Das andere Deutschland mitteilungsblatt JAHRGANG II. BUENOS AIRES, 1. APRIL 1939 NUMMER 12 k Sieh dir dies Bild ge- nau c-n und versuche, dir vorzustellen, du wärest es, der da zer- treten wird. Was du hier siehst, das geschieht täglich. Es geschieht schon lange. Schon über zwanzig Jahre ist es her, da hat man Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg so umge- bracht. Und es sind bald zwanzig Jahre her, da haben sie Gu- stav Landruer so zer- stampft. Und e o h~t Mussolini M:rtteotti ka- put schlagen lassen. Und den Nazis, die den armen Landarbei- ter Pietrznch zerschlu- gen und zertraten, sprach Hitler telegra phisch seine Anerken- nung aus. Die das taten, regie- ren heute in Italien und in Deutschland. Sie tun heute tausend- fach, was sie früher dutzendfach getan ha- ben. Die Nazis nennen das "fertig machen". Es ist ihr höchstes Vergnügen, wenn sie unsere Kameraden so "fertig" machen. Seit Jahren geschieht das auch in Spanien, seit ein paar Wochen auch in der Tschecho- slowakei. Und mor gen? Hier siehst du, was Faschismus und natio nalsozialistische Kultur ist. Sieh es dir recht ge- nau an! Und wenn du dann vorbei und weiter gehst, als ginge dich das nichts an, dann hast du dir selbst dein Urteil gesprochen. Wenn du aber meinst, man dürfe nicht zulassen, dass man so mit Men- schen verfährt, dann zieh die Konsequenzen und hilf uns! Es gibt Schurken in jedem Land. Hitler hat sie gesammelt, >.n Uniformen gesteckt und in der Menschenquälerei ausgebildet. Mit ihnen hat er Deutschland erobert. Durch sie beherrscht er heute auch Oesterreich und die Tschechoslowakei. Wer seiner Ueberzeugung treu bleibt, wird gefangen. Wer seine Brüder nicht verraten will, wird gefoltert. Wer sich nicht beugt, wird zerbrochen. Die Mutigen werden gemordet, die Messen mundtot gemacht. Nur so kann Hitler herrschen. Aber er kann den Geist nicht töten. Der Geist der Freiheit lebt. Das Volk wird erwachen, Hitler und seine Henker hinwegfegen und ein freies Deutschland bauen. Bonzentum und Korruption Hunderttausende von Anhängern haben die Nazis seinerzeit gewonnen, weil sie so herzerfrischend auf die hohen Gehälter und das Wohlleben der republikanischen, insbesondere der sozialdemokratischen Bonzen zu schimpfen verstanden. Wie waren sie alle empört, die Zuhörer und Zuhö- ierinnen, wenn Hiller oder Göbbels gegen die hohen Gehälter, gegen die Reichstagsdiäten, gegen die Stühle des Herrn Scheidemann oder gegen die Villa eines thüringischen Ministers wetterten, die in Wirklichkeit ein bescheidenes Siedlungshaus war! Und wie schlugen die HerzerT höher, wenn diesen Bonzen der Galgen in Aussicht gestellt wurde! Und heute? Ach, heute hört man längst nichts mehr von dem Antrag dass ■niemand in Staatsstellung mehr als 1000 RM. Gehalt beziehen dürfe. Wenn alle aufgehängt würden, die mehr einstecken, so würde von der ganzen Führergarnitur der Nazis nichts, aber auch nichts übrigbleiben. Und wenn heute jemand an den früheren Antrag erinnern würde, so dürf- te niemand auch nur einen Pfifferling für sein Leben geben. Alle' höheren Naziführer beziehen ein Vielfaches der früher angepöbelten und ge- schmähten republikanischen Beamten. Sie haben meistens nicht nur ein Doppeleinkommen, sondern drei- und vierfache Gehälter. Sie sind Staats- oder Gemeindebeamte, sie sind hohe Funktionäre von Parteiorganisatio- nen, sie sind Reichstagsabgeordnete, und viele besitzen noch Zeitungen (.der Erbhofgüter, die man ihnen geschenkt hat usw. Die Reichstagabge- erdneten haben lediglich die Pflicht, ein paar Mal im Jahr in der Kroll- Oper eine Rede des Führers anzuhören, Heil zu rufen und das Horst Wes- sel-Lied zu singen. Das wird mit monatlich 600 RM. und freier Fahrt er- ster Klasse auf allen Bahnen des Reichs während des ganzen Jahres ho- noriert . Wir wollen hier in Fortsetzungen einiges über die Bonzen- und Korrup- tionswirtschaft des Dritten Reiches berichten. Das Wenigste davon dringt m die Oeffentlichkeit. Aber dieses Wenige genügt, um sich eine Vorstel- lung davon zu machen, wie ungeniert die nationalsozialistische Herren- kaste das deutsche Volk ausplündert, und wie korrumpiert das Nazisy- stem ist. Beginnen wir mit dem Führer! Immer wieder heisst es, dass Hitler so erstaunlich anspruchslos sei im Es- sen und Tmiken. Weder Fleich, noch Alkohol nimmt er zu sich. Auch das Rauchen versagt er sich. Weniger wird betont, dass er nicht nur nicht verheiratet ist, obwohl die Propaganda des Dritten Reichs nicht laut ge- nug Heiraten und Kinderkriegen als Pflicht jedes Deutschen hinstellen kann, sondern dass er nicht einmal normale Beziehungen zum anderen Geschlecht unterhält. Das alles sieht wahrhaftig weniger nach tugendhaf- ter Enthaltsamkeil als nach krankhafter Anomalie aus, in der man mit Recht einen Schlüssel zu der eigenartigen Persönlichkeit Hitlers zu finden glaubt. Aber lassen wir das auf sich beruhen. Jedenfalls kann im übrigen von irgendeiner Bescheidenheit bei Hitler gewiss nicht die Rede sein. Im Ge- genteil erinnert die Verschwendungssucht des Gottähnlichen, der als er- ster in der Weltgeschichte den Heilgruss für sich selbst zum allgemeinen Gruss zu machen gesucht hat, bis in die Einzelheiten an die verrufensten romischen Cäsaren, deren Grössenwahn sprichwörtlich geworden ist. In der vorigen Nummer haben wir bereits Angaben über die neue Reichs- Deutsches Mosaik Lohn- und Arbeits-Verhältnisse im Reich Ein nordwestdeutsches Arbeitsamt fällte kürzlich eine interessante Ent- scheidung: Ein Arbeiter ersuchte um die Genehmigung, in eine an- dere Arbeitsstelle hinüberwechseln zu dürfen, in der er ca. 50 % mehr verdienen würde. Das Gesetz ge- stattet einen solchen Wechsel im Falle einer Verbessrung. Das Ar- beitsamt lehnte den Antrag " jedoch ab. Zur Begründung führte es an: Die Erlangung eines finanziellen Vorteils rechtfertige nicht das Ersu- chen des Arbeiters.- Ursachen der Grippe-Epidemie Die "Prensa" vom 20. 2. 39 meldete über die Ursachen der weiten Aus- breitung der Krankheit in Berlin. "Einer der Gründe für die Aus- breitung der Krankheit war das Zö- gern der Aerzte, die Krankheits-Be- scheinigungen auszustellen, ohne die die Arbeiter nicht zu Hause bleiben können. Viele erkrankte Arbeiter haben ihre Arbeit fortge- setzt, wodurch die Ansteckung häu- fig wurde und die Krankheit sich ausbreitete. Die Presse führt den Fall an, wo in einer grossen Fabrik in Berlin die Hälfte ihrer Arbeiter erkrankten. Das nennt man "Kraft durch Freude". Kaum glaublich! Beim Bau der 4. Hafen-Einfahrt in Wilhelmshafen passierte kürzlich ein Unfall, der das heutige Arbeits- Tempo im Dritten Reich in kaum glaublicher Weise illustriert: An ei- nem Abend konstatierte man in ei- ner der Baracken, dass ein Arbeiter fehlte. Es wurde zunächst angenom- men, dass der Arbeiter wie so man- che andere ausgerissen sei. Als man nach zwei Tagen jedoch die Verschalung einer Zementmauer wegnahm, stellte man fest, dass der Arbeiter eingemauert worden war. Das Eingiessen der Zementmauer war so überstürzt geschehen, dass man unterlassen hatte, vorher zu zu kontrollieren, ob die Verscha- lung auch wirklich von Arbeitern frei sei. "Pinkelpausen" helfen Ein Sekretär der Deutschen Arbeits- front berichtet in der dritten Januar- Nummer des "Ruhrarbeiter" von ei- ner Klage zweier Direktoren. Die Beiden unterhielten sich "über die Frage der heute so aussergewöhn- lich üblichen Ueberstunden". Dabei äusserte der eine, Leiter einer Ma- schinenfabrik von rund 2000 Arbei- 2 deutsches Mosaik. . tem, "dass die Ausdehnung der Arbeitszeit ihm wenig Gewinn ein- brächte, die Pinkelpausen verlän- gerten sich, und was derartige Ab- wehr-Metholen des gesunden Men- schen gegen eine Ueberbeanspru- chung seiner Arbeitskraft mehr sind." Von der Reichsbahn Bekanntlich spielt das mustergülti- ger unktionieren der Verkehrs Ver- hältnisse, insbesondere der Eisen- bahn, eine wichtige Rolle in jedem Krieg. Hierbei sind sowohl die Be- schaffenheit des Materials und die Leistungsfähigkeit des Personals zu berücksichtigen. In Bezug auf beide Faktoren bestehen jedoch ausseror- dentliche Schwierigkeiten, Ver- kehrssperren von mehr als einer Woche mussten im Güterverkehr verhängt werden. Dazu meldet erst wieder die "Prensa" vom 18. 3. 39: "Die Reichsbahnverwaltung, die auf Grund der Abnutzung des Materials letzthin ca. 100 Züge, aus ihren Fahrplänen strich, zeigt an, das? ein ausgedehntes Programm beste- he, das innerhalb der Jahre 1940 und 1943 verwirklicht werden soll. So weit ist also das Material schon heruntergewirtschaftet, dass noch vier Jahre vergehen werden, bis die Reichsbahn die nötige Leistungsfä- higkeit erreicht haben wird. Nicht besser steht es mit der Perso- nalfrage. Darüber berichtet ein Ei- senbahn-Fachmann in der halbamt- lichen Zeitschrift "Der deutsche Volkswirt" vom 27. 1. 1939. Dort heisst es: "Eine ... Frage ist ..., ob das Reichsbahnpersonal durch ständige Höchstbeanspruchung viel- leicht schon Ueberlastungserschei- nungen zeigt. . . Beobachtungen dieser Art scheinen besonders im Hinblick auf die unbedingt nötige Leistungs-Reserve (gemeint ist: für den Kriegsfall. Red.) von nicht zu unterschätzender Bedeutung zu sein." Dass diese Ueberlastungs-Erschei- nungen tatsächlich in erschrecken- dem Masse vorhanden sind, berich- tet die nationalsozialistische "Reichsbahn-Beamten-Zeitung" in einem Aufsatz über die Unfälle der Bahnbeamten. Darin heisst es: "Un- ter den Opfern seien viele ältere erfahrene Menschen zu beklagen, die trotz ihrer Erfahrung verun- glückten, denn überarbeitete und ermüdete Leute können ihren Dienst nicht mit der nötigen Sorgfalt aus- üben." Material herabgewirtschaftet, Per- sonal überanstrengt. Mit solchen Voraussetzungen werden die Chan- cen ' in einem kommenden Krieg sehr herabgemindert. BONZENTUM UND KORRUPTION . kanzlei gemacht. Solch phantastische Summen sind hoch nie beim Bäü eines Herrscherpalais verausgabt worden. Das blieb dem schlichten Füh- rer, dem früheren Nachtasylisten und Bauhilfsarbeiter, vorbehalten. Um sein Landhaus auf dem Obersalzberg bei Berchtesgaden sind alle Bau- ernhöfe enteignet und niedergelegt worden, da es einem gewöhnlichen Volksgenossen nicht ziemt, in der Nähe des Führers zu wohnen. Man er- kennt, wieweit Deutschland in der Richtung vom Eigennutz zum Gemein- nutz fortgeschritten ist, wenn man sich an die Geschichte von Friedrich dem Grossen und dem Müller von Sansouci erinnert. Der absolute Herr- scher von Gottes Gnaden hatte es damals noch nicht so leicht, einen kleinen Müller zum besten des in seiner Person konzentrierten gemeinen Nutzens zu vertreiben. An Stelle der verjagten Bauern ist am Obersalz- berg eine ganze Villenstadt für die Beamten des Hitlerschen Hofstaates und ihre Familien entstanden, ferner Kasernen für die Leibstandarte usw. Ausserdem hat sich der Vielgeliebte imit Stacheldraht und Maschinen qewehren vor der Zuneigung seiner Untertanen gesichert. Für den äu- ssersten Fall habe er sich noch einen "Adlerhorst" in die Felsen einbauen lassen. Thränen der Rührung sind von alten Weibern beiderlei Geschlechts ver- gossen worden darüber, dass Hitler grossmütig auf sein Gehalt als Reichskanzler verzichtet hat. Aber die schäbigen 100.000 RM. y pico, sind bei dem Ausgabenetat Hitlers absolut belanglos. Wozu braucht er sie auch, da ihm ja die gesamten Staatseinnahmen zur Verfügung stehen? Er bekommt aus den Steuern des deutschen Volkes so viel, dass er jedem Gelüste seines Grössenwahns nachgeben kann. Aber ausserdem bezieht Hitler noch enorme Privateinnahmen. Er ist Be- sitzer des offiziellen Naziorgans, des "Völkischen Beobachters", und al- lein aus dem Zwangsverkauf seines Buches "Mein Kampf', das von den Gemeinden an die Brautleute etc. geliefert werden muss, sind viele Mil- lionen in seine Taschen geflossen. Einen grossen Teil davon hat er vor- her im Ausland angelegt, ohne dafür wegen Devisenvergehens mit dem Tode bestraft zu werden. So sieht die Legende von Hitlers Einfachheit in Wahrheit aus: Er ver- braucht ungeheuere Summen staatlicher Gelder für seine grössenwahn- r innigen Launen, und er benutzt seine Stellung als Staatsoberhaupt zu- gleich, um sich an Privatunternehmungen in phantastischer Weise zu bereichern. Kleiner Ueberblick über ein halbes Jahr Politik Am 30. September 1938 liefern Chamberlain und Daladier die ihnen be- freundete und verbündete tschechoslowakische Republik an Hitler au=>. Russland wird bei den Verhandlungen ausgeschaltet. Die Londoner und Pariser Diplomatie, völlig abhängig vom Monopolkapital, hofft, Hitlers Angriff nach dem Osten, d. h. gegen Sowjetrussland lenken zu können. Chamberlain behauptet, er bringe dem "Frieden für unsere Zeit . In Lon- don und Paris jubelt das betrogene Volk seinen Ministerpräsidenten zu. * Zum "Frieden für unsere Zeit" gehörtte auch die Auslieferung Spaniens cn Mussolini und Hitler.' England und 'Frankreich erdrosseln die spanische Republik, indem sie ihr die Zufuhr abschneiden. Gegenüber der zehnmal stärker bewaffneten Soldateska Francas bricht das republikanische Heer m Katalonien zusammen. * In dem Spiel mit verteilten Rollen, das die faschistischen Staaten spielen, um die Welt neu aufzuteilen, meldet Mussolini seine Forderungen auf Dschibouti, den Suezkanal, Tunis, Korsika, Nizza an. Zugleich beansprucht er die Vorherrschaft im Mittelmeer. * Um England und Frankreich im fernen Osten zu fesseln, besetzt Japan die strategisch äusserst wichtige Insel Hainan. Hitler hält sich indessen zurück und mimt Friedlichkeit. Nach der eng- lisch-deutschen Annäherung schliesst Ribbentrop nunmehr mit Frank- reich einen Nichtangriffspakt. *:■ Chamberlain versichert wiederholt, dass er an die Ehrlichkeit und den Friedenswillen der Diktatoren glaube. Auch nach den erfolglosen Bespre- chungen mit Mussolini in Rom stellt er diesem das beste Zeugnis aus. e 3 Kleiner Ueberblick über ein halbes Jahr Politik. Eine englische Kommission reist nach Deutschland, um einen Handels- pakt ahzuschliessen. Obwohl Roosevelt mehrfach mit aller Deutlichkeit die Weltbedrohunj durch die faschistischen Diktaturen anprangert, sind Hitler und Mussolini infolge der Dummheit und Schwäche der englischen und französischen Politik mehr als je davon überzeugt, dass die westlichen Demokratien, ihnen bei ihrem weiteren Vordringen keinen ernsten Widerstand entge- gensetzen werden. Sie müssn durch die plumpe Anbiederung Englands und Frankreichs an ihren Vasallen Franca noch mehr in dieser Auffas- sung bestärkt werden. •3t- So erfolgt ein neuer Schlag. Am 15. März 1939 rückt Hitler nach betrüge- rischer Zersetzungsarbeit und schliesslicher Gewaltdrohung in die. Tsche- choslowakei ein. Dieser brutale Gewaltstreich enthüllt aller Welt, soweit sie das bisher noch immer nicht kapiert hatte, dass alle Versprechungen und Abmachungen, dass auch die Phrase, von dem Zusammenschluss nur der Deutschen eitel Lug und Trug sind, dass Hitler in Wirklichkeit mit den brutalsten Mitteln nichts geringeres als die Beherrschung Euro- pas und der Welt erstrebt. Gestapo und SS wüten in der Tschechoslowakei. Die Karpathoukraine, die soeben von Hitler "befreit" vom tschechischen "loch" worden waren, wird gleich danach den Ungarn ausgeliefert. Ebenso steht sich die "be- freite" Slowakei sofort von Hitler betrogen. Die Bedrohung Europas durch Hitler ist so greifbar, dass selbst für einen Chamberlain "der Friede für unsere Zeit" schon vorbei ist. In Wahrheit hat er nicht einmal einen Tag gedauert. In dem verflossenen halben* Jahr wurde Spanien aufs scheusslichste abgewürgt, ging der Krieg in China weiter, platzten in Palästina die deutschen und italienischen Bom- ben, steigerte sich die allgemeine Aufrüstung ins Gigantische, wuchs die faschistische Wühl- und Zersetzungsarbeit in allen Ländern. Heute sind nach der Erledigung der Tschechoslowakei Rumänien und Polen, aber auch Englands Stellung in Vorderasien, unmittelbar bedroht. Nebenbei wird durch erpresserische Drohung Memel besetzt und Litauen wirtschaftlich an Deutschland angegliedert. * Endlich beginnt man zu begreifen. Chamberlain und Daladier, betrogene Betrüger, geben öffentlich zu, dass sie getäuscht worden sind. Angstvoll suchen sie das bedrohte Europa zusammenzuschliessen gegen die faschi- stischen Diktatoren. Das aber bedeutet, dass Sowjetrussland in den Vor- dergrund tritt. Heute braucht man die Hilfe der Sowjetrepublik, gegen die man noch vor kurzem Hitler hetzen wollte. Damit ist eine absolut neue Situation entstanden. England hat sich selbst in eine Lage hinein- manövriert, dass es als Bittender nach Moskau kommen muss. Das war noch nie der Fall seit Bestehen Sowjetrusslands. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob aus den Worten, Beratungen und Konferenzen der auf USA sich stützende europäische Bund gegen die Diktatoren Wirklichkeit wird, oder ob es bei leeren Worten bleibt und Europa weiter im faschistischen Sumpf versinkt. DEUTSCHE WORTE "Mit dem Nationalhass ist es ein eigenes Ding. Auf den untersten Stufen der Kultur werden Sie ihn immer am stärksten und heftigsten finden. Es gibt aber eine Stufe, wo er ganz verschwindet, und wo man gewisserma- ssen über den Nationen steht und man ein Glück oder ein Wehe seines Nachbarvolkes empfindet, als wäre es dem eigenen begegnet. Diese Kul- turstufe war meiner Natur gemäss, und ich hatte mich darin lange befe- stigt, ehe ich mein sechzigstes Jahr erreicht hatte." (Goethe, Gespräche mit Eckermann) FUEHRERWORTE Die nordische Rasse hat das Recht, die Welt zu beherrschen, und wir müs- sen dieses Recht unserer Rasse zum Leitstern unserer Aussenpolitik ma- chen. . . Glauben Sie mir, der ganze Nationalsozialismus würde seine Kraft verlieren, wenn er sich nur auf Deutschland beschränken würde und nicht zum Ziel hätte, die Herrschaft der höchstbegabten Rasse über die ganze Erde auszubreiten, wenigstens für 1000 oder 2000 Jahre". (Adolf Hitler an Otto Strasser Mai 1930) "Was nicht gute Rasse ist auf dieser Welt, ist Spreu" (Adolf Hitler, Mein Kampf S. 324) Deutsches Mosaik... Weitere wunde Punkte für den Kriegsfall Fehler in den West-Befestigungen Die "Prensa" vom 28. 2. 39 berich- tete: Die "Greenwich Times" veröf- fentlicht einen Artikel des bekann- ten ehemaligen Auslands-Korre- spondenten Withe Williams, in dem er behauptet, darüber unterrichtet zu sein, dass es nötig ist, die Sieg- fried-Linie der deutschen Befesti- gungen umzubauen, da beim Bau Betrügereien vorgekommen seien. Williams fügt hinzu, dass der Skan- dal der Nazi-Regierung ernsthafte Sorgen macht. Rheinisch-westfälische Industrie reparaturbedürftig JDie Düsseldorfer Handelskammer schreibt in einem vertraulichen Be- richt: 30 % des Maschinenparks der rheinisch-westfälischen Industrie ist reparaturbedürftig, doch besteht z. Zt. keine Möglichkeit, die notwendi- gen Reparaturen auszuführen. In der Zellstoffindustrie beträgt der Prozentsatz sogar 43 Wenn es so schon im wichtigsten Gebiet der Rüstungs-Industrie aus- sieht . . .! Entwicklung des deutschen Aussenhandels "Exportieren oder umkommen", so zeichnete Hitler in seiner Rede vom 30. Januar 1939 die Aussichten des Dritten Reichs. Wie sieht es nun mit dem Export aus? Betrachten wir drei der wichtigsten Export-Indu- strien Deutschlands. Im Jahre 1938 betrug der Rückgang des Kohlen- Exports gegenüber 1933 21.4 %. Die chemische Industrie exportierte 1938 um 13 % weniger als 1937. Und die Textil-Industrie verzeich- nete im vergangenen Jahr einen Umsatz-Rückgang von 17 % gegen- über 1937 und sogar von 27 % im Vergleich zum Jahre 1933. Im Januar 1939 wies der deutsche Aussenhandel eine Verschlechte- rung um 69 Millionen auf. Im Fe- bruar war der Export um 59.8 Mil- lionen geringer als die Einfuhr. Das österreichische Export-Defizit stieg von 1937 bis Ende 1938, also nach der Einverleibung ins Dritte Reich, von 120 auf 241 Millionen Rentenmark. Amtlicherseits hält man dabei eine Umsatz-Steigerung von 15—20 % für lebensnotwendig. Dass die dies- bezüglichen Bemühungen so völlig fehlschlugen, führt man in erster Linie auf die Boykott-Stimmung in vielen Ländern zurück. Die Gegner des Dritten Reichs werden sich mer- ken, welche scharfe Waffe sie also mit dem Boykott gegen das Hitler- Regime in der Hand haben. 4 Ratschläge für Rückwanderungslustige Wenn Du ein Nazi bist, brauchst Du keinen Augenblick zu zögern. Fahre ruhig los! Die Partei wird Dir schon eine Stellung verschaffen, wenn Du die richtigen Beziehungen hast. Denn von den Beziehungen hängt im Dritten Reiche alles ab. e Aber vorsichtshalber gib auf dem Fragebogen eine möglichst lange Liste an von Leuten, die auch zu- rückwandern wollen und denunzie- re sie als "schlechte Deutsche". Das Denunzieren ist heute eine ausser- ordentlich wichtige Sache im Drit- ten Reich. Je mehr andere Du de- nunzierst, um so höher steigt Dein Ansehen bei der Partei. • Als gute Vorübung empfehlen wir Dir, schon jetzt Butter, Kuchen und F leisch von Deinem Speisezettel ra- dikal auszumerzen. Wenn Dir das schwer fallen sollte, sprich leise vor Dich hin: "Kanonen sind wichtiger als Butter." Und "Göring hat's nö- tiger als ich". • Gewöhn Dir jetzt schon an, den Mund zu halten. Wenn Du auf den Mercado gehst, sag nicht mehr: "Donnerwetter, sind die Kartoffeln aber teuer!" Alles, was als Mecke- rei ausgelegt werden könnte, musst Du aus Deinem Wortschatz strei- chen . • Statt dessen üb Dir — am besten vor dem Spiegel — ein gewisses . verzücktes Lächeln und die ganze Skala der bewundernden Ausrufe von A bis O ein. Sag z. B. "Ah, wie gross ist der Führer!" "Oh, wie arisch sieht Göbbels aus!". "Ei, wie schön sind die Autostrassen'i" "Wel- che Ordnung herrscht in den Kon- zentrationslagern!" "Wie einig steht das deutsche Volk hinter Adolf Hit- ler!" Du darfst Dir nicht lächerlich dabei vorkommen, je mehr Du übertreibst, je besser ist es. » Vergiss nicht, Dein ganzes im "Af- land" verdientes Geld mit nach drü- ben zu nehmen. Lässt Du einen Teil hier stehen, kannst Du sicher sein, dass die Frau des Nachbarn es de- nunzieren wird. Und du riskierst das KZ. • * Gewöhn Dir an zu sagen: "es gibt keinen Krieg!" Vorsichtigerweise aber sieh zu, dass Du zu der SS oder Gestapo kommst. Im Falle nämlich der Krieg doch ausbricht, brauchst Du dann nicht an die Front, sondern Du darfst im Hinter- land den Kommunismus bekämpfen. Vielleicht ergibt sich auch die Mög- gliechkeit zu einträglichen Geschäf- ten, während die anderen im Sta- cheldraht verbluten. • Hast Du einen Sohn im militär- dienstpflichtigen Alter, kannst Du für ihn das Reisegeld sparen, in- dem Du ihn gleich über den Hau- fen schiesst. Das wird Dir schwer sollen, aber es ist noch nicht so schlimm, als wenn er später durch Fliegerbomben verstümmelt und durch die neuen Giftgase verbrannt wird. • Hast Du dich hierzulande mit einer Argentinerin verheiratet, brauchst Du keinen Augenblick zu zögern. Du kannst sie ebenso wie Deine Kinder im Stich lassen. Sie sind ja doch rassisch minderwertig und drüben machst Du mit ihnen nur einen schlechten Eindruck. Ehe Du abfährst, versichere Dich Deines Stammbaumes. Niemand ist ganz sicher. Und es haben schon andere Leute als Du unangenehme Ueberraschungen erlebt. • Wenn Du drüben angekommen bist und Du findest nicht alles so, wie Du es Dir vorgestellt hattest, schreib trotzdem begeisterte Briefe an Dei- ne alten Freunde in Argentinien. Du würdest — tätest Du es nicht — Dich schwer bei ihnen blamieren. • Gewöhn Dir ab, an das Morgen zu denken. Wenn Du in der Munitions- fabrik Granaten drehst, oder bei Junkers die neuen Bombermodelle zusammensetzt, oder für 20 Pfennig Tageslohn an den Autostrassen ar- beitest, oder als Westwallmann Fe- stungen baust, frag nicht, wozu das alles ist. • Ehe Du abfährst, besorg Dir noch ein paar Anzüge und Deiner Frau ein paar ordentliche Kleider. Von der Güte der Kunststoffe kannst Du Dich noch früh genug überzeugen. • Sieh zu, dass Du entweder das Zuchthaus von Villa Devoto oder das Irrenhaus von Mercedes von innen ansehen darfst. Dann werden Dir die Machthaber des Dritten Rei- ches weniger seltsam vorkommen und ausserdem gewöhnst Du Dich an das' Klima des Dritten Reiches. • Wir wünschen Dir eine gute Rei- se und hoffen; Du mögest niemals Deinen Entschluss bedauern. Machschrift: — Für Pgs. vom Range des Ortsgruppenleiters an aufwärts sind unsere Ratschläge überflüssig. Für sie wird man im Dritten Reich schon sorgen. Empfehlenswert ist jedoch für sie, dass sie sich hier in Argentinien möglichst wild gebär- den, sodass sie von der argentini- schen Regierung ausgewiesen wer- den. So kommen sie als Märtyrer zurück und erwerben sich das An- recht auf einen fettbezahlten Posten in der Parteibürokratie. Die faschistische Penetration in Nicaragua (L. I.) — Emiliano Chamorro, der frühere Präsident von Nicaragua gewährte dem Vertreter der mexi- kanischen Zeitung "Excelsior" ein Interview, in dem er u. a. erklärte: "Nicaragua ist noch ein halbkolo- niales Land. Trotzdem existiert in der Bevölkerung eine stark demo- kratische Tendenz. Jedoch darf man nicht verkennen, dass in der "liberalen" wie in der konservati- ven Partei Tendenzen faschistischer Art vorhanden sind. Das Volk, das hungert und im Elend ist, verehrt Sandino, unseren Freiheitshelden, der auf Befehl des augenblicklichen Präsidenten Somoza heimtückisch ermordet wurde. Die faschistischen Elemente stützen Somoza, der zwar die neue Politik Roosevelts lobt, aber andrerseits die Tätigkeit der deutschen und italienischen Faschi- sten unterstützt. Als Dank für die Anerkennung Francas und des abyssinischen Raubes erhielt Nica- ragua von Italien und Deutschland das beste und modernste Kriegsma- terial, das es jemals besessen hat." Streik gegen Nazifirmen Montevideo (L. I.) — Die uruguayi- schen Bauarbeiter liegen schon seit mehr als 6 Wochen im Streik. Die Bevölkerung zeigt sich empört über die starre und unversöhnliche Hal- tung der Bauunternehmer, die zum grössten Teil deutsche Nazis sind. Chile gegen Nazischulen Santiago de Chile (.L. I.) — Der chi- lenische Unterrichtsminister, Rüde- cindo Ortega Masson, bereitet ein Dekret vor, das die Rechte der aus- ländischen Privatschulen erheblich beschneidet. Diese Massnahme richtet sich gegen die deutschen und italienischen Faschisten, die mit Hilfe dieser Schulen die Jugend propagandistisch zu beeinflussen suchte. 5 Bücher Ignazio Silone, Der Faschismus Ignazio Silone, Fontamara Ignazio Silone, Die Reise nach Paris Ignazio Silone, Brot und Wein Ignazio Silone, Die Schule der Dik- tatoren. Ignazio Silone ist zuerst durch sein Euch "Der Faschismus" bekannt geworden. In diesem Buch schildert er Entstehung und Entwicklung der faschistischen Bewegung auf Grund eigener Anschauung und gründli- chen Studiums. Die Analyse, die hier gegeben, die Abrechnung, die hier gehalten wird, sind endgültig, Ein für allemal ist hier dem Fa- schismus die Maske vom Gesicht gerisesn, ist er in seiner abschrek- kenden Gestalt entlarvt, ist die fa- schistische Heldenlegende für im- mer widerlegt. In seinem neuesten Werk "Die Schule der Diktatoren" hat Silone mit seiner umfassenden Kenntnis der Geschichte und Soziologie und, mit seiner tiefdringenden Psycholo- gie neue tödliche Waffen gegen die Diktaturen und ihre Ideologie ge- liefert. In der Form von Unterhal- tungen zwischen einem Dikaturan- wärter aus USA, einem faschisti- schen Theoretiker und einer Figur, in der Silone selbst verkörpert ist, werden der Faschismus und die Diktatoren von allen Seiten unter die Lupe genommen. Aber auch wir, auch die Gegner des Faschis- mus unterliegen einer ebenso schar- fen wie notwendigen, zur Besin- nung zwingenden Kritik. Hinter der spöttisch-ironischen Form verbirgt sich ein leidenschaftlicher Hass ge- gen die Niedertracht des Faschis- mus und eine grosse Liebe zu den Menschen. Aus Silones Werken spricht ein grosser politischer Denker und zu- gleich ein unbedingt wahrhaftiger und reiner Mensch. Ist das schon eine sehr seltene Vereinigung, so ist Silone zugleich auch ein grosser Dichter, vielleicht der grösste der antifaschistischen Emigration. Nicht nur menschlich, auch dichterisch klein erscheinen neben ihm die "un- politischen" Dichter, die Aestheten und Literaten. Seine drei oben angeführten Dich- tungen zeugen von einer eingehen- den Kenntnis des einfachen italieni- schen Volkes, besonders der "Ca- foni", des armen ausgebeuteten und betrogenen Landproletariats. Wohl nie zuvor sind Leben, Denk- weise und Sprache der einfachen "Menschen auf dem Lande so unmit- telbar lebendig geschildert worden. Wir lesen, nein, wir erleben, wie es ihnen unter der faschistischen Dik- tatur geht, wie z. B. die armen Ca- foni des Dorfes Fontamara vom Fa- schismus zermalmt werden, weil sie um ihr armseliges bisschen Leben kämpfen. In "Brot und Wein" erhebt sich Si- . lones Stil zu klassischer Einfachheit und Grösse. Dieses Buch, das uns in Dorf, Kleinstadt und Hauptstadt des faschistischen Italiens führt, wird bestehen, wenn der Faschis- mus längst der Vergangenheit an- gehört, obwohl das Buch keines- wegs wie so manche Emigranten- bücher einen unmotiviert optimisti- schen Schluss hat, obwohl es viel- leicht allzu resigniert schliesst. Aber dafür gibt es keine Phrase, keine Oberflächlichkeit in diesem tiefern- sten, zum Nachdenken und Neu- denken zwingenden Buch. Unver- gesslich sind Landschaft und Men- schen, Situationen und Begebenhei- «- ten dargestellt. Am unvergesslich- sten vielleicht die Gestalt des alten Priesters, den seine kindliche Fröm- migkeit, seine einfache Menschlich- keit zum Kameraden der Sozialisten und Kommunisten macht, und der von den Faschisten vergiftet wird. Die "Schule der Diktatoren", so un- entbehrlich dieses Buch für den theoretischen Bekämpfer des Fa- schismus ist, ist keine leichte Lek- türe. "Der Faschismus" ist vergrif- fen. Aber die drei andern Bücher, die auch spanisch erschienen sind, seien allen warm zur Lektüre emp- fohlen. Aus Ignazio Silone: Die Schule der Diktatoren "Die faschistischen arteien haben in der Nachkriegszeit unsere geplagte Menschheit in eine Atmosphäre der Illusionen, der falsch gestellten Pro- bleme und der zweideutigen oder gar sinnlosen Worte eingehüllt, die nur dem Zweck diente, die Men- schen von ihren wahren Bedürfnis- sen abzulenken, um sie in ein Laby- rinth voll der krummsten Spiegel hineinzutreiben. So ist es denn be- reits üblich geworden, dass jede Partei, die sich bildet, um den So- zialismus zu bekämpfen und die In- teressen der Kapitalisten zu schüt- zen, sich gleich als soziale, völki- sche oder gar' sozialistische Partei maskiert. Nennt sich eine Partei ra- dikal, dann ist sie bestimmt ge- mässigt. Erhält eine Partei Weisun- gen und Gelder vom Ausland, so können Sie Gift darauf nehmen, dass sie dauernd die nationale Un- abhängigkeit im Munde führt. Die Absendung von Truppen, die in ei- nem befreundeten Lande Krieg füh- ren sollen, heisst, wie Sie wissen, Nichteinmischung. Die Verhaftung politischer Gegner, die dann öfters auf der Flucht erschossen werden, rennt sich Schutzhaft. Die Partei- gerichte, die Schrecken verbreiten sollen, tauft man Volksgerichte. Die Rüstungen rechtfertigt man mit dem Vorwand des Friedens. Den Wort- bruch begründet man damit, dass die Ehre des Landes ihn erforderte. Italien besetzt Abessinien, um die Sklaverei abzuschaffen. Japan über- fällt China, um die Chinesen von der Diktatur der Kuomintang zu be- freien. Die Lüge ist so sehr an der T agesordnung, dass sie nur noch Langeweils erzeugt. Einem uner- fahrenen Menschen, der sich auf das Abenteuer einliesse, eine der an die Propaganda irgendeiner Re- gierung gebundenen politischen Zeitung zu lesen, kann man, ohne fehlzugehen, am besten folgendes raten: willst du ungefähr die Wahr- heit erraten, dann glaube genau c;as Gegenteil von dem, was da ge- druckt steht." „ES LEBE DAS DEUTSCHE VOLK" Unserer tiefen Abneigung gegen das nationalsozialistische Regiment enspricht die ebenso tiefe Zuneigung und unser unerschütterliches Zu- trauen zum deutschen Volk. ES LEBE DAS DEUTSCHE VOLK! Das deut- sche Volk ist nicht der Nationalsozialismus und nicht das Dritte Reich, nie- mals! Freilich ist vor allem Adolf Hitler daran schuld, dass dieses grosse Volk, enttäuscht und erniedrigt wie es gegenwärtig dasteht, die tiefe see- lische Wandlung durchmacht und erleidet, um die gerade wir kaum ge- prüften Schweizer es nur beneiden können. Kräfte werden geweckt, die eines Tages dann vielleicht im Stand sind, dass sie eine ganze Welt um- gestalten, indem sie sie zugleich steigern, sittlich und geistig. Unser hei- sser Wunsch verbindet sich mit der Erwartung, ja Zuversicht, das deut- sche Volk möge das Dritte Reich, die bisher härteste Prüfung seiner har- ten Geschichte, bestehen. Das Dritte Reich wird vergehen, aber das deut- sche Volk ist und noch mehr: wird sein! Aus: "Schweizer Zeitung am Sonntag" 6 Aus der Hilfsarbeit Ueber Nacht ist die Tschechoslowakei besetzt worden. Am 15. März früh 6 Uhr war die Gestapo in Prag und verteilte ihre Agenten über das gan- ze Land. Die böhmischen Nazis, die sich seit dem münchener Abkommen ungehindert betätigen konnten, hatten ihre Listen fertig. Die Grenzen waren geschlossen. In den ersten 5 Tagen der Besetzung wurden in Böh- men und Mähren 18.000 Gegner des Nationalsozialismus verhaftet: Flüchtlinge aus Deutschland und aus Oesterreich, Tschechen und Juden. In der Tschechoslowakei lebten nach vorsichtigen Schätzungen 4.000 po- litische Flüchtlinge aus Deutschland und Oesterreich. Mehrere hundert, die kurz vor dem Einmarsch der deutschen Truppen eine Einreiserlaubnis nach überseeischen Ländern bekommen hatten, halten sich in den Kellern von Prag und in den umliegenden Wäldern verborgen, weil sie aus der Hölle nicht herauskönnen. Erst allmählich, nach furchtbaren Irrfahrten und Entbehrungen, gelingt es einzelnen, ein anderes Land zu erreichen. Aber die westlichen Demokra- tien geben keine Arbeitserlaubnis; oft werden Flüchtlinge wieder nach Deutschland zurückgeschickt. Das Ziel der meisten sind die amerikanischen Länder, in Südamerika besonders Argentinien. Die plötzliche, erzwungene Auswanderung von Tausenden, die vom Fa- schismus vertrieben werden, geht unter ganz andern Umständen vor sich eis frühere Auswanderung. Auch früher kamen jedes Jahr viele Auswan- derer in amerikanischen Ländern an. Aber es waren junge, kräftige, ar- beitsfähige Menschen. Sie konnten sich selbst helfen, sich eine Existenz schaffen, und dann vielleicht auch Angehörige nachkommen lassen. Heute müssen die Gegner des Regimes, die der Verhaftung und dem To- de entgehen wollen, heimlich, schnell, unter den furchtbarsten Schwierig- keiten fliehen. Sie müssen ihre Habe zurücklassen, sie sind froh,' wenn sie aas nackte Leben retten können. Entbehrungen, Hunger, und die Quäle- reien des Konzentrationslagers haben ihre körperliche und geistige Kraft untergraben. Und wenn dann die Auswanderung gelingt, und sie kommen hier an — zermürbte Männer, Frauen, kleine Kinder, nicht voll arbeitsfä- hige ältere Leute, die die Verhältnisse und die Sprache des Landes nicht kennen •— was sollen sie tun? Wir geben heute einige Angaben wieder, die uns von Hilfesuchenden ge- macht wurden und die wir nachgeprüft haben. Es sind Erlebnisse und Lei- den, die Tausende von Menschen drüben erfahren müssten. Der Maurer Als Funktionär einer Arbeiterpartei wurde er gleich bei der Machtüber- nahme von den Nazis verhaftet und in ein Konzentrationslager gebracht. Nach einem Jahr wurde er entlassen und unter Polizeiaufsicht gestellt. Es gelang ihm, nach dem Saargebiet zu flüchten. Hier setzte er bis zur Ab- stimmung den Kampf gegen die Nazis fort; dann floh er weiter, nach Frank- reich. Die Franzosen steckten ihn in ein Flüchtlinglager und schickten ihn dann mit andern Saarflüchtlingen nach Paraguay. Als einzelstehen- der Mann erhielt er kein eigenes Land; er musste auf dem Lote eines an- dern arbeiten. Dies war ein ehemaliger Nazi, der Parteigelder unterschla- gen hatte, nach Frankreich gegangen war und sich dort als Saarflücht- ling ausgegeben hatte. In Paraguay trat er wieder als Nazi auf. Unserm Freund wurde das Leben dort unmöglich gemacht, und er ging nach Ar- gentinien. Der Arzt stellt fest, dass er unterernährt und in seinem Nerven- system erschüttert ist. Eine Frau. Frau S. war Journalistin in einer Grosstadt Westdeutschlands. Sie gehörte einer Arbeiterpartei an und trat öffentlich gegen die Nazis auf. Als die Nazis zur Macht kamen, war sie Freiwild. Ihre Wohnung konnte sie nicht mehr betreten; fünfmal kam die Gestapo, machte Haussuchung und such- te nach ihr. Auf der Strasse wurde sie von SA angefallen und durch einen Revolverschuss verletzt. Es gelang ihr schliesslich, nach der Schweiz zu entkommen. Aber nach all den Aufregungen bekam sie einen Nerven- zusammenbruch. Als sie aus dem Krankenhaus kam, verweigerten ihr die Behörden die Aufenthaltserlaubnis. Sie ging nach Frankreich und arbeitete ein Jahr lang als Dienstmädchen in Paris, an verschiedenen Stellen, immer ohne Arbeitserlaubnis, wo sie nur Arbeit bekommen konnte. Dazwischen lagen Wochen und Monate der Arbeitslosigkeit, des Hungers. Dann droht Verhaftung durch die französische Polizei; die Deut- schen hatten einen Auslieferungsantrag gestellt. Mit ihrem Journalistenausweis kommt sie nach England hinein. Wieder arbeitet sie im Haushalt, nebenbei als Journalistin. Aber der Ausliefe- EINZIGE antifaschistische gut sortierte Buchhandlung Das grösste Antiquariat :'n Südamerika Die komplette Leihbibliothek sämtl. Neuerscheinungen ARNA LAVALLE 379 FILIALE: MENDOZA 2382 ECKE CABILDO 7 Wer Bücher liebt, kommt zur Argentinischen Buchgemeinschaft • Sind Sie schon Mitglied der Argentinischen Buchgemein- schaft ? Die Argentinische Buchgemeinschaft arbeitet in engster Verbindung mit der auf gemeinnütziger Basis auf- gebauten Büchergilde in Eu- ropa. 21000 Bücherfreunds1 sind bereits Mitglieder dieser Buchgemeinschaft. Ueber 30 000 Leser freuen sich an den Büchern. Melden Sie noch heute Ihre Mitgliedschaft an, damit das gute, das schöne, das billige Buch der A. B. auch Ihnen und Ihrer Familie Freude macht. • Das Eintrittsgeld beträgt $ 1.—, der regelmässige Mo- natsbeitrag $ 1.50. 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II. die Argentinische Buchjsemein- schaft macht ihren Mtij^liedern inhaltlich ftutc Bücher von zeitgenössischen und älteren Schriftstellern, sowie Relsebü- eher und populärwissenschaft- liche Werke zu einem beschei- denen Press za^jin^Ijoh. >'i die Ausstattung, der Druck und der Einband unserer Bü- cher sind allgemein als vor- bildlich anerkannt und von bleibendem Wert. 4. für eine Ausgabe von •> Cen- tavos pro Tag schaffen Sie sich mit der Zeit eine wertvolle Bibliothek. !» Wenn Sie Interesse haben, dann schreiben Sie an die Argentinische Buchgemeinschaft TUCUMAN 313, 2o. piso, dep. 6 Buenos Aires Amerikanische Geistesarbeiter für Meinungsfreiheit Santiago de Chile (L I) — Die ame- rikanische Konferenz für geistige Zusammenarbeit, die von Vertretern aller amerikanischer Länder be- schickt war, nahm Anträge entge- gen, in denen freie Zirkulation aller Werke ohne Rücksicht auf ihre ideologische Einstellung, Oeffnung der Grenzen für die aus politischen oder rassischen Gründen Verfolg- ten und Hilfe für die Intellektuellen aus dem Regierungsspanien gefor- dert wurde. Die Anträge wurden bekämpft von dem argentinischen .■und peruanischen Regierungsver- treter. wmmmmmmmmmmmmmmmmm Aus der Hilfsarbeit.... rungsantrag wird nachgeschickt, sie ist angeklagt, in Deutschland ein gemeines Verbrechen begangen zu haben, in einem Ort, den sie nie be- treten hat! Das englische Innenministerium, das keine Schwierigkeiten haben will, fordert sie auf, binnen 24 Stunden das Land zu verlassen! Noch 4 Wochen bleibt sie illegal in England. Dann bezahlt ihr ein Flüchtlingskomite die Reise nach Irland. Aber die Verfolgung durch die Gestapo ist noch nicht zuende; das Aktenstück und der Auslieferungsan- trag wird an die irischen Behörden weitergegeben. Wieder wird sie aus- gewiesen, wieder muss sie über die festgesetzte Frist im Lande bleiben, stündlich eine Verhaftung fürchtend. Denn sie weiss nicht, wohin sie sich wenden soll. Sie will nach Argentinien, die Quaker stellen das Reisegeld zur Verfügung, aber der Konsul macht Schwierigeren. Erst zwei Stun- den vor der Abfahrt des Dampfers bekommt sie das Visum. In Buenos Aires bekommt sie eine Arbeit als Journalistin, aber sie ist dem Arbeitstempo nicht mehr gewachsen. Sie wird krank, kommt ins Hospi- tal. Körperlich noch geschwächt, steht sie auf der Strasse. Sie ist heute etwas über 40 Jahre alt; mehrere Jahre hindurch wurde sie durch Euro- pa gehetzt. Es wird geraume Zeit dauern, bis diese Frau wieder voll ar- beitsfähig ist. (Ir, der nächsten Nummer bringen wir den Bericht zum Abschluss.) Briefe aus Deutschland Eine Mutter, die ihren Sohn ins Ausland geschickt hat: Machen Sie mir keine Vorwürfe. Ich habe es mir lange überlegt, und der Schritt war nicht leicht. R. selbst wird Ihnen manches erzählen. Sie wer- den staunen. Die Verhältnisse gerade in den Schulen und unter der Ju- gend haben sich so verändert, dass ich pflichtvergessen handelte, wenn ich den Jungen nicht aus diesem Milieu herausnähme. Sie wissen, dass ich nicht kleinlich bin und Verständnis für junge Menschen habe, abar was man hier an jugendlicher Verwahrlosung erlebt, spottet jeder Be- schreibung. Ich kann aus vielen Gründen nicht zu Papier bringen, was man hören und sehen muss, und ich könnte es Ihnen auch nicht erzählen. Die Kin- der lernen absolut nichts mehr; es ist ja gut, dass sie nicht mehr wie wir mit ödem Wissenskram belästigt werden, das sehe ich ja ein, aber man vernachlässigt doch die Ausbildung in den elementarsten Kenntnissen. R. ist ein hervorragender Fussballspieler, aber das ist auch alles. Das liesse sich ja nun noch durch private Anstrengungen nachholen, aber die moralische Verwilderung unter der Jugend hat einen solchen Grad er- reicht, dass ich keinen arideren Weg sehe, den Jungen zu retten. Man spricht immer so viel davon, dass Autorität und Ordnung bei uns herrsch- ten, aber wenn Sie mit Lehrern und. Parteifunktionären über die heillosen Zustände sprechen,' so stösst man auf Schweigen, da man sich keinen Rat mehr weiss.