r\ACHRICHTeiXBLATT DE $ GERMfln-JEWISH CLUB IRC.. NEW YORK, [\.y. 1. Jahrgang. NEW YORK, DEN 1. APRIL 1935 No. 5 Albert Einstein beim Deutsch'Jüdischen Club Meminisse iuvabit. Eine weihevolle Stimmung herrschte im Saal. Nicht die Stimmung eines Purim- festes. Eher die Stimmung, wie man sie etwa auf dem Festaktus einer Universität findet. Man war auch gar nicht gekommen, um Purim zu feiern. Man war gekommen, um Albert Einstein zu ehren. Einer der gros- sen Führer der Judenheit, Stephen S. Wise, schloss sich uns an. Seine Rede bewies: auch er wollte an diesem Abend nur seiner Bewunderung für Einstein Ausdruck geben. Das verlieh dem Abend seine besondere Weihe. Einstein der Wissenschaftler steht uns fern. Die Ergebnisse seiner Forschungsarbeit sind nur einigen wenigen Fachgelehrten zu- gänglich. Wir wissen, dass Einstein eine neue physikalische Erkenntnistheorie gestal- tet hat. Das bewundern wir, aber wir ver- stehen es nicht. Uns ist Einstein mehr. Uns ist er Verkörperung einer ethischen Idee. Im vergangenen Monat ehrten wir das Andenken Maimonides', "der grossen Leuchte des Exils". Wir betonten, dass er seine Umwelt nicht so sehr durch seine Werke beeinflusst hat, als durch sein Leben und seine Auffassung vom Leben. Dies trifft auch auf Einstein zu. Auch er ist — wenn auch in" anderem Sinne — zur Leuchte des Exils geworden. Er ist uns der Verkünder einer Weltanschauung, die auf Ethik fun- diert ist. Er ist kein weltferner Stuben- gelehrter. Er hat zu Fragen des öffent- lichen Lebens Stellung genommen: zum So- zialismus, zum Zionismus, zum Pazifismus. Allen Anfeindungen und Schmähungen zum Trotz hat er seine Ansichten vertreten — mit der gleichen Unerschrockenheit und Be- stimmtheit, die seine wissenschaftliche Ar- beit kennzeichnet. Die Worte, die Einstein an uns richtete, werden uns unvergesslich bleiben. Ein gut- launiger Humor charakterisierte seine Rede: der Humor eines wahren Weltweisen. Seine Eine Reminiszenz. anspruchslose Bescheidenheit ist die Be- scheidenheit des wahrhaft grossen Men- schen. Als ich Einsteins Rede hörte, musste ich eines anderen "grossen" Mannes gedenken, den ich einmal in Deutschland kennen lernte. Der war auch bekannt ob seiner grossen Bescheidenheit. Aber seine Be- scheidenheit war von der unausstehlichen, anspruchsvollen Art. Sie war nichts als Fanfare: seht mal, sooo bescheiden bin ich, der grosse Mann. Bei Einstein ist nichts geschauspielert. Alles ist ungekünstelt — echt. Er hat das Posieren nicht nötig. Er steht zu hoch über den menschlichen Schwächen. — Einstein ist heute einer der bestgehassten Menschen in Deutschland. Das ist leicht zu erklären. Ein Leben, das der unentwegten Verfolgung neuer Wahrheiten gewidmet ist, ist den Gewaltherrschern in Deutschland ein Vorwurf und eine unwillkommene Mah- nung. Einstein ist Pazifist. Darauf sind wir Juden besonders stolz. Denn der Pazifis- mus ist vielleicht ein Teil unserer welt- historischen Sendung. Es wird eine Zeit kommen — davon bin ich überzeugt — wo man die Juden nicht als die Verkünder des Monotheismus, nicht als die Begründer einer neuen Ethik, nicht als die Verfechter der Ratio gegen die Emotio feiern wird, sondern als die Pioniere des ewigen Frie- dens. Einsteins Bekenntnis zum Nationaljuden- tum ist bekannt. Er betonte es besonders eindringlich in seiner Ansprache an uns: nicht deutsche, nicht russische, nicht ame- rikanische Juden, sondern: Juden. Ich wurde an Lessings "Nathan" erinnert, an die Worte, die Saladin an Nathan richtet: "Ein Mann, wie du, bleibt da nicht stehen, wo der Zufall der Geburt ihn hingeworfen, oder, wenn er bleibt bleibt er aus Einsicht, Gründen, Wahl des Besseren." In wenigen Wochen feiern wir Pesach. Wir deutschen Juden in Amerika, die dem Hause der Knechtschaft entronnen sind, ge- denken "des Brotes der Armut, das wir gegessen haben im Lande der Aegypter." Wir gedenken der kulturellen Erbschaft, die uns das Judentum vermittelt hat, und die uns, zugleich Waffe und Trost ist. Das Bekenntnis eines Mannes wie Einstein zum aufrechten und unentwegten Judentum gibt uns stärkeren Halt. Denn wir Juden feiern nicht nur unsere Befreiung aus der Skla- verei. Der Tag wird kommen, da wir Ju- den die ganze Menschheit aus der Skla- verei in die Freiheit führen. Männer wie Einstein werden uns dann den Weg zeigen. Klub-Revue Vierzehnhundert Menschen waren zu un- serer Purimfeier gekommen. Das ist nicht erstaunlich. Wenigen Organisationen in New York ist es bis jetzt vergönnt gewesen, an einem Abend zwei Männer wie Einstein und Stephen Wise als Ehrengäste begrüs- sen zu dürfen. Dass gerade unser Klub so geehrt worden ist, erfüllt uns mit beson- derer Freude. Sowohl Einstein als auch Wise hielten längere Ansprachen. Was sie sagten, er- schien uns so bedeutsam, dass wir wenig- stens kurze Auszüge aus beiden Reden hier wiederholen: Stephen Wise betonte, dass wir eigentlich wenig Anlass hätten, Purim zu feiern. Ihm sei mehr zu Mute wie am Tischo-be-Aw, denn wir befänden uns am Vorabend einer der grössten Tragödien der Weltgeschichte. Nicht der Diktator mus nach Canossa ge- hen, sondern der Vertreter des britischen Imperiums geht nach Berlin, um Hitlers Diktat in Empfang zu nehmen. Es folgten dann bittere Worte über die grosse Klasse der "gebildeten" Deutschen, die sich so widerstandslos der Hitlerschen Ideologie angepasst hat. Für Stephen Wise Deutsche Bibliothek Frankfurt am Main £ AU A B A U Moses, Bermeo&Haas Anwälte für aus- ländisches Recht « Beratung u. Korrespondenz in allen deutschen Rechts- angelegenheiten, Prozess- und Erbschaftssachen. V ertragsentwürfe F irmengründungen Geldtransferierungen Einwanderungen • FRITZ MOSES vorm. Landgericht Berlin prakt. seit 1926 in New York ALFRED HAAS vorm. Deutscher Rechtsanwalt • 2 RECTOR STREET NEW YORK, N. V. Telephon: DIgby 4-7595 AoUisle Fürsorge Stellenvermittlung. Unsere Vermittlungsstelle ist täglich (Sonnabend und Sonntag ausgenommen) zwischen 10—12 Uhr vormittags unter der Telephonnummer: Washington Heights 7-7853 zu erreichen. Persönliche Besprechungen nur nach vorheriger Verabredung. Wir bitten alle, die von irgend welchen Arbeitsmöglich- keiten hören, dies sofort an obige Stelle zu berichten. Auskünfte in Einwanderungsfragen, Krankheitsfällen und betr. Verweisung an zuständige Stellen erteilt Herr Alfred Katzenstein, 395 Fort Washington Ave., New York City. Wir ersuchen alle Anfragen nach Möglichkeit schriftlich zu stellen. Englischer Unterricht: Unsere mit Unterstützung des "State Education Department" eingerichteten Sprachkurse werden fortgesetzt. Unterrichtsabende: Dienstag und Donnerstag von 8 bis 10 Uhr. Young Women's Hebrew Association, 31 West 110. Strasse (Für Anfänger und Fortgeschrittene). > George Washington High School, Audu'bon Ave. und 192. Strasse (Für Anfänger und Fortgeschrittene). Jacob H. Schiff Center, 2520 Valentine Ave., Bronx, Nähe Fordham Road und Grand Concourse (Für Anfänger und Fortgeschrittene). Temple Ansehe Chesed, 251 West 100. Strasse (Für Fortgeschrittene). Anmeldungen zum englischen Unterricht werden in den Unterrichtsstunden entgegen genommen. Der Unterricht ist kostenlos. Der Besuch des englischen Unterrichts hat in letzter Zeit etwas nachgelassen. Wir machen darauf aufmerksam, dass dieser Unterricht nicht nur Mitgliedern, sondern auch Freunden unserer Organisation unentgeltlich erteilt wird. Machen Sie von dieser grosszügigen Einrichtung so aus- giebig wie möglich Gebrauch. Dr. F.Schlesinger Klub-Zahnarzt 308 OST 79. STRASSE NEW YORK CITY Tel.: RHinelander 4-5643 ist die unerschrockene Arbeit Einsteins eine Art von Poenitenz für dieses Umfallen der deutschen Gebildetenklasse. Weiter sprach er über die Traditionen und Charakteristika der Juden, die von je den Anlast zu unseren Verfolgungen geboten haben. Er sagte: "Wir könnten nicht auf- hören, Juden zu sein, wenn wir es wollten, und wir würden es nicht wollen, wenn wir es könnten." Nach diesen Worten wurde Wise von minutenlangem, tobendem Beifall unterbrochen. Stephen Wise bezeichnete Albert Einstein als einen der eminentesten Juden unserer Zeit. Er stellte ihn in eine Linie mit Sigmund Freud und Supreme Court Justice Louis D. Brandeis. Er wies darauf hin, dass in wenigen Tagen die spanische Regierung offiziell das Andenken Maimonides feiern wird — eines Mannes also, der seines Judentums wegen aus Spanien fliehen musste. Genau so, sagte er, wird die deutsche Nation noch einmal Einstein ehren, den sie ins Exil getrieben hat. Einsteins Rede war witzig und humorvoll. Uns Zuhörern ist es aber nicht entgangen, dass sein scheinbar so behäbiger Humor nur eine Staffage war, hinter der sich bitter ernste Mahnungen verbargen. Er begann nach gut deutscher Sitte mit einem latei- nischen Zitat. Er wollte es aber nicht über- setzen. Für diejenigen, die im Eifer des Gefechtes das Zitat nicht verstanden haben, führen wir es hier auf. Er sagte nämlich: "adventavit asinus pulcher et fortissimum." Auf deutsch: Ein Esel kam herangezogen, schön und stark. Das Zitat bezog sich auf die "Grosse-Männerei", von der Stephen Wise in seiner Rede sehr viel Wesens ge- macht hatte. Einstein ist nämlich der An- sicht, dass es mit der ganzen "Grossen- Männerei" nicht so weit her ist. Er • kam dann auf das jüdische Schicksal zu spre- chen. Er nahm die Tatsache nicht so tra- gisch, dass die deutschen Juden nicht Sol- daten sein dürfen für den lieben Hitler. Er sagte, dass wir schon vor etlichen 1000 Jahren unsere Befreiung von Haman feier- ten. "Wo sind jetzt diese persischen Kerle, während wir noch da sind?" Dafür gab Einstein eine sehr witzige Erklärung. Er verwies uns auf das Tierreich. Da gibt es Tiere mit furchtbar starken Klauen und wenig entwickeltem Kopf. Und es gibt Tiere, die nur einen guten Kopf haben und schnelle Gehwerkzeuge. Diese letzteren sind nicht nur unterhaltsamer, sondern auch aus- dauernder. Und deshalb, sagte er, haben wir Juden immer noch unsere Feinde über- lebt: deshalb nämlich, weil wir immer be- sonderen Wert auf die Entwicklung des "Köpfchens" legten. Es gibt Menschen mit einem guten Köpfcnen und andere mit we- niger guten. Unsere Feinde hassen uns deshalb, weil wir Juden manchmal gute Köpfchen haben. Dies ist aber kein Zu- fall. Alle Menschen sind mehr oder weni- ger gleich geboren. Was sie aus ihrem Köpfchen machen, liegt durchaus an ihnen selbst. Seit langer Zeit haben wir Juden selbst an uns gearbeitet, um unseren Geist zu entwickeln. Der Drang nach der Lehre und nach Erkenntnissen war bei uns immer VORANZEIGE FRUEHLINGSTANZ im Mecca Temple Casino Sonntag, den 5. Mai. vorherrschend. Auch heute gibt es wieder einen Haman, der uns daran erinnert—wie ich das an meinem eignen Leibe erfahren habe — dass wir Juden sind. Einstein sagte ferner: es gibt keine deutschen Juden, es gibt keine russischen Juden, es gibt keine amerikanischen Juden. Der einzige Unterschied ist der: der deut- sche Jude mauschelt auf deutsch, der russische mauschelt auf russisch und der amerikanische mauschelt auf englisch. Es gibt eben nur: Juden. So lange wir das Geistige und Moralische im Jüdischen hoch- halten, werden die Hamänner kommen und gehen, während wir weiter leben. Nur einen Vorwurf, sagte Einstein, muss er den heu- tigen Hamännern machen. Die Hamänner früherer Zeiten liessen den Juden immer einen bequemen Ausweg: den nämlich, dem Judentum zu entsagen. Das sorgte für eine prachtvolle Auslese unter den Juden. Denn die Charakterschwachen, die von diesem Ausweg Gebrauch machten, gingen ja dem Judentum verloren. Und dieses eine Vor- recht wollen uns die heutigen Hamänner auch noch nehmen. Einstein beglückwünschte unseren Klub zu der vorbildlichen Art und Weise, in der wir den deutschen Juden durch un- sere Wohlfahrtseinrichtungen helfen. Er sagte: "wenn wir auf diesem Weg fort- fahren und uns nicht einschüchtern, las- sen durch antijüdische Aktionen, dann wird unser Judentum auch mit den Hamännern fertig werden." Er schloss mit der Er- mahnung: Pflegen Sie den jüdischen Geist und pflegen Sie die jüdische Musik und das jüdische Lied mehr als die deutschen Juden es bisher getan haben!" Die Feier wurde durch ein längeres musi- kalisches Programm eingeleitet. Besonders fein waren die Darbietungen des Dorian- (Fortsetzung Seite 11) ■£3> 8 AUFBAU LtSP 7 Wann Wohin ^ Wie • Per Flugzeug - Schiff Bus - Eisenbahn O Alle Fahrkarten zu Originalpreisen Kostenlose Auskunft in Einwanderungsfragen Bürgerpapiere 9 Plcutt rave Inh. WALTER PLAUT 79 MADISON AVENUE Ecke 28. Str. New York City Tel.: CAledonia 5-1432 Nach Geschäftsschluss und Sonntags Tel.: LExington 2-7803 Vorsorge verhütet Nachsorge! Darum lassen Sie sich doch versichern. Abschlüsse jeder Art von Versicherungen, Annuitäten und garantiert gesicherten Einkommen für Lebens- zeit besorgt Ihnen zu den bestmöglichen Bedingungen durch die New York Life Insurance Co. JENNIE MAYER 250 PARK AVENUE Room 500 New York City Tel.: ELdorado 5-6324 Monats-Programm APRIL 1935 Mittwoch, den 3. April: Diskussionsabend: Die neueste Entwicklung der Lage in Europa. Die europäische Situation ist zur Zeit eben so dro- hend wie im Juli 1914. Der kleinste Funke kann zum Ausbruch eines neuen Weltkrieges führen. Einige unserer Mitglieder, die sich mit den politischen Tagesfragen be- sonders vertraut gemacht haben, werden diese Probleme darlegen und diskutieren. Der Vorstand entspricht mit der Abhaltung eines Diskus- sionsabends dem Wunsche zahlreicher Mitglieder. Eintritt für Mitglieder und Gäste frei. Mittwoch, den 10. April: Vorträg (in englischer Sprache): The Negro Question in the United States. Redner: Walter White, Executive Secretary of the National Association for the Advancement of Colored People. Die erregenden Vorgänge in Harlem und im Süden des Landes haben uns veranlasst, einen mit den Problemen der Negerrasse durchaus vertrauten Redner zu ver- pflichten. Das Thema wird notwendigerweise den Fragen- komplex der Rassenentwicklung und des Rassenhasses in einer durchaus anderen Weise vorbringen, als dies ge- wöhnlich in unserem Kreise der Fall ist. Eintritt: Mitglieder frei, Gäste 25^. Mittwoch, den 17. April: SEDER-ABEND im "Royal Manor", Broadway und 157. Strasse. Beginn pünktlich 7.45 Uhr abends. Preis: Für Mitglieder $1.25 pro Gedeck, für Nichtmitglieder $1.50 pro Gedeck. Anmeldungen sind bis spätestens Freitag, den 12. April, unter gleichzeitiger Beifügung des Betrages an Fräulein Irmgard Gottschalk, 286 Fort Washington Avenue (Tel.: WA 7-7844), zu richten. Ferner werden bei allen Klubver- anstaltungen Anmeldungen entgegengenommen. Alle Teilnehmer können eines würdigen und schönen Ver- laufs des Sederabends gewiss sein. Mittwoch, den 30. April: HEIMABEND IM KLUBHAUS. Des Feiertages wegen müssen wir unseren üblichen Mitt- wochs-Vortrag ausfallen lassen. Wir veranstalten statt dessen einen Heimabend mit Spielen und zwangloser Unter- haltung. Unsere Mitglieder werden eine solche Gelegen- heit, sich besser kennen zu lernen und neue Freunde zu machen, sicher gerne begrüssen. Eintritt: Mitglieder frei, Gäste 25F. Alle Vorträge finden im Klubhaus, 210 West 91. Strasse, statt. Beginn 9 Uhr abends. Auskünfte in allen Klubangelegenheiten erteilt der Sekretär, Fred H. Bielefeld, 28 W. 90. Strasse, Tel.: SChuyler 4-1579. Beachten Sie unser Sportprogramm auf Seite 5. Bücher und Zeitschriften DER EMIGRATION Grösste Auswahl an Neuerscheinungen "Die Neue Weltbühne" "Das Neue Tagebuch" "Europäische Hefte" "Neue Deutsche Blätter* u. a. m. KATALOG AUF WUNSCH MODERNE DEUTSCHE BÜCHHANDLUNG 250 EAST 84th STREET NEW YORK CITY Phone REgent 4-1522 You want and you get Quality Dry Cleaning on all Garments, Drapes, Curtains, Slipcovers, Rugs, etc. Furniture Cleaned at your house • Free call & delivery Service also in Manhattan » SUNNYSIDE DRYCLEANERS 41-19 QUEENS BLVD. LONG ISLAND CITY STillwell 4-3583 4 AUFBAU "AUFBAU Publi8hed by the GERMAN-JEWISH CLUB, INC. 33 ENGLISH COLUMN 210 West 91st Street, New York, N. Y. Advertising rates on application Editor: DR. ALFRED EICHENBERG 1. Jahrg. New York, 1. April 1935 No. 5 GERMAN-JEWISH CLUB, INC. KLUBHAUS: 210 West 91. Strasse, New York Präsident.......................ERNST HEUMANN 1. Vize-Präsident............. JULIUS J. SICHEL 2. Vize-Präsident.......... FRED J. HERRMANN Sekretär....................FRED H. BIELEFELD Hilfs-Sekretär................. OTTO R. FELDER Finanzsekretär................E. SCHNEEBERGER Schatzmeister ........... MICHAEL SNYDACKER Beisitzer................ ARTHUR AMERIKANER .......................ERICH DE JONGE ......................... ALFRED HAAS ..................DR. SIEGFRIED LASCH Klubärzte: Dr. Kurt Berliner - - 1235 Park Avenue Dr. Alfred Eichenberg - - 162 Ost 91. Strasse Klubzahnärzte: Dr. Frank Dreyfus - - 139 Ost 57. Strasse Dr. F. Schlesinger - - - 308 Ost 79. Strasse Der Zweck des Klubs ist die Heranbildung seiner Mitglieder zu guten amerikanischen Bürgern und zu selbsitbewussten, aufrech- ten Juden, namentlich durch Vermittlung jüdischer und allgemeiner Geistesgüter. Ferner erstrebt der Klub den freundschaft- lichen Zusammenschluss der deutschen Juden in New York durch gesellschaftliche Veranstaltungen zu fördern. (Auszug aus den 88 1 und 2 der Statuten.) NEUAUFNAHMEN. Paul D. Flink, Gus. Friedmann, Betty Gruenebaum, Willi Guenzburger, Dr. Rich- ard Joachim, Fritz Joseph, Friedel Meyer, Hans Werner Meyerhoff, Max Reiss, Paul Roos, Alexander Steinmann, Gustel Traub, Karl Wallach. KLUB-NACHRICHTEN. Eines unserer aktivsten Mitglieder, unser lieber Freund Bernie Rhodes, hat sich eine Sehnenzerrung zugezogen, die ihm viel Schmerzen verursacht hat. Glücklicherweise ist er wieder auf dem Wege der Besserung. Wir wünschen Dir, lieber Bernie, recht bal- dige, vollkommene Genesung! Unsere Bibliothekarin macht darauf auf- merksam, dass die Klub-Bibliothek jetzt auch eine grosse Menge von Nazi-Literatur enthält. Wir bitten die Mitglieder, davon reichlich Gebrauch zu machen. Wenn man einen Feind wirksam bekämpfen will, muss man mit seinen Waffen vertraut sein. Zuschriften, die die Zeitung betreffen, sind an den Schriftleiter, Dr. Alfred Eichenberg, 162 Ost 91. Str., zu richten. J. T. A. By Jacob Landau. The Jewish reader of the general press is often startled to find items, describing what is understood to be "Jewish news," dealing only with crimes committed by Jews, business failures, divorce scandals and fires. On the other hand, prominent Jewish scientists. who enriched the heritage of mankind by their contributions, leading Jewish philanthropists who gave of their wealth and substance to relieve human suffering, outstanding Jewish leaders who achieved success and fame by promoting the best interests of their countries at per- sonal sacrifices, Jewish soldiers who gave their lives for their countries, Jewish musi- cians, artists and writers are credited to their countries without the additional In- formation of their Jewish origin. Even if a legitimate item of Jewish in- terest reaches the desks of news editors, it is usually presented only in so far as the knowledge of the writer extends. The wider aspect of events is lost, the infer- ence totally excluded. Jewish news cannot be properly understood without a thorough knowledge of the conditions in which these events, occur. Seventeen years ago, to combat the existing Situation, the Jewish Telegraphic Agency was established, and now it has Offices in New York, Jerusalem, Warsaw, Berlin, Prague, Moscow, London and Paris, as well as correspondents in practically every center where there is a large num- ber of Jews. The J. T. A. service is perused not only bv Jewish papers all over the world, but by the general press as well. Its news is taken by the Associated Press and distrif buted to the 1,450 dailies which are mem- bers of the Associated Press; by Reuters, the most important British news service, and by Havas in France. For this reason Israel Zangwill termed the J. T. A. the "nerve system of the Jewish Community." Much of the prejudice that has accu- mulated through the ages and which has grown on the fertile ground of ignorance and bigotry must be brushed aside and be made to disappear when the rays of light and truth are turned toward them. As Genera] Smuts, world prominent statesman, has put it, "To make the facts known, to spread the truth, to keep the Press of the world informed objectively, this, in my opin- ion, represents the most effective means which can be adopted to fight ignorance, and anti-Semitic prejudice and agitation. Truth can only preva.il if it is known. . . . The Jew has no State nor Army or Navy. The only force he can invoke against mis- renresentation and persecution is. that of enlightened public opinion." The Publicity which the J. T. A. gives to Jewish persecution and agitation is fre- quently proving to be effective as a deter- rent. For this reason the Agency is highly valued as a protective force by the most prominent Jewish leaders the world over. In addition to the airect service to the press, the J. T. A. offices issue daily bulle- tins in the language of the country, which are also available to private subscribers for their own Information only. In October, 1924, the Jewish Daily Bulletin was the first Jewish daily newspaper published in the English language for the dissemination of Jewish news. In 1934, the Jewish Daily Bulletin was enlarged in answer to a long feit need as the "only medium through which knowledge of the doings of the Jews throughout the world can be brought to one's breakfast table," as Dr. Cyrus Adler so aptly has put it. Mr. Lewis S. Gannet of the New York "Telegram" said of it, "The. Jewish Bulle- tin ought not to be necessary, but it is nec- essary, since the ordinary news organiza- tions constantly miss Jewish news which is of importance even to the general public. We use it constantly." Nothing one can say of the Jewish Daily Bulletin can be more genuine nor more Atting than the words of that great man we are so fortunate to have with us, Prof. Albert Einstein: "A daily paper informing American Jewry regarding all events and problems in Jewish life is important for the entire Jewish people, and is an undertaking which merits the deep interest of all of us. Such a source of Information in these times, when large parts of the Jewish people are jeopardized, is of particularly great interest. "May this newspaper add to strength- ening the Jewish feeling of solidarity and responsibility, in order to enable us to obtain new vitality from the difficult external and internal problems of the times." DING ALL\. WHITE x ~ orVA PHONE.VH iLSEA\i-DB 51-2 FOR UTERATVRE\AND INFORMATION >.......... 122-50! Avenue (at IM St.) New York City • FIRST AND OLDEST AGENCY SPEClALtZING IN TRAVEL TO PALESTINE \ V IMMIGRATION VISA INFORMATION^FREE 20,000 SATISFIED AMERICAN PATR.ONS TELEQRtM SE NTOU R5 AUFBAU 5 Das Forum. Im Jahre 1914 sagte Kaiser Wilhelm: "Ich kenne keine Parteien, ich kenne nur noch Deutsche." Daraufhin scharten sich Jude und Christ im Gefühle der vater- ländischen Zusammengehörigkeit um seine Fahne. Die Wahrheit in S. M. Köder- phrase lag jedoch so tief verborgen, dass den Juden Deutschlands erst ein Hit- ler erstehen musste, um sie ans Licht zu fördern. Die "Deutsch juden" unseres Vereins kön- nen sie aber noch immer nicht sehen, und es ist ein Glück für sie, dass es noch Män- ner von dem Ansehen eines Albert Einstein und Stephen Wise gibt, die es von Zeit zu Zeit, hier und da, zu unternehmen ver- suchen, ihnen die Augen zu öffnen und sie daran zu erinnern, dass es weder russische noch deutsche, weder amerikanische noch französische Juden, sondern schlechtweg nur Juden gibt. Das mag, besonders für die Reichsjuden, eine schmerzliche Tatsache sein, schmerzlich weil sie sich weder weg- leugnen noch ändern lässt. Weder durch diese oder jene Partei, weder durch Gleich- gültigkeit noch durch Taufwasser. Diese Angst vor dem "Jasagen zum Ju- dentum" hat auch in dem gleichgültigen Programm unserer Purimfeier Ausdruck gefunden. Auch daran musste uns Einstein wieder erinnern; auch er wollte mehr jüdi- sche Lieder zu hören bekommen. Wie wun- derbar und zeitgerecht waren stets die Pro- gramme der zionistischen Studentenverbin- dungen in Berlin, Wien usw. * Unser Ver- gnügungskomitee vergass aber in Betracht zu ziehen, dass unser Verein nicht eine deutsche Gruppe, sondern nur eine Gruppe zufällig deutschsprechender Juden darstellt. Wenn wir Männer wie Einstein und Wise ehren, so ehren wir sie als unsere Lehrer und Führer, wir ehren ihre Gesinnung und ihre Bedeutung für die Welt. Wenn wir aber mit ihnen grosse Parade machen und gleichzeitig von allem, was sie vertreten, so weltenweit entfernt sind, ist das nichts anderes, als lächerlicher Götzendienst. Das ist die Lehre aus dem Einstein-Besuch. Käte Schreibstein. Diese Nummer des "Aufbau" ist, ohne dass wir es eigentlich beabsichtigten, bei- nahe zu einer "Einstein-Sondernummer" geworden. Unser Mitglied Eduard Jelenko hat uns die freundliche Genehmigung er- teilt, nachstehenden Brief Einsteins zu ver- öffentlichen. Der Brief bezieht sich auf Jelenkos Broschüre "Judenhass-Menschen- hass". Sehr geehrter Herr Jelenko! Ich danke Ihnen für Ihre ganz vortreff- liche Broschüre, die ich mit grossem In- teresse gelesen habe. Ich glaube, dass die Entwicklung der nächsten Zeit unsere Lage noch schwieriger gestalten wird, ich glaube aber nicht, dass wir in unserer Existenz ernsthaft bedroht werden können, zumal die ganze faschisti- sche Bewegung nur vorübergehend sein wird und ebenso schnell wieder verschwin- den wird, wie sie entstanden ist. Freundlich grüsst Sie Ihr A. Einstein. SPORT KRITIK. Die Schriftleitung unserer Zeitung ver- langt aufbauende Kritik. Die Kritik, die wir heute üben wollen, soll mit der Zei- tung nichts zu tun haben, sondern betrifft einen Teil unserer Mitglieder. Bei der Gründung unserer Sportabteilung wurden sehr viele Stimmen laut: "Wir wol- len eine Turnhalle." Nach grosser Mühe ist es uns gelungen, eine Turnhalle zu bekom- men, die sehr schön, billig und bequem zu erreichen ist. Bekanntlich muss man etwas Neues erst mal auf verschiedene Arten aus- probieren, bis man die richtige Form ge- funden hat. Da kann man nicht erwarten, dass alles von Anfang an klappt und jeder seine Wünsche erfüllt bekommt. Nach ungefähr zwei Monaten ging es schon sehr schön. Wir hätten mit unserer Arbeit zufrieden sein können, wenn nicht — und hier soll schärfste Kritik geübt wer- den — viele unserer aktivsten Sportfreunde bei der praktischen Arbeit versagt hätten. Man findet leider immer wieder, dass die meisten nicht regelmässig, sondern eben nur dann erscheinen, wenn sie gerade mal Lust haben. Unser heutiger Appell soll besonders an diejenigen gehen, die Sport treiben wollen. Wenn Ihr nicht regelmässig erscheint, be- steht die Gefahr, dass wir unsere Turnhalle überhaupt aufgeben müssen. Also lasst den Willen zur Tat werden! Der Sport liegt uns doch allen sehr am Herzen. Arbeitet mit, macht Vorschläge und helft, unsere Sportgruppe weiter auszubauen. • PING-PONG. Unsere Ping-Pong-Gruppe hat sich wie- der verprössert. Deshalb finden die Ping- Pong-Abende jetzt jeden Samstag Abend im Klubhaus, 210 West 91. Strasse, statt. Dort stehen uns vier Tische zur Verfügung. • AUTOBUSFAHRT. Im Mai beabsichtigen wir wieder, einen unserer beliebten Autobus-Ausflüge zu ver- anstalten. Interessenten wollen sich schon jetzt bei unserer Sportgruppe melden. TURNABENDE. Am Donnerstag, den 18. April (Pesach- fest) fällt unser Sportabend aus. SPORTPROGRAMM April 1935. Jeden Donnerstag Abend (ausser Don- nerstag, den 18. April) von 9 bis 11:30 Uhr in unserer Turnhalle, Warner Memorial Gymnasium, 138. Strasse (zwischen Hamil- ton Place and Amsterdam Ave., einen hal- ben Block östlich vom Broadway), New York City. Leichtathletik — Geräteturnen — Basket- ball — Ping-Pong--Sportspiele. Anmel- dungen werden auch an den Sportabenden in der Turnhalle entgegengenommen, wo auch jede weitere Auskunft erteilt wird. Turnschuhe sind mitzubringen. Mitglieder 10c, Gäste 20c. Der Beginn der Turnstun- den ist von jetzt an um 9 Uhr. (Nicht wie zuvor um 8:30 Uhr.) Ping-Pong: Jeden Samstag Abend 8 Uhr im Klubhaus, 210 West 91. Strasse. An- schliessend gemütliches Beisammensein. Mitglieder 10c, Gäste 20c (zur Deckung un- serer Unkosten). AUSFLUEGE: Sonntag, den 7. April: Ausflug nach Staten Island — Silver Lake. Treffpunkt: 1 Uhr, South Ferry vor der Staten Island Ferry. Sonntag, den 14. April: Ausflug nach Saxon Woods (Westchester County). Treffpunkt: 10 Uhr, Ost 180. Strasse und Lexington Ave. Untergrund- bahn-Station. Rundfahrtkosten 50c. Sonntag, den 21. April: Spaziergang nach dem Cliff House. Treff- punkt: 1:45 Uhr, Ecke 181. Str. und St. Nicholas Ave. Nachzügler treffen uns ab 4 Uhr im Cliff House. Sonntag, den 28. April: Ausflug nach Little Falls, N. J. Treff- punkt: 10 Uhr vor der 125. Str. Ferry. Unkosten ca. 50c. Bei allen Ausflügen zweckmässige Klei- dung und Schuhe anziehen. Proviant nicht vergessen. Musikinstrumente und Photo- Apparate mitbringen. Völkerball- und Handball-Spiele bei allen Ausflügen. FIR5T CLAH t. / LOUIS MEYER AND HOME MADE fTYLE SONi 1559 YORK AVENUE NEW YORK CITY Phone: BUtterfield 8-3510 Pesach. Viele unserer neueingewanderten Mitglie- der und Freunde feiern dieses Jahr zum er- sten Male das Pesachfest fern vom Eltern- haus. Einem grossen Teil ist es jedoch nicht möglich, einem Sederabend beizuwoh- nen, da es ihre finanzielle Lage nicht er- laubt. Wir erachten eis. als eine unserer vornehmsten Pflichten, unseren Freunden den altgewohnten Sederabend zu ermög- lichen. Wir brauchen dazu die Unter- stützung derjenigen, die in der glücklichen Lage sind, zu helfen. Wir haben deshalb einen besonderen Pesach-Fond eingerichtet und bitten, alle Spenden für diesen guten Zweck sofort an Frau Carrie Abraham, 215 West 88. Strasse, New York City, zu über- weisen. BETEILIGT EUCH AN UNSEREN WANDERUNGEN. 6 AUFBAU ISRAEL IN BATTLE Das ist der Titel eines interessanten Ar- tikels, der am 15. Februar im "American Hebrew" erschien. James N. Rosenberg be- fasst sich in ihm mit dem anwachsenden Antisemitismus in Amerika und beinahe nichtachtend, mit der eventuellen Gefahr eines amerikanischen Nazismus. Wohlge- merkt, Nazismus, nicht Faschismus. Es ist eine Warnung, klar, deutlich und unverblümt geschrieben. Eine Warnung, deren Eindringlichkeit höchstens von einer ausserordentlichen Unkenntnis der Struk- tur antisemitischer Arbeit überboten wird. Eine Warnung, die versucht, so erzieherisch zu wirken wie alle die Warnungen, die wir tausendfach in Deutschland gelesen haben, und von deren erzieherischem Wert wir so überzeugt sind, wie es uns die heutigen antisemitischen Massnahmen in Deutschland eben gestatten. Liest man seinen Artikel einmal, so unterschreibt man was gesagt wird: der Mann hat recht, das spricht ein Mann aus Erfahrung, ein Mann, der den Betrieb kennt. Liest man den Artikel wie- der, so stutzt man und wird nachdenklich, nach der dritten Lesung aber pfeffert man das Heft unter die Kommode und sagt "olle Kamellen", oder man setzt sich ins Eckchen und versucht zu analysieren und richtig zu stellen, was dem oberflächlichen Leser als höchste Weisheit einleuchtet, denjenigen aber, der den Krempel etwas besser kennt, sich schleunigst an die Schreibmaschine setzen lässt. Rosenberg geht von seinen Erfahrungen aus, die er schon im Jahre 1922 in Deutsch- land machte und wiederum im Jahre 1926. Von den Jahren 1932-34 ganz zu schweigen, deren Antisemitismus er hier besser beob- achten konnte als an der Quelle. Diese viel- seitigen Erfahrungen lassen ihn vorschla- gen, hier in Amerika aus der deutschen Tragödie zu lernen. "Lasst uns nicht taub sein," sagt er wörtlich. Ein bemerkens- werter Vorschlag, der, aus der Feder eines Berufenen kommend, vorbehaltlos angenom- men werden sollte. Lasst uns also sehen, wieviel er oder man gelernt hat. Oder ob man gehört hat. Nach seinen Erfahrungen in Deutschland muss man annehmen, dass Rosenberg mit beiden Füssen in der Materie steht. Man kann schlecht glauben, dass ein Mann wie er sich bei seinen Besuchen in Deutschland nicht mit der Lage der Dinge vertraut gemacht hat, denn er versucht im Verlaufe seines Artikels seine Vertrautheit mit dem Erlebten ins Amerikanische zu übersetzen. Und so ist nicht gut anzuneh- men, dass er nach dem Muster jenes be- kannte jüdischen Philantropen handelte, der im Anfang des 20. Jahrhunderts Russland bereiste und in seinem Buche einen Satz hat, der etwa folgendermassen lautete: "In Wilna hatte ich einige Stunden Aufenthalt. Ich benutzte diese Zeit, um mich mit der Lage der Juden dort vertraut zu machen." Der Verfasser hat dann einige Druckbogen mit dem Ergebnis seiner gründlichen Stu- dien während des stundenlangen Aufent- halts in Wilna angefüllt. Ich lasse nunmehr Rosenberg zu Worte kommen. Der "Kursivdruck" zeigt jeweils wörtliche Uebersetzung oder Zusammen- fassungen seiner Worte an. "Im Jahre 1922 brachte mich meine euro- päische Arbeit für das Joint Distribution Committee nach Frankfurt. Dort sah ich einen grossen Klecks roter Farbe an der Wand der führenden Synagoge der Stadt. Das war meine erste Bekanntschaft mit dem Hakenkreuz. Welches Gefühl würde dich beseelen, wenn das deinem geliebten Von Erich de Jonge. Gotteshaus zustossen würde? — Ich ver- suchte einigen führenden Juden in Frank- furt mitzuteilen, dass derartige Gescheh- nisse sofort unterbunden werden müssen. Sie bedauerten die gemeine Tat. Doch glaube ich, dass man mich für einen Alarmisten hielt. — Im Jahre 1926 auf seinem Weg nach Moskau zeigte er den Leitern der Berliner Judenheit einige antisemitische Zeitungen, die in Berlin öffentlich verkauft wurden. Auf sein Drängen, Gegenmassnah- men zu ergreifen, versicherte man ihm, dass das geschehen werde. Man hielt jedoch die Angelegenheit für eine vorübergehende Er- scheinung. Im Jahre 1931 wieder in Berlin, mussten ihm dieselben Führer gestehen, in welcher Gefahr sie seien. Es war zu spät." Warum in die Ferne schweifen, sieh, das Gute liegt so nah. Haben wir hier nicht die Gegenstücke von dem, was Rosenberg in Deutschland sah? Stand man zu nahe vor den Ereignissen, um ihre Bedeutung zu erkennen? Als man an meinem Gotteshaus, einem Gotteshaus, irgendeinem Gotteshaus hier in Amerika zwar kein rotes Hakenkreuz anpinselte, aber immerhin Zettelchen an- pappte, die» mit dem Hakenkreuz verziert, den Papst und die Juden in einem Atemzug verdammten (Tempel Emmanuel, 1933). Was waren da meine Gefühle? Offen ge- standen, bewegten mich gar keine Gefühle. Ich hatte das erwartet, und meine einzige Reaktion war, dass ich "Aha" sagte. Und was war es für ein vorübergehendes Ereig-* nis, als man in Yorkville die Schaufenster mit Ornamenten versah? Waren die Glas- schneider, die mehr oder weniger kunstvoll, aber mit grösster Sachkenntnis das Wort "Jew" in die Fenster schnitten, weniger alarmierend? Diese Vorkommnisse wurden in. der gesamten Presse breitgetreten. Es war deshalb wohl anzunehmen, dass man den führenden Juden New Yorks mitteilte, dass derartige Geschehnisse unterbunden werden müssten. Was man wohl auch ver- suchte. Aber unterbinden kann man nur, wenn man eine greifbare Handhabe hat. Solange man im Dunkeln herumtappt und nicht ein und aus weiss, kann man mit Pro- testen und Verboten nichts erreichen. Und wenn Vorkommnisse in dieser Form nicht wieder vorgekommen sind, so werden wohl andere Gründe ihr Erscheinen verhindert haben. Aber zu glauben, dass geharnischte Proteste diese antisemitischen Manifesta- tionen aus der Welt geschafft haben, würde einer kriminellen Unterschätzung der anti- semitischen Ideologie gleichkommen. Viel- leicht leiteten die beiden eben genannten Manifestationen das Jahr 1922 für Amerika ein. Das ist nicht so rasch von der Hand zu weisen. Und wenn an öffentlichen Ver- kaufsstellen antisemitische Magazine und Zeitungen verkauft werden konnten und noch können, wenn in der amerikanischen Legislatur antisemitische Brandreden übel- ster Art gehalten werden können, Reden, die in das offizielle Protokoll aufgenommen wurden (McFadden, 1933), so kann das eventuell das Jahr 1926 für Amerika sein. Die Zeitfolge hier kann ja etwas schneller sein als in Deutschland. Das amerikanische Tempo ist ja bekannt. Im Augenblick aber scheint noch nicht das Jahr 1931 angebro- chen zu sein, wo wir erkennen müssen, dass es zu spät ist. Wann das sein wird, kann man nicht leicht voraussagen. Vielleicht aber ist es schneller hier, als wir uns träu- men lassen. Es mag sein, dass ich heute als Alarmist angesehen werde, wie Rosenberg es 1922 war. Das aber war ich schon vor sechs Jahren, als sich eine Gruppe deut- scher Juden in New York an die verschie- denen amerikanisch-jüdischen Organisatio- nen wandte, um ihr Wissen und ihre Erfah- rungen dem damals schon sicheren Kampf gegen den heutigen Antisemitismus zur Verfügung zu stellen. Ihnen wurde die gleiche Antwort gegeben, die Rosenberg in Berlin gegeben wurde. Man bedauerte alle Ereignisse ausserordentlich. Man fasste Gegenmassnahmen ins Auge und wollte so- fort unterbinden, wenn ... Und man be- trachtete die Situation als vorübergehend. Analogie der Ereignisse".' Man sieht den Splitter im Auge des Anderen. . . . Rosenberg sieht vielleicht etwas weiter und stellt deshalb Fragen, die er selbst zu beantworten versucht. Es sind Antworten, wie wir sie täglich vorgesetzt bekamen, Antworten, von deren guter Absicht wir überzeugt sind, deren Sinnlosigkeit aber vor Jahren schon erkannt worden ist. Wir sind müde geworden, Phrasen zu hören und nur Antworten, die uns etwas Greifbares, wenn nicht Angreifbares geben, sind heute mass- gebend. Vielleicht sind meine Antworten etwas besser. Auch sie sin^ keine befriedi- gende Lösung seiner Fragen. Sie werden ihm aber den Weg ungefähr zeigen, wie er seine Antworten zu geben hat. Und sie werden ein anderes Bild vor Augen führen. Ein Bild, das man immer noch nicht erfasst hat, trotz de? ernsten Vorsatzes aus der deutschen Tragödie zu lernen. "Sollen wir die Gefahr als ein vorüber- gehendes Ereignis betrachten, das seinen Lauf nimmt "Und stirbt? Sollen wir nicht das Gegengift finden, das diese Bazillen abtötet?" — Er zählt weiter alle die anti- semitischen Organisationen auf, die in den letzten Jahren aufgetaucht sind und klagt sie des Rassenhasses an. Er fährt wörtlich fort: "Nun wohl, was soll ich tun? Soll ich wie ein Feiglina in ein kleines, nur mir gehörendes Ghetto kriechen? Soll ich mich ergeben? Soll ich zynisch und uninteressiert diesen Dingen gegenüber meine Augen ver- binden und sagen, das gehi vorüber? Auf solche Fragen «"-"V uns Gott sei Dank un- sere ganze Geschichte Antwort. Unser ist der Wille zum Leben, zum Ueberleben, un- sere Rechte zu verteidigen. Wir wollen und müssen diese niedrigen und furchtbaren Verleumdungen in den Boden stampfen. Im Kampfe gegen diese Uebel müssen wir Gott danken, dass Männer und Frauen aller Konfessionen, aller Gruppen und Nationen sich in unsere Reihen stellen. Der Kampf ist heute nicht allein ein Kampf Israels, es ist ein Kampf aller derer, die an Freiheit glauben und der wachsenden Flut der Ty- rannei, Unduldsamkeit und Heuchelei sich entgegenstemmen. . . . Die Zeit ist gekom- men, in der sich alle jeder Nation und jeden Glaubens zu gemeinsamer Arbeit vereinigen müssen." Haben wir das nicht schon in ähnlicher Form gelesen? Haben das nicht Prominente in jüdischen Zeitungen Deutschlands ge- sagt? Mit welchem Erfolg? Die guten Männer und Frauen aller Nationen und aller Konfessionen waren froh, dass man sie nicht an ihre Worte erinnerte, als der Knalleffekt kam. Man kann sich immer in die Reihen derer stellen, die gegen Tyran- nei, Heuchelei und Intoleranz kämpfen, so- lange diese Dinge nicht offiziell an die Herr- schaft gelangt sind. Das sieht gut aus, macht sich gut in den Zeitungen, und es tut gut, von sich zu hören, dass man ein Kämp- fer für Freiheit und Recht ist. Man kommt unter Leute, und intellektuelle Kreise sind ja noch tonangebend. Sobald das Blättchen AUFBAU 7 sich aber wendet, ade Intellekt. Und wenn es an den Geldbeutel geht oder an die per- sönliche Bequemlichkeit, von der persönli- chen Sicherheit ganz zu schweigen, dann stellt man sich auf den Boden der Tatsachen und spielt mit Soldaten. Das hat man noch nicht aus der deutschen Tragödie gelernt, dass man nicht allzusehr auf die Unter- stützung der Kreise rechnen darf, an die man heute versucht, sich anzubiedern, wenn es anfängt, brenzlich zu werden. Sicherlich haben wir deutschen Juden noch nicht die ganze Schule der Bedrückung absolviert, aber einige Klassen sind wir leider Gottes doch Rosenberg und dem jüdischen Ame- rika voraus. In dieser Angelegenheit dürf- ten wir etwas mehr wissen, so dass man von uns etwas annehmen darf. Und unser ist der Wille zum Leben, zum Ueberleben, der Wille, unsere Rechte zu verteidigen. Das ist gewöhnlich eine rein individuelle Einstellung. Diesen Willen aber mit der Zitation der Geschichte zu beweisen, genügt für den Religionsunterricht der Sexta. Als Kampfmittel gegenüber einem organisierten antisemitischen Angriff wirkt es lächerlich und wird im Nahkampf zum Selbstmord. In den gleichen Topf kann der befreiende Seufzer geworfen werden, der der Brust sich entringt, wenn uns mitgeteilt wird, dass wir im Lande der Tapferen und Freien gegen alle Rassen- und Klassen- angriffe durch eine wundervolle Verfassung geschützt sind. Dokumente und Verträge sind doch nur "ein Fetzen Papier". Das ist doch die erste Regel im Elementarunterricht einer jeden antisemitischen Bewegung, und mit keiner grösseren Inbrunst wird an die- ses Wort geglaubt als in seinem Mutter- lande, das gleichzeitig die Hochschule für Antisemiten und ihre Bekämpfer geworden ist. "Sind nicht in die Wände unserer Syna- gogen die Namen derer eingemeisselt, die für die Demokratie ihr Leben liessen?" (Wie in Deutschland.) "Treten nicht Juden ein in Regierungsstellen?" (Wie in Deutsch- land.) "Das alles wird uns als Verbrechen vorgeworfen. Dann wird, gesagt, wir be- herrschen das Land. Begeht der Jude einen kleinen Diebstahl, so sind sie alle Diebe. Das sind Dinge, die wir nicht übersehen dürfen. Mehr aber noch wiederholt man das alte Argument, dass ein jüdischer Kom- munist alle andern Juden ebenfalls zu Kom- munisten macht." Nun kommt eine Rosen- bergsche Aufstellung, in der er haarscharf nachweist, dass das Verhältnis der Juden in der kommunistischen Partei Amerikas in keinem Einklang steht zur Verhältniszahl der Juden zur Bevölkerung. Weiterhin nennt er die Namen der Prominentesten der Partei, um wieder ein Fehlen der Juden festzustellen. "Man verdammt uns als In- ternationalisten. Weil wir für internatio- nalen Frieden plädieren? Weil wir das Ge- bot: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst, wörtlich nehmen? Wenn dem so ist. dann sind wir es. Wenn aber Internationalismus meint, abweichen von der Treue zum Lande, dann arbeitet dem entgegen und zeigt der Welt, dass wir solche Beschuldigungen nicht dulden, dass wir unsern Feinden nicht die Munition für ihre Angriffe liefern." Diese Anschuldigungen kennen wir bis zur Verzweiflung von Deutschland her. Und was hat Rosenberg aus seinen Erfahrungen gelernt? Dass man den Hetzreden mit Loyalitätserklärungen entgegentritt. Damit ist wieder ein Beweis erbracht, dass man nichts gelernt hat, nichts gesehen oder ge- hört. Wenn man hätte lernen wollen, so hätte man längst sehen müssen, dass von deutschen Juden Loyalitätserklärungen ab- gegeben werden, selbst zur eigentlichen Hitlerzeit, die einen Stein hätten rühren müssen. Ich wage nicht zu sagen, dass man zuweilen über die Grenzen des Selbst- respekts hinausgegangen ist. Das ist zu sehr Sache der individuellen Einstellung, und nicht zuletzt wird man durch Verzweif- lung zu Schritten getrieben, die man unter normalen Umständen weit von sich weisen würde. Was geschah? Es hilft alles nichts, der Jude wird verbrannt. Wir sollen unsern Feinden keine Muni- tion für Angriffe liefern. Wir sollen dem Vorwurf des Internationalismus entgegen- arbeiten. Und diesem Vorwurf wird Vor- schub geleistet, wenn in Genf eine Konfe- renz von Juden zusammenkommt, um über das Schicksal der Juden der Welt zu be- raten, die die Judenheit der Welt zu einer Einheit zusammenschweissen will. "Das ist Internationalismus in höchster Potenz," so ungefähr heisst es im Rosenbergschen Ar- tikel. Hier liegt der Hund begraben, das ist der Kernpunkt des Artikels "Israel in Battie". Die Angst vor dem Zusammen- treffen in Genf, die Warnung aus der Angst heraus, dass dieser Kongress der Beweis für den Internationalismus der Juden sein könnte. Hat man aus Beispielen und Er- fahrungen immer noch nicht gelernt, dass — jüdischer Weltkongress oder nicht — der Vorwurf des Internationalismus auf jeden Fall gemacht werden wird? Gibt der Jude keinen Grund für einen Vorwurf, so wird eben einer nach altem Rezept fabriziert, und alle Proteste und alle wir-sind-nicht-so helfen einen Pappenstiel. Man mag einem jüdischen Weltkongress zustimmen oder nicht, man mag ihn loben oder tadeln, das ist im Hinblick auf antisemitische Anschul- digungen so unbedeutend, dass es sich nicht lohnt, viele Worte zu verlieren. Kommt der Kongress zustande, sind wir selbstverständ- lich Internationalisten. Tritt er nicht zu- sammen, sind wir es ebenfalls, weil die Richtlinien der Antisemiten es so vorschrei- ben. Internationale Faschistenkongresse werden nicht als internationalistisch ver- dammt, denn es sind keine spezifisch jüdi- schen Angelegenheiten. Der Vorwurf wird nun eben einmal gegen die Juden erhoben. Daran ändern Proteste nichts und keine Gegenerklärungen. Um zu protestieren, zu entkräften und zu widerlegen, muss die ganze Maschinerie der jüdischen Verteidi- gung umgebaut und modernisiert werden. Und wenn eben einige neue Apparate ein- gebaut werden müssen, so kann das nichts schaden. Die alten Reden und Gegenreden sind nicht stark genug, um eine Waffe zu bilden, und wenn es sich endlich heraus- gestellt hat, dass die berüchtigten "Proto- kolle" sich als Fälschungen erwiesen haben, so ist damit der Arbeit der Antisemiten kein Abbruch geschehen. Die Protokolle sind eine zu interessante Lektüre, um sich der Mühe zu unterziehen, das eben Gelesene nachzuprüfen, ob es richtig oder falsch ist. Es wird weder Mr. Smith noch Mr. Jones einfallen, Gerichtsentscheidungen zu lesen, die die Protokolle als Fälschungen verurtei- len, noch werden sie irgendwelche Gegen- argumente lesen, selbst wenn sie sie erhal- ten würden. Die jüdische Presse, die spal- tenlang über die Gerichtsenscheidung be- richtet, wird von beiden nicht gelesen. Die Tagespresse brinert, wenn überhaupt, in einem versteckten Winkel eine kleine Ab- handlung. Um aber den über dem Durch- schnitt stehenden Menschen aufmerksam zu machen, bedarf es nicht der riesigen An- strengungen. Antisemitische Lektüre ist ein Massenartikel, für die Masse geschrieben und für die Masse verständlich, eine Masse, die in Zeiten der Depression ihren Sünden- bock dort sucht, wo er am leichtesten zu finden ist, eine Masse, die sich nicht um langatmige Gegenerklärungen kümmert, die von philosemitischer Lektüre nicht erreicht wird und nicht erreicht werden kann, we- nigstens nicht unter den augenblicklichen Verhältnissen im amerikanisch-jüdischen Leben. Es ist eine Masse, die einem feuri- gen Demagogen, der an Gefühle und In- stinkte appelliert, immer mehr Glauben schenken wird als zwanzig kühl-logisch denkenden Gegenrednern, die ja nur das Gehirn der Zuhörer anstrengen. Eine Masse, die die wirtschaftlichen Gewalten nicht versteht, die ihre Verdienstmöglichkeiten schmälert. Der Durchschnittsmensch kann die Wirtschaft nicht vernunftsgemäss defi- nieren, wenn ihm aber eine geschlossene Einheit, die die Depression hervorrief, ge- geben wird, dann kann er zugreifen. Und wenn ihm die Juden als Ursachen seiner Leiden gegeben werden, dann hat er etwas Konkretes, das er halten kann. Wenn dann noch Verhältnisse gegeben werden, unter denen er seine Gefühle und Instinkte nicht im Zaume zu halten braucht, dann haben wir das, wovon man uns vorschlägt zu lernen. Wenn dieses erst erkannt worden ist, wenn man das gelernt hat durch das deut- sche Beispiel, dann weiss man auch, dass Verdienste um Land, Kunst und Wissen- schaften die trübe Flut des Antisemitismus nicht aufhalten werden. Dann weiss man auch, dass Kriegsopfer nicht helfen werden und Gelübde der Treue keinen Damm bil- den, um die anwachsende Flut aufzuhalten. Dann muss man auch eingesehen haben, dass es zwecklos ist, auf Staatsmännern, Gelehrten, Künstlern, kurz Menschen, die in der Gesellschaftsordnung führend sind oder sein wollen, seinen Abwehrdamm auf- zubauen. Es ist immer noch die Masse des Volkes, die zuletzt die Geschicke bestimmt. Diese Masse ist dem ungeheuren Propa- gandaapparat der Antisemiten jederzeit mit den billigsten Mitteln zugänglich. Unlogik, Lügen, Verdrehungen, die an die Gemüter und Instinkte appellieren, sind noch nie durch Logik, Wahrheit und Richtigstellun- gen vernunftsmässig widerlegt worden. Und wenn? Semper aliquit haeret. Rosenberg hat gesehen und gehört. Er sagt das selbst in seinem Artikel. Ob er aber gelernt hat, bezweifle ich. Jedenfalls aber haben die jüdischen Gruppen, denen er nahe steht oder auf die er seinen Ein-, fluss hätte ausüben können, oder jede an-t dere Gruppe nichts oder nur herzlich wenig von seinen Erfahrungen profitiert. Ihre ganze Politik beweist das. Sie haben Augen und sehen nicht. Sie haben Ohren und hören nicht. Ein Rezept von mir zu verlangen, wäre vergebliches Unterfangen. Wer bin ich armer Sterblicher, der zwar gesehen, gehört und gelernt hat, gegenüber einem hervor- ragenden Rechtsanwalt, Künstler und Pu-. blizisten, der einer der Direktoren des "Joint Distribution Committee" ist, der Vorsitzen-! der der "American Society for Jewish Farm Settlement in Russia" ist, der Vorsitzender und Direktor vieler jüdischer Gesellschaf- ten und Organisationen ist und der seine warnende Stimme erhebt in einem Artikel "Israel in Battie". "Die Zeit ruft . . . zu vereinigen." Solange man aber die Ueberschrift des Artikels "Israel in Battie" mit "Kampf in Israel" übersetzen kann, ist es noch ein weiter Weg zur Vereinigung. Solange sich die führen- den jüdischen Organisationen in Amerika schlagen wie die Kesselflicker (wie ehedem in Deutschland), kann man an eine erfolg-, reiche, tatkräftige Vereinigung nicht glau- ben, und jede noch so gut gemeinte Aktion muss wirkungslos verpuffen. Und solange man hier in der neuen Welt behauptet, man hat gesehen, gehört und gelernt, um dann im alten, idiotischen Schlendrian weiter zu machen, kann man nur sagen:- Nachbarin, Euer Fläschchen. 8 AUFBAU KITTY'S BEAUTY SALON 1245 LEXINGTON AVENUE 1. Etage Zwischen 84. und 85. Strasse (3 Minuten von der 86. Strasse- Express-Station) NEW YORK CITY Tel.: RHinelander 4-7147 Shampoo......35$ Manicure......35$ Augenbrauen . . . 35$ Haarschneiden. . . 35$ Diese Preise gelten für jeden Tag, einschliesslich Samstag. Feinste Pariser Cremes und Adetringent«. Allererstes Fabrikat, weit unter Originalpreis. Mrs. Alice Oppenheimer Diplomiert Antoine, Paris Klubpreise: Creme de nettoyage.......... $1.25 Creme de jour .............. 1.50 Creme nourrissante et de massage 1.75 Acne Creme ............... 2.25 Adstringent (grosse Flasche) .. 1.50 Schönheitspflege, Gesichtsmassage, Be- ratung. 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Ich erinnere mich noch genau, wie stolz ich darauf war, dass ich mit richtiger Betonung jenes "Orandum sit sit mens Sana in corpore sano" hersagen konnte, ehe ich wusste, wie man den Genitiv von mensa bildet. Man konnte, wenn man nur wollte, beim alten Bückel recht viel lernen. Er war ein guter Mann, ein echter Humanist und Menschen- freund, er schlug uns nie, wie das der Leh- rer Levy so herzlos tat, und es war auch gar nicht so furchtbar langweilig bei ihm, obwohl er doch auch nur Religion unter- richtete. Geliebt haben wir ihn freilich nicht. Ich habe überhaupt nie einen Leh- rer so von Herzen gern gehabt. Der alte Bückel aber hatte einen Franz-Joseph-Bart, und diesen Bart hasste ich über alle Mas- sen. Wer kann sich vorstellen, wie sehr mein Herz vor Freude und auch ein ganz klein wenig vor Scham und Verlegenheit hüpfte, als die Buben einer höheren Klasse eines Tages, beim Spaziergang im Schulhof, plötzlich im Chor riefen: "Schiller-Bückel, der Bart muss weg, "Schiller-Bückel, der Bart muss weg." Der Schiller-Bückel blieb stehen, sah uns mit einem gefrorenen Lächeln an, schüttelte einmal den Kopf und sagte, während er weiterging, bloss: "Ruhe!" Mir stiegen Tränen in die Augen, ich musste fest auf die Zähne beissen, denn es fehlte nur wenig, und ich hätte vor allen Schülern losgeheult. So leid tat mir plötzlich der Schiller- Bückel. Weshalb er eigentlich Schiller-Bückel, und zwar von der ganzen jüdischen Ge- meinde, gerufen wurde, habe ich nie .ganz feststellen können. Die einen sagen, ein Schüler einer früheren Generation habe ihn so getauft, weil er, der Bückel, als junger Mann das Haar in demselben Bubikopf schnitt trug wie der junge Schiller. Die anderen wiederum sagen, der Name sei anonym ent- standen, und der Bückel habe damals im- mer ein Zitat von Schiller im Munde ge- führt. "Der Schiller-Bückel ist jetzt auch tot", berichtete mein Freund, "stell dir nur vor, er will grad über die Strasse gehen, die haben da eben wieder eine Parade, ich habe mich später oft gefragt: weshalb muss der Schiller-Bückel über die Strasse gehen, wenn die eine Parade haben, und schon war das Auto da, und der Schiller-Bückel lag unter den Rädern. Erst waren viele Leute da, ein alter Jude, hiess es, ist überfahren worden, und dann haben sie ihn wegge- schafft." Seit dem Besuch meines Freundes und Klassenkameraden war einige Zeit verflos- sen, ich hatte den Schiller-Bückel und sein trauriges Ende schon wieder vergessen, als ich eines Nachts von ihm träumte. Von al- len Dingen, die mich an den alten Mann erinnern, ist mir merkwürdigerweise dieser Insure your House your Automobile your Health and your Life —through— MORRIS B. 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Eilig klap- perndes Geräusch von Holzpantinen fordert seinen versonnenen Blick für Sekunden — dann taucht er wieder in das nasse Pflaster. Altersschwache Häuser mit Fachwerk- rücken senden Schwaden aufdringlicher Ge- rüche; sie bergen Lagerräume eines gros- sen Warenhauses, das drüben in dem besseren Viertel, strahlend in die Strasse prunkt. "Pfui! Hier stinkts . . ." Zwei Kinder halten sich die Nase zu und trippeln an der langen Hinterfront vorbei. Der Schiller-Bückel geht unverändert Schritt für Schritt. Monoton, wie Pendel- schlag, verhallts um ihn. Jetzt zögert er, bleibt stehen. Der letzte Pendelschlag ver- hallt in der Stille. Er horcht freudig, die Lippen leicht geöffnet: von irgendwo weht eine Melodie. Fern wie im Traum — ein Stück von Tschaikowski. Der Schiller-Bük- kel wiegt den schräg geneigten Kopf und schlägt mit dürren Fingern den Takt . . . Das Bellen eines Hundes, der ihn in Furcht umkreist, schreckt ihn auf. "Armes Tier! Bei diesem Wetter auf der Strasse!" wispert er, geht vorsichtig, tief gebückt und mit flacher Hand begütigend auf seine Schenkel klopfend, auf ihn zu. Mit der anderen holt er währenddem aus der Westentasche ein Stück Zucker. "Na, komm . . .!" Aergerlicher Pfiff: "Lassen Se den Hund in Ruh, Sie!" Aus einem Fenster gegenüber droht ein bärtiges Gesicht. "Nanu, nanu-u-u . . ." Beschwichtigend winkt seine Hand die Drohung ab. Das Fenster schlägt hart zu, und einsam klingt der Schritt des Schiller-Buckels im gleichen Rhythmus wie zuvor müde durch die Stille. Ab und zu trägt der unschlüssige Abend- wind, der jeden Augenblick die Richtung wechselt, jetzt zerfetzte Takte einer Tanz- musik herzu. Die Hand gehöhlt am linken Ohr, die welken Lippen wie fragend ge- öffnet, tappt die versunkene Gestalt den Klängen nach. An der nächsten Seiten- gassenmündung macht sie zögernd halt. Das trübe Auge tastet hilflos im Grau um- her — bleibt dann an hohen Fenstern eines Hauses jener Seitengasse hängen. "Dacht ich's doch. Dacht ich's doch!" springt's von den bläulichen Lippen. Er- freut nähert sich der Schiller-Bückel. Bald steht er vor dem Haus, das hier wie ein Riese über kleinen Giebeldächern prahlt, die ängstlich ineinander kriechen. Vor einem Eisentor, das in den Hof des Hau- ses führt, verharren, wie wohlbeleibte Wäch- ter, zwei Tonnen, in denen Teer verschwa- det. Aus einer schadhaften Dachrinne klat- schen in regelmässigen Zeitabständen Trop- fen in einen zerbeulten Eimer, der die An- kunft eines jeden glickernd meldet. Am Ende der kurzen Gasse, vor halbzerfalle- nem Gemäuer, einem Torbogen mit neidi- schem Blick in das bessere Viertel, spielen ärmlich gekleidete Kinder Haschen. Die Musik schweigt — setzt nach, kurzer Pause mit einem modernen Schlager wieder ein. "Dummes Zeug, dummes Zeug." Der Schiller-Bückel lehnt am Eisentor und führt unverständliche Selbstgespräche. Die Kin- der haben ihn indes bemerkt. In scheuer Neugier nähert sich die Horde. Das Spiel ist versandet. Flüsternd und kichernd ste- hen sie im Abstand und zeigen mit schmutzigen Fingern auf die Figur. "Na, so spät noch draussen ? Man wird euch suchen!" muntert der Schiller-Bückel sie hüstelnd auf. Ein verschmitztes Gesicht drängt sich hervor und grinst: "Sie suchen se woll ooch?" Der Bann ist gebrochen. Wie ein über- mütiges Quell-chen kichert und schwatzt es, anfangs noch versteckt, wie unter Geröll, in dem Halbrund. Einzelne lösen sich her- aus, rennen den Eindringling an, wie aus Versehen, umwirbein ihn mit kindlichem Spott. Der Schiller-Bückel aber schmunzelt breit und lockt einen Buben: "Komm mal zu mir. Ich geb dir was." Die Musik pausiert. Aus dem Tanzlokal kommen erhitzte Paare. Immer mehr. Das gröhlt, lacht und meckert durcheinander. Man hört auch schimpfen. Der Bub ist inzwischen, die Hand neu- gierig ausgestreckt, herangetreten: "Was soll ich denn —?" "Gib mir mal deine Hand." "Warum denn--?" klingt es miss- trauisch zurück. "Wirst's schon sehen. Na?--?" Der Bub blinzelt den Alten von der Seite an — und läuft weg. Der Schiller-Bückel sieht ihm mit halboffenem Munde nach, bis er in der Menge verschwunden ist. "Nanu, nanu-u-u? Ich will ihm einen Groschen geben und — nanu, nanu-u-u?" Schon will er gehen. Da öffnet sich der Knäuel, und ein angetrunkener Metzger- geselle torkelt auf ihn zto. An der linken Hand zerrt er den Buben: "Der?!" Der plumpe Daumen zeigt auf den Schiller- Bückel, der erschreckt aufblickt. "Was wollen Se denn von den? — He!" Zugleich mit den Worten entströmt dem dicklippigen Mund Alkoholgestank, der sich betäubend um den Alten lagert. "Ich — ich — ja, ja —Ihm versinkt die zitternde Stimme. "Des is nämlich mein kleener Bruder — vastehste? — ?!'" brüllt ihn der Fleischer- geselle an. Man läuft herbei. Fäuste bal- len sich. Gleich wird der erste Schlag das Opfer treffen--- "Schuupoo!" gellt da eine Stimme in den Kessel. Sie gehört einem Halbwüchsigen, der in der Mitte des Torbogens hockt, den Oberkörper weit vorgebeugt, mit flachen Händen sich aufgeregt auf die Schenkel schlagend. "Schu-upo-o!" Der Ruf wirkt. Die Fäuste sinken und lösen sich. Gedämpftes Schimpfen noch und Drohen, und langsam formt sich der Ballen zum Band: das junge Volk kehrt unter heiterem Lärm zurück zu Spiel und Tanz. . . . Der Schiller-Bückel steht verlassen. Der Polizist streift an ihm vorbei, ihn flüchtig musternd. Es regnet immer noch. . . . MÖBLIERTE ZIMMER Sehr hübsche, möblierte Zimmer mit Messen- dem Wasser und Bad. I oder 2 Personen. Auf Wunsch Pension. Goldstein, 1810 Glenwood Read, Brooklyn, N. Y. Express- Station. 30 Minuten nach Times Square. Telephone: MAnsfield. 6-8237. iySj TOURIST CLASS COMFORT and LUXURY TO EUROPE Now Costs Liltle! Yes, illustrated is a Tourist Class stateroom on the new Washington or her famous sister Manhattan, Amer- ica's fastest liners! Amazing, isn't it? 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UNITED STATES LINES Associated zvith American Mer- chcmt, Baltimore Mail Lines to Europe; Panama Pacific Line to California; Panama Pacific and United States Lines cruises. 1 Broadway New York, N. Y. 10 AUFBAU Der parlamentarische Elefant. Eine Erwiderung an Dr. Schlesinger Als der selige Hannibal seine Elefanten über die Alpen führte, haben diese Tierchen ob ihrer Zähigkeit historische Unsterblich- keit erlangt. Allein, grösser und bemerkens- werter scheint die Zähigkeit Ihres Rüssel- fritzen zu sein. Denn die Beharrlichkeit, mit der Sie Ihren statutarischen Dickhäuter reiten, ist nachgerade geeignet, nicht nur Rom, sondern soe-ar Tammany Hall ins Wanken zu bringen. Welche Verwüstungen an Zeit, Energie und Lungenkraft hat schon Ihr Elefant bisher angerichtet. Nun fragt es sich nur, ob der von Ihnen elefantenmässig vergrös- serten Frage der Geschäftsordnung auch wirklich jene Bedeutung berechtigterweise zukommt. Ist es gerechtfertigt, so viel kost- bare Spalten des "Aufbau" mit Ihrem wohl- genährten Elefanten zu füllen, wie es bis- her schon im Uebermass geschehen ist? Ja, mein lieber Doktor, in den deutschen Vereinen, wo Sie einstmals im Mai noch hochaktiv mitarbeiten durften, waren die Statuten und die Geschäftsordnung von primärster Bedeutung. Dort waren sie so- gar Selbstzweck. Diese Leutchen haben kei- nerlei geistige Interessen, Weltanschauung ist ihnen Tabu, weil sie selbst keine eigene Gesinnung haben und ein selbstständiges Urteil wollen sie gar nicht besitzen. Der Verein an sich und bestenfalls die soge- nannte "Kameradschaft"—wie sie sie auf- fassen—ist ihnen alles. Der Verein ist ihnen Anfang und Ende. Ihr philosophischer Aus- druck ist die "Schnitzelbank", ihr Kunst- ideal die "Wirtin an der Lahn", ihr Wis- sensdrang verliert sich im tiefsinnigen La- byrinth der Statutenparagraphen und ihr Weltenschmerz wird schliesslich im Bier und "Köhm" ertränkt. Aber Menschen, von einer hohen Idee getragen, sollten es nicht nötig haben, in ihrem freien Gedankenaustausch durch schwerfällige, lästige Gesetzesbestimmungen vereinsmeierischer Natur eingeschränkt zu werden. Allerdings—wenn Demagogen und Nichtswisser die Geschicke leiten, sind tau- send Fesseln wirkungslos; wo aber anderer- seits Hingebung und Verantwortung wal- ten, ist krampfhafte Geschäftsordnungs- strenge überflüssig. Es ist eine alte Erfahrungstatsache aus dem täglichen Leben, dass selbst die besten Gesetze durch destruktive Winkelzüge eines bedenkenlosen Winkeladvokaten ihrer beab- sichtigten Wirksamkeit entkleidet werden können. Ebenso kann die strengste Ge- schäftsordnung durch die aggressive Ge- rissenheit irgend eines Kons ektion s j üng- lings einfach zur Geschäftstmordnung ver- wandelt werden. Denn der Buchstabe ist tot und der Geist lebt. Und darauf, nur darauf kommt es an. Dass gerade dieser anrüchige Typ unangenehmer Zeitgenossen den erwählten Mehrheitswillen sehr häufig repräsentiert, ist eines jener schwer erklär- baren Probleme der Massenpsychologie. Wieso ist Huey Long so mächtig geworden, wieso hat Father Coughlin in so kurzer Zeit mehr als 6 Millionen Anhänger — ein- geschriebene Mitglieder — gefunden u.s.f.? In witzigen Worten, doch im Innern viel ernster gemeint, als Sie offen zuzugeben bereit sind, verhöhnen Sie, Verehrtester, den Parlamentarismus. Ich will mich hier im Rahmen dieser kurzen Erwiderungen nicht in weitläufige Deduktionen staats- wissenschaftricher oder philosophischer Natur ergehen. Nur eine kurze Bemerkung sei mir hierzu gestattet. Die Regeln parla- mentarischer Geschäftsführung, wie sie in der republikanischen Verfassung von Hugo Preuss und Hans Kelsen niedergelegt wur- den, stehen nach sachkundigem Urteil keinesfalls denjenigen des britischen Im- periums nach. Doch in England, dem klassischen Geburtsland des Parlamenta- rismus, ist ein Missbrauch der parlamen- tarischen Einrichtungen auf Grund der geistigen Einstellung des Engländers — von der kurzen und vergessenen Cromwell- Periode abgesehen — niemals möglich ge- wesen. Der deutsche Reichstag hingegen war unter Überzeugungsgeheucheiter Be- rufung auf die parlamentarische Geschäfts- ordnung durch Obstruktion 'und derartige Manöver, durch unentwegten, selbstmörde- rischen Parteifanatismus stets redlich be- müht gewesen, sich selbst auszuschalten. Hier galt es, die Demokratie zu verteidigen, ohne die Demokratie aufzugeben. Denn Always the Lasest at Lowest Prices at LA MODE SPECIALTY SHOP ADOLF WEINBERG, Prop. 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Aber weil es ein Patentrezept: "wie verteidigt der Demo- krat die Demokratie, ohne aufzuhören, Demokrat zu sein", nicht gibt, lässt sich nur aus den konkreten Einzelfällen ab- leiten. was in dieser Beziehung falsch und was richtio- ist. Ein Fall, einer jener kon- kreten Einzelfälle, puf den ich heute ein- gehen möchte, scheint mir besonders ge- eignet. die Absurdität jener Freunde der Geschäftsordnung um jeden Preis aufzu- zeigen. Der Vorsitzende — nennen wir ihn Simpl — hat in einer bestimmten Situation eine naheliegende Verordnung1 vom Präsi- dium aus einfach verfügt. Mitglied Arsinger ist damit nicht zufrieden "Zur Geschäfts- ordnung, bitte!" Er erhält das Wort und stellt den Antrag — gleichen Inhalts, wie die vom Vorsitzenden getroffene Verfügung. Der Antrat? muss unterstützt werden, was auch geschieht; dann muss abgestimmt werden: der Antrag wird angenommen. Weil also Mitglied Arsinger seine Ge- schäftsordnungstüchtigkeit leuchten lassen wollte, waren solcherart zumindest 5 bis 10 wertvolle Minuten durch diese läppische Spielerei verloren gegangen. Denn diese diversen Arsingers haben die Demokratie zum Inhalts- und gedankenlosen Schlag- wort, zur vulgär-politischen Phrase degra- diert, sie, jene angeblichen Freunde des Parlamentarismus, haben die Demokratie als konventionellen Modezwang bei allen möglichen Anlässen missbraucht. Sie waren in der Tat die Totengräber der Demokratie. Hiermit ist die ursächliche Schuldfrage eigentlich schon von selbst beantwortet: die Demokratie war gut, nur die berufenen Hüter und Träger der Demokratie waren sich ihrer schwerwiegenden Verantwortung nicht bewusst. Hierin liegt an hohem Masse die tragische Schuld all derer, die da vorgaben, der Demokratie zu dienen. Ich sage bewusst "in hohem Masse", weil es natürlich keinem gerechtdenkenden Men- schen einfallen könnte, diesen Verfehlungen die alleinige Schuld am Untergang der Demokratie zuzuschreiben. (Die anderen Gründe stehen nicht auf der Tagesordnung und sind deshalb "geschäftsord- nungsmässig" hier nicht diskutierbar. Bin ich nicht ein gelehriger Schüler?) Es bestand also nach meiner Meinung absolut keinerlei Notwendigkeit für Sie, bester Herr, die Richtigkeit oder Zweck- mässigkeit der Geschäftsordnung erst lang- atmig zu beweisen. Was tatsächlich zu untersuchen und festzustellen war, sind die schweren Versündigungen an den Grundsätzen und Aufgaben einer jüdi- schen Kulturgemeinschaft, deren einzelne Leitungsmitglieder nichts besseres zu tun wissen, als eine so tragikomische Farce zum Besten zu geben. Quod erat demon- trandum! (In diesem Zusammenhang verweise ich auf die diesbezüglichen, ausgezeichneten Bemerkungen in der Klub-Revue des "Ausbau" vom 1. März.) Zum Schluss möchte ich Ihnen noch einen "geschäftsordnungsmässigen Antrag" unterbreiten: Lassen Sie Ihren parlamenta- rischen Elefanten — die Kollegen von der zoologischen Fakultät werden ihn wahr- scheinlich in die Kategorie der Stecken- AUFBAU pferde einreihen — nun endlich selig in dem Herrn entschlafen und begraben Sie ihn schön in Frieden. Und nun einen "Zusatzantrag?: Anstatt dieser fürwahr sterilen Geschäftsordnungsdebatten schrei- ben oder sprechen Sie doch ein einziges Mal auch über irgend etwas anderes, etwas von allgemeinem, berechtigtem Interesse. Bei Ihrer schmetternden Eloquenz und Ihrer gewandten Feder sollte es Ihnen doch nicht allzu schwer fallen. Der Dank der Leser und des Unterzeichneten wäre Ihnen zweifellos gewiss. Spectator Judaicus. Herr Dr. Schlesinger wird diesen Auf- satz in der Mai-Nummer des "Aufbau" beantworten. Klub-Revue. (Fortsetzung von Seite 2) Streichquartetts. Selbst Professor Einstein sprach den Künstlern seine spezielle An- erkennung aus. Besonders gut gelungen war die Vorführung des entzückenden "An- dante cantabile" von Tschaikowski. Auch Fräulein Lucie Sterns temperamentvoller Vortrag der 12. Ungarischen Rhapsodie von Liszt erntete grossen Beifall. Die Sänge- rin dagegen hätte man uns ersparen sol- len. Da erhebt sich denn doch die Frage, ob der Klubleitung keine besseren Künst- ler zur Verfügung standen. Die Feier wurde durch den üblichen Tanz abgeschlossen. Naturgemäss trugen die grossen Erlebnisse des Abends dazu bei, dass alle Teilnehmer sich in einer besonders gehobenen Stimmung befanden. —" Soviel über unsere Purimfeier. Auf die Vorträge des vergangenen Mo- nats einzugehen, erübrigt sich. Wir kön- nen dem Vorstand unser Kompliment nicht versagen. Es ist anerkennenswert, dass er uns Monat für Monat Redner präsentiert, deren Persönlichkeit weit über die Kreise unseres Klubs hinaus von Interesse ist. In diesem Monat hatten wir: Max Nomad, Dr. Ludwig Freund, Dr. Rudolf Wittenberg und Rudolf Rocker. Und — Wunder über Wunder — wir hat- ten einmal einen Monat ohne Geschäfts- versammlung. Der April bringt uns nur zwei Vortrags- abende. Das kommt daher, dass das Pe- sachfest uns um zwei Mittwoch-Abende gebracht hat. Das Mai-Programm wird dafür umso reichhaltiger sein. Wir stellen mit Genugtuung fest, dass der Vorstand für diesen Monat einen Dis- kussionsabend angesetzt hat. Solche Dis- kussionsabende waren früher im Klub sehr beliebt. Schon deshalb, weil sie so erzie- herisch wirken. Der einzelne Teilnehmer wird gezwungen, seine Ansichten scharf und präzis zur Darstellung zu bringen. Das ist viel wert. • Besucht unsere Turnabende! Bücher-Rundschau. Max Brod, HEINRICH HEINE, Amster- dam, 1934, $3. (495 Seiten.) Der Dichter Max Brod erzählt in der ihm eigenen Sprache das bunte und reiche Le- ben Heinrich Heines. Die Deutung, die Brod Heinrich Heine aus den Bedingungen seiner Zeit und seiner deutsch-jüdischen Abstammung gibt, geht weit über die üb- lichen Erkenntnisse hinaus. In dem Ka- pitel "Jüdisches Schicksal als Schicksal eines Dichters" findet Brod warme Worte für den Dichter der zweifachen Diaspora. Mit dichterischer Hingegebenheit gibt Brod ein Bild Heinrich Heines, das von den vorhandenen Biographien sich in Wesent- lichem unterscheidet. Mit neuen Erkennt- nissen baut Max Brod dem grossen Sucher und Kämpfer Heine ein überragendes Mo- nument. Ernst Cohn-Wiener, JÜDISCHE KUNST. Berlin, 1929, $2.50. (268 Seiten.) Gibt es eine jüdische Kunst? Die eigent- liche Kunstgeschichte erkennt eine solche nicht an. Und doch ist dieses Buch ein Be- weis, dass es eine solche gibt. Die Intensität des religiösen Gefühls ist die Triebkraft der jüdischen Kunst zu allen Zeiten gewesen. Darum fehlt den Schul- sachverständigen jedes Verständnis dafür. Die jüdische Kunst ist keine geschlossene Einheit, wie die deutsche, niederländische oder italienische Kunst. Die Weltgeschichte hat ihr dazu weder Zeit noch Ort gegeben. Die jüdische KiÄist begleitet den Schick- sal sgang jeder Nation. Den Juden der Vergangenheit war es durch religiöse Vorschrift verboten, Bild- werke zu schaffen, weil die Gottesidee nur im Geistigen wurzelt. Nicht jedes Bildwerk war verboten. Ornamentaler Schmuck an Bauten und Grüften, figurliches Kunst- gewerbe, Malerei in Büchern hat es immer gegeben. Die moderne jüdische Kunst, befreit von Ghetto und religiösem Vorurteil, zeigt in ihrer heutigen Form Ansätze eines eigenen Lebens . Ihre hervorragendsten Vertreter sind heute: Josef Israels, Max Liebermann, Les- ser Ury und E. M. Lilien. Unter den ganz Modernen errangen Ludwig Meidner, Jakob Steinhardt, Marc Chagall, und als plastisch bildender Künstler Jakob Epstein besondere Bedeutung. Damit sind die Grenzen dieses Buches umrissen, das in seiner Aufmachung dem Inhalt besten Ausdruck gibt. Die Text- seiten sind mit 171 Bildern zur Veran- schaulichung versehen. Alfred Döblin, JÜDISCHE ERNEUE- RUNG, Amsterdam, 1933, $1.25. (98 S.) Döblin setzt sich in seinem Buche für die religiöse Erhebung der Juden ein. In gros- sen Zügen stellt er kritisch-historisch den Ablauf der jüdischen Geschichte dar. In würdiger Weise geht Döblin an den Kern des Problems heran, dass der Zustand der Juden nicht erst seit heute unhaltbar ge- worden, sondern es in Deutschland und in allen anderen Ländern längst gewesen ist. Döblin, in seinen Endbetrachtungen, zieht das Fazit, dass eine wahrhafte religiöse Erneuerung des jüdischen Volkes nicht nur eine Religion der "Juden", sondern der "Menschen" ist. Jüdische Volksbildungskurse. Wir machen unsere Leser auf "The School of the Jewish Woman" aufmerksam, deren Kurse im Gemeindehaus des "Temple Anshe Chesed", West End Ave. und 100. Strasse, stattfinden. Sie zeigt ein umfangreiches Lehrprogramm, das alle jüdischen Diszipli- nen umfasst, an. Ausser Geschichts- und Bibelkursen, werden während des Sommer- Semesters 9 hebräische Sprachkurse für Anfänger und Fortgeschrittene gegeben. Frau Dr. Trude Weiss Rosmarin, die in unserem Kreise gut bekannt ist, ist die Leiterin des. Institutes, dessen Vorlesung- verzeichnis auf Wunsch frei zugesandt wird. Werbet Mitglieder! Dr. jur. ERICH DAVID Beratung und Vertretung in deutschen Rechtsangelegenheiten. Büro: 226 EAST 86th STREET Telephone: REgent 4-1 444 A NEW DEAL Kaufen Sie keine Geschenke für andere, sondern machen Sie sich selbst ein nützliches Geschenk, von welchem Sie eine jahrelange Freude haben werden. In grosser Auswahl zu be- deutenden Preis- ermässi- gungen Clubs Photo-Apparate Film-Kameras Vorführungs-Apparate Film-Verleih mit und ohne Maschine für das Haus — Gesellschaften JACK ROSENTHAL FILM CENTER GEBÄUDE—ROOM 908 630 NEUNTE AVE. zwischen 44. und 45. Str. NEW YORK CITY Telephon: LAckawanna 4-0077, 4-0083 JOS. H. WHITE Vertreter HARRY GORDON Vertreter REPARATUREN von erstklassi- gen Fachleuten ausgeführt. 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