Das Andere Deutschland (LA OTRA ALEMANIA) Periodico Aleman Independiente JAHRGANG HI — Nr. 30 BUENOS AIRES, 15. September EINZELNUMMER 30 CENTAVOS JAHRESABONNEMENT: 3 PESOS 1940 Die russische Sphinx Man liest oft von der Rätselhaftigkeit, der stalinschen Aussenpolitik. Wir halten sie nicht für rätselhaft, und wir haben sie von Anfang an in ihren Grundzügen aus der gesamten eu- ropäischen Entwicklung und Situa- tion heraus begreifen und zu erklä- ren gesucht, ohne deswegen auf ihre Kritik zu verzichten. Die Eingliede- rung Rumäniens in den Machtbereich Hitlers, ohne dass Russland sich da- gegen zur Wehr gesetzt hat, gibt uns Anlass, nochmals unsere Auffassung über die russische Aussenpolitik dar- zulegen, Russland hat die Drohung Hitlers mit dem Ritt nach Osten, d. h. der Eroberung weiter östlicher Gebiete für deutsche Siedlung so ernst genom- men, wie sie gemeint war. Es hat deshalb die deutsche Aufrüstung mit Wachsender Sorge verfolgt. Das Ziel der russischen Aussenpolitik wurde die Fesselung Hitlers und die Siche- rung Russlands durch einen europäi- schen Zusammenschluss. Deshalb trat Litwinow als Vorkämpfer der kollek- tiven Sicherheit und einer aktiven Völkerbundspolitik auf; deshalb for- derte man von England und Prank- reich eine festere Haltung gegenüber den hitlerischen Provokationen; des- halb schloss man e nen Bündnisver- trag mit der Tschechoslowakei; des- halb suchte man den europäischen Zusammenschluss gegen die faschisti- schen Agressoren durch die Volkä- frontpolitik zu fördern und zu zemen- tieren. An der Politik der CJity und Chatober- lains, der zweihundert Familien und Daladiers ist diese nach unserer Ue- berzeugung richtige Politik geschei- tert. Auch die vorjährigen Bündnis- verhandlungen mit England und Frankreich erwiesen die Unzuverläs- sigkeit dieser Bündnispartner. Immer lastender empfand man in Moskau die Gefahr, eventuell isoliert dem An- griff Hitlerdeutschlands ausgesetzt zu sein. Durch den Nichtangriffspakt mit Hitler und die Zusammenarbeit mit ihm suchte man dieser Gefahr zu entrinnen. 1 Diese Schwenkung erfolgte also ge- wiss nicht aus Zuneigung zu Hitler- deutschland, sie war vielmehr die Fol- ge einer berechtigten schweren Sor- ge. Russland hat den Krieg ausgenutzt, um seine Positionen gegenüber einem künftig möglichen Angriff auszubau- en. Ein solcher Angriff kann nur von Deutschland ausgehen oder von einer Koalition, zu der Deutschland gehört. Um die russische Rückendeckung nicht zu verlieren, musste Hitler die Beset- zung eines Teils von Polen, der bal- tischen Staaten, der finnischen Grenzgebiete und Bessarabiens zulas- sen, während Russland ihm freie Hand bei seinen umfangreichen Eroberun- gen liess. Die "Freundschaft zwi- schen Hitler und Stalin besteht also darin, dass beide zur Zeit den Kon- flikt nicht wollen, aber gleichzeitig bestrebt sind, sich für einen künftigen Konflikt bessere Positionen zu sichern. In diesem Wettlauf bedeutet die An- gliederung Rumäniens einen gewalti- gen Erfolg Hitlers. Ein Hauptziel der russischen Politik war von Peter dem Grossen bis heute die Beherrschung der Dardanellen und damit der freie Ausgang zum Mittelmeer. Durch die- ses Ziel war und ist die russische Po- litik auf dem Balkan und gegenüber der Türkei bestimmt. Die von Deutsch- land verfolgte ökonomisch-politische Linie Hamburg-Bagdad hat Russland im vorigen Weltkrieg an die Seite Englands und Prankreichs geführt. Für Sowjetrussland ist es ebenfalls, ja erst recht absolut unerträglich, wenn Hitlerdeutschland den Balkan (beherrscht, das Mittelmeer für Russ- land sperren kann und aus starker Position am Schwarzen Meer die Uk- raine und die russischen Petroleumge- biete bedroht. Umso mehr ist das der Fall, als sich Hitler nach der Beset- zung Dänemarks und Norwegens auch im Besitz der Ausfahrt aus der Ost- see befindet. Bleiben diese Positionen in Hitlers Hand, so ist es mit der Grossmachtstellung Russlands in Eu- ropa vorbei. Wenn Stalin die brüskierende Aus- schaltung auf dem Balkan — Russ- land wurde in Wien so wenig zuge- zogen wie seinerzeit in München! — vorerst schweigend hinnimmt, so des- halb, weil er sich zu offenem Wider- stand zu schwach fühlt. Dabei sei da- hingestellt, wie weit das Terrorsystem und die Massenerschiessungen der Offiziere an dieser Schwäche schuld sind. Nun rechnet man in Moskau aocr zweiieiles so: Hitler wird im Kampf mit England seine Kräfte so erschöpfen, dass der Augenblick kom- men muss, in dem Russland seine Rechnung präsentieren kann. Russ- lands Position wird dann umso bes-. ser sein, je mehr auch England sifch im Kriege erschöpft hat und je ver- hasster die Naziherrschaft bei den un- terjochten Völkern Europas ist. Wenn diese Spekulation richtig ist, so muss man auch die Folgerung zu- geben, dass der Widerstand Englands im ureigensten Interesse Russlands liegt. Es besteht also heute das Para- dox, dass England — von der bol- schewistischen Propaganda als Feinet Nummer eins beeichnet — gewiss sehr gegen den Willen seiner herr- schenden Klasse Sowjetrussland ge- gen Hitler verteidigt. Nichts wäre verhängnisvoller gewesen für - Rusisland, alfi wenn England nach dem Zusammenbruch Framkfc- reichs auch kapituliert hätte, und wenn es dann Hitler gelungen wäre, sich mit dem nordamerikanischen Monopol - Kapital zu verständigen. Dann wäre die stunde gekommen, in der er den Ritt nach Osten hätte wa- gen und der gläubigen kapital'sti- schen und bürgerlichen Welt hätte sagen können: "Seht, jetzt kommt doch mein Kreuzzug gegen den Bol- schewismus ! Man hat mich bisher nur daran gehindert, und deshalb musste ich Russland zunächst durch das Freundschaftsabkammen neutra- lisieren." Wer zweifelt, dass er willi- ges Gehör finden würde! Dass England nicht der Hitier-Stalin- schen Friedensoffensive gefolgt ist, sondern zähestens Widerstand leistet, und dass es heute von USA. unter- stützt wird, hat diese Gefahr vermin- dert. Aber sie ist noch nicht über- wunden. Würde sie Wirklichkeit, so geriete Russland in grösste Not. Die Hoffnung, dass in diesem äussersten Fall das Weltproletariat auf Russ- lands Seite treten würde, ist durch die Fehler der stalinschen Politik noch mehr aber durch die Propaganda der Komintern sehr herabgemindert wor- den. "Volksfront! Nieder mit der Volks- front! — Proletarische Elinheitsfront! Entlarvung der sozialistischen Ver- 2 räter! — Hitlerdeutschland Feind hat aus dem ,was grösstenteils durch Nummer eins! England Feind Num- die Verhältnisse aufgezwungene tak- mer eins! — Nieder mit üen faschi- tische Manöver waren, _ bitteren Ern-?t stischen Agressoren! Nieder mit den gemacht. Fast von einem Tag zuin englischen und französischen Agresso- anderen behauptete sie das Gegenteil ren!" — Wer soll diese Widersprüche von dem vorher e.frigst Vertretenen, verstehen? Wer soll da nicht köpf- Diese Haltung hat Russland sicher scheu werden? weit mehr geschadet als genützt. Nur eine von der Analyse der Tatsachen Stalin hat nichts getan, um die "durch ausgehende objektive Kritik kann Ver- die Verhältnisse herbeigeführten ständnis wecken für das, was an der Schwenkungen seiner Politik ver- stalinschen Aussenpolitik durch stündlich u machen. Schuld der europäischen Westmächte Die staliiüstische Gefolgschaft aber erzwungen worden und richtig ist. Uber den Charakter dieses Krieges Von Professor Harold J. Laski, London Mitglied der Exekutive der Labour Party Wir entnehmen diesen Artikel — mit Kürzungen — dem Bu- che "Labour spricht — Die britische Arbeiterpartei über Krieg, Frieden und neues Europa". Das Buch kann vom Büro des Anderen Deutschland bezogen werden. Für Sozialisten ist der Unterschied zwischen dem Krieg von 1914 und diesem Krieg grundlegend. Es ist der Unterschied zwischen dem Imperialismus von Frankreich und Grossbritannien einerseits und dem Hitler-Deutschlands an- derseits. Ein Sozialist braucht das Verderbliche und Hässliche im ersten Im- perialismus nicht zu leugnen oder zu vergessen, aber er muss sich immer des wesentlichen Charakters des anderen bewusst sein. Der britische Imperialismus hat das Stadium der Ausdehnung und des krie- gerischen Angriffs überschritten: der deutsche Imperialismus tritt in dieses Stadium ein. Der Krieg wird im britischen Impeprialiisimis die zentrifugalem und zersetzenden Tendenzen, die die Dominions in praktisch unabhängige Staaten verwandelt haben und Indien rapid in diese Richtung drängen, stär- ken. Ein siegreicher Krieg für Hitler-Deutschland würde klarerweise die Macht eines neuen und kraftvollen Imperialismus festigen, der am Beginn seiner Ausdehnung steht, und würde Regirungsmethoden zur Anwendung bringen, die die Unterworfenen härter bedrücken würden als die Regierungsmethqden des zeitgenössischen Grossbritannien. Ich wähle Britisch-Indien als Prüfstein. Ich bestreite keineswegs die Tatsa- che der Bedrückung Indiens durch die britische Herrschaft. Aber selbst diese Unterdrückung lässt dem indischen Volk ungleich mehr wirkliche Möglich- keiten des Aufstiegs zur nationalen Freiheit als sie jene Nationen besitzen, die der Herrschaft Hitler-Deutschlands unterworfen sind. Der Grund dafür ist sehr einfach. Der britische Imperialismus war im Wesen ein Kapitel exportie- render Imperialismus. Der britische Kapitalismus hat auf der Suche nach hö- heren Profiten die Kolonien unter seiner Herrschaft industrialisiert. Dadurch aber entwickelte er die sozialen Kräfte (wie die Klassenbeaiehungen), die das 1 Wachstum des ökonomischen und politischen Bewusstseins ermöglichen und wahrscheinlich zur Befreiung führen. Aber der faschistische Imperialismus ist ein Imperialismus ganz neuer Art. Er ist vor allem eine unmittelbare und der totalitären Volkswirtschaft des fa- schistischen Staates eingeborene Tendenz. Seine Absicht ist nicht, die von ihrn besetzten Gebiete solcherart wirtschaftlich zu entwickeln, dass dadurch auch ihre Völker entwickelt würden. Er sucht im Gegenteil die Hilfsquellen jener Gebiete, besonders ihre Rohstoffquellen und die Landwirtschaft auszu- beuten, und vermeidet dabei die Konsequenzen der Industrialisierung. JEr betrachtet die Eingeborenen der Kolonien, sowohl menschlich wie ökonomisch, als Leibeigene der Erobererrasse. Dies zeigt sich unverhüllt in der Behandlung der unterwrfenen Völker Polens und der Tschechoslowakei durch Deutschland. Von diesem Gesichtspunkt ergibt sich für den Sozialisten eine wesentliche Schlussfolgerung. Es ist die sichere Schlussfolgerung, dass, obgleich dieser Krieg ein Konflikt zwischen Imperialismus ist, die Kämpfenden auf der einen Site einen schrumpfenden, die auf der anderen Seite einen nach Ausdehnung strebenden Imperialismus vertreten. Wenn der expansive Imperialismus er- folgreich ist, dann gestaltet ihn die ihm innewohnende Energie zu einem konsolodierten Imperialismus mit all der Kraft, die eine Konsolidierung her- vorbringt. Dadurch wird er ein unversöhnlicherer Feind des Sozialismus, als es ein Imperialismus wie jener Grossbritanniens ist, der sich bereits im Pro- zess der Auflösung befindet. Ein schrumpfender Imperialismus ward Immer weniger fähig, den Fortschritt des Sozialismus innerhalb der Gesellschaft, die er beherrscht, zu hemmen. Ein agressiver Imperialismus muss notwendiger- weise den Fortschritt des Sozialismus zum Stillstand bringen. Aber mehr noch. Sozialisten haben nicht allein zwischen zwei sehr verschie- denen Arten des Imperialismus zu unterscheiden. Sie müssen auch versuchen, die Auswirkungen eines Sieges der einen oder der anderen Seite auf die Welt abzumessen. Es ist die gemeinsame Auffassung aller ernstdenkenden Sozialisten, dass der Versuch des französisch-britischen Imperialismus, Hitler zu "beruhi- gen", den Einfluss des Faschismus auf der ganzen Welt stärkte. Ein deutscher Sieg in diesem Kriege würde jenen Einfluss weiter ausdehnen. Sein Ergebnis könnte sein, dass der grösste Teil Europas, ausser der Sowjetunion und jenen Staaten, die fähig sind, sich zu schützen, faschistisch, werden würde. Dieses Ergebnis würde, so glaube ich, zwei weitere Konsequenzen haben. Ein von Deutschland beherrschtes Europa nach dem Muster Hitlers wäre wahrschein- lich eine unmittelbare, direkte und ständige Bedrohung der Union der Sozia- listischen Sowjetrepubliken, da das siegreiche Deutschland und seine Vasallen von alner Gefährdung durch den Westen befreit sein würden. Das würde be- deuten, dass die Sowjets ihre Hauptkräfte der Kriegswirtschaft widmen müss- ten, besonders, wenn sich dann Deutschland, was wahrscheinlich wäre, mit Ja- pan verbünden würde. Ein vom Faschismus beherrschtes Europa mit dem Ansehen, das ein Krieg den faschistischen Organisationsgrundsätzen verleihen würde, hätte ferner ungeheu- re Rückwirkungen in den Vereinigten Staaten. Es würde dort die faschistischen Tendenzen als eine Methode, mit den Arbeiterstreiks fertig zu werden, gewaltig stärken; er würde überdies die Militarisierung der Vereinigten Staaten erzwin- gen, die wiederum jene faschistischen Tendenzen fördern würde. Solch ein Sieg würde weiter überall in Europa, wohin der faschistische ESn- fluss dringt, den geschichtlichen Abwehrmechanismus der Arbeiterklasse zer- stören. Der gegenwärtige Zustand der Arbeiterbewegung in den faschistischen Ländern, die im Wesen nichts als eine geheime Verschwörung ist, ist der Be- weis dafür. 4 Wäre die Niederlage Hitler-Deutschlands das Signal für die Entfesselung der revolutionären Kräfte in jenem Lande, die nicht allein die Bewegung der deut- schen Arbeiterklasse wieder erneuern, sondern den Aufstieg der Arbeiterbewe- gung überall gewaltig beschleunigen, würde, so würde ein deutscher Sieg die Ar- beiterklasse noch tiefer unter das Joch Hitlers beugen und in den besiegten Län- dern die faschistischen Einflüsse stärken. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Förderung des Faschismus in den besiegten Ländern ein Teil des Siegesprei- ses sein würde, den Hitler, wie er es in der Tschechoslowakei getan hat, er- pressen würde. Aus diesen Gründen sehe ich nur eine Möglichkeit für Sozia- listen: an der Hitler-Niederlage mitzuwirken. Zum Tode Trotzkis In den ersten Jahren der Sowjetunion gab es innerhalb und ausserhalb der Komintern, bei Anhängern und bei Gegnern der Sowjetunion keine Meinungs- verschiedenheiten darüber, dass Trotzki, der Schöpfer der Roten Armee, neben Lenin, die führende Gestalt des neuen Russland war. Auch Stalin hat damals die Verdienste Trotzkis um den Sieg der Oktoberrevolution anerkannt. Am Zehnjahrestag der Oktoberrevolution durfte der Name Trotzkis in den Ge- denkartikeln nicht genannt werden. Im Kampf um die Nachfolgerschaft Le- nins war Stalin Sieger geblieben, und Trotzki war verbannt. Noch einige Jahre später war in der neurussischen Geschichtslegende Stalin bereits zum Schöpfer der Roten Armee avanciert, während gegen Trotzki und seine Anhänger von der stalinistischen Propaganda alle nur denkbaren Be- schuldigungen erhoben wurden. Es kam dann so weit, dass Trotzki von stalinscnen Gerichten nicht nur alsf Gestapoagent "entlarvt" wurde, man konnte kürzlich als neuestes Resultat der stalinschen Geschichtsforschung sogar lesen, dass Trotzki den Aufbau der Ro- ten Armee sabotiert habe. Und nun hat man Trotzki den Schädel eingeschlagen. Trotzki stand von früher Jugend an in den vordersten Reihen der proletari- schen Revolution. Er hat Kerker und Verbannung erfahren, bevor ihn die sieg- reiche Oktoberrevolution zu den durch keinerlei Geschichtslügen auszutilgen- den grossen Leistungen für die Sowjetunion emportrug. Nach Stalins Sieg aufi. neue verbannt, wurde er weit unerbittlicher und erbarmungsloser, verfolgt als -je zur Zeit des Zarismus. Es wird ewig denkwürdig bleiben, dass der von, Stalin verfehmte Flüchtling zugleich von der gesamten Weltreaktion gefürchtet und gehasst wurde. Die Bedeutung des einzelnen Denkers und Kämpfers selbst in unserer Zeit, in welcher der Einzelne so wenig gilt, kann sich kaum grossar- figer dokumentieren als darin, dass dieser eine, äusserlich völlig macjhtlfoise Mann, nur, vermöge der Schärfe seines Geistes und seiner nie erlahmenden re- volutionären Energie die Welt beunruhigen und in Atem halten konnte. Trotzki war einer der bedeutendsten, vielleicht der glänzendste politische Schriftsteller unserer Epoche. Auch der Gegner, dem nicht blinder Hass sein Urteil trübte, komite die Schriften Trotzkis mit Nutzen lesen. Es geht für uns nicht um die Frage, ob Trotzki oder Stalin recht hat. W3r sind weder Anhänger des einen noch des anderen. Aber wir sehen in der Er- mordung Trotzkis, deren moralische Verantwortung feststeht, den Abschluss und Gipfel eines verwerflichen Verleumdungs- und Vernichtungsfeldzugs und ein gemeines Verbrechen. Die Spitzhacke, die Trotzkis Gehirn zerstörte, kann seinen Geist und seine § Schriften nicht vernichten. Sie werden weiter wirken in eine Zukunft hinein, für die Trotzki seine enorme geistige PSotenz und sein unbezwingbares revo- lutionäres Temperament eingesetzt hat. Die politische deutsche Emigration in Brasilien Aus Brasilien wird uns geschrieben: Die Zahl der "politischen" Emigranten, die sich nach Brasilien gewen- det hatten, ist gering. Brasilien hat schon vor dem Tage der "Neuen Verfassung" (10. November 1937) durch seine Botschaften, Gesandt- schaften und Konsulate in Europa streng gesiebt. In den meisten Fäl- len sind ausser genauen polizeilichen Erhebungen (d.*es in den faschi- stischen Ländern) auch Empfehlungen verlässlicher Religionsgenossen- schaften (dies in demokratischen Ländern) eingeholt worden. Die "politischen" Emigranten, die in Brasilien in Erscheinung treten, sind keineswegs als solche ins Land gekommen. Brasilien ist gewiss ein Asyl- land, und ist es auch unter der Regierung Vargas geblieben, aber es ist ein Asylland für Europamüde und für Menschen, die sxh aus reli- giösen Gründen (worunter lange Zeit auch rassische zu verstehen wa- ren) von dem von Hitler beherrschten und beeinflussten Teil Europas abgewendet hatten. Y^enn allmählich Einschränkungen eingetreten sind, so hatte dies seinen Grund in der allgemeinen Entwicklung und to der wieder damit im Zusammenhange stehenden besonderen Bra- siliens, in, leider, zahlreichen Fällen, in denen unpolitische Emigran- ten die Gastfreundschaft missbraucht und sich unmöglich gemacht hatten, und in einer bewusst geführten Agitation der Nazioten, d^e den Brasilianern die Gleichung einzuhämmern versuchten, dass jeder nazifeindliche Einwanderer ein "Linkser", ja wahrscheinlich e*!n Kom- munist sei. Brasilien ist ein Einwanderungsland par excellence. Hitler allein ist es zuzuschreiben, wenn die Erschwerungen von Monat zu Monat emp- findlicher geworden sind. Hitler hat die deutschen Kolonien in Bra- silien, deren Verdienste um das Land nie in Abrede gestellt worden sind, verpolitisiert und er — nur er allein — hat alles getan, die deut- schen Kolonien Brasilien zu entfremden und zu Staaten im Staate zu machen. Die Antwort Brasiliens war eine Nationalisierungswelle, die sich z. B. auf dem Gebiete des Schulwesens stark bemerkbar macht. Die nationalsozialistischen Organisationen sind verboten worden; die italienischen und japanischen Korporationen sind vom gleichen Schick- sal betroffen. Die Verbote wurden lange Zeit rigoros gehandhabt. Seit dem Kriegsausbruch übertreten die Nationalsozialisten und (wenn auch in diskreter Form) wohl auch die Italiener und Japaner die beste- henden Vorschriften, Wo und wie sie können. Hinter einer Nebelwand erscheinen die Umrisse aller ehemaligen nazistischen Organisationen wieder. Man hält keine Versammlungen, aber man singt Soldatenlieder, unterhält sich zwanglos über Fragen des Mutterlandes, hört gemein- sam den Rundfunk, trägt Fussballspiele mit deutschen Marinemann- schaften aus, unternimmt gemeinsame Kraft wagen-Ausflüge, veranstal- tet Konzerte, die deutsche und italienische Schiffskapellen bestreiten, die deutschen und italienischen Bühnen-Laienspiele statten einander Besuche ab. Dass Sammlungen an der Tagesordnung sind, Frauen sam- meln, Kinder sammeln, ehem. Kriegsteilnehmer sammeln — auch dar- über unterrichten die deutschen Zeitungen Brasiliens wie über alles Vorgesagte mit schöner Offenheit. 6 Die deutsche und die italienische Wirtschaft in Brasilien ruhen. Deutschland und Italien sind bilLge Bezugsquellen, sind glänzende Ab- satzgebiete gewesen. Niemand darf sich wundern, wenn der baldigste Kriegsschluss ziemlich allgemein gewünscht wird. Hier setzt die nazi- stische Propaganda ein. Sie hat es leicht und kennt keine Skrupel: Drü- ben stehen schon versandbereit die Lieferschiffe, die Bestellungen nach Deutschland und.Italien sjid schon aufgegeben. Dass England die Aus- führung verhindert, das wird deutlich genug betont, aber neben Eng- land steht die böse antinazistische Immigration. Sie hat ja die Englän- der und Franzosen in den Krieg gehetzt, sie allein will einen langen Kr*eg, sie allein verhindert es, dass jetzt schon bewegtes Leben in den brasilianischen Häfen einzieht. Die nazistische Propaganda scheut auch nicht davor zurück, die politische Immigration zu denunzieren, indem sie sie der Freundschaft nut dem Kommunismus bezichtigt, der in Brasilien als unerwünscht, ja als Feind Nr. I gilt, Herr Hitler hat nie mit Moskau Abmachungen getroffen, Herr Hitler ist weiterhin Anti- Komintern Nr. I, die Kommunisten, nut denen Berlin nichts zu tun hat, sind die einzigen Feinde Brasiliens, und die politische, die anti- nazistische Einwanderung setzt sich eben aus Agenten Moskaus zu- sammen. Dumm, gewiss. Lügenhaft, gewiss. Aber: Propaganda muss nach I-Iitler-Goebbels' Rezepten dumm und verlogen sein, um zu wir- ken. Die nazistische Propaganda trägt überall den Angriff vor. Indem sie angreift, erleichtert sie sich und Ihren illegalen Bestrebungen die Tä- t gkeit, die brasilianisch tut und antibrasilianisch ist. Die nazistische EuliWanderung ist zahlenmässig sehr stark, in vielen Bezirken ist deutsch und nazistisch identisch, die nazistische Einwanderung ist vielfach verästelt, wurzelt teilweise in Familien, die man früher schon als bo- denständig-brasil anisch bezeichnet hatten, und ist finanziell fundiert. Die Disziplin ist gross, die Mitarbeitsbereitschaft fast uneinge- schränkt. Die Macht, die hinter den Nazisten steht, ist — noch — gross. Deutschland drüben, Botschaft, Konsulate und wirtschaftliche Stärke ai Brasilien. Neben den Geldmitteln lebt sich Drohung, ja Ter- ror ungehemmt aus. Die politische, die nichthitleristische Imigration ist zahlenmässig klein, hat wenig Anlehnung an die Kolonien der Alt-Einwanderer. Sie ist sich dessen bewusst, dass man sie gewiss nicht ins Land gelassen hätte, wenn sie sich als politische Immigration deklariert hätte. Sie lebt ib- mitten einer zahlenmässig erheblichen, aber gleichgültigen Gesamt- immigration, der sie zugezählt wird, und der sie dort innerlich völlig fremd ist. Diese Gesamt-Immigration macht einen raschen Assimilie- rungs-Prozess durch. Auch d es bedingt neben der Veranlagung den Sinn für Takt, den die politische Emigration im Gastlande an den Tag legt und den die nazistische nicht kennt. Nicht nur zahlenmässig und durch die internen Emigrationsverhältnisse bedingte Schwäche, auch der Sinn für Takt und Gesetzltchkeit hemmen die politische Emigra- tion. In anderen Staaten ergibt sich eine Zusammenarbeit der antifaschisti- schen Elemente der unterschiedlichen Immigrationen. In Brasilien gibt es keine italienischen Antifaschisten, gibt es kaum Anti-Petainisten, gibt es neben den deutschen nur noch spanische Antifaschisten. Was die "brasilianische Emigration" kann, ist: sich selbst und den kämp- fenden Freunden treu bleiben, den revolutionären Schwung nicht ver- lieren und bereit sein. Ihre Freunde in den anderen Staatn mögen getrost sein: sie lebt, sie arbeitet und wird "am Tage" zur Stelle sein. E. J. 7 Österreichische Seite Ein österreichisches Programm Die österreichische Emigration in Amerika hat das Erbe der durch den Gang der Ereignisse liquidierten Emi- gration in Europa anzutreten. Dem Erbantritt muss die Bilanz des Erbgu- tes vorangehen; das soll im nachfol- gen geschehen. Die Grundlinien des politischen Konzepts der österreichi- schen Sozialisten sollen an Hand ihrer Kundgebungen in ihrem Hauptorgan, dem Sozialistischen Kampf, entwickelt werden. "Astriacus", den man als den massge- benden Wortführer der österreichi- schen Sozialisten in der Emigration bezeichnen darf, zeichnete in dem am 13. Januar 1940 erschienenen Heft des "Kampf" die Situation der österrei- chischen Sozialisten: "Hitlers Sturz ist die unerlässliche Voraussetzung des Wiederaufstiegs der Arbeiterbewegung in Oesterreich, in Mitteleuropa, in der ganzen Welt .. • und wir, wir vor allen, müssen mithelfen, ihn zu stürzen I Wie ver- knüpft sich das Nahziel — Hitlers Sturz — mit den ferneren Zielen un- serer Bewegung?" "Wir sehen sie beide verknüpft in dem Gedanken: die Freiheit der öster- reichischen Arbeiterklasse wird errun- gen und gesichert durch die deutsche Revolution. Das österreichische Volk, die österreichischen Arbeiter, gemein- sam mit dem deutschen Volke werden sie frei. Frei sollen sie dann selber über ihre Zukunft bestimmen." Es war die Voraussicht des österrei- chischen Sozialismus, die ihn davor bewahrt hat, den österreichischen Freiheitskampf so eng mit der Diplo- matie und dem Generalstab der fran- zösischen Republik zu verknüpfen, dass deren Kapitulation den morali- schen Bankerott des österreichischen Sozialismus nach sich gezogen hätte. Nicht mit den alliierten Armeen, son- dern mit der deutschen Revolution wollten die österreichischen Sozialisten Oesterreichs Freiheitskampf verbün- den. Die sozialistische Emigration ist von den anderen Flügeln der österrei- chischen Emigration, besonders von monarchistischer Seite, oft genug des- wegen angegriffen worden. Es erweist sich jetzt, leider, dass ihre Zurück- haltung nur allzu sehr in den Tatsa- chen fundiert war. Der Schluss jenes Artikels im Kampf, eine halbe Seite, ist von der französi- schen Militärzensur gestrichen worden. Man kann daraus nur schliessen, dass er sich mit den besonders von hohen französischen Militärstellen favorisier- ten Plänen einer konservativen Lösung des österreichischen und zugleich des deutschen Problems befasste, der Er- richtung einer Donaumonarchie unter Einbeziehung von Teilen Deutschlands als Präventiv-Konterrevolution gegen die drohende soziale Umwälzung im mitteleuropäischen Räume. Daher er- greift Austriacus die Gelegenheit der Erklärung der Britischen Labour Par- ty vom 9. Februar 1940 zum Kriegsziel, um im darauffolgenden Heft des Kampf für das Selbstbestimmungs- recht des Österreich. Volkes einzutre- ten. Ueber die im Zusammenhang die- ser Zeilen interessierenden Probleme sagt die Erklärung der Engländer: "Wir wenden uns gegen jeden Ver- such, Deutschland von aussenher zu zerstören. Wir streben nicht nach der Demütigung oder Zerstückelung eures Landes" — "Die Wiedergutmachung muss die Freiheit für das polnische und das tschechoslowakische Volk ein- schliessen." — "Oestereichs Volk ein noch früheres Opfer der Hitler-Ueber- fälle, muss die Freiheit erhalten, ohne Einschüchterung oder Zwang zu ent- scheiden, ob es innerhalb des Deut- schen Reiches bleiben will." Die Erklärung der Labour Party hat die französische Militärzensur nicht gut konfiszieren können, aber dem sehr kurzen und zurückhaltenden Kommen- tar, den ihr Austriacus anfügt, merkt man die Besorgnis an, wieder nicht sa- gen zu können, was zur Kennzeichnung der politischen Stellungnahme der österreichischen Sozialisten gesagt werden muss. Wesentlich ist in die- sem Kommentar der Satz: "Ihrer (der Labour Party) Erklärung können wir * der Absicht nach und auch in vielen ihrer Einzelheiten — insbesondere auch der Stelle über Oesterreich, die vollkommen unseren Wünscnen ent- spricht — freudig zustimmen." Der Kampf gegen Hitler wird nicht von den Sozialisten allein, sondern von politischen Kräften der verschieden- sten Flaggen geführt. "Da steckt das Problem dar Bundesgenpssenschaft";, sagt Austriacus am 9. März 1940. "Nicht jeder, der heute gegen Hitler steht oder sich im Verlaufe des Krie- ges gegen ihn wenden könnte, ist uns ein erwünschter Gefährte. Wir ha- ben bereits vor dem Kriege gewusst und gesagt, dass wir zum Zwecke der Beseitigung Hitlers die zeitweilige Zu- sammenarbeit mit Kräften bejahen, von denen wir wissen, dass sie im Grunde, unsere Gegner sind und blei- ben. Wir haben gleichzeitig gesagt, dass es aus dieäfe'm Grunde wesentlich ist, bei dem Zusammenwirken mit an- deren Kräften unsere Selbständigkeit nicht aufzugeben, in der zielbe- schränkten Kooperation die Unabhän- gigkeit und das eigene Ziel der so- zialistischen Politik zu bewahren." Hier hat Austriacus für die Kriegs- politik der österreichischen Sozialisten die Schranke gezogen: Kooperation, mit einem erwünschten Gefährten, zeitlich beschränkt und auf das allei- nige Ziel des Sturzes Hitlers abge- stellt: ja! — Burgfriedenspolitik, Auf- gabe der selbständigen, auf das weit darüber hinausgehende Ziel des Sozia- lismus abgestellten Politik: nein! Diese Stellungnahme der österreichi- schen Sozialisten zur Bündnispolitik ist vor allem zurückzuführen auf die Ueberzeugung, dass die deutsche Re- volution und damit der Sturz Hitlers und seines Systems nur unter sozia- listischen Parolen ausgelöst werden können. Mit dieser Frage beschäftigt sich der Artikel: "Wann kommt die deutsche Revolution?" im Kampf vom 23. März: "Die Antwort auf den Schwindel-So- zialisrrms der Nazi kann nicht eine Verteidigung des Kapitalismus, son- dern nur die donnernde Anklage des wahren Sozialismus sein, der jenen als frechen Betrug entlarvt. Hier bestä- tigt sich — und auch Widerstrebende werden dies schliesslich einsehen müs- sen, wenn sie den Sieg über Hitler er- ringen wollen, — was wir Marxisten längst vor dem Kriege gesagt haben: ob die Beteüigten wollen oder nicht,, wird dieser Krieg unweigerlich zum Ausgangspunkt einer Auseinanderset- zung über künftige Gesellschaftssy- steme werden und in dieser Auseinan- dersetzung ist der im Nachteil, der sich nicht von der Denkweise und den Me- thoden der Vergangenheit loszulösen vermag. Den deutschen Arbeitern darf man nicht konservativ kommen, wenn man will, dass sie Hitler stürzen sol- len, — den deutschen Arbeitern muss man vom Sozialismus sprechen!" Seit diese Zeilen im Kampf erschie- nen sind, hat der Zusammenbruch Frankreichs die tiefe Fäulnis der herr- schenden Klasse enthüllt; hat er ge- zeigt, dass die Generäle, 'Kardinäle und Generaldirektoren ihr Vaterland mitsamt dem in blutigen Freiheits- kämpfen verteidigten Gedankengut der glorreichen Revolution dem Erb- feind verkaufen, um der drohenden Revolution von unten zuvorzukommen. Damit, dass Frankreich faschistisch geworden ist, hat die bürgerliche De- mokratie den letzten Boden auf dem europäischen Kontinent preisgegeben, von dem aus sie den Kampf gegen den Faschismus im Zeichen der Ideen der liberalen Demokratie führen konn- te. Mit der Kapitulation Petains kapi- tulierte die Armee, deren Bayonette nach einem Sturz Hitlers die bürger- liche Demokratie vor dem Ansturm der proletarischen Demokratie hätten schützen sollen. Das aber gehört nicht mehr zum Erbgut, das uns die so- zialistische Emigration in Frankreich vermachte. Aus dieser Entwicklung die Schlüsse zu ziehen, ist schon uns selbst als Aufgabe gestellt. Vom Schicksal der österrei- chischen Emigration in Frankreich Wer von den sozialistischen Emigran- ten in Oesterreich, die sich nach Frankreich geflüchtet hatten, dem laschen Einbruch der Armee des Drit- ten Reiches und der Kapitulation der Dritten Republik zum Opfer gefallen und den braunen Henkern ausgeliefert worden ist, lässt sich zur Zeit noch nicht feststellen. Einem beträchtlichen Teil ist es gelungen, ins unbesetzte Gebiet zu entkommen, allerdings un- ter Opferung aller ihrer Habseligkei- ten, wo sie jetzt unter den schwer- sten Entbehrungen, oft mittel- und obdachlos, ihr weiteres Schicksal er- 91 warten, immer von der Gefahr bedroht, dass sie auf Grund des berüchtigten Punktes Nenn der Waffenstillstands- bedingungen an die Gestapo ausge- liefert werden. Diese Gefahr schliesst es auch aus, hier Namen, soweit sie une bekannt sind, zu nennen. TODESANZEIGEN In der Emigration. in Prankreich starb Frau Therese Schlesinger-Eck- stein, die als eine der Begründerinnen und Führerinnen der sozialistischen Prauenorganißationen in Oesterreich durch viele Jahre dem österreichi- schen Nationalrat als Abgeordnete an- gehörte. Im -Konzentrationslager starben Vik- tor Stein und Dr. Kanitz. Viktor Stein, Abgeordneter zum österreichischen Nationalrat und als Sekretär des Me- tallarbeiterverbandes einer der intel- lektuellen Führer der österreichischen Gewerkschaftsbewegung, war unmit- telbar nach dem nationalsozialisti- schen Einbruch in Oesterreich in Haft genommen worden; die Gesundheit des öüjährigen Mannes hatte schon durch lange Haft und Anhaltung im Kon- zentrationslager unter Dollfuss _ so Bchwer gelitten, dass ihn der Poliz«i- arzt für haftunfähig erklärte, worauf ihn die Polizei entliess und dafür sei- nen Sohn als Geissei in Haft nahm. Der passive Widerstand der Wiener Arbeiter gegen die Nazidiktatur führte zur Massenverhaftumg früherer sozialistischer Funktionäre, der auch Viktor Stein wieder zum Opfer fiel; nach wenigen Monaten erlag sein ge- schwächter Körper den Quälereien im Konzentrationslager. Das gleiche Schicksal widerfuhr Dr. Kanitz. dem früheren Sekretär der Sozialistischen Arbeiterjugend und Redakteur der Kinderfreunde-Zeitsehrift, obgleich er sich durch sein Verhalten im, Februar 1934 und während der vaterländischen Diktatur — mit der er einen Sonder- frieden ßchloss — aus den Reihen des österreichischen Sozialismus ausge- schlossen hatte. Die internationalen Brigaden Wir haben eine Sammlung für die in Frankreich befindlichen deutschen und österreichischen Hitlergegner eröffnet, die sich in äusserster Not befinden. Unter ihnen nehmen die Mitglieder der internationalen Brigaden einen hervorragenden Platz ein. Einer unser Freunde widmet ihnen die folgenden Strophen: Sie stammen aus Halle, aus Hamburg, Berlin, sie kamen aus rheinischen Kohlenrevieren, aus Basel, aus Warschau, aus Rom und Turin und aus den wiener Proletenquartieren. Sie waren einst Kumpel, Student, Advokat, sie formten den Marmor, sie werkten das Leder, und dieser war Grobschmied und der Literat, der führte die Kelle und -jener die Feder. Sie alle vereinte gemeinsames Ziel. Die brennende Stunde bedurfte der Taten. Sie setzten entschlossen sich selber aufs Spiel und wurden Europas getreue Soldaten. Sie gaben ihr Leben beim Kampf um Madrid, sie sind auf französischer Erde gefallen, llilu, wo sie auch zogen, die Freiheit zog mit, und ihr ward das Opfer gebracht — und uns allen. Sie wurden vom Feinde am meisten gehasst, sie haben vom Freunde kaum Dank je erfahren. Nicht viele von uns haben immer erfasst, dass sie unsere Besten und Tapfersten waren. Doch wird in der Zukunft Bilanz einst gemacht, und wird diese Zeit vor den Richtstuhl geladen, dann wird endlich dankbar auch ihrer gedacht, der heldischen Kämpfer der Freiheitsbrigade. IG Wo das Untermensch entum regiert "Geteert und gefedert". Unter dieser Ueberschrift berichtete der "Berliner Lokalanzeiger" am 29. März 1940: "In Heinersbruck im Kreise Kottbus liess sich eine 30 Jahre alte Frau mit einem polnischen Kriegsgefangenen ein. Die erbitterte Bevölkerung griff die Frau auf, schnitt ihr die Haare ab, teerte der Frau die Kopf- haut und bestreute sie mit Federn. Darauf führte man die ehrverges- sene Frau durch die Ortschaft. E,n umgehängtes Schild, auf dem ver- merkt war, was die Frau getan hatte, gab Aufschluss über die ehrlose Handlungsweise. Die Frau wurde von der Polizei in Gewahrsam ge- nommen." So geht es zu, wenn die naziotische Volksseele kocht: Perversität plus Gemeinheit! Die grösste Spende auf der himmlischen Waage. Drei Tage vor Hitlers Geburtstag feuerte "Der neue Tag" seine Leser durch folgende rührende Geschichte zu mehr Eifer bei der Altmetall- Sammlung an: "Ein alter Mann erschien Tag für Tag vor dem Werbefenster der Alt- metallablieferungsstelle. Dort versank er in nachdenkliches Betrachten, bis er sich eines Tages schliesslich zusammenraffte und die Sammel- stelle betrat. Er griff in den zerschlissenen Mantel und kramte um- ständlich eine alte kupferne Tapferkeitsmedallle heraus. "So", sagte er, "das ist alles. Meine schönste Erinnerung. Selbst im Weltkrieg habe ich sie nicht hergegeben, denn sehen Sie, das war mein Stück Leben" ____Wenn aber die Engel Gottes heute durch die Städte fliegen und die grösste Spende auf ihrer himmlischen Waage wiegen, dann wird es diese kleine Medaille sein, die ein ganzes Menschenherz schwer ist." So was hat die Courts-Mahler nie fertiggebracht! Kitschigste Rührse- ligkeit und bestialischer Sadismus gehören zusammen. Hitlers "Krieg gegen die Plutokratie" "Die Menschen, unter denen ich lebe, wissen, was sie von Hvtler1 zu hal- ten haben", sagte der englische Gewerkschaftsführer Ernest Bevin in einer Rede in London. "In jedem Land (in das Hitler kam) begann zu- erst die Jagd auf die Arbeiter. Unsere Leute werden heute in Frank- reich verhaftet, unsere Kameraden sind spurlos verschwunden — nicht das Comite des Forges (die Schwerindustriellen) und nicht das Gross- kapital". Mütter werden von ihren Kindlern gerissen Herzzerreissende Szenen haben sich bei den Sklaventransporten abge- spielt. Arbeiterfrauen, Frauen verschleppter Kriegsgefangener wollten sich nicht von ihren Kindern trennen. Das Nazi-Landwirtschaftsmini- sterium berichtet, dass Frauen wenigstens das Mitnehmen einiger Kin- der gestattet werden musste — menschliche Bäuerinnen hatten sich bereiterklärt, Mütter mit Kindern zu beschäftigen. Aber zur Deporta- tion verurteilte Mütter wollten keins ihrer Kinder in Nazi Waisenhäu- sern verkommen lassen. In ihrer Verzweiflung schmuggelten sie die Kinder in die überfüllten Transportzüge. "Es hat sich öfter herausge- stellt, dass eine Frau mit angeblich zwei Kindern plötzlich mit vieren an ihrem deutschen Bestimmungsort ankam". Die Nazis wenden sich gegen die menschlichen unteren Beamten und Eisenbahner, die "die- ses Einschmuggeln unangemeldeter Kinder in die Transportzüge" nicht verhindert haben. 11 Raubbau an der Arbeitskraft der Frauen In den Ausbildungsstätten von Siemens wird die Leistungsgrenze der Arbei- terinnen von Aerzten festgestellt. Die kräftigeren Frauen werden für die schwerste Männerarbeit geschult. Sie lernen schweissen, drehen und bohren. In ganztägiger Ausbildung arbeiten ehemalige Plätterinnen, Wäscherinnen, Näherinnen u. a. zwei Stunden theoretisch und 6 Stunden praktisch an den Maschinen. Nicht genug daran, dass man die Frauen in die Schwerindustrie hineinzwingt, dass sie Metall- und Bauarbeiterinnen Werden müssen und — wie die Frank- furter Zeitung berichtet — oft in Lagern fern von ihrem bisherigen Lebens- kreis wohnen müssen, nicht genug daran, dass ihnen der Staat die Zuschläge für die neunte und zehnte Arbeitsstunde abnimmt, er stiehlt ihnen auch noch 25 % ihres Lohnes, um so mit dem Schweisse der deutschen Arbeiterin seinen Krieg u finanzieren, in dem er die Männer und Söhne eben dieser Arbeiterin- nen hinschlachten lässt! ©ssietzky Ueber die Misshandlungen des grossen Vorkämpfers für Gerechtigkeit und Frieden durch die Hitlerschergen ist nachträglich noch folgendes bekannt geworden: Weil er einen SA-Mann nicht gegrüsst hatte, erhielt Ossietzky 35 Stock- schläge. Dann wurde er 14 Tage in ein dunkles Loch gesperrt. Später musste er 17 Stunden ohne Pause marschieren. Darauf wurde er in einen Kasten von 60 zu 80 cm. Grösse gesperrt; man gab ihm kein Wasser. SOEBEN ERSCHIENEN: LABOUR SPRICHT Die britische Arbeiterpartei über Krieg, Frieden, neues Euro- pa (Atlee, Noel-Baker, Hugh Dalton, Morrison etc., eingelei- tet und übersetzt von Julius Braunthal). Der Vertrag von Brest-Litowsk und Deutschlands Ostpolitik, eine aktuelle Broschüre von Wheeler-Bonnett. EUROPAEISCHER FRIEDEN ein Diskussionsbeitrag von Friedrich Mark. Hitlers Weg zum Krieg Die wichtigsten Berichte aus dem Blaubuch. DAS ANDERE DEUTSCHLAND, Tucuman 309 — BUENOS AIRES 12 f[ USA erwacht Dem Briefe eines namhaften Politi- kers,, den die Emigration in die Ver- einigten Staaten verschlagen hat, ei- nes Mannes, dessen Fähigkeit, poli- tische Entwicklungen richtig abzu- schätzen, sich vielfach bewährt hat, entnehmen wir die nachfolgende Dar- stellung, die unseren Leser eine will- kommene Ergänzung der Berichte der Tagespresse hieten wird. Dass diese Zeilen von ihrem Autor nicht zur Ver- öffentlichung bestimmt waren, stei- gert ihren Wert durch die unbeein- flusste Objektivität und Frische ihrer Aussage. Der Brief datiert vom 31, Juli. "Ueber eine Tatsache will ich Ihnen berichten und das ist das zwar noch sehr langsame, aber doch unverkenn- bare Erwachen der USA. Eine Minder- heit erkennt die drohende Gefahr, die Unvermeidbarkeit eines Krieges mit den totalitären Staaten im Falle der Besiegung Englands und trifft Mass- nahmen. Sehr verspätet und in einer bereits kritischen Situation, unter teilweiser Verhüllung des wirklichen Zustandes aus Rücksicht auf die Prä- sidentenwahl, aber es ist immerhin zweifellos, dass sich in den Wochen seit der Kapitulation Frankreichs ei- ne starke Wandlung in der öffentli- chen Meinung des Landes vollzogen hat. "National defense" beherrscht in wachsendem Masse Zeitungen, Maga- zine, Radio. Die unglaubliche Rück- ständigkeit wird kritisiert. Es wurde viel weniger Geld bewilligt als für ei- ne Grossrüstung notwendig ist. 10 Mil- lionen Dollar statt rund 40, aber mehr als zunächst verwendbar ist. weil die Anlauffristen sehr lang sind. Es fehlt eben fast an allem. Zu wenig Schiffa- bauplätze, fast keine Munitionsfabri- ken —• die gewaltigen des Weltkrie- ges wurden als Alteisen verkauft — keine Kasernen für das geplante Heer der allgemieinen Dienstpflicht, keine Monturen oder Gewehre, keine Tank« und Abwehrgeschütze etc. etc. und selbst die berühmte Flugzeugindustrie muss ihre Kapazität von rund 900© jährlich verfünffachen. Erst müssen die Gebäude, Werkzeuge und Maschi- nen für die geplante Massenproduktion hergestellt werden und das ist ein Zeitraum von etwa einem Jahr. Im- merhin: es dämmert. Die Verteidigung wird unter dem Schlagwort Aufrecht- erhaltung der demokratischen Freihei- ten geführt, in Wahrheit durch die ökonomischen Notwendigkeiten aufge- zwungen. Das verarmte Europa wird sich gegen amerikanische Einfuhr ab- sperren und alle AussensnÄrkte durch Dumpinglöhne zu erobern suchen. Der sehr hohe amerikanische Lebensstan- dard ist dann nicht aufrechtzuerhal- tend" Probenummern können infolge der stark gestiegenen Herstellungspreise nicht mehr 3 Monate gratis abgegeben werden. Wir liefern jedoch an die von Abonnenten vorge- schlagenen Adressen weiterhin eine Probenummer. 1........................................... 2............... ............................ 3 ......... .. .. .............................. 4. .. ............ ............................ Name und Adresse des Abonnenten: Wer die Zeitung nicht bekommen hat, reklamiert sofort schriftlich. Sie wird pünktlich am 15. eines jeden Monats versandt. Adressenänderungen schrift- lich mitteilen. 13 VERRAT! Abseits von diesem Konflikt zu stehen und nur revolutionär klingende Phrasen beizusteuern, während die faschistischen Bestien über Europa trampeln, das wäre Verrat an all dem, was unsere Vorväter im Laufe vieler Jahre des Kampfes gegen den Kapitalismus errungen haben. Harry Politt, Generalsekretär der Kommunistischen Partei Grossbritanniens in seiner im September 1939 erschienenen Schrift "Wie kann man den Krieg gewinnen?" „Das Andere Deutschland" an "Italia Libve" Wert© Freunde und Kampfgefährten! Mit besonderer Genugtuung- und Freu- de begrüssen wir, die Vertreter des anderen, des freien Deutschland, die Gründung eurerer' Zeitung, in der die (Stimme des anderen, des freien Ita- liens ertönen soll. Ihr und wir sinid natürliche Verbün- dete. Wir kämpfen beide gegen die Unterdrückung unseres Landes und unseres Volkes. Mit 'den gleichen so- thoden der Lüge, des Betruges und der Gewalt ist von den gleichen so- zialen Gruppen in Deutschland wie in Italien die Diktatur errichtet wor- den. Ob Rutenbündel oder Haken- kreuz, ob Schwarzhemden oder Braun- hemden, ob Liparische Inseln oder Konzentrationslager — hier wie dort die gleiche brutale Unterdrückung und Niedertracht, hier wie dort Brand- stiftung Und Mord, hier wie dort Miss- achtung der Menschenrechte, Verhöh- nung von Freiheit und Gerechtigkeit, Hass gegen die sozialistische Arbei- terschaft, Anbetung der Gewalt, Ver- herrlichung des Krieges, Verderbung der Jugend. Wie euere so .sind unsere Freunde ein- gekerkert, vertrieben, ermordet. Wie ihr so müssen wir voll Scham mitan- sehen, wie Kultur und Ideale unserer Völker durch Barbaren zerstört wer- den, wie die Diktaturen, die unsere Völker knechten, Europa und die Welt in den Krieg gestürzt haben, wie sie die Namen Italien und Deutsch- land mit Schmach bedecken. Beide führen wir hier, fern unseren Ursprungsländern, den Kampf gegen die verbrecherische faschistische und nationalsozialistische Ideologie und ihre Vertreter. Loyal und treu ge- genüber dem Gastland, das uns auf- genommen hat. suchen wir Beide die Zersetzungsarbeit der faschistischen Agenten zu entlarven und zu durch- kreuzen und aufzuklären über die Ge- fahren, mit denen die faschistische Aggression auch Südamerika bedroht. In euch wie in uns lebt der tiefe Glaube, dass unsere Völker die Herr- schaft der Tyrannen abschütteln und sich von der faschistischen Schmach reinigen werde. Gemeinsame Ueberzeu- gungen, gemeinsamer Kampf führen uns zusammen. Wir begrüssen "Italia Libre" als unsere Kampfgenossin, wir hoffen auf gute Kameradschaft und wünschen Buch den besten Erfolg im Interesse unserer gemeinsamen Sache. Für die Redaktion der Zeitschrift "Das andere Deutschland" Dr. August Siemsen. WORTE VON NANSEN FUER UNSERE ZEIT Höre niemals mit einer Sache auf, weil du dich fürchtest — denn dann bist du am ehesten auf dem falschen Wege. Halte dir nie eine Rückzugslinie offen; sie ist eine Erfindung des Teu- fels. Die Ueberwindung einer Schwierigkeit erfordert ein wenig Zeit; die Ueberwindung des Unmöglichen erfordert nur noch ein wenig mehr Zeit. 14 StifiMiungsbaroneter In einer seiner letzten Nummern schrieb das Blatt der Arbeitsfront "Der Deutsche in Argentinien": "Di© Heimat kann ihren Dank durch unmittelbaren Einsatz und persönli- che Opfer ihren heldenmütigen Söh- nen ausdrücken. Erweisen auch wir uns unserer Brüder an den Fronten und in der Heimat würdig. Jede über- laute Freude, alles vorlaute Planen und jeder voreilige Ueberm.ut ißt nur geeignet, in den Augen der Umwelt die deutschen Siege herabzuwürdigen." Diese Mahnung eines Naziblattes an seine Leser ist nur allzuberechtigt. Jeder von uns hat sie schon in seiner Umgebung beobachtet, jene Helden, die 12 000 Km. weit vom Schuss sich überlaut über Siege freuen, für deren Erringung sie nicht ihre Knochen hin- halten mussten, die wilden Hitleriken, die heute schon für ihren Mann eine Estancia in Polen reserviert haben und jen® miesen Gestalten, die sich in voreiligem Uebermut als Herrenmne- schen aufspielen. Die Nazis hierzuland sollten wirklich ihr Mundwerk halten. Wer von ihnen hat denn wirklich Opfer gebracht? Haben sie nicht alle erst ihr Naziherz entdeckt, als Hitler sicher an der Macht war? Sind sie nicht alle nur Kriegsgewinnler? Und ihre "alten Kämpfer" Landstreicher und Nichts- tuer, die nie in ihrem Leben ordent- liche Arbeit geleistet haben? Zwei Typen von ihnen seien hier ab- gemalt. Ein Naziführer aus Misiones hat noch vor wenigen Monaten in dem in Posadas erscheinenden Winkelblätt- chen "Der Parana-Bote" beste engli- sche Anzugstoffe offeriert. Der Be- sitzer eines grossen Warenhauses in Buenos Aires gab seinem Geschäft ei- nen englischen Namen ,Albion-House, und hängte englische Fahnen aus dem Fenster, als während des Weltkrieges die Strassenmanif estationen gegen die Deutschen anfingen. Heute ist er Na- zi, denn er hat ein Inserat irfl "Trommler". Was wird der Waren- hausbesitzer tun, wenn die Strassen- demonstrationen gegen die Nazis wie- der anfangen sollten? Weil wir gerade von England und der Konfektion sprechen, fällt uns der Name Prinz vu Schaumburg-Lippe eis. Ueber diesen Herrn, der nach Pg, von Meynen der wichtigste Mann in der Nazibotschaft ist. schreibt uns ein Freund vom DAD: "Es war zur Zeit, als sich in Aposto- les die bekannten Ereignisse abspiel- ten. Um ihren in Bedraängnis gera- tenen Schützlingen zu helfen, hatte die Botschaft aus Buenos Aires den Prinzen zu Schaum'burg Lippe und Herrn Hugo Wend von Raidewitz an Ort und Stelle abgeordnet. Nach Er- ledigung ihrer Aufgaben fuhren sie mit vollgepackten diplomatischem .Ge- päck wieder nach Buenos Aires zu- rück. Im Zuge hatte ich Gelegenheit, den Prinzen zu Schaumburg-Lip'pe aus nächster Nähe zu beobachten. Das war nicht nur für mich, sondern für alle Gäste des Speisewagens eine Quelle der Belustigung und Unterhaltung, was auf- einer langweiligen Fahrt nicht zu unterschätzen ist. Der Prinz trug ein Hakenkreuzabzeichen, das für einen Mann mit so pronunciert jüdischem Aushehen ein unerlässli- c'hes Requisit sein muss. Trüge er es nicht — bei Wotan und dem Führer! man müsste bei der Nase und dem asiatisch-braunen Teint den Prinzen für einen syrischen Händler halten, von Schlimmerem ganz zu schweigen. Später, als der Prinz gemerkt hatte, dass sein Abzeichen die Heiterkeit der- Fahrgäste hervorrief, steckte er es ab und bewaffnete sich statt des- sen mit einem Monokel. Damit mach- te er besonders einem kleinen mitrei- senden Mädchen eine Freude, dessen Mutter alle Mühen der Welt hatte, um es von der prinzlichen Glasscherbe auf die weidenden Kühe abzulenken. Es schrie immerfort: "Mamita, mira. el senor!" und zeigte auf des Volksge- nossen Prinzen von und zu Schaum- burg-Lipipe Einglas. Als weitere Kennzeichnen fallen auf: er trägt einen tadellosen Sportanzug", englischen Schnitts und dito Stoffs, er raucht Zigaretten englischen Ge- schmacks und ist ein fanatischer Freund von englischen Kriminalroma- nen. Seinem ganzen Wesen nach ist er ein ci-devant Hocharistokrat und somit voll und ganz berufen. Vertre- AUCH DU kannst zu Deinem Teil für DAß ANDERE DEUTSCHLAND mitarbeiten indem Du uns über interessante Neuigkeiten in Deinem Bezirk unterrichtest. Schreibe an DAD, Tucumän 309, Buenos Aires. Sprechstunden täglich von 6—7, ausser Donnerstag und Freitag. 15 ter eines Staates zu sein, der von ei- ner "Arbeiterpartei" regiert wird." Was den Pg. Hugo Wind zu Radewitz anlangt, so ist er in Misiones kein Un- bekannter. In Saraguatay hat er gro- sse Zitruspflanzungen und wohnte dort, bevor er seinen einträglichen Posten an der Botschaft bekam. Von den Zitruepflanzern in Misiones, die sehr grosse Schwierigkeiten haben, ih- re Produkte abzusetzen — die Apfel- sinen und Grapefruits verfaulen an den Bäumen, weil man keinen Abneh- mer findet — wird Pg. Hugo Wind von Radewitz sehr beneidet. Für ihn zum mindesten hat sich der Nationalsozia- lismuß gelohnt. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss man zugeben, dass Herr Hugo Wind von Radewitz schon als einfacher Zitrusipflanzer ein eifriger Agitator für die Nazis waf. Er hat u. a. die örtliche Nazischule und die Filiale des "Völkerbundes" wie die Nazis eelber verächtlich den Volks- bund nennen, gegründet. Seine Agitationserfolge sind nicht hundertprozentig gewesen, denn es gibt immerhin noch einige anständi- ge Deutsche, die auch durch rade- witzsche Freibiere nicht zum Hitleris- mtis- bekehrt werden konnten. Lest und verbreitet "Das Andere Deutschland" Heist den Emigranten' in Frankreich! Die politischen Flüchtlinge aus Deutschland und Oesterreich, die ins unbesetzte französische Gebiet entkommen sind, sind nicht nur in Gefcßhr, in die Hände der Gestapo zu fallen, sie leiden auch bitterste Not, Wir, die wir in Sicherheit leben, dürfen sie nicht im Stich lassen. Wir müssen ihnen in ihrer schweren Lage das Bewusstsein geben, dcrss sie nicht vergessen sind. Wenn genug Hilfsbereitschaft da ist, v.ird es nicht nur möglich sein, die bitterste Not zu lindern, sondern auch einigen der Gefährdesten, die bereits Visen besitzen, die Aus- reise zu ermöglichen. Das Ändere Deutschland hat eine Sammlung eröffnet. Beiträge neh- raen unsere Vertrauensleute entgegen, die Sammelbogen besitzen oder Quittungen ausstellen. Beiträge können auch an unsere Adres- se gesendet oder in unserem Büro (Montag, Dienstag, Mittwoch, Samstag 4—7 Uhr) abgeliefert werden. HELFT SCHNELL! h6 La Otra Alemania PERIODICO ALEMAN ANTIHITLERISTA SUPLEMENTO CASTELLANO TUCUMAN 309 — BUENOS AIRES — No. 30 — Ano HI Desde' Berlin dlrigen a la' "Quinta Columna" que opera en la! Argentina Con maravillosa organizaciön tra- bajan los nazis en las sombras y preparan pacientemente el terreno para el asalto decisivo que, segün ellos, les permitirä conquistar co- mercial, politica y militarmente a la Argentina, asi como a los demäs pai- sea de Centro y Sud America. En la Argentina, la "quinta colum- na" nazi, que segün el Senor Dr. Melo no existe (porque 61 ignora el idioma alemän, la psicologia y los m6todos nazis), tiene como jefes a diplomäticos, cönsules y particulares alemanes que obran segün las ins- trucciones recibidas de Berlin, dispo- niendo de grandes medios financie- ros e influencias en todos los circu- los, en la politica, el comercio, la banca y las fuerzas armadas. (»Qieries son en realidad los jefes supremos de esa "quinta columna" nazi? (,De dönde vienen las ördenes directivas? i Cuäl es el foco princi- pal de donde irradia toda esa propa- ganda nazi ? El que esto escribe ha vivido en Alemania desde noviembre de 1930 hasta el 31 de enero de 1939 y ac- tuö especialmente en los circulos ibe- roamericanog y r