Mitteilungsblatt JAHRGANG II. BUENOS AIRES, 1. MAERZ 1939 NUMMER 11 Clement Moreau In unserer Heimat ist es nicht mehr erlaubt, dass ein Mann seine Meinung sagt. Die Meinungen werden von der Partei geliefert. Zeitungsleute in Uniform verbreiten sie. Und die Po- lizei passt auf, was der Einzelne dazu sagt. Die Männer auf dem Bild tragen keine Uniform und kein Par- teiabzeichen. Ihre Meinung ist nicht abgestempelt. Sie kön- nen aussprechen, was sie denken. Das andere Deutschland kommt hier zusammen. Sie haben ihre Heimat verlassen, um als freie Menschen leben zu können. Der Kampf um das tätliche Brot hat sie zusammen- geführt. Sie kennen sich, und sie achten sich, auch wenn sie anderer Meinung sind. Denn sie wissen: von uns ist keiner be- stochen oder eingeschüchtert. Was der andere da scsgt, ist seine Ueberzeugung. Die Ansichten der Männer gehen oft auseinander. Sie wider- sprechen sich, sie diskutieren, und sie klären ihre Ansichten in der Diskussion. Sie verstehen auch zuzuhören. Der andere will ja dasselbe, wenn sie auch über den Weg zum Ziele sich erst klar werden müssen. Denn sie sind einig in ihrem Willen, für ein anderes Deutsch- land zu arbeiten, in dem freie Menschen leben können. Theo sucht eine neue Heimat "Hiermit zur höflichen Kenntnis- nahme befinde ich mich auf der Isla Demarchi. Bin vor 2 Jahren von ei- nem deutschen Dampfer weggelau- fen. War stets in Arbeit und wur- de durch Zufall und Irrtum verhaf- tet, Ich bitte Sie daher, dass jemand zu mir kommt". Das ist einer von den vielen Brie- fen, die täglich zu uns kommen. Theodor ist ein norddeutscher Ar- beiter. Gross, blond und zurückhal- tend. Er beklagt sich nicht. Zögernd erzählt er seine Geschichte Als Hitler zur Macht kam, war er Jahre alt. Er kam sofort in den Arbeitsdienst, aber er wurde kein Nazi. Er wollte heraus aus Deutsch- land, gab seinen Beruf auf und mu- sterte als Seemann an. Zuerst fuhr er auf kleinen Schiffen, dann bekam er eine Heuer auf einem Fracht- schiff, das ihn schliesslich bis Süd- amerika brachte. Der Kasten fuhr den La Plata hinauf. In San Pedro wurde Mais geladen. Als das Schiff wieder abfuhr, fehlte Theodor. Er hatte seine Freiheit wiederbekom- men ud eine neue Heimat gefun- den. Zuerst geht alles gut. Die Deut- schen in San Pedro, die alle vom Nazitum nichts wissen wollen, hel- fen ihm weiter. Er arbeitet auf dem Kamp bei der Maisernte, dann in der Stadt als Bauarbeiter, als Elek- triker. Er verlobt sich mit einer klei- nen Argentinierin, wenn er etwas Geld beisammen hat, will er heira- ten. Ein Jahr später geht er nach Bue- nos Aires, um hier sein Glück als selbständiger Handwerker zu ver- suchen. Auch hier hat er sofort wie- der Arbeit. Bis er eines Tages ver- haftet wird. Polizeibeamte verwech- seln ihn mit einem reichsdeutshen Kriminellen, nach dem sie gerade suchen, halten ihn auf der Strasse an und fragen nach seinen Papie- ren. Als unrechtmässig Eingewan- derter wird er der Polizei übergeben und ins Gefängnis der Prefectura Maritima gesteckt, auf der Isla Des- marchi, zusammen mit Schmugg- lern, bürden Passagieren und an- dern desertierten Seeleuten. Fast zwei Jahre ist er schon im Land. Jetzt soll er auf einem deut- schen Dampfer deportiert werden Er weiss genau, was das für ihn be- deutet. Da er militärpflichtig ist, wird man ihn nicht nur als deser- tierten Seemann, sondern auclv als Militärdeserteur behandeln. Damit ist er der Willkür der jetzigen Machthaber ausgeliefert, denn nach den neuen deutschen Bestimmun- gen können die Gerichte die Strafe für Mihtärflüchtlinge so hoch fest- setzen, wie sie wollen. Es ist sogar gleichgültig, wie hoch die Strafe ist. Seine Gesundheit wird in jedem Falle zerstört; schon auf der Ueber- fahrt nach Deutschland ist er den Quälereien der Gestapobeamten ausgeliefert. Und sollte er lebendig aus dem Zuchthaus herauskommen, dann wird er sofort in ein Konzen- trationslager überführt. Dies alles versucht er den Immi- grationsbeamten zu erklären. Aber für die argentinischen Behörden ist die Deportation eine Verwaltungs- massnahme, für sie ist es gleichgül- tig, ob ein Mann nach Uruguay, Mexico, oder nach Deutschland zu- rückgeschickt wird. Er muss "zu- rück in sein Ursprungsland". Ja, wenn er Arbeitszeugnisse, einen Geburtsschein, ein deutsches Füh- rungszeugnis beibringen könnte. Er schreibt an seinen Vater in Deutsch- land; natürlich weigert sich die deutsche Polizei, ein Führungszeug- nis auszustellen. Er schreibt an sei- ne Arbeitgeber, an seine deutschen Freunde in San Pedro; aber wie schwer entschliesst sich der Deut- sche, einmal die Feder in die Hand zu nehmen und ein paar Zeilen zu schreiben! Auch von der Braut hört er nichts. Sie hat wohl noch nie in ihrem Leben einen Brief geschrie- ben . Die Immigrationsbeamten glauben ihm nicht mehr, dass er mit einer Argentinierin verlobt ist, dass er in San Pedro ein terreno kaufen wollte dass er dort regel- mässig und chrlich gearbeitet hat Die Kompagnie bekommt eine amtliche Anweisung, ihn mit dem nächsten Schiff zurückzuschicken Verzweifelnd sitzt er in seiner Zelle, Alles Briefschreiben ist nutz- los . Kaum zwei Jahre hat er als freier Mensch leben dürfen Der Traum ist aus, die Freiheit, die er iver suchte und fand, ist wieder verloren, seine Zukunft zerstöri. Wir machen eine Eingabe an die Immigration, um seine Freilassung zu erwirken. Aber die Papiere, die Beweisstücke für seine Angaben müssen herbeigeschafft werden. Am nächsten arbeitsfreien Tage fährt ein Mitglied des Kommitees nach. San Pedro. Die kleine Braut —gan- ze 16 Jahre ist sie alt -- ist glück- lich, von ihrem Theo etwas zu hören. Sie hat seinen Brief nicht recht ver- standen; wusste nicht, warum er verhaftet wurde, und dachte, er wä- re schon längst wieder frei. Nach Diktat schreibt sie einen kurzen Brief: [Querido Theo!. " Unser Vertrauensmann besucht dann die Arbeitgeber und erklärt die Sachla- ge; darauf schreiben sie bereitwillig die Arbeitszeugnisse aus. All das wird unserer Eingabe beigelegt. Bis sie entschieden ist, kann Theo wenigstens nicht deportiert werden. Wochen vergehen. Er sitzt angst- voll wartend im Marmegefängrns. Und dann kommt eines Tages der Bescheid; innerhalb von drei Tagen wird er mit der "Monte Sarmiento" nach Hamburg befördert. Jetzt müssen wir einen anderen Weg gehen. Unser Rechtsanwalt wendet sich an die Gerichte. Er er- klärt, das Vorgehen der Immigra- tion ist verfassungswidrig und un- gesetzlich. Der Mann müsse als Einwohner dieses Landes gelten und den Schutz der Gesetze geme- ssen; Ar durfte nicht ohne Grund verhaftet und monatelang seiner Freiheit beraubt werden. Das Ge- richt soll entscheiden, ob das Vor- gehen der Immigrationsbehörde rechtmässig ist oder nicht. Bis zur Entscheidung darf er nicht depor- tiert werden. Telegrafisch wird die Immigration von dem neuen Schritt verständigt. Die "Monte Sarmiento" fährt ohne ihn. Noch einmal ist er vor dem Zugriff der Gestapo geret- tet. Aber er muss weiter Geduld ha- ben. Wieder dauert es Wochen, bis das Bundesgericht zu einem Be- schluss kommt. Die Entscheidung ist gegen uns. Sie stützt sich auf ein Dekret des Präsidenten Uriburu, obwohl es den bestehenden Gesetz 2 zen zuwiderläuft und niemals Ge- setzeskraft erlangt hat. Wir legen sofort Berufung ein Und tragen den Fall bis zur Suprema-Corte. Inzwischen ist ein halbes Jahr ver- gangen. Theodor sitzt immer1 noch im Marinegefängnis. Wenn er de- portiert wird, dann sind Hunderte, die irgendwann einmal auf dieselbe Art herübergekommen sind, in der gleichen Gefahr. Dann können un- zählige politische Flüchtlinge — von jedem deutschen Schiff kommen welche- herunter — hier nicht auf Asylrecht hoffen. Von der Entschei- dung des Obersten Gerichtshofes wird es abhängen, ob sie hierblei- ben dürfen oder täglich darauf ge- fasst sein müssen, dass sie ihren Verfolgern wieder ausgeliefert wer- den. Denn Theodor ist wirklich nicht der einzige. Wie viele kommen in unsere Sprechtsunde in ihrem See- mannsanzug; Flüchtlinge, denen es gelang, sich herüberzuarbeiten. Oh- ne Kleidung, ohne Bleibe, ohne Ar- beit, nur mit zwei kräftigen Fäusten, gewillt, jede Arbeit anzupacken. Ihnen allen müssen wir in der er- sten Zeit helfen. DEUTSCHES MOSAIK In vielen sudetendeutschen Orten herrschte grosse Unzufriedenheit über die Weihnachtsspenden des Winterhilfswerks. In Aussig ging dies so weit, dass der Kreisleiter Schittenhelm beim Schulungs-Ap- pell der NSDAP am 8. Januar hier- auf ausführlich eingehen musste. Zunächst kündigte er an, dass kei- nesfalls daran zu denken sei, die niedrigeren Löhne der Sudetendeut- schen an die Tarife des Altreichs anzugleichen. Dann ging er auf die Unzufriedenheit mit dem WHW ein und erklärte: „Diese gewohnheitsmässigen Raun- zer müsste man erst durch gütliche Belehrung zu einer vernünftigen Haltung zu bringen versuchen. Wo diese aber nicht genüge, müssten auch schärfere Mittel zur Anwen- dung gebracht werden. Eine zwei- te Erscheinung, die nicht geduldet werden dürfe, sei eine Verleum- dungs- und Hetz-Kampagne gegen die politischen Leiter, die uneigen- nützig eine ungeheure Arbeit lei- sten und grosse Verantwortung tra- gen. Sollten aber die Urheber die- ser Heize dennoch unverbesserlich bleiben, so gehören sie in ein Kon- zentrationslager." (Bericht des ,,Aussiger Tagblatts" v. 9. 1. 39) Was ist mit Patagonien 7 Die argentinischen Zeitungen sind in den letzten Wochen angefüllt, mit sensationellen Artikeln über eine separatistische Bewegung, die die Los- lösung Patagoniens von der argentinischen Republik zum Ziel haben soll. Die Anklage, die Dr. Alberto Grassi, der Präsident der "Junta Central por Autonomia y Fomento de los Territorios11 erhebt, sind präzis und konkret. Sie belasten: einen Deutschen namens Karl Fürst. Genau so konkret und bestimmt sind die Angaben der argentinischen Presse über die separatistische, anti-argentinische Tätigkeit gleichgeschal- teter deutscher Organisationen. Die Angeklagten sagen zu ihrer Entschuldigung,, es handle sich um ein jüdisch-kommunistisches Manöver. Kein Mensch,glaubt ihnen das mehr. Die Entschuldigung ist zu abgenutzt. Die argentinische Presse von rechts bis links steht gegen sie. Nach gleichem Rezept haben Naziagenten gearbeitet in Oesterreich und der Tschechoslowakei. Dieselben Methoden verfolgen sie in der Schweiz, in Polen, in Ungarn, in Elsass-Lothringen, in Rutnänien, in USA, in Bra- silien, in Chile, in allen Ländern, in deren Hoheitsgebiet das Dritte Reich sich zu hochverräterischer Betätigung berechtigt-glaubt, weil dort „Men- schen deutschen Blutes'1 wohnen. Schon ist ein direkter Beauftragter des Präsidenten abgereist, um sich an Ort und Stelle zu erkundigen. Was. immer auch, das Resultat seiner Nachr forschungen sein mag, die Pressekampagne hat den schon vorhandenen Deutschenhass in Argentinien weiter verschärft. Vielerorts ist „alemän" heute ein Schimpfwort geworden. In zahlreichen Orten sind Deutsche verhört und verhaftet, überall ist die Aufmerksamkeit der Polizei auf sie geletikt worden,- weil sie sich nicht, früh und klar genug von den Agenten der ausländischen Regierung distanziert haben. Was soll erst werden, wenn in Europa der drohende Krieg ausbricht? Nationalsozialistische Betätigung ist für die. Argentiner gleichbed&titend mit Hochverrat, Mit Recht fragen die Argentiner: „Dürfte ein Criollo sich im Dritten Reich erlauben, wozu die Nazis sich in unserem Land erfre- chen?" Irügerisch und verhängnisvoll sind die Hoffnungen, die, man in gewissen Nazikreisen auf einen siegreichen argentinischen Faschismus setzt. Wie immer eine künftige argentinische Regierung auch aussehen mag, ab. kom- munistisch, ob radikal, ob nationaldemokratisch oder diktatorial — sie wird den schon jetzt deutlich sichtbaren Kurs der schärferen Nationalisie- rung in verstärktem Masse fortsetzen. Hat Brasilien nicht ein Regiment, das einem totalitären Staate sehr ähn- lich sieht? Und ist nicht gerade Brasilien das Land, wo dem Deutschtum der schwerste Schlag versetzt worden ist? Die deutschen Nazis:, die in Bra- silien eine faschistische Bewegung grossgepäppelt haben, sind ihre ersten Opfer geworden. Die aus Brasilien herausgeflogenen Naziagenten setzen ihre verderbliche Tätigkeit heute in Misiones fort; Morgen kann die Aufmerksamkeit der argentinischen Oeffentliehkeit auf Misiones gelenkt werden. Den Naziagenten ist das herzlich egal. Sie warten ja nur darauf, von. der argentinischen Polizei verhaftet zu werden, um dann mit der Märtyrer- krone ins Dritte Reich zurückzukehren, wo fettbezahlte Posten im Rück- wandereramt oder im Auslandsinstitut oder in der A. O. auL sie .warten. Für jene Herren ist nationalsozialistische Betätigung sinnvoll und vorteil- haft. Aber von uns ist es dumm, mit ihnen mitzumachen. Wir können doch nicht alle im Rückwandereramt beschäftigt werden! Wir, die wir hier sess- haft sind, die wir unsere Familie und unsere Zukunft in Argentinien ha- ben, müssen einmal die Suppe auslöffeln, die die Herren Geschäftsreisen- den in Nazismus uns. einbrocken. Aber es steht nicht nur unser persönliches Schicksal auf dem Spiel, Setzen die Naziagenten ihre hochverräterische Tätigkeit fort, — erlauben wir ihnen, sie fortzusetzen — so wird in Argentinien dem Deutschtum so de- finitiv der Garaus gemacht, wie es heute in Brasilien schon vernichtet ist. Die Deutschen haben friedlich und unbehelligt in Argentinien gelebt, man hat ihre Vereine und Schulen in Ruhe gelassen, als es in der alten Heimat keine totalitäre Regierung gab. Erst. Hitler hat, wie innerhalb der Reichs- grenzen so auch im Auslande,, das Verhängnis heraufbeschworen. Das Deutschtum in Südamerika steht .heute vor der Gefahr, vernichtet zu wer- den. DEUTSCHES MOSAIK Was ist mit Patagonien? Wir können uns das Recht auf die deutsche Sprache, das Recht auf deut-, sehe Schulen und deutsche Vereine nur erhalten, wenn wir in Wort und Tat deutlich abrücken von allen politischen Ansprüchen einer ausländi- schen Regierungspartei und deren getarnten Zweigstellen. Wir müssen laut und deutlich sagen: Wir sind Deutsche, aber wir sind nicht Nazis! Argentinien ist für uns kein Affenland. Wir wissen, dass unser Schicksal und unsere Zukunft mit Schicksal und Zukunft des arg entmischen Volkes verbunden sindl Wir fühlen uns nicht als politische Sendboten einer ausländischen Regie- rungspartei! Wir lehnen es ab, Hochverrat zu begehen an unserem argentinischen Gastlande, das für viele von uns Heimat und Vaterland geworden ist! Es kommt nicht darauf an, dass wir uns gegenseitig zuflüstern: „Ich bin auch kein Nazi." Wichtig ist, dass wir deutlich und sichtbar in unserem Verhalten gegen- über jedem, Argentiner oder Deutschen, zu erkennen geben, dass wir den totalitären Humbug ablehnen! Mit jenen Au ch-nicht-nazis, die die Nazizeitung lesen, oder für die Win- terhilfe spenden, oder im Opferring sind, oder im Volksbund, oder zum Eintopfessen gehen, kann niemand etwas anfangen. Sie sind nichts als lebende Beispiele für Feigheit und Gesinnungslumperei, die dem deut- schen Namen keine Ehre machen. Deutliche Scheidung ist not, wenn wir das Vertrauen unserer argentini- schen Mitbürger wiedergewinnen^ das Deutschtum in Argentinien und uns selbst retten wollen! Lohn und Lebensverhältnisse Lohn und Lebens-Verhältnisse im Reich Lohntüten Berliner Arbeiter. Die Lohntüten verschiedener Arbei- ter aus Berliner Betrieben geben folgendes anschauliche Bild: Lohn- tüte 1: Bruttolohn für 48 Stunden RM 44.40, verbleiben nach Verrech- nung der 7 verschiedenen Abzüge RM 31.17; Lohntüte 2: Bruttolohn bei 58 Stunden Wochenarbeit: RM 60.50, Nettolohn RM 41.72; Lohntüte 3: Bruttolohn bei 57 Arbeitsstunden RM 59.25, Nettolohn RM 32.44; die Lohntüte des 4. Arbeiters wies so- gar eine wöchentliche Arbeitszeit von 68 Stunden auf. Hier betrugen der Bruttolohn RM 71.25, der Netto- lohn RM 49.20. Was italienische Arbeiter in Deutschland erlebten. Schon vor dem Weltkrieg stellten die Bauunternehmer in Deutschland -gern Italiener ein. Auch dem Dritten Reich waren sie als Arbeitskräfte "II Lavoro Fascista" vom 13. 11. 38 mitteilt, konnten die Italiener jedoch nur wenig mehr als die Hälfte er- sparen. Ergebnis der Bestrebungen zur Geburten-Steigerung. Bekanntlich stellen sich schon An- fang 1933 die Nationalsozialisten als eine der ersten Aufgaben, die Zahl der Geburten zu steigern. Ueber die Erfolge auf diesem Gebiet berichtet die „Deutsche Medizini- sche Wochenschrift" vom 18. No- vember 1938: „Der Prozentsatz der ,einzigen' Kinder hätte ohne jeden Zweifel eine eindrucksvolle Ernied- rigung eilanren müssen, wenn die generative Propaganda (Geburten- Propaganda) auch nur in einem noch bescheidenen Ausmass den erstrebten Erfolg, gehabt hätte . . . Es zeigte sich aber, dass nicht nur überhaupt keine Erniedrigung ein- getreten ist, sondern, dass der Pro- zentsatz der ,einzigen1 Kinder noch Streiks in sudetendeutschen Betrieben. In der Teppichfabrik Gynzkey-Maf- fersdorf kam es zu einem Streik, weil die Löhne nicht der Preissteige- rung entsprechend erhöht werden sollten. In der Aussiger Schiffsbau- werft mussten die Arbeiter sich so- gar gegen eine beabsichtigte Lohn- herabsetzung mit der Waffe des Streiks wehren. —. Die Maschinen- werkstätten Breitfeld und Danek in Aussig unterliessen, es, die Arbeits- räume in gewohnter Weise zu hei- zen. Auch hier mussten sich,die Ar- beiter erst durch Streik ihre Rechte erkämpfen. — Die Arbeiterschaft der Färbereiwerke Hermann Müller in Grottau trat in den Streik, weil ihr die lange versprochene Lohner- höhung von 15 % vorenthalten wur- de. — Sogar bei den seit jeher als Nazi-Hochburgen bekannten Betrie- ben von Schäffer ä- Budenberg und bei den Textilwerken „Bärenweb" in Grosspriessen kam es zu Streiks. —Zu Beginn des neuen Jahres hat sich die Stimmung . in den meisten Betrieben sogar noch verschärft, weil nun' ähnliche. Lohnabzüge wie im Altreich eingeführt wurden. .Hin- zu kommt die Verschlechterung, durch die ständigen Preiserhöhun- gen (nach einer Preis-Tabelle d~: Gablonzer Bezirksbehörde ist eine Preis-Erhöhung von 12 % bei den wichtigsten Artikeln gestattet). Oesterreicher wollen heim. Der Wiener „Völkische Beobachter" berichtet (Ausgabe vom 22. 12. 38): „Oesterreichische Arbeiter, die in das Altreich.vermittelt worden sind, haben verschiedentlich versucht, in die ostmärkische Heimat zurückzu- kehren . . . wenn dem Einen das Ar- beitstempo, die Zubereitung der Kartoffeln und anderes nicht pass- te. . . , .Ein Nachgeben gegenüber diesen Versuchen hätte zur Folge, dass in kurzer Zeit die Mehrzahl der im Altreich beschäftigten Ostmär- ker zurückkehrt.",— Dieses unfrei- willige Geständnis des VB. lässt tief blicken! Die Entwicklung des österreichi- schen Fremdenverkehrs nach dem Abschluss. Die einzelnen Sommermonate brachten einen Rückgang des Frem- denverkehrs zwischen 47 und 86 % gegenüber der gleichen Zeit des Vorjahres. Und dabei war die Frem- den-Industrie eine der wichtigsten Einnahme-Quellen des früheren Oesterreich! beim Bau der grossen Autofabrik in Fallersleben 'willkommen. Von den 2500 herangezogenen Italienern ver- liessen jedoch Ende November 1500 Deutschland, obwohl man ihnen na- helegte, bis Ende März 1939 zu blei- ben. — Italienische Landarbeiter waren mit dem Versprechen gewon- nen, sie könnten nach der Ernte mit durchschnittlich RM 350.— Erspar- nissen pro Mann heimkehren. Wie eine ganz eindeutige Erhöhung . . . erfahren hat." In der gleichen Zeitschrift stellt Pro- fessor Birk fest: „Eine grosse Anzahl Neugeborener stirbt, weil sie gar keine oder zu wenig Muttermilch bekommen. Infolge der neuen Inten- sivierung unserer Industrie hat die Zahl dieser Kinder erheblich zuge- nommen. Da zahlreiche Frauen in den Fabriken arbeiten, müssen sie ihre Kinder entwöhnen und sie tags- über ungeschulten Kräften überlas- sen. Solcherart werden die Bemü- hungen des .Regimes, die Bevölke- rungsziffer zu heben, zunichte' ge- macht." VOM KIRCHENKAMPF Katholischer Buchhändler verhaftet, in dem Schaufenster einer Düssel- dorfer Buchhandlung nahe der Klo- ster strasse waren katholische Bü- cher, Zeitschriften und Heiligenbil- der ausgelegt. Eines Nachts schrie- ben die Nazis gross an die Fenster- scheibe: „Wie lange soll dies noch geduldet werden?11 Die Antwort liess nicht lange auf sich warten. In der nächsten Nacht wurden die Schei- ben eingeschlagen, der Buchhänd- ler wurde verhaftet. Plötzlicher Tod des Spanien- Pfarrers F liedner. Der bekannte Pastor Fiiedner, der früher in der evangelischen Kirche in Madrid tätig gewesen war, starb plötzlich in Gestapo-Haft.. Der alte Mann hatte eine Beteiligung an der Lügen-Propaganda gegen . die spa- nische Regierung abgelennt und war ihr sogar teilweise entgegen- getreten. Es wäre besser, dass ein Mühlstein . . . In Deutschland hat man die Hitler- riefe aus Oesterreich. -,i"+ der schlossenen Formationen zur Zerstö- tung und Plünderung jüdischer Got- teshäuser, Läden und Wohnungen geführt. Kinder zu gemeinen Ver- brechen anleiten, das ist schlimmer als Mord. Jesus rief ein Kind zu sich und stell- te das mitten unter sie und sprach: , . . . Wer aber ärgert dieser Ge- ringsten einen, dem wäre besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, da es am tiefsten ist." ARGENTINISCHE PRESSESTIMMEN Aus Fotoapparaten werden Kcmonen "El Corresponsal Argentino" be- schäftigt sich in seiner Nummer 21 mit der letzten Hitler rede, in der of- fen zugegeben wird, dass die wirt- schaftliche Lage des Dritten Reiches alles andere als rosig ist. Der zwei- einhalbstündige Wortschwall des Diktators lässt sich auf die eine kur- ze Formel bringen: "Wir müssen ex- portieren, wenn wir nicht sterben wollen." Exportieren, exportieren, immer mehr exportieren, gleich zu'welchen Bedingungen, das ist der Angst- schrei aller faschistischen Staaten. Aus Tirol: . Ich habe nur einen Wunsch, dass du die Leute wieder einmal spre- chen hörst: nichts als Jammer und Weh. Sogar die Nazis, besonders die grössten Führer sind nicht zufrieden. Nichts wird mehr respektiert, ja man macht nicht einmal vor dem Herrgott halt. Die Prozessionen werden ab- geschafft. Wie oft hört man sagen: Ah, so schaut die Freiheit in Nazi- deutschland aus! Wenn aber ein Nazigedenktag ist, wie wegen dem Sylvester Fink, dann muss alles beflaggt sein, und wer dieser Herr Fink war, das wissen wohl alle Leute. Der war wirklich seines Führers würdig, denn einen grösseren Raufbold und Kriminellen konnte man nirgends finden. ja, du wirst sagen: wird denn garnichts dagegen getan, nimmt man das alles so ruhig hin? O, nein, es sind schon Widerstände, und keine kleinen, Zuerst die Kommunisten, und jetzt mit einer grossen Aktivität die Legiti- misten. Am besten aber sind die Bauern. Wenn ihnen etwas nicht zusagt dann machen sie eben nicht mit und machen es so, wie sie es wollen, unu das gemeinschaftlich." Aus Wien: ,,Wir haben jetzt eine sehr schwere Zeit hinter uns, am Donnerstag hat man wieder Jagd gemacht, und dabei auch . . . gefangen, d. h. aus der Wohnung herausgeholt. Er ist erst Sonntag früh um Vz 1 Uhr nach Haus gekommen, aber fragen Sie nicht, wie er ausgesehen hat. 48 Stunden mussten 4000 Mann in der Reitschule in der Hahngasse stehen, ohne Es- sen, ohne Trinken, nicht ein bisschen Ausruhen, nicht einmal Notdurft konnten sie verrichten. Dort wurden sie wenigstens nicht geschlagen. Aber Sonntag früh hat man die Armen herumgetrieben, einmal hierhin, einmal dorthin. Dabei wurden sie verprügelt mit Fausten und Gewehrkolben und mit Füssen getreten . . . Ich sage Ihnen, was sich hier getan hat, das kann man nicht schildern, denn es ist entsetzlich, wie es hier zugegangen ist. Ich sage Ihnen, danken Sie Gott, dass Sie heraussen sind, und wenn Sie auch Entbehrungen lei- den, so sind Sie wenigstens in Sicherheit."' Führerworte. Dje allererste Voraussetzung zu einer Kampfesweise mit den Mitteln der nackten Gewalt ist und bleibt die Beharrlichkeit. Das heisst, dass nur in der dauernd gleichmässigen Anwendung der Methoden zur Unterdrückung einer Lehre usw. die Möglichkeit eines Gelingens der Absicht liegt. In der ewig gleichmässigen Anwendung der Gewalt allein liegt die allererste Voraussetzung zum Erfolg. . . . Nur im Ringen zweier Weltanschauungen miteinander vermag die Waffe der brutalen Gewalt, beharrlich und rück- sichtslos eingesetzt, die Entscheidung für die von ihr unterstützte Seite herbeizuführen. Adolf Hitler, Mein Kampf S. 188. Deutsche Worte. Das ist der Fluch des unglückseligen Landes, wo Freiheit und Gesetz daniederliegt, dass sich die Besten und die Edelsten verzehren müssen in fruchtlosem Harm, dass, die fürs Vaterland am reinsten glühn, gebrandmarkt werden als des Lands Verräter und, die noch jüngst des Landes Retter hiessen, sich flüchten müssen an des Fremden Herd. Und während so die beste Kraft verdirbt, erglühen, wuchernd in der Hölle Segen, Gewalttat, Hochmut, Feigheit, Schergendienst. Wie anders, wenn aus stürm bewegter Zeit Gesetz und Ordnung, Freih eit sich und Recht emporgerungen und sich fest gepflanzt! Da drängen die, so grollend ferne standen, sich fröhlich wieder in der Bürger Reihn, da wirket jeder Geist und jv S Mennchasl- liche Werke mi vi?ivn> beschei- denen 1'ri'iN die A usiKtattime:. der Druck und der iOiiiband unserer 5Hi- < her find allgemein als vor- bildlich anerkannt und von bleibendem Wert. 4. für eine Ausgabe von ."» Cen- tavo« pro Taer Nchaffeu Sie sieh mit der Zeit eine wert volle Bibliothek. Wenn Sie Interesse haben, dann .schreiben Sie im die Argentinische Buchgemeinschaft TITCUMAN 313, 2o. piso, dep, 6 Buenos Aires Die Märznummer des Mitteilungs- blattes erscheint gedruckt, da -vir diesmal Sonderbestellungen bekom- men haben. an unsere p «* @ r Wenn uiser Blatt das werden soll, was wir möchten, brauchen wir 'euere Mitwirkung. Schreibt uns deshalb, was euch gefällt an unserem Blatt, und was ihr anders haben möchtet! Schickt uns kurze Berichte und Mitteilun- gen oder schreibt uns Briefe über Fragen und Vorgänge, 'die euch -wichtig erscheinen, oder die euch am Herzen liegen. Fragt, wenn ihr etwas zu fragen habt! Wir werden antworten. Und dann, wenn ihr meint, dass unser Blatt seinen Zweck erfüllt: Verbrei- tet es, soviel ihr könnt! PALAST UND HUETTE "Deutschland, Deutschland über alles"; diese Forderung des Frei- heitssängers Hoffmann von Fallers- leben wird heute in niegeahntem Umfang verwirklicht. Das ganze deutsche Volk wird in den Dienst dieser Aufgabe gestellt. Man hat er- kannt, dass durch die Opfer eines jeden Einzelnen des deutschen Sieb- zigmillionen volkes Ungeheueres ge- leistet werden kann. Allein durch das tägliche Auskämmen der Müll- eimer werden jährlch bedeutende Werte gewonnen. Da noch nicht al- le den Sinn des Sparens und Haus- haltens im Dienste des Dritten Reichs begriffen haben, muss zur Zeit noch sanft nachgeholfen wer- den: Eine neue Zahntube soll nur noch verabfolgt werden, wenn die alte zwecks Metallersparnis abge- liefert worden ist. Wie Gewaltiges durch die Opfer, das Sicheinschränken und Sparen der breiten Volksmassen erreicht werden kann, dafür ist die neue Reichskanzlei ein monumentales Zeugnis. Mit diesem Palais des Füh- rers stellt sich das nationalsoziali- stische Deutschland an die Spitze aller Lander der Welt. Die Kosten belaufen sich auf 300 Millionen Mark. 50.000 Kubikmeter Beton, 20 Millionen Bausteine! 422 Meter Front! 12 Meter hohe Säulen! Die "lange Halle" ist hundertsechsund- vierzig Meter lang und übertrifft somit den Sniegelsaal ■ von Versail- les, etwas, was den Hohenzollern- kaisern nie gelungen ist. Mosaikhal- le mit rotem Marmorboden und rot- grauen Marmorwänden! Kuppelhal- le mit "in licht schillernde hellgraue Marmors lachen eingelegtem dun- kel glühendem Marmor"! Der Tep- pich in der Empfangshalle ' wiegt allein sechzig Zentner. Neben all den prachtvollen Hallen gibt es auch ein bescheidenes Arbeitszim- mer des Führers von 27 Meter Län- ge und fünfzehn Meter. Breite.. Angesichts dieses Prachtbaues ist es nicht zu verwundern, dass der Bau von Kleinwohnungen zunächst zurückgestellt v/erden musste. Göb- bels hat mitgeteilt, dac ; "eine be- helfsmässige Wiederherstellung der Elendswohnungen in ' Angriff ge- nommen wird", und dass "die Be- stimmungen über die Dach- und Kellerwohnungen milder gehand- habt werden". So ist denn das neue Reichskanz- lerpalais- ein schönes Sinnbild des Wortes: Gemeinnutz geht vor Ei- gennutz. II l( I HF.VA' SC II RIFT: Cjisillj« de ("nrre« "i2.™>7, Buenos Virew (ohne jeden wei- teren Zusatz). (iKLDSEXDl'NGEX: "A rjfeiitiiiiwhe« Ta- blatt" (Für DA I>). SPK KC1I ST Ii A D !C \ : X ur nach vorheriger «christlicher V nmelduns". "ins A \ Ilii-F.sii OMi TI ,!-.. 8