichliche Gründe, dass etwas auf dem Gebiet der Landwirtschalt geschieht, in der es fast eine Million Kleinbetriebe gibt, die jährlich we- niger als eine Tonne Getreide lie- fern. Ein nichtkommunistischer Fachmann wie Sir John Boyd Orr, der Polen vor kurzem besuchte, war der Meinung, dass Kollektivisierung ein wesentlicher Teil jedes Planes sein müsse, der Steigerung der Pro- duktivität zum Ziele habe. Mino hat seinen Plan dem polni- schen Volk wie ein erstklassiger Ver- käufer präsentiert. Erstens erklärte er, die Aenuerung, solle freiwillig sein; zweitens: "Wir haben keine Ei- le"; endlich: "Was wir erstreben, ist nicht Quantität, sondern Qualität". Er umriss drei verschiedene Arten von hoch, wie die in der Bizone. So kostet ist eine recht lose Bauerngenossen- schaft, in der gemeinsamt gepflügt, ge. sät und geerntet wird. Die anderen beiden ähneln mehr den russischen Kolchosen. Die Partei, erklärte er, werde alle drei Typen billigen. Der Umfang der Schaffung dieser Pro- duktionsgenossenschaften werde durch zwei Faktoren bestimmt, durch die Zahl der verfügbaren Traktoren und anderen Maschinen und durch die Anzahl der Farmer, die mitmachen wollten. Eine Bestandaufnahme der Trakto- ren zeigt, dass nur genug vorhanden sind, um ein Prozent der Bauernhöfe iui Jahre 1949 zu kollektivisieren und fast garkeine in den nächsten zwei Jahren. Nach 1951 aber werden mehr Traktoren da sein, und bis dahin sol. len die Bauern von den Vorteilen der Kollektivisierung überzeugt werden. In der Zwischenzeit sollen Massna- me gegen die Kulaken ergriffen wer- den, d. h. gegen die Bauern, die fremde Arbeitskraft venutzer?. Sie WUNDERLAND !> AS ANDERE DEUTSCHI AND t sollen Hoher besteuert werden, die Benutzung der staatlichen Landwirt- schaftsmaschinen soll für sie er- schwert werden und, das Wichtigste, auch der Kredit. Es besteht die klare Absicht, die Bedeutung der roichen Bauern m den Dörfern herabzumin- dern, in denen sie nicht nur grosse wirtschaftliche Macht besitzen, son- dern in denen sie auch im Bunde mit den Priestern — Mine War oesorgt, die letzteren nicht zu erwähnen — politisch tonangebend sind. Die grosse Frage ist, ob die Regie- rung das Programm intensivieren will auf die Gefahr hin, auf schwere Wi- derstände zu stossen — vor ein paar Wochen wurden drei Kommunisten von Bauern ermordet, — oder ob sie vorsichtig vorgehen will. Mincs Plan Den Negew den Arabern geben, heisst■ ihn Traiisjordameii geben. Ihn Transjordanien geben, heisst, ihn den Engländern geben. Diese einfache Tatsache reicht wohl zur Erklärung dafür aus, dass eine halbe Stunde nach dein Bekanntwerden von Bei nadottes Ermordung ein britische De- legierter in Paris eine Pressekonferenz abhielt, auf welcher er als seine völ- lig "private Meinung" kundgab, dass die englische Regierung voraussicht- lich den Bericht Bernadettes billigen werde. Es erklärt auch, weshalb Mar- shall so rasch die Zustimmung Ame- rikas zu dem Bericht verkündete, be vor die Angelegenheit an die UM kam. Beide Regierungen haben eine unanständige Eile gezeigt, die Annah- me der Empfehlungen Bernadettes zu sichern, während noch das Einsetzen über seine Ermordung herrschte. Aber auch ein tragischer Tod recht fertigt nicht einen ungerechten un undurchführbaren Vorschlag. Wem Israel den Negew verliert, wird seine Möglichkeit, eine lebensfähige Wirf schaft zu entwickeln und die in der europäischen Lagern wartenden Ju dsn anzusiedeln, ernstlich bedroht. Dieses trockene, rauhe Land ist nur ein Gebiet möglicher zukünftiger Ent- wicklung . Unglücklicherweise wird aber dieses Gebiet seit langem von den Engländern als Dauerbasis im Mittleren Osten begenrt. Im vorigen Januar hat Lilly Schultz in "The Na- tion" den englischen Plan zur Kon- trollierung des Negew beschrieben, wo durch die Verbindung mit dem Ro- ten Meer, dem Golf von Aden und dem Indischen Ozean gesichert und eine strategische Basis mit umfang- reichen militärischen Einrichtungen geschaffen würde. Bevins Zustimmung zu Bernadettes Bericht stellt eine letzte englische Anstrengung dar, die- ses Gebiet — selbst auf Kosten einer formellen Anerkennung des jüdischen Staates — zu gewinnen. D6r Beschluss, Israel des Negews zu berauben, bringt solch schwere Ver- wicklungen, dass man denken sollte, er wäre nur na:.-h gründlicher Ueber- legung gefasst worden. Zufällig weiss ich, dass dem nicht so war. Zwei Drittel des' Gebiets von Israel ist so abgefasst, dass die Polen die Kolchosen so gestalten können, dass sie nicht nur vorteilhaft für den Staat, sondern auch anziehend für die Bauern selbst sind, Was bedeutet es, wenn Polen Kollektivfarmen schafft ohne etwas von den Wenig attraktiven Merkmalen des russischen Systems? Das wäre eine Leistung er- sten Ranges und ein' ausserordentlich wichtiger politischer Faktor für Eu- ropa. Denn was anderes, als das we- nig Anziehende des Lebens im russi- schen Kolchos hat so viel Opposition gegen die Kollektivierung in Euro- pa hervorgerufen? Wenn die Polen der Welt ein wahrhaft glücklichen Kolchossystem zeigen, müsste das weitreichende Konsequenzen haben... (The Nation). wurden von Bernadette abgeteilt als Resultat einer Augenblicksent?chei. dung. die er zwei oder drei Tage vor seinem Tode getroffen hat. Fast im letzten Aug-cnblick, bevor rr seinen Bericht fertiggestellt hatte, entschloss er sich, "den Arabern etwas zu ga- ben", um der Kritik zu begegnen, und um sie für den Verlust des westlichen Im letzten, vierten Aufsatz seiner Ar- tikelserie über die Sowjetunion schreibt der frühere Moskauer Berichterstatter des "Manchester Guardian" Alexander Werth in The Nation folgendes: Die innere Sowjetpropaganda be- steht in der Hauptsache aus zwei Ele- menten: Ermahnung zur Bürger- pflicht und Schmeichelei. Von Na- tur sind die Russen kein disziplinier- tes Volk, und wenn es in den vorre- volutionären Zeiten einen elementaren Patriotismus gab, so gab es keinen Bürgersinn, Auch heute existiert noch viel Zügellosigkeit und Verantwor- tungslosigkeit — Dieletahl kommt zur Zeit noch sehr häufig vor —, aber die Regierung ist bemüht, auf jede nur mögliche Weise ein Gefühl des Stolzes darauf zu wecken, ein Sow- jetbürger zu sein. Der Krieg hat da- bei sehr geholfen. Die offiziellen Kriegsgeschichten, die jetzt geschrie- ben werden, suchen den Leser davon zu überzeugen, dass die Sowjetunion im wesentlichen allein Nazi-Deutsch- land besiegt hat. Es erfüllt das Volk mit grosser Genugtuung, wenn ihm das Tag für Tag erzählt wird, und wenn es gleichzeitig hört, dass die Sowjetunion bei weitem die fortge- schrittenste Gesellschaftsform hat und die beste Literatur und die besten Wissenschaftler. Oft wird die Pro- paganda absurd; z.B. wenn die Praw- da allen Ernstes schreibt, däss das Penicillin in Wirklichkeit schon 1871 von Russen entdeckt wurde, aber dass seine praktische Entwicklung vor der Revolution durch die mangelhafte wissenschaftliche Ausrüstung verzö- gert wurde, und dass die Engländer lediglich eine russische Erfindung ver- feinert haben. Aber es kann kein Zweifel darüber Galiläa zu entschädigen. Als er die neue Linie auf der Karte zog, meinte einer seiner engsten Mitarbeiter, der den Juden nicht besonders freundlich gesinnt ist, dass man eine Entschei- dung, die Israels wirtschaftliche Existenzmöglichkeiten so sehr schä- dige, nicht ohne vorhergehende Be- ratungen und Ueberlegungen treffen könne. Darauf versprach der Graf, die "Sache zu beschlafen". Am näch- sten Morgen erklärte er, er wolle die Linie so lassen, wie er sie gezogen ha- be, man könne die ganze Sache mehr oder weniger als einen Versuch be- trachten, den man in Paris aufgeben könne, wenn er als unpraktisch er- scheine. In solch sonderbarer Weise wurde von dem Vermittler der UN mit dem Schicksal Israels unigegangen. Aber nichts Sonderbares oder Im- provisiertes hat es bei der englischen Bemühung gegeben, gerade dieses Re- sultat herbeizuführen. Tatsächlich wäre es England im September vori- gen Jahres beinah gelungen, das Qe- biet vom jüdischen Staat zu trennen. Nur das direkte Eingreifen Trumans hat damals das Manöver vereitelt.- Israel, seine Freunde in Amerika und die amerikanische Regierung dür- fen nicht zulassen, dass die Entschei- dung Bevin - Bernadette - amerikani- sches Aussenamt Wirklichkeit wird.,.. (Freda Kirchwey in "The Nation"* bestellen, dass die Sowjetentwick- lung dahin geht, dass das Volk sich als allen anderen überlegen betrach- tet. "Klassenlose Gesellschaft" ist ganz und garnicht eine leere Phrase. Es stimmt, dass gewisse Gruppen wirtschaftliche Privilegien erhalten haben dafür, dass sie sich um den Staat verdient machen, aber der Un- terschied in Bezug auf Wohlstand hat »ich seit der Geldreform des vorigen Jahres vermindert. Es gibt kein Ge- mecker, wenn ein Chefingenieur oder ein General eine Dreizimmerwohnung in einem neuen Moskauer Häuser- block erhält . Wenn Russen bei eitier Unterhaltung ihre Lebensweise für demokratischer halten als die unsrige, dann meinen sie damit, dass klassen- mäßige Traditionen und Unterschei- dungen in der Sowjetunion fast völ- lig verschwunden sind, und dass Un- terricht, Kleidung und vor allem der Verkehr von Mensch zu Mensen im- mer stärker gleichmässig werden. Kleine Unterschiede wie die Anrede "Herr" existieren nicht mehr im heu- tigen Russland. Die Würde des Bürgers wurde im zaristischen Russland unter dem ge- wöhnlichen Volk nicht gepflegt. Was die Sowjetregierung nicht ohne Erfolg versucht, ist, in kurzer Zeit, in ihren Bürgern das Gefühl ihres Wertes und ihrer Würde zu schaffen, das die Eng- länder erst nach mehreren Jahrhun- derten erreicht haben. Und das Ziel dieser Propaganda gleicht mehr. den englischen Idealen des Bürgerseins als den Idealen, welche die Nazis in je- des Deutschen Kopf zu pflanzen such- ten, wenn auch die SowjetmethodÄi in diesem Punkt oft an die erinnern, welche da» "Herrenvolk'' pries, DER BRITISCHE IMPERIALISMUS UND DER NEGEW ERZIEHUNG ZUM SOWJETBUERGER 10 DAS ANDEJtE DEUTSCHLAND MAGNITO GORSK GESPRAECH MIT EINER RUSSIN „War Magnitogorsk eine wirklich neue Stadt?" „Eine absolut neue", sagte Mascha. „Vorher waren dort vielleicht ein paar Dutzend Leute gewesen. Unter dem al- ten Regime hatten sie versucht, etwas Eisenerz zu fördern. Aber die Entwick- lung der Industrie kostete soviel Geld, und das alte Regime war nicht daran interessiert und konnte nicht soviel aufwenden. Wir aber bauten die Stadt von Grund auf. „Also, wir traten die lange Reise mit dem Zug an, und äuf den Statio- nen kauften wir etwas zu essen, und längs der Strecke verkauften die Leute Milch und hartgekochte Eier und ge- bratene Hühnchen. Am vierten Tag begannen die Leute zu sagen: .Jetzt kommen wir nach Magnitogorsk'.". Mascha hielt inne, und Tränen ran- nen ihr vo den Wangen. Es waren Tränen der Freude und der Erinne- rung, das konnte ich sehen, und daher wartete ich. „Ich wünschte, ich könnte Ihnen klar machen, was es für mich bedeutete, als ich de neue Stadt in der kahlen Stepp,? sah", sagte sie schliesslich. ,-Hunderte von Meilen waren wir gekommen und hatten nir- gendwo eine Stadt gesehen. Immer nur das kahle Grasland und Steppe, das sich gegen den hellblauen Himmel hob. Und dann plötzlich sah ich am Horizont die Umrisse grosser Gebäu- de, Häuser, Fabriken, sogar die Flam- me des Hochofens... unseres Hoch- ofens, den wir seibet gebaut hatten." Wir sassen schweigend, während Mascha weinte. ..Ich kann Ihnen nicht sagen, wie schön Magnitogorsk mir vorkam", fuhr sie wieder fort. „Es war so neu. In weiter Entfernung erhoben sich Berge, aber in meinen Augen war die Stadt höher als die Berge. Und doch war es eigentlich eine einfache Stadt. Der Bahnhof war so einfach wie die Ge- bäude. Aber die Fabriken waren wun- dervoll und schön. „Meine Schwester holte mich am Bahnhof ab. Ihr Mann war Chef ei- ner Abteilung des Werkes. Aber sie wohnten im Hotel in einem kleinen Zimmer. Sie hatten einen einzigen Schrank für ihre Kleider, ein Sofa, ein Bett, zwei Fenster, sehr einfache dunkle Möbel... das war alles. Na- türlich hatten wir uns viel zu erzäh- len. Meine Schwester fragte mich über Moskau aus, und dann sagte sie mir, in Magnitogorsk sei alles besser als in Moskau, und es gefiele ihr so sehr. Sie sagte auch, ich könnte überall leicht Arbeit finden. „Auch mir gefiel es. Ich weiss noch, es kam mir alles so hell vor, die Son- ne schien und die Luft war so bewegt, und alles war so frisch und neu. Die Luft der Steppe ist wunderbar, sie macht einen stark, und man mochte immer lachen. Man isst so gut und freut sich, am Leben zu sein. So be- schloss auch ich, dort zu bleiben. ..Natürlich wollte ich meine Ausbll- Von Pearl 5. Buch dung fortsetzen. Aber ich dachte, ich könnte in der Volksschule unterrich- ten und gleichzeitig studieren. Daher ging ich aufs Arbeitsamt, und der Vor- steher sagte zu mir: ,Ach, Moskauerin, wir haben Arbeit im Ueberfluss, alles was Sie tun wollen!' So begann ich zu unterrichten und zu studieren. Diese Schule war für alle, die an den Aben- den studieren wollten. Bei Tage waren sie Arbeiter aus Büros, aus Fabriken, von den Hochöfen. Aber abends stu- dierten sie vielerlei Fächer. In allen Kursen gab es allgemeine Gegenstän- de, und es gab auch Spezialkurse in Li- teratur und Sprachen und Politik, wirklich in allem, was man sich wün- schen konnte. „So begann mein neues Leben. Und ich liebte es ganz. Alles um mich war so lebendig. Die Leute lebten einfach, meist in Baracken. Aber Holzhäuser wurden schnell gebaut, und dann gab es die neuen Fabriken und die ragen- den Hochöfen, und die Leute liefen ununterbrochen von zu Hause zur Fabrik, und immer ging etwas vor. Ich fühlte, dass jedermann beschäf- tigt war und arbeitete. Und über uns alle ergoss sich der schöne helle Son- nenschein der Steppe. „Eines Morgens", fuhr Mascha fort, ..hörte ich Musik, einen sehr lustigen Sowjet-Marsch. Ich glaubte, es sei Ir- gendeine Feie, und schaute aus dem Fenster und sah eine Gruppe Men- schen, die die Strasse herunterkamen und rote Fahnen trugen, voran eine Musikkapelle. Meine Schwester erzähl- te mir, dies seien Leute, die hier nach Magnitogorsk geschickt worden wären, um zu arbeiten; einige seien Kulaken, andere Gegner der Regierung. „Sie arbeiteten auf Baustellen und marschierten jetzt, nach der Arbeit, nach Hause. Ich erinnere mich, sie trugen die Spetzowka, die Arbeiter- uniform. Auch meine Schwester trug sie." ,,Was taten sie als erstes in dieser neuen Zauberstadt?" fragte ich Ma- scha. „Gleich am Tag- nach meiner An- kunft ging ich aus, um eine Anstalt zu suchen, wo ich meine Ausbildung weiterführen konnte", sagte sie stolz. Der ganze Hunger von Menschenge- nerationen, die keine Gelegenheit hat- ten, lesen und schreiben zu lernen, ist in Maschas Stimme und Augen, wenn sie von Bildung spricht. „Zu der Zeit gab es auch schon zwei Colleges in Magnitogorsk", sagte sie, immer noch stolz. „Eins war das metallurgische für Ingenieure. Im anderen wurden die Lehrer für diesen Bezirk ausgebildet. Ich hatte mich letzthin sehr für Ma- thematik interessiert und ging auf das Lehrercollege, um dort in der ma- thematischen Abteilung zu studieren. Mehrere Stunden am Vormittag stu- dierte ich, an den Abenden unterrich- tete ich. Aber ich wollte Ihnen von der Abend- schule erzählen. Diese Leute arbeite- ten den ganzen Tag und kamen direkt von der Fabrik in die Schule, die in einer Baracke war. In der kurzen freien Zeit vor der Schule lasen und studierte« sie. Manchmal diskutierten sie über die Arbeit des Tages, und ich weiss noch, sie sprachen besonders über Arbeitspensa, ob dieser Laden oder jene Fabrik ihr Pensum erfüllt hätte. Sie empfanden Verantwortung für die Arbeit. Da sassen sie nun, so wie sie aus der Fabrik gekommen wa- ren, in ihren dicken Baumwolljacken. Ach, wir studierten nicht immer! Wenn die Stunden vorüber waren, konnten wir Schach oder andere Spiele treiben. Aber für uns war das Lernen ein Vergnügen. In der Abendschule lernte jeder, was tr wollte. Manche mussten zuerst lesen und schreiben lernen. Die Leute be- zahlten nichts, ausser vielleicht in der Musikschule, für das Ueben auf den Instrumenten. Selbst dafür zu bezah- len, war nicht unerlässlich. Wer zah- len konnte, zahlte; wer nicht zahlen konnte, zahlte nicht. So war es auch bei mir in meinem College. Es lag weit entfernt von die- ser Schule, vielleicht zwei oder drei Meilen, in einem Teil der Stadt, wo man plante, Miethäuser für Leute zu bauen, die in der Stadt arbeiteten. Das College wurde zuerst gebaut, ein grosses, vierstöckiges Haus, und nahe dabei lagen eine Mittelschule und ex- > nige Miethäuser. Diese Häuser waren schön, sie hatten Balkons und breite Fenster. Aber auf dem Boden davor lag noch Baumaterial verstreut und wir mussten uns vorsichtig den Weg bahnen." „Aber Mascha", sagte ich, ..wenn Sie doch nur wieder zur Schule gingen, warum blieben Sie dann nicht in Mos- kau? Warum dann die lange Fahrt nach Magnitogorsk?" ,-Ich musste einfach die neuen Städ- te sehen", gestand sie. „Ich wusste nicht, ob ich bleiben würde. Aber dann wollte ich doch bleiben. Es war etwas so Helles und Klares und Inter- essantes an diesem Magnitogorsk. Im Winter war es natürlich kalt, es ging viel Wind, aber alles war so offen und weit, und man konnte alles sehen, was vorging. Moskau war eine alte Stadt. In Magnitogorsk gab es soviel Sonne, und die Stadt war so neu. Moskau war Geschichte. Magnitogorsk war jetzt, heute und morgen." ,,Nicht gestern?" fragte Ich. „Alles hat eine Art gestern", sagte Mascha. Zuerst, das ist wahr, gab es, wo jetzt Magnitogorsk steht, nichts als Steppe. Dann, vor etwa 200 Jahren, ritten ein paar russische Reisende vor- über und bemerkten, dass die Nadeln ihrer Kompasse von einem grossen Ge- birge abgelenkt wurden. Die Nomaden des Bezirks nannten dies Gebirge DAS ANDER! DEUTSCHLAND 11 ,Aider Lui'. Die Reisenden nannten es Magnitogorsk oder •* das magnetische Gebirge. Sie ritten weiter, aber später kehrten andere Russen mit Leibeige- nen zurück, und man karrte die Erz- klumpen über die eisige Steppe nach Beloretzk, wo sie geschmolzen wurden. „Dies.war der Anfang von Magnitö- gorsk. aber sein berühmtes Hüttenwe- sen blieb bis 1928 primitiv. Jetzt na- türlich ist Magnitogorsk wunderbar. Das Land ringsum besteht aus gewölb- ten, kahlen Hügeln und dem Gebirge. Es gibt fast keinen Regen und nur we- nig Vegetation. Im Sommer ist es heiss, aber sechs oder sieben Monate Im Jahr sehr kalt, und es ist immer windig. Im Rahmen einer so wuchti- gen Landschaft wächst Magnitogorsk schnell." ,,Bestand ein richtiger Plan?" „Eine geplante Stadt", gab Mascha zu. „Colleges, Schulen, Fabriken, Theater, Miethäuser... alles gleich- zeitig geplant. Die Strassen waren breit. Zuerst gab es keine Bäume, aber als ich hinkam, waren schon kleine Bäume gepflanzt und der grosse stadt- park angelegt. Ich erinnere mich, wie vor meinen eigenen Augen dieser grosse Park emporwuchs und schön wurde, mit grünen Bäumen auf beiden Seiten der Fahrstrasse, und Bänken, auf denen man sitzen und alles ge- messen konnte. Bisher hatten die Leu- te geglaubt, dass auf der Steppe keine Bäume wachsen könnten. Und dann hatten wir den Uralfluss, wo wir schwimmen gehen konnten; und dahinter lag das Uralgebirge. Ei- sen- und Magnesiumerze gab es näher, in den Hügeln- Man fand das Erz, in- dem man eine magnetische Nadel ge- brauchte. Deshalb wurde die Stadt Magnitogorsk genannt. Ach, alles in dieser neuen Stadt war geplant... Kindergärten, wo die Kinder der Ar- beiter bleiben konnten, und überall Bäume, und die Häuser waren alle der Sonne Trugekehrt und standen nicht so nahe beieinander..." ,,Gelang alles richtig, wie es auf den Plänen stand?" fragte ich. ,,Nein, natürlich nicht", sagte sie, ehrlich. „Ich Weiss noch, der Park war auf eine ganz bestimmte Art geplant, und das wurde alles aus Bequemlich- keitsgründen gänzlich geändert In den fünf Jahren wo ich dort war wuchs der Park wundervoll. Es war so hübsch im Schatten der Bäume zu sitzen. Bisher hatte die Stadt immer unter der Sonne gebrannt denn im Sommer konnte es dort sehr heiss sein." „War dies während der Zeit der Lebensmittelknappheit?" fragte ich. „Die war früher", sagte Mascha. »•Aber selbst damals hatten wir in der neuen Stadt keine wirkliche Lebens- fnittelknappheit. Und in Moskau, wo wir sie hatten, hatte ich sie nicht empfunden. Wissen sie, warum? Weil ich so daran gewöhnt war, im Dorf nur schwarzes Brot zu essen. Meine Ration in Moskau betrug täglich ein- einhalb Pfund Brot, und das war mehr, als ich essen konnte. Die natür- lich, die kein schwarzes Brot essen konnten, fühlten sich unglücklich. Mir machte es nichts aus. In Magnitogorsk hatten wir Le° bensmittel. Sie kamen aus der Ukrai- ne und vom Ural. Es war geplant, dass der Ural uns versorgen sollte, und man hatte auch Staatsfarmen rings um die Stadt organisiert. Es war ein schönes Leben. Wir wa- ren glücklich... Ich wünschte, ich könnte Ihnen schildern, wie glücklich. Ich erinnere mich an unsre Kinder- Chöre, an die Kinder aus den Schu- len, zweihundert Kinder, die vielleicht In der Sowjetunion erfreuen sieb die „Kombinate" grosser Beliebtheit. Kernstück der sowjetischen Indu- strialisierungspolitik ist das Ural- Kusnetzk-Kombinat (UKK), das die Eisenerze des Urals mit den Kohlen- lagern ven Kusnetzk in Westsibirien ,,kombiniert". Durch das UKK hat die Sowjetunion die gewaltigen Wirtschaftsreserven Asiens, die unver- gleichlich grösser sind als im europäi- schen Teil der Union zu mobilisieren begonnen. Man soll aber daraus nicht schliessen, dass die sowjetische Indu- strie endgültig nach dem Osten ab- wanderte. Die alten Industriegebiete im Westen der UdSSR werden keines- wegs vernachlässigt. OberscMeeiflche Kohle — Ukrainisches Erz Nach allen Anzeichen ist es gewiss, dass in Verbindung mit der Sowjeti- sierung der osteuropäischen Staaten der Industrieausbau im Westen in nächster Zeit stark vorangetrieben werden soll. Ein grosses Kombinat ist im Entstehen, da die Eisen- und Manganerze der Ukraine mit den Koh- len Oberschleslcns und dem Koks der Tschechoslowakei verkoppeln soll. Der „Polnisch-tschechische Rat für wirt- schaftliche Zusammenarbeit" ist das Planungsorgan für die Schaffung die- ses ,,Rührgebiets des Ostblocks". Den Schwerpunkt dieses Planes bilden die wirtschaftliche Verknüpfung des pol- nisch-obeischlesischen und des tsche- chischen Industriereviers um Mäh- risch-Ostrau. Der kritische amerikani- sche Harrison-Ausschuss urteilte nach einer internationalen Rundreise im Jahre 1947 über Oberschlesien: ..Dan lebhafteste Industriegebiet, das wh nach dem Kriege ausserhalb der USA angetroffen haben." In der Tat kann kein Zweifel daran sein, dass in Ober- schlesien intensiv gearbeitet wird. Po- len ist bereits Europas grösster Koh- lenexporteur. Auch die Hüttenwerke haben den Export aufgenommen. 1947 wurde die enge Zusammenarbeit zwi- schen dem oberschlesischen und dem Ostrauer Revier aufgenommen. Polen liefert Kohle und Strom, die tschechi- schen Fabriken Maschinen, Gruben- installationen usw. Diese Zusammen- arbeit solf nun dahin erweitert wer- den, dass die gesamten Kohlen-, Zink-, Eisen- und Stahlindustrien zwi- schen ICattowitz und Mährisch-Ostrau zu einer Produktionseinheit verschmol- zen werden. 5 Millionen t Stahl, später 10 Millionen t jährlich: das sind die Produktionsziele dieses polnisch-tsche- chischen Industriereviers. Davon soll ein in Gleiwltz tm Aufbau befindliches Stahlwerk, das ciie Sowjetunion im klassische Lieder sangen oder Mus- sorgski. Nein, nein,... ich kann es nicht schildern, wenn Sie es nicht ge- sehen haben... sie können sich nicht vorstellen, wie schön es mir vorkam. Wie schön es war! Ich glaubte, ich sei im Himmel. Es war etwas, was im Leben unmöglich schien. Ich sah mich um und dachte: "Aber dies ist das Le- ben, wir leben es ja! Arbeit, Studium. Musik, Familie..." Rahmen eines 450-Millionen-DoIlar- Kredits liefert, allein 1 Million t er- zeugen. Den Koks liefern die tsche- chischen Kokereien im Karwiner Bek- ken, dessen Kohle sich im Gegensatz zur obevschlesischen Kohle ausge- zeichnet zur Verkokung eignet. Und woher kommt das Eisenerz, der ,.Sockel", auf dem sich jede Schwerindustrie aufbaut? Diese Lük- ke sollen die ukrainischen Roteisen- erzlager von Kriwoi Rog schliessen, die einen Eisengehalt von 57 bis 67 Prozent besitzen. Ganz in der Nähe, bei Nikopol am Dnjepr, befinden sich riesige Lager an Manganerz, das für d!e Entschwefelung und Entoxydierung des Eisens in den Hochöfen benötigt wird. Von Odessa bis Stettin Und wie Kommt das Evz zur Kohle? Im Zuge des Aufbaus des polnisch- tschec hiseh-u kr ainischen Kombinats soll für den Transport ein S>stem von Wasserwegen geschaffen wenden, das eine durchgehende Wasserverbindung von Odessa und Galatz am Schwarzen Meer bis nach Stettin und Danzig an der Ostsee herstellen wird. Der Bau c'.es Oder-Donau-Kanals — ein vor mehr als zwei Jahrzehnten von deut- scher Seite entworfenes Projekt! — ist jetzt in Angriff genommen worden. Er soll das polnisch-tschechische Re- vier mit iem Balkan verbinden und Massentransporte aus dem Donauiaum oderabwärts dem Ostseeraum zuführen. Die ukrainischen Erze von Kriwoi Rog und Nikopol will man in den Dnjestr leiten und über den Dnjestr-Weichsel- Kanal. dessen Bau ebenfalls von dem polnisch-tschechischen Rat beschlos- sen wu,-de, nach Oberschlesien trans- portieren. Schliesslich wird die Weich- sel mit der Oder durch einen Kanal verbunden, der auch für die Weichsel- Oder-Schiffahrt den Weg in die Zu- kunft bahnt. Im Zusammenhang mit dem Ausbau des Wasserstrassensystem zwischen dem Schwarzen Meer und der Ostsee soll auch die Amage neuer und die Erweiterung und Modernisierung be- stehender Häfen erfolgen. Für Polen steht dabei Stettin im Vordergrunde, für dessen Aufbau heute mehr Geld aufgewendet wird als für die Haupt- stadt Warschau. Schon 1949 hofft man für Stettin einen Warenumschlag von 5,6 Millionen t zu erreichen, obwohl gegenwärtig die Umschlagskapazität erst 200000 t im Monat betragen dürfte. (1j37: 8,3 Mill. t!). Die Sowjet- union und die Tschechoslowakei be- sitzen Freihafengebiete. Durch den Ausbau der Stromsyste- me wird von dem polnisoh-tseTieoW- DAS „RUHRGEBIET DES OSTENS" — NEUES „KOMBINAT" IM WERDEN 12 DAS ANDERE DEUTSCHLAND Bonner Reden und Münchner Taten Uns wird geschrieben, Der Ministerpräsident von Nord- rhein-Westfalen Karl Arnold legte auf der Eröffnungssitzung des Parlamen- tarischen Rates in Bonn, der West- deutschland eine Verfassung geben eoll, ein Bekenntnis zur deutschen Einheit ab, das mit folgenden Worten begann: „Noch nie war der geistige Zusammenhalt der Deutschen aus al- len Schichten, Stämmen und Land- schaften so tief und feierlich wie in dieser Stunde. Unser unwiderrufli- ches, unser heiliges Gelöbnis gehört dem ganzen deutschen Volk, gehört seiner geistigen, kulturellen und wirt- schaftlichen Einheit." Das Gegenteil Ist allenfalls richtig. Noch nie war der geistige Zusammen- halt der Deutschen so gering und problematisch wie heute. Noch nie war uns Anderen, die wir nicht zu den 65 Bonner Verfassungsmachern zäh- len, so unfeierlich zumute. Noch nie war ferner so wenig Grund vorhanden, von allen deutschen Schichten, Stäm- men und Landschaften mit geblähten Nüstern zu orakeln, und noch nie in unserer Geschichte war es ungezie- mender, Bekenntnisse und heilige Ge- löbnisse" abzulegen. — Ueforigens ist Herrn Arnold dabei eine feine rheto- rische Nuance gelungen. Er sprach nicht von den Deutschen aller Schich- ten, Stämme und Landschaften, wie KU erwarten gewesen wäre, sondern von Deutschen aus allen Schichten, Stämmen und Landschaften. Warum? Nun, sein Unterbewusstsein meinte den Bonner Extrakt des deutschen Volkes, während seine rednerische Auf- gabe doch diesem selbst hätte gelten müssen. Die Grossmäuligkeit gehört nun einmal mit zu den unerquicklichsten Eigenschaften unseres nationalen Ty- pus. Wir geben an, sind wir obenauf, und liegen wir unten, dann geben wir erst recht an. Solche Lust an der tö- nenden Phrase war schon das Kenn- zeichen der Paulskirchenversamm- lung, sie gab dann der Weimarer Re- publik das Gepräge, sie hat im Hitler- reich kulminiert, und nun ist es wohl nur recht und billig, dass sie auch den Nachfolgerstaaten nicht mangelt. Soziologisch gesehen, ist sie eine Ei- gentümlichkeit des deutschen Bürger- tums, das sich allzeit durch Reden für den Ausfall von Taten schadlos zu halten suchte; aber selbstverständlich ist im Laufe seiner Lehrzeit auch das deutsche Proletariat davon angesteckt sehen Industrierevier aus der ost- europäische Raum In seiner ganzen Nord - Süd - Ausdehnung durchblutet werden können. Es handelt sich hier nicht nur um ein wirtschaftliche?, sondern auch um ein politisches Unternehmen ersten Ranges, das die osteuropäischen Sa- tellitenstaaten eng mit der Sowjet- union verknüpfen und immun machen soll gegen alle Versuchungen, die Zu- sammenarbeit mit dem Westen wie- derherzustellen. („Hamburger Echo") worden, wie der Fall des Bonner Al- terspräsidenten Adolph Schoenfelder zeigt, der seine Laufbahn als Zimmer- mann begonnen hat, ehe er Gewerk- schaftsführer und prominenter SPD- Politiker wurde. Schoenfelder nannte nämlich den Bonner Konvent eine Versammlung „ohne Beispiel und Vor- bild in der Geschichte" unter Unter- schlagung der Kleinigkeit, dass die- ses fehlende Beispiel doch jedenfalls ein schlechtes gewesen wäre. Ihm war offenbar bei der Verteilung der Ge- meinplätze unter die Hauptredner des Tages das Einmaligkeitsmotiv zuge- fallen. Man braucht kein Politiker, kein Parteimann zu sein, um den Unter- nehmungen des Bonner Rates eine traurige Prognose zu stellen. Die Sprachbefragung genügt schon dazu. Es ist der alte Misston, der die alte deutsche Katzenmusik machen wird. Weder Ernst noch Würde, noch auch nur die allernotwendigste Gabe der Unterscheidung steht diesen abgeleb- ten Figuren zur Verfügung. Sie reden, wie sie's verstehen, und so werden sie dann auch beschliessen. „Die Vorse- hung", sagte Ludwig Boerne, „ist ei- ne sparsame Wirtin. Sie - schafft keine frische Zeit herbei, solange von der AUS DEM ANTIBOLSCHEWISTISCHEN LEXIKON (Herausgeber Ulysses Beiern) Der Marxismus — an sich woh: diskutierbar, existiert in Sowjetrussland nicht mehr. Der Marxismus — an sich schon undiskutabel, bestimmt alle Sowjetpolitik. Abschaffung der Kirche — gottloser Versuch, eine zweitausendjährige Zivi- lisation zu unterminieren. Wiederzulassung der Kirche — eine macchiavellistische Intrige, gerichtet gegen den Heiligen Stuhl. Kommunistischer Internationalismus — 5. Kolonnen in aller Welt. Russlands Bestreben, sich als erster Staat, der den Marxismus in die Tat umzusetzen versucht, unverwundbar zu machen — Chauvinismus hinter Eiser- nem Vorhang. Ein zaristischer Gardeoffizier — ein gehetzter Demokrat. Stalin — ein Zar. Wenn sich Churchill eine Uniform anzieht — der grösste Staatsmann des Jahrhunderts legt den Harnisch an. Wenn sich Stalin eine Uniform anzieht, nachdem fünfzig Nazidivisionen in Russland eingefallen sind — Soldatenspielerei, lächerliche Maskerade. Wenn die Einsatzgruppen der deutschen SS kultivierte Mitteleuropäer aus dem Herzen des Abendlandes, erwiesenermassen über sechs Millionen Männer, Frauen und Kinder der Sowjtzivilbevölkerung erschossen oder an den Bäumen ihrer verwüsteten Dörfer aufgehängt haben — Schwamm drüber. Wenn sich Neofaschisten eine in mehr oder minder guten Treuen abgehal- tene antiöstliche Demonstration zunutze machen, das Fanal zum Bürgerkrieg geben, wenn's dabei Tote gibt, eine Handvoll der Provokateure geschnappt und mit langen Freiheitsstrafen belegt wird — ein barbarischer asiatischer Justizmord. Wenn der Sowjetmilitärgouverneur eine Revision des Urteils anzuregen bereit ist — ein Sohwächezeichen. Tägliche Massenhinrichtungen griechischer Partisanen (die vor vier Jah- ren gegen die Nazi-Okupatoren kämpften), darunter Frauen und Mädchen — Verwaltungsmassnahmen im Zug einer mit 370 Millionen Dollars fundierten Aktion zur Rettung der monarchofn schistischen Demokratie. Wenn in der Ostzone Nazis in ehemaligen KZs interniert werden — ver- brecherische Nazimethoden. Wenn dort Nnzi-Mitläufer pardoniert und zum Wiederaufbau herangezo- gen werden — Opportunismus, der sich an Verbrecher anbiedert. Wenn sich deutsche Mädchen von angelsächsischen Soldaten für eine Zigarette vergewaltigen lassen — deutsche Unmoral auf niedrigstem Stand. Wenn Sowjetsoldaten aus ihrem verwüsteten Land vorbrechen und im Siegestaumel Deutsche vergewaltigen, ohne ihnen eine Zigarette zu stiften — geile Steppenwölfe Wenn Töchter und Schwestern dieser Vergewaltiger zuvor von den Gatten und Brüdern dieser Vergewaltigten nicht nur vergewaltigt, sondern dazu auch ermordet wurden — Ammenmärchen. Goebbelspropaganda — Ist im Tnteresse antibolschewistischer Beweisfüh- rung eingehend und mit Unroreingenommenheit zu rekapitulieren. Hitler — sollten wir dem Mann nicht etwa unrecht getan haben? Roosevelt — posthnm als Fellow Traveller entlarvt. Es wird durch d':e SRPP (Society of Republican Parapsychologists) beantragt, seinen Geist vors Komitee für Unamerikanische Aktivitäten zu zitieren. DAS ANDERE DEUTSCHLAND 11 altbackenen noch ein Stückchen übrig ist". Würgen wir also das ekel- hafte Zeug nochmals hinunter — ein- mal muss der Vorrat an Altbackenem ja zu Ende sein! Unö nun die Münchner Taten, die freilich auch keine Taten von der Art jener sind, die uns weiterhülfen, son- dern nur gleichsam in Wirklichkeit umgesetzte kuriale Phrasen. Die Bay- rische Regierung braucht ein Parla- mentsgebäude, nachdem das alte in der Prannerstrasse dem Luftkrieg zum Opfej. gefallen ist. Man hat sich des- halb entschlossen, das Maximilianeum für diesen Zweck auszubauen. Dieser riesige Flügelbau aus dem vorigen Jahrhundert diente ehedem Zwecken der Krone und ging dann in den Be- sitz einer Stiftung über, die haupt- sächlich Kulturelles im Schilde führte. Im zweiten Weltkrieg teilbeschädigt, beherbergte das Maximilianeum zu- letzt wissenschaftliche Einrichtungen wie den Thesaurus Linguae Latinae und Personen, die der Wissenschaft oder den Künsten dienten, wie etwa Professoren, Maler und Studenten. Nun aber hat es sich der Bayrische Staat, und zwar genauer der Land- tagspräsident Horlacher, über jene alterworbenen Ansprüche hinweg zu- geeignet, um daraus, wie man sich ausdrückte, "das schönste Parlament Europas" zu machen. Wohl nach dem Grundsatz, dass dem schönsten Staat Europas, also diesem Högner- und Ehardbayern, auch das schönste Par. lamentsgebäude gebühre. Das Folgende ist nun ein Briefzitat aus gewissenhafter Feder: "Ich möch- te Sie hier herumführen können im Haus und ihnen zeigen, wie üppig al- les eingerichtet wird, was für schöne Möbel die Vereinigten Werkstätten für diese Josef Filsers*) machen mussten; möchte Ihnen die Mauer zeigen, die siebenmal wieder einge- rissen und an eiQer anderen Stelle aufgerichtet wurde, die 'Klima-Anlage, die 500 Tonnen verzinktes Eisenblech verschlungen hat, etc. etc. Der Land- tag muss repräsentieren, heisst es im- mer, und dabei verstehen sie nicht, dass man doch nur repräsentieren kann, was repräsentabel ist, und dass es wohl einen viel grösseren Eindruck machen würde, wenn sie das zur Dar- stellung brächten, was wir wirklich sind: ein Volk von Bettlern ohne je. de Grösse. Eine Baracke wäre dafür lange gut genug, und man hätte sich darin sogar so benehmen können, dass die Umwelt Respekt empfände. Aber just das kapieren die Josef Fil- sers nicht." Eine Klimaanlage in Bayern! Für den Fall, dass die Josef Filsers schwit- zen, was eben auch in Bayern zur Sommerszeit manchmal vorkommt. Ich möchte wissen, ob auch die Pa- riser Deputiertenkammer oder der schweizer Bundesrat so nobel ausge. stattet ist, und glaube beinahe, dass es da noch bedenklich hapert. In Bay- ern jedenfalls hapert es in ganz an- derer Sphäre, nämlich bei den Flücht, lingen in ihren elenden Barackenla- gern und bei den Arbeitern und sn- *'i Nactt Ludwig Thomas "Filser. Briefen''. (leren kleinen Leuten, deren Kinder — wie die Filsers den Staat — die Ausbreitung der Tuberkulose reprä- sentieren. Bayerns regierende Bon- zen wollen aber unbedingt ihre Grossmäuligkeit im ' schönsten Par. lament Europas" produzieren, und sollte nun in jener anderen Sphäre der Flüchtlinge, der Ausgebombten und der Proletarierkinder Protest dagegen laut werden, so heisst es prompt: "Kommunistische Infiltration", und damit hat die Sachc ihr Bewenden. In Wirklichkeit freilich Ist's Kommu- nistische Urzeugung. XYZ. DAS GESICHT DER ZEIT Stolz lob ich mir den Spanier . Die amerikanische Werbung (um Franco D. R.) begann mit einer Parade prominenter Personen — Se- nator Gurney, James J. Farley, Eric Johnston (neuerdings Herr Lippmann D.R.) —, die nach Madrid kamen, um dem faschistischen Diktator ihre Aufwartung zu machen. Das Staats- Departement leugnete prompt jeden Wechsel in seiner offiziellen Haltung gegenüber Franco; aber der zynische Delegierte Boliviens, Costa du Reis, der 1946 ein Gegner Francos war, aber heute für seine Wiederzulassung in die UN mit Hilfe spezialisierter Agen- turen eintritt, weiss das besser. Er versichert privat seinen latein- amerikanischen Kollegen, dass Franco eine sichere Wette ist. Er hat den Tip von einem massgebenden Mitglied der amerikanischen Delegation erhalten. Ich kann nicht so, wie es sich gebührt, das Missfallen beschreiben, das die offene Umwerbung des Mannes der Hitlers Sieg herbeigefleht hat, durch die Vereinigten Staaten in Kreisen der Un hervorgerufen hat. Washing- ton erstrebt eine schnelle Erledigung des spanischen Problems, die den V. St. die Möglichkeit gibt, die strategische iberische Halbinsel dem westlichen Militärsystem einzufügen. Eine Schwierigkeit dabei ist, dass Franco, nun er sich so umworben sieht, Schwierigkeiten macht. Es wird er- zählt, dass der Diktator bei der Be- sprechung mit Senator Gurney und seinen militärischen Begleitern zehn Minuten lang ganz vergessen habe, sie zum Sitzen aufzufordern. Selbst vom militärischen Standpunkt aus ist die Anbiederung von Senator Gurney falsch, denn es ist einfach phanta- stisch zu glauben, dass das spanische Volk unter der Herrschaft Francos einen Krieg mitmachen könnte." (Alvarcz del Vayo in ,,The Nation") Nochmals: die Wirtschaftslage Fran- co-Spaniens: Im Anschluss an die in unserer vorigen Nummer veröffentlichten landwirtschaftlichen Produktionszif- fern geben wir nachstehend einige An- gaben über Förderleistungen des Erz- bergbaus. Die Zahlen entstammen dem offiziellen ,,Anuario Estadistico Oficial'' der Franco-Regierung: 1935 jetzt Eisenerze 2.815.100 2.199.500 Pyrite 1.455.000 365.000 Kupfer 739.500 147.000 Blei 88.200 45.800 Zink 83.100 59.600 Quecksilber 25.'00 23.800 Hinzugefügt sei noch, dass die Tex- til-Tndustrie Katalonien^ kaum zu 50% arbeitet und die Eisenbahnen, Landstrassen und Brücken noch nicht wesentlich über den Zustand hinaus- gekommen sind, den sie am Ende des Bürgerkrieges aufwiesen. Verlässt die Kirche da» sinkende Schiff? Nach einem Bericht des Madrider Korrespondenten der Londoner „Sun- day Times" erklärte kürzlich Kardi- nal Enrico Pia y Deniel, ErZbischof von Toledo und spanischer Primas, in einer öffentlichen Ansprache, dass "die Kirche Spaniens keine Verant- wortlichkeiten zu übernehmen wün- sche, die der weltlichen Autorität zu- kommen". Ausserdem betete er für den Aufbau eines fortschrittlichen Staates. Der Bericht weist ferner darauf hin, dass man in gewissen Kreisen der spanischen Kirche in im- mer stärkerem Masse Befürchtungen wegen der Folgen einer „unnötig ver- längerten Identifizierung der spani- schen Kirche mit dem Franco-Regime" hege. Kleine Menatschronik ans Griechen-, land Die Hinrichtungen der „Banditen" am laufenden Band gehen weiter. Empört haben Regierung und. Par- lament die unerhörte . Einmischung" des australischen UN-Vertreters Ewatt zurückgewiesen, der gegen die Hinrichtung von Gexverkscn af tsfüh- rern ausgetreten ist. Ein Abgeordneter, der sich des gleichen Verbrechens schuldig ge- macht hatte, wurde von den helden- mütigen Erben der Thermopylenkämp- fer mit Gewalt aus dem entweihten Parlament hinausgeworfen. Ein Athener, der verhaftet worden war, weil er Kommunisten zur Flucht verholfen hatte, hat sieh die Zunge abgebissteil, aiv; Furcht, auf der Fol- ter etwas zu verraten. Aber die Po- lizei hat erklärt, sie werde ihn xzhvn zum Geständnis zwingen. General Markos hat im Namen der provisorischen demokratischen Regie- rung ein Memorandum an die UN ge- richtet, in dem er verlangt, dass ein Vertreter seiner Regierung gehört werde. In dem Memorandum heisst es: ,, Während wir den Gefangenen die Wahl freistellen, ob sie im Freien Griechenland bleiben oder in ihr Heim zurückkehren wollen (wahrscheinlich, weil sie dort die Lügen über die „Ban- diten'' am besten zerstören können. D. Red.X setzt man in Athen Prämien auf die Köpfe unserer Krieger und gibt nur denen Pardon, die sich erge- ben, indem sie den abgeschnittenen Kopf eines Kameraden überbringen". Neben Franrospanien ist Griechen- land immer mehr -zum Mass tob der Beurteilung geworden. Für das, was dort seit Jahren an Greueln geschieht, tragen die Vereinigten Staaten, aber auch die UN, die Verantwortung. DAS ANDBRI DCUTSCHIAND Aus Oesterreich- Nationalrat Erwin Scharf ans der 8. P. Oe. ausgeschlossen Erwin Scharf hatte starkes Miss- fallen erregt, weil er im "Kämpfer" Ar- tikel veröffentlicht hatte, die dem Parteivorstand als zu Kommunisten- freundlich erschienen, bzw., weil er die einseitige Fronteinstellung gegen die Kommunisten kritisiert hatte. Scharf hat dann ein Broschüre veröffentlicht unter dem Titel „Warum ich nicht schweigen kann". Die Broschüre geht uns zu, ist uns aber zur Zeit nicht bekannt. Seitens der S. P. Oe. ist Scharf daraufhin als , .kommunisti- scher Agent" bezeichnet worden, der ausgeschlossen werden müsse. Die Parteileitung ist der Meinung, dass der Ausschluss Scharfs keine weiteren Folgen haben werde, während nach anderen Nachrichten Scharf versu- chen will, eine eigene Partei zu grün- den. Ernst Fischer, der Vorsitzende der K. P. Oe. hat wegen seiner zu nationalen Hal- tung ebenso wie Tito in Jugoslawien und Gromulka in Polen, Missfallen er- regt. Aus Moskaü ist der österreichi- sche KomYnunist Leopold Hornik nach Wien geschickt worden, um nach dem Rechten zu sehen. Fischer hat, wie berichtet wird, seinen Irrtum einge- sehen und verbleibt in der Führung der Partei. Begabung und Vererbung Im Gegensatz zum Seelenleben der Tiere, c as — nach Ausführungen Prof. Dr.« Smirnows (Moskau) im Kultur- bund für die demokratische Erneue- rung Deutschlands — von biologischen Faktoren bestimmt werde, sei das See- lenleben des Menschen von seinen ge- sellschaftlich-historischen Bedingun- gen abhängig. Seine höchste Form sei das Bewusstsein. Eine bedeutende Rolle in der sowjetischen Psychologie spiele das Problem der Begabung. An- geboren seien nur einige anatomisch- psychologische Merkmale, die Fähig- keiten dagegen seien immer das Er- gebnis einer Entwiklung. die unter bestimmten gesellschaftlchen Bedin- gungen vor sich gehe. Die soziale Un- gleichheit sei nicht durch die Un- gleichheit der Begabungen bedingt, sondern die Unmöglichkeit, Fähigkei- ten entwickeln zu können, beruhe auf der durch die kapitalistische Gesell- schaft herbei geführten sozialen und wirtschaftlichen Ungleichheit der Menschen. Prlrzipien der Scwjetwissenschaft In einem Vortrag in Göttingen sag- te Professor Ashby-Manchester: Der Glaube an die Einheit alles Wissens, der Glaube an die allum- fassende Wirksamkeit der naturwis- senschaftlichen Methode, der Glaube an den ewigen Kampf zwischen dem .Mensrhen und seiner Umwelt; der Glaube, dass die Natur durch ver- einigte Kräfte bezwungen werden kann; und der Glaube, dass alle For- schung in einem einzigen philosophi- schen System eingeschlossen werden muss; das ist das Credo des konven- tionellen Sowjetwissenschaftlers. Das verleiht der Wissenschaft ihren ein- zigartigen Platz in der Sowjet-Volks- gemeinschaft und stellt die gute Ver- bindung zwischen Theorie und Praxis her. Das ist es auch, was das Niveau der wissenschaftlichen Forschung bestimmt. Beschuldigungen gegen die UNRRA Günther Reinhardt, ein Kontroll- beamter des amerikanischen Abwehr- dienstes, der von einer Eurcpareise zurückkehrte, erklärte, das Personal der Unrra in Europa sei mit wenigen Ausnahmen ein ,,Konglomerat von Abenteurern, Betrügern und Schie- bern jeder Nationalität". Auch die Vereinigten Staaten seien' in dieser „gemischten Gesellschaft" vertreten. Auf die Amerikahilfe für Deutschland bezugnehmend, sagte Reinhardt, die Schuld daran, dass bei der Verwen- dung dieser Zuwsisungen in Ueberseo etwas ganz erheblich schief gegangen sei, trügen die verantwortlichen Bs- hörden in Washington. Aus den von Amerika gelieferten Nahrungsmitteln flössen zwanzig Prozent schon durch mysteriöse Kanäle ab, bevor diese Wa- ren überhaupt die deutschen Lager- häuser erreichten. Wenig Unterschied «wischen den eng- lischen Konservativen und der Arbei- terpartei? Die katholische Pressekorrespon- denz CIP meint in einer Besprechung der Parteitage der beiden englischen Hauptparteien; „Unabhängige Beobachter, welche den kürzlichen Parteitag der Arbei- terpartei in Margate mit dem konser- vativen Parteitag vergleichen, sind zu dem Schluss gekommen, dass es heute nur geringe Unterschiede in den Grundsätzen der beiden Parteien gibt. Allerdings gibt es eine gewisse Diffe- renz in der praktischen Politik." Britischer Uhrenrekord Die britische Uhrenproduktion, die vor dem Kriege rd. 70.000 Stück mo- natlich betrug, 1945 aber auf 23 400 Stück zurückgegangen war, hat heute wieder einen Stand von 30 000 Stück im Monat erreicht. Davon sind etwa 19 000 Taschen- und Armbanduhren. Während vor dem Kriege monatlich nur rd. 4500 Uhren im Werte von 8637 exportiert wurden, stellte sich die Ausfuhr im März d. J. auf 64579 Stück im Werte von 159 331 £. Seit Kriegsende ist die britische Industrie vor allem um die Ausweitung der Pro- duktion und des Exports von Wek- kern, Taschen- und Armbanduhren bemüht. Die Weckerproduktion hat Über 2 Mi 11. Stück jährlich erreicht; angestrebt wird eine Verdreifachung der Erzeugung. (Exportdienst, Düsseldorf) Uebermass dt» Blödsinns Wenn die Vereinigten Staaten schleunigst eine weitere Milliarde Dol- lars in China investieren und so vie- le Bombenflugzeuge liefern, dass Tschiangkaischek alle Bahnlinien und Strassen Chinas damit völlig beherr- schen kann, so meint ein Tokioter Korrespondent der UP, sei es doch noch möglich den Sieg der Kommu- nisten zu verhindern. Nach der Er- ledigung der kommunistischen „Re- bellion" könne dann erfolgreich unter massgebender Leitung eines Vertre- ters der V. St. der Ökonomische Auf- bau Chinas beginnen. Schon dass ein Korrespondent sol- chen Blödsinn von sich gibt, ist er- staunlich. Dass ein Blatt wie die „Prensa" «o etwas bringt, ist noch er- staunlicher. Allerdings meinte die gleiche Zei- tung auch, der Streik der 8 Millionen deutschen Arbeiter habe im Westsek- tor von Berlin stattgefunden. ERICHTE AUS DEUTSCHLAND Zu den Berliner Unruhen schreiben die "Nürnberger Nachrichten": Anlässlich einer antikommunistischen Demonstration kam es zu Blutvergies- sen. Stein würfe gegen russische Mi- litärpclizei und die Herabholung der russischen Fahne vom Brandenburger Ter durch eine liandvoll halbwüchsi- ger Verwegener, sind nicht notwendig heldische Akte und weniger beifalls- würdig, als es allenthalben offen oder heimlich geschehen ist. (Leider vor allem in der sozd. Presse, soweit wir sie hier erhalten. D. Red.). Die hin- sichtlich einer etwaigen prokommuni- stischen Haltung über allen Verdacht erhabene Schweizer Zeitung "Die Tat" »:hrieb dazu; "Nichtsdestoweniger müssen die Ausschreitungen in Berlin bedenklich stimmen. Zunächst deshalb, weil ein antikommunistischer Mob nicht viel sympathischer wirkt als ein kommuni- stischer und unprovozierte Steinwür- fe uns auch dann kein demokratisches Kampfmittel scheinen, wenn sie auf Anhänger der Diktatur niederpras- seln. Dann darum, weil solche Me- thoden sehr leicht den Russen einen Vorwand zur Verschärfung des Ter- rors im Sowjetsektor liefern können — und schliesslich darum, weil von dieser Welle der Gewalttätigkeit . . . allerhand Elemente an die Oberfläche geschwemmt werden, die mit dem de- mokratischen Freiheitskampf der Berliner Bevölkerung sehr wenig und mit den SA-Methoden der braunen Kolonnen allerhand zu tun haben." SPD und WN Der Parteitag der SPD hat von al- len Mitgliedern der Partei unter Stra- fe des Ausschlusses den Austritt aus der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes verlangt. Ueber die Wir- kung les'jn wir in den "Nürnberger Nachrichten" folgendes: "Der Beschluss des Düsseldorfer SPD-Parteitages, durch den alle So- zialdemokraten aufgefordert werden, die WN zu verlassen, hat in Süd- deutschland Befremden und Verlegen- heit ausgelöst. Der Landesvorsitzende der bayerischen WN, Dr. Ludwig Schmitt, bezeichnete die Düsseldorfer O A> MNOtRI DIU 1 SCHIAN Entscheidung als "einen Rückfall in zentralistische Gewohnheiten", den er tief bedauere. Die stärkste Gruppe der bayerischen WN sähe sich da- mit vor eine Gewissensfrage gestellt, die jeder einzelne für sich zu beant- worten habe. Wenn der sozialdemo- kratische Beschluss Irgendwo im Nor- den berechtigt erscheinen möge, in Bayern sei er es ohne jeden Zweifel nicht. Die Unabhängigkeit und Un- parteilichkeit der bayerischen WN werde durch den Düsseldorfer Schritt nicht berührt. Ministerialrat Dr. Herbert Engler vom hessischen Arbeitsministerium erklärte der "Neuen Zeitung", die SPD-Mitglieder der hessischen VVN seien durch den Beschluss der Par- teitages in eine, schwierige Situation gebracht worden. Vor die Alternative; Partei oder WN gestellt, würden sich nach seiner Ansicht die meisten für die Partei entscheiden. Allerdings sei damit die Frage aufgeworfen, wel- che Stelle in Zukunft die Interessen der politisch Verfolgten in Hessen vertreten werde." Die "Frankfurter Nachrichten" be- schäftigen sich mit der gleichen An- gelegenheit in einem Leitartikel, der mit folgenden Worten beginnt: "Der Beschluss des Parteivorstan- des der Sozialdemokratischen Partei", wonach die Mitgliedschaft bei der SPD unvereinbar sei mit der Zugehö- rigkeit zu der WN (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes) hat sei- nerzeit nicht zu Unrecht beträchtli- ches Aufsehen erregt. Dass dieser Beschluss nach langer Vorarbeit nun- mehr am Düsseldorfer Parteitag der SPD von den Delegierten sanktioniert wurde, ändert nichts an der Tatsa- che, dass der vorstand einer immer- hin demokratischen Partei einer Rei- he von Mitgliedern, die zu den quali- fiziertesten gehören, von oben herab eine Disziplin auferlegt. Eine Diszi- plin, die man nach bewährter deut- scher Sitte am besten mit "Zucht" anstatt mit Ordnung übersetzt. Und darum hat dieser Vorfall und die Dis- kussion darüber über den Parteirah- men hinaus eine grundsätzliche Be- deutung, deren Schwergewicht darin liegt, dass die Parteien in Deutsch- land unter anderem die Aufgabe ha- ben, ihr eigenes Parteivolk, und ge- meinsam die übrige Staatsbürger- schaft, durch Selbstverantwortung zu Einsicht und freiwiliger Ordnung zu erziehen." Die SPD, zu mindesten ihr Partei- vorstand und die Parteibürokratie, hat nichts gelernt. Es herscht die gleiche engstirnige Unduldsamkeit und Ueberheblichkeit. Wir erhielten Briefe treuer Genossen, die unter der Hitlerdiktatur gekämpft und gelitten haben, die darüber klagen, dass die Opposition gegen die offizielle Partei- linie systematisch unterdrückt wird, und dass sie in ihrer Opposition, die nicht Fühlung zur KP sucht, sehr vor- sichtig sein müssen, damit sie nicht ausgeschlossen werden. Augenscheinlich ist diese Befürch- tung nur allzu berechtigt. In der Wei- marer Republik wurden die Mitglie- der des ISK ausgeschlossen, deren D Vorsitzender nach Nelsons Tode das heutige Vorstandsmitglied Willi Eich- ler war, angeblich weil sie die mar- xistischen Grundlagen der SPD be- kämpften, in Wahrheit, weil sie zu links waren; wurde die Zugehörigkeit zur Deutschen ( Friedensgesellschaft verboten, weil diese die Militär- und Aussenpolitik der SPD bekämpfte; wurde der linken Opposition in dem Moment ihr eigenes Organ verboten, als ihr Anhang in der Partei in be- drohlichem Masse anwuchs, ein Vor- gehen, das dann zur Gründung der SAP führte. Die SPD war auch die einzige Partei, deren Reichstagsfrak- tion ihren Mitgliedern grundsätzlich verbot, bei Reden einer anderen Par- tei im Sitzungssaal zu bleiben. Na- türlich handelte es sich um die KP, deren Redner man nicht hören durfte. Wir wissen, dass Warnungen bei Parteiapparatlern ä la Ollenhauer völlig vergebens sind. Die SPD wird die unausbleiblichen Folgen ihrer er- neuerten alten Fehler,zu tragen ha- ben. Gestern und "heute Der Vorstand der SPD am 28.1.1934: In diesem Kampfe wird die Sozial- demokratische Partei eine Front aller antifaschistischen Schichten anstre- ben . . . Wir haben den Weg, wir ha- ben das Ziel des Kampfes gezeigt. Die Differenzen in der Arbeiterbewegung werden vom Gegner selbst ausge- löscht. Die Gründe der Spaltung wer- den nichtig. Der Kampf zum Sturz der Diktatur kann nicht anders als revolutionär geführt werden. Ob So- zialdemokrat, ob Kommunist, ob An- hänger der zahllosen Splittergruppen, der Feind der Diktatur wird im Kampf durch die Bedingungen des Kampfes selbst der gleiche sozialisti- sche Revolutionär. Die Einigung der Arbeiterklasse wird zum Zwang, den die Geschichte selbst auferlegt." Frahz Neumann auf dem Parteitag der SPD am 12.8.1948: „Wo die Kommunisten herrschen, da ist Terror, Unterdrückung, Hoff- nungslosigkeit, da wird in verstärk- tem Umfange das getan, was die Na- zis von 1988 bis 1945 getan haben. Die Konzentrationsilager sind die„gleichen geblieben, nur hängt heute Hammer und Sichel, wo einst das Hakenkreuz war. Wir Sozialdemokraten aber sind heute, drei Jahre nach Beendigung der Kampfhandlungen, aus einem Teil Deutschlands verbannt. Wir haben un- ter unseren Grossvätern das Soziali- stengesetz von 1878 bis 1890 überstan- den, wir haben Adolf Hitler von 1933 bis 1945 überstanden, wir überstehen auch die Bolschewisten! Wir rufen in dieser feierlichen Stunde die Ost- zone, wir rufen den achtzehn Millio- nen Opfern des Terrors zu: Deutsch- land vergisst euch nicht! Wir kom- men wieder!" Goebbels in seinem Buch "Kommunismus ohne Maske": "Hier darf es kein Paktieren geben, denn die Gefahr, die Europa von Russ- land droht, ist akut und kann über Nacht als furchtbarstes Weltunglück 1« über alle zivilisierten Nationen herein- brechen.'" Ernst Reuter im "Sozialdemokrat" 15. 8. 1948: "Die Zeit; des Paktierens geht zu Ende. Keine Ruhe, kein Frieden, kein Aufbau, keine Sicherheit ist für ir- gendjemand gegeben, solange diese furchtbare Gefahr (gemeint ist die Sowjetunion) über unser aller Häup- ter schwebt." zu: Berichte aus Deutschland Apparatdiktatur in der KPD und ihre Folgen Uns wird folgender Brief eines al- ten KP-Genossen aus Bocholt zuge- sandt: Gestern ist ein Ding hier Kassiert, dass ich Dir unbedingt mitteilen muss. Schon seit langem haben wir gegen einen Kriegsverbrecher inner- halb der Partei Stellung genommen. Der durch einwandfreie Zeugen überführt worden war und dieses auch selbst zugegeben hat, dass er als Vor- arbeiter während des Krieges in Marl im Dienste des Naziregimes russische Kriegsgefangene und holländische Ar- beiter blutig geschlagen und sie auch sonst nach allen Regeln der Kunst schikaniert hat. Das Kreisschiedsge- richt hatte ihn vor 3 Monaten einstim- mig aus der Partei ausgeschlossen und nun hat das Bezirksschiedsgericht in Münster gestern den Fall von neuem aufgerollt und auf Drängen der Be- zirksleitung den Kriegsverbrecher für tragbar erklärt. Also ist ein Kriegs- verbrecher in der KP tragbar, dann ist aber die KP nicht .mehr für ehr- liche Arbeiter tragbar. Man hat von Seiten der B.L. erklärt: "Das wäre die Schmitzklique die mit allen Mit- teln die Sache inszeniere und die Par- tei schädigen wolle. Es sind auf Grund der gestrigen Vorkommnisse alle alten Genossen aus der KPD aus- getreten, so dass es hier nun an der Zeit ist, die Ausgetretenen zusammen zu fassen. Otto war heute Morgen bei mir und wir haben beschlossen, hier etwas zu unternehmen, um die guten Genossen nicht versacken zu lassen, wir wollen eine Zusammenkunft in den nächsten Tagen durchführen, wo der Aufbau oder die Gründung einer Oppositions- gruppe auf der Tagesordnung steht, Es mag im allgemeinen wohl noch et- was verfrüht sein, hier aber ist es notwendig. Schreibe doch mal sofort, wie Du Dich dazu stellst und ob die Möglichkeit vorhanden ist, denn wir möchten eine neue Gruippe "Unab- hängige Sozialisten" nennen ... In Coesfeld steht es genau so wie tin Bochholt, denn auch dort hat die Par- tei tatsächlich aufgehört zu bestehen. Stimmen der Jugend Wir sind enttäuscht über die Un- wahrheit der uns gelehrten Ideale, und wir fühlen uns verraten von de- nen, die behaupten, alles nur für uns zu tun. Zu wem sollen wir Vertrauen haben? Zu den Versagern, die heu- te bankrott sind? Und doch! Wie sind sie ohne Rast und Ruh, wie ar. DAS ANDERE DEUTSCHLAND beiten «i« angestrengt, wie sind sie noch begehrt! Was sind sie für Ka- pazitäten, was für einzigartige Fach- kräfte, was für Könner. Otto Grass, Göttinger Univ.-Zeitung. Gehört der Jagend die Welt? Jedem Betrachter fällt auf, dass die Gegenwart nur trostlose Chancen für die jungen Menschen bietet. Die aufgezählten Vorrechte der Jugend finden scheinbar nirgendwo eine gute und hoffnungsreiche Einordnung. Die Altersstufen, die durch den Krieg fast völlig ausgerottet sind, so, als sei über sie die Pest hinweggegangen, be- finden sich heute, soweit sie als de. aimierte Reste heimgekehrt sind, in einem zähen und hoffnungslosen Kampf mit den Alltagsnöten. ^Zick-Zack, Pyrmont) Jugend In der Ostzone Wir dürfen nicht vergessen, dass ter Zahl in den Dienst der neuen Sa- che gestellt hat, dass die Arbeiter- schaft bemüht ist, den ihr zukommen- den privilegierten Platz in der neuen Gesellschaft durch vermehrte An- ale Jugend fler Ostzone sich in gros- strengung auszufüllen, und dass die Posten "Gesundheitswesen, Sozialfür- sorge und Volksbildung" grösser sind als ir irgendeinem westeuropäischen Gebiet. (Benjami, Hamburg) Tischgespräch in München Während eines Mittagessens in der Mensa kam ich mit meinen Tisch- nachbarn ins Gespräch. Ich fragte sie. was sie zu tun gedächten, um weiter studieren zu können. Sie sagten, sie wollten in die Ostzone, wo sie Ver- walte hätten. Ich fragte, ob sie nicht Furcht davor hätten, an einer Hochschule im Osten ihr Studium fortzuführen . . . „Machen Sie sich keine Sorgen", meinte der eine. "Man kannnor einem Herrn dienen. Hier geht es nicht weiter, also gehen wir rüber, weil wir rüber gehen müssen. Wir treten drüben in die SED ein und studieren weiter". (Theodor Neere - Göttinger Univ.-Z.) Jegend und Parteien Zu diesem Thema schreiben die ' "Frankfurter Nachrichten": "Der luftleere Raum, in dem die deutschen politischen Parteien seit ihrer Gründung bzw. Neugründung im Jahre 18*5 schweben, ist heute nach drei Jahren noch immer nicht durch den belebenden Hauch des öffenlichen Vertrauens wesentlich angefüllt wer- den. Die mangelnde Resonanz steht oft im umgekehrten Verhältnis zu der Bedeutung, die sie nach aussen hin haben müsse; denn ohne Zweifel ist der Entschluss vieler Wähler, dieser oder jener Partei ihre Stimme zu ge- ben, mehr Notlösung als echte Zu- stimmung zu den Zielen und der Ar- beit der gewählten Partei. Dieser Zu- stand ist, um so bedauerlicher, als je- dem, für den die Demokratie mehr als nur Form bedeutet, gerade die un- umgängliche Notwendigkeit eines gut fundierten und aktiven Parteienlebens ersichtlich ist. Die allgemein verbreitete und von verständigen Parteiführern auch nicht bestrittene Apathie, das Miss- trauen den heute bestehenden Partei- en gegenüber, ist vor allem bei jun- gen Menschen am ausgeprägtesten. Die Gründe dafür? Nun, einmal hat- te die Jugend bei der überstürzten Neugründung der Parteien in Deutsch- land kaum Anteil an ihrem Aufbau, so dass sie diese als fremd und un- verständlich zu betrachten geneigt ist, zum andern kann sie aus Unkenntnis dessen, was Demokratie eigentlich ist, die Bedeutung von Diskussion und geistiger Auseinandersetzung für die- se Staatsform gaum erkennen. Es kommt hinzu, dass die Jugend in ih- rer durch trübe Erfahrung erworbe- nen Skepsis fürchtet, erneut falsch beraten oder missbraucht zu werden. Die Musik der von manchen eifrigen Parteipolitikern aus staubigen Winkeln hervorgezerrten ideologischen Drehor- geln ist nicht gerade wohlklingender geworden und infolgedessen auch nicht sehr geeignet, diese Skepsis zu beseitigen. Die Tatsache ist nicht zu übersehen, dass man alteuoft in den Parteien dort weiterzuspielen ver- sucht, wo man vor fünfzehn Jahren aufgehört hat, und sich den Lorbeer- kranz der Tradition und zurücklie- gender Erfolge um die ßtirn windet, ohne zu merken, dass er schon längst vergilbt und vertrocknet ist, ja, dass die innere Ratlosigkeit dieser Partei- en sie im steigenden Masse nur noch gegen etwas kämpfen, anstatt für etwas arbeiten lässt. Ist zum Bei- spiel eine Partei deswegen noch un- bedingt fortschrittlich zu nennen, weil sie einmal revolutionär war? Ist eine andere deswegen schon modern, weil sie alte Ideen im modernen Gewand präsentiert? Man vergisst zu leicht, dass die Demokratie, die in gleichem Masse eine Lebensform wie eine poli- tische sein sollte, bei aller selbstver- ständlichen Erhaltung ihrer Grund- prinzipien, wie Freiheit der Persön- lichkeit, Mitbestimmungsrecht des Staatsbürgers und Freiheit der Mei- nungsäusserung, nur in der ständigen Kritik, im dauernden Kompromiss, das heisst also nur im andauernden Wandel und Wachstum leben kann. Da aller Wandel und alles Wachstum naturgemäss in starkem Masse Sache der Jugend sind, wie kann eine De- mokratie ohne sie bestehen?" Aus Bayern Die Not der Flüchtlinge In der 87. Sitzung des bayerischen Landtages kam es wie fast in jeder der letzten Sitzungen erneut zu stürmischen Debatten, die bei der Be- handlung des Flüchtlingsproblems un- ter tumultartigen Szenen zum Aus- marsch fast der gesamten CSU-Frak- tion führte, als der SPD-Abgeordnete Karl Weidner erklärte: "Ich möchte wohl wissen, was in einem Flüchtling vorgeht, der aus den Elendsquartie- ren von Dachau und Allach nach München kommt, und die vielen neu- erstehenden Kultur- und insbesonde- re Kirchenbauten sieht. Unter lauten Protestrufen der den Saal verlassen- den C$U-Abgeordneten rief Weidner; "Zuerst der Mensch; dann Gotteshäu- ser." Er vertrat den Standpunkt, dass der Gottesdienst zur Not auch im Freien abgehalten werden kann. Men- schen dagegen könne man nicht schutzlos dem Wetter preisgeben. In dem masslos überbelegten Kreis Sulz- bach-Rosenberg wolle man jetzt ein Schloss von Flüchtlingen räumen, um 60 Flüchtlings-Klosterschwestern un- terzubringen. Die vom Finanzminister ausgehende Weisung auf Räumung des Schlosses zur Einrichtung eines Klosters habe jedoch unter den Flüchtlingen grosse Empörung ausge- löst. Ein Hohn auf die Zivilisation sei das Lager Dachau, aber nicht nur dieses. "Gehen Sie hinaus und sehen Sie sich alles mit eigenen Augen an!" Eine Uebertreibung über Dachau sei einfach unmöglich. Protestkundgebung der Körperbeschä- digten, Sozialrentner und Hinterblie- benen Eine erregte Kundgebung veranstal- tete nach einem Protestmarsch durch Starnberg der Kreisverband der Kör- perbeschädigten, Sozialrentner und Hinterbliebenen, in deren Verlauf der Vorsitzende Wienen die Forderungen der Kriegsopfer in einer Resolution an die Regierung zusammenfasste. Mitgefühlte Spruchtafeln, wie "Unser Elend schreit zum Himmel!" wiesen auf die Lebensbedingungen der Dop- pel-Beinamputierten auf Rollbrettern, der Blinden und Schwerversehrten mit grauenhaften Gesichtsverstüm- melungen hin, die sich im Protestzug mitbewegten. Seit der Verabschiedung des KB- Leistungsgesetzes hofften diese Aerm- sten der Armen, so betonte der Red- ner, vergeblich auf Einlösung der Ver- sprechungen seitens der Regierungs- partei. Sie befänden sich in verzwei- felter Notlage und viele von ihnen sei- en bereits zum Selbstmord getrieben worden. Für die "Sabotage" des Ge- setzes müssten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. So- fortige Freigabe der Landesversfche- rungsanstalt, rascheste Auszahlung einer Vorschussrente, Bereitstellung von Siedlungsland und bevorzugte Be- handlung beim künftigen Lastenaus- gleich — das waren einige der Punkte der in der Resolution fixierten Min- destforderungen, bei deren Nichter- Ölung binnen acht Tagen der Rücktritt der Regierung verlangt und ausserdem ein Protestmarsch in die Landeshauptstadt angekündigt wurde. Man vergleiche mit diesen Berich- ten, was in dieser Nr. über den Um- bau des Münchener Maximilianeums zu einem Prachtbau für das bayeri- sche Parlament steht.' Der Parteitag der CDU Die katholische Pressekorrespon- denz OIP stellt fest, dass auf dem Parteitag der CDU in Recklinghausen eine grössere Einigkeit herrschte als je zuvor. Konrad Adenauer, der einstimmig wiederum zum Präsidenten gewählt wurde, hr.be den Charakter der Par- tei mit folgenden Worten definiert: "Wir sind eine politische Partei mit christlichen Grundsätzen. Unser Ziel ist der politische Wiederaufbau DAS ANDERE DEUTSCHLAND 17 Deutschlands auf den Grundlagen der westlichen christlichen Kultur." Adenauer habe den "Kollektivismus in jeglicher Form" verworfen. Jede Staatskontrolle sei nicht nur vom rechten, sondern auch vom linken Flügel der Partei abgelehnt worden... Gegenüber dem Versuch der Sozialde- mokraten und Kommunisten, die Na- tionalisierung der Ruhrbergwerke durchzusetzen, müsse die CDU ein kla- res Programm ausarbeiten, das sowohl sowohl eine übertriebene Macht von Personen, wie der Regierung verhin- dere und das Gemeinwohl ebenso wie Uns wurde der folgend© Ori- Srlnalbericht 'zugeschickt, der ei- nige Zeit zurückliegt, aber we- gen seines Strebens nach Objek- tivität noch immer von Interesse ist. jii der Bizone wird von den Mitglie- dern der KPD immer wieder betont, dass die Ernährung in der Ostzone besser sei als in den anderen Zonen Deutschlands. Ich habe Vergleiche an- gestellt und kann nur sagen, dass es in dieser Beziehung genau so schlecht steht, wie in den anderen Zonen. Die Einteilung in 5 Gruppen schafft einem Teil der Bevölkerung Vorteile auf Ko- sten des anderen Teiles, der sich auch durchhungert. Bekamen die „Führer" des Nazireiches Diplomatenverpfle- gungssätze, so bekommen Minister und andere höhere Beamte der Ostone ebenfalls eine bessere Verpflegung. Man sagt im russischen Sektor, dass das in den Westzonen auch geschieht, nur dürfe es die Bevölkerung nicht er- fahren, während das in der Ostzone bekannt gemacht ist. Zur besseren Ver~ pflegung bekommen die hohen Funk- tionäre noch jeden Monat ein Stalin- paket im Gewichte von 25 bis 30 Pfund. Zu der Gruppe der Sonderverpfleg- ten-gehören auch die russischen Zivi- len und der Anhang der Besatzung. Auch sie werden aus den Beständen, die für die deutsche Zivilbevölkerung vorgesehen sind, verpflegt. Es gibt da in der Woche für die Sonderverpfleg- ten ein Pfund Butter in der Woche, ein Liter Vollmilch, Fleisch, Nährmittel und Kartoffeln in ausreichenden Men- gen. Neben der Oberschicht werden Verfolgte des Naziregimes und die Schwerarbeiter besser verpflegt. Sie erhalten die Karten der Gruppe 2 (Doris Dauber schrieb uns, dass sie als Opfer des Naziregimes zu Gruppe 1 gehört. D. R.) und dazu in den Betrie- ben ein gutes Essen, für das ihnen keine Marken abgefordert werden. Auch ein Stalinpaket wird auch ihnen dann und wann ausgehändigt. Unge- nügend ist die Ernährung für die Ju- gendlichen und für die Kinder, Die Frauen in den Betrieben erhal- ten den gleichen Lohn wie die Män- ner, auch sie erhalten die Verpflegung im Betrieb. Die werktätigen Frauen erhalten die Verpflegung der Gruppe 3, aus der auch di übrigen Arbeiter verpflegt werden. Die anderen Haus- frauen erhalten die Verpflegung der Gruppe 4. Auch Angestellte erhalten diese Verpflegung, während die Intel- lektuellen in die Sonderverpflegung eingereiht sind oder die Sehwerstarbei- terverpflegung erhalten. Im Gegensatz Sur Bizone hat die Bevölkerunz Kar- den Anreiz für die Privatinitiative si- chere. CIP stellt mit Genugtuung fest, dass die CDU im Bonner Parlamenta- rischen Rat, der über die Verfassung berät, die Mehrheit habe. Nationalhymne für das Saaryebiet Die saarländische Regierung- hat ei- nen Wettbewerb für eine saarländi- sche Nationalhymne ausgeschrieben. Für Text und Musik sind zwanzigtau- send Francs ausgesetzt worden. Dazu schreibt die sozd. Rheinische Zeitung: toffeln eingekellert und zwar haben di Gruppen 280 bis 350 Pfund Einkeile- rungskartoffeln erhalten. Die Russen und die politischen Führer erhalten ein besseres Brot als die übrige Bevölke- rung. Grosse Mengen Schnaps werden in der Ostzone verkonsumiert. Koste- te er bisher 48.— RM je Lter, so ist aber der neue Preis auf 78.40 RM fest- gesetzt. Ein schwarzer Markt ist, wie auch in den anderen Zonen, vorhan- den. Die Preise sind allerdings nicht so hoch, wie in der Bizone. So kostet eine Zigarette auf dem schwarzen Markt 1 RM bis 1.2& RM, während sie in der Bizone 2.50 bis 3.— RM kostet. Auch Tausch- und Kompensationsge- schäfte werden in der Ostzone getätigt. Damenstrümpfe und Schuhe kann man auf dem schwarzen Markt erwer- ben. Die Weissenfelser Schuhfabriken sind für den russischen Markt tätig und müssen monatlich 60.000 Paar Schuhe abliefern. Neuerdings haben sich russische Tauschgeschäfte pla- ziert. In ihnen kann man abgeben, was man nicht mehr benötigt, und kann sofort Lebensmittel dafür erhal- ten. Die Macht des Grosskapitals Ist in der Ostzone gebrochen. Neben landes- eigenen Betrieben oder Betriebe der SMA (Sowjet Militär Administration) sind nur noch wenige Privatbetriebe vorhanden. Die Bodenreform ist restlos in der Sepzone durchgeführt. Diese Mass- nahme wird von der Bevölkerung gut geheissen. Neubauern wurden einge- setzt. Bei Nichtbewährung- müssen sie den Hof, den sie erhalten haben, wie- der verlassen. Bauern, die nicht mehr Land als 100 Hektar hatten, durften ihren Besitz behalten. Den Neubauern wird das Material zur Bebauung ihres Landes zur Verfügung gestellt, auch Baumaterial erhalten sie. jedoch müs- sen sie sich ihre Häuser selbst bauen. Bauern aus Sachsen, die den Neubau- ern aus Brandenburg Vieh leihweise tiberlassen, dürfen grössere Mengen Korn und Kartoffeln für sich behalten. Auf dem Gebiete der Kultur und der Erziehung wird sehr viel getan. Junge Leute werden in Schnellkursen ausgebildet und als Lehrer eingestellt. Alle Lehrer, die Nazis waren, wurden abgesetzt. Das Arbeiterbildungswesen wird sehr stark gefördert. Der Verwaltungsapparat befindet sich fast ganz in den Händen sie:.' SEP. Zumeist sind es ehemalige KPDistcn, die sich in den hohen Ver- waltungsstellen befinden. Spricht man mit Arbeitern aus den Betriebe«, so ' Wir schlagen für diese National- hymne, die zweifellos einem dringen- den Bedürfnis der saarii; ndiscl:3n Be- völkerung abhelfen soll, folgenden Text vor: "Ich kann nicht treu sein, nein, nein, das kann ich ni*ht. : Einst liebte ich Deutschland und Frank- reich nicht. j.DoCh heute hat Frank- reich in meinem Herzen Platz, ! Ade. armes Deutschland, bist nicht mehr mein Schatz." Nur die Kommunisten haben sei- nerzeit gegen die Angliederung des Saargebiets an Frankreich gestimmt. Ostzone härt man immer wieder, dass sie mehr zum Essen haben wollen und ihre Mei- nung frei äussern wollen. Man fürch- tet sich vor der Besatzungsmacht und schweigt zu vielen Dingen, die man doch heimlich kritisiert. Ich sprach mit ehemaligen Sozialdemokraten und stellte fest, dass sie es bedauern, den Schritt zur SEP gemacht zu haben. Nach aussen hin geben sich diese Ar- beiter aber mit allem zufrieden. Sie erklären, dass in der Ostzone ein deut- scher Staat nach russischem Muster aufgebaut werde. Der deutsche Arbei- ter hat lange genug schweigen müssen und will zu allen Dingen seine Mei- nung zum Ausdruck bringen. Jedoch wollen diese Arbeiter mit den Flücht- lingen, die in die Bizone geflohen sind, nichts zu tun haben. Es sind zu- meist Verbrecher, Faulenzer oder Schieber, die den Arm des Gesetzes zu fürchten haben und darum wechsel- ten sie die Zone. Das Geschimpfe die- ser Gauner ist nicht die Meinung der ehrlichen Arbeiter in den Betrieben, die bejahend zum Fortschritt und zu den Neuerungen stehen, die aber die persönliche Freiheit über alles lieben. I* L. Zweierlei Mass Der Parteivorstand der SPD hat in einer Entsehliessung über die Vor- gänge in Berlin nach einem Referat von Franz Neumann, dem Vorsitzen- den der Beniner SPD, erklärt: "Wir sagen 'jenen den schärfsten Kampf an, die Berliner Kinder mit dem Hun- gertod bedrohen". Henry Holm, der Berliner Bericht- erstatter von "Worldover Press" schreibt zu diesem Thema: "Als Russland die Milchversorgung sperrte, hat das mehr Entrüstung hervorgerufen als irgendetwas ande- res. das hiesse Kinder unter der Po. litik leiden lassen, und die Leute wer- den das nicht leicht vergessen. Aber schnell veröffentlichte die KJP. die Nachricht, sie habe sich an die Sow- jetautoritäten gewendet, dass sie Mit- leid zeigen möchten. Als die Russen zustimmten, weigerten sich die Ame- rikaner, die Milch zuzulassen, indem sie erklärten, dass sie für genügende Belieferung mit Milchpulver auf dem Luftwege Sorge getragen hätten. Das scheint nun ebenfalls Politik zu sein, denn Milchnulver wird von den Müt- tern Berlins für minderwertig gegen- über der Kuhmilch gehalten". Wir haben nichts von einem Pro- test der SPD gegen dieses Verhalte» gehört. Reiseeindrücke aus der IS DAS ANDERE DEUTSCHLAND EINE FRAGE AUF LEBEN UND TOD FUER DIE DEUTSCHE DEMOKRATIE Auf dem Parteitag der SPD in Düsseldorf hat Ollenhauer, der zwei- te Vorsitzende der Partei die folgen- den, zweifellos richtigen Ausführun- gen gemacht: Die Mehrheit der Bevölkerung die- »es Landes hat durch ihre Abgeord- neten die Ueberführung des Kohlen- bergbaues in den Allgemeinbesitz be- schlossen. Die britische Militärregie- rung hat die Zustimmung zu diesem Gesetz verweigert. Wir bedauern diese Entscheidung aui das tiefste und wir können sie nicht als endgültig hin- nehmen. Die Frage einer Aenderung der Besitzverhältnisse in den Schlüs- selindustrien ist für die deutsche De- mokratie eine Frage auf Leben und Tod. Sie bleibt deshalb für uns auf der Tagesordnung, bis sie endgültig in unserem Sinne gelöst ist. Wir kennen die verhängnisvolle Rolle, die die Wirtschaftsgewaltigen von Rhein und Ruhr in der Vergan- genheit in der deutschen und europä- ischen Geschichte gespielt haben. Wir wissen, dass eine neue deut- sche Demokratie nur dann Aussicht auf Bestand hat, wenn die deutsche Reaktion sich in Zukunft nicht wie- der auf die Wirtschaftsmacht der Ruhrgewaltigen von gestern stützen kann. Wir wissen, dass die Produk- tion von Rhein und Ruhr ein wesent- licher Bestandteil jeder europäischen Wirtschaftsplanung sein muss. Wir wollen, dass die Ruhr für immer eine Stätte friedlichen Schaffens wird, zu unserem eigenen Nutzen und im Inter- esse der Sicherheit unserer Nach- barn. Es muss eine Lösung dieses Problems gefunden werden, aber es kann nicht mehr gelöst, werden mit den alten Mitteln nationaler Sicher- heits- oder Kohferenzapolitik. Die Schlüsselindustrien an Rhein und Ruhr müssen aus dem Privatbesitz in den Allgemeinbesitz tibergeführt wer. den. schnell und ein für allemal (stür- mischer Beifall). Europa muss zu einer einheitlichen Wirtschaftspla- nung kommen, die gelenkt und kon- trolliert wird durch die Organe einer übernationalen europäischen Organi- sation, die von allen Völkern gleich- mässig und gleichberechtigt getragen wird." Anders denken darüber nicht nur, wie Ollenhauer betont hat, die Eng- länder, sondern erst recht die Ame- rikaner, wie aus folgendem hervor- geht: In Potsdam wurde beschlossen: "In praktisch möglichst kurzer Frist muss die deutsche Volkswirt- schaft dezentralisiert werden, um die bestehende, besonders in der Gestalt von Kartellen, Syndikaten, Trusten und andern monopolistischen Verei- nigungen zum Ausdruck kommende übermässige Konzentration der wirt- schaftlichen Kräfte aufzuheben." Aber schon am 22. Dezember 1945 konstatierte Senator Harry Kilgore, der Vorsitzende des Senatskomitees für militärische Angelegenheiten: "Es käme einem Selbstmord gleich, wenn die amerikanische Politik den Weltfrieden aufs Spiel setzen würde um der Sache von Kartellprofiten ei- niger weniger Truste willen, deren Gesichtspunkte in den Beratungen unserer Militärregierung leider die Oberhand gewonnen habe." Zwei Monate .später, am 25. Febru- ar 1946, erhob Russell A. Nixon, der stellvertretende Direktor der OM- GUS-Abteilung zur Auflösung der Kartelle, in Washington Protest ge- gen die Begünstigung der deutschen Trusts. Wörtlich erklärt er vor dem Kilgore-Komitee, dass "auf jeder Stu- fenleiter der Hierarchie der amerika- nischen Militärregierung und von ei- nem Ende der amerikanischen Zone Deutschlands zum anderen verant- wortliche Offiziere sich der Denazi- fizierung widersetzen mit der Be- gründung, dass wir ein Bollwerk ge- gen den Bolschewismus und Russland errichten müssen." Nixon schloss seine Aussage: "Es 'ist völlig klar, dass das Resultat der letzten sechs Monate der Entwick- lung in Deutschland darin bestand, die letzte zusammenhängende Gruppe (die Abteilung gegen die Kartelle) auszuschalten, der es wirklich Ernst war mit der Zerstörung der wirt- schaftlichen Machtkonzentrationen und die den Vertrag von Potsdam zur Richtschnur ihres Handelns machte." Und am 16. Mai schrieb Jean Bird, Redakteur des" Londoner "Econo. mist", in der "Washington Post": "Bald wird eine Regierung für die drei Westzonen Deutschlands gebildet werden.., Die meisten Verwaltungs- funktionen werden wahrscheinlich von Businessvertretern übernommen werden. Dass Kartelle wiederauferste- WIE DAS DEUTSCHE VOLK "Das Andere Deutschland", das in Hannover unter Leitung des frü:heren Generalsekretärs der Deutschen Frieder.s- gesellschaft Fritz Küster erscheint, hat eine Forschungsgemeinschaft ins Leben gerufen, die eine aufklärende Schriften reihe über den Nationalsozialismus und das Dritte Reich herausgibt. Als Nr. 3 dieses höchst verdienstvollen Unterneh- mens ist eine Schrift von Arthur Ratl.ke über "Die deutsche militärische Nach- richtengebung im zweiten Weltkrieg" er- schienen, der wir das Folgende entneh- men. Das Unheil nahm seinn Lauf. Die Panzerarmee Patton, die von der Halbinsel Cotentin aus in Frankreich eingebrochen war, überflutete in we- nigen Tagen das Innere des Landes, wo die deutschen Kommandostellen darauf auch nicht im geringsten vor- bereitet waren; sie drang in Eilmär- schen auf die Seine vor, Paris fiel, die Hoffnung trog, an der Seine eine neue Abwehrfront bilden zu können. Die 7. deutsche Armee, bei Caen geschla- gen, geriet in den Kessel von Falaise, und was an traurigen Resten nach Verlust der Panzer entkam, wurde von Patton abgefangen, bevor die Us~ berschreitung der Seine gelang. Der Weg an die deutsche Westgrenze stand den Engländern und Amerikanern of- fen! Damit aber nicht genug der Ka- tastrophen: auch die Ostfront befand sich in völliger Auflösung. Den Rus- sen war der Einbruch in das rumäni- sche Kernland gelungen; Bukarest befand sich in ihrer Hand, die rumä- nischen Truppen richteten die Geweh re gegen ihre bisherigen Bundesgenos- sen. Jeder Einsichtige konnte sehen, hen werden, wird von britischen und amerikanischen Spitzenbeamten zuge- geben. Die CSU CDU wird die Re- gierungsfassade hergeben, hinter der die Industriellen die wahren Herr-- scher Deutschlands sein werden." Wir haben des öfteren in unserer Zeitschrift betont,, dass der amerika- nische Monopolkapitalismus unbe- dingt gewillt ist, den Sozialismus in Deutschland zu verhindern und den Kapitalismus mit Hilfe der CDU und der bürgerlichen Reaktion zu galvani- sieren. Auch die Uebergabe der Ruhrindustrie von den Alliierten an kontrclierte deutsche kapitalistische Gesellschaften, wie sie jetzt erfolgen will, bestätigt das-, und linke La- bourabgeordnete sehen darin mit Recht einen Sieg des amerikanischen Monopolkapitalismus. Nur der ge- meinsame feste Wille und die gemein- same Aktion der deutschen Arbeiter- klasse kann diese Absichten durch- kreuzen. Völlig unmöglich aber ist das, solange die SPD ihren Haupt- feind in der Sowjetunion und in den Kommunisten sieht und durch ihre völlig hemmungslose antibolschewisti- sche Propaganda der deutsehen und der Weltreaktion Vorspanndienste leistet. So wird denn wohl die Frage der deutschen Demokratie — ebenso wie in Frankreich durch eine gleich ver- hängnisvolle Politik der dortigen So- zialisten — im Sinne des Todes der —> bürgerlichen! — Demokratie ent- schieden werden, BETROGEN WURDE dass das Ende mit Riesenschritten nahte. Und wie verhielt sich zu die- sem Zeitpunkt, also Ende August 1944. die deutsche Propaganda? Man versteht, dass sie sich Im Grunde in auswegloser Situation be- fand. Selbst im vertrauten Itreise, im Gespräch mit seinen Mitarbeitern, verschlug es Goebbels wochenlang dio Sprache; er sah den Weg nicht, um nach dem Zusammenbruch der Ost- Westthese, also nach dem Versagen der Behauptung, man müsse riskieren, im Osten schwach zu sein, um Im Westen stark zu bleiben, ein neues Propagandagebäude zu errichten. Aber der Vielgewandte fand auch in dieser verzweifelten Lage endlich einen Aus- weg. Wenn es nicht mehr möglich war, für die Gegenwart eine positive Wertung der Ereignisse zu geben, dann blieb noch immer die Vertrö- stung auf die Zukunft. An die Stelle der bisher üblich gewesenen günstigen Ausdeutung des Kriegsgeschehens musste die Eschatologie treten, sozu- sagen ein politischer Chiliasmus. Ei- nes Tages verkündete Goebbels in der Ministerkonferenz, er habe wieder einmal Carlyle gelesen und die über- raschenden Parallelen festgestellt, die zwischen Friedrich des Grossen Lage im Siebenjährigen Kriege und heute bestünden; damit war die Parole ge- geben, der die Propaganda nun zu fol- gen hp-tte und di3 von der Presse auf- genommen werden musste. Freilich, auf den Tod einer russischen Kaise- rin, der den Umschwung bringen wür- DAS ANDERE DEUTSCHLAND ft de, konnte man diesmal nicht rech nen; stattdessen klammerte man sich an den Hoffnungsanker der Wirkung der neuen Waffen, die in Vorberei- tung waren oder sein sollten. Das Ruder der Propaganda wurde herum- geworfen: alles, was jetzt geschieht, hiess es nun auf einmal, ist im Grun- de völlig gleichgültig; mag der Krieg auch auf der bisherigen Ebene verlo- ren sein, auf einer neuen Plattform wird er sicherlich gewonnen werden, wenn nämlich die im Gange befind- liche "Umrüstung" unseres Heeres und besonders auch der Luftwaffe durch geführt ist. Die laufende Partie ist nicht mehr zu gewinnen, aber bald, in zwei Monaten, zum Beginn des Herbstes, dann beginnt die neue, und dabei hat Deutschland soviel Trümpfe Im Spiel, dass die Entscheidung sicher Ist. Das Unwahrscheinliche, aller Vernunft Zuwiderlaufende, geschah: der Hexenmeister vermochte noch einmal Illusion in Wirklichkeit umzu- lälschen und fast ein ganzes Volk in den Glauben zu versetzen, dass un- wirklich sei, was es erlebte, und Wahr- heit, was nie geschehen konnte. Auch dafür ein bezeichnendes Bei- spiel. Am 29. August 1944 erschien in der deutschen Presse der Aufsatz eines SS-Kriegsberichters, Joachim Fernau, der "Geheimnis des Endkampfes" be- titelt war und das Unglaublichste an journalistischer Falschmünzerei dar- stellte, was die an Kummer gewöhn- ten Rotationspressen in diesem Kriege jemals von sich gegeben haben. Wenn wir Fernaus Arbeit heute lesen, glau- ben wir die Worte eines Wahnsinni- gen zu hören; damals machte die Veröffentlichung Eindruck, und sie gibt, so unwahrscheinlich dies klingen mag, genau die Meinimg wieder, die in jenen Augusttagen die massgebenden Kreise Deutschlands beherrschte. Der Verfasser bedient sich bei siner Dar- stellung eines journalistischen Kunst- griffs, der an Gewagtheit seinesglei- chen sucht; er versetzt sich nämlich bei seiner Betrachtung in einen Zeit- punkt, der einige Monate später liegt, und beurteilt nun rückschauend und von der Voraussetzung aus, dass die offiziell genährten Hoffnungen auf einen Umschwung in Erfüllung ge- gangen seien, die rückliegende Zeit. Hören wir ihn selbst: "In einem halben Jahr spätestens werden wir wissen, was heute noch wenige wissen: dass diese letzte Kriegsphase, dia am 6. Juni 1944 (dem Beginn der Invasion) anbrach, ein Geheimnis gehabt hat und dass die drei Monate Juni, Juli und August in Wahrheit ein ganz anderes Gesichc hatten, als wir alle glaubten. Die Zeit, die wir jetzt, unmittelbar jetzt, durchmachen, ist das Drama- tischste, was die moderne Weltge- schichte jemals erleben kann. Spä- tere Zeiten werden einmal klar und deutlich sehen, dass es auf Millimeter und Sekunden ankam und dass zs auszurechnen gewesen sein musste, warum Deutschland siegte." Ein Machwort zum Parteitag der S.P.D. Ein alter, uns seit 1918 gut bekannter sozialdemokratischer Funktionär schreibt uns: Der Parteitag der SPD ist verklun- gen. Ich nahm als Gastzuhörer am letzten Tage daran teil und muss leider bekennen, dass ich sehr be- fremdet war. Ich wartete den Schluss nicht ab, von dem ich den Gesang eines alten sozialistischen Liedes be- fürchtete, der hier wie ein Museums- stück auf mich hätte wirken müssen. Ich hörte Dr. Zorn über Sozialpoli- tik. Der entscheidende Punkt seiner Ausführungen schien mir der Satz, dass die Beseitigung des Privateigen- tums an den Produktionsmitteln eine sekundäre Frage sei, und dass die Verstaatlichung der Kohle und der Grundstoffindustrie aus politischen, nicht aber aus wirtschaftlichen Grün- den notwendig sei. Marx, dessen Leh- ren vielfach — besonders die Mehr- werttheorie! — überholt seien, ist nach Zorn ein grosser Prophet. Du wirst begreifen, dass ich eine Uebelkeit in mir aufsteigen fühlte. Dann aber sah ich so manchen Ge- nossen besten Angedenkens und war- tete noch auf die Diskussion. Von der langen Reihe der Redner griff nur einer, Jochen aus Oberhausen, die falschen Grundsätze des Referenten an. Sein Antrag unterlag gegen we- nige Stimmen. Es erging ihm wie vielen anderen Anträgen, die abge- lehnt wurden, auch wenn sie keine grundsätzlichen Fragen betrafen. Wenn Gnoss, der die Verhandlungen leitete, die zustimmende oder ableh- nende Meinung des Parteiausschusses oder Parteivorstands bekannt gegeben hatte, schwenkte die überwältigende Mehrheit entsprechend ein. Die Rede von Dr. Schumacher wur- de verlesen. Ich bedauerte, dass er nicht persönlich anwesend war. Viel- leicht hätte er dann eine parteitak- tische Kampfstimmung gegen die CDU erzeugt, obwohl er kein grund- sätzlicher Gegner der Koalition mit der CDU zu sein scheint. So aber war ein müder Ton über allem, es sei denn, dag es sich um eine Stellungsnahme gegen die SED oder die KPD handelte, die einmal spontan durch das Absingen des Lie- des "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" zum Ausdruck kam (!). Was aber für mich das Erschüt- terndste auf diesem Parteitag war, ist das Nichtaussprechen dessen, was alle bewegt, die neue Kriegsgefahr. Die weltpolitische Frage ist ja heute wohl insofern geklärt, als ein Zwei- fel an der Entwicklung zum dritten Weltkrieg nicht mehr möglich ist. Es handelt sich wohl nur noch um den Zeitpunkt der Auflösung oder richti- ger des Bereitseins. In dieser Situa- tion hätte eine so grosse Partei wie die SPD ihre Stellungnahme zu ent- wickeln . . . Von der CDP hatte ich schon vor zwei Jahren den Eindruck, dass sie den Krieg bejaht. Die Zu- stimmung zu den Methoden der Ent- nazisierung — Freisprüche von Schacht und Halder — bestätigen meine damalige Vermutung. Die Be- schleunigung der Bildung eines west. deutschen Staates liegt nach meiner Ueberzeugung in der Linie der Kriegs- vorbereitung. Wie weit die SPD ohne Befragung des Parteitags sich bereits festgelegt hat oder sich treiben lässt, ist mir nicht bekannt. Ich gehöre nicht zur Prominenz, die über die in- ternen Beschlüsse unterrichtet ist und muss meine Kenntnisse aus den Veröffentlichungen gewinnen. Schliesslich ist ja die Praxis das Ent- scheidende, und die liegt ja offen vor aller Augen. DAS LIEST DER DURCHSCHNITTSLESER IN DEUTSCHLAND? Die Antwort kann nur der Buchver- leiher geben. Sie lautet kurz und vernichtend: Die grosse Masse liest keine Bücher, sie konsumiert Kitsch, Edelkitsch und Schlimmeres. Um diese betrübliche Feststellung richtig beurteilen zu können, ist es notwen- dig, eine weitere Frage zu stellen: Wer ist dieser ,,Konsument"? Da ist zuerst und vor allem die Hausfrau aller Klassen und Bildungs- grade, ferner ein grosser Teil auch der berufstätigen Frauen und jungen Mädchen, da sind weiter der kleine • Beamte, v Angestellte, Gewerbetreiben- de, da sind schliesslich manche Intel- lektuelle, Angehörige freier Berufe und manche Arbeiter (wobei gleich hinzugefügt werden muss, dass die Zahl der regelmässig lesenden Arbei- ter relativ gering ist, eine Tatsache, die durch Mangel an Zeit und nicht zuletzt auch einfach an physischer Kraft hinreichend erklärt wird. Und ihre Lektüre? Kriminalreis- ser und Abenteuerromane dritter Gü- te. Courths-Maler, Marlitt, Natalie v. Eschstruth. Wer auf ..Bildung" pocht-: Muschler und Epigcnen. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich die soge- nannten Familien- und Bauernroma- ne, voll von Sentimentalität, verloge- ner Romantik und Mystik. Das ist die nüchterne Wahrheit. Aber es ist nur die halbe Wahrheit. Der vorliegende Tatbestand brauchte keineswegs überschätzt werden — so bedauerlich er an sich ist — , wenn sich in ihm lediglich ein niedriger Bil- dungsgrad bzw. tatsächliches Verlan- gen nach Entspannung dokumentieren würden. Aber dahinter verbirgt- sich in dein meisten Fällen etwas ganz an- deres, nämlich die zweite Hälfte der Wahrheit. Sie wird deutlich, wenn wir hören, was der gleiche Lesor ab- lehnt oder vielmehr: mit welchen Ar- gumenten er es ablehnt. Thomas Mann ist ihm zu sihwer, Hemingway desgleichen, die Russen zu — nein, nicht zu schwer, sondern zu ,-tendenziös" (natürlich hat er nie auch nur eine Zeile russischer Lite- ratur vor Augen gehabt). Was er den Russen, ohne sie zu kennen, vor- wirft, tadelt er an der Gesamtheit der 20 DAS ANDERE DEUTSCHLAND Neuerscheinungen (beinahe unnötig zu sagen, dass er sie natürlich auch nicht kennt), sie sind ihm alle zu ,,tendenziös", überhaupt zu „poli- tisch". Und damit ist das entschei- dende Stichwort gefalen: Politik. Der Leser bezieht augenblicklich eine mit erstaunlicher Leidenschaft vertei- digte Abwehrstellung. Von Politik will er „nichts hören und sehen", und Po- litik ist für ihn alles, was nicht völlig von der leidigen Gegenwart abstra- hiert, alles, was irgendwie an unsere Misere erinnert, geschweige denn die- se Misere gar zum Gegenstand hat. KZ-Literatur — das ist für ihn „Po- litik" in höchster Potenz. Aber — und das ist äusserst interessant und lehrreich — hier sagt er in den sel- tensten Fällen, das sei zu „tenden- ziös"; das hat er 1945 gesagt, inzwi- schen sind drei Jahre vergangen, und heute kann er sagen: man solle doch das alles ..nicht immer wieder auf- rühren", ausserdem stünde es ja auch ,,täglich in der Zeitung", und schliess- lich habe man „einfach nicht die Ner- ven", um die Lektüre derartiger Grausamkeiten zu ertragen. Er hat natürlich bisher überhaupt nicht an diese Dinge gerührt; dass es täglich in der Zeitung steht, ist erstens nicht wahr, und zweitens hat er's da auch nie gelesen; und seine Nerven erwei- sen sich als stabil genug, die blut- rünstigsten Kriminalreisser zu verar- beiten. Heimlich aber zirkuliert in diesen Kreisen die Ohm-Krüger-Bio- graphie und wird mit Wonne ver- schlungen, denn da steht es schwarz auf weiss — welch ein Labsall —, die Engländer haben die KZ. „erfunden", und das lange vor Hitler. Das Sie- bente Kreuz" dagegen musste ein Lichterfelder Buchhändler als ,,span- nend wie ein Kriminalroman" anprei- sen, um in anderthalb Jahren drei (als Ziffer: 3!) Kunden zum Lesen m be- wegen. Eugen Kogons ,,SS-Staat" ist in den südwestlichen Beamtenvorstäd- ten Berlins Ladenhüter Nr.l. (Aufbau, Monatsschrift des Kultur- bundes zur demokratischen Erneue- rung Deutschlands) Auf ein Wort, Herr Oberstudiendirekton! Der Verfasser de« nao&stehenden Ar- tikels iet ein ebcxuJlgtr P*, der Zür sei. De Person «us dem politischen Irrweg des deutschen Volkes die Polgerung gs- rogen und sich als Handarbeiter eine neue Existenz aufgebaut bat. Auf ein Wort, Herr Ober'studienäi- refctor! Durch Zufall erfuhr ich, dass Sie zum Öberstudiendirektor avanciert sind, Sie amtieren nun in dieser Ei- genschaft an derselben Schule, an der Sie schon — soviel ich weiss — über drei Jahrzehnte tätig sind und an der Sie schon "zu meiner Zeit" die Stellung eines Studienrats bekleideten. Das war in den Jahren 1925 bis 1804, von denen Sie sechs Jahre auch mein Erzieher waren. 'Ich erinnere mich Ihrer sehr gut! Ich glaube kaum, dass Sie sich umge- kehrt meiner so gut erinnern. Ich nehme sogar an, dass Sie mich längst vergessen haben. Was ich Ihnen gar nicht übelnehme. Denn es ist verständ- lich bei der Masse von Schülern, die Ihnen im Verlauf Ihrer Lehrtätigkeit durch die pädagogischen Finger glit- ten. Zumal ich — was ich offen be- kenne — niemals das war, was man ieinen "fleissigen Schüler" nennt. Tref- fender formuliert: ich war nie ein Streber! Gott sei Dank. Denn heute weiss ich, dass es um Deutschland bes- ser stehen würde und immer gestan- den hätte, wenn es im deutschen Vol- te nicht so viele Streber gegeben hät- te — und nicht so viele "Pädagogen", die es als ihre gottgegebene "Mission" betrachteten, die ihnen anvertraute Jugend zu Strebern zu erziehen. Sie unterrichteten nicht nur In Deutsch, sondern auch In Geographie und Geschichte. Das letztgenannte Fach war Ihre eigentliche "Domäne", Ihr Steckenpferd. Zweifellos, Sie ver- standen das Handwerk, Geschichte zu "lehren", sie besassen die erstaunli- che Fähigkeit, auch den sprödesten Stoff schmackhaft zu servieren. Sie hatten Routine darin, die sich mitun- ter zu Raffinement steigerte. Sie wussten, dass Geschichte kein "trok- kenea Gebiet" war oder sein durfte, sondern ein Motor. Und Sie kurbelten ihn gewaltig an. Der Schlüssel hiess Politik. "Politik von heute Ist Geschichts ron morgen", pflegten Sie zu sagen. Von hier aus ging es schnurstracks auf das Ziel los: "Politik ist die Kunst des Möglichen." Damit waren Sie (und wir, Hire Schüler) bei Bismarck ge- landet. Sie landeten Immer bei Bis- marck! Ganz gleich, welches geschicht- liche Ereignis Sie besprachen, ob die Schlacht bei Issos oder die von König- gr&tz, ob den Tod Hermann des Che- ruskers oder den Cäsars. Bismarck war Ihr Mann. Sie vergötzten ihn. Welche historische Begebenheit Sie auch im- mer behandeln mochten — binnen fünf Minuten standen Sie mit unfehl- barer Sicherheit bei Bismarck oder den Grundzügen seiner Politik. Diesen Themenwechsel vollzogen Sie mit fascinierender Meisterschaft. Und Bis- marck war, wie gesagt, Ihr Ein und Alles. Ihr Morgen- und Nachtgebet. Denn Sie waren ein Deutschnationa- ler. Ein eingefleischter Deutschnatio- naler. Ein leidenschaftlicher, ein fana- tischer Deutschnationaler. Und: Sic waren ein routinierter Pädagoge. Nein: Demagoge! Ich erinnere mich noch sehr gut, wie Sie, Ihren intoleranten selbstherr- lichen nationalistischen Gefühlen frö- nend, sich für bemüsslgt hielten, das Deutschtum gegen das Franzosentum auszuspielen, und dabei die französi- sche Sprache herabwürdigten. Ich er- innere mich noch sehr gut, dass Sie — öfter als einmal — mit nationalem deutschen und deutsch-nationalen Ernst Geibels Satz "An deutschem Wesen soll die Welt genesen" zitier- ten. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass Sie uns mit der Dolch- stosslegende nach allen Regeln Ihrer demagogischen Kunst traktierten. Die Saat dieser "Kunst" ging auf. AIs die im Reicnstag sitzenden Vertre- ter Ihrer Partei durch ihre Zustim- mung zum Ermächtigungsgesetz am 24. März 1933 und durch andere Ma- nipulationen Herrn Hitler auf den Thron hoben, waren wir, Ihre Schüler, 18 Jahre alt. Was folgte, war von uns nicht abzuwehren, nachdem Sie und Ihresgleichen es herausgefordert und ihm die Wege geebnet hatten. Zwar liessen Sie — Sie sehen, ich gebe der Wahrheit die Ehre — einmal im Un- terricht die Bemerkung von der "brau- nen Pest" fallen, aber diese entsprang weniger einer anti-nationalsozialisti- schen Einstellung Ihrerseits als viel- mehr dem Neid und der Missgunst gegenüber den Nazis auf Grund der Tatsache, dass diese, deren Zahl an Relchstagssitaen damals sprunghaft in die Höhe schnellte, Ihrer eigenen Par- tei den Rang -abgelaufen hatte. Im Grunde Ihres Wesens waren Sie eben- so fanatischer Nationalist und Mili- tarist wie weiland Herr Hitler selbst. Denn was hat es schon zu bedeuten, dass Sie diese beiden Ideologien nicht von Hitler, sondern von Bismarck ab- leiteten? An der Sache ändert das nichts. Gar nichts. Als wir 1934 mit knapp neunzehn Jahren das Abitur ablegten, blieb uns nichts andres übrig, als uns mit dem abzufinden, was Sie und Ihresgleichen heraufbeschworen hatten. So kam es, dass wir in die NSDAP und deren Glie- derungen eintraten. Sie taten das al- lerdings nicht. Sie hatten das Ja auch gar nicht nötig. Aber — sind Sie des- halb weniger schuldig als wir, Ihre ehemaligen Schüler? Ich glaube, Sie sind es mehr als wir! Denn Sie haben uns jahrelang zu dem erzogen, was dann kam. Dass wir ihm unterlagen, war nur die Fol- ge dieser Ihrer Erziehung. So kam es auch, dass wir für das marschieren mussten, wofür Sie uns erzogen hat- ten. Sie selbst — blieben zu Hause"! Heute sind Sie Öberstudiendirek- tor. Wahrscheinlich wurden Sie dazu ernannt angesichts der hohen Quali- täten, die Sie für den Beruf des Ju- genderziehers (vor allem des Ge- schichtslehrers!) mitbringen, und auf Grund der schlagenden Beweise für Ihr politisches Talent, vorzugeben, et- was nicht gewesen zu sein, was Sie im tiefsten Winkel Ihrer akklimatisa- tionsfähigen Seele doch waren. Als ich von Ihrer Ernennung er- fuhr, war ich nicht nur überrascht, sondern entsetzt. Wie ist so etwas möglich — frage ich mich — in ei- ner Zeit, da das Wort Gerechtig- keit mit grossen Lettern geschrieben wird? Wenn Sie nur einen Funken dieser Gerechtigkeit in sich spürten, würden Sie zugeben, dass ihre Ernennung ei- nen Akt grober Ungerechtigkeit dar- stellt, und die Konsequenzen daraus ziehen: „Aus Gesundheitsrücksichten" zurückzutreten. Mir scheint jedoch, als fänden Sie es ganz selbstverständlich und in der . Ordnung, dass Ihnen die Ehre Ihrer Beförderung zuteil wurde. Ja, ganz bestimmt sogar erachten Sie dieselbe als ein „wohlerworbenes Recht." („Das Andere Deutschland", Hannover) 1)AS ANDERE DEUTSCHLAND 11 STUDENTENVERSAMMLUNG Jede Universität wählt in bestimm- cen Zeitabßtänden Studenten in den Allgemeinen Studenten - Ausschuss Dieser Ausschuss hat Einfluss auf die Beschlüsse der Universität und damit die Möglichkeit, Vergünstigungen für die Studenten zu erwirken. Die Wahlen gehen so vor sich: Jede Fakultät wählt aus ihren Reihen Stu. denten für den Ausschuss. Ich möchte die letzte Kandidatenwahl in der na- turwissenschaftlichen Fakultät schil- dern. Hörsaal 6 ist ziemlich voll. Die Na,, turwissenschaftler wollen sich Ihre Kandidaten ansehen. An der Tafel stehen drei Namen und von dem Stu- denten neben mir erfahre ich, dass einer von drei Kandidaten ein Mäd- chen ist. Das ist natürlich eine Sen. sation. ,,Kommt ja gar nicht in Frage, dass ich wähle! Ich will mir das Affen- theater nur mal ansehen!" „Ich wer- de die Frau wählen, ein bisschen nett muss man schon zu ihr sein, sonst fängt sie an zu heulen!'1 „Wetten um 100 Gramm Brot, dass der S. durch, kommt?" „Meinetwegen, der S. als ehemaliger Militarist wird doch kein Glück haben!" So gehen die Gesprä- che in den Bänken, und ich werde immer erwartungsvoller. Ein junger Mann mit Brille und ro- sigen Wangen besteigt das Katheder: „Kommüitoninnen und Kommilitonen! Ich danke Ihnen im Namen der Uni- versität für Ihr zahlreiches Erschei- nen! Sie sind gekommen, um die Kan- didaten der naturwissenschaftlichen Fakultät zu hören. Nun, ich möchte nicht lange reden, der Verherrlichung des unpolitischen Studenten, die mei- sten der Anwesenden toben vor Be geisterung. Mir wird ein wenig flau und ich bedaure, dass es anschliessend keine Diskussion gibt. Und nun Fräulein T.! Die Studen- tin hat energische Bewegungen und einen <£was grossen Mund, sie lächelt und wirkt auf die Versammlung durch fraulichen Charme. Ihre Rede ist ein wenig farblos, auch sie verspricht ur.s mancherlei. Und auch sie beteuert, dass sie gänzlich unpolitisch sei. Der langanhaltende Beifall lässt daraus Schliessen, dass sie gewählt wird. Als letzter wird en, Herr R. vorge- stellt. Jungenhaft und rauh poltert er los: „Kommilitonen! Ich möchte keine Versprechungen machen, die ich vielleicht nicht einlösen kann. Nur auf eins möchte ich hinweisen: Wir sind verpflichtet, uns mit der Politik zu beschäftigen! Ha^en Sie denn ganz vergessen, was durcn die Verantwor- tungslosigkeit der Akademiker 1933 passiert ist? Wir wonen nicht die glei- chen Fehler machen wie die vergange- ne Generation!" Er schweigt, und ausser uns wenigen politisch interes- sierten Studenten lührt keiner seine Hand zum Beifall. Gewählt wurden Herr S. und' Fräu- lein T. (Erika Wentig In „Der Jungso- rialist"). BRIEFE Au« einem Brief unseres Freundes Curt Fabian ... Wenn DAD sein Erscheinen ein- stellen müsste, wäre das sehr bedau- erlich. Damit verschwände eines der wenigen wirklich unabhängigen Mei- nungsorgane, die gerade in der Gegen- wart so notwendig gebraucht werden. In der grossen Auseinandersetzung zwischen der USA und der UdSSR wird alles zerrieben, was sich nicht bedingungslos auf eine Seite stellt. Hier in Berlin gibt es nicht eine Zeitschrift, die in dem Streit zwi- schen den Besatzungsmächten eine wirklich objektive Haltung einnimmt, wie es doch meines Erachtens dem In- teresse der deutschen Bevölkerung entsprechen würde ... In den Westzonen herrscht eine Pressefreiheit, besonders bei den Amerikanern, von der die deutschen Zeitungen nur viel zu wenig Gebrauch machen. Fortschrittlich gesinnte Ame- rikaner, die hierher kommen, sind entsetzt darüber, was sich die Deut- schen an Uebergriffen der Besatzungs- mächte alles gefallen lassen. Das hat sich vor allem in der Stellungnahme der sozialdemokratischen Presse zu den Beschlüssen der amerikanischen und britischen Militärregierungen, die den von den Länderparlamenten un- ter Zustimmung auch bürgerlicher Abgeordneter angenommenen Geset- zen über die Sozialisierung der Koh- lenbergwerke und anderer Monopol- unternehmungen, sowie über das Mitbestimmungsrecht der Betriebsrä- te mit der fadenscheinigen Begrün- dung die Genehmigung versagten, nur ein gesamtdeutsches Parlament kön- ne darüber entscheiden. Es müsste die Aufgabe der deutschen Sozialde- mokraten sein, die Sozialisten aller Länder zum Protest aufzurufen gegen die Wiederherstellung eines Zustan- des, der notwendigerweise zu neuen Kriegen führen muss. Denn wenn die deutschen Monopolkapitalisten .wccier „Herr im Hause ' sind, werden sie auch wieder einen Hitler finden und finanzieren, unter dessen Füh- rung sie sich zum Kampf um die Weltherrschaft rüsten können. Atxtr statt dessen begnügen sich die So- zialdemokraten mit einigen lahmen Protestartikeln ... Ein Brief aus Dänemark R. Mahlo, ein früherer sozialdemokra- tischer Funktionär, von dem wir bereit» früher einen Artikel veröffentlicht haben, schreibt aus dem Flüchtlingslager Aa. borg-Ost: . . Die Flüchtlinge, die früher al- les leichtfertig Ihrem Hitler überlies- sen, werden jetzt durch Radio, Zeitun - gen und Briefe, die fast ausschliess- lich mit aller vergiftenden Tendenz aus der Westzone kommen, in eine Gegnerschaft manövriert, die sich vor allem gegen die Russen richtet. Mäh sollte sich lieber bemühen, zu erken- nen, dass der Streit vorerst eine An- gelegenheit der Siegermäc^te ist und nur den einen Effekt hat, dass dabei Deutschland allmählich vor die Hun- de geht. Ein werteschaffender und wahrhaft aufbauwilliger Mensch muss allerdings wissen, dass der Kapitalis- mus die Schuld trägt an allen Ka- tastrophen, und dass die Profitgier und Reichtumssucht verantwortlich sind für die menschliche Entartung, und dass man deshalb gegen die Mächte zu stehen hat, die kapitalis- tisch sind. Die intellektuellen Frei- beuter der sozialistischen Idee haben es wie 1918/19 auch diesmal fertig ge- bracht, ihre revisionistischen Tenden- zen zum verräterischen Renegatentum zu gestalten, und der deutsche Nebel lastet zur Zeit noch viel zu schwer, als dass die Masse das schnell er- kennen könnte, genau wie 1918/19. Die wirtschaftlichen Beispiele, die uns die Russen jetzt in der Ostzone geben, werden deshalb erst später erkannt und gewürdigt werden können. Was uns Flüchtlinge hier vor allem interessiert, ist die Tatsache, dass die Westmächte dauernd tausende von Nichtdeutschen hereinlassen, unter- bringen und versorgen, während sie für die 20 000 bis 30 000 Flüchtlinge in Dänemark, die zu ihren »Männern und Familien wollen, die also Unter- kunft und Reiseziel haben, so dass sie der öffentlichen Fürsorge nicht zur Last fallen, kein Herz und keinen Wil- len haben. Ungezählte Ehen sind da- durch schon zerbrochen — wir hören es täglich aus den ankommender» Briefen. 3 1/2 Jahre leben wir schon hinter Stacheldraht, weil die West- mächte verhindern, dass wir aus Dä- nemark, das uns zu tragen hat, her- auskommen ... Es geht mir nicht um mich. Als 56-jähriger, der zwei tüchtige Jungen verloren hat, dem die kapitalistischen Bomber durch Gross- angriff die Bude abbrannten, den ein völkerfeindlicher Bolschewistenh&ss zum Verlassen der Wahlheimat zwang, habe ich mit meiner kranken Fr^u nichts mehr zu erwarten. Es geht um die'Jugend, die hier sittlich und ge- sundheitlich in grosser Gefahr ist, es geht um die tausende Frauen, deren Männer in Deutschland sitzen ..." Aus einer Zuschrift an die "Deutsohr Gegenwart" (hggb. von Karl O. Paetel) " . . . Die sozialreformerischen und Sozialrevolutionären Tendenzen sind in jüngster Zeit hier umso stärker ge- tt DAS ANDERE DEUTSCHLAND werden, als die Währungsreform auch dem Bürgertum klargemacht hat, in welche ökonomische Lage es durch den Krieg gebracht worden ist. Es hatte bisher noch immer in der Illu- sion einer Wiederkehr der goldenen Zeiten. de$ vergangenen Jahrhunderts gelebt und den Krieg nur als eine Art Betriebsunfall zu bewerten versucht. Jetzt jedoch ist es gezwungen, in sei- nem Bewusstsein die von Grund auf veränderte Lage zu realisieren. Und da muss es, natürlich zunächst zu sei- nem Schrecken, entdecken, dass die bisher von ihm als unverrückbar be- trachteten Grenzen gegenüber der Ar- beiterschaft eingestürzt sind. Auch der Bürger hat heute, nach der An- nullierung seines Vermögens, nur noch seine Arbeitskraft zu verkaufen. Seine Welt ist in Trümmer gegangen, und er treibt vorerst noch bestürzt und haltlos auf den Wogen der Zeit. Die Frage ist nun, ob es gelingt, die gleichsa'.i freigesetzten Energien des ehemaligen Bürgertums in eine neue soziale Ordnung zu zwingen, oder ob man das Bürgertum und insbesondere «eine intelektuellenschicht in die un- bedingte Opposition und damit auf die Seite des Radikalismus treiben wird. Die Art, wie gegenwärtig in Deutschland eine sogenannte „freie Wirtschaft" in Gang gebracht wird, beschwört diese Gefahr. Die Wäh- rungsreform hat die kleinen Sparer am schwersten getroffen. Sie hat es zugleich dem Sachwertbesitzern und den Grund- und Hausbesitzern ge- stattet, ihr Vermögen im Gegensatz zu der Masse der Sparer ungeschmä- lert über die Währungsreform hinü- ber zu retten. Die Banken sind im Begriff, ihre frühere diktatorische Stellung wieder zu gewinnen. Ein Zinssatz von 10 bis 12 Prozent bedeu- tet für die kleinen und mittleren Be- triebe ein hilfloses Ausgeliefertsein an das Bankkapital. Die über Nacht aufgetauchten Waren nützen der Masse sehr wenig, da die Preise stark m gestiegen sind und noch fortge- setzt steigen. Das alles hat in der Oeffentlichkeit die Empfindung ge- weckt, einem riesigen wirtschaftlichen Raubzug zum Opfer gefallen zu sein. Weil sich so vor allem im einstigen Bürgertum mit der Demokratie mehr und mehr die Vorstellung des wirt- schaftlichen Ausgenommenwerdens verknüpft, geraten die bisher allem politischen Geschehen gegenüber mehr oder minder indolent gewesenen Massen lehgsam nach dem Extrem hin in Fluss. Sie treiben, vor allem was die bürgerlichen Intellektuellen betrifft, nach der extremen Linken hinüber, wobei die Situation von den Kommunisten durch die Herausstel- lung gewisser nationaler Motive, so vor alle-n des deutschen Einheitsge- dankens nicht ungeschickt ausgenutzt wird und sie lassen sich auf der an deren Seite von den Nazis erneut un- ter die Fittiche nehmen Gegenüber dem Hinsturrvti auf Ute Kmnmutü- &ten scheint mar. diese Gefahr ganz zu übersehen. Man sollte die einsti- gen Nazis nicht, für so naiv halten, dass sie versuchen würden, In der Oeffentlichkeit durch Reden und Ver- sammlungen von sich sprechen zu ma- chen, Sie arbeiten ganz anders, denn auch sie haben aui ihre Weise ge- lernt. Sie grinsen sich eins, wenn man immer und immer wieder auf den Kommunisten herumschlägt, denn das hindert die Leute, die sich sonst mit ihnen befassen könnten, ein Auge auf sie zu werfen. Sie sind im Schat- ten der antikommunistischen Treib- jagd sehr rührig gewesen, haben das, was die Spruchkammern nicht zuwe- ge gebracht haben, nämlich eine ge- wisse Sichtung vorzunehmen, unter sich durchgeführt — eine Art Entna- zifizierung durch die Nazis mit um- gekehrten Vorzeichen — und wirken gegenwärtig durch einen sich konse- quent verstärkenden Druck bereits in stärkstem Masse auf die Oeffentlich- keit. Das alles hätte nicht so kom- men müssen, wie es nun gekommen ist. Docn man kann schliesslich von einem Volk, das nichts mehr besitzt, nicht verlangen, dass es sich für den Lebensstil von Millionären (in USA, D. Red.) begeistert. Man kann höch- stens verlangen, dass es eine Zeit lang so tut als begeisterte es sich.. Dr. H. 8p. Brief eines Journalisten aus Nürn- berg an die "Deutsche Gegenwart" "Im Hinblick auf die V.ährungsre- form verbringen wir diesen Urlaub zwischen den idyllischen Schutthau- fen Nürnbergs, auf denen sich nun, nachdem die Stadt — gleichfalls infol- ge der Währungsreform — die Schutt- räumung weitgehend einstellen musste, die üppigsten Unkrautplan, tagen entwickeln. Mit viel Vergnü- gen verfolgen wir täglich vor den Lä- den das Hinaufklettern des Preisba- rometers und es freut uns von Herzen, uns all die Dinge nicht kaufen zu müssen, die wir zuvor ja auch nicht bekamen. So sind wir gegen den sträflichen Leichtsinn gefeit, uns in ein annähernd menschen würdiges Da- sein zu stürzen. Nein, wir tragen wei- ter unsere gestopften Hemden und ge- flickten Hosen mit dem Stolz eines Volkes zur Schau, das zwar alles ver- lor, dafür aber etwas so Göttliches wie die Freiheit gewann. Und wir hocken weiter geduldig in unseren Wohnungen aufeinander wie die Spat- zen im Nest und trösten uns mit der alten Philosophie ,,Gscheit, soll mi frieren, warum kauft mir mei Vater keine Schuh". Wie es uns im übrigen geht, entnehmen wir der "Neuen Zei- tung", denn es ist klar, dass man beispielsweise aus der Perspektive des Nürnberger "Grand-Hotel" oder der Münchener "Vier Jahreszeiten" viel besser weiss, wo es uns fehlt, als wir selber das tun. Seien wir nur ge- recht, auch wir haben die Leiden der Polen, Franzosen und Serben von den Balkönen cier Hotels aus betrachte' ! Warum sollen unsere Fehler nicht auch die der- anderen sein? D?r Scharfsinn, mit dem man aus fii'v !• rau>'- „Berlin" etm-n Ki ivi z.u- recht machen möchte, flö.sst uns vief*- Bewunderung ein und wir bedauern die Völker von Herzen, die — weniger bevorzugt als wir — ausser ihrer phy- sischen Existenz auch noch so kostba- re Dinge wie eine Lehmhütte, ein So* fa oder gar einen Kühlschrank zu ver- lieren haben. Vermutlich muss die ganze Erde erst einmal um und um gepflügt werden, ehe das verheissene Paradies endlich ausbrechen kann. Hoffentlich treten nicht im letzten Au. genblick wieder neue Verzögerungen auf, denn, gäbe es nach der Vernich- tung der Sowjets noch weitere Teu- fel, so wäre es vorderhand mit dem Paradies wohl abermals nichts? Man hat sich da schon einmal beträchtlich getäuscht, denn ursprünglich sollte der ewige Friede ja nach der Vertil- gung- der Nazis beginnen. Ist es da so sehr zu verwundern, wenn man hierzulande Ketzern begegnet, die meinen, es gäbe ausstr den Sowjets auch noch andere Teufel? Die es beispielsweise für teuflisch erklären, den Schwarzwald kahl zu schlagen und das Holz über die Grenze zu schaffen und uns zwischen unseren Ruinen hocken zu lassen, oder uns erst das Geld wegzunehmen und uns dann all die Waren unter die Nase zu halten, die wir so bitter notwen- dig brauchten; oder die kleinen Na- zis noch immer als Hilfsarbeiter oder Vertragsangestelte zu ducken und ei- nen Pferdmenges Und Stinnes und Thyssen zu schonen und einen Schacht mit Gewalt aus dem Lager zu ziehen, — und die sich nicht ausreden lassen, dass nicht nur die Plünde- rungszüge und Verwaltigungsakte der Russen, sondern auch die Ausliefe- rung der deutschen Kriegsgefangenen aus Norwegen an Frankreich oder die Ausradierung von Dresden, Kassel und Würzburg teuflische Einfälle waren und dass die völlige Liquidierung be- stimmter deutscher Spezialindustrien mehr mit Wirtschaftsneid als mit Ag- gressionsangst zu tun hat? Hefen wir, dass diese Ketzer sich täuschen und all das hur aus Liebe geschieht, damit, wenn erst die rote Pest hinwegefegt ist, der Friede endlich zu entfesseln sein wird! Nun werden Sie vielleicht sagen, es läge ausschliesslich an uns, all das zu ändern? Wir brauchten nur die Leu- te, die wir gewählt haben, wieder nach Hause zu schicken, und schon würden wir andere Zeiten bekommen. Nun, wir haben zwar, um mit Werner Finck seligen Angedenkens zu spre- chen, eine demokratische Leitung, aber es ist kein Strom darin und, so lange und heftig wir auch auf den Knopf drücken, es geht nichts vor sich. Oder haben Sie etwa nicht da- von gelesen, dass gewisse Leute auf den SozialiAierungsknopf zu drücken versuchten, weil sie der Meinung wa- ren. dass et in einem völlig verarm- ten Lande ohne ein Mindestmass an sozialer Gerechtigkeit nicht vorange- hen kann? Und was ist geschehen? Ich muss mich korrigieren: es war schon Strom da. aber <\s hat sehr schnei! einen Kurzschluss gegeben Und also scheint doch nicht alles an uns selber zu liegen, sondern auch an