(XOFB ej0 W UMMMH rXACHRICHTErXBLATT DE 5 SERMflIVJEWISH CLUB ls\C.,sBU VORK, sYY 1. Jahrgang_DOPPEL-NUMMER JULI-AUGUST 1935 <^*119_No. 8/9 Tolstoi und das Judentum. So leidig die Fragestellung auch sein mag, die alle möglichen Probleme, Bewe- gungen, Gestalten durch ein magisches. "UND" mit dem Judentum in Beziehung setzen will, so darf doch wohl der Blick gerechtfertigt sein, der die Auseinander- setzung der grosisen russischen Schriftstel- ler des 19. Jahrhunderts mit jüdischen Fra- gen trifft. Für die heroische Epoche der russischen Kritik, die den Kampf gegen den zaristischen Despotismus im Sinne der bür- gerlichen Emanzipation ausfocht, war die Judenfrage schon als Paradigma unhalt- barer Zustände in politischer, wirtschaft- licher, sozialer und kultureler Hinsicht akut. (Sie stellte sich für Tolstoi von vornherein doppelt als die nach der lebendigen Lage der Juden seiner Umwelt und des Juden- tums als eines bestimmten fixierten Sys- tems, das, den Philosophen unchristlicher Erneuerung zur Stellungnahme drängte. Zu ihrem Verständnis ist eine kurze Benennung von Tolstois Position unumgänglich. Sein Ausgangspunkt ist die Frage: was sollen wir tun?, die sich als die Frage de«, aristo- kratischen Grundbesitzers zuspitzt: was soll ich, Leo Tolstoi, tun, um mein Unrecht, dass ich jeden Augenblick als Angehöriger einer ausbeutenden Klasse begehe, wieder gut zu machen? Im Gegensatz zu dieser letzten Endes privaten, gar individualisti- schen Fragestellung steht Dostojewskis bür- gerlicher, letzten Endes imperialistischer Panslavismus: wie soll das russische Volk erträglich leben ? So wird für Dostojewski die Judenfrage in den allgemeinen Rahmen der russischen politischen Geschichte und ihrer Tendenzen gestellt, und so kann Do- stojewski zum nationalen Ankläger werden, der die Unvereinbarkeit des gemeinsamen Lebens der beiden Völker lehrt. Tolstoi hingegen setzt in seiner, auf seine persön- liche Situation bezogenen Stellung, der Ju- denfrage die Ueberschrift: "Wir haben ge- sündigt." Anders als Dostojewski hat Tolstoi nie systematisch sich zur Judenfrage geäussert. Freundschaftliche Beziehungen führen zu Von Siegmund Goldmann. seinem hebräischen Lehrer, dem Rabbiner Minor aus Moskau, dem Musiker Goldenweis- ser, dem zum Judentum übergetretenen rus- sischen Bauer Bondariow; rege Gespräche mit dem Schriftsteller Teneromo und ein über zwanzig Jahre sich erstreckender ge- legentlicher Briefwechsel mit Faiwel Goetz gelten jüdischen Fragen; Berthold Auerbach wird von ihm durch einen Dresdner Besuch, bei dem er sich mit dem Wort: "Ich bin Eu- gen Baumann" einführt, zugleich erschreckt und beglückt. Dieser jüdische Verkehr fand ihn stets liebenswürdig, so wie auch von ihm ein persönlich ablehnendes, Wort nicht bekannt geworden ist. Die Ursachen des Antisemitismus fand der Nationalist Dostojewski bei den Juden selber, gegen die er eine dreifache Anklage erhob: die psychologische, daias sie das Volk des Hochmuts und der Jammer ei seien, denen Not und Unglück ein Verdienst und propagandistische Mitteilung dieses Zustan- des eine moralische Grosstadt sei; die theo- logische des intoleranten Rigorismus, der Orthodoxe und Liberale gleichermassen be- herrsche; die ökonomische, dass das Juden- tum Geist und Repräsentant des Kapitalis- mus sei. Tolstoi hingegen klagt die Nicht- juden an. Als das Gesetz über die Ansied- lumgsrayons herauskommt, findet er nur "Verabscheuung der von der russischen Re- gierung gegen Juden vorgenommenen Mass- nahmen, welche einige Jahrhunderte hinter ihrer Zeit zurückgeblieben sind." Als ihn Solowjeff zu einer gemeinsamen Protest- aktion auffordert, bestätigt er ihre Soli- darität in der "Verabscheuung der Mass- nahme zur Unterdrückung der jüdischen Nation", die das "Bewusstsein des brüder- lichen Bundes, mit allen Völkern und umso mehr mit den Juden verletze, unter welchen Christus geboren wurde, und die viel ge- litten und noch immer von der heidnischen Unwissenheit der sogenannten Christen lei- den." In einer dreifach sich steigernden Kritik analysiert er über den Einzelanlas,s hinaus den gesellschaftlichen Antisemitis- mus. Er ist ihm zunächst eine pathologi- sche Erscheinung, "ein krankhaftes, schäd- liches Gewächs, das der gleichen Kultur- und Gesellschaftslage entspringt, in der die Dämonien des Trieblebens ihre ungehin- derten Triuimpfe feiern." Der Antisemitis- mus ist das Korrelat des geschlechtlichen Sadismus; "er enthält alles, die Galle des Hasses, den Speichel der Tobsucht, das Lä- cheln des Verräters, der Trunkenheit, der Vergewaltigung, der Brandstiftung und al- les, was nur die dunklen Tieifen einer menschlichen Leidenschaft bergen könnte."" Aber dieses Gift wirkt nur unter bestimm- ten gesellschaftlichen Bedingungen, est ist ein sittliches Moment, das seine Wirksam- keit ermöglicht. Das Symptom der Sitten- verderbnis! tritt überall auf, wo Herz und Verstand vergiftet, das heisst nach Tolstoi, wo "verfaulte und schmutzige" obere Schich- ten den Verführungen einer materiell über- züchteten Kultur erliegen. Schliesslich be- zieht Tolstoi den Antisemitismus seiner Zeit auf diese selbst, das heisst auf die bürger- liche Gesellschaft, und spürt in ihm die Konkurrenzfurcht der Bourgeoisie. Die Ge- fahr besteht, dass sich daraus eine Volk- und Bauertum ergreifende Epidemie er- gehen könnte: "Dort in den hohen Kaser- nen der duimpfen Städte geht bei ihnen der Kamipf mit dem abgequälten Judentum vor, und hartherzig, wie sie einmal sind, denken sie in diesen Kampf auch unser vernünfti- ges Volk hineinzuziehen, dem böse Gefühle wie Unduldsamkeit gegen andere immer fremd waren. Sie denken, dass der mit ih- nen konkurrierende Jude, Advokat oder Arzt, dem Volke ebenso fürchterlich ist wie ihnen." Tolstois letzten Endes unrevolutionäre Haltung, die all seinen noch so erschüttern- den Aussagen ein privates, und unverbind- liches Gepräge verleiht, verrät sich in dem Trost, den er einem Juden gibt, als er über den Antisemitismus klagt: "Ich wünsche Ihnen . . . Ueberwindung des Bewusstseins der Beleidigung, welche Ihr Volk erleidet. Dieses Bewusstsein ist wohl sehr qualvoll und vergiftet das Leben. Ich denke, dass man dieses Gefühl durch Verzeihung und (Fortsetzung auf Seite 5) 2 AUFBAV Moses, Bermeo&Haas Anwälte für aus- ländisches Recht s Beratung u. Korrespondenz in allen deutschen Rechts- angelegenheiten, Prozess- und Erbschaftssachen. V ertragsent würfe Firmengründungen Geldtransferierungen Einwanderungen • FRITZ MOSES vorm. Landgericht Berlin prakt. seit 1926 in New Yoijc « ALFRED HAAS vorm. Deutscher Rechtsanwalt « 2 RECTOR STREET NEW YORK, N. Y. Telephon: DIgby 4-7595 Bücher und Zeitschriften DER EMIGRATION Grösste Auswahl an Neuerscheinungen "Die Neue Weltbühne" "Das Neue Tagebuch" "Europäische Hefte" "Neue Deutsche Blätter* u. a. m. KATALOG AUF WUNSCH MODERNE DEUTSCHE BUCHHANDLUNG 250 HAST 84th STREET NEW YORK CITY Phone REgent 4-1522 Soziale Fürsorge Stellenvermittlung. Unsere Vermittlungsstelle ist täglich (mit Ausnahme von Sonnabend und Sonntag) zwischen 10 und 12 Uhr vormittags unter der Telephonnummer Washington Heights 7-7853 erreichbar. Persönliche Besprechungen nur nach vorheriger tele- phonischer Verabredung. Wir bitten alle, die von irgend welchen Arbeitsmöglich- keiten hören, dies sofort an obige Stelle zu berichten. Alle Auskünfte in Bezug auf Einwanderung, Einbürgerung, Uebersendung der 1. und 2. Bürgerpapiere, sowie Beratung in Krankheitsfällen und Verweisung an zuständigste Stel- len erteilt Herr Alfred Katzenstein, 395 Fort Washington. Ave., New York City. Wir ersuchen, alle Anfragen nach Möglichkeit schriftlich zu stellen. Jedem, der sich mit den öffentlichen Institutionen des amerikanischen Staatslöbens vertraut machen will, sei auf die informationsreiche Broschüre "How to become an American Citizen" verwiesen, die jedem Mitglied auf Wunsch unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird. ENGLISCHER UNTERRICHT. Wir haben mit Unterstützung des "Board of Education" Ferien-Sprachkurse für Neu einwander er eingerichtet. Am Unterricht Interessierte werden gebeten, sich bei einer der folgenden Stellen direkt anzumelden. Unterrichts-Abende: Dienstag u. Donnerstag von 8—10 Uhr. Young Women's Hebrew Association, 31 West 110» Str., New York City. Für Anfänger und Fortgeschrittene. Youns Men's and Women's Hebrew Association, 178. Strasse und Fort Washington Ave., New York City. Für Anfänger und Fortgeschrittene. Congress House, 50 West 68. Str., New York City. Nur für Anfänger. Jacob H. Schiff Center, 2520 Valentine Ave., Bronx, N. Y. (Nähe Fordbam Road und Grand Concourse.) Für An- fänger und Fortgeschrittene. Pacific Branch Library, Fourth Ave. und Pacific Str., Brook- lyn, N. Y. Für Anfänger und Fortgeschrittene. Die Brook- lyner Schule ist durch den "National Council of Jewisih Women" eingerichtet. Die Unterrichtsstunden sind hier von 7—9 Uhr abends. Wir machen darauf aufmerksam, dass der Unterricht in allen aufgeführten Schulen nicht nur Mitgliedern, sondern auch Freunden unserer Organisation unentgeltlich erteilt wird. In jeder Nummer des "Aufbau" hat die Schriftleitung bewusst einen Auszug aus den Statuten abgedruckt, um insbesondere unseren neuen Mitgliedern und Freunden ein- zuhämmern, dass der Club sie nicht nur zu aufrechten selbst- bewussten Juden, sondern auch zu guten amerikanischen Bürgern heranbilden will. Trotzdem werden uns immer wieder Fälle berichtet, durch die bewiesen wird, dass die Wichtigkeit und Tragweite noch nicht voll erkannt ist, sofort nach der Landung alle Schritte zu unternehmen, um amerika- nischer Staatsbürger zu werden. Viele Mitglieder haben Schwierigkeiten bei der Ausstellung von Affidavits, da sie weder Bürger sind noch ihre ersten Papiere herausgenommen haben, obwohl sie schon längere Zeit hier im Lande sind. Gerade in den letzten Tagen sind in der Presse beunruhi- gende Nachrichten über Tendenzen erschienen, zu gewissen Arbeiten nur noch amerikanische Bürger, unter allen Um- ständen aber nur solche Ausländer zuzulassen, die im Besitz der ersten Papier sind. Da niemand weiss, in welchem Um- fang und zu welchem Zeitpunkt solche Tendenzen sich zu Gesetzen aus wachsen, fordern wir unsere Mitglieder und Freunde im Sinne unserer Statuten auf: Unternehmt unverzüglich alle Schritte, um amerikanische Staatsbürger zu werden! Dr. F.Schlesinger Klub-Zahnarzt 308 OST 79. STRASSE NEW YORK CITY Tel.: RHinelander 4-5643 ravei INH. WALTER PLAUT Autorisierter Agent für Schiffahrts-, Flug-, Bus» und Eisenbahnlinien. • Fahrkarten zu Origi- nal-Preisen. Kostenlose Auskunft in Einwande- rungsfragen. LEBENS-, UNFALL-, GEPÄCK-VERSICHE- RUNG. • VERGNÜGUNGS- REISEN - CRUISES Tel.: CAledonia 5-1432 Nach Geschäftsschluss und Sonntags Tel.: LExington 2-7803 79 MADISON AVENUE Ecke 28. Str. New York City AUFBAU 3 Monats-Programm Während der beiden Sommermonate Juli und August werden Ver- anstaltungen im Klubhaus nur jeden zweiten Mittwoch abgehal- ten. Der dazwischen liegende Mittwoch wird durch Veranstaltun- gen anderer Art, wie aus dem Programm ersichtlich, ausgefüllt. Juli 1935 Mittwoch, den 3. Juli: Gemütliches Beisammensein mit Tanz. Erfrischungen frei. Eintritt: Mitglieder 25c, Gäste 40c. Mittwoch, den 10. Juli: Rudern im Bronx Park. Treffpunkt: 8.15 Uhr abends, Subway Station der 7. Ave. Linie, 180. Str. Bronx Park. Mittwoch,-den 17. Juli: Vortrag: Das neue China. Redner: Dr. Rudolf Katz. Der chinesisch-japanische Konflikt hat China wiederum, wie schon so oft in der Geschichte, in den Mittelpunkt des Welt- interesses gestellt. Der Redner, früherer Rechtsanwalt in Altona, wurde als Mitglied einer Kommission des. Völkerbundes nach China gesandt, um der dortigen Regierung bei der Organisation des Verwaltungsapparates behilflich zu sein, Er hatte dort Ge- legenheit, die Verhältnisse aus erster Hand zu studieren. Eintritt: Mitglieder frei, Gäste 25c. Mittwoch, den 24. Juli: Dampferfahrt nach Atlantic Highlands. Treffpunkt: 8 Uhr aibends vor dem Aquarium, Battery Place. Rundfahr kosten 50c. Mittwoch, den 31. Juli: Vortrag: Jüdische Jugend in Deutschland 1933—1935. Redner: Herlbert Croner. Der Redner war im "Reichsausschuss jüdischer Jugendverbände" tätig. In dieser Eigenschaft ist er sicher die geeignete Person, uns ülber alle diesen Problemkreis betreffenden Fragen die beste und zuständigste Auskunft gelben zu können. Eintritt: Mitglieder frei, Gäste 25c. August 1935 Mittwoch, den 7. August: Gemütliches Beisammensein mit Tanz im Cliff House. Treffpunkt: 7.45 Uhr abends, Ecke 181. Str. und St. Nieholas Ave. Mittwoch, den 14. August: Vortrag: Populäre Medizin. Redner: Dr. Hans J. Behrrend. Der Vortrag soll Wert und Nachteile der medizinischen Laien- aufklärung behandeln. Der Redner war früher medizinischer Re- ferent einer führenden Berliner Tageszeitung und fungierte als Berichterstatter bei wichtigen medizinischen Kongressen. Er war der Herausgeber des bekannten Buches 'Die Frau als Hausärztin'. Eintritt: Mitglieder frei, Gäste 25c. Mittwoch, den 21. August. Besuch des Konzertes der "Goldman Band" Treffpunkt: 8.15 Uhr abends, Central Park Mall vor dem Beethoven Denkmal. Mittwoch, den 28. August: Buchbesprechung: Werke von Sholom Ash. Redner: Fred S. Gottschalk. Wir freuen uns, dass gerade unser Mitglied Fred Gottschalk, an dessen frühere Buchbesprechungen viele sich noch gern erinnern werden, es übernommen hat, die Werke des bekannten jüdischen Schriftstellers zu behandeln. Eintritt: Mitglieder frei, Gäste 25c. » Alle Vorträge finden im Klubhaus, 210 West 91. Strasse, statt. Beginn 9 Uhr abends. Auskünfte in allen Klubangelegenheiten erteilt der Sekretär, Fred H. Bielefeld, 28 W. 90. Strasse, Tel.: SChuyler 4-1579. Kport-Programm Juli 1935 Donnerstag, den 4. Juli: Badeausflug nach Rockaway Beach. Treffpunkt: Oberer Warte- saal der Atlantic Av. Long Island Railroad Station, Brooklyn, 9.25 Uhr morgens. Nachzügler treffen uns am Strand zwischen 94. und 95. Str. (Holland Station), Waverly Bath. Fahrpreis 50c, Baden 25c. Sonntag, den 7. Juli: Siehe Donnerstag, den 4. Juli. Sonntag, den 14. Juli: Badeau;,flug nach Rockaway Point. Treffpunkt: Sheepshead Bay Station der Brighton Beach Linie der B. M. T., 9.15 Uhr morgens. Fahrpreis einschliesslich Baden 75c. Sonntag, den 21. Juli: Siehe Donnerstag, den 4. Juli. Sonntag, den 28. Juli: Siehe Donnerstag, den 4. Juli. August 1935 Sonntag, den 4. August: Badeausflug nach Rockaway Point. Näheres siehe Sonntag, den 14. Juli. Sonntag, den 11. August: Sonntag, den 18. August: Sonntag, den 25. August: , Badeausiflüge naoh Rockaway Beach. Näheres siehe Donnerstag, den 4. Juli. Tennis: Jeden Samstag nachmittag 5.30 Uhr in den Hamilton Tennis Courts, Dyckman Str. und Nagle Ave. (Dyckman Str. Sta- tion der Broadway 7. Ave. Linie.) Während des Monats AUGUST lassen wir die Tennis-Nachmit- tage der Hitze wegen ausfallen. Unser Badeplatz ist zu erreichen: Von Pennsylvania Station nach Holland Station, Rockaway: Sonntag — Hin und zurück---------------------------- 70^ Montag bis Freitag — Hin und zurück------------------ 50

Zionism a Solution of the Jewish Question?" In geistreicher und witziger Rede, die diversen Pros und Contras des Zionismus in objektiver Weise explizierend, verstand es der Referent, das Interesse seiner Zuhörer für seinen Gegen- stand gefangen zu nehmen. Die lebhafte Diskussion, die unsere zionistischen Freunde — und zwar in schärfster Opposition zum Referenten, der ihnen nicht zionistisch ge- nug schien — in die Wege leiteten, bezeugte den regen Anteil, den unsere Mitglieder an einem solchen Thema nehmen. In ihrem Vortrag über die "Deutsche Ju- gendbewegung" berichtete Frl. Dr. Halber- stede mit viel Sachkenntnis und Verständ- nis vom Aufstieg, der Blütezeit und dem Verfall der deutschen Wandervogel-Organi- sationen. Als Reaktion auf einen plattea und satten Vulgärmaterialiismus entstand im bürgerlichen Lager die Jugendbewegung, die schon bei ihrer Geiburt alle die ideolo- gischen und charaterologischen Elemente in sich tragen und bei ihren Trägern entwik- keln musste, die dem heutigen faschisti- schen Mordgesindel so stark zugute kom- men. Die an das Referat sich anschliessen- den Fragestellungen und Debatten bilrieien die Basis für weitere Ergänzungen und Vertiefumgen des Themas, das ein Stück Vergangenheit behandelte, dem so mancher von uns ein sentimentales Andenken be- wahrte. "Material and Cultural Conditionis of Present-Day Germany" war das Thema von Herrn Richard Roiderer. In seiner ein- fachen und bescheidenen Art schilderte er uns seine eigenen wenig angenehmen Er- fahrungen mit der Hitler-Diktatur und be- stätigte noch einmal deutlich, was viele von uns, die wir selber erst vor kurzem hierher gekommen sind, gehört, gesehen und am eigenen Leibe bitter erfahren haben. Wir sehen auch imimer klarer: der Kampf, den wir gegen die Ungerechtigkeit, die den Ju- den zugefügt wird, führen, ist ein Kampf gegen die Ungerechtigkeit schlechthin. Am 23. Juni fand, als Abschluss und Er- holung von der "anstrengenden" Tätigkeit des verflossenen Monats, unsere alljährliche Autobusfahrt nach Lake Ronkonikoma statt. Die grosse Erwartung, die unsere Freunde NEU-AUFN AHMEN. Dr. Adolph N. Abraham, Dr. Kurt F. Falkson, Rose Günsberg, Dr. Robert Neu- mark, Sol Sternfels, Wax Wetzler. Wir bitten unsere Mitglieder, ihre rück- ständigen Mitgliedsbeiträge umgehend zu bezahlen. Gleichzeitig wird dringend gebeten, bei allen Veranstaltungen im Klubhaus Mit- gliedskarten am Saaleingang vorzuzeigen. auf diesien Ausflug gesetzt und die sich darin äusserte, dass die meisten sich lange vor der festgesetzten Zeit am Treffpunkt einfanden, wurde auifis höchste erfüllt. Das Wetter und die Stimmung waren prächtig. Es wurde gespielt und gesungen. Man hatte seinen Spass, der sein muss, es sei wie es sei. Wenn es den Hitler nicht gäbe, wäre überhaupt so manche kleine Freude ungetrübt und man brauchte nicht ein Ge- wissen zu haben, das gleich schlägt, wenn man etwas geniesst, an dem so viele unse- rer Besten nicht teilhaben können. • Gruss an Thomas Mann! In diesen Tagen feierte Thomas Mann, der sich augenblicklich in den Vereinigten Staaten aufhält* und zusammen mit unse- rem Albert Einstein durch die Verleihung des Doktortitels h.c. einer berühmten ame- rikanischen Universität öffentlich geehrt wurde, seinen 60. Geburtstag. Tiefstem inneren Bedürfnis entspräche es, könnte ich jetzt hier dem grossen Schriftsteller auli: dem langen, oft ver- schlungenen Wege des Werdens seines Künstlertums folgen. Könnte ich Bekennt- nis ablegen zu den "Buddenbrooks", seinem Meisterstück, das ihm, rechtens, den Nobel- preis eintrug und in dem er so klassisch mit der Schilderun er des Schicks als von vifer Generationen den Verfall einer Familie, den Verfall der bürgerlichen Welt überhaupt, beschrieb! Diese "Buddenbrooks" sind wahr- lich eines der repräsentativsten Werke des bürgerlichen Zeitalters; der Literarhistori- ker der Zukunft wird sie in eine Reihe stel- len mit den anderen grossen deutschen Ent- wicklungsromanen, wie Goethe® "Wilhelm Meister" und Kellers "Gruener Heinrich". Könnte ich nur gestehen, wieviel mir "Der Zauberberg" bedeutete, der andere grosse Entwicklungsroman, ein zweibändi- ges Buch, das ich mit wahrer Leidenschaft in mich aufnahm, dessen Auslastungen über Zeit und Raum, zwei Kategorien, über die Kant so umständlich und schwer philoso- phiert, ob ihrer Leichtigkeit und1 Schwere echte Begeisterungsausbrüche bei mir zei- tigten; wie dieser Roman mich wie eine Fortsetzung der "Buddenbrooks" berührte, weil er gewisse Typen der bürgerlichen Ge- sellschaft auf einer weiteren Stufe der Ent- wicklung gestaltete und hoffen liess, dass diese Menschen endlich den Sprung aus dem elenden Reich der Notwendigkeit in das Reich der inneren und äusseren Freiheit wagen würden. Könnte ich ferner sagen, wa« für Genug- tuung und geistige Anregung mir auch seine kleineren Arbeitern verschafften, wie "Tonio Kroeger", der spätbürgerliche Wer- ther, der eine Synthese _ sucht zwischen Künstlertum und Bürgerlichkeit, zwischen Intellektualismus und stiller Einfalt, oder "Unordnung und frühes Leid", jene kost- bare, köstliche kleine Erzählung vom er- sten Liebesschmerze eines kleinen Mäd- chens! Aber der Umbruch, der sich im zivilen und "geistigen" Leben Deutschlands voll- zog, hat starke Zweifel in mir geweckt gegenüber Persönlichkeiten, die nicht klar und eindeutig gegen die herrschende Bar- barei und für den Geist und die Humanität laut Zeugnis ablegen, dmr die Humanität, in deren Diensten man einen integrierenden Teil seines Lebens wähnte. Thomas Mann aber hat bisher, anders als sein beherzter, prächtiger Bruder, geschwiegen. Freunde, die es gut mit ihm und mit uns meinen, sprechen, indem sie die Stirn bedeutsam falten, von seinem ach, so "beredten Schwei- gen" und verweisen auf sein Letztes, auf (Fortsetzung auf Seite 7) I TOLSTOI UND DAS JUDENTUM. (Fartsetzung von Seite 1) durch Liebe zu den Feinden überwinden kann, und wünsche es Ihnen von ganzem Herzen." Hier spricht der sozial saturierte Agrarmagnat, dem die Veränderung der Wirklichkeit im Gedanken freilich genügen mag, während nur dem an der Organisation der Gesellschaft real Leidenden der Ge- danke an die Wirklichkeit vor allem ihre praktische Veränderung fordert. Doch ist dies nicht die entscheidende Ant- wort, die Tolstoi auf die Judenfrage zu ge- ben hat. Wie Dostojewski glaubt auch er, dass eine solche Frage überhaupt nicht ge- stellt werden dürfe; macht aber jener den national-religiösen Egoismus der Juden ver- antwortlich, so begründet Tolstoi, unhisto- risch und den letzten Entscheidungen im- mer zugewendet, die Sinnlosigkeit der Ju- denfrage religiös: "Meine Beziehung zu den Juden kann keinfe andere sein als, die Beziehung zu Brüdern, die ich nicht dafür liebe, weil sie Juden sind, sondern weil wir, wie alle Menschen, Söhne eines Gott-Vaters sind, und diese Liebe erfordert von mir keine Anstrengung, da ich guten Menschen unter den Juden begegnet bin und sie kenne." Da aber die Kulturorganisation der Gegenwart nicht die Voraussetzungen brüderlichen Lebens unmittelbar bietet, so wünscht Tolstoi die Judenfrage unter den gleichen Voraussetzungen zu lösen, die er allein für die Schaffung einer bejahenswer- ten Gesellschaftsordnung anerkennt, er for- dert "diesen durch tausendjährige Verfol- gung ermatteten Stamm" auf, ins. Dorf zu kommen, wo er ihnen warme Begrüssung durch die Dorfleute, Wohlwollen und Arbeit verheisst. Das Dorf kennt weder Hass ge- gen einen Glauiben noch gegen eine Natio- nalität; dort werden die Märtyrer Ruhe fin- den. Ob Tolstoi sich von dem Motiv hat leiten lassen, die Märtyrer mit den Mär- tyrern zusammenzuführen? Ob hier die gleiche soziologische Hilfslosigkeit obwaltet, die, da er selbst sich der Ungerechtigkeit der gegenwärtigen Gesellschaftsordnung er- freut und gerade darum an ihr leidet, nur den Ausweg findet, das allgemeine Lebens- niveau nach unten anzugleichen, anstatt es, und sei es mit Gewalt, zu erhöhen? Wie dem auch sei: er glaubt, die Bauern lieben und verehren die Juden, weil sie für ihren Glauben gelitten. "Es gibt keinen ungläu- bigen Juden." Diesen Satz Dostojewskis übernimmt auch Tolstoi, freilich mit völlig umgekehrter Wertung. Die Annahme liegt nahe, dass ein Mensch, der die Judenfrage durch die Landbesiede- lung zu lösen wünscht, der auch aktiv An- teil genommen hat an den Anfängen jü- discher Kolonisation mit amerikanischem Gelde, eine bejahende Stellung zum Zionis- mus einnehmen müsste. In Wirklichkeit erscheint er ihm als die schreckliche Krank- heit eines klugen und erfahrenen Volkes. In ihm findet er zunächst den ihm wider- wärtigen Apparat des, äusseren Nationalis- mus, der sich dem Rausch der völkischen Oberflächenerscheinung —_ Militär, Staats- organisation, Fahnen, Gerichte — hingibt. Nur Schwächlinge und Wichtigmacher, vom äusseren Glänze geblendet oder charakter- lich ihm verpflichtet, lassen sich von einer solchen Bewegung mitreisten. Die grösste Sünde aber begehen Führer, die eine Be- wegung als fortschrittlich ausgeben, weil sie ein freies, selbständiges Leben an den Stätten grosser Vergangenheit ermögliche. Europas Kanonen verlocken die Führer, aus den Patriarchengestalten der Bibel heiss- blütige Krieger zu machen. Für Tolstoi ist der Zionismus ein ungeheurer Rückschritt: das Volk ist doch schliesslich kein Archae- ologe. Warum sollen denn Millionen plötz- lich ihre Heimat verlassen ? Hat nicht die AUFBAU Verbundenheit mit ihr die Rückkehr zahl- loser nach Amerika Ausgewanderter ge- zeigt, die doch wussten, dass sie in Russ- land allen möglichen Quälereien wieder aus- gesetzt würden ? Und schliesslich: Warum ist denn das Volk in den letzten achtzehn- hundert Jahren nicht zurückgekehrt ? Ge- rade in diesem freiwilligen Exil erblickt Tolstoi das eigentümliche und grossartige Schicksal des Volkes. "Die wahre Tiefe des jüdischen Geistes ist gegen das, aibge- sonderite territoriale Vaterland." Als Rabbi Jochanan von Vespasian die Erlaubnis zum Bau des Lehrhauses in Jahne erbat, war das der grosse Augenblick der jüdischen Geschichte, weil sich da der "Tausch des Körperlichen mit dem Geistigen" für alle Völker der Erde vorbildlich vollzog. Tolstois kritische Stellungnahme steht zu allen jüdischen Hauptrichtungen in irgend- einer bestimmten Beziehung. Mit der alten Orthodoxie liebt er den Juden zu sehen, wie er über die Bibel vertieft sitzt, kaum vom Schaum des. Wasserfalls der Kultur be- spritzt, unberührt von allem, äusseren Ge- schehen. Mit dem Liberalismus teilt er die missionshafte idealistische Auffassung vom Judentum als der Gestaltung eines bestimm- ten geistigen Prinzips, teilt er darum auch die Geignerschaft zum Zionismus. Aber es ist von Bedeutung, dass diese Feindschaft gegensätzlich begründet wird; denn der li- beralen Auffassung des europäischen We- stens ist der Zionismus zu kulturfern, wäh- rend ihn Tolstoi gerade wegen seiner Be- ziehungen zu den Lebensf ormen und Ideolo- gien des kapitalistischen und imperialisti- schen Westens bekämpft. Mit dem Zionis- mus selbst hat Tolstoi gemein die Auffas- sung von den Juden als einer völkischen Gemeinschaft, eine Auffassung, die bei den Voraussetzungen jüdischen Lebens in Russ- land als selbstverständlich erscheinen muss: zugleich teilt er sich in dem Lösungswunsch der Judenfrage durch kleinbäuerliche Kolo- nisation mit der modernen Phase des Zionis- mus. Die heftige Kritik am Zionismus läsist eine ausgebildete Theorie des Judentums vermuten. Und in der Tat spielt Tolstoi das lebendige Judentum gegen das, derzei- tige Leiben der Christen aus. Denn indem f ür die russische Orthodoxie im Mittelpunkt ihrer Theologie die Lehre von der Kirchen- busse steht, die die Erlösung erzwingt, ist die Befreiung von allen sittlichen Pflichten gegeben, ist die Kluft zwischen Theorie und Praxis mit Geld auszufüllen. "Ich denke über die jüdische Frage das . . . dass die sittliche Lehre des Judentums und die Pra- xis ihres Lebens unvergleichlich höher ste- hen als die sittliche Lehre und die Praxis unserer quasi-christlichen Gesellschaft . . . daher muss das Judentum, das an der sitt- lichen Grundlage, welche es bekennt, fest- hält, in allem, was das Ziel der Bestre- bungen unserer Gesellschaft ausmacht, die Quasi-Christen übertreffen, welche aller sittlichen Prinzipien bar sind, und daraus entsteht Neid, Hass und Verfolgung." Son- derbar, wie hier Tolstoi der ökonomischen und moralischen Analyse des Antisemitis- mus eine psychologische zugesellt, die an die moderne tiefenpsychologische Konstruk- tion vom Schuldgefühl erinnern mag, das sich in feindliche Aktionen gegen den um- setzt, gegen den man sich schuldig fühlt. Tolstoi erzählt in seinem Buch "Mein Glaube", wie er einst mit einem Rabbiner das fünfte Kapitel Matthäi gelesen, wie die- ser bei allen Aussprüchen die Herkunft aus Bibel und Talmud oder ihre innere Ver- wandtschaft aufgewiesen habe. Mit einer einzigen Ausnahme: "Als .wir aber an den Vers gelangten: Widerstrebe nicht dem Uebel, sagte er nicht: auch das steht im Talmud, sondern fragte mich nur spöttisch: ■■ ' ' -5 Und erfüllen dies, die Christen ? Bieten sie den anderen Backen dar ?" Tolstoi musste gegenüber dieser Frage verstummen, frei- lich nicht, weil er den moralischen Inhalt des Satzes angezweifelt, sondern weil er der mo- ralischen Unzulänglichkeit seiner Glaubens- genossen sich schämte. Es liegt Tolstoi fern, die Frage zu untersuchen, ob jener Satz des Neuen Testaments aus einer bestimmten historischen Situation zu erklären sei und ob unter veränderten Bedingungen ein sol- cher Satz überhaupt keine oder eine gänz- lich veränderte Bedeutung haben könnte. Wenn Tolstoi also dem Rabbiner gegenüber verstummt, so zwingt ihn ein Schuldgefühl, nicht eine theoretisch veränderte Einsicht zum Schweigen: "Mit dieser Frage sagt er mir, dass das Bestehen einer solchen Vor- schrift im christlichen Gesetze, die nicht nur niemand befolgt, sondern die von den Christen selbst sogar als unausführbar an- erkannt wird, ein Eingeständnis der Unver- nünftigkeit und Nutzlosigkeit dieser Vor- schrift ist. Und ich konnte ihm nichts da- rauf erwidern." Das letzte Wort Tolstois ist aber damit nicht gesprochen, vielmehr war sein Lob für die Juden vor allem po- lemisch gegen die Christen gemeint. Wir sagten oben, dass Tolstoi gleich Dostojew- ski für eine radikale Lösung der Art sei, dass es überhaupt keine Judenfrage mehr gäbe. Aber haben sich die Beiden bereits in der politisch aktuellen Begründung un- terschieden, so noch mehr in der allgemei- nen theoretischen. Für den ideologischen Vorkämpfer des, sich industrialisierenden und imperialistischen Zielen zustrebenden russischen Bürgertums ist die Ermöglichung eines bewusst nationalen Staatslebens ein wesentlicher Lehrsatz. Die Juden, die durch ihre nationale und kultische Eigenart sich von der Lebensweise ihrer Umwelt sondern und so gleichsam einen Staat im Staate bilden, sind für Dostojewski ein Hemmnis für die nationale Entfaltung der Russen. Tolstoi hingegen, der paulinisch weltbür- gerliche Asket, sieht in dem Fortbestehen nationaler und damit verknüpfter kulturel- ler Eigenarten die Sünde schlechthin. "Wie mir zuwider, ja abscheulich Angelsachsen- tum, Germanentum, Slaventum (mir ganz besonders Slaventum), so widerlich ist mir Judentum als irgendein abgesondertes Prin- zip, welches sich eigenmächtig in ein be- sonderes Amt oder Würde erhebt." Eine vertiefte soziologische Betrachtung könnte vielleicht zeigen, wie Tolstois Auffassung vom vorgegebenen Kulturziel aller Natio- nen, dessen Verwirklichung ihre möglichst rasche Aufhebung zur Voraussetzung hat, sich mit den zu ihrer Zeit fortgeschritten- sten Theorien des aufgeklärten französischen Adels und Grossibürgertums im 18. Jahrhun- dert deckt, ein Hinweis zugleich auf die langsam sich vollziehende, aber nach den gleichen Gesetzen wie im Westen Europas "bewirkte ökonomische Entwicklung Russ- lands. Die Brüderlichkeit als Gleichheit der Menschen kehrt auch in Tolstois Worten wieder, dass "der Jude, der Deutsche und der Russe, nichts besseres zu tun halben und zu nichts, anderem streben sollen als möglichst vernünftig und besser zu werden, vergessend ihr Slaventum und ihr Juden- tum." Freilich wie immer bei Tolstoi wird diese im Grunde weltfreudige Theorie, nach der Ablösung vom Diesseits zu umgebogen. Der Fortschritt des Christentums, besteht für ihn darin, dass es grundsätzlich die Früchte des menschlichen Lebens nicht auf dieser Erde zu ernten vermag. "Moses hätte mit seinem Volk in das, gelobte Land noch einziehen können. Christus aber könnte die Früchte seiner Lehre auch jetzt noch nicht sehen, wenn er sogar bis jetzt gelebt hätte. Das eben muss man lernen." So schreibt der siebzigjährige Tolstoi in sein Tagebuch 6 AUFBAU Photo-Apparate V® «r°"?r mm s aUSWAQI Film-Kameras r zu be- Vorführungs-Apparate / de2te?den ... ,, , .. rr I Preis- Film-Verleih V ermä««- mit und ohne Maschine / gungen für das Haus — Gesellschaften — Clubs JACK ROSENTHAL FILM CENTER GEBÄUDE—ROOM 908 630 NEUNTE AVE. zwischen 44. und 45. Str. NEW YORK CITY Telephon: LAckawanna 4-0077, 4-0083 JOS. H. WHITE Vertreter HARRY GORDON Vertreter REPARATUREN von erstklassi- gen Fachleuten ausgeführt. . 5 PHDNE: CH £lsea\3 - Cr6 51 *2\| FOD UTERATU*E\AND INFORMATION 122-Sth Avbnui (at lBti ^r.) New York City » FIRST AND OLDEST AGENCY SPECIAIIZIING IN TRAVEL TO PALESTINB IMMIGRATION VISA INFORMATION 'RB1 20,000 SATISFIE AMERICAN PAT RTIIIÖHAM M □sentourS nach einem Leben vitalster Quälereien, wie schliesslich doch hier unter uns das Ziel eines leben&werten Leibens verwirklicht werden könnte! Und es klingt wie eine ge- wagte, ins Ueberzeitliche gesteigerte Beichte, wenn er wenige Tage sptäer aus- ruft: "Irdischer Zwecke halber leiben — was für ein offenkundiger Irrtum! Wenn dieser Zweck nichlt ein ganz egoistischer ist, so kann er bei Lebzeiten nicht leicht erreicht werden." In seiner Schrift "Religion und Sittlich- keit" konstruiert Tolstoi in deutlicher Ver- wandtschaft mit Leasings "Erziehung des Menschengeschlechts" ein Dreistufengesetz religiöser Entwicklung. Die erste ist die personal-egozentrische des Tieres, die nur airn Heil des eigenen Ichs interessiert ist. Die zweite steht unter dem national-egoisti- schen Prinzip, sie stellt eine "götzendiene- rische Beziehung" zur Welt dar. Das ist für Tolstoi nichts geringeres als diejenige Reli- gionsart, der an der Erhaltung einer be- stimmten Menschengruppe wesentlich ge- legen ist. Aus dieser Beziehung gehen her- vor alle Religionen desselben Charakters, die patriarchalische und gesellschaftliche: die chinesische und japanische Religion, die Religion des auserwählten Volkes, — die jüdische, die staatliche Religion der Römer. Die höchste Stufe, die christliche, erblickt den Wert des Lebens weder in der Erfül- lung eines persönlichen, noch eines gemein- schaftlichen Zieles, sondern "nur im Dienen dem Willen dessen, der den Menschen wie die ganze Welt erzeugt hat, nicht zur Er- reichung ihrer Ziele, sondern der Ziele sei- nes Willens." Man sieht, wie weit sich Tol- stoi vom Aufklärer Lessing unterscheidet: nicht die Verselibständigung des, mensch- lichen Geschlechts, nicht das Handeln auf Grund eigener Einsichten, nicht die Ueber- windung fürsorglicher Theologie, die dem Kind Versprechung und Verwünschung ent- gegenbringt, sondern die bedingungslose Unterwerfung unter den gläubig hinzuneh- menden Willen einer dem Irdischen grund- sätzlich, entrückten Macht ist für Tolstoi der erreichbare Höhepunkt menschlicher Entwicklung. Es wäre lächerlich, eine Darstellung von Tolstois Stellungnahme zu Judentum und Judenheit mit der Betrachtung zu schlies- set ob Tolstoi im ganzen gesehen Juden- freund gewesen sei oder nicht. Man möchte aber meinen, dass die theoretisch formulier- ten Angriffe Dostojewskis fruchtbarer seien als die Glorifizierung der Märtyrer, die Tol- stoi gelegentlich versucht. Dostojewski hat schliesslich den "Grossinquisitor" geschrie- ben, d. h. er hat gezeigt, wie das organi- sierte Lehen der menschlichen Gesellschaft und seine Entwicklung abhängig ist von bestimmten Bedingungen, mögen nun die von ihm angenommenen richtig sein oder nicht. Die fortschreitende Veränderung der Welt also, nicht ihre moralisierende Verur- teilung ist für ihn der Rahmen, in den er darum auch das Judentum stellt. Tolstoi selbst bleibt hier ohnmächtig; denn die Ju- denfrage ist nur lösbar in dem von Tolstoi übersehenen Raum sich entwickelnder menschlicher Gesellschaft in ihrem Kampf mit der natürlichen Umgebung und mit sich selbst. Alles passend. A.: Ich bin so aufgeregt. Meine Schwe- ster hat einen Sohn geboren. Heute ist die Brismilo. Was zieht man da bloss an? B.: Aber mein Bester! Natürlich: Cut- away. Kunden, die sich beim Einkauf auf den "Aufbau" beziehen, sind unsere besten Anzeigenwerber. MUELLER'S CASTLE Inh. HUGO STRAUSS MONTICELLO, N. Y. White Lake Road Tel. 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Als Folge davon konnte für Ju- den kein Platz mehr im deutschen Sport sein, obwohl doch früher Juden dort Spit- zenleistungen gezeigt hatten. Soweit wird vielen Lesern die Entwicklung der Dinge bekannt sein. Meine Aufgabe ist es, eine kurze Uebersicht ülber die Lage des jüdi- schen Sports von heute zu geben. Die jüdische Sportbewegung in Deutsch- land wird von grossen, kleineren und klein- sten Vereinen getragen. Es wurde für jeden jüdischen Verein die Anmeldepflicht einge- führt. Da sich eine Unmenge von Vereinen, Lokalgruppen und -Grüppchen anmeldeten, wurde verfügt, dass sich diese Vereinigun- gen Spitzenverbände zu schaffen hätten, die dann die jüdischen Sportinteressen vor dem Reichissportführer vertreten sollten. Für solche Samimelorganisationen kamen der Deutsche Makkabi-Kreis in Frage, der sich 1923 aus der jüdischen Turnerschaft ent- wickelt hatte, und der Sportbund im Reichs- bund jüdischer Frontsoldaten, der 1933 eigens gegründet wurde, um solchen jüdi- schen Sportlern die sportliche Betätigung zu sichern, die "gemäss ihrer unwandelba- ren deutsch—jüdischen Einstellung nicht Mitglieder des Makkabikreises werden well- ten." Der Makkabikreis, dem die grosse Bar Kochiba Organisation 'angeschlossen ist, verfügt nach neuester Erhebung über 22,- 000 Mitglieder, der "Sportbund im R. j. F." zählt 17,000 Mitglieder, die sich auf 163 Vereine verteilen. Aber auch zwei Spitzen- verbände erschienen der Reichssportfüh- rung zu viel, nachdem ursprünglich eine Bestätigung beider Organisationen als Spitzenverbände erfolgt war. Die Bestäti- gung wurde einer Umdeutung unterzogen, und so sahen sich die beiden Verbände ihrerseits veranlasst, einen gemeinsamen Arbeitsausschuss zu bilden, der nun auch vom Reichssportführer unter dem Namen "REICHS - AUSSCHUSS JUEDISCHER SPORTVERBAENDE" als einzige Vertre- tung des jüdischen Sports in Deutschland anerkannt wurde. Um genaue Berichterstat- tung vorwalten zu lassen, muss freilich gesagt werden, dass es den beiden Vereinen schwer geworden ist, wie man so sagt, das Kind aus der Tauife zu helben. E,s. entstan- den ernste Zwistigkeiten, die bald die ganze jüdische Sportsache umgeworfen hätten; es kam sogar zu gegenseitigen Spielverboten. Zwischen den Anschauunigen beider Lager war eine immense Kluft, und jeder Verband wollte gern vorherrschen, bis man schliess- lich den Weg zur Gemeinsamkeit fand. Das Haus war also gezimmert und von der Baupolizei in Person des Reichssport- führers abgenommen worden. Nun kam es darauf an, es mit echtem sportlichen Leben zu erfüllen. Sport erhält de*n Menschen an Körper und Geist gesund. Wenn sich die jüdischen Menschen schon vor 1933 nach körperlicher Ausarbeitung sehnten, wie wollten sie erst jetzt den Körper in freier Luft trainieren, da sie die Misere dies. All- tags einengte. In der Zusammenarbeit der Sportverbände mit den Religionsgememden wurde es geschafft. Da wo Juden in öffent- lichen Freibädern nicht gewünscht sind, bemüht man sich, Ersatz zu schaffen. Die Sportverbände helfen den leistungsschwa- chen Vereinen im Reich, sich die nötigen Turnmaterialien zu beschaffen. Man besucht sich gegenseitig und hält Wettkämpfe ab, die bis zu Reichsmeisterschaften gesteigert werden. Kurz bevor ich Berlin verliess, hielt der Makkabi ein internationales Schwimmfest ab, das von holländischen, tschechoslowaki- schen und österreichischen Makkabi-Mann- schaften beschickt war, an dem auch der Sportbund im RJF teilnahm. Auch geistige Schulungskurse finden nach echt olympi- schem Vorbild statt. Es wird wertvolle Kulturarbeit auf jüdischem Gebiet geleistet, was für viele junge Menschen Betreten von Neuland bedeutet . Der jüdische Sport in Deutschland ist nicht nur Selbstzweck. Er soll auch das Mittel zum Zweck sein, jüdi- scher Jugend, die sich ihres Judentums durch falsche Erziehungspolitik garnicht oder nur wenig bewusst war, für die Auf- gaben einer unendlich schweren neuen Zeit gestählter zu machen. • GRUSS AN THOMAS MANN! (Fortsetzung von Seite 4) die grosse Trilogie "Joseph und seine Brü- der." Mich erinnert jedoch die Lektüre die- ses umfangreichen Bilbelromans an die Werke der Spätrenaissance, die, was ihre Form anbelangt, dias feinste, verfeinertste, das geschliffenste, glänzendste, das schil- lerndste, brillierendste hervorbrachten; de- ren Inhalt aber so dünn, so arm gegen die Kraft und Gedrungenheit der Erzeugnisse der Frührenaissance abstach. Sagte Tho- mas Mann nicht einst selber: "Eine Kunst, deren Mittel die Sprache ist, wird immer ein im hohen Grade kritisches Schöpfertum zeitigen, denn Sprache selbst ist Kritik des Lebens, sie nennt, sie trifft, sie bezeichnet und richtet, indem sie lebendig macht"—? Weshalb hört mian seine Stimme noch nicht im edlen Chore derer, die das Weltgewissen gegen die ruchlose Schändung des Geistes und der Humanität aufrufen? Sie wä«re unschätzbar in einer Zeit, in der selbst die "mannhaftesten und unentwegtesten Kämp- fer" der Humanitätsidee davongewirbelt sind, wie dürre Blätter im Herbst. J. M. G ARMER KLEINER POET. Von Josef Maier. Ich träum von meinem Dichterruhm Und schlafe bis um halber zehn. Dann dreh ich mich im Bett herum Und will den neuen Tag nicht sehn. Kein Brief, kein Geld, kein Rattenschwanz, Kein Mädchen, das mich trösten mag — Ach Mensch — was soll der Solotanz? Rutsch mir am Kiel, du neuer Tag. Die Uhr zeigt an schon 12 Uhr 2. Papier bleibt leer, der Bleistift lang. Mein Magen stöhnt und schreit nach Brei. Durch's Fenster zieht ein Mistgestank. Um volle 3 erheb ich mich Und zieh mein dreckig Lumpen an. Mein Magen stöhnt ganz jämmerlich. Nach Rumpstück riecht's von nebenan. Ich werf mich auf das Sofa hin Und schnüppre an der dünnen Wand — Und träum, dass ich ein Rumpstück bin Und ein Juwel an meines Hannchens Hand. TOURISTEN.KLASSE Geräumig - Gemütlich - Grosse Schränke niedrige Raten Private Toilette - Richtige Betten Sommerreisen NACH EUROPA • Luxuriös • Bequem • Schnell • Billig mit Amerikas berühmten SCHNELL-DAMPFERN • S.S. Washington ab N. Y. 31. Juli, 28. August • S.S. Manhattan ab N. Y. 19. Juli, 14. August Einzelfahrt ^ Rundfahrt $113 aufw. $204 aufw. .... Luftgekühlte Speisesalons Schwimm-, Turn- und Gymnastik- Hallen - - Unterhaltung - - Tanz KABINEN- IC L A S S E • Höchste Klasse an Bord • PRES. ROOSEYELT • PRES. HARDING • $126 Einzelfahrt • $234 Rundfahrt Kostenlose Auskunft und Buchung PLAUT-TRAVEL 79 Madison Ave., N. Y. C. Ecke 28. 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Der Eröffnungsakt der grossen Gemälde- Ausstellung war vorüber. Gottlieb Ziegen- bein, ein junger Kunstmaler, ging ziellos durch die Strassen. Er wartete auf die heutigen Zeitungsausigaiben — auf die Kri- tiken. Sein Schritt beschleunigte sich zu- weilen. Das war immer dann, wenn ihm Worte in den Ohren summten wie "visio- näre Sehergabe" . . . "überzeugende Gestal- tungskraft" . . . "unerhörte Farbenkompo- sition" ... Er ging in ein Kaffee, bestellte Mokka, bezahlte und ging, ohne das Ge- tränk berührt zu haben. Umsitzende grin- sten ihm neugierig1 nach. Drei Stunden waren vergangen. Endlich erschienen die Neuausgaiben. Waldeck erstand zehn ver- schiedene Zeitungen, klemmte sie unter den Arm und fieberte nach seinem Zimmer. Mantel an, Hut auf dem Kopf, stand er ülber die Tischplatte gebeugt und las-- Wa—as ? "Ziegenbein ist zwar unleugbar talen- tiert, a/ber doch wohl mehr Berufetalent..." Berufstalent?--? Also — malen wie Schuster Schuh besohlt! Dieser Idiot — dieser — dieser —. Er fand keine weiteren Worte. Die Zei- tung zerfetzte er, als hätte er den Kritiker zwischen den Fingern. Die nächste. "Ziegenlbeins 'Lausbub' zeugt von starkem Talent. Seine 'Revolution' ist hohles Kraft- meiertum, 'Befreiung' und 'Frömmigkeit' leere expressionistische Formen . . ." "Von starkem Talent", knurrte er. Das klang zufrieden. Hohles Kraftmeiertum ? Er wollte ihm mal seine Faust in den fetten Nacken ja- gen, da sollte er schon das Gegenteil jam- mern. Da sassen sie nun hinter ihren grü- nen Tischen, die mleisten unkünstlerische Naturen, und nahmen die dummen Schnau- zen voll. Er wollte es ihnen schon beibrin- gen. Hohles Kraiftmeiertum — leere For- men --. Er stürzte auf und _ ab, zerknüllte die Zeitung zu einem winzigen Klumpen. Die übrigen befriedigten seinen Ehrgeiz leidlich. Eine nach der anderen schob er verächtlich zu Boden. Nun die letzte, die "Kritische Welt". Das las er nicht, das ver- schlang er. "Ziegenibein ist wohl nur durch ein wohl- meinendes Vensehen mit solchen Bildern zur Ausstellung gelangt. Man kann ihm nur wünschen, dass er das Leben besser mei- stere als das Malen ..." Hierbei fühlte Ziegenbein Leere in sich. Er iblieb lange so stehen. Er fühlte Brech- reiz, der sich mählich steigerte bis zum Erbrechen: es war Galle. Er setzte sich da- vor, immer noch in Hut und Mantel, stierte in den Eimer, dachte nichts; es war ihm, als wäre er ausser Ich gesetzt. Das tat ihm wohl. Eine Stunde — noch eine — eine dritte. Da stand Ziegenbein auf und lachte. Das klang boshaft. Er ging hinaus. Es schlug sieben Uhr. Nach einer halben Stunde war er wieder zurück, stellte zwei Talglichter vor den grossen Spiegel, setzte sich davor und ver- sank in seinem Spiegelbild. "Wächter . . ." knirschte er zwischen den Zähnen. Das war der Name jenes Kritikers der Zeitung "Kritische Welt". Das Spiegelbild verzerrte sich ihm zu allerhand scheusislichen Grimassen — ver- schwand in blendender Helligkeit — tauchte zerfressen auf — wurde Heiligenbildnis — zarter Mädchenkopf. Hier näherte Ziegenbein seinen Mund be- gehrlich der Spiegelfläche. Er spie aus. Das war Staub. Die Augen begannen zu tränen und zu zucken. Das ernüchterte. Er wischte sie aus, begann von neuem. Alles wiederholte sich. Dann wurde der Spiegelraum kristallen hell und kahl — Ziegenibeins Bewusstsein nahm verschwom- mene Formen an — zerrann . . .die Augen fielen zu . . . sein Kopf senkte sich auf die Brust . . . Aufgetürmte Hassenergien stemmten ge- gen letzten Widerstand verglimmenden Ich- willens. Da! In fliegenden Panthersätzen brauste Fantasie in flüchtiger Ziegenbein-Erschei- nung irgendwo durch Wand. Zerschellt! Ziegenibein war Logiker. In der Drei- dimensionalwelt verliess man das Zimmer durch Türen. Er fühlte Erwachen nahen — ganz fern und wusste genau, wenn er jetzt wollte, könnte er noch erwachen. Er wollte aber nicht. Fantasie—Ich gestaltete sich fester um- rissen, schleuderte sich zur Tür hinaus. Es spie vier Treppen — Flur — Haustür, vor der es ohnmächtig verharrte. Die war zu wirklich geraten. Listig deutete es Türaufschliessen an. Die Tür liess sich nicht öffnen; so wollte es Ziegenbeins Logik. Heulen der Verzweiflung — Wachsen, ungeheuer — das logische Bedenken war vernichtet. Fantasie-Ich war draussen. Irrte zielsuchend durch undeutliche Strassenzüge, die es durch wutschnaubende Nüstern vor sich herblies, — raffte Besinnung — warif Energien aus, ballte Traumbild Wächter, liess es vor sich hergehen. Lauer — Sprung! Halblautes Röcheln. Es sasis ihm im Genick. Konzentrieren auf Fäuste. Die wurden scharf umrissen. Es waren knöcherne Fäuste. Damit zerschlug es Wächtern das Rückgrat. Konzentrieren auf Gebiss. Das wurde scharf umrissen. Es war ein Raulbtiergebiss. Damit durch-biss es Wächtern die Kehle. Konzentrieren auf Zunge, ekelhaft weich war die Zunge. Damit schmatzte es Wäch- ters Blut. Konzentrieren auf Feuer. Das wurde Meer. Es war ein siedendes Meer. Und Fantasie-Ich sandte Schwaden aus, die formten sich zu riesigem Redaktionsge- bäude der "Kritischen Welt". Gierig züngelte es hinterher — konzen- trierte sich auf Detonation. Die toste be- täubend. Es wurde abermals Feuer — frass sich, wollüstig flackernd, zurück — sprang Zie- genbein in die Augen —. Der schrie auf und presste, noch in hal- ber Betäubung, beide Hände gegen das Herz. Das schlug erstickend. Er sah Blut, das aus einer Schnittwunde troff, und ringsum Spiegelscherben. Das Bett war un- sinnig zerwühlt, Stühle, Tisch umgeworfen. Er lachte. Das klang nicht. Ziegenbein,nahm Palette und Pinsel, be- gann zu malen. Erst zaghaft — dann sicher — dann ekstastisch---. Als der Morgen graute, war das Bild fertig; er auch. Er nannte es 'Ehrgeiz'. Bei der nächsten Ausstellung wurde es vom Staat angekauft. Die "Kritische Welt" schrieb: ". . . ein Meisterwurff ..." Ziegenbein schob die Zeitung verächtlich zu Boden. "Bekehrt/' knurrte er. Das klang zufrieden. AUFBAU 9 ENGLISH COLUMN The Actuarial Basis of Social Insurance Pensions. On Febrwary 28, 1935, the House Com- mittee on Ways and Means and the Senate Finance Committee had completed public hearings on the Wagner-Lewis Bill. After the Committee on Ways and Means had completed its executive sessions the Bill was ordered redrafted and was introduced to the House on April 4, in the. form of a new Bill, H. R. 7260 entitled the "Social Secur- ity Act." This new Bill, H. R. 7260, was formallv avproved by the House Committee on Ways and Means, ordered reported to the House on April 5, an' nassed on April 19. The Home Bill H. R. 7260, differed in many respects from the original Wagner- Lewis Bill. The Senate Finance Committee restored some provisions of the original Bill, made further changes, and reported the Bill favorably to the Senate on May 19, The Senate passed the Bill on June 19 and referred it to a joint conference with Senate and Home spokesmen. — So far a brief sketch on the history of the Social Security Bill, whieh is one of the most extraordinary events in present-day American politics. Dr. Steinhaus, an expert on the matter, discusses in the following article one of the many points connected with the probiern of Social Insurance, which, as it is a topic of general American interest, deserves ade- quate attention also in our circles.—Editor. The education of the actuary today, based upon the progress and refined methods of actuarial science as employed in private insurance institutions, is rooted so deeply in the actuary's mind that State insurance Problems are usually attacked with the same consideration as those which apply to private insurance problems. It is scarcely realized, especially in the United States, that the far-reaching differences between State and private insurance require an en- tirely different treatment of the two types of insurance. Even in European countries with over fifty years of social insurance, it is only during the last five years that some paper has appeared here and there, employ- ing new thoughts or urging the development of actuarial methods for State insurance purposes. The Swiss actuaries are out- standing in this respect. The political and social aspects of State insurance combined with the uncertainties of grouip movements and population trends are mainly responsible for the fact that the majority oif' actuaries decline _ to employ st riet mathematics as the basis of State insurance plans. But this feeling seems to be based on the fact that exaet mathe- matical methods as developed by private insurance companies to safeguard the rights and equitable treatment of the individual cannot be used in determining equally equi- table methods for whole pro sessions or parts of the population, in equally exaet degree. I hape to show through the examiple of social insurance pensions that in a consid- eration of the consequences of a govern- mental directed insurance system the same actuarial probabilities can ,be employed as in private insurance, and that, furthermore, the efficiency of predictions increased in accordance with the law of great numlbers offsets other uncertainties to a degree suf- ficienit to use the results of such an inrvesti- gation äs the basis of a State insurance system. First we must note the basic difference By H. W. Steinhaus, Ph. D. between State and private pension plans, namely, the fact that state plans can be compulsory. In other words, the entrance of new risks will aliways be enforced. This, of Course, implies that the Government es- talblishing the plan will not consider chang- ing the compulsory feature of the plan. The consequence to be drawn from the compul- sory feature involve, however, a considera- tion of the conditions under which this feature might be modified or abandoned, and under which it must be continued per- petually. A state pension system providing old age, disaibility, widow and orphan pensions in- cluding all or some partial Combination, if established accordiner to the principle of pri- vate insurance institutions, would first have to determine the amount of the pensions. The next step would be to calculate the actuarial value of the pension of each in- dividual in accordance with his age and to determine the annual contriibutions for each individual until retirement, death or com- mencement of disaibility, which are neces- sary and adequate for such actuarial values. Individuais, already eligible for pensions, would not be able to contriibute and the actuarial value of the pension of these in- dividuals would constitute a deficit, for which no funds would be available. An additional deficit, for which no funds would be available, would consist of the difference in the contributions which individual» in higher ages would be able to make and would be supposied to make. A third deficit, more actuarial than real, would consist of the deficiency in the funds, which should already be established for individuals in medium ages and which would be accumu- lated by the future contributions. It has been realized, of course, that it is a tech- nical imipossdbility to make up ,base calcu- lations, but it is not often realized that this deficit for a nation providing insurance pensions amounts to a sum, in comparison to which the national income is but a per- centage and this percentage does not in- crease much, if we exelude the eligible pensioners from the ;plan. Disregarding the fact that the accumulation of even parts of such a fund is an economic impossibility, it is enlightening to follow up the changes this fund or reserive, if estaiblished by some means, would undergo in the run of time. In spite of the payments made immediately to the eligible pensioners, the fund would increase by interest and the payments of the individual" towards their future Pen- sion, augmented or not by State contribu- tions. The increase would continue for 50 to 70 years and by then the fund would fluetuate around a stationary amount, as- suming a stationary population. The inter- est income out of the funds, in addition to the contribution made, would be sufficient to pay all pensions. As long as the system stays compulsory and the entrance of new risks into the in- sured group is stationary, only the interest income of the fund of, say, 4%, will be used in the next generation. The fund itself will stay untouched from one generation to the next and will only furnish the interest income. If the State plan is perpetual, the fund will never be used and is, therefore, entirely unnecessary if an amount equal to its interest income could be provided for out of current income of the nation. In other words, the deficit might be postponed indefinitely, taken over by Coming genera- tions from preceding generations. The task of the actuary is now quite a different one. He no longer has to deter- mine the present actuarial values of future pensions, but using the same probalbilities, he must determine the actual costs in the 10th, 20th, 30th, etc. year. This actual cost is ibased on the age distribution of the popu- lation, although other assumptions concern- ing increase in longevity or decrease in birthrate have to be included to check their influence in the cost and to establish an error margin. GÖLTEN PHOTO STUDIO PHOTOGRAPHIEN jeder Art 1269 LEXINGTON AVENUE Zwischen 85. u 86. Strasse NEW YORK CITY Telephon: ATwater 9-9625 Besondere Ermässigung für Klubmitglieder. Zimmer mit Pension Gute deutsch-jüdische Küche Für Einzelperson $10, für zwei Personen je $9 per Woche. Gladys Messer 533 West 112th St., Apt. 4-E zw. Broadway und Amsterdam Ave. 10 AUFBAU Amerikanische Universitäten und Studenten, Für den von Deutschland gerade einge- troffenen Neuling ist das amerikanische Erziehungswesen eins der vielen zu lösen- den Rätsel, besonders, wenn er selber auf eine der zahllosen Schulen gehen will, um sich für irgendeinen Beruf vorzubereiten. Oft treten Neu ein wanderer an schon mehr mit den Verhältnissen Vertraute mit der Frage heran, wie weit wohl europäische Schul- oder Universitätsfbildung hier ange- rechnet werden mag. Solche Fragen zu beantworten, fällt aus zwei Gründen sehr schwer. Erstens: Die Einteilung des Er- ziehungsiwesens und der Bildungsgang sind hier völlig anders als auf dem Kontinent. Zweitens: Europäische Bildungsstätten sind so grundverschieden in dem "™Tissen, das sie ihren Studenten mit auf den Weg gelben, dass man niemals im Voraus sagen kann, was und wieviel in einem gegebenen Falle angerechnet werden wird. Obgleich auch unter den amerikanischen Bildungsstätten grosse Unterschiede hinsichtlich Quantität und Qualität des Gebotenen und Verlangten bestehen, so ist doch hier wenigstens die zeitliche Einteilung des Studienganges ein- heitlich geregelt: Nach acht Jahren Gramr mar School kommen vier Jahre High fichool, vier Jahre College und vier Jahre Profes- sional School (School of Law, Medicine, Commerce etc.). Der Name Universität umfasst hier gewöhnlich die letzten beiden Gruppen, d. h. College und Professional School«. Im allgemeinen kann man sagen, dass die deutsche Ober-iSekunda-Reife zum High School-Besuch berechtigen wird, viel- leicht sogar schon zum Eintritt ins College. Das deutsche Abiturium wird gewöhnlich zwei Jahren College gleichgestellt, so dass deutsche Abiturienten in das dritte College- Jahr (das sogenannte junior year) aufge- nommen werden. In den ersten zwei Col- lege-Jahren muss man einem genau vorge- zeichneten Stundenplan folgen, der die Grundlagen der besseren Allgemeinbildung und die Kenntnis von mindestens ein oder zwei modernen Sprachen vermitteln soll. Die letzten zwei Jahre sind der Vorberei- tung auf das eigentliche Universitätsstudium gewidmet, d. h. Medizinstudenten beschäf- tigen sich in dieser Zeit hauptsächlich mit den Naturwissenschaften, wie sie in Deutsch- land in den vorklinischen Semestern belegt ■werden. Aehnliches gilt für Juristen und andere Fakultäten. Für andere Berufe, zu denen die College-Ausibildung gnügt, berei- tet man sich in den letzten zwei Jahren durch Auswahl des entsprechenden "field of concentration" vor. Wenn man will, kann man seinen Stundenplan auch etwas freier gestalten; aber um zu "graduieren", muss man eine vorgeschriebene Anzahl von Stun- den in vorgeschriebenen Fächern nachwei- sen können, so dass Abweichungen vom normalen Stundenplan immer mit beträcht- lichem Zeitverlust einhergehen. In eine der Universitäten aufgenommen zu werden, ist nicht leicht. Die besseren stellen hohe Ansprüche an die 'bisherigen Leistungen der Studenten, bevor sie jemand zulassen. Sowohl die guten, als auch die Schulen zweiten und dritten Ranges sind gewöhnlich schon 6 bis 10 Monate vor Be- ginn des neuen Schuljahres voll besetzt, und da die meisten private Einrichtungen sind, besteht keine Veranlassung für sie, Studenten über die einmal festgesetzte Quote hinaus aufzunehmen. Für jüdische Applikanten kommt noch hinzu, dass die Mehrzahl der Universitäten einen Numerus Clausus für Juden hat, der sich über eine weite Skala von 0 bis 40% oder mehr erstreckt. Das in diesem Absatz Gesagte Von Walter Lewinnek, Chicago, III. gilt hauptsächlich für Medical Schools und mag in manchen Punkten für andere Fakul- täten unzutreffend sein. Die Frage, was an Studienzeit in Europa hier angerechnet wird, lässt sich nach dem Obengesagten nicht allgemein beantworten. Das hängt erstens von der Art der Fächer ab, die man gehört hat, von den Zensuren, die man bekam, und zum guten Teil von den Ansprüchen, die die (betreffende Schule stellt. Auch hier beschränkt sich meine Er- fahrung auf Medical Schools, und diese rechnen einem vielfach zwei Jahre für die ersten 6 Semester in Deutschland an. Das "Physikum" spielt dabei gar keine Rolle, es sei denn als Beleg für gute Zensuren. Dem deutschen Staatsexamen wird eben- falls keinerlei Berücksichtigung geschenkt. Wer den Doktor-Titel nicht hat, muss in jedem Falle noch zwei Jahre studieren, und wer ihn hat, braucht lediglich die ein- bis zweijährige Praktikantenzeit in einem an- erkannten Krankenhause durchzumachen, um dann das Staatsexamen abzulegen. Je- doch bestehen da gewisse Unterschiede in den -von den einzelnen Staaten der U. S. A. getroffenen Bestimmungen. Allgemein ge- sprochen, ist es im Süden (ausgenommen Californien) leichter als im Norden oder Osten. Das Prüfungswesen in den Vereinigten Staaten ist durchaus verschieden von dem in Deutschland. Der charakteristische Un- terschied liegt darin, dass die Prüfungen hier durchweg schriftlich sind, von ganz wenigen Ausnahmefällen abgesehen. Die Zahl der Examina pro Jahr schwankt zwi- schen eins und vier und hängt teilweise davon aib, ob die betreffende Schule das alte Quartalssystem oder das neue Semester- system hat. Wenn nur einmal, d. h. am Ende des Schuljahres, Examina stattfinden, so gelegentlich in der Form von sechs- bis achtstündigen sogenannten "comiprehensive examinations", die authentischen Berichten zufolge durchaus nicht die ideale Lösung des Problems darstellen. Die Kurse selbst sind entweder Vorlesun- gen, wie in Europa, oder "quiz-courses": Schulmässig werden Aufgaben gestellt und diese beim nächsten Male abgefragt. Ab und zu werden "Extemporalia" geschrieben, und bei jeder Gelegenheit werden Zensuren er- teilt. So schwer es dem an die deutsche akademische Freiheit (cum grano salis) gewöhnten .Studenten zuerst fällt, sich an das neue System zu gewöhnen, so sehr muss man zugeben, dass man auf diese Weise wesentlich mehr und gründlicher lernt. Und nach einiger Zeit ist man schon ge- neigt, ihr den Vorzug zu geben. Die Berechnung der Zensuren erfolgt nach dem Prozentsystem, was der amerika- nischen Tendenz, möglichst alles in Zahlen auszudrücken, weitgehend Rechnung trägt. Man ist bei der Kalkulation sehr genau und rechnet alle möglichen absoluten und relativen Dinge heraus, was zuerst abstos- send falbrikmässig anmutet; aber auch hieran gewöhnt man sich überraschend schnell. Was das Wesen der amerikanischen Stu- denten betrifft, so erstrecken sich meine diesbezüglichen Erfahrungen lediglich über die nunmehr neun Monate meines Zusam- menseins mit einer verhältnismässig gerin- gen Anzahl von ihnen. Wenn ich daher meine Meinung über sie abgebe, so bitte ich das zu berücksichtigen und diese Meinung • als das Resultat ganz persönlicher Ein- drücke zu betrachten. Meine erste ange- nehme Ueberraschung bestand darin, dass ich die Kollegen ausserordentlich freund- lich und hilfsbereit fand. Nachdem das Eis der ersten Tage geschmolzen war, kam ich mehr und mehr in Kontakt mit den Jungen meiner Gruppe (Mädchen studieren in er- staunlich geringer Anzahl an den Profes- sional Schools, in umso grösserer dafür an den Colleges). Sie gaben mir bereitwilligst Auskunft und halfen mir, gefragt oder un- gefragt, bei der Arbeit. Auf der anderen Seite kommt man nicht ohne weiteres in persönlichen, ich meine freundschaftlichen Verkehr. Man sieht sich in der Schule, ist in jeder Beziehung zuvorkommend zueinan- der, besucht sie*1 wohl auch mal gegenseitig auf der "Bude", aber Dauerfreundschaften gibt es wenig. Ueber die Frage des Anti- semitismus ist ein Urteil nur sehr schwer albzugeben. Der Ton bei uns an der Medical School ist unpolitisch. Antisemitische Be- merkungen habe ich noch nicht gehört, und mir sind auch keine derartigen Erfahrun- gen anderer jüdischer Studenten bekannt geworden. Benachteiligung jüdischer Stu- denten an der Medical School gibt es nicht. Andererseits nimmt eine ganze Reihe von Krankenhäusern, obgleich sie jüdische Aerzte am "staff" haben, keine jüdischen Praktikanten, oder nur in Ausnahmefällen. Auch hört man gelegentlich Ansichten wie "Hitler is doing a daran good job over in Germany", und keine Verbindung nimmt jüdische Mitglieder auf. Dies wird ohne Propaganda dafür oder dagegen als selbst- verständlich hingenommen, und auf der an- deren Seite existieren rein jüdische "frater- nities", deren Aktivität nach aussen hin jedoch gleich Null ist. Paritätische Ver- bindungen gibt es in Chicago meines Wis- sens nicht. Ausgesprochen faschistische Tendenzen sollen am Northwestern Univer- sity College in Evanston bei Chicago herr- schen, während die University of Chicago von Mr. Walgreen bekanntlich, als "kom- munistisch verseucht" in den Kreis des öffentlichen Interesses gerückt ist. Dazu ist zu sagen, dass die "U. of C." wohl wesent- lich liberaler sein mag als Northwestern University; wenn sich aber der Kommunis- mus auf seine Erfolge an der University of Chicago verlassen wollte, dass er sich dann noch eine ganze Weile bis zur Durch- führung seines Programms wird gedulden müssen. — Was hier über Northwestern University und die University of Chicago gesagt wurde, kann natürlich nicht verall- gemeinert werden. Was hier selbstver- ständlich oder durch lokale Faktoren er- klärbar erscheint, wird in den grossen Schulen des Ostens mit anderen Augen an- gesehen werden und von wieder anderen Gesichtspunkten in den kleineren Univer- sitäten des Mittelwestens oder in den Süd- staaten. Um jedoch auch in diesem Zu- sammenhang zu versuchen, den wesentlichen gemeinsamen Nenner zu finden, so kann wohl behauptet werden, dass dem Durch- schnittsstudenten, wie dem Durchschnitts- amerikaner (aus meiner einjährigen Erfah- rung heraus sprechend) der Sinn für poli- tischen Radikalismus albgeht, und dass man mit ihm, ob er nun kommunistischen oder faschistischen Ideen zuneigt, zum mindesten über alles reden kann. Studieren an amerikanischen Universitä- ten bedeutet viel Arbeit und ein gewisses Mass an Aufregung, ohne das nun einmal kein Examen abgeht. Und man kann nicht behaupten, dass einem die Examina zu leicht gemacht werden, wozu noch die grosse Kon- kurrenz beiträgt, welche die meisten der Studenten zu grossen Strebern macht. Diese Entwicklung ist leicht zu verstehen in An- betracht der Tatsache, dass für den Stu- AUFBAU 11 denten alles (iStipendien, Fortschritt in der Schule, Praktikantenstellen usw.) von guten Zensuren und höchsten Punktzahlen ab- hängt. "The best man wins", wobei dahin- gestellt bleiben mag, ob derjenige, der die besten Zensuren erworben hat, auch der Beste in der praktischen Ausübung des Gelernten sein wird. Dies allerdings ist kein typisch amerikanisches Problem, son- dern überall aktuell, wo Studenten geprüft werden. Es lässt sie'11 viel für und gegen das amerikanische Studienwesen anführen. Der wissenschaftliche Hochstand amerikanischer Universitäten jedoch ist meiner Ansicht nach über jede Kritik erhaben. Durch her- vorragende Organisation des Unterrichts, sowohl was theoretische als auch besonders was praktische und Laboratoriumskurse an- belangt, sind hiesige Institutionen den euro- päischen voraus. Es bleibt noch übrig, einige Worte über den amerikanischen Studenten ausserhalb der Schule zu sagen. Vielfach sind die Studenten gezwungen, in Gemeinschafts- häusern (dormitoriesl oder wenigstens in von der Universitätsbehörde begutachteten Häusern zu wohnen, was besonders an iso- liert gelegenen Colleges in kleineren Orten der Fall ist. Das Studium erfordert viel Arbeiten zu Hause oder in der Bibliothek, und oft bleibt nicht allzu viel Zeit für pri- vate Angelegenheiten. Viele Studenten ver- dienen sich trotzdem Geld während des Semesters durch Arbeiten in Restaurants, Kinos, Bibliotheken etc. Eine grosse Anzahl kommt mit 35 bis 45 Dollars pro Monat aus, was sich natürlich nur durch grösste Sparsamkeit im Essen und Wohnen ermög- lichen lässt. Die meisten verbrauchen zwi- schen 45 und 55 Dollars monatlich, wozu noch die Kosten für Studiengelder und Bücher kommen. Häufigkeit und Ziel von Ausgängen werden demgemäss durch den Fleiss des Betreffenden, durch die Menge der zu bewältigenden Arbeit sowie durch die des zur Verfügung stehenden Geldes bestimmt. Erstaunlich ist, wie viele Stu- denten verheiratet sind; in den allermeisten Fällen haben die Frauen irgendeine Be- schäftigung und verdienen den grösseren Teil des Lebensunterhaltes für die Familie. Wirkliche Interessen, die ausserhalb des eigentlichen Berufshorizontes liegen, darf man vom amerikanischen Studenten nur in den seltensten Fällen erwarten; dagegen haben viele irgendein harmloses "hobby" wie Münzensammeln, Photographieren, Phi- latelistik oder Baseball (rwas allerdings wahrlich kein Charakteristikum ist), dem sie sich mit grossem, Eifer und manchmal auch Geldaufwand hingelben. Wie eingangs erwähnt: das amerikanische Bildungswesen ist vielfältig, und ebenso vielfältig sind seine Objekte, die Studenten. Nichts lässt sich verallgemeinern, nicht einmal in Amerika, dem Lande des standar- disierten Individuums (iwas vielleicht unse- rem Gefühl wie ein Widerspruch in sich erscheinen mag, aber gerade deshalb, meiner Ansicht nach, für dieses Land das Richtige trifft). Doch letzten Endes gilt hier, wie überall, wo Menschen in eine neue Umge- bung versetzt sind: Mit gutem Willen und mit einiger Anpassungsfähigkeit, so dass man mit seinen Mitmenschen auskommt, lässt sich der grösste Teil der subjektiven Schwierigkeiten überwinden. Für die ob- jektiven braucht man hier, wie überall, ein gut Teil Energie, eine Menge Glück, und vor allem eine gehörige Portion Optimismus. Bei Einkäufen berücksichtigt unsere In- serenten. Das Forum. Die Schriftleitung übernimmt für die im "Forum" veröffentlichten Einsendungen keinerlei Verantwortung. Ihren Leitartikel EIN WARNUNGSRUF habe ich. mit grossem Interesse gelesen. Mit allen Mitteln müssen wir nicht nur ge- gen diese Verleumdungen ankämpfen, son- dern auch durch makelloses Betragen An- dere und Andersgläubige eines Besseren belehren. Viele der gebildeteren Amerikaner sind ja von der Unsinnigkeit der Lügen über- zeugt, aber das Gros der Massen wird auch hier wie überall durch Demagogen (Huey Long, Father Coughlin) aufgepeitscht. Da- her ist es vor allem nötig, einem Ueber- handgreifen des Antisemitismus durch Vor- sicht und gutes Betragen die Spitze abzu- brechen. Einer grossen Anzahl unserer Freunde wird dies alles wohl als Unsinn erscheinen; ein bedeutender Prozentsatz hat halt durch die Erfahrungen der letzten Jahre immer noch nichts gelernt. Wir Juden leiden alle mehr oder weniger an Arroganz und Ueberheblichkeit. Treffe ich einen Freund, so wird er mir sicherlich durch seine neusten Errungenschaften (die neue Stellung, die Gehaltserhöhung letzte Woche) vor allem anderen zu imponieren suchen. Mache ich eine Sommerreise, so war ich nicht in einem der kleinen side- street Hotels, sondern in einem der grossen Strandhotels in Atlantic City. Warum müs- sen wir immer den Andern aufstacheln? Gewinnen wir etwas dabei ? Wieviel besser würde es sein, der Gross- sprecherei Einhalt zu tun und uns mit un- seren Mitmenschen auf gleiche Stufe zu stellen. Es ist ja sehr schön, eine gute Stel- lung zu haben. Es ist auch wahrlich nichts dagegen einzuwendeh, wenn dies neben- sächlich erwähnt wird, ohne viele Mätzchen zu machen. Ich erinnere mich noch sehr gut des Kastengeistes in verschiedenen süddeut- schen Städten, wo jener zu gut und dieser nicht gut p*enug für mich war. Oder war es anders ? Wir sind alle aus demselben Material gemacht, wenn auch der eine viel- leicht während seiner kurzen irdischen Laufibahn etwas mehr Mesumah erwirbt denn der andere. Suchen wir daher nicht immer nur Andere zu bessern, sondern be- ginnen wir zur gleichen Zeit an uns selber. Minderwertigkeit durch Prahlerei zu ver- decken hilft da nichts. Wenn wir die Ach- tung Anderer erwerben wollen, dürfen wir nicht immer klüger sein wollen. Who, in this country, wants to listen to a wise guy? Ich habe viel mit ungebildeten deutschen Christen in meiner Stelle zu tun; ich sage ihnen auch zu ihrem grossen Leidwesen meine unverblümte Meinung über das augenblickliche deutsche Regime (ich habe niemanden mehr drüben), und sie hüten sich, es mir nachzutragen. Ich habe es hier gelernt mit Leuten aller Kreise umzugehen. Wie weit Ueberheblichkeit führen kann, sehen Sie ja sehr gut in den verschiedenen europäischen Ländern der Diktatur. II Duce scheint sich mit seinem Afrika-Abenteuer doch noch den Kopf einzurennen. Die brenz- liche Lage der Mark, die verunglückte "Hochzeits"-Reise Görings, der sächsische 24-Stunden-Streik scheinen den Berliner Herren sicherlich nicht s,ehr genehm. Durch die Jahrtausende unserer Ge- schichte haben wir immer in den Perioden des Niederganges Grosses schaffen dürfen. Heinrich Heine und Baruch Spinoza haben ihr Leiben lang leiden müssen. Waren sie deshalb weniger wertvoll? Wie einst die Makkaibaer siegreich ihre Feinde schlugen, so werden auch wir erfolgreich gegen un- sere Widersacher zu Felde ziehen. Nur eins will ich am Ende nicht verges- sen, trotzdem ich schon nahezu ein Jahr- zehnt hier bin. Ich klage nicht den verblen- deten deutschen Plebs an, dass sie etwas gegen die Juden unternahmen, sondern das augenblicklich dort herrschende Regime. Ich glaube es als früherer deutscher Jude immer noch mit mir vereinbaren zu können, dass ich das Deutschland der Weimarer Republik hochhalte. B. K. • Während der Diskussion eines der letz- ten Vorträge sind Aeusserungen gefallen wie: Wir haben kein deutsches Vaterland mehr . . . man muss sich schämen ein Deut- scher zu sein, u. a. m. Diese Worte der Ver- bitterung aus dem Munde deutscher Emi- granten ,s,ind vielleicht verständlich, aber weder gerechtfertigt noch klug. Nicht ge- rechtfertigt, weil wir nicht in Hitlerdeutsch- land unser Vaterland sehen, weil wir unser Vaterland so in Erinnerung behalten wol- len, wie wir es v o r dem Hitlerregime lieb- ten und in ihm glücklich waren. Aber noch weniger sind jene Worte klug, weil sie dazu angetan sind, das Leben und die wirtschaft- liche Existenz derjenigen Angehörigen, Verwandten und Freunde zu gefährden, die nicht in der Lage sind, Deutschland zu verlassen. An diese schwer Geprüf- ten sollten alle verantwortungsfoewussten Juden und jüdische Emigranten denken, ehe sie sich zu derartigen Aeusserungen hinreissen lassen. Was soll schliesslich mit diesen Feststellungen bezweckt werden? Soll es ein Propagandaruf für das Natio- naljudentum sein, das sowieso aus der Ver- zweiflung und der Verwirrtheit der deut- schen Juden, insbes ondere der Jugend, einen unerwünschten grossen Zustrom erhält? Soll das Heer derjenigen verstärkt werden, die Lebensmut und Glauben an die Zukunft verlieren? Entwurzelte Menschen wollen hier in Amerika neue Lebensmöglichkeiten finden, sie wollen sich dem grossen ameri- kanischen Volkskörper anpassen und aus- bauend mitarbeiten. Aufbauend, das ist es. Und der "Aufbau", das geistige Spiegelbild eines Teiles dieser jüdischen Menschen, sollte seine Aufgabe richtig erkennen und Führer sein. Jawohl, aufwärts- und vor- wärtsstrebenden Menschen, die Vergange- nes nicht vergessen wollen und Zukünftiges erhoffen, ein Freund, Berater und Führer sein! K. "DKV" — "DAWA" Achtung vor dem braunen Chamäleon! DAWA, der Name der antisemiti- schen Boykott-Organisation der Nazis in Amerika, wird, wie wir erfuhren, einer ebenfalls irreführenden Neulbezeichnung Platz machen. Der Deutsch-Amerikani- sche Wirtschafts - Ausschuss versucht nunmehr, seine unamerikanische und staatsfeindliche Tätigkeit als "Deutscher Konsum - Verband" unter der neuen Schutzmarke "DKV" fortzusetzen, Auf- gepasst! Dementi. Chaim: "Was lügst Du, Schmelke, und erzählst überall auf dem Markt, dass ich hab bekommen ein paar Ohrfeigen?" Schmelke: "Hast Du nicht bekommen?" Chaim: "Ich halb bekommen. Aber nur eine. Nicht ein paar." 12 AUFBAU Unterstützung von Angehörigen in Deutschland auf ganz besonders vorteilhaftem Wege und mit bedeutender Ersparnis REICHSMARK—REISESCHECKS zu günstigsten Raten AN- & VERKAUF AUSLAENDISCHER BANKNOTEN KAPITALSANLAGEN in erstklassigen amerikanischen Wertpapieren bei hoher Verzinsung Gewissenhafte Beratung in allen Finanzfragen KURT WERNER & CO. Investment Bankers -11 BROADWAY DIgby 4 - 6494 - 9 NEW YORK CITY Vertreter: FRED J. HERRMANN Einfach und kostenlos ist es möglich, rechtzeitig und regelmässig über die Veranstaltungen und Aktivitäten des Deutsch-Jüdischen Clubs informiert zu sein. Sie füllen nur den Coupon aus und senden ihn möglichst bald an den GERMAN-JEWISH CLUB, INC. 210 West 9Ist Street, New York, N. Y. Ich bitte um kostenlose Zusendung Ihrer Monatsschrift "AUFBAU". 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